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www.rhetorik.ch aktuell: (15. Juli, 2004)

Wie Bischof Kurt Krenn eine Affaire klein redet.



Kurt Krenn Im nahe von Wien gelegenen Seminar von St Poelten sind vor Monaten Tausende von Kinderpornobilder gefunden worden. Anfangs Woche brachte das Newsmagazin "Profil" Fotos, die einen Regens und Subregens zeigten, wie sie Seminarstudenten zu küssen und begrabschten scheinen. Die Rektoren sind zurückgetretetn, doch der verantwortliche Bischof, Kurt Krenn spielt die Sache als "Bubenstreich" runter und will nichts von einem Rücktritt wissen. Die Geschichte liefert interessantes Anschaungsmaterial in Krisenmanagement.


Nach dem Sex-Skandal am katholischen Priesterseminar von St. Pölten werden die Forderungen nach einem Rücktritt des Bischofs Kurt Krenn immer lauter. Bei einer Fernsehdiskussion im ORF übernahm Krenn am Dienstag zwar die Verantwortung für die Ereignisse an seinem Seminar in Österreich. Er lehnten einen Rücktritt jedoch weiter kategorisch ab. Gleichzeitig betonte Krenn mit dem Skandal

"überhaupt nichts zu tun"


zu haben und beschuldigte die Presse zum wiederholten Mal die Geschichte "aufgebauscht" zu haben. Jegliche Einmischung seiner bischöflichen Kollegen in den Fall verbat sich der umstrittene Bischof:

"Das geht die Bischofskonferenz einen Dreck an"


sagt er der Illustrierten "News".

Der Ombudsmann der Erzdiözese Wien für Opfer sexuellen Missbrauchs, Helmut Schüller, forderte den 68-Jährigen öffentlich auf, sein Amt niederzulegen. Erst dann sei eine vollständige Aufklärung der Geschehnisse möglich. Krenn setzte unterdessen selbst eine Kommission ein, die den Skandal aus Sicht der katholischen Kirche untersuchen soll. Ein Sprecher des Vorsitzenden der Österreichischen Bischofskonferenz, Kardinal Christoph Schönborn, sagte dem "Münchner Merkur", es bestehe "grösster Handlungsbedarf". Inzwischen hat die Kriminalpolizei nach eigenen Angaben einen Seminaristen überführt, der in dem Priesterseminar Kinderpornos aus dem Internet heruntergeladen hat. Nach Angaben der Illustrierten "News" handelt es sich um einen 33-jährigen polnischen Studenten, der dabei überwiegend auf einschlägige polnische Internetseiten zurückgegriffen habe. Bei Durchsuchungen der Räume des Seminars in Niederösterreich hatte die Kriminalpolizei in den vergangenen Monaten auf Computern tausende pornografische Fotos, darunter auch Kinderpornografie, entdeckt. Das Priesterseminar in St. Pölten, wo zurzeit etwa 40 Studenten eingetragen sind, sei seit zwei Jahren einen Sonderweg gegangen und habe bei der Auswahl der angehenden Priester nicht auf deren psychischen Hintergrund geachtet.

Der massige Bischof Krenn redet die Sex-Geschichten klein: Es gebe trotzdem weiterhin

"keinerlei Beweise"


für einen Skandal im Priesterseminar. In den Medien wurde Krenn verschiedentlich mit Schweissperlen auf der Stirn abgebildet. er St. Pöltner Bischof Kurt Krenn trat schon früher immer wieder in den Talksendungen auf. Seine ungschminkten Formulierungen garantierten stets Einschaltquoten. Die Weihnachtskussszenen und eindeutige "zweideutige" Aufnahmen bezeichnet Klenn als

"Übertreibung und Mache."


Für Homosexualität im Seminar gebe es bis heute "keinerlei Beweise", so Krenn in der ORF-Sendung "Kreuz und Quer". Gleichzeitig betonte der Bischof:

"Ich hatte mit diesen Dingen, obwohl sie natürlich in meine Zuständigkeit fallen, überhaupt nichts zu tun."


Das Foto, das den zurückgetretenen Subregens beim Kuss mit einem Priesterschüler zeigt, sei nicht eindeutig.

"Es war eine Weihnachtsfeier und am Schluss haben sie sich den Weihnachtskuss gegeben."


Krenn bezeichnet die Sache lediglich als

"Bubendummheit".




(Bildquelle: Bild online) Nach New York Times, zeigt ein Foto mit Subregens Rev. Wolfgang Rothe in einer Umarmung mit einem Seminarschüler wie er ihn auf den Mund küsst. Ein anderes Foto zeigt den Regens Rev. Ulrich Küchl mit seiner Hand über dem Schnitt eines anderen Mannes, der einen Priesterkragen trägt. Beide sind zurückgetreten.


