Rotwild tiergerecht bejagen

Tierschutz ist nicht verhandelbar

Rotwild zu jagen bedeutet, Verantwortung zu übernehmen. Denn auf der einen Seite müssen zur Erfüllung der Abschusspläne ausreichend Alttiere geschossen werden und auf der anderen Seite ist gerade beim Rotwild der Muttertierschutz nicht verhandelbar.

Folgen des Verwaisens für Rotwildkälber

Im Gegensatz zu anderen Schalenwildarten gibt es beim Rotwild im Verlauf der Jagdzeit keinen Zeitpunkt, an dem der Verlust des Muttertieres für das Jungwild folgenlos bleibt. Bei Reh und Schwarzwild verläuft die Jugendentwicklung viel schneller: Kitze und im Frühjahr geworfene Frischlinge werden bereits mit dem beginnenden Herbst selbstständig. Ganz anders beim Rotwild: Bis zu seiner Entwöhnung im Alter von etwa zwölf Monaten verliert das Kalb mit seinem Alttier auch seine bisherige Stellung im Rudel und wird aus dem Familienverband ausgeschlossen. Dadurch finden verwaiste Kälber weniger Witterungsschutz und energiereiche Äsung, und ihre tägliche Körpergewichtszunahme ist gegenüber normal entwickelten Altersgenossen deutlich geringer. Selbst wenn sie ihren ersten Winter überleben, bleiben diese Tiere zeitlebens hinter der körperlichen Entwicklung ihrer Generationsgenossen zurück. 

Verwaiste Rotwildkälber bleiben zeitlebens hinter der körperlichen Entwicklung ihrer Altersgenossen zurück. (Foto: Burkhard Stöcker)

Besondere Verantwortung für die Jagd

Ergebnis der genetischen Analyse von Rotwild-Jagdstrecken auf 15 Bewegungsjagden

Die physischen und psychischen Folgen des Verwaisens für ein Rotwildkalb unterstreichen die Verantwortung des Jägers bei der Jagd auf Alttiere. Eine große Herausforderung ist daher die Wahl effektiver und gleichzeitig tierschutzgerechter Jagdstrategien. Um zu ermitteln, wie groß das Risiko von Verstößen gegen

den Muttertierschutz auf Bewegungsjagden ist, hat die Deutsche Wildtier Stiftung eine Studie beim Institut für Tierökologie und Naturbildung in Auftrag gegeben. Dabei wurden 73 Alttiere und 148 Kälber, die auf insgesamt 15 Bewegungsjagden erlegt wurden, genetisch beprobt sowie der Gesäugestatus der erlegten Alttiere erfasst. 

Von den Alttieren wurden 18 in einer direkten und verwandtschaftlich tatsächlich zusammengehörigen Dublette erlegt. Da Alttier-Abschüsse aus Rudeln, wie in der guten fachlichen Praxis üblich, durch die jeweiligen Jagdleiter untersagt waren, müssen die restlichen 55 erlegten Alttiere die Schützen einzeln angewechselt haben. Die genetischen Analysen ergaben, dass davon 14 trocken waren, von 21 Alttieren das Kalb im Verlauf der Jagd an anderer Stelle erlegt wurde und von 20 laktierenden Alttieren kein Kalb im Verlauf der Jagd erlegt wurde. Mindestens 20 Kälber müssen demnach am Tag der Jagd verwaist sein.

Empfehlungen für eine tiergerechte Jagd

Mit dem Ergebnis der ersten Fallstudie liegen nun erstmals Fakten zum Risiko von Kälberwaisen bei der Freigabe einzeln anwechselnder Alttiere auf Bewegungsjagden vor. Noch ist die Stichprobe gering; sie soll nun auch mit Unterstützung von FRANKONIA erweitert werden. Die Ergebnisse weisen jedoch bereits auf ein vergleichsweise hohes Risiko von Kälberwaisen hin. 

Dies gilt umso mehr, wenn vor der Jagd nur wenige Kälber erlegt wurden. Um dem biologisch notwendigen Muttertierschutz beim Rotwild gerecht zu werden, muss auf die Freigabe einzeln anwechselnder Alttiere auf Bewegungsjagden im Oktober und November verzichtet werden. Eine tiergerechte Alternative dafür ist die Spätsommerjagd mit erfahrenen Jägern zur Erlegung von Kalb-Alttier-Dubletten. Gelingt die Dublette nicht, ist beim überlebenden Alttier entgegen anderslautender Überlieferungen keine Gesäugeentzündung zu befürchten. Klug, also störungsarm gejagt, führt die Spätsommerjagd auf Kahlwild auch nicht zu einer stillen Brunft oder gar zur Aufgabe traditioneller Brunftplätze. Bei einer entsprechend hohen Kälberstrecke könnten bei gezielten Anrührjagden mit erfahrenen und verantwortungsbewussten Jägern kurz vor Ende der empfohlenen Jagdzeit im Dezember weitere einzeln anwechselnde Alttiere erlegt werden.

Rotwild ist faszinierend. Es zu bejagen bedeutet, Verantwortung zu übernehmen. (Foto: imageBROKER.com / Justus de Cuveland)

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Eine Antwort

  1. Ehrlich gesagt, diese ganze Jagerei hat eigentlich schon nichts mehr mit waidgerechtem Jagen zu tun. Gejagt wird mit Zielfernrohr, Schalldämpfer, Nachtsichtgeräten, mit Tarnkleidung und aus gut getarnten Verstecken. Wo ist da noch der Unterschied zu „Kriegshandlungen“? Fehlen nur noch „gepanzerte“ Jeeps. Mit dieser Ausrüstung ging man noch vor Jahren gegen andere Mächte vor…

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