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Einsatz von Beton für Schutzbauwerke gegen Wildbachgefahren

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Publiziert in: Zement und <strong>Beton</strong> 3/2008<br />

<strong>Einsatz</strong> <strong>von</strong> <strong>Beton</strong> <strong>für</strong> <strong>Schutzbauwerke</strong> <strong>gegen</strong> <strong>Wildbachgefahren</strong><br />

Jürgen Suda 1) , Christoph Skolaut 2) , Konrad Bergmeister 1) , Florian Rudolf-Miklau 3) , Johannes Hübl 4)<br />

1) Institut <strong>für</strong> konstruktiven Ingenieurbau, Department <strong>für</strong> Bautechnik und Naturgefahren, Universität <strong>für</strong> Bodenkultur<br />

2) Forsttechnischer Dienst <strong>für</strong> Wildbach und Lawinenverbauung, Sektion Salzburg<br />

3) Bundesministerium <strong>für</strong> Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft, Abteilung IV/5, Wildbach- und Lawinenverbauung<br />

1 Einleitung<br />

4) Institut <strong>für</strong> alpine Naturgefahren, Department <strong>für</strong> Bautechnik und Naturgefahren, Universität <strong>für</strong> Bodenkultur<br />

Der Schutz <strong>von</strong> Siedlungsraum und Infrastruktur vor Naturgefahren ist eine komplexe Aufgabe. Am<br />

besten kann ein optimaler Schutzgrad durch ein integrales Schutzsystem erreicht werden (Tab.<br />

1.1). Dieses System besteht aus passiven Schutzmaßnahmen (präventive Raumplabnung,<br />

Gefahrenzonenplanung, Gebäudeschutz,…) und aktiven Schutzmaßnahmen (Bewirtschaftung der<br />

Einzugsgebiete, forstlich biologische Maßnahmen, technische Schutzmaßnahmen).<br />

Wildbachsperren aus <strong>Beton</strong> sind ein Teil der technischen Schutzmaßnahmen.<br />

Tab. 1.1: Systematik der Schutzmaßnahmen <strong>gegen</strong> <strong>Wildbachgefahren</strong> nach ONR 24800; aus [1], S.93<br />

Aktive<br />

Schutzmaßnahme<br />

n<br />

Passive<br />

Schutzmaßnahmen<br />

vorbeugende<br />

Wirkung<br />

Reaktion auf das Ereignis<br />

vorbeugende Wirkung<br />

Ereignisdisposition<br />

beeinflussend<br />

direkt auf den Prozess<br />

einwirkend<br />

Permanente Wirkung Temporäre Wirkung<br />

Bewirtschaftung der Einzuggebiete<br />

Forstlich-biologische Maßnahmen<br />

Ingenieurbiologische Maßnahmen<br />

Technische Schutzmaßnahmen<br />

Technische Schutzmaßnahmen<br />

Gefahrenzonenplan<br />

gefahrenangepasste Raumplanung und<br />

Landnutzung<br />

Gebäudeschutz (Objektschutz)<br />

Katastrophenschutzpläne<br />

Seite 1<br />

Sofortmaßnahmen (im<br />

Ereignisfall)<br />

Information<br />

Warnung<br />

Alarmierung<br />

Sperre<br />

Evakuierung<br />

Reaktion auf das Ereignis Katastrophenmanagement<br />

Die äußere Form <strong>von</strong> Wildbachsperren wird primär <strong>von</strong> deren Funktion, die sie entsprechend des<br />

Schutzzieles und der maßgeblichen Prozesse im Wildbach erfüllen sollen, bestimmt.<br />

Geschlossene (öffnungsfreie) Bauwerke werden hauptsächlich als Sperrenstaffelungen <strong>für</strong> die<br />

Stabilisierung und Konsolidierung der Bachsohle und der umliegenden Hänge eingesetzt. Offene<br />

Bauwerke (Bauwerke mit Öffnungen oder Schlitzen) sind in der Lage komplexere Funktionen zu<br />

erfüllen. Sie werden zum Rückhalt (Rückhaltesperren) und der Dosierung (Dosiersperren) <strong>von</strong><br />

Wasser und Geschiebe sowie zum Brechen und Bremsen <strong>von</strong> Muren (Murbrecher) eingesetzt.<br />

In den letzten Jahrzehnten hat sich Stahlbeton als der geeignetste und dauerhafteste Baustoff <strong>für</strong><br />

diese Bauwerke herausgestellt.


2 Wildbachprozesse<br />

Publiziert in: Zement und <strong>Beton</strong> 3/2008<br />

<strong>Schutzbauwerke</strong> im Wildbach werden durch Wildbachprozesse beansprucht. Nach<br />

ONR 24800 [13] werden unter dem Begriff „Wildbachprozesse“ Gerinneprozesse, die im Wildbach<br />

ablaufen, zusammengefasst. Diese Prozesse können in die Abtrags- (Mobilisierung), die<br />

Transport- (Verlagerung) und die Ablagerungsprozesse (Sedimentation) eingeteilt werden.<br />

Charakteristisch <strong>für</strong> Wildbachprozesse sind die kurze Anlaufzeit, die kurze Gesamtdauer und<br />

deren unmittelbarer Zusammenhang mit vorangehenden exzessiven meteorologischen<br />

Ereignissen (Starkregen, Dauerregen). Neben den Feststoffen in Form <strong>von</strong> Geschiebe spielt in<br />

Wildbächen auch das Wildholz (Schadholz) eine wesentliche Rolle.<br />

Bei den Verlagerungsprozessen kommen zu den in Flüssen bekannten fluviatilen<br />

Verlagerungsarten die murartigen Verlagerungsarten hinzu. Man unterscheidet somit die<br />

Verlagerungsarten Hochwasser, fluviatiler Feststofftransport, murartiger Feststofftransport und<br />

Murgang (Tab. 2.1).<br />

Tab. 2.1: Eigenschaften unterschiedlicher Verlagerungsprozesse in einem Wildbach nach ONR 24800; aus [1], S.107<br />

