Bei Morgan in den idyllischen Malvern Hills im Westen Englands gingen die Uhren schon immer langsamer. Modellzyklen zum Beispiel werden hier nicht in Jahren, sondern in Jahrzehnten gemessen. So blieb der 1968 vorgestellte Morgan Plus 8 bis 2004 in Produktion, ohne dass sich freilich sein Nachfolger, mal abgesehen vom Motor, nennenswert von ihm unterscheiden würde. Genau genommen gleicht ein Morgan Roadster von heute im Wesentlichen sogar dem von 1936, als die Firma ihr erstes Vierrad-Auto herausbrachte. Und die Vorderachse stammt sogar von 1909. Das Stahlchassis sieht immer noch aus wie eine Leiter, für den Karosserierahmen kommt nur kunstvoll geschreinertes Eschenholz in Frage, und die Karosserie besteht zu großen Teilen aus handgedengeltem Aluminium. Und weil sich die Form eines Morgan-Roadsters ohnehin nicht verbessern lässt, blieb auch sie weitgehend unverändert.

Der V8 verwandelt den leichten Morgan in ein zweisitziges Projektil

Morgan Plus 8
Der Morgan in seinem Element: Für kurvige Landstraßen gibt es kaum ein geeigneteres Auto als einen Morgan.
Groß geändert hat sich eigentlich nur das, was sich unter der langen, geschlitzten Haube abspielt. Im Plus 8 kommt der von Rover gebaute V8 zum Einsatz, zunächst mit 3,5 Liter Hubraum, später auch mit 3,9 Liter und sogar 4,6 Liter. Doch egal welcher, stets verwandelt er den kaum mehr als 900 Kilo schweren Steinzeit-Roadster in ein zweisitziges Projektil, in dem selbst gestandenen Männern die Haare zu Berge stehen. Das Beschleunigungsvermögen eines Plus 8 ist legendär, zumal das gefühlte. Und wer es wagt, sich der Spitze von rund 200 km/h anzunähern, der erlebt ein wahres Inferno. Viel mehr war übrigens nie drin, denn die aerodynamische Qualität der fossilen Fahrmaschine gleicht etwa der von Westminster Abbey.

Morgan-Fahrer sind hart im Nehmen

Ähnlich herzhaft sind die übrigen Reize des Morgan-Fahrens. Im intimen Cockpit sitzt es sich wie auf einer Parkbank, doch die Aussicht über die gepfeilte Schnauze mit den Schmetterlingshauben ist einmalig und lädt zum Verweilen ein. Witterung und Fahrtwind erlebt der Morgan-Fahrer im Stil der 30er-Jahre, nämlich authentisch und ungeschönt, und auch die berüchtigte Morgan-Federung kennt keine Gnade. Schon auf vermeintlich ebenen Straßen oszillieren den Insassen bisweilen die Augäpfel, und größere Verwerfungen lassen nicht selten den ganzen Menschen aus dem Sitz schnellen. "Komfortabel fahren kann schließlich jeder", lautet das Credo der Morgan-Fans. Und wer es dennoch lieber nicht ganz so brachial hätte, der bedient das Morgan-typische Rollen-Gaspedal einfach etwas weniger heftig, "gentlemanly", wie auf der Insel die Vintage-Brigade zu sagen pflegt.

Perfekte Teileversorgung

Soll es dagegen zügig vorangehen, spielt es praktisch keine Rolle, welcher Gang gerade eingelegt ist – die Beschleunigungselastizität reicht aus, um den Plus 8 auf jeden Fall mit dumpf brotzelndem Auspuffsound in die Kulisse zu schmettern. Gut so, denn egal welches Getriebe gerade verbaut wurde: Schwergängig ist es immer. Für Einsteiger in die Morgan-Welt empfiehlt sich neben der entsprechenden physischen und psychischen Verfassung ein üppiges Budget. Gute Plus 8 gibt es ungeachtet des Baujahrs kaum unter 35.000 Euro, oft kosten sie 45.000 Euro und mehr. Die gute Nachricht: Selbst bei den jüngsten Exemplaren droht so kein Wertverlust.

Ein Morgan vergeht niemals

Morgan Plus 8
Im stilvoll eingerichteten und herrlich offenen Cockpit lässt sich der famose Klang des V8 wunderbar genießen.
Hinzu kommt, dass ein Morgan nicht vergeht. Dank seiner Baukastenkonstruktion im Vorkriegsstil ist jedes Teil erneuerbar, ohne das Leben des Autos zu gefährden. Der Teilenachschub ist kein Problem, wenngleich nicht billig. Welchen wählen? Ganz frühe Exemplare (bis 1972) sollte man besser der gusseisernen Morgan-Fraktion überlassen, denn selbst wenn es dem Auto nicht anzusehen ist: Auch ein Plus 8 entwickelte sich über die Jahre fort. Vergleichsweise zivil sind die Modelle ab Juni 1991, als sich Morgan zu Teleskopstoßdämpfern an der Hinterachse durchrang, den Hubraum auf 3,9 Liter vergrößerte und dem V8 einen G-Kat spendierte. Doch ganz gleich, welcher es sein darf: Atemberaubend ist er immer.