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Peter Alexander – das Genie der Fernsehunterhaltung

Schauspieler, Sänger, Showmaster: Peter Alexander war ein Superstar des vergangenen Fernsehjahrhunderts. Nun starb er mit 84 Jahren in Wien.

Nach dreieinhalb Minuten ist alles vorbei. Der letzte Auftritt Peter Alexanders, zu seinem 80. Geburtstag im Wohnzimmer seiner Grinzinger Villa produziert, war als Abschied für immer gedacht. Der ewig juxende Pennäler, der längst auch zu einem Mythos der Fernsehverweigerung geworden war, wollte zuletzt (nach dem Tod seiner Frau im Jahr 2003) endgültig in seiner heimatlichen Solitüde in Ruhe gelassen sein. Basta cosi! Leichte Verzweiflung schien daraus zu sprechen. Man fragte sich: Ist das der Preis, den Monumente altersloser Lachlust am Ende zahlen müssen?

Wer an Peter Alexander denkt, hat ein Denkmal unverdrossener Albernheit in Deutschland vor sich. Noch in der letzten Video-Botschaft warf er sofort die Zwinkermaschine an, aktivierte sein notorisches Lausbuben-Lächeln und improvisierte dabei ein verjazztes „Dankeschön“.

Wenn Peter Alexander nicht nur der Superstar, sondern zugleich das Rätsel der deutschen Nachkriegsunterhaltung genannt wird, so meint man damit eine ‚Sphinx ohne Geheimnis'. Einen Mann, der eben deswegen den harmlosen Betriebsschreck des Nachkriegsfilms perfekt verkörpern konnte – weil er glaubhaft genau so war.

Der 1926 im Wiener Alsergrund geborene Schauspieler und Sänger hätte immer wieder das Zeug zum Ernsten und vor allem zum internationalen Star gehabt. Nur wollte er nicht. Der ehemalige Wiener Sängerknabe begann seine Theaterkarriere 1948 nirgendwo anders als am Wiener Burgtheater – dort wo andere aufhören. Er wollte es immer eine Nummer kleiner.

Verkörperung der deutschen Bescheidenheitsformel

Ein Job als Barpianist lenkte in Richtung Schlager. Sein Schallplattendebüt „Die Beine von Dolores“ setzte ihn auf die Schmalz-Spur. Prompt verdingte sich Peter Alexander Maximilian Neumayer, wie er damals noch hieß, als Rätselonkel im österreichischen Rundkunk. Nach seinem ersten Film „Königin der Arena“ (1952) war es Ehrensache, sich aufs Theater in der Josefstadt und aufs Fernsehgeschäft zu verkleinern.

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Selbst der Sprung nach Amerika war bereits ausgehandelt, als eine gelegen kommende Krankheit die Weltkarriere vereitelte. Peter Alexander ist die Verkörperung der deutschen Bescheidenheits-Formel der 50er Jahre: „Darfs ein bisschen mehr sein?“ Er vertrat glaubhaft die Haltung, nicht mehr sein zu wollen als sein Publikum. Das vor allem hat ihn zu einem derartigen Sympathie-Dauerbrenner gemacht.

Viel ist darüber geschrieben worden, dass dieser ewige Frauenschwarm in Wirklichkeit von nichts anderem träumte, als auf Weißen Rössl-Terrassen harmlos herumzuflachsen oder die Schule anzuzünden.

In Filmkomödien wie „Liebe, Tanz und 1000 Schlager“ (1955 mit Caterina Valente), „Ich bin kein Casanova“ (1959) oder „Die Abenteuer des Grafen Bobby“ (1962 neben Gunther Philipp) verkörperte er das menschgewordene Lustspiel ohne Hintergedanken. Mit „Zum Teufel mit der Penne“ (1968) prägte er den deutschen Pauker-Film und wechselte ins Lehrer-Fach, ohne die pathologische Fixierung aufs Nase-Drehen aufzugeben.

Wenn man sich rückblickend vergegenwärtigt, dass diese Filme ohne den mindesten Betrag an Konflikt oder ernsthaftem Gefühl auskamen, so fragt man sich, wie sie überhaupt funktionieren konnten.

Bekennend unambitioniert

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Die Antwort lag in Peter Alexander selbst. Während er mit Fernseh-Höchstgagen und Personality-Shows die Film-Krise in Deutschland überstand, schob er eine Art Problemunterdruck in seinem künstlerischen Leben erfolgreich vor sich her. So zeichnete sich die späte Verweigerung dieses begnadeten Entertainers ab, an dessen spielerische Professionalität sich seine Produzenten Arthur Brauner und Ralph Siegel mit Staunen zurückerinnern.

Sein Geheimnis: Peter Alexander war bekennend unambitioniert. Die geschäftliche Seite seines Berufs überließ er ganz seiner Frau Hilde, mit der er seit 1952 ein halbes Jahrhundert lang verheiratet war. Er selber ging lieber Angeln. Und traf in allem das leicht infantile Bedürfnis der Nachkriegszeit, nicht und um keinen Preis erwachsen zu werden.

