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Arbeitsmethoden in der Organischen Chemie - Integriertes ...

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Hünig • Kreitmeier • Märkl • Sauer<br />

ARBEITSMETHODEN IN DER<br />

ORGANISCHEN CHEMIE<br />

(mit E<strong>in</strong>führungspraktikum)<br />

<strong>Arbeitsmethoden</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Organischen</strong> <strong>Chemie</strong> (mit E<strong>in</strong>führungspraktikum)<br />

im Internet: http://www.ioc-praktikum.de<br />

Als gedruckte Ausgabe: <strong>Arbeitsmethoden</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Organischen</strong> <strong>Chemie</strong>,<br />

(Wire-O-B<strong>in</strong>dung), Verlag Lehmanns, Berl<strong>in</strong> 2006


Prof. Dr. Siegfried Hünig<br />

Dr. Peter Kreitmeier<br />

Institut für Organische <strong>Chemie</strong><br />

Prof. Dr. Gottfried Märkl<br />

<strong>der</strong> Universität Würzburg<br />

Prof. Dr. Jürgen Sauer<br />

Am Hubland<br />

Institut für Organische <strong>Chemie</strong><br />

D-97074 Würzburg <strong>der</strong> Universität Regensburg<br />

Universitätsstr. 31<br />

D-93053 Regensburg<br />

Anschrift des Korrespondenzautors:<br />

Dr. Peter Kreitmeier<br />

Institut für Organische <strong>Chemie</strong><br />

Universität Regensburg<br />

Universitätsstraße 31<br />

D-93053 Regensburg<br />

Tel.: +49 941 943 4648<br />

Fax: +49 941 943 4121<br />

E-mail: peter.kreitmeier@chemie.uni-regensburg.de<br />

Das vorliegende Werk wurde sorgfältig erarbeitet. Dennoch übernehmen die Autoren<br />

und <strong>der</strong> Verlag für die Richtigkeit von Angaben, H<strong>in</strong>weisen und Ratschlägen sowie<br />

für eventuelle Druckfehler ke<strong>in</strong>e Haftung.<br />

Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Vervielfältigung, Mikroverfilmung, Übertragung <strong>in</strong><br />

masch<strong>in</strong>enlesbare Form o<strong>der</strong> Übersetzung für kommerzielle Zwecke bedarf e<strong>in</strong>er schriftlichen<br />

Genehmigung <strong>der</strong> Autoren.<br />

Die Wie<strong>der</strong>gabe von Warenbezeichnungen, Handelsnamen o<strong>der</strong> sonstigen Kennzeichen <strong>in</strong><br />

diesem Buch berechtigt nicht zu <strong>der</strong> Annahme, dass diese von je<strong>der</strong>mann frei benutzt werden<br />

dürfen. Vielmehr kann es sich auch dann um e<strong>in</strong>getragene Warenzeichen o<strong>der</strong> sonstige gesetzlich<br />

geschützte Kennzeichen handeln, wenn sie als solche nicht eigens gekennzeichnet<br />

s<strong>in</strong>d.<br />

ISBN 3-86541-148-7


Vorwort und E<strong>in</strong>führung<br />

Arbeitssicherheit, Schutz <strong>der</strong> Menschen und <strong>der</strong> Umwelt vor Schäden und Gefahren, die von<br />

<strong>der</strong> <strong>Chemie</strong> verursacht werden können, s<strong>in</strong>d große Herausfor<strong>der</strong>ungen für die Chemiker.<br />

Zahlreiche Gesetze, Verordnungen und Vorschriften sollen dazu beitragen, die Sicherheit<br />

beim Umgang mit Chemikalien weiter zu erhöhen und Vorbehalte abzubauen. Es ist Aufgabe<br />

<strong>der</strong> Lehre, die Studierenden mit diesem Regelwerk frühzeitig vertraut zu machen.<br />

Solide, gründliche und zuverlässige Kenntnisse <strong>der</strong> experimentellen Arbeitstechniken bei präparativen<br />

chemischen Aufgabenstellungen s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>e unabd<strong>in</strong>gbare Voraussetzung für Sicherheit<br />

und unfallfreies erfolgreiches Arbeiten im Labor.<br />

Im ersten organisch-chemischen Praktikum (im Normalfall im 4. Semester) arbeiten die<br />

Studierenden erstmals mit Glasgeräten für die organische Synthese. Die Anfänger wissen<br />

meist nicht, welche Geräte zur Verfügung stehen und wann sie e<strong>in</strong>zusetzen s<strong>in</strong>d, was sie beim<br />

Aufbau funktionstüchtiger Apparaturen z. B. zur Synthese, zur Destillation, zur Umkristallisation<br />

usw. beachten müssen.<br />

In den hier vorliegenden <strong>Arbeitsmethoden</strong> werden die Geräte und Apparaturen nicht nur – wie<br />

das meist <strong>der</strong> Fall ist – mehr o<strong>der</strong> weniger gut abgebildet.<br />

Sofern erfor<strong>der</strong>lich und möglich, werden zunächst theoretische Grundlagen behandelt. Entsprechend<br />

werden die Apparaturen begründet und ihr Aufbau wird ebenso im Detail beschrieben<br />

wie ihre Inbetriebnahme. Für speziell entwickelte Geräte und Apparaturen, die nicht im<br />

Handel erhältlich s<strong>in</strong>d, werden <strong>in</strong> den „<strong>Arbeitsmethoden</strong> im Internet“ Konstruktionszeichnungen<br />

zur Verfügung gestellt.<br />

Der Anfänger lernt zunächst das Arbeiten mit Standardgeräten für Versuchsansätze <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

normalen Größenordnung (Flüssigkeitsvolum<strong>in</strong>a > 10 ml, kristall<strong>in</strong>e Produkte > 100 mg).<br />

Apparaturen für Arbeiten im Halbmikromaßstab (Flüssigkeitsvolum<strong>in</strong>a 5–10 ml, kristall<strong>in</strong>e<br />

