Zum Inhalt springen
Fotostrecke

Kinderbuchautor Janosch: Schnuddel, Kleiner Bär und Tigerente

Foto: Roland Weihrauch/ picture alliance / dpa

Kinderbuchlegende im Interview "Schreiben Sie: mit Janosch nur Sauereien geredet"

Er zeichnete einige der schönsten Kinderbuchfiguren aller Zeiten, er selbst hatte eine furchtbare Kindheit. Hier spricht Janosch in einem großen Lebensbericht über Sex, Suff und die unstillbare Sehnsucht nach Wahrheit.
Zur Person

Janosch, geboren 1931 als Horst Eckert, ist Illustrator, Kinderbuch- und Romanautor. Er lebt seit einigen Jahren gemeinsam mit seiner Frau Ines auf Teneriffa. Aufgewachsen ist er in Zabrze. Janosch bezeichnet sich selbst wahlweise als "Schlesier" oder "Polen". Es sind hunderte Bücher von ihm erschienen, manche wurden in mehr als 30 Sprachen übersetzt. Zu seinen bekanntesten Werken gehört das Kinderbuch "Oh, wie schön ist Panama" von 1978. Sein erster Roman "Cholonek oder Der liebe Gott aus Lehm" von 1970 wurde in Polen zum Kult. Für seine Arbeit wurde Janosch vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Bundesverdienstkreuz.

Zur Zeit läuft eine große Ausstellung mit Unikaten und Grafiken des Künstlers in der Galerie Bohn in Lörrach.

SPIEGEL ONLINE: Herr Janosch, Ihr Auge tränt.

Janosch: Mir ist Xylamon ins Auge gelaufen. Das ist Holzschutzmittel. Ich habe das Dach angemalt. Da oben gestrichen, hochgeguckt, voll ins Auge.

SPIEGEL ONLINE: Tut es weh?

Janosch: Nein, es ist nur unangenehm. Die Pupille verändert sich jetzt nicht mehr. Ich sehe auf eine Entfernung richtig, der Rest ist falsch. Das geht nicht mehr weg.

SPIEGEL ONLINE: Also keine Dachreparaturen mehr?

Janosch: Lieber nicht, es ist aber auch schon etwas her. Ich muss immer alles ausprobieren. Wenn man Sachen macht, die man eigentlich nicht kann, dann kommt etwas dabei raus, das interessant ist.

SPIEGEL ONLINE: Trifft das auch auf Ihre Arbeit zu? Ihnen wurde ja als junger Mann gesagt, dass Sie nicht zeichnen können. Inzwischen sind Ihre Zeichnungen weltberühmt.

Janosch: Ich arbeite nicht gerne.

SPIEGEL ONLINE: Dafür haben Sie ziemlich viel gemalt.

Janosch: Malen ist aber eigentlich keine Arbeit. Ich weiß auch nicht, wie das kommt. An manchen Tagen, da brauche ich gar nicht zu denken, da geht es von allein.

SPIEGEL ONLINE: Auf Postkarten stehen Sinnsprüche von Ihnen, ihre Figur Wondrak beantwortet wöchentlich eine neue Sinnfrage. Halten Sie sich für weise?

Janosch: Ich bin alt. Für so einfache Weisheiten braucht es mindestens 50 Jahre Unwissen. Nichtwissen ist übrigens schwerer zu erarbeiten als Wissen. Das ist auch ein guter Spruch, der ist wahr.

SPIEGEL ONLINE: Wie wichtig ist Ihnen die Wahrheit?

Janosch: Ohne Lügen kommen Sie nicht durch! Das ist ein Spezialgebiet: wie man lügt, was man lügt. Man kann ja auch so lügen, dass der andere die Wahrheit erfährt.

SPIEGEL ONLINE: Wie denn zum Beispiel?

Janosch: Da müsste ich jetzt nachdenken. Das ist aber nicht gelogen, das ist wahr.

Fotostrecke

Kinderbuchautor Janosch: Schnuddel, Kleiner Bär und Tigerente

Foto: Roland Weihrauch/ picture alliance / dpa

SPIEGEL ONLINE: Es gibt einige Geschichten, wie der Name Janosch entstanden ist. Eine Ihrer Erzählungen besagt, dass Sie im Büro eines Verlegers mit einem Janosch verwechselt wurden und dann einfach den Namen behielten. Sie haben sich später gefreut, weil das überall stand, aber gar nicht wahr ist.

