WELTGo!
Journalismus neu erleben und produktiver werden
Ihr Assistent Journalismus neu erleben und produktiver werden
WELTGO! ENTDECKEN
  1. Home
  2. Panorama
  3. Sioux gegen Dakota Access Pipeline – Kampf um heilige Stätten

Panorama Indianer gegen Pipeline

Der Kampf der Sioux für ihre heiligen Stätten

Dakota Access Pipeline protesters square off against police between the Standing Rock Reservation and the pipeline route outside the little town of Saint Anthony, North Dakota, U.S., October 5, 2016. REUTERS/Terray Sylvester Dakota Access Pipeline protesters square off against police between the Standing Rock Reservation and the pipeline route outside the little town of Saint Anthony, North Dakota, U.S., October 5, 2016. REUTERS/Terray Sylvester
Unversöhnliche Fronten: Links die US-Polizei, rechts die Demonstranten, viele von ihnen sind Indigene
Quelle: REUTERS
Die Nachfahren der Indianer leben oft unter prekären Bedingungen in ihren Reservaten. Nun soll eine Öl-Pipeline durch das Gebiet der Sioux führen – der Protest ist groß, und auch Hollywood hilft.

Es ist ein Kampf David gegen Goliath – ein kleiner, auf den ersten Blick machtloser Indianerstamm gegen eine einflussreiche, milliardenschwere Ölgesellschaft.

Entzündet hatte sich das Duell ungleicher Gegner an einer Pipeline, die die Firma Energy Transfer Partners durch vier US-Bundesstaaten und unter dem Missouri River legen will. Ein 3,7 Milliarden Dollar Projekt, gegen das sich vor allem die Ureinwohner in North Dakota wehren.

Die Sioux-Indianer behaupten, dass die fast 1900 Kilometer lange Dakota Access Pipeline (kurz: DAPL) heilige Grabstätten ihrer Urahnen und Gebetsorte zerstören werde und die Wasserversorgung nicht nur des eigenen Stammes, sondern das von fast 17 Millionen Menschen entlang des Großprojekts gefährde.

Das Land der Urahnen ist gefährdet

„Diese Pipeline geht durch das Land unserer Urahnen“, sagt Dean DePountis, Anwalt des Standing Rock Stammes, der die seit Wochen anhaltenden Proteste anführt. „Das wäre genauso, als ob man eine Ölleitung durch den Soldatenfriedhof Arlington bei Washington oder unter der St. Patrick Kathedrale in New York verlegen würde.“

Caro Gonzales of Olympia, Washington, prays in front of police during a protest against the Dakota Access Pipeline between the Standing Rock Reservation and the pipeline route outside the little town of Saint Anthony, North Dakota, U.S., October 5, 2016. REUTERS/Terray Sylvester TPX IMAGES OF THE DAY FOR EDITORIAL USE ONLY. NO RESALES. NO ARCHIVES.
Beten vor der Polizeisperre: Ein Demonstrant, der in North Dakota gegen den Bau einer Pipeline durch traditionelles Indianergebiet protestiert
Quelle: REUTERS

Energy Transfer Partners verteidigt ihr Projekt dagegen. „Die Pipeline macht die USA unabhängiger vom Import von Öl aus instabilen Regionen dieser Welt“, heißt es in einer Erklärung. Wenn die Leitung, die außerhalb des Reservats verlaufe, einmal fertiggestellt sein werde, soll sie täglich fast 500.000 Barrel Öl von North über South Dakota, Iowa nach Illinois befördern. Laut Energy Transfer werde die Pipeline 8000 bis 12.000 neue Arbeitsplätze schaffen und jedes Jahr den Bundesstaaten 156 Millionen Dollar an Einnahmen bringen.

Nicht ob, sondern wann wird Wasser verseucht

Die Gegner des Projekts können diese Argumente nicht überzeugen. „Die Frage ist doch nicht, ob diese Ölleitung undicht wird und den Missouri mit Öl verschmutzen wird“, sagt der Häuptling des Standing Rock Sioux Stammes, Dave Archambault II. „Die Frage ist nur, wann das passieren wird.“ Die Indianer beziehen ihr Trinkwasser aus dem Missouri River.

