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„Tod auf dem Nil“-Remake startet im Kino: Mörderische Reise à la Agatha Christie

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Merkur-Redakteurin Katja Kraft vor dem historischen Schaufelraddampfer Sudan, der auf dem Nil fährt.
Merkur-Redakteurin Katja Kraft vor dem historischen Schaufelraddampfer Sudan, der auf dem Nil fährt. © kjk

Kenneth Branagh hat Agatha Christies Krimi-Klassiker „Tod auf dem Nil“ neu verfilmt. Am 10. Februar startet das Remake mit Gal Gadot in den Kinos. Wir haben das Originalschiff auf dem Nil besucht - unser Reisetipp!

Der Bodybuilder muss der Mörder sein. Er sitzt zwei Tische weiter, allein. Bestellt weder Vor- noch Hauptspeise. Sondern einzig eine Kugel Eis. Tag für Tag. Mittags Vanille, abends Erdbeere. Die ägyptischen Kellner servieren sie ihm im Silberschüsselchen. Auf der Sudan, dem ältesten Schiff auf dem Nil. Und noch dazu dem schönsten.

Hier fand Agatha Christie (1890-1976) Inspiration für ihren Krimi „Tod auf dem Nil“ (1937). Hier wurden viele Szenen der Adaption des Buches mit Sir Peter Ustinov (1921-2004) gedreht, die 1978 in die Kinos kam. Hieran ist Kenneth Branaghs Neuverfilmung von „Tod auf dem Nil“ angelehnt, die am 10. Februar 2022 in die Kinos kommt. Und hier kann man sich noch heute mithilfe der imposanten Schaufelräder über den afrikanischen Strom schippern lassen. Von Assuan nach Luxor in fünf Tagen. Die Autorin dieser Zeilen hat’s mit zwei Freunden getan. Der alleinreisende muskelbepackte Mittvierziger auch. Und der kam ihr von Anfang an verdächtig vor.

Der historische Schaufelraddampfer Sudan auf dem Nil
Der historische Schaufelraddampfer Sudan auf dem Nil © Sterntours

Zugegeben: Man ist nicht ganz unbefangen, wenn man sich auf der Sudan einschifft. Als Fan des Krimi-Klassikers weiß man ja um die Gefahren, die an Bord lauern könnten. 23 Kabinen, davon fünf Suiten – und in jeder womöglich ein Mensch mit Pistole im historischen Nachtkasterl. Bevor man sich in dieses Abenteuer auf dem Wasser wagt, tut man zur sanften Einstimmung, was auch Agatha Christie vor ihrer Schiffsreise getan hat: Man gönnt sich eine Nacht im Old Cataract Hotel Assuan. Und genießt, am Ende eines 48 Grad heißen Tages, Sundowner und Wasserpfeife auf der Terrasse direkt am Nil, vis-à-vis das Aga-Khan-Mausoleum. Besonders leidenschaftliche Verehrer der Mistress of Suspense buchen sich in der Agatha-Christie-Suite ein. Mörderischer Preis pro Nacht: rund 5000 Euro. Die Sterne funkeln aber nicht weniger magisch, wenn man sie vom normalen Zimmer aus betrachtet, versprochen.

Blick in die Schiffskabine: Auf der Sudan kann man es sich in holzvertäfelten Zimmern gemütlich machen.
Blick in die Schiffskabine: Auf der Sudan kann man es sich in holzvertäfelten Zimmern gemütlich machen. © kjk

Überhaupt, die Sterne! Abend Nummer eins an Bord. Das Boot mag keinen Pool haben, keine Disco und auch sonst nichts von dem Gedöns, das heute zum Standardrepertoire von Kreuzfahrtschiffen gehört. Dafür findet man hier eine ungemein erholsame Mischung aus britischer Gediegenheit und arabischem Laissez-faire. Wenn der Sandsturm zu arg wirbelt, wird der geplante Tagesausflug von der Crew einfach verschoben und stattdessen zu Tee und Feigengebäck in den Lesesaal geladen. Das hätte auch Hercule Poirot gefallen.

Den Gästen aus aller Welt sowieso. Da ist, in Suite Nr. 2, das etwas tatterige Rentnerpaar, in das man sich spontan verliebt, weil die beiden so rührend liebevoll miteinander umgehen. Dann: zwei junge französische Pärchen, Kabine sieben und neun, die zwar umwerfend ausschauen – aber sich leider genauso umwerfend miteinander zu langweilen scheinen. Außerdem: vier befreundete britische Herren, die selbst in der Mittagssonne im faltenfreien Dreiteiler über das Oberdeck flanieren. Dann: drei lustige Japanerinnen, mit stets freundlichem Grinsen im Gesicht, Kameras um die schmalen Hälse, gegen die Sonne mit Schirmchen und Handschühchen geschützt – Klischees sind so schön, weil sie meistens wahr sind.