Produkte 50–100 mg) und im Mikromaßstab (Flüssigkeitsvolum<strong>in</strong>a < 5 ml, kristall<strong>in</strong>e Produkte<br />

< 50 mg) schließen sich an.<br />

Folgende Kapitel werden behandelt:<br />

1 Sicherheit im Labor – Allgeme<strong>in</strong>e H<strong>in</strong>weise zum chemischen Arbeiten<br />

2 Glasgeräte und Reaktionsapparaturen<br />

3 Klassische Methoden zur Charakterisierung organischer Verb<strong>in</strong>dungen<br />

4 Destillation<br />

5 Filtration<br />

6 Umkristallisation<br />

7 Sublimation<br />

I


8 Extraktion<br />

9 Chromatographie<br />

10 Gase – Arbeiten unter Schutzgas<br />

11 Trocknen von Feststoffen, Lösungen und Lösungsmitteln<br />

12 Chemische Analytik organischer Verb<strong>in</strong>dungen<br />

13 Molekülspektroskopie<br />

14 Dokumentation – Literatur – Literaturrecherche<br />

In den <strong>Arbeitsmethoden</strong> haben jahrzehntelange praktische Erfahrungen <strong>der</strong> Autoren E<strong>in</strong>gang<br />

gefunden.<br />

Die aufgeführten Methoden und Verfahren gehen zum Teil weit über die Bedürfnisse des<br />

ersten organisch-chemischen Praktikums h<strong>in</strong>aus. Die Intention ist, dass sie als ‚Vademecum‘<br />

generell für alle – auch spätere synthetisch organisch-chemischen Aufgabenstellungen – zu<br />

Rate gezogen werden können.<br />

Um lange Beschreibungen <strong>der</strong> Apparaturen und ihres Aufbaus zu vermeiden, wurden von den<br />

Autoren bereits 1979 Apparatesymbole e<strong>in</strong>geführt, die für sich sprechen und die auch von den<br />

Studierenden relativ leicht skizziert werden können, z. B.:<br />

• E<strong>in</strong>fache 3-Halskolben-Reaktionsapparatur mit KPG-Rührer, Tropftrichter mit Druckausgleich<br />

und Rückflusskühler mit Trockenrohr:<br />

• 3-Halskolben-Reaktionsapparatur mit KPG-Rührer, Innenthermometer und Anschützaufsatz<br />

mit Rückflusskühler, Trockenrohr und Tropftrichter mit Druckausgleich:<br />

II


• E<strong>in</strong>fache Destillationsapparatur mit Vigreux-Kolonne, absteigendem (Liebig-) Kühler<br />

und ‚Sp<strong>in</strong>ne‘ zum Auffangen von Fraktionen mit unterschiedlichen Siedepunkten:<br />

• Apparatur zur azeotropen Abtrennung von Reaktionswasser (z. B. bei Acetalisierungen<br />

und <strong>der</strong> Darstellung von Enam<strong>in</strong>en) mit NS29 Rundkolben, graduiertem Wasserabschei<strong>der</strong>,<br />

Rückflusskühler und Heizbad mit Magnetrührer:<br />

Die Apparatesymbole stehen auch im Internet zum Download zur Verfügung.<br />

Neben den Techniken für das Arbeiten im Labor führen die <strong>Arbeitsmethoden</strong> auch <strong>in</strong> die<br />

Grundlagen <strong>der</strong> chemischen und spektroskopischen Analytik (UV/Vis, IR, 1 H-NMR, 13 C-<br />

NMR, MS) e<strong>in</strong>. Die dramatisch zunehmende Fülle wissenschaftlicher Literatur veranlasste die<br />

Autoren, das Kapitel Dokumentation, Literatur und Literaturrecherche auf klassischem und<br />

elektronischem Wege <strong>in</strong> die <strong>Arbeitsmethoden</strong> mit aufzunehmen.<br />

E<strong>in</strong>führungspraktikum<br />

Zum E<strong>in</strong>üben <strong>der</strong> <strong>Arbeitsmethoden</strong> wird e<strong>in</strong> 1–2-wöchiges E<strong>in</strong>führungspraktikum vorgeschlagen.<br />

Hier sollen die Studierenden die wichtigsten Methoden vor dem Ernstfall (Praktikum)<br />

kennen lernen. Das E<strong>in</strong>führungspraktikum mit zahlreichen Versuchen, Aufgaben und<br />

Übungen ist nur über das Internet zugänglich. Der Praktikumsleiter kann hieraus e<strong>in</strong> <strong>in</strong>dividuelles<br />

E<strong>in</strong>führungspraktikum mit spezifischen Schwerpunkten zusammenstellen.<br />

III


Die Autoren hoffen und wünschen, dass Ihnen die <strong>Arbeitsmethoden</strong> auch nach dem Grundpraktikum<br />

bei allen experimentellen Aufgabenstellungen e<strong>in</strong>e gute und zuverlässige Hilfe<br />

s<strong>in</strong>d.<br />

Regensburg, Würzburg im März 2006<br />

Siegfried Hünig<br />

Peter Kreitmeier<br />

Gottfried Märkl<br />

Jürgen Sauer<br />

IV


Inhaltsverzeichnis<br />

1 Sicherheit im Labor – Allgeme<strong>in</strong>e H<strong>in</strong>weise zum chemischen<br />

Arbeiten....................................................................................................................... 1<br />

1.1 Gesetzliche Grundlagen ............................................................................................... 2<br />

1.1.1 Regelwerk (Gesetzte, Verordnungen und Vorschriften) .................................... 2<br />

1.1.2 Arbeitsplatzgrenzwert (AGW) ........................................................................... 5<br />

1.1.3 Biologischer Grenzwert (BGW)......................................................................... 6<br />

1.1.4 Wassergefährdungsklasse (WGK)...................................................................... 6<br />

1.2 Allgeme<strong>in</strong>e Regeln für das Arbeiten im Labor.......................................................... 7<br />

