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Meinung Herzterz-Kolumne

Der lange Schatten der lästigen Ex-Freundin

Da kommt man ins Grübeln: Hängt der neue Partner etwa noch an seiner Ex-Freundin Da kommt man ins Grübeln: Hängt der neue Partner etwa noch an seiner Ex-Freundin
Da kommt man ins Grübeln: Hängt der neue Partner etwa noch an seiner Ex-Freundin
Quelle: picture alliance / Bildagentur-o
Er ist attraktiv, liebevoll und es läuft super. Alles sieht nach erfolgsversprechendem Liebesglück aus – wäre da nicht die omnipräsente Ex. Wie viel Rücksicht ist nötig und wann ist Schluss?

Einer der letzten Sommerabende des Jahres, Beachclub-Konferenz. Die drei Teilnehmerinnen haben in Liegestühlen Platz genommen. Auf dem Tisch: Mangoschorle, Sekt auf Eis, Alsterwasser. Auf der Agenda: lästige Verflossene.

Meine halbfrisch liierte Freundin hält als Teilnehmerin 1 die Eröffnungspräsentation: „Seine Ex schreibt ihm ständig – ständig! Er sagt, sie seien einfach noch sehr gute Freunde. Ernsthaft? Mir geht das zu weit. Und jetzt ist er genervt, weil es mich so nervt. Wir stecken irgendwie fest. Ich weiß echt nicht, was ich machen soll.“

Gemeinschaftlich nachdenkliches Strohhalmstochern bis zum nächsten Wortbeitrag von Teilnehmerin 2: „Schwierig.“ Und auch ich brumme bloß: „Mhm. Tja. Hmhm.“

Wieso spielt sie noch eine Rolle?

Warum diese vornehme Zurückhaltung - zeichnen sich Freundinnen nicht üblicherweise durch Instant-Solidarität aus? Und wie. In dieser Angelegenheit allerdings Position zu beziehen ist heikel. Denn auch, wenn wir wissen: Drei sind einer zu viel - wir kennen alle Seiten. Jede von uns war schon mal die Verlassene, die Verlassende, die Neue.

Wir wissen, wie schwer es ist, jemanden loszulassen, der einem so nah war und den man darum sehr vermisst – und dass das manchmal Zeit braucht. Wie schwer es ist, jemanden, von dem man sich getrennt hat, vornehmlich zu dessen Schutz auf Distanz zu halten – obwohl man diesen Menschen noch immer schätzt und gern hat. Wie schwer es ist, mit einer überproportional involvierten Ex zu leben – und gleichzeitig die eigene Liebe davon ehrlich unberührt zu lassen.

Denn niemand will in einer neuen Beziehung engherzig wirken. Sondern lässig, selbstbewusst, tolerant. Ist man ja prinzipiell auch, natürlich. Wäre da nicht diese eine lästige kleine Frage: Warum genau spielt sie eigentlich noch immer so eine große Rolle?

Wie verständnisvoll darf man sein?

„Vielleicht merkt sie gar nicht, was sie da macht?“ lese ich um Ausgewogenheit bemüht von meinem imaginären Moderationskärtchen ab. Und ernte hochgezogene Augenbrauen. Aber wie verständnisvoll darf, wie konsequent muss man sein?

Der Abkürzung halber hier das Brainstorming-Destillat unserer Beachclub-Konferenz: Allerspätestens Ende Zwanzig hat jeder das, was man als „Vergangenheit“ bezeichnet und ein Recht darauf. Dazu gehören auch Menschen; Herzen sind von hier an nur mit Gebrauchsspuren zu haben.

Und das ist auch gut so, nur durch Erfahrungen lernen und wachsen wir. Davon auszugehen, dass der neue Partner alles, was vorher geschah, vollständig vergisst und verdrängt, ist infantil, egoistisch, illusorisch. Findet auch die aktuell betroffene Teilnehmerin 1: „Niemand will einen ganzen Menschen löschen. Aber so...“ Kollektives Nicken.

Wenn ein neuer Mensch kommt, muss der alte Platz machen

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Andererseits: Das Leben geht weiter. Menschen kommen, Menschen gehen. Und wenn ein neuer Mensch kommt, dann muss der alte zwar nicht vollkommen verschwinden, aber doch bitteschön zur Seite rücken und ausreichend Platz machen.

Sollte das nicht von allein geschehen, muss der Besitzer des betroffenen Herzens ein bisschen schieben. Leider, leider ist das nicht selten mit Konflikt, Konfrontation und Konsequenz verbunden. Alles per se eher unangenehme Dinge für uns hypersensible, kritikscheue Selbstoptimierer.

Ach, wäre es nicht schön, könnten alle Beteiligten offen sagen, was sie wirklich von wem (noch) wollen und was nicht? Klare Ansagen, das wär’s. Stattdessen eiertanzen alle drei auf dem schmalen Grat zwischen echter Verleugnung und falschem Verständnis.

„Ich glaube, Freundschaft zwischen Ex-Lovern gibt’s nicht. Höchstens nach ganz langer Zeit. Oder zumindest nicht, so lange einer noch nicht bereit ist, loszulassen. Und dann muss der in der Mitte sich eben einfach mal grade machen“, resümiert Teilnehmerin 2 in ihrer Schlussrede.

Mein Finger zeigt wie ein Laserpointer in Richtung Bar: „Hier, Zeit für eine Runde Gin Tonic auf mich. Und auf Freundschaft – aber nicht auf Ex.“

Jessica Wagener schreibt jeden Dienstag für die "Welt" über die Liebe. Mehr über die Autorin in ihrem Blog.

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