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Film Action in 3D

Die Musketiere gehen bei James Bond in die Schule

Auch mit Christoph Waltz und Milla Jovovich erweisen sich "Die drei Musketiere" von Paul W. S. Anderson als erstaunlich eindimensionaler Genremix.

Die Frühreife ist im Kino naturgemäß eine heikle Angelegenheit. Zumal bei historischen Stoffen führt sie Filmemacher auf schlüpfriges Terrain. Hätte Hollywood "Romeo und Julia" so oft verfilmt, wenn Produzenten und Zensoren das Alter von Shakespeares tragischem Liebespaar gekannt hätten? Auch D’Artagnan müssen wir uns jünger als seine besten Darsteller Douglas Fairbanks, Gene Kelly, Gérard Barray oder Michael York vorstellen. Zu Beginn von Alexandre Dumas‘ Roma n ist er gerade 18 Jahre alt.

Der milchbärtige Logan Lerman kommt in der jüngsten Verfilmung dem literarischen Vorbild zumindest in dieser Hinsicht erheblich näher. Im heutigen Blockbuster-Kino besitzt die Frühreife eine Unbekümmertheit, die zwar die Fesseln von Moral längst abgeschüttelt hat, dafür aber einem anderen Diktat gehorcht. Sie muss dem Geschmack des Teenager-Publikums schmeicheln. Dieser verlangt nach früh vollendeten Helden, die jeder Situation gewachsen sind.

So darf D’Artagnan, mit gelegentlichem Beistand von Athos, Porthos und Aramis, gleich zu Beginn 40 Feinde mit dem Degen in die Flucht schlagen und nebenher keck mit der blutjungen Constance flirten. Bei Dumas mussten sich die Musketiere nur fünf Gegnern erwehren; frühere Verfilmungen waren ebenso genügsam, ohne dass es dem Gefecht etwas von seiner Spannung genommen hätte. Die smarte Alles-ist-möglich-Virtuosität dieses D’Artagnan läuft indes Gefahr, sich selbst das Wasser abzugraben. Mit einem solch tollkühnen Helden mag man sich zwar gern identifizieren – aber warum sollte man sich um ihn Sorgen machen?

Gerechterweise muss man sagen, dass auch Dumas‘ "Musketiere" eingangs einen Triumph der Ungeduld darstellen. Der Gascogner, am Morgen gerade erst in Paris angekommen, legt in der Tat ein erstaunliches Tempo vor: Bis zum Mittag hat er drei Verabredungen zum Duell getroffen. Am frühen Nachmittag hat er drei Freunde fürs Leben gefunden und sich dank des Gefechts mit der Kardinalsgarde den mächtigsten Mann Frankreichs zum Feind gemacht. Bis er in Gestalt von Constance der Liebe seines Lebens begegnet, braucht es gut 100 Seiten.

Dumas ist nicht zuletzt deshalb zum Begründer des Genres geworden, weil er es als Bildungsroman auffasste. Das moderne Blockbuster-Kino kennt keine Wege mehr, sondern nur Abkürzungen. Seine Protagonisten müssen nichts dazulernen. Lerman gibt dem König süffisante Ratschläge in Liebesfragen; wobei der Film Ludwig XIII. mit seinem Sohn verwechselt.

Seit die Musketiere 1903 ihre ersten Abenteuer auf der Leinwand erlebten, haben sie im Dienst für König, Königin und Frankreich viel über sich ergehen lassen. Italienische Drehbuchautoren haben sie ihre Klingen mit Zorro kreuzen lassen, in der Glanzzeit des Blaxploitation-Kinos gab es einen schwarzen D’Artagnan. Meist haben sie sich als widerstandsfähig erwiesen.

Ergriffene Killermaschinen

Für Paul W.S. Anderson steht Dumas‘ Personal jedoch fahrlässig umstandslos zur Disposition. Seine Musketiere sind launige, gelegentlich vom Ennui ergriffene Killermaschinen. Milady de Winter (Milla Jovovich) geriert sich wie ein Backfisch, wenn eine ihre Intrigen misslingt. Orlando Blooms Buckingham irrlichtert vornehmlich als Hologramm durch die in 3-D gefilmten Kapriolen. Und Christoph Waltz ist als Richelieu nicht das, was man einen Besetzungscoup nennen möchte.

Mithin schreibt sich die teure Constantin-Produktion nicht in die espritvolle Tradition des Genres ein, sondern versucht, es in seiner burlesken Variante im Gegenwartskino heimisch werden zu lassen. Das ist ein riskantes Unterfangen. Schließlich führt der Mantel-und-Degen-Film, schon aus Kostengründen, seit einigen Jahrzehnten einen Winterschlaf, aus dem er bisweilen erwacht.

Elemente des Piraten- und Spionagefilms

Paul W.S. Anderson müsste als Regisseur der "Resident Evil"-Saga über Erfahrung mit Untoten verfügen. Er hat kein Vertrauen zu Dumas‘ Geschichte und der Komplexität seiner Charaktere. Er fühlt sich dem Genre unverdient überlegen; es erscheint ihm altmodisch und passé. Das 3-D fügt ihm wenig hinzu . Manche Tableaus besitzen erstaunliches Relief. Aber es gebricht ihnen an der Stofflichkeit, die dieses analoge Genre braucht. Ratlos vermischt Anderson es mit Elementen des Piraten- und Spionagefilms sowie des Big-caper-Movies à la "Oceans‘ Eleven".

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