U.S. President Barack Obama talks to the Standing Rock Sioux Tribe Chairman David Archambault II (L) as they attend the Cannon Ball Flag Day Celebration at the Cannon Ball Powwow Grounds on the Standing Rock Sioux Reservation in North Dakota, June 13, 2014. To match Insight USA-PIPELINE/NATIVEAMERICANS-INTERVENTION REUTERS/Larry Downing/File Photo
US-Präsident Barack Obama hat sich bisher nicht für die Rechte der Indianer ausgesprochen. Stammesführer David Archambault II. (links) will dies ändern
Quelle: REUTERS

Vor Gericht konnte der Stammesführer von insgesamt 8000 Sioux das gigantische Projekt, das an die mittlerweile durch Präsident Barack Obama blockierte und nur elf Kilometer kürzere Keystone Pipeline von Kanada bis zum Golf von Mexiko erinnert, bisher allerdings nur vorübergehend aufhalten. Ein Richter des US Court of Appeals in Washington, D.C. hatte erst Anfang Oktober einen von einem untergeordneten Gericht angeordneten Baustopp aufgehoben und die Arbeiten an der Pipeline wieder erlaubt.

Obama schweigt, Jesse Jackson kämpft

Obama, der im Jahr 2014 zusammen mit seiner Frau Michelle das Standing Rock Reservat besucht hatte, wollte trotz Bitten von Umweltschützern die Pipeline bisher nicht stoppen. Die beiden Präsidentschaftskandidaten Hillary Clinton und Donald Trump haben sich zu dem Disput, der mittlerweile die US-Hauptnachrichten erreicht hat, noch nicht geäußert.

Anders der farbige Bürgerrechtler Jesse Jackson. Er kündigte für den 26. Oktober einen Besuch in dem Gebiet an. Er wolle in Bismarck (North Dakota) mitdemonstrieren und notfalls „auch ins Gefängnis gehen“, so Jackson. Hoffnung für die Ureinwohner gibt es auch aus der Armee.

FILE - In this Sept. 9, 2016 file photo, More than a thousand people gather at an encampment near North Dakota's Standing Rock Sioux reservation. The sprawling encampment that’s a protest against the four-state Dakota Access oil pipeline has most everything it needs to be self-sustaining _ except a federal permit to be there. The camp near the confluence of the Missouri and Cannonball rivers in North Dakota is on U.S. Army Corps of Engineers land. (AP Photo/James MacPherson)
Bis zu tausend Menschen hielten sich zeitweise in dem Protestcamp in North Dakota auf
Quelle: AP
Anzeige

Das Ministerium der US-Army erklärte, dass es keine Arbeiten an der Pipeline an der Grenze eines Truppengeländes nahe Lake Oahe in South Dakota erlauben werde. Das US-Justiz- sowie das Innenministerium baten daraufhin Energy Transfer, alle Arbeiten im Radius von 30 Kilometern um den See vorläufig einzustellen. Eine Antwort des Ölkonzerns auf die unverbindliche Bitte blieb bisher aus.

UN unterstützt die Rechte der Indigenen

„Wir werden nicht aufgeben. Wir werden weiterkämpfen bis unser Land, unsere Menschen, unser Wasser und unsere heiligen Stätte vor dieser zerstörerischen Pipeline geschützt sind“, erklärte nach der Richterentscheidung Häuptling Dave Archambault II. Unterstützung bekommt der Stammesführer mittlerweile auch von den Vereinten Nationen (UN). Deren Untergruppe für Ureinwohner, Forum on Indigenous Issues, forderte die US-Regierung auf, dem Sioux-Stamm ein „faires, unabhängiges und offenes Verfahren zu erlauben, um dieses ernsthafte Problem zu lösen und eine Eskalation von Gewalt und weitere Verletzungen von Menschenrechten zu verhindern“.