Verlagerungstyp Hochwasser Mure<br />

Verlagerungsart fluviatil murartig<br />

Terminus Hochwasser<br />

Fluviatiler<br />

Feststofftransport<br />

Murartiger<br />

Feststofftransport<br />

Murgang<br />

Prozesstyp Reinwasserabfluss schwach Feststofftransport stark Murgang<br />

Fließverhalten newtonisch newtonisch annähernd newtonisch nicht newtonisch<br />

Vol. Feststoffkonzentration<br />

(ca. Bereich)<br />

Promillebereich 0-20 % 20-40 % >40%<br />

Größtkorn mm-cm -dm -m -m<br />

Dichte (ca. Bereich) 1000 kg/m³ 1700 kg/m³<br />

Maßgeblich wirkende<br />

Kräfte<br />

Turbulenz,<br />

Schleppspannung<br />

Turbulenz,<br />

Schleppspannung<br />

Auftrieb, Turbulenz,<br />

Schleppspannung,<br />

dispersiver Druck<br />

Auftrieb, dispersiver Druck,<br />

viskose und friktionale Kräfte<br />

Feststoffe sohlennah Feststoffe sohlennah<br />

Verteilung der<br />

Feststoffe im<br />

Querschnitt<br />

(rollend, hüpfend,<br />

springend) und<br />

Schweb verteilt im<br />

(rollend, hüpfend,<br />

springend) und<br />

Schweb verteilt im<br />

Feststoffe und Schweb<br />

verteilt im Querschnitt<br />

Feststoffe verteilt im<br />

Querschnitt<br />

Querschnitt<br />

Querschnitt<br />

Schaden durch Wasser und Schweb<br />

Wasser, Schweb und<br />

Geschiebe<br />

Feststoffe und Wasser Feststoffe (und Wasser)<br />

3 Bautypen <strong>von</strong> Wildbachsperren<br />

3.1 Allgemein<br />

Wildbachsperren werden quer zur Bachachse (Prozessrichtung) angeordnet und zählen somit zu<br />

den Querbauwerken. In der Regel wirken sie als Bauwerksverband auf die Prozesse ein. Diese<br />

Bauwerksverbände stellen eine Kombination <strong>von</strong> Längs- und Querbauwerken sowie baulichen<br />

Schutzmaßnahmen mit Flächenwirkung dar. Die Bauwerksverbände der Wildbachverbauung kann<br />

man in Regulierungen, Staffelungen und Funktionsketten einteilen (Abb. 1).<br />

Eine Regulierung ist eine geschlossene Verbauung eines Bachlaufes, die aus einer Kombination<br />

<strong>von</strong> nicht unterbrochenen, beidseitigen Uferschutzbauwerken (Längsbauwerke) und<br />

Querbauwerken mit sohlstabilisierender Wirkung besteht (Abb. 1 A). Ihre Funktion ist die Ableitung<br />

Seite 2


Publiziert in: Zement und <strong>Beton</strong> 3/2008<br />

<strong>von</strong> Fließprozessen (Hochwasser, Muren), die Stabilisierung des Gerinnes und der Schutz der<br />

Ufer <strong>gegen</strong> Erosion.<br />

Eine Staffelung (Sperrenstaffel) ist eine Serie <strong>von</strong> mehreren aufeinander folgenden Sperren oder<br />

Grundschwellen ähnlicher Bauart und Funktion in einem Abstand, der dem geplanten Gefälle der<br />

Bachsohle (Verbauungsgefälle) entspricht (Abb. 1 C). Die Funktionen sind Konsolidierung des<br />

Baches, Geschieberückhalt und Energieumwandlung.<br />

Eine Funktionskette ist eine Serie <strong>von</strong> mehreren aufeinander folgenden <strong>Schutzbauwerke</strong>n<br />

unterschiedlicher Bauart und Funktion, deren Wirkung in Kombination Schutz vor einem oder<br />

mehreren Wildbachprozessen bietet. (Abb. 1 B)<br />

A<br />

6<br />

1 Murbrecher<br />

B<br />

2 Staffel aus Konsolidierungssperren<br />

3 Absturzbauwerk<br />

1<br />

7<br />

2<br />

3<br />

4 Retentionsbecken<br />

5 Dosiersperre<br />

Seite 3<br />

5<br />

2<br />

4<br />

6 Ufermauer<br />

7 Grundschwellen<br />

Abb. 1: Beispiele <strong>für</strong> Bauwerksverbände der Wildbachverbauung: (A) Regulierung; (B) Funktionskette; (C)<br />

Staffelung; aus [1], S.119<br />

Mit spezialisierten <strong>Schutzbauwerke</strong>n können Entstehungsprozesse, Verlagerungsprozesse oder<br />

Ablagerungsprozesse beeinflusst werden. Je nach Art der Wirkung <strong>von</strong> Wildbachsperren auf den<br />

Prozess (Leitfunktion) können die Bauwerke in Funktionstypen nach Tab. 3.1 eingeteilt werden.<br />

C


Publiziert in: Zement und <strong>Beton</strong> 3/2008<br />

Tab. 3.1: Funktionstypen <strong>von</strong> Wildbachsperren nach ONR 24800; aus [1], S.115<br />

Funktionstyp Beeinflusste Prozesse Anwendungsbereich Wirkungsprinzip Ausmaß der Wirkung<br />

Stabilisierung<br />

Konsolidierung<br />

Retention<br />

Dosierung<br />

Filterung<br />

Energieumwandlung<br />

Reinwasserabfluss<br />

fluviatiler Feststofftransport<br />

Reinwasserabfluss<br />

fluviatiler Feststofftransport<br />

murartiger<br />

Feststofftransport<br />

Murgang<br />

Reinwasserabfluss<br />

fluviatiler Feststofftransport<br />

(fallweise auch Murgänge)<br />

Reinwasserabfluss<br />

fluviatiler Feststofftransport<br />

fluviatiler Feststofftransport<br />

murartiger<br />

Feststofftransport<br />

Murgang<br />

Wildholz<br />

murartiger<br />

Feststofftransport<br />

Murgang<br />

gesamter Wildbach<br />

Ober- und Mittellauf<br />

Mittel- und Unterlauf<br />

Mittel- und Unterlauf<br />

Mittel- und Unterlauf<br />

Mittel- und Unterlauf<br />

Seite 4<br />

der Prozesswirkung<br />

vorbeugend<br />

der Prozesswirkung<br />

vorbeugend<br />

direkt auf den Prozess<br />

einwirkend<br />

direkt auf den Prozess<br />

einwirkend<br />

direkt auf den Prozess<br />

einwirkend<br />

direkt auf den Prozess<br />

einwirkend<br />

volle Wirkung <strong>für</strong><br />

Bemessungshochwasser,<br />

teilweise Wirkung <strong>für</strong><br />

Hangstabilität<br />

volle Wirkung <strong>für</strong><br />

Bemessungshochwasser<br />

ohne Beanspruchung<br />

durch vorangegangene<br />

Ereignisse und<br />

Hangprozesse<br />

volle Wirkung <strong>für</strong><br />

Bemessungshochwasser<br />

ohne Beanspruchung<br />

durch vorangegangene<br />

Ereignisse<br />

teilweise bis volle Wirkung<br />

<strong>für</strong><br />

Bemessungshochwasser<br />

ohne Beanspruchung<br />

durch vorangegangene<br />

Ereignisse<br />

teilweise bis volle Wirkung<br />

<strong>für</strong><br />

Bemessungshochwasser<br />

ohne Beanspruchung<br />

durch vorangegangene<br />

Ereignisse<br />

teilweise bis volle Wirkung<br />

<strong>für</strong><br />

Bemessungshochwasser<br />

ohne Beanspruchung<br />

durch vorangegangene<br />

Ereignisse<br />

Neben der Leitfunktion lassen sich Wildbachsperren noch nach der Konstruktionsart und dem<br />

statischen System unterteilen (Tab. 3.2).<br />

Tab. 3.2: Grundlegende Klassifikation <strong>für</strong> Wildbachsperren nach ONR 24800; aus [1], S.120<br />

