Elegant, schön, aufregend, exotisch. Diese Attribute treffen auf die Vogelfamilie der Bienenfresser oder Spinte zu. Alle 31 Arten sind länglich, haben dünne, sichelartige Schnäbel und bestechen durch leuchtendes, oft farbiges Gefieder. Meist dominieren blaugrüne und rote Farben. Beide Geschlechter sehen gleich aus. Bienenfresser sind gesellig. Sie halten auf Warten wie dürren Zweigen oder Drähten Ausschau nach Insekten und jagen sie in typisch flatterhaftem Flug.

Manche erbeuten Bienen, andere Heuschrecken. Ihre Beute behandeln sie immer gleich: Sie schlagen sie mehrmals auf einen Ast und kneten sie im Schnabel durch, bis der Stachel bewegungslos aus dem Hinterleib der Biene, Wespe oder Hummel ragt. Nach mehrfachem Hochwerfen wird das Insekt mit dem Kopf voran verschluckt.

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Bienenfresser brüten in Kolonien. Sie legen Niströhren in sandigen Böschungen an. Welch ein Farbenspiel, wenn etwa ein Schwarm Scharlachspinte im südlichen Afrika vor einer hohen Sandwand an einem Flussufer fliegt.

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Ein ähnliches Bild bietet sich im Basler Zoo im Etoscha-Haus. Dort brütet die Art sogar in Nestkammern einer künstlichen Felswand.

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Bienenfresser stammen aus Afrika, Indien, Asien, Australien und Südeuropa – und tauchen im Sommer vermehrt auch in der Schweiz auf. Artenbereicherung statt -schwund! Der Europäische Bienenfresser ist ein Positivbeispiel. Während gewisse Vogelarten ums Überleben kämpfen, wandert er ein und etabliert sich.

Früher tauchte die Art selten hier auf. Ab 1990 wurden erste Bruten im Wallis verzeichnet. Seither wächst der Bestand dieses schönen Boten aus Afrika langsam, aber stetig. «Heute wissen wir von etwa 30 Kolonien mit bis zu 260 Paaren», sagt Dr. Claudia Müller. Die Mitarbeiterin der Schweizerischen Vogelwarte Sempach überwacht den Bestand an seltenen Brutvögeln der Schweiz.

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Der Bagger stört nicht

Auffallend sei, dass 90 Prozent aller Bruten der Europäischen Bienenfresser im Westen der Schweiz stattfänden. «Die Kantone Genf, Waadt und Wallis schlagen obenaus punkto Brutkolonien», sagt Müller.

Sie hat in der deutschen Zeitschrift «Vogelwarte» eine Arbeit über die Ausbreitung des Europäischen Bienenfressers verfasst. Dort erwähnt sie, dass Besiedlungen in Genf und der Waadt vermutlich von Frankreich her durch das Rhonetal geschahen. Die Kolonien im Wallis seien wohl aus italienischen Beständen entstanden. «Zunehmend trockene und wärmere Sommer führen zu einer Ausbreitung der Art in Richtung Norden», sagt Müller.

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Ursprünglich brütete der Europäische Bienenfresser im Mittelmeerraum und in Südosteuropa. Die Ornithologin Müller erklärt: «Oft beobachten wir bei einer Vogelart, die sich neu hier ansiedelt, ein starkes Wachstum. Es nivelliert sich dann aber.» Sie gehe davon aus, dass dies auch beim Europäischen Bienenfresser der Fall sein werde.

Dass ein so zerbrechlich wirkender und farbiger Tropenvogel in der Schweiz Fuss fasst, ist verwunderlich, brauchen Bienenfresser doch ganz bestimmte Voraussetzungen, um sich fortpflanzen zu können. Sie graben in sandige Wände lange Höhlen von einem bis eineinhalb Metern.

Dabei hacken sie mit kräftigen Stössen in das Erdreich. Sobald der Eingang gegraben ist, scharren sie die Erde oder den Sand mit den Füssen aus der Röhre. Am Ende errichten sie eine Brutkammer. Je nach Konsistenz des Erdreichs oder des Sands benötigen sie bis zu zehn Tagen, bis sie die Bruthöhle und Kammer gegraben haben.

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Beim Wort Brutwand taucht im Gedächtnis unwillkürlich eine hohe Abbruchkante auf. Dass die Situation aber auch ganz anders aussehen kann, zeigt sich am Brutplatz der derzeit wohl grössten Kolonie im Wallis bei Leuk.

