Statt ein subventioniertes Theater zu leiten, ließ Michael Niavarani zwei eigene bauen. Der Wiener Komödiant über seinen „Sommernachtstraum“, das Lachen in Zeiten der Unsicherheit und die Kunst des Verrisses
„Das ist viel besser jetzt“, schließt Michael Niavarani die Probe ab. Gerade hat der Regisseur die erste Szene von „Sommernachtstraum“ komplett umgestellt. Ko-Regisseurin Helena Scheuba schlägt noch ein paar behutsame Textänderungen vor, dann hat das Ensemble Feierabend. „Sommernachtstraum“ ist die erste vollwertige Schauspielproduktion für das Theater im Park, eine der zwei Bühnen, die „Nia“ mit dem Produzenten Georg Hoanzl betreibt. Geprobt wurde auf der anderen Bühne, im Globe Wien in St. Marx. Hier bittet Niavarani in seine Garderobe.
Falter: Herr Niavarani, gerade ist ja wieder alles scheiße. Vergeht Ihnen je das Lachen?
Michael Niavarani: Das Lachen vergeht mir bei schweren Vergehen gegen die Menschlichkeit, wie sie gerade passieren. Trotzdem: Wenn ein Witz über etwas gemacht wird, das mir wehtut, lache ich darüber. In diesen Sekunden – das sagen Psychologen – empfinde ich weder Schmerz noch Traurigkeit. Man kann während des Lachens keine andere Emotion haben. Deshalb muss man auch über was Grausliches Witze machen – nicht zwanghaft, aber wenn einem einer einfällt, sollte man ihn auf keinen Fall zurückhalten.
Lacht das Publikum zurzeit anders, heftiger?
Niavarani: Das vielleicht nicht, aber das Lachen bekommt eine andere Bedeutung. So wie man erst merkt, wie sehr man jemanden liebt, wenn er weg ist, erkennen wir erst jetzt, was für eine reinigende Wirkung die Komödie hat.
Das letzte Falter-Interview mit Ihnen erschien Ende März 2020. Wie denken Sie an den ersten Lockdown zurück?
Niavarani: Mein Gott, was das für eine schöne Zeit war: Es gab den Krieg noch nicht, und es waren noch viel weniger Leute krank. Jetzt stecken sich rundherum alle an, und wir wollen so weitermachen, als wäre nichts. Und es ist ja auch nichts. Corona entwickelt sich in eine gute Richtung, finde ich. Gleichzeitig ist die Verwirrung größer. Entscheidungen werden aufgrund von Statistiken getroffen, aber ich als Einzelperson kann natürlich nur anekdotisch vorgehen. Haben von meinen acht Freunden fünf einen schweren Verlauf, sage ich: Die Wissenschaftler sind Trotteln, ich hab ja gesehen, dass alle krank werden. Eigentlich müsste man sich pro Lebensentscheidung mehrere dicke Bücher kaufen. Was ich übrigens mache! Ich lese sie halt nicht. Zu Viren und historischen Pandemien habe ich, glaube ich, acht Bücher gekauft, auch ein Mathematikbuch über Wahrscheinlichkeit. Angelesen, weggelegt. Aber es beruhigt mich, dass sie da sind.
Hatten Sie wenigstens zum Zeitpunkt des Bücherkaufs die Absicht, sie zu lesen?
Niavarani: Ja! Wenn ich nicht gerade im Endprobenstress bin, vergeht kein Tag, an dem ich nicht zumindest ein paar Seiten lese. Das ist ein Ritual, das ich brauche. Wenn mich ein Buch fasziniert, halte ich mich mit Kaffee wach, um es fertigzulesen.
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