Leitfunktion<br />

Konstruktionsart<br />

statisches<br />

System<br />

Stabilisierung<br />

Konsolidierung<br />

Konsolidierungssperre<br />

Grundschwellen<br />

Sohlgurten<br />

Rampen<br />

Vollwandsperre<br />

(Geschlossene Sperre)<br />

Offene Sperre<br />

Gewichtssperre<br />

Gewölbeperre<br />

(Bogensperre)<br />

Retention<br />

(Rückhalt)<br />

Dosierung Filterung Energieumwandlung<br />

Retentionssperre Dosiersperre Filtersperre<br />

Wasser-<br />

Geschiebe-<br />

Muren-<br />

retentionssperre<br />

Wasser-<br />

Geschiebe-<br />

dosiersperre<br />

Grobgeschiebe-<br />

Wildholz-<br />

filtersperre<br />

Murbrecher<br />

Absturzbauwerk<br />

Bremsbauwerk<br />

Einfache Vollwandsperre Mehrfache Vollwandsperre (Kaskadensperre)<br />

Kronengeschlossene Sperre Kronenoffene Sperre<br />

Kleindolige Sperre<br />

Großdolige Sperre<br />

Schlitzsperre<br />

Plattensperre Aufgelöste Tragwerke<br />

Einfache<br />

Plattensperre <br />

Pfeilerplattensperre <br />

Winkelstützmauer<br />

Massenaktive<br />

Tragwerke<br />

Grobfilter<br />

Murbrecher<br />

Aufgelöste<br />

Sperre<br />

Gittersperre<br />

Netzsperre<br />

Seilsperre<br />

Vektoraktive Tragwerke<br />

Gittersperre<br />

(biegesteif)<br />

Netzsperre<br />

(biegeweich)


Publiziert in: Zement und <strong>Beton</strong> 3/2008<br />

Der <strong>für</strong> die Funktion wesentlichste Unterschied in der Konstruktionsart ist, ob die Sperre Öffnungen<br />

besitzt (offene Sperre) oder nicht (geschlossene Sperre). Die Einteilung der offenen Sperren<br />

erfolgt nach dem Kriterium des Vorhandenseins einer durchgehenden oder unterbrochenen<br />

Sperrenkrone: es werden kronengeschlossene und kronenoffene Sperren unterschieden. Neben<br />

diesen Bautypen in Massivbauweise gibt es die Gruppe der Gittersperren, Netzsperren und<br />

Seilsperren (Abb. 2).<br />

A<br />

B C<br />

D<br />

E<br />

H I<br />

F G<br />

Abb. 2: Beispiele <strong>für</strong> Typen <strong>von</strong> Wildbachsperren klassifiziert nach der Konstruktionsart (Ansicht <strong>von</strong> der Luftseite<br />

der Sperren): (A) Vollwandsperre; (B) kronengeschlossene kleindolige Sperre; (C) kronengeschlossene<br />

großdolige Sperre; (D) kronengeschlossene Sperre mit Schlitzdolen; (E) – (G) Schlitzsperren; (H) Aufgelöste<br />

Sperre; (I) Netzsperre; (J) Gittersperre; nach [8]<br />

Die Form des Bauwerkes muss auf den jeweiligen Einzelfall abgestimmt werden. Grundsätzliche<br />

Aussagen über die Eignung <strong>von</strong> bestimmten Bautypen sind bei einer Darstellung der<br />

Zusammenhänge zwischen Funktionstyp, Konstruktionstyp und statischem System der<br />

Sperrenbauwerke möglich. Als Entscheidungshilfe <strong>für</strong> den Planer bei der Wahl eines geeigneten<br />

Bautyps kann die Einordnung der Sperrentypen in die Funktions-Konstruktions-Matrix (Tab. 3.3)<br />

unter Berücksichtigung der Eignung dienen. In einem zweiten Schritt kann die Eignung des<br />

statischen Systems (Tragwerkstyp) in der Konstruktions-Tragwerks-Matrix abgelesen werden (Tab.<br />

3.4).<br />

Die Funktions-Konstruktions-Matrix (Tab. 3.3) zeigt, dass geschlossene Sperren<br />

(Vollwandsperren) und Sperren mit kleineren Öffnungen primär <strong>für</strong> die Funktionen der<br />

Konsolidierung und Retention eingesetzt werden. Darin kommt eines der wichtigsten<br />

Planungskriterien <strong>für</strong> Wildbachsperren zum Ausdruck, die Durchgängigkeit des Bauwerks <strong>für</strong><br />

Feststoffe und Wasser: Je größer der Anteil der Öffnungen an der gesamten Sperrenfläche ist,<br />

Seite 5<br />

J


Publiziert in: Zement und <strong>Beton</strong> 3/2008<br />

desto größer die Durchgängigkeit und desto mehr verschiebt sich die Funktion vom Rückhalt in<br />

Richtung Dosierung und Filterung grober Feststoffkomponenten. Bei Schlitzsperren und<br />

großdoligen Sperren tritt durch die rückschreitende Erosion bei ablaufendem Hochwasser eine<br />

zeitversetzte (Teil-)Entleerung des Verlandungsraumes nach dem Hochwasser ein.<br />

Tab. 3.3: Einordnung <strong>von</strong> Sperrentypen im Zusammenhang mit Funktionstyp und Konstruktionstyp (Funktions-<br />

Konstruktions-Matrix); aus [1], S.121<br />

Funktionstyp<br />

Konstruktionstyp<br />

Offene Sperre<br />

geschlossene Sperre<br />

(Vollwandsperre)<br />

Dolensperre<br />

kleingroßdoligdoligSchlitzsperre Aufgelöste<br />

Sperre<br />

Gittersperre<br />

Netzsperre<br />

Seilsperre<br />

Konsolidierung Konsolidierungssperre<br />

Retention<br />

Geschieberetentionssperre<br />

(Wasserretentionssperre)<br />

Dosierung Geschiebedosiersperre<br />

Filterung<br />

(Grob-) Geschiebefiltersperre<br />

Wildholzfiltersperre<br />

Energieumwandlung<br />

Absturzsperre Murbrecher<br />

Tab. 3.4: Einordnung <strong>von</strong> Sperrentypen im Zusammenhang mit dem statischem System und dem Konstruktionstyp<br />

