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Reise Flusskreuzfahrt

Mein erstes Mal – unterwegs auf dem Nil

Gepflegte Langeweile? Von wegen! Eberhard von Elterlein wollte nie auf ein Flussschiff. Doch auf dem Nil ließ er sich eines Besseren belehren – und lernte auf seiner Fahrt von Luxor nach Assuan nette Deutsche, einen coolen Reiseleiter und einen Kellner kennen, der scheinbar alles für ihn tat.

"Flusskreuzfahrten sind vergleichsweise teurer als Hochseekreuzfahrten“, dozierte Mama einst, als unsere Familie zumindest einmal den Trott des jährlichen Ostseeurlaubs unterbrechen wollte und eine Loire-Flussfahrt ins Auge gefasst, das Vorhaben ob der Preise für eine Woche Gondeln auf dem Franzosen-Fluss aber bald abgesagt hatte. 500 D-Mark pro Person war ja schließlich in den 70er-Jahren viel Geld, dafür bekam man ja ein Ferienhaus an der Ostsee gleich für zwei Wochen – und wenn man wollte, eine Portion Pommes von Herrn Rowedder, dem alten Seebären in seiner Bude am Strand, täglich dazu. Nä, dachten wir da, und fuhren wie jedes Jahr also an die Hohwachter Bucht zu Familie von Grass und lagen wie jedes Jahr an der gleichen Stelle im Strand, schützten unser Territorium mit einem kleinen Schutzwall aus Sand und einem quietschebunten Windschutz und trafen wie jedes Jahr Familie Hülsen aus Ulm, jener merkwürdigen Stadt, in der die Kirche Münster hieß.

Nun, seit diesen seligen Urlaubszeiten hatten Flusskreuzfahrten immer den Geschmack des Elitären, etwas, das von der Ostsee weg führt und sparsame Eltern in den finanziellen Ruin treibt. Etwas, was nach Langeweile und Glamour klang und doch irgendwie anders war als ein Urlaub auf dem „Traumschiff“, das in den 80er-Jahren im ZDF lief. Flusskreuzfahrtschiffe seien kleiner, und die Reedereien müssten strenger kalkulieren als bei Hochseekreuzfahrten, sagte Mama immer, die zwar meines Wissens bis dato keine Flusskreuzfahrt gemacht, aber für alles eine logische Erklärung hat.

Also hieß es, den Flüssen und den Schiffen fernzubleiben. Eine Tour mit der Autofähre auf der Ostsee oder in der Ägäis? Okay! Aber weiter ging es nicht. Und so musste ich letztlich erst Ehemann, dann Vater und schließlich 42 Jahre alt werden, um meine Jungfern-Flusskreuzfahrt zu machen. Aber das hat mehr mit dem Land denn mit den Schiffen zu tun. Schließlich glaube doch niemand, dass jemand nach Ägypten (mein Traumland) reisen darf, ohne am Nil (und natürlich den Pyramiden) vorbeizukommen. Also: Flusskreuzfahrt-Vorurteile von einst über Bord gekippt, Prospekte geblättert, Flug gebucht – und Frau und zweijährige Tochter zu Hause gelassen. Denn: „Im Mai kann es schon über 40 Grad sein“, sagte die nette Dame vom Spezialveranstalter Phoenix Reisen. „Das ist für kleine Kinder nichts.“

Tja. Familie und Flusskreuzfahrt, diese Kombination geht bei mir nicht. Und allein? Nur Sorgen und Fragen! Was ziehe ich bloß an? Sandalen, T-Shirts und Shorts für die Landausflüge, klar, aber abends? Was bedeutet „ungezwungene Urlaubsatmosphäre“ im Prospekt? Darf ich in Badehose meinen Kaffee holen? Meinen Liegestuhl mit Handtuch reservieren? Gibt es abends am kleinen Swimmingpool hemmungslosen Gruppensex? Oder muss ich in Anzug und Krawatte andächtig zur „1 Tischzeit“ (Prospekt) schreiten, schließlich ist die „MS King of Egypt“ ein Fünf-Sterne-de-luxe-Schiff. Werden die Stewards wie Sascha Hehn oder Omar Sharif aussehen? Und wie regle ich das leidige Thema Trinkgeld? Stecke ich es Sascha Omar Sharif Hehn in die Tasche, unter die Mütze, oder gebe ich ihm diskret mehrmals am Tag meine schwitzende Hand? Fragen über Fragen, als ich morgens gemeinsam mit übermüdeten Pauschaltouristen den proppenvollen Urlaubsflieger nach Hurghada (über Luxor) besteige!