1.2.1 Zugang zu den e<strong>in</strong>schlägigen Informationen ..................................................... 7<br />

1.2.2 Allgeme<strong>in</strong>e Sicherheitse<strong>in</strong>richtungen................................................................. 7<br />

1.2.3 Persönliche Schutzausrüstung und Hygiene....................................................... 8<br />

1.2.4 Weitere allgeme<strong>in</strong>e Vorsichtmaßnahmen im Labor......................................... 10<br />

1.2.5 Entsorgung von Chemikalien ........................................................................... 11<br />

1.3 Gefahren durch reaktive Chemikalien..................................................................... 12<br />

1.3.1 Kenndaten......................................................................................................... 12<br />

1.3.2 Hochentzündliche, leichtentzündliche und entzündliche Substanzen .............. 13<br />

1.3.3 Explosionsgefährliche Substanzen ................................................................... 14<br />

1.3.4 Brandför<strong>der</strong>nde Substanzen.............................................................................. 15<br />

1.3.5 Weitere Gefahren durch die Reaktivität von Chemikalien ohne<br />

eigene Gefahrensymbole .................................................................................. 16<br />

1.4 Gefahren durch giftige (toxische) Chemikalien....................................................... 17<br />

1.4.1 Akut toxische Substanzen................................................................................. 17<br />

1.4.2 Ätzende und reizende Substanzen .................................................................... 19<br />

1.4.3 Krebserzeugende, erbgutverän<strong>der</strong>nde und reproduktionstoxische Stoffe ........ 20<br />

1.4.4 Sensibilisierende Stoffe .................................................................................... 22<br />

1.5 Gefahren für die Umwelt ........................................................................................... 22<br />

1.6 Weitere typische Gefahren im Labor ....................................................................... 23<br />

1.6.1 Schnittverletzungen .......................................................................................... 23<br />

1.6.2 Verbrennungen und Verbrühungen .................................................................. 24<br />

1.7 Verhalten bei Laborunfällen ..................................................................................... 24<br />

1.7.1 Laborbrände...................................................................................................... 24<br />

1.7.2 Erste Hilfe bei Verletzungen ............................................................................ 25<br />

1.7.3 Verschüttete Chemikalien ................................................................................ 28<br />

1.8 Entsorgung von Chemikalien – Recycl<strong>in</strong>g ............................................................... 29<br />

Literaturverzeichnis ................................................................................................... 33<br />

V


2 Glasgeräte und Reaktionsapparaturen..........................................................35<br />

2.1 Schliff- und Schraubverb<strong>in</strong>dungen ...........................................................................36<br />

2.1.1 Kegelschliffe (Normschliff)..............................................................................36<br />

2.1.2 Kugelschliffe.....................................................................................................37<br />

2.1.3 Planschliffverb<strong>in</strong>dungen (Flanschverb<strong>in</strong>dungen) .............................................37<br />

2.1.4 Behandlung von Schliffverb<strong>in</strong>dungen ..............................................................37<br />

2.1.5 Spezielle Schliffe ..............................................................................................39<br />

2.1.6 Rohr- und Schlauchverb<strong>in</strong>dungen.....................................................................39<br />

2.1.7 Hähne ................................................................................................................41<br />

2.2 Bauteile für Schliffapparaturen.................................................................................42<br />

2.2.1 Reaktionsgefäße................................................................................................42<br />

2.2.2 Kühler................................................................................................................42<br />

2.2.3. Tropftrichter......................................................................................................44<br />

2.2.4 Aufsätze und Übergangsstücke.........................................................................45<br />

2.2.5 Trockenrohre und Blasenzähler ........................................................................45<br />

2.2.6 Rühren...............................................................................................................46<br />

2.2.7 Heizen und Kühlen............................................................................................48<br />

2.2.8 Temperaturmessung..........................................................................................50<br />

2.3 Standard-Reaktionsapparaturen...............................................................................52<br />

2.3.1 Erhitzen unter Rückfluss...................................................................................52<br />

2.3.2 Varianten <strong>der</strong> e<strong>in</strong>fachen Standardreaktionsapparatur .......................................53<br />

2.3.3 Mehrhalskolben-Apparaturen ...........................................................................54<br />

2.3.4 Varianten <strong>der</strong> Dreihalskolben-Apparatur – portionsweise Zugabe e<strong>in</strong>es<br />

Feststoffs während <strong>der</strong> Reaktion.......................................................................55<br />

2.4 Standard-Destillationsapparaturen...........................................................................57<br />

3 Klassische Methoden zur Charakterisierung organischer<br />

Verb<strong>in</strong>dungen..........................................................................................................61<br />

3.1 Der Schmelzpunkt.......................................................................................................62<br />

3.1.1 Physikalische Grundlagen.................................................................................62<br />

3.1.2 Eutektische Gemische.......................................................................................63<br />

3.1.3 Bestimmung des Schmelzpunkts ......................................................................65<br />

3.1.4 Bestimmungen von Mischschmelzpunkten ......................................................69<br />

3.2 Der Siedepunkt............................................................................................................70<br />

3.2.1 Bestimmung des Siedepunkts ...........................................................................70<br />

3.3 Der Brechungs<strong>in</strong>dex, Refraktometrie .......................................................................72<br />

3.3.1 Physikalische Grundlagen.................................................................................72<br />

3.3.2 Pr<strong>in</strong>zip des Abbé-Refraktometers......................................................................72<br />

3.4 Der spezifische Drehwert [α], Polarimetrie..............................................................74<br />

3.4.1 Physikalische Grundlagen.................................................................................74<br />

3.4.2 Messpr<strong>in</strong>zip.......................................................................................................75<br />

VI


4 Destillation ............................................................................................... 77<br />

4.1 Physikalische Grundlagen ......................................................................................... 78<br />

4.1.1 Druckabhängigkeit des Siedepunkts................................................................. 78<br />

4.1.2 Ideale Mischungen............................................................................................ 81<br />