Der Nil auf der Höhe von Assuan. Rechts das altehrwürdige Old Cataract Hotel, in dem Agatha Christie der Überlieferung nach am Krimi „Tod auf dem Nil“ geschrieben hat.
Voller Leben: der Nil auf der Höhe von Assuan. Rechts das altehrwürdige Old Cataract Hotel, in dem Agatha Christie der Überlieferung nach am Krimi „Tod auf dem Nil“ geschrieben hat. © Ullstein

Und schließlich: der verdächtige Alleinreisende. Warum zur Hölle, so fragen wir drei einzigen und typisch misstrauischen Deutschen uns, warum zur Hölle fährt einer, der sichtlich sehr an Sport interessiert ist, an Bord eines Schiffes ohne Fitnessraum? Und warum fehlt er auf allen Ausflügen? Weder erlebt der Muskelprotz den prächtigen Philae Tempel der Göttin Isis. Noch den Doppeltempel, der Horus und Sobek gewidmet ist. Sobek: der Gott der Fruchtbarkeit und des ewigen Lebens. Dargestellt mit einem Krokodilkopf. Die mumifizierten Krokodile im Tempel sind spektakulär. Ganz aufgekratzt kommt man vom Ausflug wieder am Schiff an, wo die Kellner mit feuchten Tüchern und kalten Getränken bereitstehen. Der Schwänzer aber liegt, wie immer, in der Sonne und brutzelt seinen gestählten Körper. „Der führt was im Schilde“, wir sind uns sicher.

Sir Peter Ustinov als Hercule Poirot im Kino-Klassiker „Tod auf dem Nil“ von 1978
Kino-Klassiker: Sir Peter Ustinov als Hercule Poirot in „Tod auf dem Nil“ von 1978. © Ullstein

Doch nun erst einmal an die Bar. Mit dem einzigen Kopten unter den Bootsangestellten (ein Trinker findet den anderen Trinker) philosophieren wir bei Sakara über ägyptische Mythologie, die (nicht nur geschwisterliche) Liebe zwischen Isis und Osiris – und die Frage, ob Christie wirklich schon auf dem Schiff mit der Arbeit an ihrem Krimi begann. „Yes, she did! Here. Where you sit. She sit and write“, betont der seinen Job sehr leidenschaftlich lebende Barkeeper in gebrochenem Englisch und schlägt heftig auf den Tresen. „Here she sit!“

Ein bisschen scheint sie das tatsächlich noch immer zu tun. Und genau das ist der Grund, warum man sich für dieses und keines der möglicherweise etwas komfortableren neuen Schiffe entschieden hat. Weil die holzvertäfelten Kabinen, die leicht abgetretenen Teppiche und die wackelige Leinwand, die als Höhepunkt der Reise aufgestellt wird, so charmant daran erinnern, dass hier auf dem Wasser gelebt und nicht nur Zeit verdaddelt wurde. Am Kinoabend, der ein bisschen an Diaabende bei Omi erinnert, läuft – natürlich! – „Tod auf dem Nil“. Alle versammeln sich aufs Glöckchensignal im Lesesaal. Und für einen Moment glaubt man, gleich komme Poirot um die Ecke, um uns darüber aufzuklären, was an Bord vor sich geht. Ob hier wirklich ein Verbrecher mitreist?

Krimi-Königin Agatha Christie (1890-1976).
Krimi-Königin Agatha Christie (1890-1976). © kjk

Am letzten Tag liegt man allein auf dem Oberdeck – und der vermeintliche Mörder kommt geradewegs auf einen zu. Lächelnd setzt er sich gefährlich nah auf die Nachbarliege. Und sagt dann – in schönstem Oxford English! –, dass er sich einmal vorstellen wolle. Man habe sich vielleicht schon gewundert, dass er auf allen Ausflügen fehle („Ach, was!“) und auch sonst nicht sehr gesellig sei. Er kenne die Tour nur einfach schon zu gut. Es müsse das zwölfte oder 13. Mal sein, dass er mitreist. Immer in Suite 1. Er sei viel beschäftigter Geschäftsmann und habe gemerkt, dass ihn nichts so sehr entspanne wie das Tuckern des Dampfers, die Ruhe auf diesem alten Schiff. Und ein wenig Fasten. Nur zwei Kugeln Eis und mitgebrachte Maisriegel esse er an den fünf Tagen an Bord. „Dann kann ich auch mal auf Sport verzichten“, meint er schmunzelnd und zwinkert einem zu. Fall gelöst.

„Tod auf dem Nil“ startet am 10. Februar in den Kinos.

Kenneth Branagh als Hercule Poirot in der Neuverfilmung von „Tod auf dem Nil“, die am 10. Februar 2022 startet.
Kenneth Branagh als Hercule Poirot in der Neuverfilmung von „Tod auf dem Nil“, die am 10. Februar 2022 startet. © Disney

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