Hatschepsut Tempel

Totentempel der Königin Hatschepsut

Majestätisch schmiegt sich die Tempelanlage der Königin Hatschepsut (um 1466-1444 v. Chr.) an das steil aufragende Felsmassiv des thebanischen Wüstengebirges. Baulich stellt die Anlage ohne Zweifel eine der größten architektonischen Meisterleistungen des Neuen Reiches dar und ist heute ein absolutes Muss für jeden Ägyptenreisenden. Gekonnt ist es den antiken Baumeistern gelungen, federführend dürfte wohl der hohe Beamte Senemut gewesen sein, ein Gebäude zu erschaffen, welches sich über drei Terrassenebenen harmonisch in die grandiose, natürliche Umgebung einfügt und mit dieser verschmelzt.
In einer Inschrift heißt es: „Die Königin Maat-Ka-Re (Hatschepsut) …, sie hat es gemacht als ein Denkmal für ihren Vater Amun, dem Herrn der Throne der beiden Länder, indem sie ihm errichten ließ den Großen Tempel von Millionen von Jahren, das Haus ‚Amun-ist-der-Allerheiligste’, aus schönen weißen Kalkstein, an seiner herrlichen Stätte der Vorzeit, damit sie seinetwegen mit Leben beschenkt sei ewiglich.“ Königin Hatschepsut wählte als Standort für das Bauwerk den mindestens seit dem Mittleren Reich heilig verehrten Wüstentalkessel von Deir el-Bahari. Hier wurde vor allem eine lokale Erscheinung der Göttin Hathor kultisch, in einem kleinen Heiligtum verehrt. Auch ließ hier König Mentuhotep II. (2049-1999 v. Chr.) in der 11. Dynastie ein monumentales Grabmal für sich errichten. Unmittelbar nördlich davon, ohne die Grabanlage Mentuhotep II. zu stören, wurde der Terrassentempel der Königin errichtet. Dabei wurden einige Grundformen des alten Gebäudes in die Architektur des Neubaus übernommen, so dass sich nach Fertigstellung ein gelungenes Gesamtensemble ergab.

Üblicherweise setzt sich ein ägyptisches Heiligtum des Neuen Reiches nach einem festgelegten Kanon, bestehend aus einem Eingangspylon mit offenem Hof, einem weiteren Pylon und einem Pfeilersaal mit dem zentralen Kultgebäude zusammen. Obwohl der Terrassentempel der Königin Hatschepsut auf den ersten Blick eine Sonderform darstellt, sind all diese Elemente auch in dieser Anlage umgesetzt. Die einzelnen Bereiche werden lediglich durch eine Abfolge von zwei Terrassen, welche durch monumentale Rampen miteinander verbunden sind, gebildet. Nur die repräsentativen Fronten werden nicht wie traditionell üblich von großen Pylontoren, sondern durch offene Pfeilerhallen ersetzt.

Der Tempel war ursprünglich durch eine 37 Meter breite und rund 1.000 Meter lange Prozessionsstraße mit einem sogenannten Taltempel, welcher sich an der Nahtstelle zwischen dem fruchtbarem Ackerland und der westlichen Wüste befand, verbunden. Der Taltempel, es konnten nur wenige Reste archäologisch nachgewiesen werden, verfügte über ein Hafenbecken, welches wiederum durch einen künstlich angelegten Kanal mit dem Nil verbunden war. Schiffe konnten so direkt die Tempelanlage von Der el-Bahari erreichen.

Der befestigte Prozessionsweg wurde von einer heute völlig verschwundenen Sphinxen-Allee gesäumt und mündete vom Taltempel kommend in einem großzügig angelegten Vorplatz, unmittelbar am Eingangsbereich des Hauptheiligtums. Die untere Terrasse wird an der Westseite von zwei Hallen gebildet, welche durch eine Rampe voneinander getrennt sind. Die nach vorne offenen Hallen bestehen aus jeweils elf Pfeilern, hinter welchen elf Säulen platziert sind. Die Säulen, deren Formgebung mehrfach im Heiligtum verwendet wurden, stellen eine architektonische Besonderheit dar. Mit ihren 16 Kanten nehmen sie bereits die Gestalt der klassisch griechisch dorischen Säule vorweg. Die Rückwände der Hallen sind mit zarten Reliefdarstellungen versehen. In der Südhalle ist neben religiösen Szenen vor allem der Transport von zwei riesigen Obelisken das beherrschende Thema. Die Darstellungen in der Nordhalle sind heute stark zerstört, es lassen sich jedoch noch gut erhaltene Details von Jagdszenen erkennen.

