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Rund tausend neue Jungtiere Jede Menge Robbenbabys

An Deutschlands Küsten hält der Babyboom bei den Kegelrobben an. Für Naturschützer ist das eine gute Nachricht, die Bestände wachsen weiter. Sie warnen aber auch: So süß die Tiere wirken, so bissig können sie sein.
Herzerwärmend: Robben sind Sympathieträger. Fernhalten sollte man sich trotzdem – sie verteidigen ihre Jungen

Herzerwärmend: Robben sind Sympathieträger. Fernhalten sollte man sich trotzdem – sie verteidigen ihre Jungen

Foto: Joe Giddens/ dpa

Die Zahl der Kegelrobben an Deutschlands Küsten steigt weiter. Das ist schon deshalb eine gute Nachricht, weil es Rückschlüsse darauf zulässt, wie es dem Ökosystem Meer als Ganzem geht: Möglich ist die Vermehrung nur, weil genug Nahrung vorhanden ist und die Tiere nicht zu häufig gestört werden.

Sie nicht zu stören schützt nicht nur die Kegelrobben an den Küsten, sondern auch den Menschen. So süß die Tiere wirken, sind sie doch auch die größten heimischen Raubtiere und verhalten sich entsprechend – Kegelrobben können ziemlich wehrhaft werden, wenn man ihnen zu nahe kommt, gerade wenn sie Jungtiere haben. Anlegen sollte man sich mit ihnen also nicht – Halichoerus grypus bringt bis zu 300 Kilogramm auf die Waage und wird bis zu zweieinhalb Meter lang.

Jedes Tier konsumiert rund zehn Kilogramm Fisch am Tag, und sie gehen auch auf große Beute: Neben Schollen und Heringen finden sich auch Makrelen, Dorsche und Lachs auf ihrem Speiseplan. Mitunter attackieren Kegelrobben aber auch Schweinswale, erbeuten junge Seehunde oder Jungtiere der eigenen Art – sie sind echte Raubtiere. An Helgolands Stränden, wo die meisten Kegelrobben der deutschen Nordsee geboren werden, drängen sich zu Spitzenzeiten bis zu 1300 Tiere, die Rebecca Ballstaedt vom Verein Jordsand  in dieser Aufzucht-Zeit als »hochaggressiv« beschreibt.

Dass die größte heimische Population in den tiefen Wassern um Helgoland zu finden ist, ist kein Zufall. Aus dem Wattenmeer waren sie nicht nur wegen Belästigungen und Umweltbelastungen lange Zeit verschwunden, sondern vor allem wegen der intensiven Bejagung, die es früher auch hierzulande gab: Nicht, weil man ihnen an Fell oder Fleisch wollte, sondern weil Fischer die Kegelrobben als Konkurrenten fürchteten. Trotz des Aufwärtstrends der letzten Jahre gelten die Bestände von Kegelrobben in deutschen Gewässern nach wie vor als sehr gefährdet, im Wattenmeer gelten sie noch immer als sehr selten.

Dort beobachtet man eher die im Vergleich deutlich kleineren Seehunde (Phoca vitulina), die etwa halb so schwer werden wie ihre kegelköpfigen Verwandten. Unterscheiden kann man unsere heimischen Hundsrobben nicht nur anhand von Größe und Gewicht, sondern vor allem am Kopf: Seehunde haben einen runden Schädel mit kurzer Schnauze und groß wirkenden Augen. Sie sind auch deutlich scheuer als Kegelrobben. Die haben eine langgezogene, spitz kegelförmig zulaufende Schnauze mit einem beeindruckenden Gebiss.

Phoca vitulina, unser allseits beliebter Seehund: Kleiner, leichter, scheuer

Phoca vitulina, unser allseits beliebter Seehund: Kleiner, leichter, scheuer

Foto: Joerg Sarbach/ AP

Babys im Pelzmantel

Die deutlichen Unterschiede zwischen den Arten erleichtern die Zählung auch aus der Luft. Gerade die Jungtiere sind leicht zu erkennen: Ihr Fell ist in den ersten vier Wochen ab Geburt auffällig weiß. Solange sie diesen »Lanugo« genannten Babypelz tragen, können sie nicht schwimmen. Dieses erste Fell ist langhaarig und wärmend, aber nicht so wasserabweisend wie ihre spätere Behaarung. Man zählt sie während der Geburtssaison von November bis Januar bei Zählflügen entlang der Küsten, auf Helgoland  wird der Nachwuchs mit Drohnen und von den Stränden aus gezählt – so lang das möglich ist. In diesem Jahr wird die Zählung vom Strand aus wegen der steigenden Zahl von Tieren immer gefährlicher und werde darum nicht mehr täglich durchgeführt, sagt Rebecca Ballstaedt vom Verein Jordsand. Doch obwohl genaue Zahlen noch nicht vorlägen, glaubt sie: »Wir haben auf jeden Fall ein gutes Jahr.«

Junge Kegelrobbe im »Lanugo«: Der erste Pelz ist weiß

Junge Kegelrobbe im »Lanugo«: Der erste Pelz ist weiß

Foto: Sean Gallup/ Getty Images

Das gilt auch in anderen Regionen. Im Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer wurden bei zwei Zählflügen im Dezember insgesamt 1036 Kegelrobben registriert, davon 393 Jungtiere. »Das waren knapp 40 Jungtiere weniger als im Vorjahr, aber es wurden 50 erwachsene Tiere mehr gesichtet«, sagt Thea Hamm von der Nationalparkverwaltung in Wilhelmshaven . »Ich würde das für eine relativ natürliche Schwankung halten.« Der Trend zu einer immer größeren Population halte also an.

Zudem zeichnet sich ab, dass die Kegelrobben Gebiete, aus denen sie lange verdrängt waren, wieder in Besitz nehmen. Naturschützer beobachten eine zunehmende Verbreitung Richtung Wattenmeer. Die meisten Kegelrobben im niedersächsischen Nationalpark leben an der Kachelotplate, einer Sandbank zwischen den ostfriesischen Inseln Juist und Borkum. »Langsam breiten sich die Kegelrobben Richtung Osten aus«, sagt Thea Hamm . Im Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer sind Liegeplätze insbesondere auf dem Jungnamensand und den Knobsänden zwischen Amrum und Sylt zu finden.

pat/dpa