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36 Jahre nach Tschernobyl: Studie untersucht Tiere, die in der Sperrzone leben

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Aug 26 2014 Chernobyl Ukraine A worker of the New Safe Confinement dome in Chernobyl relaxes
Nach der Atom-Katastrophe in Tschernobyl sind zurückgelassene Haustiere Gegenstand der Forschung. (Archivbild) © imago stock&people

Nach der Atom-Katastrophe in Tschernobyl 1986 sind über 120.000 Menschen evakuiert worden. Ihre Haustiere blieben zurück und sind jetzt Gegenstand der Forschung.

Tschernobyl – In der rund 30 Kilometer breiten Sperrzone um Tschernobyl in der Ukraine leben mehrere Hundert streunende Hunde. Lange haben Forschende gerätselt, ob es sich um wilde Tiere oder möglicherweise um Nachkommen zurückgelassener Haustiere handelt. Die Bewohner der Umgebung des Kraftwerks, das im Frühjahr 1986 einen Super-GAU ereilte, waren in aller Eile aus der Region geflohen. Ihr gesamtes Hab und Gut, einschließlich ihrer vierbeinigen Begleiter, mussten sie aufgrund der Strahlenbelastung zurücklassen, erklärt Tim Mousseau, Professor für Biowissenschaften an der Universität von South Carolina, gegenüber ABC News.

Nach der Evakuierung der Stadt Pripjat, eine der 189 Städten und Gemeinden, die in der Sperrzone liegen, wurden Soldaten der Sowjetarmee beauftragt, die zurückgelassenen Tiere zu erschießen. Doch anscheinend konnten einige der ehemaligen Haustiere überleben und pflanzten sich weiter fort. Die Forschenden untersuchten in einer aktuellen Studie zu den „Hunden von Tschernobyl“ nun zunächst die Verwandtschaftsverhältnisse der verschiedenen Hundepopulationen.

Hunde im Kraftwerk: Die Haustiere, die in Tschernobyl überleben

Die untersuchten Rudel leben teilweise auf dem Gelände des Kraftwerkes selbst, in der Nähe des Kraftwerks und in Pripjat, der verlassenen Stadt in etwa zwei Meilen Entfernung, so Elaine Ostrander, leitende Forscherin am National Institute of Health‘s Human Genome Research Institute, gegenüber ABC News. Und die Ergebnisse zeigen: Offenbar handelt es sich tatsächlich um Nachkommen der Haustiere der Region.

Die Hunde in der Stadt Tschernobyl haben einen genetischen Hintergrund der Haustierrassen Boxer und Rottweiler, so Ostrander. Die Forschenden hatten Blutproben von mehr als 300 Tieren der Tschernobyl-Hunde untersucht. Möglich war das durch die Hilfe von Freiwilligen des Hilfsprogramms „Dogs of Chernobyl“, die sich der Tiere vor Ort annehmen. Im Rahmen der Impf- und Sterilisationsaktionen konnten auch Proben für die Wissenschaft entnommen werden.

Tschernobyl: Wie die Hunde trotz Strahlenbelastung überleben

Für die Forschung stellen die Hunde von Tschernobyl deshalb eine wichtige Informationsquelle dar, weil die Strahlenbelastung auch Jahrzehnte nach der Nuklearkatastrophe von 1986 noch anhält. Die Genetik von der Hundepopulationen könnte sich grundlegend verändert haben, so die Annahme der aktuellen Studie. Interessant ist auch, dass die Tiere überleben konnten, während Populationen anderer Tiere vor Ort durch die Strahlenbelastung zerstört wurden. Allerdings zeigen die Untersuchungen auch gesundheitliche Beeinträchtigungen der Tiere. Innerhalb der Anlage gebe es so gut wie keine ausgewachsenen Tiere (über sechs bis acht Jahre alt), die meisten der Hunde seien unter vier bis fünf Jahre alt.

Viele der Auswirkungen, die die Forscher bei den Hunden von Tschernobyl sehen, entsprechen denen, die in der Vergangenheit bei Überlebenden der Atombombe in Japan während des Zweiten Weltkriegs beobachtet wurden, erklärt der Biowissenschaftler Mousseau. Zum Beispiel haben sie eine erhöhte Rate an Katarakten, also einer Erkrankung der Augen. Sie gehörten zu den ersten Geweben, die Anzeichen einer chronischen Exposition gegenüber radioaktiver Strahlung zeigen, so Mousseau. Die Wissenschaftler suchen demnach im weiteren Verlauf der Forschung auch nach anderen Entwicklungsanomalien wie Tumoren, kleineren Gehirnen und Veränderungen in der Körpersymmetrie.

Ein Hundewelpe sitzt vor einem Gebäude der Arbeiter vom Tschernobyl-Kraftwerk auf der Treppe. (Archivbild)
Die Bewohner von Tschernobyl mussten 1986 ihr gesamtes Hab und Gut zurücklassen, einschließlich ihrer Tiere. (Archivbild) © Imago/Volodymyr Tarasov

Die Hunde von Tschernobyl: Arbeiter versorgen die zurückgelassenen Tiere

In der Zone leben schätzungsweise insgesamt über 700 Hunde und 100 Katzen. Es wurde festgestellt, dass nur sehr wenige neue Hunde und Katzen in die Zone kommen. Das Programm „Dogs of Chernobyl“ des Clean Futures Funds versorgt die Tiere ganzjährig mit Futter, und bei Bedarf mit tierärztlicher Versorgung. Es zielt darauf ab, die Hunde und Katzen so gut wie möglich zu versorgen, solange sie in dem Gebiet leben.

Die Hunde sind teilweise auch in kontrollierten Innenbereichen des Tschernobyl-Geländes anzutreffen. Arbeiter der neuen Reaktor-Anlage hatten einige der Tiere teilweise versorgt und fütterten ihnen in einigen Fällen auch Reste ihrer eigenen Mahlzeiten. Die Hunde wurden in der Vergangenheit von Wolfsrudeln aus den Wäldern zum Kraftwerk getrieben. Es stellt sich aber auch die Frage, ob sich einige der Hunde mit den Wölfen aus dem Gebiet gepaart haben könnten. Diese Frage soll durch die laufende Forschung ebenfalls beantwortet werden. (na)

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