Die Psychotherapeutin Rotraud Perner beurteilt die Kuss-Fotos als "Blödelfotos" - "infantil" und "kindisch". Gleichzeitig sei jedoch ein Zungenkuss aus sexualwissenschaftlicher Sicht Geschlechtsverkehr.

"Das ist etwas sehr Intimes, das sollte nicht verblödelt werden,"


so Perner. Der Druck auf St. Pöltens Diözesanbischof Kurt Krenn wird immer größer. Nach Ansicht des Sprechers von Wiens Erzbischof Christoph Schönborn, Erich Leitenberger, widmet Rom den Vorkommnissen im St. Pöltner Priesterseminar höchste Aufmerksamkeit. Man könne davon ausgehen, dass sich der Vatikan sehr genau mit der Sache beschäftigt.

Während mit Ulrich Küchl und Wolfgang Rothe, dem Regens und Subregens des Priesterseminars, bereits zwei in die Affäre verstrickte Geistliche zurückgetreten sind, lehnte Bischof Krenn diesen Schritt gestern entschieden ab. Auch Gerüchte, dass der Vatikan einen Koadjutor - einen Weihbischof, der später Krenns Nachfolge antreten soll - als "Aufpasser" nach St. Pölten schicken werde, schlug Krenn in den Wind:

"Ich habe keinen Koadjutor bis jetzt und weiß auch nichts davon."


Aus dem Vatikan gab es gestern keinen Kommentar zum Sex-Skandal um das Priesterseminar. Bischof Karl Josef Romer, Sekretär des päpstlichen Rats für die Familie, erklärte lediglich: "Zweideutiges Verhalten wird nicht geduldet." Deutlich härter gingen heimische Kirchenvertreter mit Krenn ins Gericht: Der Pastoraltheologe Paul Zulehner bezeichnete die Affäre als die "letzte Ernte" einer völlig verfehlten Bischofsernennungspolitik Roms. Krenn solle endlich zur Kenntnis nehmen, "Ich bin krank, mir setzt der Alkohol zu sehr zu", so Zulehner. Die Konsequenz könne nur sein, dass Krenn das Amt verlässt. Wenn er das nicht freiwillig mache, müsse man die Bischofskonferenz und die Verantwortlichen in Rom auffordern, rasch zu handeln, so Zulehner. Auch der Vorsitzende aller Priesterseminar-Leiter, Martin Walchhofer, übt heftige Kritik an Krenn: "Es ist erschütternd, dass das passiert. Die Verantwortung trägt der Bischof." diplomatischer gaben sich Österreichs Bischöfe, sie verwiesen auf die Stellungnahme der Bischofskonferenz: "Im Hinblick auf die Berichte über das St. Pöltner Priesterseminar herrscht dringender kirchlicher Handlungsbedarf."





Domherr von Chur Schlagzeile Nachtrag vom 18. Juli: Der Domherr von Chur giesst Oel ins Feuer

Die "Weihnachtskussgeschichte" wurde in den meisten Boulvardblätter ein Thema. Auch in den Schweizer Medien. Mit Canettis Verlautbarung über die Möglichkeit, Schwule hätten heute gute Chancen, therapiert zu werden, sei gross, goss der Domherr Oel ins Feuer. Das unliebsame Thema gelang erneut in die Schlagzeilen. Wahrscheinlich wäre der Domherr gut beraten gewesen, in dieser "krisenähnlichen" Situation (Skandalgeschichten in einem Priesterseminar) vorerst einmal zu schweigen. Im Gegensatz zum Fall Fetz, wäre jetzt Schweigen Gold gewesen.




Nachtrag vom 20. Juli, 2004: Aufschlussreicher Kommentar von Peter Mayr zum Pölten Skandal.

Auch wenn sich der Vatikan Zeit lässt, im Fall Krenns könnte es rascher Konsequenzen geben - zu schwer wiegend sind die Vorwürfe, zu groß die Versäumnisse. Kurt Krenn hat als Leiter einer Diözese versagt. Sein Sonderweg fernab der anderen Diözesen ist gescheitert. Dass die anderen Bischöfe die kirchliche Tradition unerbittlicher Diskretion über Bord werfen und offen gegen ihn Stellung beziehen, ist verständlich, aber unüblich. Es soll nicht die gesamte Kirche Österreichs auf der Anklagebank landen.

Man hat offenbar aus der Causa Groer gelernt - nur nicht in St. Pölten. Jede Diözese verfügt über eine Ombudsstelle, die bei Missbrauchsverdacht sofort aktiv wird - bis auf St. Pölten. Jeder, der in ein Priesterseminar geht, muss eine Art Probejahr absolvieren - nur nicht in St. Pölten.

