RND-Interview zum Klimathriller

Bestsellerautor Marc Elsberg: „Die Letzte Generation macht sich zu Handlangern der Fossilindustrie“

Autor Marc Elsberg spricht auf der 23. Lit.Cologne über seinen neuen Roman.

Autor Marc Elsberg spricht auf der 23. Lit.Cologne über seinen neuen Roman.

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Der Österreicher Marc Elsberg war vor seiner Karriere als Bestsellerautor Strategieberater und Kreativdirektor für Werbung in Wien und Hamburg sowie Kolumnist der österreichischen Tageszeitung „Der Standard“. Sein literarisches Debüt hatte er 2000 mit dem satirischen Roman „Saubermann“, damals noch unter seinem bürgerlichen Namen Marcus Rafelsberger. Es folgten weitere Romane, größere Bekanntheit erreichte Elsberg 2012 mit dem Thriller „Blackout – Morgen ist es zu spät“, der später auch zur Joyn-Serie wurde. Am Mittwoch (15. März) veröffentlichte er sein neuestes Werk „°C – Celsius“. In dem Klimathriller entwirft er ein Zukunftsszenario, in dem China die Macht über das Weltklima an sich reißen will – mit Folgen.

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Herr Elsberg, in „°C – Celsius“ geht es um den Machtkampf um das Weltklima. Glauben Sie, uns droht das in der Realität auch?

Der Machtkampf um das Klima findet längst statt, nur noch nicht mit den Mitteln, die ich im Buch beschreibe. Langfristig und wenn man es richtig managt, könnte es auch Profiteure des Klimawandels geben, vor allem in den nördlicheren Breiten. Das kommt in der Diskussion gern zu kurz.

Können Sie sich vorstellen, dass Nordländer sich darauf schon vorbereiten?

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Russland hat bis jetzt in Sachen Klimaschutz praktisch nichts getan und fördert weiterhin wie verrückt Öl und Gas. Es gibt Staaten, die sich darauf vorbereiten, dass der Norden durch die Erderwärmung besser nutzbar wird. Angefangen mit der potenziellen Nutzung der Nordpassage, also dass auch im Winter die Meere rund um den Nordpol und die Arktis frei sind. Man hat dort seit Jahren begonnen, Häfen und die Infrastruktur auszubauen. Im Winter 2021 ist zum ersten Mal ein Gastanker dort entlanggefahren. In Teilen Russlands, die heute als unwirtlich gelten, werden Städte geplant wie etwa Sputnik. Das ist keine Science-Fiction, das ist Realität. Auch andere Staaten positionieren sich rund um das potenzielle Auftauen des Nordens. Selbst China, das keine Nachbarnation der Arktis ist, nimmt Einfluss.

China setzt in Ihrem Roman sogenanntes Geoengineerin ein. Wann haben Sie das erste Mal davon gehört und was hat Sie dazu bewegt, es zum Romanthema zu machen?

Mit dem Thema Klima setze ich mich schon lange auseinander. Auch das Thema Geoengineering ist in der Wissenschaftsdebatte schon lange vorhanden, die ersten Vorschläge stammen aus den 70ern. Als für mich klar wurde, dass ich daraus irgendwann eine Geschichte machen möchte, gab es Fridays for Future noch nicht. Aber es wurde deutlich, dass der Norden und die ganze Welt zu wenig machen. Es war absehbar, dass das Pariser Abkommen nicht gehalten werden kann. Das 1,5-Grad-Ziel wird nicht eingehalten und selbst zwei Grad werden nicht eingehalten, wenn nicht irgendein Wunder passiert.

Wie kann Geoengineering da möglicherweise helfen?

Geoengineering und speziell Solar Radiation Management, das China im Buch verwendet, sind Möglichkeiten, um schnell und verhältnismäßig günstig die Erderwärmung vorläufig zu bremsen, auch wenn man viel zu wenig über mögliche Konsequenzen weiß. Aber es wird immer verlockender. Die USA haben beispielsweise, von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt, im letzten Jahr einen Millionenetat freigegeben, um Geoengineering zu erforschen.

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„°C – Celsius“ von Marc Elsberg erscheint am 15. März.

„°C – Celsius“ von Marc Elsberg erscheint am 15. März.

Sind manche Staaten auf dem Gebiet des Geoengineering schon so weit, dass so ein Solar Radiation Management umsetzbar wäre?

So, wie ich es im Buch beschreibe, momentan noch nicht. Da entwerfe ich ein Szenario, in dem China das heimlich vorbereitet hat. Diese Transporter, mit denen man Aerosole in die Stratosphäre bekommt, um diese abzukühlen, müssen aber so groß sein wie die größten Flugzeuge, die wir heute haben. Das baut man nicht heimlich in Massen. Aber ganz ausgeschlossen ist es natürlich nicht.

Könnten Sie sich vorstellen, dass China ein Land wäre, das das auch ohne Absprache machen würde?

China hätte ein hohes Interesse daran. Ihr größter Süßwasserspeicher im Himalaya ist in Gefahr und in den letzten Jahrzehnten bereits um ein Viertel geschrumpft. Wenn das so weitergeht, geht China das Wasser aus, und auch großen Teilen Asiens. Das ist eine gigantische Gefahr für einen Staat wie China. China wäre groß genug, hat genug Geld und ist geopolitisch aggressiv genug, um so etwas durchzusetzen, und ist durch seine politische Konstitution als Diktatur und seine durch die Pandemie verstärkte Abschottung in der Lage, bis zu einem gewissen Grad unbemerkt vorzugehen.