(Konstruktions-Tragwerksmatrix); aus [1], S.122<br />

Statisches System<br />

Gewichtssperre<br />

geschlossene<br />

Sperre<br />

(Vollwandsperre)<br />

Konsolidierungssperre<br />

Geschieberetentionssperre<br />

Absturzsperre<br />

Dolensperre<br />

klein-<br />

großdolig<br />

dolig<br />

Seite 6<br />

Konstruktionstyp<br />

Offene Sperre<br />

Schlitzsperre<br />

Geschiebedosiersperre<br />

Aufgelöste<br />

Sperre<br />

Geschiebefiltersperre<br />

Wildholzfiltersperre<br />

Murbrecher<br />

Gewölbesperren<br />

Plattensperren<br />

Reine Plattensperren<br />

Geschiebedosiersperre<br />

Pfeilerplattensperren Konsolidierungssperre Geschiebedosiersperre<br />

Geschieberetentionssperre<br />

Geschiebefilter<br />

Winkelstützmauer<br />

Aufgelöste Tragwerke<br />

Absturzsperre<br />

Wildholzfilter<br />

Murbrecher<br />

Geschiebe-<br />

Massenaktive Tragwerke<br />

filter<br />

Wildholzfilter<br />

Vektoraktive Tragwerke<br />

3.2 Beschreibung der Funktionstypen<br />

Gittersperre<br />

Netzsperre<br />

Seilsperre<br />

Geschiebefilter<br />

Wildholzfilter<br />

Von den unterschiedlichen Entwurfsparametern <strong>für</strong> die Form einer Wildbachsperre ist die<br />

zugeordnete Leitfunktion (Funktionstyp) der wesentlichste, daher werden die Bautypen nach<br />

Funktionstyp geordnet vorgestellt. Dabei beschränken sich die Ausführungen auf Bautypen in<br />

Massivbauweise. Die Bauwerke müssen sowohl hydraulisch als auch statisch bemessen werden.<br />

Auf diese Punkte wird in diesem Beitrag nicht eingegangen. Ausführungen dazu finden sich in [1]<br />

[14] und [15] bzw. teilweise in älteren Veröffentlichungen wie [2] [3] und [5].


3.2.1 Stabilisierung und Konsolidierung<br />

Publiziert in: Zement und <strong>Beton</strong> 3/2008<br />

Die Stabilisierung umfasst alle Maßnahmen, die dazu dienen, die Sohle und die Ufer (samt den<br />

Einhängen) in der vorherrschenden Lage zu sichern und <strong>gegen</strong> Seiten- und Tiefenerosion zu<br />

schützen. Die Konsolidierung umfasst Maßnahmen, die der Unterstützung der Hänge oberhalb des<br />

Bauwerks durch eine Hebung der Gerinnesohle dienen. Konsolidierungsmaßnahmen bewirken<br />

eine maßgebliche Reduktion des Sohlgefälles, eine Verringerung der Fließgeschwindigkeit, die<br />

Ausbildung <strong>von</strong> freien Überfällen (Abstürzen) und eine Umwandlung der Energie des<br />

Fließprozesses. Damit verbunden ist eine Reduktion der Geschiebetransportkapazität, die<br />

entweder zu einer Verringerung der Erosionsleistung oder zur temporären Ablagerung<br />

(Sedimentation) transportierter Feststoffe führt. Die Wirkungsweise einer Konsolidierungsstaffel ist<br />

in Abb. 3 dargestellt.<br />

H s<br />

4 Wall<br />

6<br />

5<br />

1 4<br />

2<br />

3<br />

7<br />

L K<br />

Energieumwandlung<br />

5 Sperre oder Grundschwelle 6 Verlandungsraum<br />

Abb. 3: Abfluss in einer Sperrenstaffelung, aus [1], S.125<br />

L<br />

I v<br />

6<br />

>I N<br />

ϕ<br />

Seite 7<br />

1 ursprüngliches Gefälle<br />

2 mittleres Verlandungsgefälle<br />

3 Kolk<br />

5<br />

7 Überfall<br />

Horizontalniveau<br />

Zur Stabilisierung/Konsolidierung können Sohlgurte, Grundschwellen, Vollwandsperren und<br />

Rampen eingesetzt werden. Hinweise zur Bemessung und Konstruktion <strong>von</strong><br />

Konsolidierungssperren findet sich in [1] [5] und [7].<br />

3<br />

7<br />

6<br />

4<br />

ϕ'


Publiziert in: Zement und <strong>Beton</strong> 3/2008<br />

Abb. 4: Stabilisierung/Konsolidierung: (A) Staffel aus Konsolidierungssperren mit Kronen aus Kalkstein; (B)<br />

Konsolidierungssperre mit Konsole und Stahlpanzer; (C) Konsolidierungssperre mit Doppeltrapezprofil in der<br />

Abflusssektion; (D) Konsolidierungssperre mit Niederwasserrinne<br />

3.2.2 Retention<br />

Die Retention umfasst den Rückhalt <strong>von</strong> Wasser oder Feststoffen. Die Retention (der Rückhalt)<br />

<strong>von</strong> Wasser dient der Verringerung des Scheitelabflusses. Sie erfolgt durch Rückhaltebecken<br />

(stehende Retention) oder durch Aktivierung <strong>von</strong> Überflutungsflächen (-räumen) (fließende<br />

Retention). Die Retention <strong>von</strong> Geschiebe geschieht durch den Stauraum einer Sperre oder eines<br />

Ablagerungsbeckens. Retentiertes Geschiebe bedarf meist einer künstlichen (maschinellen)<br />

Räumung oder einer künstlich eingeleiteten Spülung des Stauraums, um die ursprünglich<br />

vorhandene Rückhaltekapazität wieder herzustellen 1 .<br />

Zur Retention <strong>von</strong> Hochwasser (Wasserretentionssperre) werden geschlossene Sperren<br />

eingesetzt (Abb. 5). Als Betriebsorgan dient meistens ein ungesteuerter Durchlass (Grundablass).<br />

In letzter Zeit wurden auch gesteuerte Hochwasserrückhaltebecken errichtet. Hinweise dazu finden<br />

sich beispielsweise in [6]. Zur Geschieberetention werden auch kleindolige Dolensperren<br />

eingesetzt und die unter 3.2.3 vorgestellten Bautypen. Grundsätzlich findet eine Retention <strong>von</strong><br />

Feststoffen an allen Bauwerken zur Dosierung und Filterung statt, da sich durch die Unterbrechung<br />

im Fließkontinuum und die dadurch reduzierte Fließgeschwindigkeit Material ablagert.<br />

1<br />

Eine natürliche Spülung des Stauraums findet nur in Wildbächen mit hohem Basisabfluss oder hoher Frequenz<br />

kleinerer Hochwasserereignisse in zufrieden stellendem Ausmaß statt.<br />

Seite 8


Publiziert in: Zement und <strong>Beton</strong> 3/2008<br />

Abb. 5: Wasserretention: (A) und (C) Ansicht <strong>von</strong> der Luftseite; (B) und (D) Ansicht <strong>von</strong> der Wasserseite mit<br />

vorgesetztem Wilholzfliter (senkrechter Rechen)<br />

3.2.3 Dosierung und Filterung<br />

Bautypen, die zur Dosierung und Filterung eingesetzt werden, sind sehr ähnlich, da sich diese<br />

beiden Prozesse schwer <strong>von</strong>einander trennen lassen. Bei diesen Bautypen sind in den Öffnungen<br />

oder davor oft Verschlusselemente wie Rechen oder Balken angeordnet.<br />

Bei der Dosierung kommt es durch die Wirkung des Bauwerkes zu einem Rückstaueffekt hinter<br />

dem Bauwerk. Dadurch wird Wasser zurückgehalten und durch die Verringerung der<br />