Kurt Krenn ist, wenn man so will, eine kirchliche Altlast. Ein Reformverweigerer, der bis zuletzt an längst infrage zu stellenden Traditionen festhält. Aus dieser Glaubenswelt erklärt sich auch die schon lächerlich wirkende Weigerung, das Evidente zur Kenntnis zu nehmen.

So werden aus Zungenküssen "Bubenstreiche". So sieht man auch keine Beweise für Homosexualität im Priesterseminar.

Dabei wird verdrängt und geleugnet, was das eigentliche Fatale an der Angelegenheit ist: Es geht nicht und ging nie um die sexuelle Ausrichtung Erwachsener, sondern darum, ob im Priesterseminar sexuelle Ausbeutung Abhängiger praktiziert wurde. Dass im Seminar Websites angeschaut worden sind, deren Inhalt eindeutig Kinderpornografie ist, weist zudem in Richtung Pädophilie. Das ist der eigentliche Skandal, das ist der unerträgliche Kern der Affäre, dem sich Krenn - noch - nicht stellen will.

Nun ist ja seit längerem klar, dass die Kirche mit gelebter Sexualität - egal welcher Neigung - nicht wirklich souverän umgeht. Mindestens ebenso verklemmt und die Fakten des Geschehens missachtend läuft allerdings die öffentliche Diskussion über die Vorfälle in St. Pölten ab. Schnell wird da eine Kausalkette Kirche-homosexuell-Missbrauchsgefahr geknüpft, die so nicht halten kann.

Homosexualität führt wie Heterosexualität nicht automatisch zu Kindesmissbrauch. Der Zölibat hat grundsätzlich weder mit dem einen noch dem anderen etwas zu tun, und schon gar nicht bedingt er das Dritte.

Die Debatte über den Skandal zeigt, wie hilflos auch die säkularisierte Gesellschaft einem Phänomen gegenübersteht, das sie seit jeher betrifft und das erst in den letzten Jahren offener angesprochen wurde. Jedes dritte bis vierte Mädchen, jeder siebte bis achte Bub wird zwischen dem ersten und sechzehnten Lebensjahr Opfer von sexueller Gewalt, belegt eine Studie des Sozialministeriums. Die Täter sind in den meisten Fällen Familienmitglieder - und auch hier wird geleugnet und vertuscht, was das Zeug hält.

Deshalb sind die Vorkommnisse in St. Pölten nicht herunterzuspielen, sie müssen vielmehr zu dem Schluss führen: Kindesmissbrauch ist kein Phänomen, das exklusiv auf homoerotisch konnotierte Strukturen beschränkt ist. Es betrifft die ganze Gesellschaft. Diese ist es ihren Kindern schuldig, das Problem im Gesamtkontext zu lösen.




Nachtrag vom 25. Juli: Papst ernennt einen "apostolischen Visitator"

Papst Johannes Paul II. hat einen Bischof zur Aufklärung des Sexskandals in einem Priesterseminar in die österreichische Diözese St. Pölten entsandt.

Der Vorarlberger Bischof Klaus Küng solle im Auftrag des Papstes die Probleme in der Diözese und vor allem im Priesterseminar untersuchen, teilte der Vatikan am Dienstag mit. Der Wiener Erzbischof Kardinal Christoph Schönborn sagte, der Papst habe in möglichst kurzer Zeit gehandelt.

Die Ernennung eines "apostolischen Visitators" sei eine außergewöhnliche und seltene Maßnahme, fügte er hinzu.

Die schnelle Entscheidung des Vatikan stand im Gegensatz zum langsamen Vorgehen gegen Priester in den USA, die Kinder missbraucht hatten.

Die Staatsanwaltschaft St. Pölten eröffnete wegen der pornografischen Bilder ein Verfahren gegen einen 27-jährigen Priesterschüler aus Polen.

Der vom Papst entsandte Ermittler oder "Visitator" hat die Aufgabe, sich mit den Problemen der Diözese zu befassen, dem Papst Bericht zu erstatten und Empfehlungen für das weitere Vorgehen abzugeben. Der Bischof von St. Pölten, Kurt Krenn, hat es bislang abgelehnt, wegen der Vorfälle in seiner Diözese zurückzutreten. Der Ermittler müsse auch dafür sorgen, dass die Ordnung der Weltkirche in der Diözese und besonders auch im Seminar respektiert werde, sagte Schönborn. Damit sind Bischof Krenn in der Führungsfunktion die Hände gebunden. Alle Entscheide werden vom Visitator begutachtet.