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Fragen, die in einem verständnisvollen Lächeln münden, als ich am gleichen Abend Karam Hassan gegenübersitze und die „King of Egypt“ schon längst Luxor flussaufwärts Richtung Assuan verlassen hat. Karam sieht nicht aus wie Omar Sharif, und er ist auch kein Steward, sondern unser Reiseleiter und doch um einiges jünger, als seine grauen Haare vermuten lassen. Karam ist 47 und erinnert in der Abenddämmerung ein bisschen an Hollywood-Schauspieler Morgan Freeman. Er ist Sorgentelefon, Ansprechpartner und gute Seele zugleich. Karam macht den Job seit 1990. Er hat 1997 nach dem Terroranschlag in Luxor besorgte Urlauber aus Hurghada geflogen und vor drei Jahren erlebt, wie unser heutiges Schiff die Brücke in Qena nördlich von Luxor gerammt hat und es Tote und Verletzte gab. Nein, Karam kann nichts mehr schrecken.

Die Trinkgeldfrage nicht: „Das wird eingesammelt und nach einem komplizierten Schlüssel exakt und korrekt unter den Besatzungsmitgliedern verteilt.“ Die Kleiderfrage nicht: „Du kannst mit Shorts zum Abendessen gehen, ich würde es aber nicht machen.“ Die Fünf-Sterne-Frage nicht: „Ach, alle neuen Schiffe, die Swimmingpool, Badewanne und Minibar haben, kriegen in Ägypten fünf Sterne.“ Und schon gar nicht die Frage nach der Finanzkrise, die unweigerlich aufkam, als ich zunächst eine gähnend leere Lobby und anschließend beim Sonnenuntergang ein weitgehend leeres Sonnendeck entere.

Jawohl, gerade einmal 24 Gäste, alles Deutsche, tummeln sich auf dem Schiff, das eigentlich Platz für 152 Gäste hat. „Das ist im Sommer immer so“, sagt Karam ganz cool, „unser Minusrekord liegt bei 13 Gästen.“ Und schaut lächelnd auf meinen Kaffee. „Das sieht aber nicht gut aus, was du da hast, trink doch mal was Vernünftiges!“

Wahrscheinlich muss man schon lange im Geschäft sein, um mit einer derartigen Nonchalance auf die Schwächen des eigenen Arbeitgebers hinzuweisen. Denn, jawohl, der Kaffee ist entsetzlich. Er gehört zur Vollpension wie die dünne Kürbissuppe und der klebrige Reis, dafür ist der Fisch knusprig und das Huhn saftig. Und es gibt keine Schlacht am Buffet, denn wir – man ist dann doch bald beim Du – haben viel Platz. Zum Reden und zum Laufen auf den insgesamt fünf Passagierdecks, zum Schlafen und Aus-dem-Fenster-Schauen in den insgesamt 75 jeweils 18 Quadratmeter großen Außenkabinen mit einem Fernseher, der nur Schnee zeigt, sobald das Schiff nicht im Hafen anliegt. Zum Planschen und Liegen an einem Pool, von dem man nicht wissen möchte, wie in und um ihn gut 150 Menschen Platz haben sollen, wenn schon bei fünf Personen vernünftige Schwimmzüge unmöglich geworden sind. Zum Träumen und Schauen am Bug, wenn des Abends eine lange Lichterkette am Ufer und die neue Brücke mit ihren beleuchteten Tragseilen von der Ankunft in Assuan künden und man problemlos die Hupzeichen hört, mit denen sich die Schiffe traditionell auf dem Nil begrüßen. Denn: Zumindest auf unserem Schiff fand keine Animation statt.