Janosch: Das stimmt, da gab es Verwirrung. In dem Augenblick, wo ich es erzähle, glaube ich aber dran. Lügen ist eine Sünde.

SPIEGEL ONLINE: Sie sagten mal, katholisch geboren worden zu sein, sei der größte Unfall Ihres Lebens. Haben Sie noch oft das Gefühl, gesündigt zu haben?

Janosch: Etwas falsch gemacht zu haben, das auf jeden Fall. Zum Beispiel, wenn ich an einem Bettler vorbeigehe, und ich gebe ihm kein Geld. Und danach fällt mir ein, er hätte es vielleicht gebraucht, das war ein Fehler. Manchmal gehe ich dann zurück. Es gibt auch Momente, wo ich denen ein paar Geldscheine in die Hand drücke. Früher, wenn ich mal an einem Tag 1000 Euro verdient habe, habe ich 300 an die Bettler verschenkt. Meistens an alte Frauen, weil Männer kommen ja eher durch.

SPIEGEL ONLINE: Klingt nach schlechtem Gewissen.

Janosch: Das ist die Schuld, die man nie loswird. Wenn man aufwächst mit der Religion, ist man geboren mit einer Sünde. Mit einer, die man nicht begangen hat. Der Mensch ist ja die größte Sau der Welt. Er bringt sich gegenseitig um, und fast alles, was er tut, ist Sünde. Nach Eigentum streben ist eine Sünde, sich vermehren ist eine Sünde.

SPIEGEL ONLINE: Das beschreiben Sie bereits eindrücklich in Ihrem ersten Buch "Cholonek oder Der liebe Gott aus Lehm" von 1970. Der Roman liest sich wie eine harte, aber auch warmherzige Abrechnung. Ist das so was wie Ihr Lebensthema?

Janosch: Teuflisch ist das alles.

SPIEGEL ONLINE: Das Leben?

Janosch: Diese ganze Christusgeschichte. Und wenn es Gut und Böse gar nicht gibt? Beim Schreiben von Cholonek habe ich zwei Schreibmaschinen kaputtgehauen. Wenn ich danebengehauen habe, habe ich halt noch mal doller draufgeschlagen.

SPIEGEL ONLINE: Waren Sie wütend?

Janosch: Ich schrieb im Suff. Mehr als 30 Flaschen Gin habe ich dabei getrunken. Damals lebte ich auf dem Dorf, in einem einsamen Haus am Ammersee. Da habe ich mir den Gin besorgt, weil normal kann ich solche Geschichten gar nicht erzählen. Wenn ich aber trinke, dann fällt mir ein, was gewesen ist.

Kinderbuchheld Schnuddel

Kinderbuchheld Schnuddel

Foto: Janosch film & medien

SPIEGEL ONLINE: Vernebelt Alkohol nicht eher?

Janosch: Ich muss bei einer bestimmten Stelle aufhören zu trinken. Wenn ich die treffe, fällt mir aber sehr genau ein, was ich vorher vergessen hatte.

SPIEGEL ONLINE: In dem Buch beschreiben Sie eine Kindheit unter äußerst brutalen Verhältnissen. Ist Ihr Vergessen ein Schutz?

Janosch: Ich weiß es nicht. Vielleicht. Jetzt ist es eh anders. Ich hole mein Gedächtnis eher mit Yogaübungen hoch. Ich kann ewig Kopfstehen.

SPIEGEL ONLINE: Und das ist besser als Alkohol?

Janosch: Eigentlich ist beides gut. Ich trinke aber seit 30 Jahren nicht mehr. Also ich trinke schon noch, aber nur, wenn ich will. Früher musste ich jeden Tag trinken.

SPIEGEL ONLINE: Wie haben Sie es geschafft aufzuhören?

Janosch: Man muss alles können. Hauptsächlich das, was man nicht kann. Bei mir ist das Turnen. Da hatte ich immer eine Fünf. Später konnte ich dann Klimmzug mit nur einer Hand. Wo hatten Sie eine Fünf?

SPIEGEL ONLINE: In Volleyball. Das liegt mir nicht, da werden sofort meine Arme blau.