Protesters demonstrate against the Energy Transfer Partners' Dakota Access oil pipeline near the Standing Rock Sioux reservation in Cannon Ball, North Dakota, U.S. September 9, 2016. REUTERS/Andrew Cullen
Ausmarsch aus dem Protest-Camp
Quelle: REUTERS

Die Proteste haben sich nach Einschätzung der „Washington Post“ mittlerweile zu einer „Bewegung für die Ureinwohner“ entwickelt. Sie gehören seit Jahrzehnten zu den vergessenen Gruppen des Landes. Trotz des Rechts der insgesamt 336 Reservate, sich selbst zu verwalten, haben die offiziell 2,9 Millionen Indianer bei den großen Parteien und der US-Regierung keine Lobby. Viele der Navajos, Cherokees, Sioux, Apache, die zu den größten Stämmen des Landes gehören, leben in ihren Reservaten in Armut. Die Rate bei Familien mit Kindern liegt dabei nicht selten bei über 50 Prozent.

Krankheiten und Alkoholsucht weit verbreitet

Indianer leiden aufgrund dieser oft extremen Armut im Vergleich zu allen anderen Gruppen des Landes überproportional unter schlechter Ernährung, Diabetes und Tuberkulose. Nur knapp jeder Fünfte hat eine Krankenversicherung.

Die Rate von Suizid liegt bei 22 Personen unter 100.000 und ist mit Abstand die höchste unter allen Gesellschaftsgruppen. 40 Prozent derer, die sich ihr Leben nehmen, sind junge Leute im Alter von 15 bis 24 Jahren. Weit verbreitet ist in den Reservaten auch der Missbrauch von Alkohol. Fast jeder Dritte wird nach einer Studie als Alkoholiker eingestuft.

Native American protestors and supporters push back bulldozers doing work for the Dakota Access Pipeline (DAPL) oil pipeline near Cannonball, North Dakota, September 3, 2016. Hundreds of Native American protestors and their supporters, who fear the Dakota Access Pipeline will polluted their water, forced construction workers and security forces to retreat and work to stop. / AFP PHOTO / Robyn BECK
Die ersten Bulldozer sind schon da, aber auch die Demonstranten
Quelle: AFP

Die einzige Einnahmequelle in den Reservaten, wo die Arbeitslosigkeit zwischen zehn und 16 Prozent liegt, sind meist nur die Spielkasinos. Während in den USA bis auf wenige Ausnahmen und Las Vegas das Glückspiel generell verboten ist, dürfen die Stämme Kasinos betreiben. Einige Indianer lehnen das allerdings ab, weil sie der Meinung sind, dass Glücksspiel nicht ihrem Wesen entspricht und die Kultur der Ureinwohner noch weiter zerstört werde als sie heute schon ist.

Stars wie DiCaprio unterstützen die Indianer

Im Kampf gegen die umstrittene Pipeline bekommen die Sioux aber auch von Umweltgruppen wie den Sierra Club und Greenpeace Unterstützung sowie von immer mehr Hollywoodprominenten, darunter Leonardo DiCaprio, Rosario Dawson und Susan Sarandon, und gar jüngst Jaden und Willow Smith. Die Kinder von Schauspieler Will Smith demonstrierten am vergangenen Montag in North Dakota Seite an Seite mit den Aktivisten.

Anzeige

Anfang Oktober hatte sich die Schauspielerin Shailene Woodley, die gerade mit dem Oliver-Stone-Film „Snowden“ in den Kinos ist, gar an die Spitze eines Protestmarsches von insgesamt 200 Indianern bei Cannon Ball in North Dakota gestellt.

Eine Polizeieinheit in Kampfausrüstung hatte die Demonstration später aufgelöst und Woodley zusammen mit 27 anderen Protestlern verhaftet. Seit dem Beginn des Indianerwiderstandes im August wurden bis heute 120 Personen festgenommen. Die Beamten warfen der 24-jährigen Woodley Landfriedensbruch und Teilnahme an einer gewalttätigen Demonstration vor.

Zeugen berichten, dass die Proteste friedlich vorlaufen waren. Woodley ließ ihre Festnahme über Facebook live filmen. Die Aufnahmen sahen bis heute mehr als 3,3 Millionen Menschen. Die Schauspielerin wurde nach einer Nacht hinter Gittern und Hinterlegung einer Kaution von 500 Dollar wieder freigelassen.

Mehr aus dem Web
Neues aus der Redaktion
Auch interessant
Mehr zum Thema