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Verehrt und verurteilt: Aktionist Otto Muehl

Er versuchte mit den Mitteln der Kunst gegen die Gesellschaft zu revoltieren und hat dabei Grenzen überschritten und Gesetze verletzt. Otto Muehl war einer der umstrittensten österreichischen Künstler der Zweiten Republik.

Verehrt und verurteilt: Aktionist Otto Muehl
Verehrt und verurteilt: Aktionist Otto Muehl
Verehrt und verurteilt: Aktionist Otto Muehl
Verehrt und verurteilt: Aktionist Otto Muehl
Verehrt und verurteilt: Aktionist Otto Muehl
Verehrt und verurteilt: Aktionist Otto Muehl
Verehrt und verurteilt: Aktionist Otto Muehl
Verehrt und verurteilt: Aktionist Otto Muehl

Am Sonntag früh ist der an Parkinson erkrankte und an Herzproblemen leidende Aktionist und Kommunengründer im Alter von 87 Jahren "friedlich im Kreis seiner Freunde in Portugal gestorben", wie die Leiterin des Muehl Archivs, Daniele Roussel, am Abend bestätigt hat.

Otto Muehl wurde am 16. Juni 1925 im burgenländischen Grodnau als Sohn eines Volksschullehrers und einer Hausfrau geboren. 1940 wurde der Gymnasiast zum Landdienst, später zum Reichsarbeitsdienst und zur Wehrmacht eingezogen. 1948-52 absolvierte er ein Lehramtsstudium für Deutsch und Geschichte an der Uni Wien, 1952 begann er ein Studium der Kunstpädagogik an der Akademie der bildenden Künste. Während des Studiums begann er als Zeichenlehrer in einem Kinder-Therapieheim zu arbeiten.

In seinen ersten künstlerischen Arbeiten beschäftigte sich Muehl mit der Zerstörung des Tafelbildes und arbeitete an Gerümpelskulpturen. Muehl machte Bekanntschaft mit Günter Brus, Hermann Nitsch, Kurt Kren und anderen, die in der Folge den Wiener Aktionismus prägten oder begleiteten. 1962 entstand das Manifest "Die Blutorgel", im Jahr darauf wurde das "Fest des psycho-physischen Naturalismus" von der Polizei abgebrochen. Nach der Aktion "Kunst und Revolution" (1968) wurde Muehl verhaftet, er verbrachte zwei Monate in U-Haft.Kommune Friedrichshof in den 70ern1970 wurde die Kommune Praterstraße gegründet, 1972 der burgenländische Friedrichshof erworben. In ihrer Blütezeit um 1983 umfasste die Kommune dort, in zahlreichen Stadt-Dependancen sowie in La Gomera über 600 Personen und verzeichnete auch erstaunliche wirtschaftliche Erfolge. Die konkrete Arbeit an der radikalen Utopie von der Veränderbarkeit der Welt durch Kunst endete jedoch in Chaos, in heftigen Vorwürfen gegen den Errichter eines "despotischen, demütigenden, unterdrückenden Systems" und schließlich vor Gericht. 1991 wurde Muehl wegen Sittlichkeitsdelikten bis hin zur Vergewaltigung, Verstößen gegen das Suchtgiftgesetz und Zeugenbeeinflussung schuldig gesprochen und zu sieben Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Sechseinhalb Jahre Haft verbüßte er.

Nach seiner Entlassung lebte er gemeinsam mit einigen Künstlerfamilien in der Art & Life Family-Kommune in Portugal. 2010 entschuldigte er sich anlässlich einer Ausstellung im Wiener Leopold Museum erstmals öffentlich. Er habe sich "in einigen Sachen grundsätzlich geirrt", gab er in einem zur Veröffentlichung bestimmten Brief zu. "Ich habe meine Wirkung als sogenannter Häuptling innerhalb der Kommune unterschätzt. (...) Die Stellungnahme der Jugendlichen damals im Gerichtssaal machte mich fassungslos. Ich wollte sie befreien und habe sie mit sexueller Überschreitung stattdessen überrumpelt und gekränkt. Es war auf keinen Fall meine Absicht. Ich hoffe, dass sie mir verzeihen. (...) Ich bereue es sehr."Film "Meine keine Familie"Erst jüngst ist durch den Film "Meine keine Familie" von Paul-Julien Robert, der 1979 am Friedrichshof geboren wurde, das gescheiterte Experiment wieder thematisiert worden. Die Sammlung Friedrichshof im burgenländischen Zurndorf ist seit 2010 nach einem Umbau durch Architekt Adolf Krischanitz mit einem Querschnitt von Arbeiten der Wiener Aktionisten Günter Brus, Hermann Nitsch, Otto Muehl und Rudolf Schwarzkogler sowie Wechselausstellungen für die Öffentlichkeit zugänglich.

Die Einschätzung der künstlerischen Bedeutung des Werks von Otto Muehl ist ebenso unterschiedlich wie die von ihm gewählten Ausdrucksformen. Schon in seiner ersten Aktion "Versumpfung einer Venus" (1963) und seinen folgenden "Materialaktionen" spielte Sexualität und das Herantasten an künstlerische wie gesellschaftliche Tabus eine große Rolle. Kaum eine internationale Aktionismus-Ausstellung kommt ohne seine Werke aus, doch schon 1973/74 wandte er sich vom Aktionismus ab und begann wieder zu malen. Seither entstanden neben vielen expliziten Darstellungen etwa Siebdrucke mit Politiker-Porträts oder zuletzt so genannte "Electric Paintings", elektronisch gemalte Collagen, bei denen Einzelfotos von Aktionen am Computer weiterentwickelt wurden, sowie "Excess Art"-Objekte.

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