4.1.3 Nicht ideale Mischungen.................................................................................. 83<br />

4.2 E<strong>in</strong>stufendestillation................................................................................................... 84<br />

4.2.1 Aufbau und Inbetriebnahme e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>fachen Destillationsapparatur ............... 85<br />

4.2.2 Fraktionierende E<strong>in</strong>stufendestillation............................................................... 88<br />

4.2.3 Anwendungsbereiche <strong>der</strong> E<strong>in</strong>stufendestillation ............................................... 90<br />

4.2.4 E<strong>in</strong>stufen-Destillation bei verm<strong>in</strong><strong>der</strong>tem Druck .............................................. 91<br />

4.2.6 Anwendungsbereiche <strong>der</strong> E<strong>in</strong>stufendestillation bei verm<strong>in</strong><strong>der</strong>tem Druck....... 94<br />

4.2.7 Destillation unbekannter Produktgemische...................................................... 94<br />

4.2.8 Spezielle Apparaturen zu E<strong>in</strong>stufendestillation................................................ 94<br />

4.2.9 Destillation von Festsubstanzen ....................................................................... 96<br />

4.3 Mehrstufendestillation (Rektifikation)..................................................................... 98<br />

4.3.1 Apparaturen für Mehrstufen-Destillationen ..................................................... 99<br />

4.3.2 Destillations- Kolonnenkopf .......................................................................... 100<br />

4.3.3 Destilllationskolonnen – physikalische und theoretische Grundlagen –<br />

theoretische Bödenzahl – theoretische Trennstufen – Trennstufenhöhe........ 102<br />

4.4 Destillation azeotroper Mischungen ....................................................................... 106<br />

4.4.1 Siedeverhalten mischbarer Flüssigkeiten mit Azeotrop ................................. 106<br />

4.4.2 Siedeverhalten nicht mischbarer Flüssigkeiten mit Azeotrop ........................ 107<br />

4.4.2.1 Kont<strong>in</strong>uierliche Entfernung von Reaktionswasser aus e<strong>in</strong>em<br />

Reaktionsgemisch durch azeotrope Destillation. ........................................... 108<br />

4.4.2.2 Wasserdampfdestillation ................................................................................ 110<br />

4.5 Halbmikro- und Mikrodestillationsapparaturen .................................................. 112<br />

4.5.1 Variable Halbmikro-Destillationsapparatur (5–80 ml) .................................. 112<br />

4.5.2 Kugelrohrdestillation (0.5–10 ml) .................................................................. 113<br />

4.5.3 Kurzwegdestillation und Mikrodestillation über e<strong>in</strong>en Bogen (Krümmer) ... 114<br />

4.5.4 Mikrodestillation <strong>in</strong> Glasrohren ..................................................................... 115<br />

4.5.5 Destillationsaufsatz zur Destillation großer Flüssigkeitsmengen................... 115<br />

4.5.6 R<strong>in</strong>gspaltkolonnen.......................................................................................... 116<br />

4.6 Vakuumpumpen – Vakuummessgeräte ................................................................. 116<br />

4.6.1 Druck – Def<strong>in</strong>ition und E<strong>in</strong>heiten .................................................................. 116<br />

4.6.2 Wasserstrahlpumpen....................................................................................... 118<br />

4.6.3 Membranpumpen............................................................................................ 119<br />

4.6.4 Drehschieberpumpen (Ölpumpen) ................................................................. 120<br />

4.6.5 Vakuumpumpen für das Hochvakuum........................................................... 123<br />

4.6.7 Druckmessung ................................................................................................ 124<br />

Literaturverzeichnis ................................................................................................. 128<br />

VII


5 Filtration .................................................................................................................129<br />

5.1 E<strong>in</strong>fache Filtration ....................................................................................................131<br />

5.2 Filtration unter verm<strong>in</strong><strong>der</strong>tem Druck.....................................................................132<br />

5.3 Filtration mit Überdruck..........................................................................................135<br />

5.4 Filtrierhilfsmittel.......................................................................................................136<br />

5.5 Filtration durch Zentrifugieren...............................................................................137<br />

6 Umkristallisation..................................................................................................139<br />

6.1 Allgeme<strong>in</strong>es Pr<strong>in</strong>zip <strong>der</strong> Umkristallisation.............................................................140<br />

6.2 Umkristallisation im Makromaßstab......................................................................141<br />

6.3 Umkristallisation im Halbmikromaßstab...............................................................147<br />

6.4 Umkristallisation im Mikromaßstab.......................................................................148<br />

6.5 Umkristallisation unbekannter Verb<strong>in</strong>dungen ......................................................149<br />

7 Sublimation ............................................................................................................157<br />

7.1 Physikalische Grundlagen........................................................................................158<br />

7.2 Sublimation als Re<strong>in</strong>igungsmethode .......................................................................160<br />

7.3 Apparaturen zur Sublimation .................................................................................161<br />

7.4 Gefriertrocknung ......................................................................................................164<br />

8 Extraktion...............................................................................................................167<br />

8.1 Physikalische Grundlagen........................................................................................168<br />

8.2 Flüssig-flüssig-Extraktion ........................................................................................169<br />

8.3 Fest-flüssig-Extraktion .............................................................................................175<br />

9 Chromatographie.................................................................................................177<br />

9.1 Physikalische Grundlagen <strong>der</strong> Flüssigkeitschromatographie ..............................179<br />

9.2 Dünnschichtchromatographie (DC) ........................................................................183<br />

VIII<br />

9.2.1 Durchführung <strong>der</strong> Dünnschichtchromatographie............................................183<br />

9.2.2 Identifizierung <strong>der</strong> Substanzflecken................................................................185<br />

9.2.3 Auswertung und Dokumentation ....................................................................187<br />

9.2.4 Kontrolle von Reaktionsabläufen....................................................................189


9.3 Säulenchromatographie (SC) .................................................................................. 190<br />

