"Wenn die Leute nicht ins Theater kommen, weil ich rauche, dann sollen sie zu Hause bleiben. Oder draußen im Nichtraucherbereich." Theaterdirektor, Schauspieler, Kabarettist und Autor Michael Niavarani.

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Michael Niavarani als "Richard III.", zu sehen am Samstag auf Servus TV um 20.15 Uhr.

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STANDARD: Stermann/Grissemann nennen Sie in ihrem neuen Stück "persischer Schlachthaus-Shakespeare". Was ist darauf zu antworten?

Niavarani: Sie haben den Nagel auf den Kopf getroffen: Wir spielen Shakespeare in der ehemaligen Schlachthalle in St. Marx. Wo wir auftreten, wurden die Rinder allerdings nur verkauft. Geschlachtet wurden sie, wo Stermann/Grissemann spielen.

STANDARD: Wie ist das unter Komödianten mit der Cliquenbildung. Gibts das?

Niavarani: Wie in jeder anderen Berufsgruppe: Es gibt Kollegen, die mag man wirklich und sagt ihnen das auch. Dann gibt es welche, denen man sagt, dass man sie mag und mag sie eigentlich nicht, und dann gibt es welche, denen kann man sagen, dass man sie eigentlich nicht mag und mag sie dann doch, weil man es ihnen sagen kann. Wie überall.

STANDARD: Zu welcher Gruppe gehören Stermann/Grissemann?

Niavarani: Die zwei gehören zu der Gruppe, denen ich sagen könnte, dass ich sie nicht mag. Ich mag sie aber.

STANDARD: Um den Bogen zu "Romeo und Julia" zu spannen: Dann geht es unter Komödianten nicht so zu wie unter den Capulets und Montagues?

Niavarani: Das stellen Sie sich ein bisschen zu übermütig vor. Zu Shakespeares Zeit betrank man sich nach Theaterstücken, es gab Prügeleien und Beleidigungen. Wir sind zurückhaltender als die Elisabethaner.

STANDARD: Wie ist die Idee entstanden, Shakespeare-Stücke aus neuer Perspektive zu erzählen?

Niavarani: Im Fall von "Romeo und Julia" habe ich die Idee von Ephraim Kishon gestohlen, der in der Erzählung "Es war die Lerche" dieselbe Grundidee darstellt. Romeo und Julia haben überlebt, bei mir sind 30 Jahre verheiratet und ertragen sich nicht mehr. Sie betrügen einander, es ist eine Ehetragödie.

STANDARD: Wie haben sie überlebt?

Niavarani: Die beiden haben ihren Tod vorgetäuscht, um die Häuser Capulet und Montague zu versöhnen. Die Fehde wurde beendet.

STANDARD: In der Kunst des Komischen ist große Präzision erforderlich. Sind Sie Perfektionist bei den Proben?

Niavarani: Ich kann gar nicht anders, aber ich bin nie zufrieden. Ich kann nicht genießen, was ich mache. Auf der einen Seite denkt man sich, wenn es so vielen Leute gefällt, kann nicht alles verkehrt sein. Auf der anderen Seite denke ich: Das ist alles ein Schas! Es treibt mich aber auch an. Wäre ich jemals zufrieden, würde ich nie mehr wieder etwas machen. Ich mache nur weiter, weil ich etwas Gutes machen möchte.

STANDARD: Das ist ja frustrierend!

Niavarani: Was mir vorgeworfen wird, ist dass ich die eigenen Sachen zu gering schätze. Es gibt schon den Teil in mir, der anerkennt, was ich tue, dass ich das Globe aufgebaut zu habe, Richard III. spiele. Viele Leute sagen mir, dass sie zum ersten Mal die Rosenkriege verstanden habe, das hinterlässt auch ein positives Gefühl.

STANDARD: Bei zig ausverkauften Vorstellungen, haben Sie nie gedacht: Das ist jetzt aber schon sehr super von mir?

Niavarani: Naja, ich habe gedacht: Es ist nicht schlecht. Karl Kraus sagte, großer Erfolg ist immer ein Missverständnis. Ich danke dem Publikum für dieses Missverständnis.

STANDARD: Wie kommt man zum sicheren Lacher?

Niavarani: Der Ursprung ist, dass man es selbst komisch findet. Bei der Komödie gibt es eine einzige kompetente Instanz, die sagen kann, ob etwas lustig ist oder nicht: Das Publikum. Es kommt sehr oft vor, dass ich etwas wahnsinnig witzig finde und denke, da werden die Leute abbrechen vor Lachen, und dann wird das ein lauwarmer Lacher. Es gibt viele Gründe, warum etwas nicht komisch ist. Es kann am Timing liegen, an der Vorbereitung, dass die Menschen, die unten sitzen, den Gedanken nicht mitverfolgen konnten, weil sie abgelenkt waren durch etwas anderes, das auf der Bühne passiert. Der letzte Grund, warum etwas nicht komisch ist, ist dass es einfach nicht komisch ist.

