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Deutschland Düne bei Helgoland

Jetzt lassen sich täglich neue Robbenbabys bestaunen

Helgolands Nachbarinsel Düne ist Deutschlands Kinderstube für Kegelrobben. Sie kommen mitten im Winter zur Welt. Dann beginnt auch die Saison, in der Besucher die Jungtiere aus der Nähe beobachten können.
Düne bei Helgoland: Junge Kegelrobben erblicken zwischen Dezember und Februar das Licht der Welt Düne bei Helgoland: Junge Kegelrobben erblicken zwischen Dezember und Februar das Licht der Welt
Die Nordsee stürmt, der Wind ist eisig: Junge Kegelrobben erblicken im Winter das Licht der Welt
Quelle: Moment Open/Getty Images

Helgoland versinkt im Regen, und ein Vollmond hält schaurig-schöne Wacht. Draußen liegt in der brodelnden See die kleine Schwesterinsel Düne. Wolken, dunkelgrau wie Anthrazit, jagen vorüber, zerrissen und in Fetzen fliegend; noch ist es Sturm, heute Nacht wird es ein Orkan. Düne liegt schon nachmittags in Düsternis, an ihrem Weststrand wütet die Brandung und leuchtet weiß.

Auf der Mole sendet das Leuchtfeuer sein rotes Führlicht einsam und verlassen Booten entgegen, die schon längst nicht mehr fahren. Das Quermarkenfeuer auf Düne – schemenhaft nur noch zu erkennen – geht in den Wolken unter. Es ist, als ob Himmel und Meer dieses kleine Eiland ertränken wollten. Doch dies ist eine behütete Kinderstube, Düne ist Geburtsstätte für Deutschlands Kegelrobben. Sie kommen im wilden Winter zur Welt.

„Die Wurfsaison 2016/17 war die erfolgreichste seit Aufzeichnung der Bestände“, sagt Rebecca Störmer von der Naturschutzorganisation Jordsand. „Bis Januar wurden mehr als 350 Tiere geboren.“ Noch in den 70er-Jahren sei die Kegelrobbe in Deutschland beinahe ausgerottet gewesen.

Auch wenn die Nordsee tobt und tost und die Böen brüllen wie an Tagen wie diesen – es ist egal. Bis zum Morgen werden es wieder ein paar Kegelrobben mehr sein, die auf diesen seltsamen Sand geworfen werden. Jeweils bis in den Januar ist Geburtszeit.

Die Insel Düne war einst mit Helgoland verbunden

In der Nacht dröhnt der Orkan über die beiden Inseln, am kommenden Morgen schwappt die Nordsee in mächtigen Wogen. Die kleine Fähre, die Helgoland und Düne verbindet, wagt sich in die Wellen. Das Schiff rollt und stampft, ist Spielball einer gewaltigen Dünung, doch die starken Motoren und die ruhige Hand des Kapitäns führen sicher in das Hafenbecken von Düne.

Die Insel besteht hauptsächlich aus Dünen und war bis zu einer verheerenden Orkanflut in der Neujahrsnacht von 1720/21 mit Helgoland verbunden. Einst standen hier Kreidefelsen hoch wie das Mutterland, heute stehen hier zwei Ferienhauskolonien. Und hier liegt der Flugplatz von Helgoland. Kegelrobben kann man schon beim Landeanflug ausmachen.

Auch Basstölpel, hier auf Helgoland, vermehren sich in der Gegend um die Insel
Auch Basstölpel, hier auf Helgoland, vermehren sich in der Gegend um die Insel
Quelle: Moment Open/ Getty Images

Der Weg durch den Sand und die Dünen mündet bald in einen Hohlweg. Hier düst der Wind wie durch einen Kanal, Wurzelwerk hängt in der Luft, es knistert und prickelt im fliegenden Sand. Der Pfad führt hinunter zum Strand, dorthin, wo das Quermarkenfeuer, der kleine „Leuchtturm“, steht.