Über die zentrale Rampe erreicht man die mittlere Terrasse, welche wiederum an der Westseite von zwei offenen Pfeilerhallen gebildet wird. Von großem Interesse sind hier die zart eingravierten Darstellungen und Inschriften an den Tempelwänden. In der südlichen Halle, auch ‚Punthalle’ genannte, sind faszinierende Reliefszenen erhalten geblieben, in denen von einer Handelsexpedition in das geheimnisvolle Land Punt berichtet wird. Auf Befehl der Königin segelten im 8. Regierungsjahr fünf ägyptische Schiffe an der Küste des Roten Meeres entlang, in das weit entfernte Land Punt, um dort exotische Kostbarkeiten, darunter 31 große Myrrhebäume in Töpfen, zu erwerben. Die Darstellungen der nördlichen sogenannten Geburtshalle sind heute leider teilweise stark zerstört. Dennoch lässt sich der ehemalige Zauber der anmutenden Reliefdarstellungen noch gut erahnen. Hier wird die mythologische Zeugung und Geburt der Hatschepsut, und damit ihre göttliche Abkunft, in insgesamt 14 Szenenbildern thematisiert. Rechts neben der ‚Geburtshalle’ befindet sich eine Kapelle für den schakalköpfigen Gott Anubis. Über eine Vorhalle, deren Decke von insgesamt zwölf sechzehnkantigen Säulen getragen wird, erreicht man drei aufeinander folgende Kapellenräume. Hier hat sich die ursprüngliche Bemalung der Reliefs hervorragend erhalten. Die Szenen leuchten dem Betrachter noch immer in frischen Farben entgegen. Auf der gegenüberliegenden Seite der Terrasse, südlich der ‚Punthalle’, befindet sich ein kleines Heiligtum für die Göttin Hathor. Ursprünglich war dieser Gebäudebereich über eine heute verschwundene Rampe vom unteren Vorhof zu erreichen. Der Eingangsbereich der Hathor-Kapelle wird von zwei, jetzt stark beschädigten, Säulenhallen gebildet. Einige Kapitelle auf den Runden Säulen sind erhalten geblieben und gegen den menschlichen Kopf der Göttin Hathor mit Kuhohren wieder aufgesetzt. Der eigentliche Kultraum für die Göttin wurde in den Fels getrieben, auch hier ist die ursprüngliche Bemalung gut erhalten.

Über eine weitere Rampe, der Haupttempelachse folgend, erreicht man die obere Terrassenebene des Heiligtums. Die Eingangsfront der oberen Terrasse wird von zwei Hallen gebildet, deren Decke von je elf Pfeilern und elf sechzehnkantigen Säulen getragen wird. Vor den Pfeilern befanden sich einst rund 5,50 Meter hohe Osirisstatuen, heute teilweise rekonstruiert, mit den anmutigen Gesichtzügen der Königin Hatschepsut. Durch ein mächtiges zentrales Granittor zwischen den beiden Hallen erreicht man einen großen rechteckigen Festhof, welcher in der Antike von einer zweireihigen Säulenkolonnade umgeben war. In der westlichen Rückwand des Hofes sind auf jeder Flügelseite vier große und fünf kleine Nischen eingelassen. Hier standen fein gearbeitete Plastiken der Hatschepsut und anderen Personen der königlichen Familie. Die kleinen Nischen konnten für die jeweiligen Kulthandlungen durch hölzerne Türflügel geöffnet bzw. geschlossen werden.

An der Nordwestecke des Hofes öffnet sich eine Tür zu einem Saal, dessen Decke von drei Säulen getragen wird. Hinter diesem Raum befindet sich ein rechteckiger Hof, in dessen Zentrum ein großer steinerner Altar für den Sonnenkult steht. Die gegenüberliegende Südseite des Festhofes, quasi als Gegenpol zum Sonnenheiligtum, ist dem Totenkult gewidmet. Hier wurden von den Priestern die rituellen Opferhandlungen für Königin Hatschepsut und ihrem verstorbenen Vater Thutmosis I. abgehalten.

Der Hauptachse des Heiligtums folgend, öffnet sich an der westlichen Rückwand des Festhofes ein beeindruckender Tordurchgang aus Granit. Es handelt sich um den Zugang zum zentralen Sanktuar der Anlage, in welchem die Kultbarke mit der Götterstatue des Amun bei ihrem Besuch ruhte.