Ausgabe: 2004/30, Im Gespräch, St. Pölten, Krenn, Priesterseminar, Papst, Urlaub, Kinderpornografie, Untersuchung, Spiritual, Köck
20.07.2004 - Kirchenzeitung der Diözese Linz
Auf den Kirchenplätzen war es vergangenen Sonntag das Thema: die Vorgänge rund um das Priesterseminar St. Pölten. Auch in Brasilien wird die Situation der niederösterreichischen Diözese diskutiert, wie der aus Enns stammende und in Barreiras arbeitende Pfarrer Christian Mayr an die KIZ schreibt: Die Geschichte ist sogar in der renommiertesten Zeitung Brasiliens – in der Folha de São Paulo – gekommen. Und natürlich in den großen US-amerikanischen Zeitungen. Wie ist das möglich, dass die Probleme in einer – weltkirchlich gesehen – völlig unbedeutenden Diözese wie St. Pölten so hohe Wellen schlagen? Seit den Missbrauchsfällen in den USA kann sexuelles Fehlverhalten von Priestern und Seminaristen nicht mehr übergangen werden. Das hat Papst Johannes Paul II. mehr als deutlich gemacht und die Latte damit hoch gelegt. Jetzt blickt die ganze Welt nach Rom und schaut, ob der Vatikan sich bückt und unter der Latte durch will oder ob er den Sprung darüber wagt. Und ihn auch schafft.
Unabhängige Untersuchung in St. Pölten gefordert
Kritik: Seminar ist zuletzt Sonderweg in der Priesterausbildung gegangen
Die Staatsanwaltschaft hat nun Strafantrag gegen einen Seminaristen erhoben. Unklar ist, wer diözesanintern die erhobene Vorwürfe untersucht. Viele hoffen, dass der Papst rasch handelt.
In der Affäre rund um das Priesterseminar in St. Pölten hat die Staatsanwaltschaft am Montag einen Strafantrag gestellt. Hintergrund: auf der Computerfestplatte des verdächtigen Seminaristen sei „eine Vielzahl von pornografischen Darstellungen mit Unmündigen“ rekonstruiert worden, teilte der Leitende Staatsanwalt Walter Nemec mit.
Ungeklärte Darstellungen
Gleichzeitig betonte Nemec, „dass homosexuelle Beziehungen zwischen Erwachsenen ohne Zwang oder Missbrauch eines festgestellten und gesetzlich bestimmten Autoritätsverhältnisses nicht unter Strafe gestellt sind“. Daher würden von der Staatsanwaltschaft diesbezüglich „keine Erhebungen geführt“.
Neben der„Computeraffäre“, in der bereits seit November 2003 ermittelt wird und in der nun ein erstes Ergebnis vorliegt, geriet das Priesterseminar vergangene Woche erneut in die Schlagzeilen.
Das Nachrichtenmagazin profil veröffentlichte Fotos, die den Seminarregens Ulrich Küchl und den Subregens Wolfgang Rothe mit Priesterkandidaten zeigen. Die beiden Verantwortlichen, sie sind von ihren Funktionen zurückgetreten, widersprechen der Darstellung, dass es sich dabei um homoerotische Posen handelt. Auch Diözesanbischof Kurt Krenn ist der Überzeugung: „Es war keine Homosexualität.“ Vielmehr hätten sie sich zu „Weihnachten unterhalten, und da ist es halt etwas lebendiger geworden.“ Und der offensichtliche Zungenkuss sei nur ein „Weihnachtskuss“, so Krenn in der kreuz&quer-Diskussion.
Unbekannte Prüfer
Noch am Montag hatte auch das Konsistorium in St. Pölten getagt. Ergebnis der vierstündigen Sitzung des höchsten Beratungsgremiums: diese Angelegenheit werde einer eingehenden Prüfung unterzogen. Berichten zufolge ist eine diözesaninterne Untersuchung bereits angelaufen. Doch bis Redaktionsschluss waren selbst den Mitgliedern des Konsistoriums die Namen derer nicht bekannt, die die Untersuchungen durchführen. Vielmehr, so wird vermutet, würden engste Krenn-Vertraute nun die Vorfälle im Seminar prüfen.