Die See ist zu hören, wie sie auf die Kiesel läuft und mit ihnen rasselt. Massige Leiber, beige, braungefleckt, grau, sind zu sehen. Scheinbar träge liegen die Kegelrobben auf dem Sand. „Die sehen nur faul aus“, sagt Rebecca Störmer, „sie sind an Land bis zu 20 Stundenkilometer schnell – das schafft kaum ein Mensch im Spurt.“

Kegelrobben sind die größten Raubtiere Deutschlands

Und mit bis zu 300 Kilogramm Gewicht und einem Raubtiergebiss sind es die größten Raubtiere Deutschlands. „Halten Sie unbedingt Abstand zu den Robben, 30 Meter sind das Minimum!“, mahnt Rebecca Störmer, die die Helgoländer Station des Vereins Jordsand leitet, von wo aus Führungen starten.

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Und falls der Abstand zwischen Brandung und Dünen (diese sind Naturschutzfläche und dürfen nicht betreten werden) zu eng wird? „Dann kehren Sie im Zweifel um.“ Oder man geht auf dem Bohlenweg, um die Tiere von dort am Nordstrand aus sicherer Entfernung und mit toller Aussicht zu erleben.

Düne bei Helgoland: Kegelrobben sehen harmlos aus, sind aber nicht ungefährlich mit ihrem Raubtiergebiss
Kegelrobben sehen harmlos aus, sind aber nicht ungefährlich mit ihrem Raubtiergebiss
Quelle: imageBROKER/Getty Images

Auf den Dünen wogt Strandhafer, oben drauf liegt der Bulle, scheinbar desinteressiert an seiner Umgebung, doch wachsam genug, um die Bewegungen der Menschen zu beobachten. Unterhalb einer Düne, ein paar Meter vom Bullen entfernt, liegt das Weibchen – es ist gerade mit Nummer 354 niedergekommen. Im Sand liegt das Neugeborene mit blutbeflecktem Fell. Kuschelig und waschmaschinenweiß sehen Kegelrobbenjungen nur auf Postkarten aus.

„Der Bulle nebenan ist nicht der Erzeuger des Neugeborenen, er lauert auf eine Chance zur Paarung mit dem niedergekommenen Weibchen. Noch ist sie dazu nicht bereit. Aber bald wird sie erneut begattet werden – und der Zyklus beginnt von Neuem“, erklärt Rebecca Störmer.

Für Selfies an ein Robbenbaby herangepirscht

Bald ist ein Quietschen und Heulen zu hören, der Wind trägt es herüber. Es sind vermutlich die Rufe einer bedrängten Kegelrobbendame. Die weiblichen Tiere achten in der Regel auf einen Abstand zwischen sich und ihrem Nachwuchs zu den Bullen. So auch an diesem Morgen.

Ein Bulle sprintet plötzlich los und umrundet eine Gruppe Kegelrobben – Weibchen mit Nachwuchs. Es sieht aus, als wolle er die Gruppe aufmischen. Einige der Jungtiere halten sich abseits in den Dünen, sie lernen offenbar schnell. Dann beruhigt sich die Lage wieder.

Helgoland: Während die Weibchen noch mit der Geburt beschäftigt sind, lauern die Bullen schon darauf, sich zu paaren
Nach der Geburt ist vor der Geburt: Kegelrobben bei der Paarung
Quelle: Getty Images/Getty Images Europe

Die jungen Leute vom Bundesfreiwilligendienst machen ihre Aufzeichnungen, geben Informationen per Sprechfunk durch. Auf den Kieseln am Strand liegen braungefleckte und graue Leiber; zwanzig, dreißig Kegelrobben. Die eine Hälfte ausgewachsen und wachsam, wohl die Weibchen, der Rest frisch geworfen oder halbwüchsig.

Manchmal sind es aber nicht die Bullen, die andere bedrängen, auch Besucher machen das. „Wir haben hier schon Leute von den Tieren weggeholt, die sich angeschlichen haben, um ein Selfie zu machen“, sagt einer vom Freiwilligendienst. Eins mit Robbenbaby!

