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Vom hilfreichen und vom schädlichen Schweigen

von Marcus Knill


Im Umgang mit Medien gibt es nur eines: Sich situationsgerecht zu verhalten. Reden ist nicht immer Gold. Schweigen auch nicht immer Silber. Beides kann wertvoll sein. Aber zur richtigen Zeit! Diese Erkenntnis leuchtet ein, doch bei der Umsetzung haben leider Viele grosse Mühe.

Einerseits ...

Alt Bundesrätin Ruth Metzler schadete sich, weil sie nicht erkannt hatte, dass Schweigen Gold sein kann. Anita Fetz schürte Irritationen, nachdem sie abgetaucht war. Sie hätte in der Krisensituation aktiv handeln müssen. Sie hatte es verpasst, die Kritikpunkte sofort zu klären.

Irritationen, nachdem sie abgetaucht war. Sie hätte in der Krisensituation aktiv handeln müssen. Sie hatte es verpasst, die Kritikpunkte sofort zu klären.

Bei Medienanfragen neigen viele Führungskräfte zum Schweigen, weil sie annehmen:
  • Schweigen sei immer Gold
  • Wenn ich nichts sage, dann "wachse gewiss Gras darüber"
  • Nichts zu sagen habe den grossen Vorteil, dass nichts Falsches gesagt wird
  • Wenn wir reden, sagen wir vielleicht plötzlich mehr, als wir sagen wollten
  • Nichts sagen sei im Umgang mit Journalisten die beste Taktik. Denn: Nach wenigen Tagen "wird wieder eine andere Sau durchs Dorf getrieben".
Dies hat sich vielleicht auch der CEO der Zürcherkantonalbank - Hans Vögeli - gesagt, als er nach der Bluttat in Zürich zwei Tage gewartet hatte, bis er sich den Medien stellte. In beiden Fällen - bei Anita Fetz, wie auch bei Hans Vögeli - war das Schweigen kontraproduktiv. Bei Anita Fetz blühten Spekulationen und sie blieb tagelang - viel zu lange - in den negativen Schlagzeilen (sie "zerfetzte" unnötigerweise ihr Image). Hans F. Vögelis Schweigen führte dazu, dass sein Kommunikationschef als erster informierte und kurz darauf gegensätzliche Aussagen machte. Zwangsläufig kam es dann in den Medien zu Mutmassungen. Die dazu passenden Thesen von Experten, Psychologen und Politikern folgten postwendend. "Im Fall des Blutbades bei der ZKB erhob der Geschäftsleiter des KV Zürich sofort den Mahnfinger gegen die Profitmaximierer. Der Chefarzt einer psychiatrischen Klinik wies auf die welterschütternde Tatsache hin, dass es an Vorgesetzten fehle, mit denen sich reden lässt usw."


Andererseits ...

Anderseits neigen viele Prominente dazu, vorschnell zu reden, anstatt zu schweigen. Vielleicht trägt der Virus "Mediengeilheit" mit dazu bei, sofort die Medienplattform zu suchen. Ruth Metzlers Schuldzuweisungen (ihre unbedachten Handlungen wie Bundeshausbesuch, Gratis-Pneubezug, Beschuldigung der CVP Spitze, zu rasche Buchpublikation, wobei das Buch indirekt mit Bundesmitteln finanziert worden sein soll) schädigten das Image der jungen, sonst so geschätzten Frau. Nach der Abwahl wäre in dieser Situation eine Phase des Schweigens viel besser gewesen. Auch Bischof Krenn hätte nach den ersten Anzeichen der üblen Sex-geschichten (im Priesterseminar Pölten) auf seine Sprüche verzichten sollen. Auch hier wäre Schweigen sinnvoller gewesen. Das "Klein - reden" der Weihnachtskuss - Szenen usw. war mit ein Grund, dass der Papst dem redefreudigen Bischof einen Visitator vor die Nase setzen musste (Krenn wurde gleichsam entmachtet). In Krenns unbedachten Aeusserungen waren die Vorkommnisse lediglich eine "Bubendummheit" und er sah den Medienrummel als "Uebertreibung und Mache". Er verbat sich jegliche Einmischung. Die Sache gehe "die Bischofskonferenz einen Dreck an ", sagte er wortwörtlich. Der massige Bischof redete auch bei Talkshows gerne zu viel. Er hätte zuerst schweigen müssen. Ein kurzer Hinweis - Die Angelegenheit werde überprüft - hätte genügt. In Krisensituationen gibt es keinen generellen Rat hinsichtlich Reden oder Schweigen. Je nach der Situation gilt mehr das Eine oder mehr das Andere. Jede Situation ist gesondert zu betrachten. Die Kunst des Redens besteht darin, je nach dem das richtige Wort zur richtigen Zeit zu finden. Dies kann mit fachgerechten Simulationsübungen trainiert werden. Überraschende Situationen lassen sich meist antzipieren.

Fazit: Reden ist nicht immer Silber und Schweigen nicht immer Gold. Das richtige Wort zur richtigen Zeit zu sagen oder - nicht zu sagen -, das ist eine Kunst, die viel wertvoller ist als Gold und Silber. Sie ist so kostbar wie ein in Platin gefasster Diamant.



Eine Version dieses Artikels ist am 27. Juli, 2004 in der Schaffhauser Nachrichten erschienen.





30. Juli, 2004




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