Problematisch bei der Pantone-Wahl dürfte auch sein, dass sie immer erst zum Vorjahresende bekannt gegeben wird. Die Schauen und Messen, auf denen die Händler ihre Einkäufe machen, seien da längst vorbei. "Wenn es genau den Ton dort nicht gab, dann wird er nicht geordert - dann kommt er nicht in den Laden, dann kann ihn der Endverbraucher nicht sehen", erklärt Kaiser, die für Unternehmen zur Produktentwicklung und Warenbestellung Trendanalysen vornimmt.
Kann es eine Trendfarbe für die ganze Welt geben?
Auch die Farbexpertin Hildegard Kalthegener sieht die Wahl kritisch: "Es wird nicht eine Farbe für das ganze Jahr global geben", sagt die Trendanalystin. "Andererseits finde ich es natürlich sehr lobenswert, dass mit so einer Konsequenz versucht wird, den globalen Zeitgeist mit einer Farbfamilie zu verknüpfen." Letztlich bleibe es nicht bei einer Farbe, da viele Unternehmen direkt nach der Verkündung schauen, was sie "so in die Richtung" im Sortiment haben.
"So betrachtet ist Pantone ganz gut am Puls der Zeit - denn wenn man dieses Peach ein bisschen kräftiger macht, kommt man in Richtung Lachs oder Terrakotta und wenn man es aufhellt, dann geht es in Richtung Cremeweiß", erläutert Kalthegener. "So ergibt sich eine Palette, die man auf jeden Fall gut gebrauchen und einsetzen kann. Und die den Zeitgeist trifft."
Auch andere Firmen, die Farbtöne normieren und Paletten mit Modefarben zusammenstellen, gehen da mit: Im RAL-Trendbericht für 2023 und die Zeit darüber hinaus sowie in den NCS-Trends für 2024 und folgend finden sich unter anderen Weiß-Beige-Töne und kräftigeres Peach. Trendanalystin Kaiser sieht es ähnlich: "Ich habe über ein richtiges Orange als Trendton nachgedacht, aber das ist vielen Menschen zu speziell." Sie setzt auf Creme, was "eine ähnliche Aussage wie Pfirsich hat, aber nicht ganz so supersüß ist".
So erfolgreich wie Magenta und Pink?
Supersüß, weich, fluffig - Pantone präsentiert seinen Fuzz-Ton in Bildern mit Pusteblumen und erklärt: "Er zaubert eine Atmosphäre der Ruhe und gibt uns einen Ort zu sein, zu fühlen, zu heilen und aufzublühen." Trends sind oft Reaktionen auf eine Weltlage - die Coronajahre, das Kriegsgeschehen, die wirtschaftliche wie politische Unsicherheit befördern eine Sehnsucht nach einer Zufluchtsumgebung. Ein Beispiel dafür ist auch der derzeitige Einrichtungstrend mit Teddyfell und Sesseln, die zu umarmen scheinen.
Und so kann es gut sein, dass nach und nach mehr Produkte in der Farbe "Peach Fuzz" von Pantone oder eben der erweiterten Farbpalette von Pfirsich in den Handel kommen - und uns auffallen. Dafür sorgt allein schon Pantone mit seinen Partnerschaften mit diversen Firmen: Smartphones, Teppiche, Stoffe und Tapete, sogar Zahnbürsten werden in Pfirsich beworben. Und davon inspirierte Tees gemischt.
Aber wird es zur echten Trendfarbe reichen? Immerhin ist das Erbe groß: Der Vorgänger aus 2023 war Magenta, ein intensiver Pinkton. Auch von ihm waren anfangs nicht viele Experten überzeugt. Das Stil-Team der "New York Times" witzelte sogar, Magenta sei "die Farbe, nach der keiner fragte, für eine Welt, in der niemand lebt." Und dann kam im Jahresverlauf Barbie - und die Pink-Welle.