Wandern am Strand auch während der Wurfzeit erlaubt

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Jeder Besucher kann von Helgoland zur Insel Düne übersetzen und darf am Strand spazieren gehen; auch wenn Wurfzeit ist, auch wenn überall Kegelrobben liegen. Es ist nicht die Frage, ob man welche sieht, es ist die Frage, wie man um sie herum läuft. „Denkt an die dreißig Meter Abstand! Und denkt daran, dass sie immer schneller sind als ihr …!“, schärft Störmer ein ums andere Mal ein.

Kegelrobben dürfen seit Langem nicht mehr bejagt werden. „Sie können bei der Geburt nicht schwimmen“, sagt die Meeresbiologin Rebecca Störmer, „sie brauchen in den Wochen nach der Geburt Gebiete, die bei Hochwasser oder Sturmflut nicht überspült werden.“ Deshalb seien Helgoland und seine Nachbarinsel ideale Orte für die Tiere.

Düne bei Helgoland: Kegelrobben
Besucher sollten Abstand halten: Kegelrobben sind an Land bis zu 20 Stundenkilometer schnell
Quelle: picture-alliance / HAFEN-FOTOS.D

Die jungen Kegelrobben, das ist bei der Wanderung am Strand gut zu beobachten, liegen zumeist direkt unterhalb der Dünenkante. Dort werden sie von ihren Müttern so lange gesäugt, bis sie ihr Schwimmfell ausgebildet haben, um schließlich eigenständig in die Nordsee zu robben.

„Nur wenige Wochen, und das Junge ist von seinem Geburtsgewicht von rund 15 Kilogramm auf gute 50 Kilo angewachsen, dann ist es schwimmfähig und fettgesäugt“, informiert die Expertin die Mitwandernden. Weil die Muttermilch sehr fetthaltig sei, legten die Tiere gut zwei Kilo am Tag zu. Einmal im Meer, erwache der Jagdinstinkt, der Hunger nach Fisch.

Die Anzahl der Geburten nimmt noch immer zu

Es dauert kaum zwei Wochen, bis die Muttertiere erneut begattet werden. Die Bullen lauern immer in der Nähe der weiblichen Tiere, die eben frisch geworfen haben. Es ist eine wüste Welt auf der Insel; das wilde Meer wirft sich wütend auf die Kiesel, zieht sich zischend zurück, Wind kämmt das Gras, brausende Böen, urtümliche Laute zentnerschwerer Kreaturen – und das Hochdrehen der Flugzeugmotoren. Aber auch das stört die Tiere nicht, und jedes Jahr werden es mehr.

Obwohl die Insel Düne vom Menschen betreten werden darf, sie Ausflugsziel ist und betriebsam das ganze Jahr, bietet sie genügend Platz und Ruhe für die Geburt und Aufzucht der Jungen. „Außerdem liegt Helgoland in der hohen See, dies ist ihr Lebensraum, hier sind ihre Nahrungsquellen“, erklärt die Biologin Störmer.

Düne bei Helgoland: In der Regel kehren die Tiere in der Wurfzeit an den Ort ihrer Geburt zurück
In der Regel kehren die Tiere in der Wurfzeit an den Ort ihrer Geburt zurück
Quelle: AFP/Getty Images

Die vergangene Saison war wieder ein Rekordjahr für die Kegelrobbe. Aber: Die Anzahl der Geburten nimmt zwar noch immer zu, schwächt sich jedoch ab.

Für Helgoland heißt das, es werden auf absehbare Zeit vermutlich noch mehr Kegelrobben auf Düne leben. Wobei sie die Sandinsel als eine Art Standort nutzen, zu dem sie immer wieder kommen.