Dort brüten die filigranen Vögel in einem etwa 60 Zentimeter hohen Hanganriss einer Insel eines Seeleins. «Zuerst haben die Bienenfresser bei einer Autobahnbaustelle in der Nähe in einem Erdhaufen gebrütet», sagt die Forscherin Claudia Müller. Erst später, als die Baustelle abgeschlossen wurde, hätten sie den Platz im Naturschutzgebiet auserkoren.

Bienenfresser gelten als die buntesten Vögel Europas. Sie gehören zur Ordnung der Rackenvögel und sind auch mit den Eisvögeln verwandt.

«Es kommt häufig vor, dass grosse Brutkolonien kleiner werden oder Wände gar ganz verlassen werden. Im Umkreis von 10 bis 20 Kilometern entstehen dann neue.» Da in der Schweiz natürliche, unverbaute Steilufer an Flüssen selten seien, besiedelten die Bienenfresser häufig Kiesgruben, wo sie in den Wänden ihre Höhlen errichten. Müller sagt: «Sie sind überhaupt nicht störungsanfällig. Es ist kein Problem für sie, wenn ein Bagger herumfährt.»

Essenziell sei, dass die Brutwände nicht behelligt würden. Die Grubenbetreiber nähmen Rücksicht auf die filigranen Exoten. In ihrer Arbeit zum Bienenfresser schreibt Claudia Müller allerdings, dass ein Trend zu schnellerem Abbau festgestellt werden könne. Auflagen würden eine anschliessende Rekultivierung von Kiesgruben vorschreiben. So könnte das Angebot an Brutmöglichkeiten schrumpfen.

Im Winter im südlichen Afrika

Es sei bisher nicht untersucht worden, ob Bruthöhlen von Füchsen, Dachsen oder Wildschweinen ausgegraben würden, sagt Müller. Fliegenden Bienenfressern stellen Wanderfalken oder Sperber nach.

Jetzt im Mai treffen die Bienenfresser wieder in ihren Brutgebieten ein, beispielsweise bei Leuk im Wallis. Dort sitzt einer auf einem nackten Zweig einer Pappel. Plötzlich fliegt ein weiterer hinzu und klappt seine Flügel demonstrativ auf und zu, ruft und hebt dabei ruckartig den Kopf. Er schiebt die Flügel derart nach oben, dass die Spitzen unter den Schwanz zu liegen kommen. Manchmal wischt er auch mit dem Schnabel gegen das Brustgefieder des Partners.

Ein Paar balzt. Wenn die beiden beim Eindunkeln nahe beieinander sitzen, ist klar, dass sie sich für eine Brutsaison gefunden haben. Von jetzt an füttert das Männchen seine Partnerin, auch Paarungen können beobachtet werden. Vielleicht beziehen sie bald eine bestehende Brutröhre, eventuell graben sie aber auch eine neue.

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Bis zu fünf weisse Eier werden in die Kammer gelegt, beide Partner schlafen ab dann in der Höhle. Nach 22 bis 25 Tagen schlüpfen die Jungen, nach etwa 30 Tagen fliegen sie aus, verbringen aber die Nacht weiterhin mit den Eltern in der Höhle. Das ist aus der Haltung von Europäischen Bienenfressern unter Menschenobhut bekannt. In der Schweiz fliegen sie beispielsweise in der Masoalahalle des Zürcher Zoos. Bis im August zaubern die Bienenfresser einen Hauch Exotik in die Schweiz, bis sie wieder ins südliche Afrika ziehen, wo sie den Winter verbringen werden.

 

Beobachtungsorte in der Schweiz
Die grösste Bienenfresser-Kolonie (Merops apiaster) der Schweiz liegt bei Leuk VS im Leukerfeld. Von der Bahnstation Leuk rhoneaufwärts der Kantonsstrasse entlang gehen, bis die Industriestrasse links wegführt. Weiter durch das Industriegebiet und einem Golfplatz entlang gehen. Am Ende führen Wege in das Naturschutzgebiet. Beim Seelein machen sich die Bienenfresser meist schon durch ihr «prüt, prüt, prüt» bemerkbar. Durch die Scharte einer Beobachtungshütte und einer -wand können sie über einem Teich fliegend und an der Brutwand beobachtet werden.
Auch in Penthaz VD hat es eine grosse Kolonie, die in einem alten Steinbruch brütet und die besichtigt werden kann. Von der Bushaltestelle Penthaz-Village aus südlich der Route de Lausanne folgen, dann in die Route de la Gravière rechts einbiegen. Am Ende führt der Weg zur Brutstätte.