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Tiere

Kontroverser Plan: Genmanipulierte Bienen könnten bald Naturbienen ersetzen

Von Michael Odenwald

29 Juli, 2019

Burda

Getty Images
Den Honigbienen geht es schlecht. Auf Monokultur-Feldern fehlen ihnen nicht nur geeignete Blütenpflanzen, auch Dünger und Pestizide machen ihnen zu schaffen
(Getty Images )
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Den Honigbienen geht es schlecht. Sie sind durch die Spritzmittel auf den Äckern diversen Giften ausgesetzt, zudem fehlen ihnen oft geeignete Blütenpflanzen. Diese Faktoren begünstigen vermutlich auch den zunehmenden Befall mit Parasiten. Insgesamt verändert sich der Lebensraum der Honigsammler so rapide, dass das Überleben der Bienenvölker gefährdet ist.

Bienen sind wichtig für Umwelt und Wirtschaft

Doch Bienen sind ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, denn sie dienen als Bestäuber diverser Nutzpflanzen. Um ihnen zu helfen, gibt es zwei Strategien: Entweder es gelingt, (wieder) eine Bienen-freundlichere Umwelt zu schaffen, oder man erzeugt kurzerhand eine neue Biene.

Da ersteres aufgrund der Widerstände von Landwirten, Chemiekonzernen und Politikern wenig aussichtsreich ist, verlegen sich Forscher in Südkorea und den USA auf den zweiten Ansatz: In kürzlich veröffentlichten Forschungsarbeiten beschrieben sie gentechnische Methoden, mit denen sich Bienen resistent gegen Pestizide machen lassen.

Pestizidresistente Bienenvölker sollen Abhilfe schaffen

Ziel der koreanischen Studie ist, die Insekten vor dem Insektizid Spinosad zu „schützen“. Die US-Wissenschaftler wiederum entwickelten ein Verfahren, mit dem die Entwicklung von Bienenköniginnen erforscht und beeinflusst werden kann. Auch sie nennen die Schaffung pestizidresistenter Bienenvölker als mögliche Anwendung.

Beide Methoden beruhen auf der „Genschere“ mit der kryptischen Bezeichnung CRISPR/Cas9. Das Kürzel steht für ein molekularbiologisches Verfahren, mit dem sich DNA-Bausteine im Erbgut gezielt ausschneiden und anschließend verändern lassen.

Auf diese Weise können einzelne Gene umgeschrieben oder „editiert“ werden. Die Technik verspricht neue Therapien gegen Aids, Krebs und eine Reihe von Erbkrankheiten – aber eben auch eine vereinfachte Züchtung von Pflanzen und Tieren.

Südkoreanische Wissenschaftler wollen Protein ausschalten

Um die Spinosad-Resistenz zu erzeugen, sammelten die koreanischen Forscher um den Genetiker Jaeho Lee von der Nationaluniversität in Seoul Eier von Bienen und schalteten darin ein Protein aus, das als Rezeptor für das Ackergift dient.

„Ich bewies, dass sich Honigbienen ohne dieses funktionale Protein zu ausgewachsenen Drohnen entwickeln können, an denen verschiedene Phänotypen einschließlich von Verhaltensmustern und der Spinosad-Resistenz weiter analysiert werden können“, schreibt Lee in der Studie.

Amerikanische Forscher wollen Bienengeschlechter beeinflussen

Die amerikanische Gruppe um die Molekularbiologin Alison McAfee von der North Carolina State University wiederum berichtet im Fachjournal „PLOS Biology“ von der Möglichkeit, mit Hilfe der Genschere das Geschlecht von Bienen zu verändern. Der Eingriff beruht auf der Arbeit von Genforschern der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf.

Honigbienen sitzen im Bieneninstitut Celle auf Bienenwaben.
Sogar die Geschlechter der Bienen können Forscher beeinflussen
(dpa)

Diese wollten ursprünglich herausfinden, wie die Ernährung in den Bienenstöcken die drei Kasten von Arbeiterinnen, Drohnen und der Königin hervorbringt. Bekanntlich werden die Larven der Drohnen und der Königin bevorzugt mit stark zuckerhaltigem Gelée royale gefüttert und entwickeln große Keimdrüsen. Die Arbeiterinnen erhalten dagegen zuckerärmeres Futter, ihre Fortpflanzungsorgane bleiben unterentwickelt.