„In der Regel kann man aber davon ausgehen, dass die Tiere zur Wurfphase an den Ort ihrer Geburt zurückkehren“, so Rebecca Störmer. Aber schon Jungtiere trieben sich munter in der gesamten Deutschen Bucht herum – und die erstreckt sich von den Westfriesischen Inseln bis zum dänischen Wattenmeer. Von Wissenschaftlern mit GPS-Sendern ausgestattete Tiere hätten dies eindrücklich gezeigt.

Schauerliche Geräusche da draußen in der Nordsee

Die Beobachtungssaison auf Düne bricht jeweils zum Jahresende an. „Im November beginnt die Wurfphase, sie hat ihren derzeitigen Höhepunkt im Dezember. Bis in den Frühling hinein sind auf Düne Kegelrobben jeden Alters zu sehen“, sagt Rebecca Störmer.

Dann werde es sogar richtig voll, denn im Frühling kommen massenweise Kegelrobben zum Fellwechsel zurück. „Dann erwarten wir wieder rund tausend Tiere, das ist ein Viertel des gesamten deutschen Bestands.“

Unverrückbar, und das wieder nur dem Anschein nach, liegen eine Dünenbiegung später weitere dunkle Leiber auf den Kieseln, ein paar Leute in bunten Regenjacken verlieren sich dahinter im Dunst. Die donnernde Brandung übertönt die Rufe der Robben, den Blick der Bullen spürt man im Nacken. Die Nacht kommt früh und die letzte Fähre fährt bald. Eine späte Sonne taucht das Meer in ein sanftes Türkis, und der Sand schimmert blau.

Da! Ein paar Meter weiter liegt schon wieder ein Kleines. Unter den wachsamen Blicken der erwachsenen Tiere, die nur so tun, als ob sie schliefen. Der Vollmond steht am Himmel, als das Schiff unterwegs ist. Sie sind wieder unter sich – Deutschlands größte Raubtiere.

Von irgendwo weht der Wind schauerliche Geräusche herüber. Von einer wunderlichen kleinen Insel irgendwo da draußen in der Nordsee.

Quelle: Infografik Die Welt

Tipps und Informationen

Anreise: Zum Beispiel mit dem Sportflugzeug nach Helgoland von den Flugplätzen nahe Büsum oder Cuxhaven mit dem Ostfriesischen Flugdienst. Mit dem Schiff: die „MS Helgoland“ pendelt ab/bis Cuxhaven (cassen-eils.de). Mit der Fähre weiter nach Düne.

Unterkunft: Auf dem Oberland gelegen, bietet das renovierte „Hotel auf den Hummerklippen“ einen Panoramablick. Die Zimmer sind mit Liebe zum Detail eingerichtet, jedes einzelne ist nach nach einem Autor benannt, der auf oder über Helgoland geschrieben hat. Das Doppelzimmer inklusive Frühstück kostet ab 109 Euro (hotel-hummerklippen.de). Im Unterland an der Promenade steht das „Strandhotel Helgoland“ mit komfortabel eingerichteten Zimmern. Für das Doppelzimmer werden inklusive Frühstück ab 105 Euro verlangt (strandhotel-helgoland.de)

Robbentouren: Die Helgoländer Station des Vereins Jordsand – zu finden in den Hummerbuden – bietet vom 1. Dezember bis 15. Januar täglich geführte Touren auf die Insel Düne an, die inklusive Fährverbindung acht Euro pro Person kosten (jordsand.de). Die Fähre fährt das ganze Jahr über – je nach Witterung. Man darf jederzeit auch eigenständig am Strand der Insel Düne wandern, sollte dabei aber vorsichtig sein und einen Sicherheitsabstand von mindestens dreißig Meter zu den Tieren zu einhalten. Es gibt einen Bohlenweg, um die Robben am Nordstrand aus sicherer Entfernung bei toller Aussicht zu erleben.

Auskunft: helgoland.de

Die Teilnahme an der Reise wurde unterstützt von der Nordsee Tourismus Service GmbH. Unsere Standards der Transparenz und journalistischen Unabhängigkeit finden Sie unter axelspringer.de/unabhaengigkeit.

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