Vor neun Jahren waren gegen den damaligen Wiener Erzbischof Kardinal Hans Hermann Groer Vorwürfe wegen des sexuellen Missbrauchs von Jungen erhoben worden. Groer wurde vom Vatikan ein Nachfolger zur Seite gestellt, bevor er in den Ruhestand trat und sich in ein Kloster zurückzog.

Dem Vatikan macht bis heute ein Sexskandal zu schaffen, der vor zwei Jahren die Kirche in den USA betraf. Damals war bekannt geworden, dass Bischöfe Priester, die Kinder sexuell missbraucht hatten, nur versetzt hatten, anstatt sie ihres Amtes zu entheben oder die Polizei zu informieren.

Dass der Papst einen Kontrolleur eingesetzt hat, ist nach den Medienberichten aussergewöhlich und bedeutet faktisch eine Entmachtung Krenns. Im Fernsehen sah man den Titel "Krenn entmachtet". Die Verfügungsgewalt (auch über das Priesterseminar) hat Visitator Küng übernommen.

Kenn, der bisher alles klein geredet hatte und sonst immer gerne viel gesprochen hatte - ist verstummt und es heisst, er sei in den Ferien.




Nachtrag vom 30.7: Weiterer Rücktritt im Priesterseminar.

Der Leiter des Seminars am Priesterseminar St. Pölten, Ulrich Küchl, ist zurückgetreten. Das solle "eine Beruhigung der Lage erreichen." Der neue "Regens" ist Pater Werner Schmidt.

Regens Ulrich Küchl ersuchte in einem Schreiben an Diözesanbischof Kurt Krenn darum, seinen Rücktritt "trotz der Haltlosigkeit der gegen ihn erhobenen Vorwürfe und Verleumdungen" anzunehmen. Diözesanbischof Kurt Krenn hat den Rücktritt von Ulrich Küchl, wie es in einer Aussendung heisst, schweren Herzens angenommen.

Krenn schreibt (gegenüber den Medien ist ihm ein Maulkorb verhängt worden), es seien in den letzten Tagen auch eine Reihe von Menschen an ihn herangetreten, um unter Hinweis auf Küchls bemerkenswerte menschliche, intellektuelle und geistliche Qualitäten die Haltlosigkeit der gegen Küchl erhobenen Anschuldigungen zu bezeugen.

Kern der Anschuldigungen gegen Regens Küchl ist, der Leiter des Seminars habe homosexuellen Kontakt zu einem der Priesteramtsanwärter gehabt. Küchl wolle mit seinem Rücktritt "eine Beruhigung der angespannten Lage erreichen". In seinem Schreiben heisst es:



"Die in den Medien verbreiteten Verleumdungen eines ehemaligen Seminaristen gegen meine Person haben einen so negativen Einfluss auf die öffentliche Meinung ausgeübt, dass meine weitere Amtsausübung wahrscheinlich eine schwere Belastung für das Priesterseminar und die Diözese St. Pölten darstellt."


Im Zusammenhang mit den Vorwürfen, dass Kinderpornografie auf Computern des Seminars gefunden wurden, ermittelt die Staatsanwaltschaft noch. Die Untersuchungen der beschlagnahmten Laptops von Priesteramtsanwärtern im Seminar von St. Pölten sind nach Angaben von Staatsanwalt Walter Nemec noch nicht abgeschlossen.



"Richtig ist, dass auf diesen Laptops Tausende von Fotos gefunden worden sind - es ist aber noch nicht geklärt, welchen Inhalts diese sind."


Bisher wurde pornografisches Material nur am "Hauptcomputer" des Priesterseminars gefunden wobei es noch zu ermitteln gebe, wer für die Fotos verantwortlich ist. Nemec bestätigte, dass die am Hauptcomputer gespeicherten Bilder zum Teil sexuelle Handlungen mit Unmündigen und auch Tieren zeigen. Er schätzt, dass die Untersuchungsergebnisse bald vorliegen könnten.




Nachtag vom 31. Juli, 2004 Einige Passagen aus dem letzten Interview mit
Bischof Krenn aus der Netzeitung vom 30. Juli zeigen, dass es dem angeschlagene Bischof an Selbstkritikfähigkeit fehlt: (Das Interview führte Hubert Wachter):