9.3.1 Grundlagen <strong>der</strong> Säulenchromatographie ........................................................ 191<br />

9.3.2 Ermittlung <strong>der</strong> Trennbed<strong>in</strong>gungen mit Hilfe <strong>der</strong> DC ..................................... 197<br />

9.3.3 Praxis <strong>der</strong> Säulenchromatographie ................................................................. 198<br />

9.3.4 Rückgew<strong>in</strong>nung des Laufmittels .................................................................... 202<br />

9.3.5 Störungen und Fehler ..................................................................................... 203<br />

9.3.6 Flash-Chromatographie (Blitz-Chromatographie) ......................................... 204<br />

9.3.7 Hochdruckflüssigkeitschromatographie (HPLC) ........................................... 205<br />

9.4 Gaschromatographie (GC) ...................................................................................... 208<br />

9.4.1 E<strong>in</strong>führung...................................................................................................... 208<br />

9.4.2 Die Trennsäulen.............................................................................................. 209<br />

9.4.3 Physikalische Aspekte <strong>der</strong> Liquid Gas Chromatography (LGC) ................... 210<br />

9.4.4 Aufbau e<strong>in</strong>es Gaschromatographen................................................................ 211<br />

9.4.5 Arbeitsweise des Gaschromatographen.......................................................... 212<br />

Literaturverzeichnis ................................................................................................. 215<br />

10 Gase – Arbeiten unter Schutzgas................................................................... 217<br />

10.1 Funktion von Gasen – Physikalische Daten ........................................................... 218<br />

10.2 Arbeiten mit Gasen................................................................................................... 221<br />

10.2.1 Druckgasflaschen............................................................................................ 221<br />

10.2.2 Reduzierventile (Druckm<strong>in</strong><strong>der</strong>ventile)........................................................... 222<br />

10.2.3 Nadelventile (Regulierventile) ....................................................................... 224<br />

10.2.4 E<strong>in</strong>leiten von Gasen <strong>in</strong> Apparaturen............................................................... 225<br />

10.3 Arbeiten unter Schutzgas......................................................................................... 227<br />

10.3.1 Re<strong>in</strong>igung von Schutzgasen ........................................................................... 228<br />

10.3.2 Verteilerrechen ............................................................................................... 231<br />

10.3.3 Überdruckventile ............................................................................................ 232<br />

10.3.4 Reaktionsapparaturen unter Schutzgas........................................................... 233<br />

10.3.5 Entgasen von Flüssigkeiten ............................................................................ 235<br />

10.3.6 Umfüllen von luft- und feuchtigkeitsempf<strong>in</strong>dlichen Flüssigkeiten................ 235<br />

10.3.7 Umfüllen von luft- und feuchtigkeitsempf<strong>in</strong>dlichen Feststoffen ................... 237<br />

10.3.8 Spezielle Geräte für Arbeiten unter Schutzgas............................................... 237<br />

11 Trocknen von Feststoffen, Lösungen und Lösungsmitteln................... 239<br />

11.1 Trockenmittel............................................................................................................ 240<br />

11.2 Trocknen von Feststoffen......................................................................................... 245<br />

11.3 Trocknen von Lösungen........................................................................................... 246<br />

11.4 Re<strong>in</strong>igung und Trocknen von Lösungsmitteln....................................................... 247<br />

11.4.1 Trocknen mit Alum<strong>in</strong>iumoxid........................................................................ 248<br />

11.4.2 Trocknen mit Molekularsieben....................................................................... 249<br />

11.4.3 Trocknen mit Alkalimetallen und Metallhydriden ......................................... 250<br />

IX


11.5 Spezielle Re<strong>in</strong>igung und Trocknung häufig verwendeter Solventien ..................252<br />

11.5.1 Kohlenwasserstoffe.........................................................................................253<br />

11.5.2 Chlorierte Kohlenwasserstoffe........................................................................257<br />

11.5.3 Ether................................................................................................................258<br />

11.5.4 Ester ................................................................................................................263<br />

11.5.5 Aprotische, dipolare Lösungsmittel ................................................................264<br />

11.5.6 Am<strong>in</strong>e..............................................................................................................266<br />

11.5.7 Alkohole..........................................................................................................269<br />

11.5.8 Carbonsäuren und Derivate.............................................................................271<br />

Literaturverzeichnis..................................................................................................273<br />

12 Chemische Analytik organischer Verb<strong>in</strong>dungen......................................275<br />

12.1 Nachweis von Heteroelementen ...............................................................................277<br />

12.2 Trennungsgang für Produktgemische.....................................................................279<br />

12.2.1 Abtrennung leicht flüchtiger Verb<strong>in</strong>dungen von höher siedenden<br />

Flüssigkeiten und Feststoffen .........................................................................279<br />

12.2.2 Trennung von Gemischen verschiedener Verb<strong>in</strong>dungen durch<br />

fraktionierende Extraktion ..............................................................................282<br />

12.3 Nachweis funktioneller Gruppen.............................................................................285<br />

12.3.1 Chemischer Nachweis funktioneller Gruppen .................................................285<br />

12.3.2 Identifizierung von Verb<strong>in</strong>dungen mit funktionellen Gruppen<br />

durch die Darstellung von Derivaten ..............................................................287<br />

Literaturverzeichnis..................................................................................................298<br />

13 Molekülspektroskopie ........................................................................................299<br />

13.1 Physikalische Grundlagen........................................................................................300<br />

13.2 UV/Vis/NIR/Spektroskopie ......................................................................................302<br />

13.2.1 Auswahlregeln ................................................................................................302<br />

13.2.2 Energieniveauschema......................................................................................303<br />

13.2.3 Inkrementsysteme ...........................................................................................305<br />

13.2.4 Aromatische Systeme......................................................................................306<br />

13.2.5 Aufnahme von UV/VIS-Spektren – Lösungsmittel für die<br />

UV-Spektroskopie...........................................................................................307<br />