Janosch: Das kann man aber doch wegkriegen. Wen müsste man da fragen? Vielleicht einen Mediziner, aber es gibt so wenige, die was wissen. Einen guten kannte ich aber, das ist schon viele Jahre her. Der hatte eine berühmte Klinik in München. Das war Atem-Schmitt.

SPIEGEL ONLINE: Wie haben Sie ihn kennengelernt?

Janosch: Ich hatte Asthma und konnte nicht atmen, da bin ich in das Krankenhaus. Ludwig Schmitt hieß er und hat alle geduzt. Als ich er mich sah, hat er nur gesagt: Du stirbst.

SPIEGEL ONLINE: Das ist ja furchtbar.

Janosch: Das waren noch Methoden. "Wenn du sterben willst, geh nach Haus. Wenn du nicht sterben willst, geh da rüber zur Schwester, und lass dir einen Termin geben." Ich habe mir einen Termin geben lassen.

SPIEGEL ONLINE: Und dann?

Janosch: Er hat mich mit Atemmassage behandelt. Er hat gute Punkte gewusst am Körper, da wo man drücken muss, damit das Gehirn oben wieder in Gang kommt. Das ist wahr, alles hat eine Verbindung.

SPIEGEL ONLINE: So ähnlich wie bei der Akupunktur?

Janosch: Genau. Nur er war eher gewaltsam. Viele sind nicht mehr hingegangen, weil es so geschmerzt hat. Ich bin so weit gekommen, dass mich nichts mehr geschmerzt hat. Mich schmerzt auch jetzt nichts, außer wenn das innerlich ist.

SPIEGEL ONLINE: Was ist, wenn Sie sich mit einem Hammer auf den Daumen hauen?

Janosch: Das tut schon weh, aber nicht so schlimm. Da fluche ich nur eine Weile, und das ist ja eine tolle Sache. Die Leute standen da jedenfalls Schlange beim Schmitt. Er hat auch Frauen geheilt, die keinen Orgasmus kriegen. Die sind ja ganz kaputt, wenn sie den nicht haben. Ich weiß aber nicht, wie er das gemacht hat.

Kleiner Tiger und Kleiner Bär mit Tigerente in "Oh, wie schön ist Panama"

Kleiner Tiger und Kleiner Bär mit Tigerente in "Oh, wie schön ist Panama"

Foto: DPA/ Warner

SPIEGEL ONLINE: Wie hat er Sie denn behandelt?

Janosch: Er ließ mich von zwei Leuten festhalten, kniete sich auf meinen Hintern und trommelte auf eine bestimmte Stelle zwischen den Schulterblättern. Seine Theorie war, alten Schmerz, einen alten Auslöser zu wiederholen, um die aktuelle Krankheit zu beheben.

SPIEGEL ONLINE: Was war der Auslöser für Ihr Asthma?

Janosch: Meine Mutter hat mich immer gehauen. Dabei sagte sie, wenn du nicht aufhörst zu heulen, schlag ich dich tot. Als ich klein war, hat sie so lange auf mich draufgehauen, bis ich keine Luft mehr gekriegt hab. Da gab es einen Schock in den Nerven, und der ist geblieben. Das musste der Arzt beseitigen und hat mir deshalb immer mit den Fäusten auf meinen Rücken gehauen.

SPIEGEL ONLINE: Das muss schlimm für Sie gewesen sein.

Janosch: Es war nicht so schlimm, wie nicht atmen können. Seit ich bei ihm war, atme ich drei Mal in der Minute. Drei Mal aus und drei Mal ein. Abends, wenn ich einschlafen will, nur zwei Mal in der Minute. Das kann ich kontrollieren, außer wenn mich was ärgert. Ich kann sogar ganz ohne zu atmen mit dem Auto durch Stinkgebiete fahren.

SPIEGEL ONLINE: Das ist natürlich ein Vorteil.

Janosch: Auf jeden Fall. Seitdem ich beim Schmitt war, kann ich auch zeichnen. Das ist wahr!

SPIEGEL ONLINE: Wie hängt das denn zusammen?

Janosch: Ich war auf der Akademie. Da haben die aber gesagt, das macht keinen Sinn mit dir.

SPIEGEL ONLINE: War das in den Fünfzigerjahren an der Akademie der Bildenden Künste, als man Sie nach zwei Semestern rauswarf?