Nur ein feierliches Barbecue an Deck, wo Karam den Zeremonienmeister gibt und wir die Mannschaft beklatschen einschließlich Manager (der den Kapitän ersetzt), Steuermann (der seit 30 Jahren auf dem Nil fährt) und Koch, der ein wenig verlegen lächelt, aber an diesem Abend ein ganz wunderbares Lamm vom Grill zaubert.

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Vermisst habe ich an dem Abend nur Hagag Mohammed, meinen Lieblingskellner. Hagag Mohammed hat schließlich bei jedem Essen hinter mir gestanden und jeden Wunsch erfüllt, bevor ich ihn geäußert habe. Auch Dinge gemacht, die ich nicht gewollt habe, zum Beispiel meinen Vorspeisenteller die 4,50 Meter vom Büfett zum Sitzplatz getragen und mich am ersten Abend allein an einen großen Tisch platziert. Tja! Da saß ich nun, neben mir vier voll besetzte Tische, neidvoll das Gelächter und Geplauder einer mittlerweile verschworenen Gemeinschaft wahrnehmend, so dachte ich.

Und habe dann doch noch als Nachzügler den Anschluss gekriegt, weil auf einem Flusskreuzfahrtschiff, das sage ich jetzt mal so, einfach nur nette, aufgeschlossene, unkomplizierte Menschen sind. Menschen, die ihren Urlaub noch brav im Reisebüro buchen, wie die Annabelle und der Stefan aus Straubing.

Die ganz normalen Berufen nachgehen wie Kosmetikerin Sabina und Elektroingenieur Helmut aus der Nähe von Darmstadt. Die sich als Hardcore-Nilkreuzfahrer zeigen, wie jene Berlinerin, die schon zum zehnten Mal an Bord ist und auch an selbigem bleibt, wenn wir Unbedarften und -beleckten noch über Guide Mutaz („Ihr dürft mich Mozart nennen“) staunen dürfen, wie er am Horus-Tempel in Edfu mit einem Stein Hieroglyphen in den Boden ritzt. Oder sich eben wie der Autor dieser Zeilen als Neulinge outen, wie auch jene Stuttgarter Krankenschwester mit ihren beiden zehn und 14 Jahre alten, wohlerzogenen Söhnen, die sich noch unverdorben von den Lastern des Erwachsenwerdens unbeschwert für ägyptische Geschichte begeistern können.

Nein, bei der „King of Egypt“ schippern die Alltagsprobleme der Deutschen nicht mit. Das Schiff ist eine Insel, an der die deutsche und die ägyptische Lebenswirklichkeit sanft abprallen wie die Wellen des Nils am Rumpf des Schiffes. Ägypten, das ist nur ein Film, der neben dem Bord entlangläuft: in beschilften Uferstreifen, Silhouetten von Minaretten, von denen der Gebetsruf klingt, und spielenden Kindern am Wasser. Das ist ein unterhaltsamer Film an Bord mit ägyptischen Angestellten als Schauspielern, die akzentfrei „Bitte“, „Danke“ und „Auf Wiedersehen“ sagen. Und Deutschland ist hier an Deck nicht mehr als ein kleiner Querschnitt seiner Passagiere. Paare und Passanten, stilvoll der Entschleunigung frönend, kein Ballermann, aber auch kein Butlerservice, irgendwo dazwischen, Mittelstand. Mein Kindheitsbild von einer Flusskreuzfahrt ist nach 30 Jahren in der Wirklichkeit angekommen.

Auskunft: Eine Woche Nilkreuzfahrt Luxor–Assuan–Luxor gibt es bei Phönix Reisen inklusive Flug und Vollpension bereits ab 299 Euro. Buchung unter Tel. 0228/926?00, www.phoenixreisen.com

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