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  4. Magdalenen-Inseln: Ein Robbenbaby ist niedlich und wird beschützt

Fernreisen Magdalenen-Inseln

Besuch auf der kältesten Babystation der Welt

Eine Tour zu den Babyrobben vor der kanadischen Ostküste ist exklusiv und unglaublich kalt. Aber dafür heben die plüschigen Fellknäuel die Bedeutung des Wortes „Niedlichkeit“ auf eine neue Ebene.
Verantwortlicher Redakteur

Er kann nicht aufhören zu lächeln. Rei Ohara aus Japan ist ein ganz besonderer Baby-Fotograf und macht seine Landsleute seit Jahrzehnten mit Fotos von plüschigen Fellknäueln glücklich – was ihm offensichtlich Freude bereitet.

Jeden Winter fliegt er ins Packeis vor der Ostküste Kanadas zum Foto-Shooting: Auf dem Schoß hat er ein Laptop und zeigt Porträts. Ein Bildband von ihm wurde in Japan zum Hit, möglicherweise weil die Fotos so stark an Mangas erinnern, jene japanischen Comics, deren Figuren kleine Nasen und riesige Augen haben. Dieses Kindchenschema löst beim Betrachter einen Schlüsselreiz aus: Er will beschützen, füttern, knuddeln. Aber Oharas Bilder sind keine Comics. Es sind Bilder von Sattelrobbenbabys, weißes Fell, schwarze Kulleraugen, die erst vor wenigen Tagen geboren wurden.

Nur rund 150 Glückspilze haben einmal im Jahr die Chance, diese Robbenbabys der Magdalenen-Inseln aus der Nähe zu betrachten. Vor allem aus Japan kommen die Besucher, reisen extra an diesen abgelegenen Ort vor der Ostküste Kanadas, an dem Zehntausende Sattelrobben Ende Februar ihre Jungen auf die Welt bringen.

Auch die Tiere haben jedes Mal eine beschwerliche Anreise. Sechs Wochen kämpfen sie sich von der Arktis durch das Polarmeer zu den sicheren küstennahen Inseln. Eisbären, Orcas oder Haie müssen sie in dieser Gegend nämlich nicht fürchten. Auf den Eisschollen können sie ihre Kleinen in Ruhe aufziehen.

Hummer, Jakobsmuscheln – und Robben

Die Magdalenen-Inseln (Îles de la Madeleine) gehören zur französischsprachigen kanadischen Provinz Quebec. Die Gewässer um die neun Inseln sind bekannt für ihren Reichtum an Hummer, Jakobsmuscheln, Hering und Makrele.

Zu den 12.500 Einheimischen, die zum größten Teil von französischen Einwanderern abstammen, gesellen sich vor allem in den Sommermonaten rund 35.000 Touristen. Sie kommen wegen der Badestrände, zum Paddeln oder um sich die rötlich gefärbten Klippen anzuschauen.

Blick über das weite Packeis
Blick über das weite Packeis
Quelle: Philip Jürgens

Wer aber die kleinen Robben sehen will, der braucht ein gutes Timing – und darf Eiseskälte nicht fürchten. Mitte März ist das tierische Schauspiel für dieses Jahr auch schon wieder vorbei.

Denn nur zehn Tage lang tragen die Neugeborenen ihre weiße Farbe. Danach beginnt eine Metamorphose im Zeitraffer: Sie werden binnen kurzer Zeit grau und legen jeden Tag mehr als zwei Kilo Körpergewicht zu – die Muttermilch ist äußerst nahrhaft, zur Hälfte besteht sie aus Fett. Aus den süßen Babys werden blitzschnell dicke, wehrhafte Kälber mit schwarzen Punkten, denen man lieber nicht zu nahe kommen möchte.

Manchmal ist die Landung unmöglich

Doch die Robben zu erreichen ist aufwendig – ohne Hubschrauber ist das nicht möglich. Die kälteresistenten Tiere liegen bis zu 100 Kilometer von den Inseln entfernt im Packeis. Schon Wochen bevor die ersten Besucher kommen, fliegt David Arsenault raus auf den Sankt-Lorenz-Golf und hält Ausschau nach den Robben.

