WELTGo!
Journalismus neu erleben und produktiver werden
Ihr Assistent Journalismus neu erleben und produktiver werden
WELTGO! ENTDECKEN
  1. Home
  2. Geschichte
  3. Sitting Bull: Er führte die Indianer zu ihrem größten Triumph

Geschichte Sitting Bull

Er führte die Indianer zu ihrem größten Triumph

Häuptling Sitting Bull hatte entscheidenden Anteil am Sieg über die US-Kavallerie am Little Bighorn. Weil die Behörden sein Charisma fürchteten, wurde er gejagt und im Dezember 1890 erschossen.
„Ich werde bis zu meinem Tod bleiben, was ich bin, ein Jäger“: Häuptling Tatanka Yotanka (Sitting Bull, 1831–1890) im Jahr 1885 „Ich werde bis zu meinem Tod bleiben, was ich bin, ein Jäger“: Häuptling Tatanka Yotanka (Sitting Bull, 1831–1890) im Jahr 1885
„Ich werde bis zu meinem Tod bleiben, was ich bin, ein Jäger“: Häuptling Tatanka Yotanka (Sitting Bull, 1831–1890) im Jahr 1885
Quelle: picture alliance / akg-images

Dass Charisma eine mächtige Waffe sein kann, bewies Häuptling Sitting Bull bis zu seinem Tod. Machtlos, aus der Heimat vertrieben, von Hunger und Kälte gequält, hatte er sein Prestige noch einmal der indianischen Sache zur Verfügung gestellt, indem er die „Geistertanz“-Bewegung propagierte. Das war eine Tanzzeremonie, in der Freiheit und visionärer Triumph der Indianer über ihre weißen Unterdrücker beschworen wurden. Durch Sitting Bulls Zuspruch gewann der „Geistertanz“ im Nordwesten der Prärie immer mehr Anhänger – und wurde zur gefährlichen Massenbewegung.

Die Regierung im fernen Washington war alarmiert. US-Präsident Benjamin Harrison befürchtete einen Aufstand und wies die Behörden an, mit aller Strenge gegen die „Geistertänzer“ vorzugehen. Am 15. Dezember 1890 erschien ein Trupp rothäutiger Indianerpolizisten vor dem Haus von Sitting Bull am Grand River, um ihn zu verhaften. Als seine Stammesgenossen Widerstand leisteten, wurde der alte Häuptling von dem Indianer-Sergeant Red Tomahawk erschossen.

Selbst im Tod verfolgten ihn die Weißen mit Hass. Die Leiche wurde geschändet, das Begräbnis auf einem christlichen Friedhof verweigert. So fand Sitting Bull seine letzte Ruhestätte am Rand eines Lagers in North Dakota.

„Der Erzfeind ist tot“: Sitting Bull als charismatischer Führer
„Der Erzfeind ist tot“: Sitting Bull als charismatischer Führer
Quelle: picture-alliance / (c) Illustrat

Kein geringeres Blatt als die „New York Times“ kommentierte die Nachricht aus dem Standing-Rock-Reservat: „Der Erzfeind ist tot, und seine Anhänger werden bald ihren Enthusiasmus verlieren.“ Sie würden bald entweder „gute Indianer sein oder Gefangene“, ein Wortspiel, das die Überzeugung vieler Weißer aufnahm, nach der nur ein toter Indianer ein guter Indianer sei. Ende des 19. Jahrhunderts waren Amerikas Ureinwohner in gettoähnliche Reservate verbannt, ihre Lebensgrundlage, die riesigen Büffelherden, waren weitgehend ausgerottet worden.

Bei seinem Tod soll Sitting Bull um die 60 Jahre alt gewesen sein. Fotos zeigen einen geradeaus blickenden, unbeugsam erscheinenden Mann, der seinem Namen alle Ehre machte: Tatanka-Iyotanka, „ein sich setzender Büffel“, hatte sein Leben eingesetzt, um den Sioux-Völkern einen Rest an Selbstbestimmung zu wahren. Kurz vor seinem Tod sagte er: „Gott, der Allmächtige, hat mich geschaffen; aber er hat mich nicht zum Agenturindianer gemacht. Und ich will lieber kämpfend sterben, ehe irgendein Weißer mich dazu machen soll.“

„Es entsprach nicht seiner Persönlichkeit, die Freiheit und die kulturelle Autonomie aufzugeben, die sein Volk zu einem großen Volk gemacht hatten“, charakterisiert der Historiker Robert Utley den Helden seiner Sitting-Bull-Biografie. Und zitiert einen Ausspruch Sitting Bulls aus dem Jahr 1879: „Ich werde bis zu meinem Tod bleiben, was ich bin, ein Jäger.“