Fließgeschwindigkeit Feststoffe abgelagert. Das temporär zurückgehaltene Wasser wird<br />

zeitverzögert in den Unterlauf abgegeben. Bei Hochwasser abgelagertes Geschiebe wird dosiert<br />

mit der ablaufenden Hochwasserwelle oder bei Mittelwasser abtransportiert (Spülung). Bauwerke<br />

zur Dosierung weisen in der Regel einen höheren Fließwiderstand als Filterbauwerke auf.<br />

Filterbauwerke besitzen große Öffnungen und erzeugen im Optimalfall wenig Rückstau. Die<br />

Filterung findet an den funktionalen Sperrenteilen wie Rechen oder Balken statt. Das Ziel einer<br />

Filterung ist der selektive Rückhalt <strong>von</strong> groben Feststoffkomponenten (Wildholz, Blöcke) aus<br />

einem Fließprozess. Dadurch soll verhindert werden, dass diese Komponenten im Unterlauf zur<br />

Verklausung oder Blockade des Abflussprofils führen.<br />

Seite 9


8<br />

7<br />

Publiziert in: Zement und <strong>Beton</strong> 3/2008<br />

1 Schlitz 2 Großdolen 3 Rechen 4 Schlanke Pfeiler<br />

5 Scheiben 6 Balken<br />

1<br />

4<br />

7<br />

8<br />

7 Ablagerung <strong>von</strong> Material<br />

8<br />

Seite 10<br />

6<br />

7<br />

5<br />

3<br />

2<br />

7<br />

8 Retentionsbecken<br />

Abb. 6: (A) Schlitzsperre; (B) Kombinierte Dosier- und Filtersperre mit Vorsperre; (C) Wildholzfiltersperre; (D)<br />

Dosiersperre mit Balken<br />

Als Dosier- und Filtersperre in Massivbauweise können Schlitzperren, großdolige Sperren oder<br />

aufgelöste Sperren eingesetzt werden. Wenn an großdoligen Sperren eine Filterwirkung erwünscht<br />

ist, z.B. Filterung <strong>von</strong> Wildholz, wird dieser ein Filterbauwerk (z.B. Schrägrechen) vorgesetzt (Abb.<br />

7 C,D). Die hydraulische Bemessung dieser Bauwerke erfordert praktische Erfahrung und wird<br />

häufig durch Modellversuche unterstützt um die gewünschte Wirkung im Prozess zu erzielen.<br />

Hinweise zur Bemessung und Konstruktion dieser Bauwerke findet sich in [1] [4] und [6].<br />

8


Publiziert in: Zement und <strong>Beton</strong> 3/2008<br />

Abb. 7: Dosierung und Filterung: (A) einfache Schlitzsperre mit Balken; (B) Dosiersperre mit Balken; (C)<br />

Filterbauwerk (Schrägrechen) vor einer großdoligen Dosiersperre; (D) großdolige Dosiersperre; (E)<br />

Wildholzfilter<br />

3.2.4 Energieumwandlung<br />

Eine Energieumwandlung umfasst die Reduktion der Energie eines Fließvorganges durch die<br />

Bremswirkung eines Bauwerks (Murbrecher) oder durch Absturz (Absturzbauwerke). Durch diese<br />

Maßnahme wird die Fließgeschwindigkeit reduziert, die Eigenschaft des transportierten Mediums<br />

verändert und der Verlagerungsprozess transformiert. Da es bei einer Reduktion des<br />

Energieniveaus des Prozesses zu einer Ablagerung <strong>von</strong> Material kommt, sind diese Bauwerke<br />

zumeist mit einem Rüchhalteraum kombiniert.<br />

Seite 11


Mure<br />

hohe kinetische Energie<br />

Publiziert in: Zement und <strong>Beton</strong> 3/2008<br />

Abb. 8: (A) Wirkungsprinzip eines Murbrechers; (B) Wirkungsprinzip <strong>von</strong> Absturzsperren<br />

Als Murbrecher werden in der Regel aufgelöste Sperren eingesetzt. Die Energieumwandlung findet<br />

durch das geringere Gefälle im Retentionsbecken und beim Auftreffen der Mure auf das Bauwerk<br />

statt. Dabei wird der grobe Teil des Murmaterials (Murkopf) abgelagert und die<br />

Fließgeschwindigkeit des restlichen Prozesses verringert (Abb. 8 A).<br />

Da Murbrecher auf den vollen Murdruck bemessen werden ist meistens der Kippnachweis des<br />

gesamten Bauwerkes der entscheidende Nachweis. Zur Sicherstellung einer ausreichenden<br />

Dauerhaftigkeit werden die <strong>von</strong> Muren beaufschlagten Bauwerksbereiche mit Stahlblechen<br />

(t = 8 bis 20 mm) gepanzert (Abb. 9 A). Näheres zur Bemessung, Anwendung und Konstruktion<br />

<strong>von</strong> Murbrechern findet sich in [1] [7] [9] und [11].<br />

Murabsturzbauwerke sind ähnlich Konsoliderungsstaffeln gebaut. Die Bereiche zwischen den<br />

Bauwerken sind als Retentionsbecken ausgebildet. Die Energieumwandlung finden an den<br />

künstlichen Überfällen statt (Abb. 8 B und Abb. 9 B). Näheres zur Anwendung und Konstruktion<br />

<strong>von</strong> Absturzbauwerken findet sich in [10].<br />

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Publiziert in: Zement und <strong>Beton</strong> 3/2008<br />

Abb. 9: Energieumwandlung: (A) Ansicht eines Murbrechers mit gepanzerten Scheiben <strong>von</strong> der Wasserseite; (B)<br />

Ansicht eines Murbrechers <strong>von</strong> der Luftseite; (C) Staffel aus Absturzbauwerken; (D) Detailansicht eines<br />

Abstrurzbauwerkes (Quelle C,D: [10])<br />

4 <strong>Beton</strong>technologie und konstruktive Durchbildung in der Praxis der WLV<br />

Stahlbeton hat sich aufgrund der hohen Beanspruchung der Bauwerke durch die<br />

Wildbachprozesse als dauerhafter Baustoff bewährt. Wesentlich sind die hohe<br />

Widerstandsfähigkeit <strong>gegen</strong> den Wechsel <strong>von</strong> Feuchtigkeit und Trockenheit bei stark<br />

schwankender Wasserführung und Temperaturextremen in den weitgehend exponierten Lagen<br />

sowie die Widerstandsfähigkeit <strong>gegen</strong> den stetigen Abrieb durch Geschiebe. Als Bewehrungsstahl<br />

wird üblicherweise ein BSt 500 oder BSt 550 verwendet.<br />

4.1 Expositionsklassen<br />

Für <strong>Schutzbauwerke</strong> sind in der Regel die Expositionsklassen XC, XF und XM nach<br />

ÖNORM B 4710-1 relevant. In den häufigsten Fällen ist <strong>für</strong> den Sperrenkörper die Klasse XC3<br />

