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Jasmin Geismars Lesetipp für diesen Herbst: ?Und nebenan warten die Sterne? von Lori Nelson Spielmann.
Jasmin Geismars Lesetipp für diesen Herbst: ?Und nebenan warten die Sterne? von Lori Nelson Spielmann. © Heike Lachnit

Jasmin Geismar, Inhaberin von „Buch & Tee“ in Elz, fährt seit 25 Jahren jährlich auf die Buchmesse. Mit NNP-Mitarbeiterin Heike Lachnit sprach sie über gute Bücher, geheime Gespräche und darüber, warum Bob Dylan den Literaturnobelpreis nicht verdient hat.

Frau Geismar, was macht ein gutes Buch für Sie aus?

JASMIN GEISMAR: Es muss mich mitreißen, in die Geschichte hineinziehen. Früher hatte ich den Anspruch, jedes Buch zu Ende zu lesen. Inzwischen gebe ich jedem Buch nur noch eine bestimmte Seitenanzahl, und wenn es mich dann nicht zum Weiterlesen drängt, lege ich es beiseite. Es ist auch nicht alles für jeden geeignet. Ich muss mich ein Stück weit mit den handelnden Personen identifizieren können. Sonst fehlt mir auch der Zugang zu einem Buch.

Muss man als Buchhändlerin eigentlich die Spiegel-Bestsellerliste hoch und runter gelesen haben, bevor man auf die Frankfurter Buchmesse fährt?

GEISMAR: Nein, muss man nicht. Ich empfehle, mal etwas fernab dieser Liste zu lesen. Der erste „Harry Potter“ stand nämlich auch nicht drauf, niemand hat je von der Autorin gehört gehabt. Mich hat das Buch gefesselt, und ich habe es empfohlen. Und jeder weiß, wo „Harry Potter“ heute steht.

Wie oft waren Sie schon auf der Frankfurter Buchmesse?

GEISMAR: Vor 25 Jahren begann ich meine Ausbildung zur Buchhändlerin und war seitdem jedes Jahr dort.

Gab es in 25 Jahren eine Messe, an die Sie sich besonders gut erinnern?

GEISMAR: 2001, nach dem Terroranschlag auf das World Trade Center, waren die Sicherheitsvorkehrungen extrem hoch. Jeder wurde durchsucht, und es war jede Menge Polizei sowie Sicherheitspersonal in den Messehallen präsent. Das war schon ein ziemlich komisches Gefühl. Plötzlich war da eine Terrorgefahr auf so etwas Harmlosem wie der Buchmesse.

Was machen Sie bei einer Buchmesse denn den ganzen Tag?

GEISMAR: Ich treffe mich mit meinem Großhändler und habe Termine mit Verlagen, um mir ihre Neuheiten vorstellen zu lassen.

Wonach schauen Sie speziell?

GEISMAR: Von den großen Verlagen bekomme ich die Vorschau auf die Neuheiten ins Geschäft geschickt. Da gibt es auf der Messe auch kaum Überraschungen. Aber es lohnt sich, bei den kleineren Verlagen vorbeizuschauen. Da entdeckte ich vor ein paar Jahren zum Beispiel Badewannenbücher für Erwachsene.

Badewannenbücher?

GEISMAR: Das sind Kunststoffbücher, die man in der Badewanne lesen kann, weil sie nass werden können. Im non-Book-Bereich schaue ich gerne nach Dingen wie Lesezeichen, mit denen ich das Bücherangebot ergänzen kann.

Was macht für Sie der Reiz der Buchmesse aus?

GEISMAR: Ich treffe Leute, die ich schon länger nicht mehr gesehen habe. Wir unterhalten uns dann weniger über einzelne Bücher als vielmehr über Branchenthemen. Das können Neuigkeiten sein, aber auch, wie man sein Schaufenster interessant gestaltet, oder welche Aktionen gut laufen. Je nachdem, wie gut man sich kennt, gibt es auch private Gespräche.

Kommen Sie auch an die Autoren heran?

GEISMAR: An die großen Autoren kommt man kaum ran, da sie gut abgeschirmt sind. Die meisten Signierstunden sind total überlaufen. Aber ich kann jedem nur raten, die Augen offen zu halten, und vielleicht entdeckt man dann auch mal am Rande einen Autor. So ging es mir vor einigen Jahren mit Rafik Schami. Der saß an einem Verlagsstand und ich nutzte die Gelegenheit und bat ihn um ein Autogramm.

Der syrisch-deutsche Schriftsteller schreibt unter anderem auch über Migranten in Deutschland. Wird das Thema Flüchtlinge dieses Jahr auf der Buchmesse eine Rolle spielen? Oder anders: Wie schnell finden solche politischen Ereignisse Eingang in die Literatur?

GEISMAR: In der Literatur selbst finden sie nicht so schnell Eingang. Aber ich gehe davon aus, dass im Sachbuchbereich einiges zu finden sein wird, etwa Nachschlagewerke und Wörterbücher. Ich weiß auch von einigen Kinderbüchern, die das Thema behandeln. Insgesamt ist es ein präsentes Thema in den letzten Jahren, weil Flüchtlingsströme auch in anderen Länder stattfinden und auch geflüchtete Autoren ihre Erlebnisse verarbeiten. Es macht aber nicht die Masse aus.

Themenwechsel. Der Literaturnobelpreis ging an Bob Dylan. Was sagen Sie dazu?

GEISMAR: Nichts gegen Bob Dylan, aber gibt es dafür keine anderen Preise? Jeder Musiker macht doch Poesie. Ein paar Liedzeilen lassen sich meiner Meinung nach nicht mit einem literarischen Werk von mehreren Hundert Seiten vergleichen. Das ist ein Schlag ins Gesicht für jeden Autor.

Wie stehen Sie allgemein zu Preisverleihungen im Literatursegment?

GEISMAR: Die Leute lesen abends zum Abschalten und Runterkommen. Sie möchten dann keine schwere Kost. In den Preislisten finden sich aber häufig unbekannte Autoren mit schwieriger Literatur. Das ist nichts für meinen Laden.

Welche Leseempfehlung haben Sie für diesen Herbst/Winter?

GEISMAR: Elena Ferrante „Meine geniale Freundin“, Simon Beckett „Totenfang“, Nele Neuhaus „Im Wald“ sowie Lori Nelson Spielmann „Und nebenan warten die Sterne“.

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