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Sex-Skandal St. Pölten "Pastoraler Supergau"

Kinderpornographie und Sex unter den Geistlichen - im Priestersemninar St. Pölten in Österreich wurde der Stoff für einen handfesten Kirchenskandal geliefert. Der erzkonservative Bischof Kurt Krenn verweigert eine offene Aufklärung.

Weihnachten war's, das Fest der Liebe. Im Priesterseminar zu St. Pölten/Österreich gab es Kuchen und besinnliche Worte für den "armen" Priesernachwuchs, der "ja nicht nach Hause durfte", wie es der Corektor Wolfgang Rothke später formulierte. Man habe halt "eine Kerze angezündet, aus dem Evangelium gelesen, ein Liedchen gesungen und Bäckereien geschmaust." Danach hätte sich "jeder mit jedem liebevoll umarmt". Unter einem Mistelzweig.

Dabei wurden von Mann zu Mann und Mund zu Mund "Körperflüssigkeiten ausgetauscht", wie Österreichs Medien mit Hilfe eindeutiger Fotos von der Weihnachtsfeier ermittelten. Auch Rektor Ulrich Küchl spendete den armen "Alumnen", wie der geistliche Nachwuchs genannt wird, Trost , in dem er einem seiner Priesterschüler die Hand genau auf jede Stelle legte, wo nach dem Verständnis der Kirche gerne der altböse Feind ("Zebedäus") lauert.

Die Hand schwebte "eher vor dem Hosenlatz"

Zwar habe, so Hochwürden heute, die Hand "eher vor dem Hosenlatz" geschwebt und nicht darauf geruht, aber das nützt nun eh nichts mehr. Auch ein Rechtsgutachten des für St. Pölten und die Ausbildung der Pfarrer zuständigen Bischofs Kurt Krenn, der herausfand, es gebe keine Kirchenstrafen für Zungenküsse unter Männern, rettete die beiden hochrangigen Priester nicht. Sie mussten zurücktreten, obwohl der Bischof, für den Homosexualität eine "schwere unheilbare Krankheit" ist, inbrünstig gebetet hatte, der Herr möge walten, dass "alles nicht stimmt."

Doch offenbar ist das, was in dem Priesterseminar geschah, noch viel schlimmer. "Der Rauch des Satans dampft über St. Pölten", zitierte das Wiener Nachrichtenmagazin "News" Rudolf Schermann, Pfarrer und Herausgeber der kritischen Zeitung "Kirche intern". Für den Wiener Pastoral-Theologen Paul Zulehner sind die Vorfälle in dem frommen Seminar eine Art "pastoraler Supergau". Und das gilt nicht nur für die innige Weihnachtsfeier. Es geht inzwischen auch um Kinderpornos im Priesterseminar und einen mysteriösen Todesfall.

Am 30. Oktober des vergangenen Jahres war bei Wien die Leiche eines Mannes angeschwemmt worden. Die Ermittlungen ergaben, dass der Mann 54 Jahre alt war, ein "Spätberufener" aus dem Priesterseminar St. Pölten. Dort hatte er angeblich ein enges Verhältnis zu einem anderen Seminaristen, aber auch eine "angeregte, aber fatale Beziehung" zu einer 40jährigen Wienerin, wie Rektor Küchl damals Reportern erklärte. Ob der Mann daran verzweifelte, einen Freund und eine Geliebte zu haben, obwohl er dem Zölibat verpflichtet war, ob er Teil des "Systems St. Pölten" war, ob er "reden wollte und starb...", wie "News" vermutet, ist ungewiss. Die Rechtsmediziner fanden keinen Beweis für ein Fremdverschulden.

Kinderpornographisches Material gehortet

Für den Vorwurf, dass in dem geistlichen Haus kinderpornographisches Material gehortet wurde, gibt es dagegen eindeutige Belege. Am 10. November 2003 hatte der EDV-Verantwortliche von St. Pölten "gehäufte Virenfunde auf dem Rechner Priesterseminar" entdeckt, die "durch die Benutzung von Pornographieseiten passiert sein mussten". "Regens" (Rektor) Küchl, so steht im Protokoll, versprach "sich der Sache anzunehmen und die Täter zu Vernunft zu bringen."

Tatsächlich formulierte Küchl 17 Tage später ein Schreiben an die Staatsanwaltschaft. Aber das, so rekonstruierte die Zeitschrift "Profil" in Wien, ging samt PC an die dafür eigentlich nicht zuständige niederösterreichische Sicherheitsdirektion. Dort hatte der Rektor einen guten Bekannten, den Sicherheitsdirektor Franz Pucher, der auch mal im Priesterseminar war. Pucher beauftragte das Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung mit der Auswertung der Dateien. Das Landesamt fühlte sich nicht zuständig und reicht die "Causa" an das Landesgendameriekommando weiter. Das sollte "auswerten, jedoch nicht ermitteln". Es dauerte ein halbes Jahr, bis der Rechner bei der richtigen Behörde der Kripo von St. Pölten ankam. Die Beamten fanden insgesamt 11 000 Bilder von "unglaublicher Abartigkeit", darunter angeblich Vergewaltigungsszenen mit Kleinkindern, Sex mit allerlei Getier und immer wieder homoerotische Szenen.

Fast, so ein Sprecher der Polizei, wäre die Sache "eingeschlafen". Möglicherweise hat man damit im Priesterseminar gerechnet. Bei einer überraschenden Durchsuchung Ende Juni beschlagnahmte die Polizei jedoch acht weitere Computer. Ergebnis: Etwa 40 000 Seiten kinderpornographisches Material - und die Fotos von den Küssen unterm Mistelzweig bei der Weihnachtszeremonie für die armen Studenten.

Bischof Krenn wusste von dem speziellen Innenleben

Bischof Krenn wusste seit Ende des vergangenen Jahres von dem speziellen Innenleben in St. Pölten. Aber die Pornoseiten in den Computern - so der offizielle Kommentar -das "waren sicher Hacker von außen." Und die Weihnachtsküsse, so die Eminenz, "Bubendummheiten". Man werde das nun alles untersuchen, wobei, so offenbarter er Reportern, "ich nicht weiß, wer das untersuchen soll. denn im Grunde ist ja gar nicht viel los."

Da irrt der erzkonservative Bischof, den sie in St. Pölten seiner barokken Leibesfülle wegen (115 Kilo) "Fleischlaberl Christi" nennen, sehr. Immer neue "Gräuslichkeiten" aus St. Pölten kommen ans Licht, egal ob erfunden oder wahr - Saufgelage, rechtsradikale Umtriebe, von den Rektoren geschlossene Schwulenehen. Nichts scheint unmöglich. Vor etwa zehn Jahren, beim Erzbischof Kardinal Hans Hermann Groër, war das ja auch so gewesen. Groër musste sein Amt zur Verfügung stellen, nachdem ein jugendlicher Liebhaber detailliert augepackt hatte. Damals hatte Krenn sich für seinen Bruder im Glauben stark gemacht, wogegen 10 000 Österreicher vor dem Dom in St. Pölten demonstrierten.

Diesmal schicken sie Mails, die so erbittert sind, dass Krenn seinen elektronischen Breifkasten Mitter vergangener Woche schloss. Auch die Forderung der österreichischen Bischofskonferenz nach einer lückenlosen Untersuchung beeindruckt ihn nicht. "Das geht die einen Dreck an." Und Rom? Rom schweigt. Man lasse sich, so heißt es aus dem Vatikan, "unterrichten".

Rupp Doinet

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