Janosch: Danach hat mich der Schmitt gehauen. Da ging ein Knoten auf. Vorher hatte ich Angst, dass ich etwas zeichne, das nicht richtig ist, und die mich rauswerfen. Und es wurde auch nicht richtig, weil ich genau das gedacht habe. Das hat sich dann aber mit dem Knoten von allein gelöst. Dann haben die mir sogar angeboten, dass ich da an ihrer Akademie Professor werde.

SPIEGEL ONLINE: Sie lehnten aber ab. Weshalb?

Janosch: Das ist mir keine Ehre, das war mir egal. Ich hatte damals aber genug Geld. Kurz nach der Akademie war da schon ein Mann, der hatte eine Druckerei für Textilien und hat mir angeboten, wenn alle Entwürfe, die ich mache, ihm gehören, dann bekomme ich 1000 Mark im Monat. Er war Sachse, und die sind ja eigentlich geizig, aber von diesem habe ich so viel Geld gekriegt, dass ich ein Haus hatte mit Atelier.

SPIEGEL ONLINE: Wo Sie auch Ihre ersten Bücher geschrieben haben.

Janosch: Und von da bin ich ab und zu nach München. Eigentlich immer in die Gisela. Das war eine Bar in Schwabing. Eine Frau ging auch mal mit mir mit. Wie alt bin ich jetzt?

SPIEGEL ONLINE: Sie sind 86.

Janosch: Dann war es vor 60 Jahren! Oh Mann. Die Bardame hatte es auf mich abgesehen, deswegen musste ich nie bezahlen. Habe ich die nun mitgenommen oder nicht? Ich weiß es nicht mehr. Mir hat eh immer nur eine Frau gefallen, meine jetzt.

SPIEGEL ONLINE: Sie meinen Ihre Frau Ines?

Janosch-Figuren Bär und Tiger

Janosch-Figuren Bär und Tiger

Foto: Janosch film & medien

Janosch: Ja. Das dauert schon so lange. Mindestens 36 Jahre. Und nun habe ich ein tropfendes Auge und höre schlecht. Meine Frau hat gesagt, ich brauche ein Hörgerät. Jetzt komme ich mit ihr nicht mehr zurecht.

SPIEGEL ONLINE: Warum?

Janosch: Weil sie entweder ganz leise spricht oder mich anschreit. Mit anderen Leuten spricht sie aber normal. Hier, mein Hörgerät. Das war teuer, das hat ein paar Tausend Mark gekostet. Der das erfunden hat, der bekommt Patentgebühren. Lächerlich, ein Hörgerät. Was habe ich noch künstlich? Das Herz läuft mit Batterie. Da wurde ich aufgeschnitten.

SPIEGEL ONLINE: Sie werden nicht so gerne älter, oder?

Janosch: Es ist besser als jünger zu werden. Der Geschlechtstrieb verschwindet.

SPIEGEL ONLINE: Was ist denn daran gut?

Janosch: Man muss halt sonst immer betteln. Manches ist aber auch schlechter. Schlechter ist, wenn ich nicht laufen kann. Entscheidend ist aber nur die Minute, in der man stirbt. Die größte Erkenntnis hat man im Augenblick des Todes. Dann weiß man, wie es wirklich war im Leben. Wenn man das begreift, hat man Glück. Wenn nicht, dann nicht. Mir ist das schon passiert.

SPIEGEL ONLINE: Ein Todesaugenblick?

Janosch: Da hätte alles vorbei sein können. Einmal bin ich aus dem Auto geschleudert worden, direkt unter ein entgegenkommendes Auto. Das kam so nah an mich ran, dass mein Ärmel eingeklemmt war. Zehn Zentimeter weiter wäre es der Arm und dann ich gewesen. Sense, aus.

SPIEGEL ONLINE: Da hatten Sie den Erkenntnismoment?

Janosch: Den hatte ich, ja. Normalerweise erinnere ich den auch, aber jetzt nicht. Und dann gab es noch einen. Da sagten die Russen zu mir, stell dich an die Wand, wir erschießen dich jetzt. Da war ich 13.

SPIEGEL ONLINE: Sie wuchsen in Oberschlesien, im damaligen Zabrze auf. Am Ende des Zweiten Weltkriegs nahmen die Russen Ihre Heimatstadt ein.