NEWS: Als was sehen Sie denn die 'Causa St. Pölten'? Eine kircheninterne Intrige, wie dies Ihr Seminars-Regens Küchl diagnostizierte? Sie selbst sagen, es sei gar nix dran.
Krenn: Wenn ich sage, nix dran, meine ich - ich sehe keine substanziellen Verfehlungen von irgendjemandem, der dafür zur Verantwortung gezogen werden könnte. Ich sehe sie nicht, diese Dinge. Die soll mir erst einer zeigen, dann würde darüber zu reden sein.
NEWS: Zur Visitation. Waren Sie vom Papst enttäuscht, dass er diese angeordnet hat?
Krenn: Nein. Das gehört zum Normalen. Was man da behauptet hat, von wegen meiner Entmachtung oder einem Kontrollor für mich, oder die Visitation sei sehr selten, das stimmt ja alles nicht. In der Weltkirche wird immer wieder visitiert, in Orden, in Diözesen. Das ist nichts Außergewöhnliches. Es ist doch gut, wenn man so in eine Sache Klarheit hineinbringt.
NEWS: Was Ihr Redeverbot während der Visitation betrifft, sagten Sie, da kenne sich Kardinal Schönborn nicht aus. Ist er Ihr schärfster Gegner?
Krenn: Das kann ich nicht bestätigen, aber auch nicht in Abrede stellen. Wir haben nicht allzu viel Kontakt miteinander.
NEWS: Sind Sie von Ihren Kollegen Bischöfen und deren Reaktionen Ihnen gegenüber enttäuscht?
Krenn: Nein. Ich kenne die Meinen, und die Meinen kennen mich. Ich bin nicht überrascht, nein, auch nicht über andere, die da jetzt so empört sind.
NEWS: Aber für die Gläubigen ist es doch seltsam zu hören, man habe mit Ihnen Probleme wegen Ihrer Gesundheit, Ihrer harten Sprache, Ihrer mangelnden Kommunikationsfähigkeit.
Krenn: Zunächst - ich bin zurzeit wirklich gesund. Das andere habe ich selber gar net gehört und hab das deshalb so auch nicht zur Kenntnis nehmen müssen. Aber wenn's g'sagt wird, mein Gott, ja, es ist schon viel gesagt worden, was nicht stimmt.
NEWS: Aber Kardinal Schönborn und die Bischofskonferenz sagen, Sie hätten den vorgeschriebenen Ausbildungsweg verlassen. Wenn das so war, wieso wurde Ihnen das nicht schon längst untersagt?
Krenn: Die Bischofskonferenz kann nichts untersagen, die kann einem Bischof nicht einfach was verbieten. Denn die Konferenz ist wesentlich weniger mächtig als jeder einzelne Bischof.
NEWS: Was jetzt - sind Sie einen Sonderweg gegangen oder nicht?
Krenn: Ich war einer jener, die sehr für das Priesteranwärter-Vorbereitungsjahr eingetreten sind. Habe aber bald bemerkt, dass das de facto ein falscher Weg mit falschen Optionen ist. Nun - ich muss das auch nicht machen. Also, was hier in St. Pölten passierte, ist ganz normal. Jetzt wird halt vieles übertrieben. Außerdem ist zu sagen: Ich hatte wenigstens mehr Seminaristen im Priesterseminar als andere, was aber nicht unbedingt ein Zeichen des Besseren, aber doch ein Zeichen ist, dass sich was bewegt und rührt.
NEWS: Zu den Folgen der Visitation. Zu Jahresbeginn sagten Sie zu uns, Sie würden keinesfalls einen Koadjutor an Ihrer Seite akzeptieren. Damals ging es um die Nachfolge Ihres Weihbischofs Alois Fasching. Jetzt geht es um sehr viel mehr. Würden Sie einen Koadjutor an Ihrer Seite akzeptieren?
Krenn: Ich weiß nicht, was im Fall Fasching ist, für mich ist der Weihbischof nach wie vor im Amt. Und wenn Rom einen Bischofs-Koadjutor in St. Pölten will, muss ich diesen akzeptieren. Ich hätt zwar keine große Freude damit, weil ich glaube, dass das nicht die Lösung der Dinge wäre. Aber in dieser Frage Gehorsam zu üben ist kein Problem für mich.
NEWS: Wenn dieser Koadjutor etwa der Sekretär der Bischofskonferenz wäre, Mag. Dr. Ägidius Zsifkovics, dessen Namen man schon da und dort dafür hört?
Krenn: Ach, der ist in Ordnung.
NEWS: Wann, meinen Sie, kommt die "Causa St. Pölten" zur Ruhe?
Krenn: Na ja, wenn der Krenn einmal stirbt...
NEWS: Bleiben wir in der mittelbaren Zukunft: Bis wann erwarten Sie ein Ergebnis der Visitation und die Reaktion - Schuldspruch oder Freispruch - aus Rom?
Krenn: Also, einen Schuldspruch wird's überhaupt nicht geben, weil keine Schuld in dem Sinn da ist. Aber wie lang das jetzt alles dauert und wie irrtumsfrei das alles sein wird, kann ich nicht sagen.
NEWS: Was bedeuten für Sie persönlich die Vorfälle in Ihrer Diözese? Enttäuschung oder was?
Krenn: Ich bin keiner, der irgendwo sich enttäuscht, weil wir alle selber genug am Buckel haben. Ich bin auch nicht einer, den man so schnell umschmeißt.
NEWS: Bischof Krenn, ein Steher selbst in dieser Situation?
Krenn: Ja, das ist besonders und vor allem auch mein Spaß am Widerspruch. Kein billiger Spaß, sondern meine Fähigkeit und mein Spaß zum Widerspruch.
NEWS: Geht's nicht auch um einen Kampf innerhalb der Kirche?
Krenn: Sicher, na klar, so wie eben auch die Apostel untereinander gestritten haben. Jeder meint, Gott einen Dienst zu tun, das Richtige zu tun. Außerdem sind wir in der Kirche nicht so gut, wie wir ausschauen. Es geht um Neid, um Eingebildetheiten. Das spielt im Fall St. Pölten auch eine gewisse Rolle. Es geht mehr um persönliche Differenzen. Sie ausräumen ist schwer, da bräucht's ein Wunder.




