Schrobenhausen
Ein Leben im Geiste des Gestaltens

Günter Beltzig wird am 25. Juli 80 Jahre alt - und hat dabei gleich mehrfach Grund zu feiern

25.07.2021 | Stand 23.09.2023, 19:55 Uhr
Bei Günter Beltzig geht es immer rund. Jetzt, wo er seinen mittlerweile 80. Geburtstag feiern kann, und auch schon früher, als er mit seiner Frau Iri ein hippes 70er-Jahre-Pärchen auf der Überholspur bildete. −Foto: Hauser

Deimhausen - Bei einem wie ihm gibt es keinen Anfang und kein Ende, sondern nur ein Mittendrin. Jedes abgeschlossene Projekt ist nur der Beginn des nächsten. Günter Beltzig ist ein Phänomen. Ein Unikat. Dabei ist er nur für sich genommen gar nicht denkbar. Folgerichtig feiert er immer am 25. Juli nicht nur seinen eigenen Geburtstag, sondern auch den seiner Frau Iri - und den gemeinsamen Hochzeitstag obendrauf. Eigentlich ein kleines Wunder, dass die Kinder nicht auch noch am 25. Juli zur Welt kamen. Jedenfalls - dieses Mal ist es ein Runder: Günter Beltzig wird 80.

Das erste, was man über ihn erfährt, wenn man ihm begegnet, ist dies: "Ich bin Linkshänder und Legastheniker." Sagt er immer wieder gern. Und da steckt es ja auch schon drin, dieses: Ich bin anders. Und er ist anders. Ein ständig sprudelnder Quell der Inspiration und Fantasie, ständig getrieben von seiner eigenen Kreativität. Er ist Designer, Künstler, Konzeptentwickler, Lehrer, Weltverbesserer.

Nach dem Designstudium in Wuppertal entwarf er Kühlschränke und Staubsauger für Siemens. Er wollte mehr, gründete 1966 mit den Brüdern eine eigene Designfirma und wurde 1968 schlagartig bekannt. Inspiriert vom Zeitgeist zwischen Raumschiff Orion und Mondlandung entwarf er den Kunststoffstuhl Floris, der ein bisschen was von einem Alien hat, dabei aber allen ergonomischen Ansprüchen genügt. Ein wirtschaftlicher Erfolg wurde der Stuhl damals nicht, aber er öffnete Türen. Andere Designer wurden auf Beltzig aufmerksam, beispielsweise Luigi Colani, mit dem er später die gemeinsame Ausstellung "Experiment 70" konzipierte. Und "Floris" steht heute im New York Art Museum.

Als Spielplatzdesignerauf der ganzen Welt gefragt

Beltzig hat die Welt auch als Spielplatzdesigner erobert. Etliche seine Spielgeräte waren und sind Verkaufsschlager. Das rote Kunststoffkarussell mit seiner weichen, geschwungenen Form, dem man in vielen Ländern der Welt begegnen kann - und tatsächlich auch auf dem Spielplatz am Schrobenhausener Busbahnhof. Er hat Spielräume konzipiert, für internationale Flughäfen, Museen, Städte, Gemeinden.

Das Spielen beschäftigt Günter Beltzig seit Jahrzehnten zentral. Weil er weiß, wie wichtig Spielen für Kinder und ihre Entwicklung ist. Weil er sieht, was passiert, wenn manche Erwachsene aufhören zu spielen.Weil er gelernt hat, wie arm eine Gesellschaft sein kann, in der Spielen nicht zum guten Ton gehört.

Günter Beltzigs Spielwelten ziehen Generationen in den Bann. Und er, der Legastheniker, hat immer auch die im Blick, die anders sind als andere, die womöglich Förderbedarf haben. Er hat integrative, inklusive Spielflächen geschaffen - als einer von ganz wenigen seiner Zunft in der Welt. Kein Wunder, dass die Welt immer wieder auch bei ihm daheim in Deimhausen klingelt. Dann führt er seine Gäste aus aller Herren Länder durch sein Versuchsgelände, wo er mit akustischen Wirkungen durch Hügel oder Gräben experimentiert hat. Dann zeigt er, was Kinder wirklich zum Spielen brauchen, wenn man sie lässt - und das ist oft weit weniger als all die schönen Dinge, die man kaufen kann.

"Ein Spielplatz ist im Grunde eine Krücke der Gesellschaft", hat der Mann einmal gesagt, der sein halbes Leben lang Spielplätze baut. Er sagt das vor allem, wenn er sich inmitten urbaner Wohnklötze bewegt, wo Kinder nicht einfach mal eben auf einen Baum klettern, über einen Bach hüpfen oder aus herumliegenden Tannenzapfen ein Spielzeug basteln können. Günter Beltzig weiß sehr genau, was Kinder wirklich brauchen - und im Grunde weiß das jeder, der ein wenig Kind geblieben ist, auch.

Das Leben spüren, dem Leben seinen Lauf lassen, dafür steht Günter Beltzig. So lange es ging, verzichtete er auf Socken und geschlossene Schuhe - nicht selten konnte man ihn auch im Winter in Flipflops antreffen. Zwischenzeitlich musste er schmerzlich erfahren, welchen Wert die Gesundheit darstellt, seither, weitgehend wieder hergestellt, ist er dann doch etwas behutsamer geworden.

Dieser Mann ist immervoller Visionen

Jetzt also wird er 80. Eine komische Zahl, irgendwie unwirklich für Menschen wie ihn und seine Iri, die sich beide ihre jungen Stimmen, ihre frischen Gedanken, ihre Lust auf Leben bewahrt haben und denen man die Jahre am Telefon niemals abnehmen würde. Es kommt eben offenbar immer drauf an, was man draus macht, aus der Zeit.

So, wie Günter Beltzig gestrickt ist, wird er keine Zeit dafür aufwenden, sich über so etwas Gedanken zu machen. Weil ganz bestimmt gerade in diesem Augenblick irgendeine Vision für irgendetwas entsteht, was irgendetwas auf der Welt wieder ein kleines Stückchen besser macht. Naja, vielleicht bleibt ja die Zeit, um kurz anzustoßen, denn der Achtziger ist ja doch nicht irgendwas.

SZ

Mathias Petry