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Wenn sich genügend von ihnen an einem Ort versammelt haben und das Eis dick genug erscheint, macht er mit dem zwei Tonnen schweren Helikopter eine Probelandung. Guide Real Boudreau, der ihn begleitet, stochert nach der Landung im Eis herum und überprüft die Umgebung.

Eine Herde Robben aus der Luft
Eine Herde Robben aus der Luft
Quelle: Getty Images

„Mit den Jahren ist der Job nicht einfacher geworden“, sagt Arsenault. Die Folgen des Klimawandels seien deutlich zu spüren. „Wir müssen jeden Winter weiter nach Norden fliegen, um die Robben zu finden“, sagt der 45-jährige Pilot.

Die Eisflächen, die dick genug für die Tiere sind, nähmen von Jahr zu Jahr ab. „Vor vier Jahren war das Eis so dünn, dass eine Landung mit dem Hubschrauber gar nicht möglich war und die Trips ausfallen mussten.“

Nur gucken, nicht anfassen

Doch die Bedingungen sind an diesem Tag gut. Am frühen Nachmittag startet der Hubschrauber mit einer Reisegruppe aufs offene Meer, unter sich skurrile Eisformationen, von Rissen durchzogen. Es geht rund 80 Kilometer nach Norden. Nach einer Dreiviertelstunde sind zwei rote Fahnen im Eis zu sehen. Sie markieren den Landeplatz. Kurz darauf setzt der Hubschrauber auf der Scholle auf. Seine Kufen sind gepolstert wie Schlauchboote, damit sie nicht am Boden festfrieren.

Auch die Besucher sind gegen die Kälte gewappnet, sie tragen Ganzkörperthermoanzüge. Doch die wären heute nicht nötig gewesen, denn die leichten Minusgrade fühlen sich in der Sonne angenehm warm an. „Mit Schnee und steifem Wind wären es hier draußen jetzt gefühlt minus 30 Grad“, sagt Guide Boudreau.

Nur noch Fotosafaris sind erlaubt. Die Zeiten des Robbenschlachtens sind in Kanada zum Glück vorbei
Nur noch Fotosafaris sind erlaubt. Die Zeiten des Robbenschlachtens sind in Kanada zum Glück vorbei
Quelle: picture alliance

Der sogenannte Windchill kann den Aufenthalt mitten auf der kältesten Babystation der Welt äußerst unangenehm machen. Wer dann für ein schnelles Foto sein Handy hervorkramt, dem schmerzen binnen Sekunden vor Kälte die Finger – trotz Handschuhen.

An diesem Tag hat die Reisegruppe Glück mit dem Wetter. Der Blick über das vereiste Meer erstreckt sich bis zum Horizont. Plötzlich ist ein leises Piepsen zu hören. Hinter einem kleinen Eisberg bewegt sich etwas. Gut getarnt dank schneeweißem Pelz.

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Ein Sattelrobbenbaby liegt auf dem Eis und sonnt sich. Mit den Murmelaugen schaut es die Besucher interessiert an. „Bitte nicht anfassen“, hatte der Guide beim Briefing gemahnt, als er die Teilnehmer über das Wesen der bissigen Raubtiere und die Etikette auf dem Eis aufklärte.

Die Robbenmutter passt gut auf

Mitunter beschleicht einen dennoch das Gefühl, dass man hier gerade in einen Lebensraum eindringt, in dem der Mensch eigentlich nichts zu suchen hat. Doch bei diesem Thema gab es Entwarnung: Wer die Robben nicht anfasst oder bedrängt, schade ihnen auch nicht, erklärte der Guide.

Auch Tierschützer sehen den sanften Tourismus positiv. Auch eine Erwähnung des „National Geographic Magazine“ als empfehlenswerte Tour für Tierfreunde gilt für viele Besucher als Siegel für ökologische Unbedenklichkeit. Seit 1987 ist die Jagd auf Babyrobben in Kanada verboten.

Nasenstupser zwischen kleinen Robben dienen der Kommunikation
Nasenstupser zwischen kleinen Robben dienen der Kommunikation
Quelle: Philip Jürgens; Inna Hemme (2); The Washington Post via Getty Images

Es ist auch in Ordnung, sich vorsichtig daneben zu legen und ein Selfie zu machen, solange die Robbenmütter fischen. Wenn man Glück hat, bekommt man ein Selbstporträt mit Robbe hin. Das erste „Seal-fie“, kalauern die Besucher, abgeleitet vom englischen Wort „Seal“ für Robbe.