(Wasserdruckhöhe 2 - 10 m), selten XC4 (Wasserdruckhöhe > 10 m) erforderlich. Für kleinere<br />

Bauwerke (z.B. Grundschwellen, Grobsteinschlichtungen in <strong>Beton</strong>) kann auch XC2 ausreichend<br />

sein. Als Kriterium <strong>für</strong> den Frost sollte bei häufig eingestauten Bauwerken <strong>von</strong> XF3 ausgegangen<br />

werden. In Bächen in denen während der Frostperiode keine Wasserführung bzw. kein Einstau<br />

des Bauwerkes zu erwarten ist, ist XF1 ausreichend. Ist ein Schutzbauwerk im direkten<br />

Einzugsbereich einer Straße errichtet ist zusätzlich die Relevanz der XD-Klassen und XF2 sowie<br />

XF4 zu untersuchen. Diese Klassen können <strong>für</strong> Ufermauern, die eine Straße stützen und<br />

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Publiziert in: Zement und <strong>Beton</strong> 3/2008<br />

Kombinationsbauwerke (z.B. Sperre – Straßenbrücke) relevant sein. Zur Sicherstellung eines<br />

ausreichenden Widerstandes des <strong>Beton</strong>s und einer ausreichenden Dauerhaftigkeit der Bewehrung<br />

sind die Anforderungen an die Mindestbetondeckung in ÖNORM B 1992-1-1 und die<br />

<strong>Beton</strong>zusammensetzungen und -eigenschaften nach ÖNORM B 4710-1 einzuhalten.<br />

4.2 Chemischer Angriff<br />

Die Anforderungen an einen chemischen Angriff (Expositionsklassen XA) durch Hang- und<br />

Bachwasser können nicht generalisiert werden. Im Einzelfall sind lösende (L) oder treibende (T)<br />

Angriffsarten oder beides möglich. Die Zusammensetzung des Bachwassers ist <strong>von</strong> den<br />

geologischen und biologischen Charakteristika des Einzugsgebietes abhängig. Gebirgs- und<br />

Quellwasser ist oft chemisch rein, kann jedoch kalkaggressive Kohlensäure enthalten. Moorwasser<br />

enthält oft kalkaggressive Kohlensäure, Schwefelwasserstoff und Sulfate sowie organische Säuren<br />

(z.B. Huminsäuren). Sulfathältige Oberflächenabflüsse treten in Gebieten mit gipsführenden<br />

geologischen Schichten auf. Huminsäuren sind in Gewässern aus bewaldeten Gebieten mit einem<br />

hohen Grundumsatz an Biomasse (Verrottung) enthalten. Weites gilt es zu beachten, dass<br />

chemische Angriffe auf Sperrenbauwerke den Hydroabrasivverschleiß verstärken<br />

(Komplexbeanspruchung).<br />

4.3 Hydroabrasivverschleiß<br />

Wildbachsperren sind ab einem fluviatilen Feststofftransport durch die im Wasser mitgeführten<br />

Feststoffe einem erhöhten Hydroabrasivverschleiß ausgesetzt. Dieser Verschleiß tritt an allen vom<br />

Bachwasser direkt angeströmten Sperrenteilen auf. Die Abtragsrate eines <strong>Beton</strong>s in einem solchen<br />

Bereich ist abhängig <strong>von</strong> der <strong>Beton</strong>druckfestigkeit, der Geschiebefracht, der Intensität der<br />

Geschiebeführung, der Kornzusammensetzung der Feststoffe und der Form des Bauwerkes. In<br />

der Regel ist <strong>für</strong> betroffene Oberflächen die Expositionsklasse XM3 maßgeblich. Da allerdings<br />

diese Beanspruchung auf wenige Flächen der Sperre beschränkt ist (z.B. Abflusssektion) wird die<br />

erforderliche <strong>Beton</strong>zusammensetzung nach 4.1 gewählt und die beanspruchten Flächen speziell<br />

konstruktiv geschützt. Die gebräuchlichsten Konstruktiven Maßnahmen sind Kronsteine und<br />

Panzerbleche. Dabei wird die überströmte Bauwerkskrone durch hochabriebfeste Kronensteine<br />

(Granit, Porphyr, Basalt, harte Kalksteine) oder durch Stahlblech mit Dicken zwischen 8 und<br />

20 mm geschützt (Abb. 4, A,B,C). Die Stahlbleche werden mit aufgeschweißten Kopfbolzen im<br />

<strong>Beton</strong>körper verankert.<br />

4.4 <strong>Beton</strong>deckung<br />

Die <strong>Beton</strong>deckung ist in Abhängigkeit der Expositionsklassen nach ÖNORM B 4710-1, festzulegen<br />

sollte aber in keinem Querschnitt weniger als 3,5 cm betragen. In der Praxis werden <strong>für</strong><br />

Sperrenbauwerke generell <strong>Beton</strong>deckungen über 5,5 cm verwendet. Dies ist nicht zuletzt durch die<br />

Vorgabe bei <strong>Beton</strong>einbau unter Wasser oder <strong>gegen</strong> nur grob maßhaltige Flächen wie z.B. Erdreich<br />

oder Fels <strong>von</strong> 7 cm ± 3 cm bedingt. Da im Fundamentbereich und im unteren aufgehenden<br />

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Publiziert in: Zement und <strong>Beton</strong> 3/2008<br />

Mauerwerk in den <strong>Beton</strong>ierfugen meist ein Fugenband einzubauen ist, wird die <strong>Beton</strong>deckung dort<br />

mit 10 cm festgelegt.<br />

4.5 Eingesetzte Konstruktionsbetone<br />

Der eingesetzte Konstruktionsbeton muss den Vorschriften der ÖNORM B 4710-1 entsprechen<br />

unter Berücksichtigung der Anmerkungen unter 4.1, 4.2 und 4.3. Da Wildbachsperren in der Regel<br />

aus wasserbeaufschlagten Bauteilen bestehen ist eine Mindestbetongüte <strong>von</strong> C 25/30 einzuhalten.<br />

Für massige Bauteile ab einer Bauteildicke <strong>von</strong> 1,5 m darf maximal ein <strong>Beton</strong> der Güte C 30/37<br />

verwendet werden. In Tab. 4.1 sind gebräuchliche <strong>Beton</strong>sorten und in Tab. 4.2 ein gebräuchliches<br />

<strong>Beton</strong>rezept auf Baustellen der WLV enthalten.<br />

Tab. 4.1: Eingesetzte <strong>Beton</strong>sorten auf Baustellen der WLV und Anwendungsbeispiele, Bezeichnungen nach<br />

ÖNORM B4710-1<br />

<strong>Beton</strong>sorte <strong>Einsatz</strong>beispiele abgedeckte<br />

Expositionsklassen<br />

C 16/20 XC1 <strong>für</strong> Grobsteinschlichtungen in <strong>Beton</strong> XC1<br />

C 20/25 XC2 <strong>für</strong> Grobsteinschlichtungen in <strong>Beton</strong> bei<br />