Der bekennende Fußball-Narr ließ sogar Kuss-Szenen in seinen Filmen vertraglich verbieten (um seine Ehefrau nicht zu provozieren). Er hasste das Reisen, liebte Kreuzworträtsel und nahm Geburtstagsgeschenke – ein eisernes Ritual – jedesmal mit ins Bett.

Er war dermaßen normal, als wolle er dem Publikum beweisen, wie unterhaltsam der deutsche Michel sein könne (was ihm als Österreicher einfacher fiel). Nach seinem Rückzug schaffte er den Konzertflügel zuhause ab, um mehr Platz für die Märklin-Eisenbahn zu haben, die er liebte. Zum 80. Geburtstag gönnte er sich was ganz Besonderes – und kaufte sich eine neue Lok.

Als TV-Abräumer mit Shows wie „P.A. präsentiert Spezialitäten“ (1974-78), der großen „Peter Alexander Show“ (1987-95), „Ein Herz für Berlin“ oder der „Großen Traumschiff-Gala“ brachte er es einstweilen zu einer Art Majordomus des deutschen Wohnzimmers.

Die Trag-Last all jener „Goldenen Bildschirme“, Ehrenringe, Goldenen Kameras und zehn Bambis, die er gewann, würden jeden Schwergewichts-Ringer unter sich zusammenbrechen lassen. Die Breite seiner Fätigkeiten – einschließlich Operetten- und Musical-Star, Sketch-Spieler und Quizmaster – verschmolz immer mehr zum Gesamtkunstwerk.

Allein die Kaskade seiner Nr. 1-Schlager liefert ein Kaleidoskop deutscher Nachkriegs-Befindlichkeit. Während „Der Mond hält seine Wacht“ (1955) noch den ranzigen Heimat-Muff der Wiederaufbauzeit beschwört, flimmern in „Der letzte Walzer“ (1967) schon die Glühbirnen aufkommender Partykeller-Seligkeit.

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Seine 41 Ton-Ten-Titel – von „Die süßesten Früchte fressen nur die großen Tiere“ (1952), „Mandolinen und Mondschein“ (1959) und „Ich zähle täglich meine Sorgen“ (1960) bis zu „Der Badewannentango“ (1962) und „Die kleine Kneipe“ (1976) – erwecken den Eindruck, als hätten die fähigsten Tränendrüsen-Drücker der Nation eine Summe bundesdeutscher Stimmungen gezogen.

In der DDR übrigens ist Peter Alexander – angeblich ohne Vorsatz – nie aufgetreten. Hier wirkte er unerreichbar. War aber einer der Ersten, der 1990 den Friedrichstadtpalast zum Kochen brachte und – ähnlich wie Heino – in den neuen Ländern die Zukunft sah.

Für den vielbeschworenen Widerspruch zwischen Image und Privatem gibt es bei Peter Alexander Gründe bestenfalls im Sinne drohender Überbeanspruchung. Er war ein besessener, perfektionistischer Prober, der wenig Verständnis dafür aufbrachte, dass der Erfolg auf seine Feierabendperson projeziert wurde.

Der Berufsjugendliche im Nachkriegsdeutschland

Warum nur verlangte man von ihm, an freien Tagen den Superstar zu spielen?! In einer Palme vor seinem Haus in Lugano saß in den 60er Jahren längere Zeit eine Frau auf einem Ast, die ihrem Star möglichst nahe sein wollte. Das Ehepaar Alexander sah sich das sorgenvoll vom Fenster aus an. Nach zwei Tagen fiel die Frau vom Baum. Auch Peter Alexander scheint eine Rolle, die derlei mit sich brachte, irgendwann nicht mehr ausgehalten zu haben.

Einen speziellen Hit gibt es, mit welchem Peter Alexander 1981 das Siegel unter eine beispiellos zielführende Karriere setzte: „Und Papa wird's schon richten“. Hier versorgte der Berufsjugendliche eine vaterlos gewordene Gesellschaft kongenial mit dem Hinweis, dass Papa auch einmal jung gewesen ist.

Forcierte gute Laune, gepaart mit der typischen ‚Steh-Träne' und einem Lächeln, in dem sich Nachsicht mit Übermut paarte, war das Echo jener filmischen Lustspiel-Tradition, die in ihm noch lebendig war. Peter Alexander, so könnte man sagen, hat – auf den Spuren von Heinz Rühmann – ein Leben lang „Feuerzangenbowle“ gespielt.

Wenn es einen Entertainer gab, der die Vorwende-Bundesrepublik repräsentieren durfte, indem er sie vergessen half, dann war es der in diesen Dingen unerreichte Peter Alexander.

Für sein diskret vorgeschütztes „Ich tat es alles nur aus Liebe…“, für die Fiktion des Sich-Verschenkens also, wurde er zu Recht geliebt. Auch dafür war ihm ein Hit passgenau auf den Leib komponiert worden: „Komm und bedien dich bei mir“. Genau darin war er groß.

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