Indes mehren sich die Stimmen, die in der Causa eine Untersuchung von außen fordern. Nur sie, so ein Prälat aus dem Konsistorium, „könne wirklich objektiv sein. Bei der diözesaninternen gibt es so viele Befangenheiten“.
Nicht zuletzt wegen des großen internationalen Medienechos über die Vorfälle in St. Pölten gehen Beobachter davon aus, dass sich selbst der Vatikan rasch der Causa annehmen wird. Es heißt, nach seinem Urlaub im Aosta-Tal sei dem Papst bereits am ersten Arbeitstag, am Montag dieser Woche, ein Akt vorgelegt worden.
Walter Achleitner
HINTERGRUND
Probejahr für Priesterstudenten
Seit 1. Oktober 1999 gibt es in Österreich ein verpflichtendes Probejahr für alle angehenden Priesterstudenten. „St. Pölten hat sich leider in den letzten Jahren davon abgekoppelt“, sagt Prälat Franz Schrittwieser, der dieses sogenannte Propädeutikum leitet. Das Programm ist auf einen Klärungs- und Reifungsprozess angelegt, der nach dem Wechsel in das Priesterseminar der jeweiligen Diözese fortgesetzt wird. Zu den Schwerpunkten, so Schrittwieser, zählt dabei auch der Umgang mit der Sexualität: „Wir haben dazu eigene Kurse, die sich mit der menschlichen Reifung beschäftigen. Aber auch in Einzelsgesprächen mit dem Spiritual, dem geistlichen Begleiter, setzt sich jeder der Kandidaten sehr intensiv mit den Problemen der Sexualität auseinander.“ Bis Herbst 2001 hat Schrittwieser 13 Jahre als Regens das Priesterseminar in St. Pölten geleitet. Zu den Vorfällen meint der Prälat: „Der große Fehler den man in St. Pölten gemacht hat war, dass man bei aller berechtigten Sehnsucht, genügend Priester zu haben, sich bei der Aufnahme von Seminaristen nicht an die Vorgaben gehalten hat, wie sie österreichweit festgelegt sind.“
ZUR SACHE
Aufklärung von Außen
„Ohne einer hoffentlich baldigen Entscheidung Roms vorzugreifen, ist um einer möglichen Schadensbegrenzung willen eine von außen geleitete volle Aufklärung der Vorgänge rund um das St. Pöltner Priesterseminar zu fordern. Der große Schaden, den Bischof Krenn durch das Ausklinken aus dem gemeinsamen Konzept der Priesterausbildung und die von ihm bestellte Vorstehung durch deren eigene Defizite und deren Kandidatenauswahl angerichtet haben, macht nicht an Diözesangrenzen halt. Auch das Diözesanvolk von St. Pölten trifft es zu Unrecht. Es bringt die gute Arbeit unzähliger Priester und Laien in Mißkredit. Zurecht wehren sich deshalb auch jene, die sich nach Meinung Krenns nicht auskennen und die das nichts angeht, bischöfliche Mitbrüder, Priester, Seminaristen und Laien. Die kirchenpolitische Verantwortung für dieses Ärgernis trägt zweifellos Bischof Krenn. Es sollten die nötigen Konsequenzen selbstverständlich sein.
Pfarrer Dr. Walter Wimmer, Sprecher des Priesterrates der Diözese Linz
Weihnachtsfeier
Andreas Köck, Seminarist des Priesterseminars Linz. über die Vorgänge in St. Pölten: „In der Öffentlichkeit werden jetzt alle Seminare über einen Kamm geschoren. Ich kann zumindest sagen: Bei uns sehen Weihnachtsfeiern anders aus. Man kann zwar in niemanden, in kein persönliches Leben hineinsehen, aber ich kann mit gutem Gewissen sagen, dass es das bei uns nicht gibt.“ Und zu den Aufnahmenkriterien meint Köck: „Vorgesehen ist unter anderem ein Gespräch mit einem Psychologen. Wichtig sind auch die Eintrittsgespräche mit dem Regens.“