Fragen an das Leben - Nele Neuhaus
Fragen an das Leben - Nele Neuhaus
Dirk von Nayhauß
"Danke, es ist gerade so schön!"
Die Autorin Nele Neuhaus weiß, dass sie hinhören und aufpassen muss, damit sie die besten Momente nicht verpasst.
Dirk von Nayhauß
26.06.2019

In welchen Momenten fühlen Sie sich lebendig?

Wenn ich durch die Natur spaziere. Dann kriege ich Luft, meine Gedanken kreisen, ich bin unbeschränkt, in nichts gefangen. Spüre ich Anspannung, nehme ich den Hund und gehe in den Wald, dann geht es mir wieder gut. Reiten kann ich leider nicht mehr, meine Wirbelsäule ist komplett kaputt. Dabei war Reiten immer Teil meines Wesens. Dieses herrliche Gefühl, die Einigkeit mit dem Pferd, das machte den Kopf frei. Das ist vorbei, und das ist für mich auch ein Schritt auf dem Weg zu akzeptieren, dass ich älter werde. Aber ich habe gelernt, diese kleinen Tiefs mit Vernunft wegzudrücken und mich mit Kompromissen zufriedenzugeben. Immerhin kann ich wieder schmerzfrei sitzen und laufen, immerhin habe ich meine Pferde noch. Und ich kann schreiben. Das ist das Wichtigste.

"Es geht weiter. Ich muss keine Angst haben"

Haben Sie eine Vorstellung von Gott?

Mein Glaube ist sehr tief und sehr fest, er ist wie ein Ge­länder in meinem Leben. Ich musste schon durch tiefe Täler gehen, schwere Krankheiten meistern und eine schmerzhafte Trennung durchstehen. Der feste Glaube, dass da jemand ist, der auf mich aufpasst, hat mir sehr geholfen. Es wurde und wird nie hoffnungslos. Ich erlebe oft Momente, in denen mir Gott ganz nah ist. Wenn ich draußen auf dem Balkon sitze und die Sonne scheint und ich spüre eine tiefe Ruhe in mir, dann sage ich manchmal einfach: "Danke, lieber Gott, es ist gerade so schön!" Man muss hinhören und aufpassen, um solche Momente nicht zu verpassen. Ich bete viel, auch während der Trennung von meinem ersten Mann. Nachdem ich regelrecht geflohen war, wohnte ich bei einer Bekannten in Hamburg, es war kurz vor Weihnachten. In der Nähe gab es eine katholische Kirche, da ging ich hin. Das war für mich wunderbar: ­einfach dasitzen und zu mir kommen. Es war einer der berührendsten Momente in meinem Leben, weil ich begriff: Es geht weiter. Ich muss keine Angst haben. Noch nie habe ich an Gott gezweifelt oder mit ihm gehadert. Ich habe ihn nur manchmal gefragt, warum ich solche Schmerzen haben muss. Für mich ist es okay, hin und wieder mit dem eigenen Schicksal zu hadern; sich nur im Gottvertrauen zu sonnen, ist ein bisschen gefährlich. Aber mit Gott hadere ich nicht, gar nicht. Gott ist für mich wirklich da.

Muss man den Tod fürchten?

Schon oft habe ich mein Leben in Gottes Hand gelegt. Ich wurde am Herzen operiert, und als Kind hatte ich ­einen schweren Verkehrsunfall, ich lag ein halbes Jahr im ­Krankenhaus. Bereits als Elfjährige musste ich dem Tod ins Auge sehen. Ich fürchte den Tod nicht. Wovor ich ein bisschen Angst habe, ist das Sterben – dass es ein langer Weg sein könnte. Wir bekommen das Leben geschenkt, im besten Fall haben wir 60, 70 oder 80 Jahre, und wir sollten es nicht verschwenden. Ich habe versucht, das Beste aus meinem Leben zu machen. Das ist wichtig! Ich habe so viele meiner Träume verwirklichen können, habe viel von der Welt gesehen. Der Umgang mit meinen ­Pferden und Hunden hat mich immer geerdet. Mit meinem ­zweiten Mann habe ich die große Liebe gefunden und dazu ­eine tolle Stieftochter bekommen. Wäre das Leben jetzt zu ­Ende, so könnte ich als zufriedener Mensch gehen. Für mich ist der Gedanke tröstlich, dass mir schon viele liebe Menschen vorausgegangen sind und auf mich warten.

Nele Neuhaus

Nele Neuhaus, ­geboren 1967, ­veröffentlichte ihre ­ersten Romane im Eigen­druck, sie ­arbeitete damals in der Fleischwaren­fabrik ihres ersten Mannes. Die deutsche Gesamtauflage ihrer Bücher liegt ­inzwischen bei rund zehn Millionen. Zuletzt erschien "­Muttertag" (Ullstein, 22 Euro), ihr neunter Taunus-Krimi. Seit 2011 unterstützt sie mit ihrer "Nele Neuhaus Stiftung" Projekte zur ­Förderung der Sprach- und Schreibkompetenz ­von Kindern. Nele Neuhaus ist ­verheiratet und lebt in der Nähe von Frankfurt am Main.
Dirk von Nayhauß

Dirk von Nayhauß

Dirk von Nayhauß absolvierte die Journalistenschule Axel Springer und studierte Psychologie in Berlin. Er arbeitet als Journalist, Buchautor und Fotograf (vertreten durch die renommierte Fotoagentur Focus). Für chrismon macht er die Interviews und Fotos der Rubrik "Fragen an das Leben".

Wer oder was hilft in der Krise?

Sicherlich der liebste Mensch in meinem Leben: mein Mann! Aber hebt man es auf die höhere Ebene, dann ist es mein Glaube. Ich bin ein pragmatischer Mensch und habe gelernt, dass man Lebenskrisen annehmen muss, selbst Krankheiten lassen sich leichter ertragen, wenn man nicht gegen sie kämpft. Hin und wieder muss man sich selbst leidtun dürfen. Aber man sollte sich nicht in sein Unglück reinfallen lassen und im Selbstmitleid suhlen.

Wie gehen Sie mit Schuldgefühlen um?

Leider schlecht. Viele Jahre habe ich unter massiven Schuldgefühlen gelitten. Mein Ex-Mann war ein Meister darin, mir ein schlechtes Gewissen zu machen. Ging es ihm schlecht, suchte ich zuerst die Schuld bei mir. Ich habe seitdem mit vielen Menschen gesprochen, die wie ich unter narzisstischem Missbrauch gelitten haben, ­habe Bücher dazu gelesen, habe erkannt, wie ich mit diesen Schuldgefühlen umgehen – und mich von ihnen befreien kann. Das war eine der schwierigsten Aufgaben, die ich in meinem Leben zu bewältigen hatte.

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