13.3 Infrarotspektroskopie (IR-Spektroskopie).............................................................309<br />

13.3.1 Physikalische Grundlagen...............................................................................309<br />

13.3.2 Aufnahme von IR-Spektren ............................................................................311<br />

13.3.3 Probenbereitung ..............................................................................................312<br />

13.3.4 Interpretation von IR-Spektren .......................................................................316<br />

X


13.4 NMR-Spektroskopie................................................................................................. 320<br />

13.4.1 Physikalische Grundlagen .............................................................................. 320<br />

13.4.2 Die chemische Verschiebung ......................................................................... 322<br />

13.4.3 Intensität <strong>der</strong> Signale ...................................................................................... 323<br />

13.4.4 1 H-NMR-Spektroskopie ................................................................................. 324<br />

13.4.5 13 C-NMR-Spektroskopie ................................................................................ 328<br />

13.4.6 Inkrement-Systeme zur Abschätzung chemischer Verschiebungen<br />

<strong>in</strong> 1 H- und 13 C-NMR-Spektren ....................................................................... 330<br />

13.5 Massenspektrometrie ............................................................................................... 333<br />

13.5.1 Bildung von Molekülionen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gasphase .................................................. 334<br />

13.5.2 Massentrennung.............................................................................................. 336<br />

13.5.3 Massenspektrometrie von hochmolekularen Verb<strong>in</strong>dungen<br />

und Verb<strong>in</strong>dungen mit zahlreichen funktionellen Gruppen. .......................... 337<br />

13.5.4 Elektronenstoß-<strong>in</strong>duzierte Bruchstückbildung – Fragmentierungen.............. 337<br />

Literaturverzeichnis ................................................................................................. 341<br />

14 Dokumentation – Literatur – Literaturrecherche................................... 343<br />

14.1 Dokumentation ......................................................................................................... 344<br />

14.2 Chemische Fachliteratur.......................................................................................... 346<br />

14.2.1 Primärliteratur................................................................................................. 346<br />

14.2.2 Sekundärliteratur ............................................................................................ 349<br />

14.3 Literaturrecherche ................................................................................................... 354<br />

14.3.1 Literaturrecherche mit Hilfe <strong>der</strong> Pr<strong>in</strong>tmedien ................................................ 354<br />

14.3.2 Literaturrecherche mit elektronischen Medien............................................... 355<br />

14.4 Informationsquellen im Internet............................................................................. 358<br />

Anhang ................................................................................................................................ 361<br />

Liste <strong>der</strong> R-Sätze und S-Sätze ................................................................................. 362<br />

Register...................................................................................................................... 369<br />

XI


1. Sicherheit im Labor – Allgeme<strong>in</strong>e H<strong>in</strong>weise zum chemischen Arbeiten<br />

Kapitel 1<br />

Sicherheit im Labor – Allgeme<strong>in</strong>e H<strong>in</strong>weise<br />

zum chemischen Arbeiten<br />

1.1 Gesetzliche Grundlagen<br />

1.2 Allgeme<strong>in</strong>e Regeln für das Arbeiten im Labor<br />

1.3 Gefahren durch reaktive Chemikalien<br />

1.4 Gefahren durch giftige (toxische) Chemikalien<br />

1.5 Gefahren für die Umwelt<br />

1.6 Weitere typische Gefahren im Labor<br />

1.7 Verhalten bei Laborunfällen<br />

1.8 Entsorgung von Chemikalien – Recycl<strong>in</strong>g<br />

Literaturverzeichnis<br />

1


1. Sicherheit im Labor – Allgeme<strong>in</strong>e H<strong>in</strong>weise zum chemischen Arbeiten<br />

1.1 Gesetzliche Grundlagen<br />

Beim Arbeiten <strong>in</strong> chemischen Laboratorien ist <strong>der</strong> sichere Umgang mit Chemikalien, die<br />

Kenntnis <strong>der</strong> potentiellen Gefährdungen durch Chemikalien, die Beherrschung <strong>der</strong> apparativen<br />

Methoden und e<strong>in</strong>e beson<strong>der</strong>e Sorgfalt bei <strong>der</strong> Laborarbeit Voraussetzung für den Schutz<br />

<strong>der</strong> Menschen und <strong>der</strong> Umwelt.<br />

Sicherheit ist oberstes Gebot für jede Laborarbeit. Dieses Kapitel beschreibt die wichtigsten<br />

Sicherheitsaspekte, die beim Arbeiten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em chemischen Labor zu beachten s<strong>in</strong>d.<br />

Grundsätzlich muss davon ausgegangen werden, dass alle Chemikalien toxisch s<strong>in</strong>d. Ihre<br />

Toxizität hängt allerd<strong>in</strong>gs <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em weiten Bereich von <strong>der</strong> Konzentration ab. Da nur relativ<br />

wenige Chemikalien vollständig auf ihre Toxizität geprüft s<strong>in</strong>d, müssen alle Arbeiten im<br />

Labor so durchgeführt werden, dass e<strong>in</strong> Kontakt mit Chemikalien weitgehend ausgeschlossen<br />

wird.<br />

1.1.1 Regelwerk (Gesetze, Verordnungen und Vorschriften)<br />

Schon im Studium, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e aber auch im späteren Berufsleben als Chemiker spielen die<br />

Sicherheitsfragen e<strong>in</strong>e wichtige Rolle. Die Berufsgenossenschaft (BG) <strong>der</strong> Chemischen Industrie<br />

gibt laufend ergänzte und überarbeitete Unfallverhütungsvorschriften (BGV) und<br />

Richtl<strong>in</strong>ien (BGR) für chemische Laboratorien heraus, die für die Betriebe <strong>in</strong> <strong>der</strong> Chemischen<br />

Industrie b<strong>in</strong>dend s<strong>in</strong>d [1]. Für staatliche E<strong>in</strong>richtungen, also auch für Universitäten,<br />

gilt das Regelwerk des Bundesverbandes <strong>der</strong> Unfallkassen [2].<br />

