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Gipfelkreuz-Streit in Tirol und Italien Kulturkampf am Berg

Kreuze markieren die höchsten Punkte Tausender Berge. Sollen die christlichen Symbole auch künftig noch in den Alpen aufgestellt werden? Darüber tobt nun eine skurrile Debatte.
Gipfelkreuz der Seefelder Spitze: In Tirol und südlich des Brenners ist ein Kulturkampf um die christlichen Symbole auf Berggipfeln hochgekocht

Gipfelkreuz der Seefelder Spitze: In Tirol und südlich des Brenners ist ein Kulturkampf um die christlichen Symbole auf Berggipfeln hochgekocht

Foto: Martin Huber / picturedesk.com / picture alliance

Sie krönen die Spitzen Tausender Alpenberge, sind oft schon von weit unten zu sehen – und beliebte Fotomotive für Wanderer und Bergsteigerinnen, die es nach ganz oben geschafft haben. Um die Gipfelkreuze ist jetzt ein skurriler Kulturkampf in Österreich und Italien entflammt.

Besonders groß ist die Aufregung in Tirol, wie österreichische Medien berichten. Ausgelöst wurde die hitzige Debatte hier durch Äußerungen von Andreas Ermacora. Der Präsident des Österreichischen Alpenvereins hatte in einem Interview mit dem ORF Tirol unter anderem gesagt: »In den West- und Ostalpen haben wir rund 4000 Gipfelkreuze. Wir sind aber nicht dafür, dass auf jeder Erhebung ein Kreuz steht. Es gibt ja auch Steinmandln oder tibetische Gebetsfahnen, die zur Orientierung dienen können.«

Das habe keine religiösen Gründe, sagte Ermacora. Wohl aber sei der Aufbau mit großem Aufwand verbunden. Der Hauptausschuss des Alpenvereins habe schon in den 1980er- und 1990er-Jahren beschlossen, keine neuen Gipfelkreuze aufzustellen. »Es gibt ja genug.«

Diese Sätze waren Anlass genug für Politiker der konservativen Regierungspartei ÖVP, in den Kulturkampf zu ziehen, wie unter anderem die Website Kurier.at berichtet.

So verkündete Österreichs Bundeslandwirtschaftsminister Norbert Totschnig: »Gipfelkreuze sind Teil unserer christlichen Tradition und unserer alpinen Kultur. [...] Die Gipfelkreuze gehören zu unseren Bergen, und dort sollen sie auch bleiben.« Dass Ermarcora ausdrücklich ausgeschlossen hatte, bestehende Kreuze abzubauen und der Alpenverein morsche Kreuze sogar ersetzen lässt, erwähnte Totschnig nicht.

»Gipfelkreuze dürfen nicht politisch instrumentalisiert werden.«

Markus Abzwerger, Politiker

Tirols Wirtschaftskammerpräsident Christoph Walser, ebenfalls ÖVP, sprach von einem »Angriff auf Tourismus und Kultur«. Und der Klubobmann der Tiroler ÖVP Jakob Wolf nannte die Gipfelkreuze einen »Teil unserer Tiroler Identität«, die nicht nur »symbolisch für den Gipfelsieg« stünden, sondern »auch Tradition und Glaube« repräsentierte. Ein Verbot des Aufstellens neuer Gipfelkreuze »würde für mich einem Bruch unserer alpinen Traditionen gleichkommen«.

Es dauerte nicht lange, bis sich auch Politiker der rechtsgerichteten FPÖ als Verteidiger der Gipfelkreuze outeten. Diese seien »ein Zeichen für das christliche Erbe Tirols«, sagte der Tiroler FPÖ-Obmann Markus Abzwerger: »Gipfelkreuze dürfen nicht politisch instrumentalisiert werden.«

»Ohne Herz und ohne Verstand«

Ihren Ausgang hatte die Debatte jenseits des Brenners genommen: In Italien. Dort hatte Marco Albino Ferrari, Redaktionsleiter des Magazins des nationalen Alpenvereins, bei einer Buchpräsentation gesagt, Kreuze würden nicht alle Bergsteiger ansprechen. Niemand wolle die bereits aufgestellten Gipfelkreuze entfernen, es sollen aber keine weiteren aufgestellt werden. Berggipfel sollten ein neutrales Gebiet sein.

Daraufhin ergoss sich in sozialen Medien eine Welle der Empörung über den italienischen Alpenverein. Verkehrsminister Matteo Salvini von der rechtsgerichteten Lega postete auf Facebook, der Vorstoß, das Kreuz auf Bergen zu »verbieten« (den Ferrari nie gemacht hatte), sei »ein Unsinn ohne Herz und ohne Verstand«, der »unsere Geschichte, unsere Kultur, unsere Vergangenheit und unsere Zukunft leugnet«.

Daraufhin erklärte der Präsident des Alpenvereins, das Thema habe im Verein zur Diskussion gestanden. Es gebe dazu keine offizielle Position, Ferrari habe lediglich seine persönliche Meinung geäußert. Die Gespensterdebatte forderte dennoch zwei Opfer: Redaktionsleiter Ferrari und der Kurator traten zurück. Es ist ein Kreuz mit dem Kreuz.

So sehr manche Gemüter gerade öffentlich hochkochen: In den vergangenen Jahrzehnten war das Thema kein besonderer Aufreger. Ermacoras Erinnerungen zufolge gingen beim Österreichischen Alpenverein seit dem letzten Beschluss der 1990er-Jahre genau zwei Anträge für neue Gipfelkreuze ein.