Die Aetzradierung "Viele Menschen" von Oswald Tschirtner ist eines der Exponate, der Ausstellung "liebling.! radierkunst aus vier jahrzehnten" von 20. April bis 28. Oktober 2007 im Art/Brut Center Gugging.

Foto: Oswald Tschirtner/Privatstiftung-Kuenstler Gugging

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Oswald Tschirtner, Künstler aus Maria Gugging, starb 86-jährig.

Foto: APA/Florian Reese
Wien - Oswald Tschirtner, einer der renommiertesten Künstler des niederösterreichischen Art/Brut-Zentrums in Maria Gugging, ist am Sonntag im Alter von 86 Jahren gestorben. Aus der Kriegsgefangenschaft zurückgekehrt, war Tschirtner seit 1947 in ständiger psychiatrischer Betreuung. 1981 zog Oswald Tschirtner in das "Haus der Künstler" ein und erhielt zusammen mit den anderen "Künstlern aus Gugging" 1990 den Oskar-Kokoschka-Preis.

Tschirtners fragile Zeichnungen, darunter seine berühmten "Kopffüßler", sind unverwechselbar und brachten ihm Weltruhm ein. Seine Werke befinden sich in bedeutenden privaten und öffentlichen Sammlungen wie etwa im japanischen Setagaya Museum, im Philadelphia Art Museum oder im Museum moderner Kunst in Wien. Seine Gemälde und Zeichnungen sind permanent im Museum Gugging zu sehen. Das "Haus der Künstler" entstand in Maria Gugging aus dem "Zentrum für Kunst- und Psychotherapie". Das Haus diente als Wohnhaus, Atelier, Galerie und Kommunikationsraum. Neben Tschirtner sind etwa Johann Hauser oder August Walla zu internationaler Berühmtheit gelangt.

Leo Navratil, der Psychiater und Gründer des Zentrums für Kunst- und Psychotherapie in Maria Gugging, starb im September des Vorjahres.

Navratil hatte in den Fünfzigerjahren begonnen, "Testzeichnungen" mit seinen Patienten durchzuführen. Unter Tausenden der so entstandenen Arbeiten von Patienten fanden sich jedoch einzelne, die ihm "besonders" erschienen. Navratil schloss das Phänomen kurz mit jenem "Talent", das auch unter den "Normalen" bloß einige auszeichnet. Aus diesem Ansatz heraus festigte sich im Laufe seiner Arbeit die Erkenntnis, dass eine Person, die an einer Psychose erkrankt, nur dann fähig ist, eine "formale Einmaligkeit" zu schaffen, wenn sie auch künstlerisches Talent hat. Und: Unter psychisch Erkrankten gibt es nicht mehr Talente als in der Durchschnittsbevölkerung.

Navratil versammelte und förderte diese Talente. Ab dem Ende der 60er-Jahre pilgerten unter anderem die Maler Arnulf Rainer, Peter Pongratz und Franz Ringel oder die Literaten Gerhard Roth, Ernst Jandl und Friederike Mayröcker nach Maria Gugging, um mit ihren dort lebenden Kollegen zu arbeiten. (mm/ DER STANDARD, Printausgabe, 22.05.2007)