„Eine neue Ära der funktionellen Genforschung“

In ihrer Studie schaltete die Düsseldorfer Biologin Annika Roth mit ihren Kollegen in Bieneneiern zwei Gene namens „feminizer“ und „doublesex“ aus. Ohne feminizer verwandelten sich weibliche Bienenembryos in männliche und entwickelten große Keimdrüsen, obwohl sie die für Arbeiterinnen typische Nahrung erhielten. Wurde doublesex stillgelegt, entstanden zum Teil Bienen-Mutanten mit weiblichen Köpfen, aber männlichen Geschlechtsorganen.

Der US-Forscherin McAfee gilt dies als Durchbruch in „eine neue Ära der funktionellen Genforschung“, in der die Biologen nicht länger auf Modellorganismen wie Fruchtfliegen oder Fadenwürmer angewiesen sind.

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Die neuen Verfahren kämen gewiss bei der Honigbiene zum Einsatz. „Neben ihrer faszinierenden Biologie ist dies eine wirtschaftlich wertvolle Art, die deshalb zweifellos bald genetisch verändert und mit industriell nutzbringenden Eigenschaften ausgestattet wird – wie etwa der Resistenz gegen Pestizide“, schreiben McAfee und ihre Kollegen.

Experten kritisieren gentechnische Verfahren

Andere Experten betrachten diese Entwicklung weniger euphorisch. „Die Probleme des Schutzes der Artenvielfalt lassen sich nicht dadurch lösen, dass man gefährdete Arten durch gentechnisch veränderte Organismen ersetzt“, sagt Christoph Then von der Gentechnik-kritischen Organisation Testbiotech.

„Wer die Biene retten will, muss auf den Schutz der natürlichen Populationen und ihrer Ökosysteme setzen.“ Vor dem Hintergrund der komplexen Biologie der Bienenvölker und ihrer vielfältigen Interaktionen mit der Umwelt seien Eingriffe in ihr Erbgut nicht zu verantworten. Hier gelte es, der Gentechnik wirksame Grenzen zu setzen.

Natürliche Populationen sollen teilweise ausgetauscht werden

Die beiden genannten Projekte sind keine Einzelfälle. Zunehmend fordern einschlägige Firmen, aber auch Forscher, den Einsatz gentechnisch veränderter Organismen als Mittel zum „Schutz“ gefährdeter Arten. Dabei sollen natürliche Populationen durch „optimierte“ Organismen auch vollständig ausgetauscht werden.

Tatsächlich nahmen Vorhaben, bei denen per Gentechnik in die Ökosysteme eingegriffen werden soll, in jüngster Zeit weltweit stark zu. So wird laut Testbiotech in den USA derzeit die Freisetzung gentechnisch veränderter Esskastanien-Bäume propagiert, die gegen eine Pilzerkrankung resistent sein sollen. Überdies planen Forscher, Insekten und Nagetiere genetisch so zu verändern, dass sich ganze Populationen ausrotten lassen.

„Reaktionen auf Umwelteinflüsse sind oft nicht vorhersagbar“

Eine weitere Idee ist, Mücken mit transgenen Pilzen zu infizieren, die ein Insektengift erzeugen. Ziel ist, die Überträger von Krankheiten wie Malaria zu bekämpfen. Diskutiert wird auch, Insekten einzusetzen, um gentechnisch veränderte Viren in der Umwelt zu verbreiten.

„Das Problem ist: Wenn Gentechnik-Organismen in der Umwelt überdauern und sich vermehren, können die biologischen Eigenschaften der Nachkommen ganz andere sein, als ursprünglich beabsichtigt war“, erklärt Testbiotech-Mann Then. „Auch die Reaktionen auf Umwelteinflüsse sind oft nicht vorhersagbar.“

Im Hinblick auf das Vorsorgeprinzip sei daher entscheidend, dass es keine Freisetzungen geben darf, solange es keine verlässlichen Maßnahmen gibt, um die Ausbreitung der Gentechnik-Organismen zu kontrollieren. Entsprechende Vorschriften müssten verbindlich festgelegt werden. Insgesamt lasse sich feststellen, dass Probleme, die der Mensch durch Eingriffe in die Natur schafft, nun mit weiteren und tieferen Eingriffen gelöst werden sollen.

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