Janosch: Und neben mir stand mein Großvater, der hat angefangen zu weinen. Ich habe nicht geheult, weil meine Großmutter kam. Sie hat den Russen mit der Waffe gefragt: "Hast du keine Mama?" Der hat dann nicht geschossen. Das war genau das Richtige. Der ging dann weg mit seiner Kalaschnikow. Das ist ein Gewehr mit einer Trommel, da sind 300 Schuss drin oder so was. Der hätte gar nicht zielen müssen, wir wären sofort weg gewesen.

SPIEGEL ONLINE: Denkt man in so einem Moment überhaupt noch irgendwas?

Janosch: Ich bin danach nur gerannt. Jetzt bin ich außerdem alt, da fällt es mit dem Erinnern schwer. Man merkt ja nicht, wenn man stirbt.

SPIEGEL ONLINE: Wie meinen Sie das?

Janosch: Man stirbt, und dann geht man noch eine Weile seinen Geschäften nach. Also man denkt, man geht nach Hause, dabei lebt man schon nicht mehr. Verstehen Sie das?

SPIEGEL ONLINE: Als meine Großmutter starb, fühlte sich das so an. Als wäre sie noch im Raum. Auch, als wäre sie danach noch eine Weile immer mal wieder bei mir gewesen.

Janosch: Ich halte das für möglich. Man merkt nicht, dass man stirbt. Und bleibt noch etwas. Vielleicht bleibt man sogar ewig.

SPIEGEL ONLINE: Würden Sie gerne ewig bleiben?

Janosch: Weiß ich nicht. Kommt drauf an, wie. Und weiß man überhaupt, ob es ewig gibt?

SPIEGEL ONLINE: Was würden Sie auf Erden vermissen?

Janosch: Vor Kurzem hätte ich gesagt, den Alkohol.

SPIEGEL ONLINE: Und jetzt?

Janosch: Jetzt ist mir das auch zuerst eingefallen. Sie erzählen das nicht weiter, was ich Ihnen alles sage, oder? Im Notfall sagen Sie einfach, der ist verstorben. Schreiben Sie: mit Janosch nur Sauereien geredet.

SPIEGEL ONLINE: Einige Ihrer Zeichnungen sind ziemlich schweinisch.

Janosch: Sind nackte Weiber eine Sauerei? Darf man die nackten Weiber auf Gemälden genau angucken? Sogar die Kirche sagt, wenn es Kunst ist, darf man gucken. Da habe ich jetzt hundert Jahre nicht mehr dieses Zeug gedacht.

SPIEGEL ONLINE: Im vergangenen Jahr ist Ihre Biografie "Wer fast nichts braucht, hat alles" erschienen. Erkennen Sie sich da wieder?

Janosch: Ich hatte nach dem Lesen so die Schnauze voll. Aber was soll ich mich ärgern? Das Buch ist jetzt raus. Ein Fremder kann so was nicht erzählen. Ich würde mich nicht trauen, von einem eine Biografie zu schreiben. Erstens kann er lügen, zweitens kann ich ihn falsch verstehen, drittens kann ich einen Fehler machen. Das sind schon drei Gründe, eine Biografie nicht zu schreiben. Ich glaube, man kann auch keine gute Autobiografie schreiben, also mit der ganzen Wahrheit. Das kann keiner, sich gut beurteilen. Sonst würde es ja keine Psychiater geben.

SPIEGEL ONLINE: Ist es denn unwahr, wenn man zum Beispiel ein schlimmes Erlebnis aus der Kindheit später als gut auslegt?

Janosch: Das ist die grundsätzliche Frage. Es kann sein, dass ein Vater einen kaputtgehauen hat und man denkt, dadurch nun ein besserer Mensch zu sein. Oder man schreibt, das Schwein hat mich nur gehauen.

SPIEGEL ONLINE: Ihr Vater hat Sie auch geschlagen.

Janosch: Mein Vater kam jeden Tag besoffen wie ein Schwein nach Hause, ist auf den Boden gerutscht, hat hingekotzt, hat versucht, seine Frau zu hauen, und war so besoffen, dass er sie nicht mehr hauen konnte. Und wenn ich ihm das jetzt sagen würde, würde er sagen, das ist doch nicht die Wahrheit, was erzählst du denn da! Ende, aus.

Mehr lesen über