Der Biologe Prof. Julian Pittman von der Troy University in Alabama erforscht seit Jahren das Verhalten von winzigen Zebrafischen. Er korrigiert das Klischee vom emotionslosen, stummen Fisch.
„Noch vor zehn Jahren war der Fisch für die meisten lediglich ein simpler Organismus. Aber wir entdeckten vieles, was wir einem Fisch niemals zugetraut hätten.“ Laut neuester Studien benutzen manche Fische Werkzeuge, andere können einzelne Gesichter erkennen.
Die Neurochemie eines Fisches ist dem eines Menschen so ähnlich, dass es beängstigend ist.
Pittman geht sogar noch weiter und behauptet: Zebrafische könnten unter gewissen Umständen das Interesse für alles verlieren – Fressen, Spieltrieb, Neugierde.
Er ist überzeugt: Dieses Verhalten ähnelt durchaus dem Krankheitsbild eines depressiven Menschen.
Der Biologe arbeitet an der Entwicklung neuer Medikamente zur Behandlung von depressiv erkrankten Menschen. Die Wirksamkeit von neuen Antidepressiva testet er u.a. an Zebrafischen. Anhand ihres Verhaltens ließen sich verlässliche Vergleichwerte erstellen, weil die Reaktionen der Tiere sehr eindeutig seien.
Die offenbar bewährte Forschungs-Methode nennt sich „Novel Tank Test“. Pittman erklärte der „New York Times“ wie dieser „Novel Tank Test“ funktioniert. Bei dem Versuch wird ein Zebrafisch in ein neues Aquarium gesetzt.
Hält sich der Fisch nach fünf Minuten in der unteren Hälfte auf, ist er depressiv.
Schwimmt er unter der Oberfläche, ist er es nicht.
Victoria Braithwaite, Professorin für Fischerei und Biologie an der Penn State University, erklärt: „Wir fanden heraus, dass Fische von Natur aus neugierig sind – immer auf der Suche nach neuen Dingen.“
Und woran genau erkennen wir nun einen depressiven Fisch?
Culum Brown, Verhaltensbiologe an der Macquarie Universität in Sydney, erklärt:
Deprimierte Menschen ziehen sich zurück. Das Gleiche gilt für Fische.
Die meisten Fische, die in einem Glas oder Aquarium gehalten werden, erkranken offenbar aus einem Mangel an Stimulation, sagt Victoria Braithwaite.
„Ein kleines Goldfisch-Glas zum Beispiel ist die schlechteste Lösung", sagt Dr. Brown. Neben Platzmangel, sinkt die Wasserqualität sehr schnell und es herrscht Sauerstoffmangel. Prof. Braithwaite rät: „Wenn es in der Umgebung eines Fisches viele Pflanzen zum Knabbern und Käfige zum Durchschwimmen gibt, baut das Stress ab und erhöht das Wachstum des Gehirns.
Ist „depressiv“ überhaupt das richtige Wort?
Heather Murphy, Journalistin der „New York Times“, stellt diese berechtigte Frage. „Vor dem Hintergrund, dass jeder sechste von uns unter schweren Depressionen leidet und bei allem, was diese Menschen durchmachen, klingt es etwas unangebracht, einen kleinen gestreiften Karpfen als ‚depressiv‘ zu bezeichnen.“
Aufgrund dieser Streitfrage bevorzugen manche Fisch-Forscher in ihren Studien das Wort „ängstlich“. Dr. Diego A. Pizzagalli bringt das Offensichtliche auf den Punkt:
Wir können Tiere nicht fragen, wie sie sich fühlen.