Plötzlich taucht doch eine wachsame Robbenmutter aus dem Wasser neben der Scholle auf und schaut, ob alles in Ordnung ist. Sie scheint zum Glück kaum beunruhigt zu sein, denn nach einem Moment ist sie schon wieder unter der Wasseroberfläche verschwunden.

Stupsereien in der Kinderstube

Die Reisegruppe schlendert über das gefrorene Meer durch die Sonne, und schaut den verstreut liegenden Babyrobben dabei zu, wie sie sich auf die Seite rollen, vor sich hin piepsen, sich anstupsen oder die kleinen Schneehügel zum Verstecken nutzen.

Auch Nasenküsse sind zwischen den Tieren verbreitet. Auf diese Weise erkennen die Kinder ihre Mütter – die Sehkraft ist bei den Kleinen noch nicht besonders ausgeprägt. Nach einer knappen Stunde geht es zurück in den Hubschrauber.

Die Ausblicke aus dem Hubschrauber sind spektakulär
Die Ausblicke aus dem Hubschrauber sind spektakulär
Quelle: Philip Jürgens

Ein Schneesturm hat sich angekündigt. Am nächsten Vormittag gibt es keine weiteren Flüge zu den Robben, was für Enttäuschung bei den neu angekommenen Gästen sorgt, die für ihre Robbentour extra um die halbe Welt geflogen sind. Fotograf Rei Ohara versucht die Enttäuschten mit seinen Bildern zu trösten – was nur ein schwacher Ersatz ist für ein Abenteuer im Packeis.

Doch am Nachmittag klart es auf. Die nächste Gruppe in Thermoanzügen macht sich voller Vorfreude auf den Weg zu den Hubschraubern. Gefühlte Temperatur auf dem Eis – minus 30 Grad.

Quelle: Infografik WELT

Tipps und Informationen

Wie kommt man hin?

Nach Quebec fliegen zum Beispiel Lufthansa (lufthansa.com) und Air Canada (aircanada.com), von dort steuern täglich kleinere Maschinen die Magdalenen-Inseln an.

Wer derzeit nach Kanada einreist, muss sich aufgrund der Pandemie in 14-tägige Isolation begeben. Über die offizielle ArriveCAN-App müssen auch Reisende ihre Quarantänepläne und Infos zum Gesundheitszustand bereitstellen.

Wo schläft man gut?

Eines der besten Hotels der Inseln ist das „Château Madelinot“ (hotelsaccents.com/en/chateau-madelinot), für Robbenexkursionen gilt ein Mindestaufenthalt von drei Nächten. Das Doppelzimmer mit Vollpension und mit Babyrobben-Ausflug auf das Packeis kostet ab 1700 Euro pro Person für drei Tage.

Nach derzeitigem Stand finden die nächsten Robbenexkursionen zwischen 24. Februar und 9. März 2021 statt. Fällt die Tour aus, etwa wegen Schlechtwetter, gibt es das Geld für den Ausflug zurück.

Eine weitere schöne Unterkunft auf den Magdalenen-Inseln ist das Hotel „Domaine Du Vieux Couvent“, Doppelzimmer mit Frühstück ab 125 Euro pro Nacht (domaineduvieuxcouvent.com).

Mehr Infos

Unter bonjourquebec.com/en

Die Teilnahme an der Reise wurde unterstützt von Quebec Original. Unsere Standards der Transparenz und journalistischen Unabhängigkeit finden Sie unter www.axelspringer.de/unabhaengigkeit

Dieser Text ist aus der WELT AM SONNTAG. Wir liefern sie Ihnen gerne regelmäßig nach Hause.

Welt am Sonntag WAMS Packshot E-Tag 13.Dezember 2020, 20.12.2020 halbe Seite
Welt am Sonntag WAMS Packshot E-Tag 13.Dezember 2020, 20.12.2020 halbe Seite
Quelle: Welt am Sonntag

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Quelle: WELT/Peter Haentjes

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