Uwe Habermann hat das legendäre Bernsteinzimmer im Miniaturformat nachgebaut.

Leonberg - Ein Mythos ist unsterblich, denn er ist ein Mythos. So mag das auch mit dem legendären Bernsteinzimmer vor sich gehen, dessen Verbleib wohl niemals geklärt werden wird. Uwe Habermann, der Künstler und Modellbauer aus Höfingen, jedenfalls ist sich sicher, dass es nicht mehr existiert.

 

„Der Bernstein war auf Holzpaneele angebracht und im Königsberger Schloss von den deutschen Besatzern ausgestellt worden. Bei Bombenangriffen der Alliierten wurde es getroffen und ist 1944 ausgebrannt. Sowohl das Harz als auch Holz sind hervorragende Brennstoffe. Es ist wenig wahrscheinlich, dass es überlebt hat. Aber dafür ist es durch diese Geschichte unsterblich geworden“. So sehr, dass das unschätzbar wertvolle Kunstwerk im russischen St. Petersburg rekonstruiert wurde und seit 2003 wieder zugänglich ist. Im selben Jahr vollendete auch Uwe Habermann sein bisher teuerstes Werk. „Allein der Materialwert der Miniatur beläuft sich auf 450 000 Euro“, berichtet der Künstler. Habermann hat das Zimmer im klassischen Puppenstubenformat, Maßstab 1:12, in zehnjähriger Kleinarbeit hergestellt. Dies geschah nicht von ungefähr, ist er doch Zimmermann.

„Bernstein ist ein sehr erotisches Material“

Seit 1985 lebt er in der Gegend und berichtet schmunzelnd von seinen ersten Begegnungen mit dem schwäbischen Dialekt. „Am Anfang brauchte ich einen Simultanübersetzer“, lächelt der ruhige Friese, der nebenbei erklärt, warum Friesisch gar kein Deutsch ist. Nach einem Besuch von St. Petersburg 1993 entwickelte er die Idee, das Bernsteinzimmer nachzubauen. Erfahrung im Puppenhausbau hatte er bereits gesammelt, er zimmert schon viele Jahre im kleinen Maßstab und restauriert auch antike Puppenhäuser. Das Projekt bot ungeahnte, höchste Schwierigkeiten, da nur ein einziges Farbfoto des verschwundenen Originals vorlag. Rund viereinhalb Kilogramm wertvollen Bernstein hat Uwe Habermann in seinem Keller mit Zahnarztbohrer und -schleifer und einem gerüttelt Maß Geduld minutiös bearbeitet. Ein Drittel davon landete als Staub im Abfall.

„Natürlich hatte ich auch viel Bruch dabei, dennoch ist Bernstein auch ein sehr erotisches Material“, schwärmt der Kunsthandwerker. Seit 2003 vermag seine Miniatur auch versierte Kenner des nachgebauten russischen Originals immer wieder in Staunen zu versetzen. In Auftrag gegeben vom preußischen König Friedrich I. wanderten die mit kunstvoll geschnitztem Bernstein verkleideten Holzwände an den Hof des russischen Zaren Peter der I. Sie wurden für 200 Jahre das Lieblingszimmer der Herrschenden, das auch nur ausgewählte Gäste besichtigen durften.

Filigran und liebevoll

Habermann, bisher nur den Umgang mit Holz gewohnt, musste sich zuerst mit der Bearbeitung des honiggelben baltischen Naturbernsteins vertraut machen. Von seiner Heimat allerdings kannte er ihn, spült doch das Meer nach den Frühjahrsstürmen immer wieder schöne, manchmal faustgroße Stücke an Land. „Es muss hier riesige Wälder gegeben haben vor Millionen von Jahren“, schwärmt das Nordlicht. Seinen Werkstoff bezog er von der Stuttgarter Bernstein Manufaktur, die ihn auch beraten konnte.

Mit dem Fortschreiten der Rekonstruktion in St. Petersburg wurden Abbildungen zugänglich, so vom Fußboden des Zimmers. Im Jahre 2000 vermochte sich Habermann aussagekräftigere Bilder zu beschaffen. Eines der heikelsten Teile war der 2,6 Zentimeter hohe Bernsteinsockel, der mehrfach die Insignien des preußischen Königs samt Preußen-Adler trägt.

Dem Kunsthandwerker ist eine hervorragende Miniatur gelungen, liebevoll und filigran. Auch der prachtvolle Intarsien-Holzfußboden, die winzigen Ecktische, die mit Gold gefassten Spiegel sind makellos. Er klärt an dieser Stelle auf: „Eigentlich sind das keine Intarsien, sondern Marketerien, die Furnieren ähnlich sind.“

Museum
Viele Jahre war Habermann mit seinem Wunderwerk auf Tournee, nun ist es bis Ende Juli in Stuttgart zu sehen, in der Ausstellung des Staatlichen Museums für Naturkunde „Leben im Bernsteinwald“.