XC2<br />

Verwendung eines Rüttlers<br />

C 20/25 B1 <strong>für</strong> Grobsteinschlichtungen in bewehrtem <strong>Beton</strong> XC3<br />

C 25/30 B2 Sperren allgemein, Murbrecher, Ufermauern XC3/XD2/XF1/XA1L/SB (A)<br />

C 25/30 B4 Wasserretentionssperren (Stauhöhe>10 m) XC4/XD2/XF1/XA1L/SB (A)<br />

Tab. 4.2: Rezeptur <strong>für</strong> Ortbeton (C 25/30 B2); W/B Wert = 0,55<br />

Bestandteile Menge [kg/m³]<br />

Zuschlag: <strong>Beton</strong>kies 0/22 oder 0/32 1930<br />

Zement: CEM II B-S 42,5 N (R) 345<br />

Wasser (inkl. Wasser im Zuschlag) 190<br />

Fließmittel 1,1 <strong>für</strong> F45 und 2,12 <strong>für</strong> F59<br />

5 Bauausführung in der Praxis der WLV<br />

Schutzmaßnahmen in Wildbacheinzugsgebieten müssen abgestimmt auf die ablaufenden<br />

Prozesse im Bachlauf errichtet werden. Dies sieht vielfach die Errichtung <strong>von</strong> aufwändigen<br />

Bauwerken in schwer erreichbaren Lagen vor. Die Baustellenorganisation und –abwicklung hat<br />

individuell darauf Rücksicht zu nehmen. Langjährige Erfahrung zeichnet dabei die österreichweit<br />

tätigen Bautrupps der Wildbach- und Lawinenverbauung in diesem Spezialarbeitsgebiet aus.<br />

Nicht immer ist die LKW-Befahrbarkeit auf Forststrassen bis zur Baustelle gegeben. Reichen auch<br />

speziell angelegte Baustellenzufahrten nicht aus, erfolgt die Erschließung mittels Kurz- oder<br />

Langstreckenseilkränen vom Lagerplatz aus.<br />

Die Erschließung prägt wesentlich den <strong>Einsatz</strong> <strong>von</strong> Maschinen und Geräten <strong>für</strong> den Einbau <strong>von</strong><br />

<strong>Beton</strong>. Auf gut erschlossenen Baustellen wird bei größeren Bauwerken ausnahmslos mit<br />

Turmdrehkränen <strong>für</strong> das Einbringen der Bewehrung und das Aufstellen der Schalung gearbeitet.<br />

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Publiziert in: Zement und <strong>Beton</strong> 3/2008<br />

Ab <strong>Beton</strong>kubaturen <strong>von</strong> ca. 300 – 400 m³ wird der <strong>Beton</strong> aus Kostengründen vor Ort in<br />

Zwangsmischern hergestellt. In Tab. 4.2 ist ein häufig verwendetets <strong>Beton</strong>rezept angegeben. Bei<br />

großen <strong>Beton</strong>ierabschnitten wie z.B. im Fundamentbereich wird zusätzlich Transportbeton<br />

verarbeitet. Seit dem letzten Jahrzehnt werden zur Einbringung des vor Ort gemischten <strong>Beton</strong>s<br />

fast ausschließlich <strong>Beton</strong>pumpen verwendet. Die Einbringung mit <strong>Beton</strong>kübeln durch Kräne<br />

(Turmdrehkran oder Seilkran) war aufgrund der langen Rotationszeiten zu kostenintensiv.<br />

Bei schlecht erschlossenen Baustellen erfolgt die Materialzulieferung mittels Seilkränen. Geschalt<br />

wird dann mit herkömmlichen Schaltafeln, die aufgrund der leichteren Manipulierbarkeit den<br />

Vorzug <strong>gegen</strong>über Schalsystemen bekommen. Die Einbringung des <strong>Beton</strong>s erfolgt heute nahezu<br />

ausschließlich über Pumpleitungen. Diese führen gesichert vom Lagerplatz durch unwegiges<br />

Gelände zum Einbauort. Nur bei geringen <strong>Beton</strong>mengen erfolgt in einzelnen Fällen, speziell bei<br />

Sanierungen <strong>von</strong> älteren <strong>Schutzbauwerke</strong>n, der Einbau mittels <strong>Beton</strong>kübel und Hubschrauber.<br />

Dabei können je nach Länge der Seilbahn und des verwendeten <strong>Beton</strong>kübels (0,5 m³ oder<br />

0,75 m³) <strong>Beton</strong>mengen <strong>von</strong> 2 bis 4 m³ pro Stunde gefördert werden.<br />

Abb. 10: Unterschiedlicher Geräteeinsatz und hohe Flexibilität bei der Arbeitsorganisation auf Baustellen der<br />

Wildbach- und Lawinenverbauung:, (A) Mandlingbach; (B) Angerbach; (C) Bramberger Mühlbach; (D)<br />

Schwarzaubach<br />

Da <strong>Schutzbauwerke</strong> in der Regel aus massigen <strong>Beton</strong>bauteilen bestehen, die im Betriebszustand<br />

Extremeinwirkungen ausgesetzt sind, ist die Nachbehandlung des Frischbetons besonders wichtig.<br />

Sie ist nicht nur <strong>für</strong> die Tragfähigkeit, sondern insbesondere <strong>für</strong> die Gebrauchstauglichkeit und die<br />

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Publiziert in: Zement und <strong>Beton</strong> 3/2008<br />

Dauerhaftigkeit wichtig. Die Nachbehandlung muss solange erfolgen, bis die <strong>Beton</strong>druckfestigkeit<br />

des oberflächennahen <strong>Beton</strong>s 50 % des charakteristischen Wertes der verwendeten<br />

Festigkeitsklasse erreicht hat. Vor allem dem Schutz vor Wasserverlust kommt große Bedeutung<br />

zu, es muß der junge <strong>Beton</strong> mit Wasser besprengt oder mittels dampfdichten Folien abgedeckt<br />

werden. Wird die Nachbehandlung nur unzureichend durchgeführt, entstehen Risse infolge <strong>von</strong><br />

Frühschwinden und Verformungen bei einseitigem Wasserverlust oder Temperaturdifferenzen.<br />

6 Zusammenfassung<br />

Die Form <strong>von</strong> Wildbachsperren hängt wesentlich vom notwendigen Funktionstyp ab. <strong>Beton</strong> hat<br />

sich aufgrund der hohen Widerstandsfähigkeit <strong>gegen</strong> die Beanspruchung durch Wildbachprozesse<br />

als optimaler Baustoff bewährt. Bei der Berücksichtigung der derzeitigen normativen Vorgaben und<br />

zusätzlicher konstruktiver Maßnahmen zur Erhöhung der Dauerhaftigkeit und einer<br />

entsprechenden Bauwerksüberwachung und Erhaltung [16] kann aus heutiger Sicht bei<br />

<strong>Schutzbauwerke</strong>n aus <strong>Beton</strong> <strong>von</strong> einer Lebensdauer <strong>von</strong> 100 Jahren und mehr ausgegangen<br />

werden.<br />

7 Literatur<br />

[1] Bergmeister, K.; Suda, J.; Hübl, J.; Rudolf-Miklau, F. (2008): <strong>Schutzbauwerke</strong> <strong>gegen</strong> <strong>Wildbachgefahren</strong>, In:<br />

