Wort zum Sonntag
Außer Zweifel steht, dass Pfarrer Matthias Spanlang ein Blutzeuge des Glaubens ist. Als im KZ Buchenwald ein Mithäftling an die beiden Pfarrer Neururer und Spanlang mit der Bitte herantrat, konvertieren zu wollen, sahen sie es als ihre priesterliche Pflicht an, ihm Glaubensunterricht zu geben – was streng verboten war. Die beiden Pfarrer saßen vermutlich einem Gestapo-Spitzel auf, sie kamen in den Lagerbunker. Neururer und Spanlang sollen dort mit dem Kopf nach unten gekreuzigt worden und so langsam und qualvoll verstorben sein. Für Pfarrer Spanlang ist der Totenschein auf den 5. Juni 1940 datiert. Während der Einsatz von Neururer in seiner Heimatdiözese Innsbruck gewürdigt und er 1996 in Rom seliggesprochen wurde, blieb Pfarrer Spanlang unbeachtet.
Der 1887 in Stockham (Pfarre Kallham) geborene Matthias Spanlang ist ein Mann mit Ecken und Kanten, charakterisiert ihn Monika Würthinger, manchmal überschreitet er auch deutlich Grenzen des Anstands. Gleich an seiner ersten Stelle als Kooperator in Atzbach (1911–1913) beleidigt er in einer Predigt eine Familie und muss öffentlich in der Regionalzeitung widerrufen. Spanlang wird nach Utzenaich versetzt und bewirbt sich Anfang 1915 ohne Wissen des bischöflichen Ordinariats als Feldkurat, was ihm aber nicht genehmigt wird. Der Aufenthalt als Kooperator in St. Georgen i. A. endet abrupt. Spanlang war bei einem tödlichen Jagdunfall dabei, der sich darüber hinaus noch zu einem Zeitpunkt ereignete, wo er in der Kirche an der Andacht des Pfarrers hätte teilnehmen sollen. Schließlich wird er doch noch Militärseelsorger. Brigadepfarrer Spanlang gilt als gesuchter Redner bei zahlreichen Kriegerdenkmal-Enthüllungen, er bemüht sich besonders um die Kriegsheimkehrer, die Vermissten und um die Soldatenfriedhöfe. Doch Spanlang quittiert frühzeitig den Dienst beim Militär und kommt 1926 als Pfarrer nach St. Martin im Innkreis.
Spanlangs Charakterzüge kommen gut in seinen Dienstzeugnissen zum Ausdruck, die ihm die Pfarrer, seine Vorgesetzten, auf seinen Kooperatorenposten ausgestellt haben, erklärt Würthinger: In der „Beachtung der Diözesanvorschriften” wäre er „bei dem ihm eigenen Selbstbewusstsein in manchen Punkten ziemlich eigenmächtig” gewesen. Er liebe die Jagd und gehe auch gern ins Gasthaus, während er nur wenig „Interesse für wissenschaftliche Fortbildung in den theologischen Disziplinen” zeige. Die Pfarrer bestätigen ihm allerdings im Allgemeinen ihre Zufriedenheit. Von seinem ersten Dienstposten an wird er als ein hervorragender Prediger bezeichnet, wobei er „sich einer originellen Ausdrucksweise bediente”. Er mache auch fleißig Hausbesuche, sei ein beliebter Katechet und Beichtvater und habe viel Kontakt mit der Bevölkerung, fasst Würthinger die Beurteilung Spanlangs zusammen.
Im Blick auf St. Martin sagt Würthinger: „Er scheint auch dort beliebt gewesen zu sein.“ Er engagiert sich beim Christlich-deutschen Turnverein, fördert das Theaterspiel und verfasst gern gelesene Beiträge in der Rieder Volkszeitung. Die Liaison mit einer Spenglerswitwe in St. Martin bringt ihm den Spitznamen „Blechhias“ ein, 1930 kommt ein außerehelicher Sohn zur Welt.