Nachtrag vom 1. August, 2004: Bischof Krenn: 'Ich habe nichts vertuscht'

Der St. Pöltner Diözesanbischof Kurt Krenn hat den Vorwurf zurückgewiesen, die Vorgänge rund um die Kinderporno-Fotos im diözesanen Priesterseminar vertuscht zu haben. In einem Interview mit dem "Volksblatt" sagte er:

"Am ersten Tag, nachdem mir das bekannt geworden ist im November, habe ich es sofort dem Sicherheitsdirektor angezeigt. Aber das übersieht man ja immer geflissentlich. Da ist keine Spur von Vertuschen. Ich weiß auch, dass diese Kinderpornogeschichten äußerst heikel sind."


Zu den weiteren Vorfällen im Seminar - den Fotos von Regens und Subregens - meinte der Bischof:

"Was soll ich da herumphilosophieren: Das muss geklärt werden. Es gibt auch die Möglichkeit, dass an den Fotos herumgepfuscht wurde."


Gefragt, ob er 2005 noch Bischof von St. Pölten sei, antwortete Krenn:

"Wenn der liebe Gott es will, ja selbstverständlich."


Er selbst könne es nicht sagen, denn:

"Ich könnte in der Zwischenzeit hinaufgefallen sein. Oder hinunter. Vielleicht lebe ich gar nicht mehr. Es ist ja alles möglich."


Übrigens: In dieser Geschichte geht es weniger um Vertuschung, sondern um "Beschönigung" und vom "Sachverhalte klein reden".




Nachtrag vom 5. August, 2004:

Bischof Kurt Krenn hat seinen Kurzurlaub im Mühlviertel beendet und nimmt seine Amtsgeschäfte in St. Pölten wieder auf, berichten die "Oberösterreichische Nachrichten". Gegenüber der Zeitung betonte Krenn, er werde seinen Stil nicht ändern. Er machte auch deutlich, dass er sich durch die Apostolische Visitation nicht eingeschränkt fühle:

"Ich bin nicht entmachtet, ich darf alles."


Bischof Krenn scheint zur Kategorie von Menschen zu gehören, die Fakten einfach ausblenden können.




Nachtrag vom 9. August 2004: Vatikan Geheimplan?

Im Sexskandal in St. Pöllten soll der Vatikan-Geheimplan angewendet werden. Offiziell will Rom noch nicht eingreifen.

Der Papst Johannes Paul II musste seinen Urlaub in dem Dorf Les Combes im Aosta-Tal unterbrechen, weil sich der Fall St. Pölten entwickelt so dramatisch entwickelt hatte. Statt eine Spazierfahrt in die Berge zu unternehmen, musste der Papst die peinlichen Einzelheiten erfahren, die sich in dem österreichischen Priesterseminar abgespielt haben. Sogar von Mord ist inzwischen die Rede. Ein Priesterschüler wurde im Oktober 2003 tot aus der Donau gefischt. Die Obduktion ergab, dass der Mann ertrunken ist - Fremdverschulden nicht ausgeschlossen.

