Arbeiter in Stahlfabrik
IMAGO/Westend61/Christian Vorhofer
41 Stunden

Industrie fordert längere Arbeitszeiten

Die Industriellenvereinigung (IV) setzt der Debatte über eine Arbeitszeitverkürzung die Forderung nach einer 41-Stunden-Woche entgegen. Wohlstand entstehe nur durch Leistung, und in Österreich sei die Arbeitszeit pro Beschäftigten in den letzten Jahren schon stark zurückgegangen, argumentierte IV-Generalsekretär Christoph Neumayer am Montag vor Journalisten. Die GPA sprach umgehend von einem „Affront“ gegenüber den Arbeitnehmern und Abeitnehmerinnen.

„Verstehen Sie es bitte auch als bewusstes Signal“, so Neumayer zu seinem Vorschlag einer Arbeitszeitverlängerung. Grundsätzlich wollten die Unternehmen den Schritt ohne Lohnausgleich, Details müssten aber in KV-Verhandlungen besprochen werden. Auch die „Unzahl an Feiertagen“ in Österreich sei dabei zu diskutieren, sagte Neumayer.

Junge Menschen seien anspruchsvoller bei der Jobwahl, so Neumayer. Der Anteil derer, die über die Norm hinaus Leistung erbringen wollen, sei gesunken. Man dürfe sie aber deshalb nicht in Watte packen, sondern müsse als Management Wege zu sinnstiftendem Arbeiten finden, Leistung etwa durch projekt- und zielorientiertes Arbeiten zu erzielen.

Verzicht auf „ein bis zwei Wohnungen“

Grundsätzlich müsse mehr gearbeitet werden, um den Wohlstand zu erhalten, argumentieren die Vertreter der Industrie. Der Chefökonom der IV, Christian Helmenstein, wies in dem gemeinsamen Pressegespräch darauf hin, dass vielen jungen Menschen nicht bewusst sei, dass eine Verringerung der Arbeitszeit auf 80 Prozent über das Berufsleben zu 400.000 Euro weniger Einkommen führen könne – „das ist nicht ein Mittelklassewagen, das sind ein bis zwei Wohnungen“.

Die Wirtschaftskammer hatte zuletzt in ein ähnliches Horn gestoßen und im vergangenen November eine Kampgane gestartet, die gegen eine Arbeitsverkürzung und für mehr steuerfreie Überstunden mobilmachen sollte.

GPA verweist auf gestiegene Produktivität

Die Vorsitzende der Gewerkschaft GPA, Barbara Teiber, übte scharfe Kritik an der IV-Forderung: „Wenn man behauptet, das Problem unserer Wirtschaft sei, dass zu wenig gearbeitet werde, dann ist das eine bewusste Provokation oder ein Beweis dafür, dass man die Zeichen der Zeit nicht erkennt.“ Die wirtschaftliche Produktivität sei seit der letzten Arbeitszeitverkürzung, die schon 50 Jahre her sei, „immens gestiegen“, so Teiber.

Man wolle nicht in die Mitte des letzten Jahrhunderts zurückgeworfen werden, kürzere Arbeitszeit auch auf der gesetzlichen Ebene sei dagegen gerecht und ein Gebot der Stunde. „Wir wollen nicht in die Mitte des letzten Jahrhunderts zurückgeworfen werden“, so Teiber. Die Forderung sei auch gesamtwirtschaftlich völlig kontraproduktiv, gerade „in Zeiten einer massiven Nachfrageschwäche“ sei eine Stärkung der Einkommen gefragt.

Ähnlich SPÖ-Bundesgeschäftsführer Klaus Seltenheim, der in dem Vorschlag der IV „den nächsten Anschlag" auf Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer“ sieht: „Schon jetzt“ komme „kaum jemand gesund in die Pension.“ Die Unternehmen hätten stark von der gewachsenen Produktivität der vergangenen Jahrzehnte profitiert, die Arbeitnehmer müssten „auch endlich ein Stück vom Kuchen bekommen“. Seltenheim warb entsprechend der Parteilinie für eine weitere Arbeitszeitverkürzung und eine Viertagewoche.

Konjunkturausblick bescheiden

Die IV beklagte zudem, dass die Industrie noch in einer Rezession sei und die positive Aussicht für den Herbst auch nur auf eine Stagnation hinauslaufe. Das zeige das Konjunkturbarometer für das erste Quartal 2024. Der Ausblick sei „weit überwiegend von Schatten geprägt“, so IV-Chefökonom Helmenstein. Die Industrie rechnee im Moment nicht mit Wachstum, lediglich eine Stagnation sei ab Herbst ein „zarter Silberstreifen am Horizont“, so Neumayer.

Auslöser für die etwas verbesserten Aussichten sei ein Anstieg bei den Auslandsaufträgen, führte Helmenstein aus. Auch die leichte Abwertung des Euro – um drei Prozent in einem Jahr – habe entlastend gewirkt.

Mehr Flexibilität bei Lohnrunden gefordert

Die Frühjahrslohnrunden seien früher „ohne große mediale Begleitmusik“ gut gelaufen, aber die Lage habe sich nun geändert, das Umfeld sei schwieriger geworden, räumte Neumayer ein. Die Streiks bzw. 20 erfolglosen KV-Runden bei der AUA seien da „ein Fanal“ gewesen.

Der Mechanismus der Lohnrunden stamme „aus der Mitte des vorigen Jahrhunderts“, davon müsse man sich lösen und mehr Flexibilität einbringen. Das hätten in Deutschland schon viele Gewerkschafter gut verstanden, „in Österreich sind wir noch nicht so weit, das ist spürbar. Aber wir stehen an einem Punkt, wo das passieren muss.“

Maßnahmen gegen Bürokratie

Ein Kostentreiber sei aus Sicht der IV der „Bürokratie-Tsunami“, wie es Neumayer nannte, der über die Unternehmen schwappe. Er habe teils in EU-Regeln und teils in österreichischen Vorgaben seinen Ursprung. Im Laufe des Jahres soll ein „Belastungsbarometer“ entwickelt werden, das konkrete Kosten der Bürokratie benennen soll. In Kürze sollen auch Vorschläge gemacht werden, wie die Berichtspflichten der Unternehmen um ein Viertel gesenkt werden könnten – entsprechende Veränderungen hatte die EU-Kommission in Aussicht gestellt.

Aus Sicht von FPÖ-Wirtschaftssprecher Axel Kassegger tragen „ÖVP und Grüne für diese schon sehr lange andauernde Talfahrt der österreichischen Wirtschaft die volle Verantwortung, weil diese Koalition einfach nicht in der Lage ist, wirtschaftspolitische Maßnahmen mit Weitblick zu setzen“. Die Unternehmen würden unter fehlender Planbarkeit, hohen Energiekosten und Bürokratie leiden.

Appell für russisches Gas

Ein großes Anliegen sind der Industrie Verhandlungen auf politischer Ebene über die Möglichkeit, auch nach dem Jahreswechsel russisches Gas über die Ukraine nach Österreich zu bringen. Der aktuelle Vertrag zwischen der Ukraine und Russland läuft aus, die Ukraine hat öffentlich verkündet, den Gashahn zudrehen zu wollen.

In informellen Gesprächen mit dem ukrainischen Energieminister zeigten sich aber Optionen, dass die Lieferungen weitergehen könnten, sagte Neumayer. Die Ukraine und auch Russland hätten daran finanzielles Interesse. Es müsste sich aber die heimische Politik für eine politische Lösung einsetzen. Ohne russisches Gas drohten stark steigende Gaspreise und Inflation sowie ein Rückgang der Wirtschaftsleistung, warnte die IV.