Brutale Piraten halten die Welt in Atem

23.4.2008, 00:00 Uhr
Brutale Piraten halten die Welt in Atem

© NZ, dpa

Auch in unseren modernen Zeiten der Globalisierung sind die Räuber der Weltmeere nicht ausgestorben, sondern präsent wie eh und je - und vor allem gefährlicher als jemals zuvor in der Geschichte. Dass sie mit den romantisierenden Klischeebildern aus der Vergangenheit heute kaum noch etwas zu tun haben, ist in den vergangenen Tagen wieder klar geworden, und zwar gehäuft.

An der derzeit weltweit gefährlichsten Stelle für Übergriffe durch moderne Piraten, vor der Küste Somalias am Golf von Aden, hatten sie am Wochenende gleich zwei Mal hintereinander innerhalb von 24 Stunden zugeschlagen.

Zuerst brachten sie den aus dem Baskenland stammenden Fischkutter «Playa de Bakio« in ihre Gewalt. Er war mit 26 Menschen aus Spanien, Ghana, Madagaskar, dem Senegal und den Seychellen unterwegs. Die Fischer hatten gerade Essenspause, als das Schiff plötzlich mit Granaten beschossen und die Besatzung dadurch gezwungen wurde, Kurs aufs somalische Festland zu nehmen. Die zehn schwerbewaffneten Gangster brachten ihre Opfer an Land und fordern jetzt Lösegeld.

Kaum einen Tag später versuchte eine andere Gruppe somalischer Piraten, den japanischen Öltanker «Takayama« zu kapern. Die zwischen dem Jemen und Somalia kreisende Bundeswehr-Fregatte «Emden« konnte Schlimmeres verhindern. Sie hörte den Notruf der Crew und schickte einen Hubschrauber los, was die Piraten in die Flucht trieb.

Die wertvolle Fracht eines Schiffes, etwa Gold und Edelsteine, zu erbeuten - das ist nicht mehr vorrangiges Motiv moderner Seeräuber. Sonst wären weder Fischkutter noch Öltanker ein Objekt der Begierde. «Gefragt ist heute Bargeld«, sagt Hans-Heinrich Nöll, Geschäftsführer des Verbandes Deutscher Reeder in Hamburg und Experte für Piraterie, im Gespräch mit der NZ. Und das könnten die Kriminellen auf Hoher See auf verschiedene Weise erbeuten.

Am stärksten verbreitet ist demnach auch weiterhin das Ausrauben der Besatzung. «Statt einer Schatztruhe nimmt man heutzutage die Schiffskasse mit«, sagt Nöll. Diese ist zwar nicht so prall gefüllt wie frühere Gold-Dukaten-Kisten, aber «10.000 Dollar können lohnenswert sein.«

Zweite Methode - so passiert im Fall der kürzlich entführten französischen Luxusyacht und beim spanischen Fischkutter - ist es, das Schiff zu entführen, die Besatzung als Geiseln zu nehmen und dafür Lösegeld - in bar - zu erpressen. «Diese Methode ist zweifellos die brutalste«, sagt Dieter Berg, verantwortlich für das Transportgeschäft globaler Kunden bei der Münchener Rück. Der Piraterie-Experte des Unternehmens, das nach eigenen Angaben einer der weltweit führenden Transport-Versicherer der Welt ist, sieht in solchen Angriffen die wichtigste Herausforderung.

«Diese schwerbewaffneten und hochgefährlichen Killer haben mit dem Fluch der Karibik und dem Piraten-Kapitän Jack Sparrow nichts mehr zu tun«, meint er. Er setzt sich deshalb dafür ein, dass auf internationaler Ebene Erleichterungen in Kraft treten, um der Erpressungsversuche durch Seeräuber besser Herr zu werden. Allein 2007 gab es 263 Überfälle durch Piraten, wobei Berg meint, nur die Hälfte werde gemeldet.

Momentan sei internationale Hilfe eher schwierig, da sie völkerrechtlich nur in internationalen Gewässern gestattet ist. «Sobald die Piraten im küstennahen Gewässer tätig werden, wird die Lage kompliziert«, so Berg. Frankreich und die USA versuchen derzeit, im UN-Sicherheitsrat Zustimmung für eine Resolution zu erhalten, die es internationalen Schiffen erlauben soll, Piraten in den Hoheitsgewässern Somalias zu verfolgen. Dies wäre aber nur mit Zustimmung Mogadischus Regierung möglich.

Dass ein koordiniertes Vorgehen gegen Piraten möglich und erfolgreich sei, habe das Beispiel der Straße von Malakka gezeigt, sagt Berg. In der Meeresenge zwischen Singapur und Malaysia praktizieren die Piraten Angriffe, die sich von denen in Somalia unterscheiden und der traditionellen Form zuzurechnen sind: Sie kapern die Schiffe samt Ladung und leben vom Verkauf des Frachtguts.

2004 trat die Piraterie dort besonders gehäuft auf, so dass die Versicherer den Reedern mitteilten, die Prämien deutlich erhöhen zu müssen. Daraufhin, so Berg, hätten die Reeder sich vor Ort erfolgreich für bessere Sicherheitsmaßnahmen eingesetzt, und es sei dank scharfer Kontrollen gelungen, die Attacken zurückzuschrauben. Am Golf von Aden befürchtet er eine neue Gefahrendimension: «Dass ein Öltanker gekapert werden sollte, hat mich beunruhigt. Denn was passiert, wenn Piraten die Gewalt über einen Tanker bekommen, ihn steuern und versenken?« Soviel ist sicher: Die Grenzen vom modernen Piraten, der es auf Bargeld abgesehen hat, zum internationalen Terroristen könnten schnell überschritten werden. Und aus romantischen Klischees wird bitterster Ernst.

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