Da war ziemlich viel Understatement im Spiel. Um 1831 in South Dakota geboren, hatte er sich als junger Krieger bald einen Namen gemacht. Doch schon früh zeigte sich, dass seine eigentliche Stärke die spirituelle Führerschaft war. Sitting Bull verfügte über Empathie und Rednergabe, Grundlagen eines Charismas, mit dem er die verfeindeten Stammesführer zu gemeinsamem Handeln zusammenführen konnte. Der vom ihm komponierte Sonnengesang spiegelt sein Sendungsbewusstsein: „Mit sichtbarer Würde bin ich gekommen, Büffel gab ich euch zur Nahrung, mit klarer Würde schaut mich an.“

Als 1874 in den Black Hills, mitten im Indianerterritorium zwischen South Dakota und Wyoming, Gold gefunden wurde, strömten immer mehr Weiße ins Land. Sitting Bull, mittlerweile sowohl Häuptling als auch Medizinmann der Hunkpapa-Lakota-Sioux, gelang es, zahlreiche Stämme zum koordinierten Widerstand zu bewegen. Als im Frühjahr 1876 mehrere Kavallerieregimenter vorrückten, um die Indianer in die Reservate zu treiben, gingen die Häuptlinge auf den Kriegspfad. Denn die Black Hills galten ihnen als heilige Berge.

In einer Zeremonie soll Sitting Bull die Vision von fallenden Soldaten gehabt haben. Derart bestärkt, lockten 2500 Krieger die 7. US-Kavallerie unter Oberstleutnant George Armstrong Custer am Fluss Little Bighorn in Montana in eine Falle. Während sie einen Teil der Truppe blockierten, täuschte das Gros eine Flucht vor. Custer setzte mit rund 200 Mann nach und sah sich auf einmal eingeschlossen. Kein Soldat überlebte diesen 25. Juni 1876.

Anzeige

Es war die größte Niederlage der US Army in ihren Kriegen gegen die Ureinwohner. Als die Nachricht die Ostküste erreichte, war die Nation gerade dabei, den 100. Jahrestag ihrer „glorreichen Geburt“ zu feiern. Für eine „machttrunkene Nation kam die Nachricht als Furcht einflößender Schock“, schreibt der Historiker Nathaniel Philbrick.

Der indianische Sieg war schnell gerächt. Unter dem Eindruck der Niederlage stimmte der US-Kongress zügig für Aufrüstung an der Front. US-Präsident Ulysses S. Grant (unter dem Custer im Bürgerkrieg eine Kavalleriedivision geführt hatte) ließ neue Forts bauen. Binnen weniger Jahre nach Little Bighorn hatten sich alle bedeutenden Stammesführer in den Indianerreservaten niedergelassen. Sitting Bull floh mit wenigen Tausend Anhängern nach Kanada und kehrte erst 1881 zurück, um sich zu ergeben.

Sitting Bull und Buffalo Bill im Jahr 1885
Sitting Bull und Buffalo Bill im Jahr 1885
Quelle: picture alliance / United Archiv

Dass er einige Jahre später zur Wildwestshow des berüchtigten Büffeljägers Buffalo Bill stieß und mit ihm durch Nordamerika tourte, gehört zu den schwer verständlichen Wendungen im Leben Sitting Bulls. Seine Biografen haben dies mit der Hoffnung erklärt, der Häuptling habe am Rande der Shows auf die dramatische Situation der Indianer hinweisen wollen. Vielleicht aber ging es einfach ums Überleben.

1889 berichteten die Behörden der beiden Dakotas über die Zustände im Standing-Rock-Reservat: „Die Gesundheitslage ist schlecht.“ Viele Kinder und Erwachsene seien „dem Hungertod nahe“. In dieser Situation gab Stitting Bull seinen Landsleuten noch einmal ein Zeichen der Hoffnung, als er sich für den „Geistertanz“ aussprach. Das wurde sein Todesurteil.

US-Präsident Barack Obama hat das Standing-Rock-Reservat im Juni 2014 besucht. „Als Heimat von Häuptling Sitting Bull hat das Reservat einen besonderen Platz in der Geschichte Amerikas“, sagte Obama der Zeitung „Indian Country News“. Barack und Michelle Obama seien „verstört und berührt“ gewesen nach den Gesprächen mit Schülern über Obdachlosigkeit, Alkoholismus, Armut und Suizid, berichtete die „Washington Post“. Manche der Kinder trügen „Lasten, die ein junger Mensch niemals tragen sollte“, sagte Obama. Die Armutsrate in dem Reservat liegt bei 43 Prozent.

Mehr aus dem Web
Neues aus der Redaktion
Auch interessant
Mehr zum Thema

Themen