In vielen Gesetzen und Verordnungen werden Sicherheitsfragen behandelt und <strong>der</strong>en Zuständigkeit<br />

def<strong>in</strong>iert. Im Rahmen <strong>der</strong> Harmonisierung des EU-Rechts wurden die Vorschriften <strong>der</strong><br />

Mitgliedsstaaten vere<strong>in</strong>heitlicht und <strong>in</strong> nationales Recht umgesetzt. In Deutschland gilt für<br />

den Umgang mit Chemikalien vor allem das Chemikaliengesetz (ChemG). E<strong>in</strong>zelheiten<br />

werden <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) geregelt und durch die Technischen<br />

Regeln für Gefahrstoffe (TRGS) ergänzt [3].<br />

Neben diesen gesetzlichen Vorschriften s<strong>in</strong>d weitere Richtl<strong>in</strong>ien und Vorschriften von Berufsverbänden,<br />

Unfallversicherungsträger usw. zu beachten:<br />

• Unfallverhütungsvorschriften <strong>der</strong> Berufsgenossenschaften (BGV) und <strong>der</strong> gesetzlichen<br />

Unfallversicherer (GUV)<br />

• Normen des Deutschen Instituts für Normung e.V. (DIN)<br />

• Vorschriften des Verbands <strong>der</strong> Elektrotechnik, Elektronik und Informationstechnik<br />

(VDE)<br />

• Innerbetriebliche Vorschriften (Laborordnungen, Hausordnungen)<br />

2


1.1 Gesetzliche Grundlagen<br />

Für chemische Laboratorien an Universitäten gelten <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e die Regeln <strong>der</strong> gesetzlichen<br />

Unfallversicherer [2]:<br />

• GUV R 120 Laboratorien (bisher GUV 16.17)<br />

• GUV-SR 2005 Umgang mit Gefahrstoffen <strong>in</strong> Hochschulen (bisher GUV 19.17)<br />

Das Anliegen aller dieser Sicherheitsvorschriften kommt im §1 <strong>der</strong> Gefahrstoffverordnung<br />

zum Ausdruck:<br />

§1 GefStoffV: „Diese Verordnung gilt ... zum Schutz <strong>der</strong> Beschäftigten und<br />

an<strong>der</strong>er Personen vor Gefährdungen ihrer Gesundheit und Sicherheit<br />

durch Gefahrstoffe und zum Schutz <strong>der</strong> Umwelt vor<br />

stoffbed<strong>in</strong>gten Schädigungen. ...“<br />

Die Gefahrstoffverordnung verlangt auch, dass <strong>der</strong> Arbeitgeber für ausreichende Sicherheitse<strong>in</strong>richtungen<br />

(siehe Kap. 1.2) und für die E<strong>in</strong>haltung <strong>der</strong> e<strong>in</strong>schlägigen Sicherheitsvorschriften<br />

zu sorgen hat. Hierher gehören auch regelmäßige Sicherheitsbelehrungen, die Erstellung<br />

von Betriebsanweisungen für gefährliche Stoffe und die Überwachung aller Sicherheitsvorschriften.<br />

Die Teilnahme an chemischen Praktika ist ohne e<strong>in</strong>e dokumentierte e<strong>in</strong>führende<br />

Sicherheitsbelehrung nicht erlaubt.<br />

Die spezifischen Gefahren <strong>in</strong> Laboratorien werden <strong>in</strong> zwei Klassen e<strong>in</strong>geteilt:<br />

• Gefahren durch fehlerhafte Arbeitsweisen und –techniken (Schnittwunden, Verbrennungen<br />

und Verbrühungen etc.) und<br />

• Gefahren, die von Chemikalien (Gefahrstoffe) herrühren.<br />

Gefahrstoffe werden nach dem Chemikaliengesetz und <strong>der</strong> Gefahrstoffverordnung nach ihren<br />

Gefährlichkeitsmerkmalen <strong>in</strong> Kategorien e<strong>in</strong>geteilt und gekennzeichnet. Zur Kennzeichnung<br />

gehören die vier nachstehenden Datensätze:<br />

• Gefahrensymbole<br />

• Gefahrenbezeichnung (mit Kurzbezeichnung)<br />

• R-Sätze<br />

• S-Sätze<br />

Die offiziellen Gefahrensymbole (Piktogramme) stellen e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>deutige und optisch leicht<br />

erfassbare Information über die Art <strong>der</strong> Gefährlichkeit <strong>der</strong> betreffenden Verb<strong>in</strong>dung dar. Das<br />

Gefahrensymbol wird ergänzt durch die entsprechende Gefahrenbezeichnung (Tab. 1.1).<br />

Die R-Sätze (engl. risk) geben e<strong>in</strong>e genauere Auskunft über die Art <strong>der</strong> Gefahr, die S-Sätze<br />

(engl. safety) beschreiben die notwendigen Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz vor diesen<br />

Gefahren o<strong>der</strong> Verhaltensregeln bei o<strong>der</strong> nach Unfällen. Die R- und S-Sätze s<strong>in</strong>d standardisiert<br />

und werden oft als Kürzel angegeben (z.B. R 11 für „Leicht entzündlich“ o<strong>der</strong> S 16 für<br />

„Von Zündquellen fernhalten – Nicht rauchen“). Alle R- und S-Sätze s<strong>in</strong>d im Anhang aufgelistet.<br />

3


1. Sicherheit im Labor – Allgeme<strong>in</strong>e H<strong>in</strong>weise zum chemischen Arbeiten<br />

Tabelle. 1.1: Gefahrensymbole und -bezeichnungen<br />

Gefahrensymbol Kurzbezeichnung Gefahrenbezeichnung<br />

E<br />

Explosionsgefährlich<br />

O<br />

Brandför<strong>der</strong>nd<br />

F +<br />

Hochentzündlich<br />

F<br />

Leichtentzündlich<br />

T +<br />

Sehr giftig<br />

T<br />

Giftig<br />

Xn<br />

Gesundheitsschädlich<br />

C<br />

Ätzend<br />

Xi<br />

Reizend<br />

N<br />

Umweltgefährlich<br />

Chemikalien, <strong>der</strong>en gesundheitsschädliche Wirkung mit zeitlicher Verzögerung (oft erst nach<br />