STANDARD: Voraussichtlich auf der sicheren Seite ist man, wenn man etwas Grobes sagt. Da lachen die Leute gerne.

Niavarani: Nicht zwingend. Einfach Arschloch oder Trottel zu sagen, reicht nicht. Wenn es aber die richtige Person zur richtigen Person sagt, dann natürlich ja. Es ist ja sehr interessant in der Beschäftigung mit der Person Shakespeare, dass ich draufgekommen bin, dass es noch jemanden gibt, der auf der Bühne ordinärer ist als mich. Gegen Shakespeare bin ich ein Waserl. Es war im elisabethanischen Theater üblich, Komik mit Derbheit und sexuellen Anspielungen zu verbinden. Das ist etwas, das nach wie vor verklärt wird. Die natürliche Schamgrenze zwingt einen zum Lachen, wenn ein sexueller Subtext darunterliegt.

STANDARD: Shakespeare wirft gern den "Hundsfott" ins Spiel...

Niavarani: Das ist noch das harmloseste. "Romeo und Julia" ist sowieso Shakespeares ordinärstes Stück. An einer Stelle sagt Mercutio über Julia und Romeo: "I hope, she is an open arse and is an poppering pear." Poppering pear ist eine holländische Birnensorte, die die Form eines Hodensackes mit einem erigierten Penis hat. Ob die im Burgtheater wissen, dass die Julia den Arsch offen hat, weiß ich nicht. Schlegel-Thieck und Wieland, die das Theater zur Lehranstalt gemacht haben, haben diese Stelle einfach nicht übersetzt. An der selben Stelle steht bei Schlegel-Thiek: "Ich hoffe, er liegt schon bei ihr im Bettchen."

STANDARD: Sie präsentieren auf Servus TV Spielfilme: Ihr Lieblingsfilm?

Niavarani: Es gibt keinen absoluten Favoriten, aber einer ist ganz sicher "The Good, the Bad and the Ugly". Ich sehe ihn mir einmal im Jahr mit meinem Cousin an, den ich in Schweden besuche. Es war einer der ersten Filme, die ich gesehen habe.

STANDARD: Das kann nicht jeder von sich behaupten. Bei anderen begann es mit "Heidi".

Niavarani: Gut, der erste Film, der kein Kasperltheater war. Als ich jung war, gab es am Mittwoch den Kasperl, und das war das ganze Kinderprogramm. Ich bin aber eigentlich der Meinung, dass Kinder nicht viel mehr Fernsehprogramm brauchen, als einmal pro Woche den Kasperl.

STANDARD: Ihre Erwachsenen-Lieblingsserie?

Niavarani: "Breaking Bad", sehr spannend, großartig erzählt. Ich bin auch in "Lost" reingekippt. Ein bisschen kindisch, aber ich habe wahnsinnig gern "How I Met Your Mother" geschaut. Weil das einfach brilliant geschrieben ist. Da sind einige Folgen ein Lehrbuch für Dramaturgie. Wie man eine Geschichte erzählt, dass sie witzig und gleichzeitig spannend ist.

STANDARD: Würden Sie gerne selbst noch eine Serie machen?

Niavarani: Nein. Das Fernsehen und ich haben uns im gegenseitigen Einvernehmen getrennt. Es war eine schöne, langjährige Beziehung. Dann ist es ein bisschen fad geworden, und ich habe Shakespeare kennengelernt. Ich habe momentan keine Idee für das Fernsehen. Billy Wilder sagte, "Fernsehen ist immer scheiße, weil es nicht mehr Theater ist und noch nicht Film."

STANDARD: Kann man das angesichts von Serien wie "Breaking Bad" wirklich sagen. Oder meinte Wilder das österreichische Fernsehen?

Niavarani: Ich glaube, er meinte generell das deutschsprachige Fernsehen. HBO hat schon vor 15 Jahren begriffen, dass Hollywood nichts mehr zu erzählen hat. Die Serienmacher machen alles, was sonst verboten ist, zum Beispiel, dass man sich in der zehnten Folge immer noch auskennen muss, wenn man die erste nicht gesehen hat. Das ist denen wurscht. Sich Breaking Bad anzuschauen ist wie Romanlesen.

STANDARD: Sie gehören zur seltenen Spezies, die sich noch mit Zigarette in der Hand fotografieren lassen. Schämen Sie sich überhaupt nicht?

Niavarani: Mir ist das wirklich völlig wurscht. Ich bin ein Raucher. Wenn es ein Imageverlust ist, hat auch das einen Sinn. Wenn die Leute nicht ins Theater kommen, weil ich rauche, dann sollen sie zu Hause bleiben. Oder draußen im Nichtraucherbereich. (Doris Priesching, 26.3.2016)