Der Vatikan müsste nun handeln, will dies aber auf keinen Fall offiziell tun. Bischof Kurt Krenn (68), der die Verantwortung für den Sexskandel übernommen hat, ihn gleichzeitig aber herunterspielt, kann nicht bleiben - das ist allen klar. Der Vatikan kann ihm einen entscheidenden Fehler nicht verzeihen: Krenn sprach von "Bubenstreichen". Damit unterstellt er aber, dass auch in anderen Priesterseminaren homosexuelle Praktiken geduldet werden. Der Bischof hätte seinen Rücktritt anbieten müssen, den der Vatikan sicherlich abgelehnt hätte. Krenn hätte dann auf sein Ausscheiden bestanden müssen. Der Vatikan hätte dann dem Drängen nachgegeben, und alle hätten das Gesicht gewahrt. Ein hochrangiges Kurienmitglied äusserte sich wie folgt:



"Wenn in der Öffentlichkeit ein Foto auftaucht, auf der der Leiter eines Pristerseminars einen Studenten leidenschaftlich küsst, muss ein Bischof gehen."


Der Vatikan will offenbar nach bewährtem Geheimplan vorgehen. Kardinal Bernard Francis Law stand im Jahre 2001 in Boston (USA) im Zentrum eines Kindersexskandals. Er blieb ebenfalls im Amt. Der Vatikan ließ einige Wochen verstreichen, um eine Untersuchungskommission arbeiten zu lassen.

Im Fall Krenn ermittelt jetzt die Kommission der österreichischen Bischofskonferenz. Nach einigen Wochen wurde Kardinal Law nach Rom gebeten zu einem Gespräch über ein völlig anderes Thema. Danach trat Law aus gesundheitlichen Gründen zurück. Auch bei Bischof Krenn dürfte es ähnlich laufen.

Trotzdem ist man im Vatikan nervös. Schon bei Law gab es Befürchtungen, dass er aus Angst vor einer Verhaftung der amerikanischen Polizei in den Vatikan fliehen könnte. Der Kirchenstaat unterhält mit keinem Staat der Welt ein Auslieferungsabkommen. Ein Bischof wäre dort also sicher. Doch der Skandal, eine Strafverfolgung zu verhindern, hätte der Weltkirche ungeheuer geschadet.

Auch jetzt könnte es zu dieser peinlichen Situation kommen. Möglicherweise wird man Krenn wie schon Law einen "Kompromiss" vorschlagen. Im Frühjahr 2004 wurde Bernard Law zum Erzpriester der Kirche von Santa Maria Maggiore ernannt - ein "ehrenvoller" Abschiebeposten.




Klaus Kueng
Klaus Kueng
Nachtrag vom 12. August, 2004: Bischof Küng schliesst Seminar, "neuer Anfang" notwendig.

Das Priesterseminar der Diözese St. Pölten ist mit sofortiger Wirkung geschlossen. Die Vorfälle im vergangenen Studienjahr hätten einen völligen Neuanfang notwendig gemacht, sagte der Päpstliche Visitator Bischof Klaus Küng bei einer Pressekonferenz in St. Pölten.

Alle bisherigen und zukünftigen Priesteramtskandidaten müssen sich demnach einem Aufnahmeverfahren unterziehen. Die katholische Hochschule St. Pölten bleibe jedoch auch im nächsten Studienjahr geöffnet.

Zum einen sei in den vergangenen Jahren zu wenig Sorgfalt auf die Auswahl der Kandidaten verwandt worden, erläuterte Küng. Zum anderen habe es schwer wiegende Fehlentwicklungen gegeben. Dies sei spätestens durch die pornografischen Bilder deutlich geworden, die von einigen Seminaristen "geradezu suchtartig" aus dem Internet heruntergeladen wurden. Sehr schmerzhaft sei für ihn auch die Feststellung gewesen, dass sich im Seminar "aktive homophile Beziehungen gebildet" hätten.




Noch ist nicht klar, was mit Krenn passieren wird. Bischof Klaus Küng, der derzeit die Apostolische Visitation in der Diözese St. Pölten durchführt und die Schließung des dortigen Priesterseminars bekannt gab, wollte sich Donnerstag Abend nichts zur Zukunft des St. Pöltner Bischofs Kurt Krenn entlocken lassen. "Ich möchte nicht vorgreifen", betonte Küng. Er könnte als "Trost" zum Titular-Erzbischof ernannt werden - also einer real nicht mehr existierenden Diözese.

Im Zusammenhang mit dem Fall Krenn ist von einem Anstieg der Kirchenaustritte in Wien von 40 Prozent, in Vorarlberg sogar um 50 Prozent die Rede (gegenüber dem Vorjahr).

Kenner der katholischen Kirche gehen davon aus, dass der Vatikan beim uneinsichtigen Bischofs Krenns eine Lösung finden muss, um den angerichteten Schaden in Grenzen zu halten.




Nachtrag vom 19. August, 2004: Der Vatikan wusste anscheinend über St. Pölten Bescheid.