Früher als andere erfasst Spanlang die Gefahr, die vom Nationalsozialismus ausgeht. Ab 1931 finden nationalsozialistische Versammlungen in St. Martin statt, denen er in der Rieder Volksszeitung seine Bedenken entgegenstellt. Bis 1935 schreibt Spanlang etwa 170 Beiträge in der Rubrik „Aus dem Antiesentale“, in denen er, durch persönliche Kontakte nach Bayern außerordentlich gut informiert, von den dortigen Machenschaften der Nazis – auch gegen die Kirche – berichtet. 1934 starten die Illegalen von St. Martin eine Unterschriftenaktion, in der sie vom Ordinariat die „Entfernung Spanlangs als Pfarrer von St. Martin“ fordern, unter Androhung des Übertritts zum Altkatholizismus. Die Aktion wird von der Gendarmerie als „illegale Betätigung“ unterbunden. Bis 1938 ist aber kein Anstieg der Austritte zu beobachten. Beim Ordinariat dürfte die Liste nie gelandet sein, aber spätestens ab diesem Zeitpunkt ist für den Fall der Machtergreifung der Nazis das Schicksal des Pfarrers besiegelt.
In einer Art Vorahnung dürfte Pfarrer Spanlang am 10. März 1938 seine finanziellen Verhältnisse geregelt haben. Am 15. März wird Spanlang verhaftet. Verhaftungsgründe waren die Presseberichte „Aus dem Antiesental” sowie seine Funktion als Obmann des politischen Christlich-deutschen Turnvereins und die Auffindung von verbotenen Waffen – auch seiner Jagdwaffen. Er wird in das Kreisgericht Ried eingeliefert, am 24. Mai 1938 in das KZ Dachau gebracht und von dort nach Buchenwald, wo er als Priester ein jahrelanges Martyrium erleidet und schließlich ermordet wird. Die Urne wird 1940 im Familiengrab in Kallham beigesetzt.
Um die Personen aus St. Martin zur Rechenschaft zu ziehen, die die Verhaftung des Pfarrers zu verantworten und die möglicherweise seine Entlassung aus dem KZ verhindert hatten, wurde 1947 ein Prozess eröffnet. Dieser gipfelte aber in einer sprachlos machenden Argumentation: Da Pfarrer Spanlang in Buchenwald gegen Lagervorschriften verstoßen habe, sei er an seinem Tod selbst schuld. Damit war das Kapitel Spanlang in Pfarre und Gemeinde geschlossen. Auf Initiative der Diözese Linz wurde Pfarrer Spanlang in die Sammlung „Blutzeugen des Glaubens. Martyrologium des 20. Jahrhunderts“ aufgenommen und in seiner Heimat Kallham gibt es in Schule und Pfarre immer wieder Gedenkveranstaltungen. Aber eine breiter getragene Würdigung will bislang nicht entstehen. «
Foto: Eine kaum bekannte Aufnahme von Pfarrer Matthias Spanlang. Das Bild zeigt ihn als Militärseelsorger bei einer Ansprache in Schärding 1925. Seine rhetorischen Fähigkeiten erkannten sogar seine Gegner stets an. Weil Spanlang 1921 bei einer Ernennung übergangen wurde, legte er Berufung ein. Der Militärführung gefiel Spanlangs „ungehöriger und respektwidriger Ton“ bei der Beschwerde ganz und gar nicht.
Kommentar
In Matthias Spanlangs Personalkarte des KZ Buchenwald wird als Grund seiner Einlieferung angeführt: Volksschädling. Der nationalsozialistische Staat pervertierte den Rechtsstaat fundamental. Menschen wurden als „schädigende Organismen“ auf „Rechts“-Basis entmenschlicht und ausgesondert. Pfarrer Spanlang war ein geradliniger Zeitgenosse mit Ecken und Kanten. Seiner religiösen Überzeugung leistete er auch im KZ Folge. In einem Gendarmeriebericht von 1947 heißt es, dass „Spanlang durch sein eigenes Verschulden den Tod erlitten habe, weil er sich den Anordnungen der KZ-Lagerleitung nicht gefügt haben dürfte. Es war jede religiöse Betätigung verboten.“ Damit wurde das Unrecht derer, die Pfarrer Spanlang ins KZ gebracht und dann seine Entlassung verhindert hatten, als „Recht“ sanktioniert. Ja, Pfarrer Spanlang blieb auch vor der Österreichischen Justiz selbst der Schuldige für seine brutale Ermordung. Um sein Schicksal wurde – auch kirchlicherseits – nicht mehr viel Aufhebens gemacht. Matthias Spanlang ist ein wichtiger Zeuge des Glaubens, seine Lebens- und Leidensgeschichte in all ihren schillernden Facetten ist es wert, erzählt und gehört zu werden. Allein das Vergessen wäre schädlich.
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