Bergmeister, K.; Wörner J.-D. (Hrsg): <strong>Beton</strong>kalender 2008. Berlin: Ernst und Sohn<br />

[2] Czerny, F. (1971): Wildbachsperren aus <strong>Beton</strong> und Stahlbeton – eine Studie über deren Belastung, Konstruktion,<br />

Berechnung und Bemessung. Wien: VÖZ<br />

[3] Czerny, F. (1998): Wildbachsperren aus <strong>Beton</strong> und Stahlbeton, Sonderheft Zement <strong>Beton</strong>. Wien: VÖZ<br />

[4] Eckerstorfer, T. (1998): Bautype eines kombinierten Dosier- und Sortierwerkes. In: Wildbach- und<br />

Lawinenverbau, Nr. 136, 127-131<br />

[5] Eidgenössisches Amt <strong>für</strong> Straßen und Flussbau (1973): Dimensionierung <strong>von</strong> Wildbachsperren aus <strong>Beton</strong> und<br />

Stahlbeton. Bern: Eigenverlag<br />

[6] Fischer, T. (1998): Bautypen des Hochwasserrückhaltes. Wildbach- und Lawinenverbau, Heft 136, 35-42<br />

[7] Gotthalmseder, P. (1998): Bautypen der Geschiebebewirtschaftung. In: Wildbach- und Lawinenverbau, 62. Jg,<br />

Nr. 136, 81-102<br />

[8] Hübl, J., Holzinger, G., Wehrmann, H. (2003): Entwicklung <strong>von</strong> Grundlagen zur Dimensionierung kronenoffener<br />

Bauwerke <strong>für</strong> die Geschiebebewirtschaftung in Wildbächen: Klassifikation <strong>von</strong> Wildbachsperren, WLS Report 50<br />

Band 2. Im Auftrag des BMLFUW VC 7a (unveröffentlicht). Wien: Institut <strong>für</strong> Alpine Naturgefahren, Universität <strong>für</strong><br />

Bodenkultur<br />

[9] Hübl, J., Holzinger, G, (2003): Kleinmaßstäbliche Modellversuche zur Wirkung <strong>von</strong> Murbrechern, WLS Report 50 /<br />

Band 3, Universität <strong>für</strong> Bodenkultur Wien (unveröffentlicht)<br />

[10] Jenni, M; Reiterer, A. (2002): Bewirtschaftung <strong>von</strong> Murbächen durch Absturzbauwerke. In: Wildbach- und<br />

Lawinenverbau, Nr. 148, 11-19<br />

[11] Kettl, W. (1984): Vom Verbauungsziel zur Bautypenentwicklung. Wildbach- und Lawinenverbau, 48. Jg,<br />

Sonderheft, 61-98<br />

[12] Lichtenhahn, C. (1973): Die Berechnung <strong>von</strong> Sperren in <strong>Beton</strong> und Eisenbeton, Kolloquium über<br />

Wildbachsperren, Mitteilungen der Forstlichen Bundesversuchsanstalt Wien, Heft 102. 91-127<br />

[13] ON – institut (Hrsg.) (2008): ENTWURF ONR 24800 – <strong>Schutzbauwerke</strong> der Wildbachverbauung –<br />

Begriffsbestimmungen und Klassifizierungen, voraussichtlicher Erscheinungstermin: Ende 2008<br />

[14] ON – institut (Hrsg.) (2008): VORSCHLAG ONR 24801 – <strong>Schutzbauwerke</strong> der Wildbachverbauung – Statische<br />

und dynamische Einwirkungen, voraussichtlicher Erscheinungstermin: Ende 2008<br />

[15] ON – institut (Hrsg.) (2008): ENTWURF ONR 24802 – <strong>Schutzbauwerke</strong> der Wildbachverbauung – Bemessung<br />

und Konstruktive Durchbildung, voraussichtlicher Erscheinungstermin: Ende 2008<br />

[16] ON – institut (Hrsg.) (2008): ONR 24803 – <strong>Schutzbauwerke</strong> der Wildbachverbauung – Betrieb, Überwachung und<br />

Instandhaltung, Ausgabe: 2008-02-01<br />

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Publiziert in: Zement und <strong>Beton</strong> 3/2008<br />

Autoren:<br />

DDI Jürgen Suda<br />

Universität <strong>für</strong> Bodenkultur Wien<br />

Department <strong>für</strong> Bautechnik und Naturgefahren<br />

Institut <strong>für</strong> Konstruktiven Ingenieurbau<br />

Peter Jordan Straße 82<br />

A-1190 Wien<br />

Tel: (+43 1) 47654 - 5256<br />

Fax: (+43 1) 47654 - 5299<br />

mail: juergen.suda@boku.ac.at<br />

Homepage: http://www.baunat.boku.ac.at/486.html<br />

DI Christoph Skolaut<br />

Forsttechnischer Dienst <strong>für</strong> Wildbach und Lawinenverbauung,<br />

Sektion Salzburg<br />

Bergheimerstraße 57<br />

Salzburg<br />

Tel.: (+43 1) 662-878153<br />

Fax: (+43 1) 662-870215<br />

mail: christoph.skolaut@die-wildbach.at<br />

O.Univ.Prof. DI Dr.techn. Dr.phil. Konrad Bergmeister<br />

Universität <strong>für</strong> Bodenkultur Wien<br />

Department <strong>für</strong> Bautechnik und Naturgefahren<br />

Institut <strong>für</strong> Konstruktiven Ingenieurbau<br />

Peter Jordan Straße 82<br />

A-1190 Wien<br />

Tel: (+43 1) 47654 - 5250<br />

Fax: (+43 1) 47654 - 5299<br />

mail: konrad.bergmeister@boku.ac.at<br />

Homepage: http://www.baunat.boku.ac.at/486.html<br />

DI Dr. Florian Rudolf-Miklau<br />

Bundesministerium <strong>für</strong> Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft,<br />

Abteilung IV/5, Wildbach- und Lawinenverbauung<br />

1030 Wien, Marxergasse 2<br />

Tel.: (+43 1) 71 100 - 7333<br />

Fax: (+43 1) 71 100- 7399<br />

mail: florian.rudolf-miklau@lebensministerium.at<br />

Homepage : http://www.lebensministerium.at<br />

a.o. Univ. Prof. DI Dr. Johannes Hübl<br />

Universität <strong>für</strong> Bodenkultur Wien<br />

Department <strong>für</strong> Bautechnik und Naturgefahren<br />

Institut <strong>für</strong> alpine Naturgefahren<br />

Peter Jordan Straße 82<br />

A-1190 Wien<br />

Tel: (+43 1) 47654 - 4352<br />

Fax: (+43 1) 47654 - 5290<br />

mail: johannes.huebl@boku.ac.at<br />

Homepage: http://www.alpine-naturgefahren.at<br />

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