Die Österreichs Bischofskonferenz, der Vatikan und der St. Pöltener Bischof Kurt Krenn sollen bereits seit mehr als zwei Jahren von homosexuellen Ausschweifungen im Priesterseminar von St. Pölten gewusst haben. Obschon der Vatikan ein Interviewverbot verhängt hatte, äusserte sich trotzdem ein Seminarist zur Sex-Affaire.
Nach Südwestrundfunk soll ein Vertrauter des inzwischen zurückgetretenen Bischofs Krenn schriftlich vor dem "Priesterseminar als Freudenhaus für Homosexuelle" gewarnt haben. Die Dokumentation mit den Titel "Das Sex-Tabu. Priesterseminare im Zwielicht" soll im ARD erscheinen. Der Vatikan liess zwar die Ausbildungsstätte inzwischen schließen. Der vom Papst eingesetzte apostolische Visitator, Bischof Klaus Küng, sagte der ARD, er sei auf eine "Mauer des Schweigens" gestoßen; alle Leitungsfunktionen im Bistum müssten neu besetzt werden.
Derweil bestätigte die Deutsche Bischofskonferenz, dass sie in einer vertraulichen Studie Richtlinien zum Umgang mit schwulen Priestern und Seminaristen festgelegt hat. In dem 1999 verfassten Papier, heißt es nach SWF:

"Ein homosexuell veranlagter Priesterkandidat, dessen geistliches Leben deutliche Anzeichen einer Berufung zum Priestertum aufweist, könnte, wenn er in überzeugender Weise sexuelle, personale und geistliche Reife und Integration zeigt und zur zölibatären Lebensweise bereit und fähig ist, zur Weihe zugelassen werden."


Ein Priester dürfe sich aber nicht öffentlich als schwul outen und müsse "einschlägige Treffpunkte für Homosexuelle meiden". Homosexualität soll hinter den Kirchenmauern offen gelebt worden sein. Ein St. Pöltener Seminarist soll gesagt haben: "Es war ein richtiger Sumpf. Es ist sehr schmerzhaft, dass der Vatikan sich erst durch die Medien zwingen lässt zu reagieren. Das ist traurig." Der österreichische Priesteramtsanwärter hatte nach eigenen Angaben in den vergangenen Jahren an verschiedenen "Sex-Festen" im Seminar teilgenommen und sagte: "Es wurden homosexuelle Beziehungen geführt zwischen beiden Regenten zu den Seminaristen." Das Ganze sei "moralisch unterm Hund" gewesen. Erich Leitenberger, Pressesprecher der Erzdiözese Wien, kann mit der ARD-Vorabmeldung "relativ wenig anfangen" und will sich vor einer ausführlichen Kommentierung erst einmal die TV-Dokumentation ansehen. Leitenberger betonte aber: Die Dinge, die nun bei der Visitation durch Bischof Klaus Küng großes Aufsehen erregt hätten, "die Vorwürfe gegen Regens und Vize-Regens - die waren sicher vor zwei Jahren nicht bekannt". Und: "die Geschichte mit der Kinderpornographie ist im November des Vorjahres bekannt geworden". Kardinal Christoph Schönborn habe dazu im ORF-Fernsehen bereits deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er in Sachen Kinderpornographie damals sofort den Vatikan verständigt habe, aber leider zuerst keine Reaktion gekommen sei.




Nachtrag vom 28. August, 2004: Deix Karikaturen.

Der Zeichner Manfred Deix eröffnete diese Woche eine Ausstellung in Frankfurt. Deix gilt als unbequemer Satiriker. Der "Spiegel" schreibt zur 1997 gemachten Krenn Karikatur "Marilyn Krenn": "Die Wirklichkeit ist viel schlimmer".
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Manfred Deiss Marilyn Krenn (1997) Deix Karikatur
Eine andere Karikatur im "Facts":




Nachtrag vom 11. September, 2004:

Der Vatikan legt Bischof Krenn nahe, aus gesundheitlichen Gründen zurückzutreten. Ein Papst der selbst schwer krank ist und sein Amt nicht niederlegen will, macht sich mit diesem Argument unglaubwürdig. Im Fall Krenn müsste Klartext gesprochen werden. Die vorgeschobenen "gesundheitlichen Gründe" finden wir deplaziert. Sie überzeugen die Öffentlichkeit nicht. Im Gegenteil, diese offensichtliche Pseudogegründung schadet dem Vatikan. Wir vertreten die Meinung, dass es sich lohnt, wahre Gründe offen zu sagen und nicht zu vernebeln. Warum kann der Vatikan nicht schreiben: "Wir baten Bischof Krenn zurückzutreten. Grund: ... (Tatsachen nennen)"


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