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In Ihrem Szenario kommt es in der Folge zu großen Klimafluchtbewegungen. Ab wann könnte das auch in unserer realen Welt passieren?

Wir haben schon jetzt Klimaflüchtlinge. Da fließt natürlich immer viel ineinander. Aber in der Diskussion wird heute schon angenommen, dass beispielsweise der Bürgerkrieg in Syrien ein erster Klimafolgenkrieg ist. In der Folge großer Dürren in Syrien sind in den letzten zehn bis 20 Jahren sehr viele Leute vom Land in die Städte gezogen, es kam dort deswegen zu sozialen Spannungen, die sich irgendwann im Arabischen Frühling entladen haben, was zum Bürgerkrieg führte. Aufgrund dieses Bürgerkrieges kam es zu großen Flüchtlingsbewegungen. Ähnliche Phänomene gibt es auch in anderen Weltgegenden. Es ist nicht immer nur das Klima, es sind auch andere Aspekte wie politische Verhältnisse. Das Klima spielt aber eine immer wesentlichere Rolle dabei. Es wird keinen Kipppunkt geben, dass von heute auf morgen plötzlich zwei Milliarden Menschen losziehen. Es wird einfach immer mehr, wie bei einer Gletscherschmelze.

Wenn wie in Ihrem Szenario irgendwann auch Deutschland und Nachbarländer betroffen sein sollten, wohin würden Sie ziehen?

Ich zeichne im Buch ein Szenario für in 20, 30 Jahren, wo die Erderwärmung noch mal deutlich beschleunigt wird und es selbst in Deutschland schneller unwirtlich wird. Aber nach aktuellen Berechnungen wird es in Deutschland erst mal nicht so tragisch wie im Roman. In den nächsten Jahrzehnten wird Deutschland noch zu den Profiteuren der Klimaerwärmung gehören. Von daher würde ich erst mal da bleiben. Deutschland ist zudem mit viel Geld ausgerüstet. Wir werden es leichter haben, uns bis zu einem gewissen Grad auf die Erderwärmung einzustellen, dann baut man eben in jedes Haus eine Klimaanlage.

Wenn Sie Bundeskanzler wären: Was würden Sie als Erstes fürs Klima machen?

Die Maßnahmen sind eigentlich alle bekannt. Man muss noch viel schneller raus aus der fossilen Energie. Der CO₂-Preis müsste zum Beispiel ansteigen. Deutschland ist leider immer wieder Verhinderer und Bremser. Man denke nur an das Aus für Verbrenner in der EU, das von der FDP, die wirklich den Oberdinosaurier spielt, blockiert wurde.

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Haben Sie je darüber nachgedacht, in die Politik zu gehen?

Ich glaube, ich bin ein besserer Autor als Politiker. Ich beneide niemanden in der Politik um seinen Job und bewundere die Leute sehr. Man braucht ein unfassbar dickes Fell, muss wahnsinnig kompromissbereit und gut in der Lage sein, mit anderen Menschen zu interagieren. Das sind alles Dinge, bei denen ich überschaubar talentiert bin.

Sie sagten, die ersten Ideen für den Roman gab es schon vor Fridays for Future. Im Roman erinnert vieles an aktuelle Entwicklungen, etwa an die Letzte Generation. Wie sehr lassen Sie sich von echten Begebenheiten inspirieren?

Natürlich gibt es zwangsläufig Parallelen. Ich lasse mich aber nur bedingt inspirieren, sondern versuche, mir zu überlegen, was ich in der Situation machen würde. Man kommt dann oft zu ähnlichen Ergebnissen wie reale Menschen und Gruppen. Die Klimaaktivistin Sienna in meinem Buch merkt irgendwann, dass sie mit demonstrieren, singen, sich irgendwo ankleben nicht weiterkommen und andere Strategien brauchen. Das ist meiner Fantasie entsprungen, aber es bildet sich oft auch in der Realität ab. In Deutschland und Österreich kleben sich Aktivisten noch an die Straßen, in Großbritannien, wo Extinction Rebellion früher damit begonnen hat, haben die Aktivisten schon gemerkt, dass das nichts bringt.

Wie stehen Sie zur Letzten Generation und deren Art von Aktivismus?

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Ich halte das Vorgehen der Letzten Generation für einen strategischen Kommunikationsfehler. Die Letzte Generation macht sich zu Handlangern der Fossilindustrie, ohne das zu merken. Die fossile Industrie beeinflusst seit Jahrzehnten mit Desinformationskampagnen die Politik und die Bevölkerung. Eine der wirksamsten dieser Kampagnen war die der frühen Nullerjahre, als BP das Konzept des individuellen CO₂-Fußabdrucks populär gemacht hat und damit die Verantwortung von sich auf jeden Einzelnen abgeschoben hat. Und das bleibt von den Klebeaktionen gerade hängen, dass jeder Einzelne verantwortlich ist. Deswegen halte ich es für einen schweren strategischen Fehler.

Was könnte wirksamer sein?

Ich bin kein Klimaaktivist. Aber der Fokus muss wieder hingehen zu den Verantwortlichen, die wirklich was bewegen können, und nicht zu jedem Einzelnen von uns. Aber konkrete Maßnahmen sollen sich die Aktivisten ausdenken, oder noch besser: Sie heuern gute Kreative aus der Kommunikationsbranche an, genauso wie es die fossile Industrie tut. Deren Kampagnen denkt sich ja nicht der Chef von Exxon aus, sondern hochbezahlte Superkreative aus PR und Werbeagenturen. Die könnten sich das auch für die Klimabewegung ausdenken.

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