Jahren) auftreten kann, bezeichnet man als nicht akut toxisch. Sie werden mit den Symbolen<br />

T, Xn o<strong>der</strong> Xi zusammen mit entsprechenden R-Sätzen gekennzeichnet (siehe Kapitel 1.4).<br />

4


1.1 Gesetzliche Grundlagen<br />

Nicht akute Toxizitäten:<br />

• Krebserzeugend (cancerogen)<br />

• Erbgutverän<strong>der</strong>nd (mutagen)<br />

• Fruchtschädigend (terratogen)<br />

• Sensibilisierend<br />

• auf sonstige Weise chronisch schädigend<br />

Gefahren, die sich aus <strong>der</strong> Reaktivität von Chemikalien ergeben, wie z.B. heftige, explosionsartige<br />

Reaktionen mit Wasser, werden ebenfalls nur durch entsprechende R-Sätze ohne eigene<br />

Gefahrensymbole beschrieben.<br />

Dieser Abschnitt kann ke<strong>in</strong>en vollständigen Überblick über alle Gefahren im chemischen<br />

Laboratorium bieten, man <strong>in</strong>formiere sich deshalb auch <strong>in</strong> den Broschüren <strong>der</strong> Berufsgenossenschaft<br />

und den an<strong>der</strong>en angegebenen Literaturstellen.<br />

Bei sachgemäßem Umgang mit den Chemikalien und dem fachgerechtem E<strong>in</strong>satz <strong>der</strong><br />

geeigneten Apparaturen kann e<strong>in</strong> sicheres und unfallfreies Arbeiten im Labor erwartet<br />

werden.<br />

1.1.2 Arbeitsplatzgrenzwert (AGW)<br />

Der beste Schutz vor Gesundheitsgefährdung durch gefährliche Stoffe ist natürlich, jeden<br />

Kontakt mit ihnen völlig auszuschließen. In <strong>der</strong> Praxis ist das nur <strong>in</strong> wenigen Fällen möglich<br />

(z.B. <strong>in</strong> völlig abgeschlossenen Apparaturen). Realistischer ist die E<strong>in</strong>haltung von festgelegten<br />

Grenzwerten, die e<strong>in</strong>e mögliche Gesundheitsgefährdung auf e<strong>in</strong> vertretbares M<strong>in</strong>imum<br />

reduzieren. Bedeutung besitzen diese Grenzwerte im gewerblichen und <strong>in</strong>dustriellen Bereich,<br />

wo Personen nur mit e<strong>in</strong>er begrenzten, def<strong>in</strong>ierten Anzahl von Gefahrstoffen während <strong>der</strong><br />

gesamten Arbeitszeit <strong>in</strong> Berührung kommen.<br />

Für Laboratorien an Hochschulen o<strong>der</strong> <strong>in</strong> Forschungslabors ist die Kontrolle von Grenzwerten<br />

problematisch. Hier wird <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel mit vielen unterschiedlichen Stoffen gearbeitet,<br />

die meist nur kurzfristig e<strong>in</strong>gesetzt werden. Zudem gelten Grenzwerte nur für e<strong>in</strong>zelne Stoffe,<br />

<strong>in</strong> Gemischen können sich die Wirkungen <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen Komponenten verstärken o<strong>der</strong> abschwächen.<br />

Modellrechnungen zeigen aber, dass bei laborüblichen Arbeiten mit kle<strong>in</strong>en<br />

Mengen unter e<strong>in</strong>em Abzug (mit e<strong>in</strong>er Saugleistung nach DIN 12924, Teil 1) die Grenzwerte<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel nicht überschritten werden.<br />

Der Begriff ‚Arbeitsplatzgrenzwert‘ wurde <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gefahrstoffverordnung vom 23. 12. 2004<br />

neu aufgenommen und ersetzt den alten Begriff ‚Maximale Arbeitsplatzkonzentration‘<br />

(MAK).<br />

Der Arbeitsplatzgrenzwert (AGW) ist die Konzentration e<strong>in</strong>es Stoffes <strong>in</strong> <strong>der</strong> Luft am Arbeitsplatz,<br />

bei <strong>der</strong> im Allgeme<strong>in</strong>en die Gesundheit <strong>der</strong> Arbeitnehmer nicht bee<strong>in</strong>trächtigt wird. Die<br />

5


1. Sicherheit im Labor – Allgeme<strong>in</strong>e H<strong>in</strong>weise zum chemischen Arbeiten<br />

Beurteilung erfolgt unter <strong>der</strong> Annahme e<strong>in</strong>er Exposition von täglich 8 Stunden bei 40 Stunden/<br />

Woche. Kurzfristige Überschreitungen des AGW-Wertes werden durch Kurzzeitwerte<br />

geregelt.<br />

AGW-Werte werden <strong>in</strong> ml/m 3 Luft (= ppm) o<strong>der</strong> mg/m 3 Luft angegeben. Sie werden <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

TRGS 900 – Grenzwerte <strong>in</strong> <strong>der</strong> Luft am Arbeitsplatz – als Luftgrenzwerte bekannt gegeben<br />

und jährlich aktualisiert.<br />

Für e<strong>in</strong>ige Stoffe kann ke<strong>in</strong> Grenzwert für e<strong>in</strong>e gesundheitsgefährdende Wirkung angegeben<br />

werden: die Gefahr e<strong>in</strong>er Schädigung verr<strong>in</strong>gert sich zwar mit <strong>der</strong> Konzentration des Stoffes,<br />

kann aber nie völlig ausgeschlossen werden. Dies betrifft vor allem krebserregende Stoffe <strong>der</strong><br />

Kategorie 1 und 2. Um zum<strong>in</strong>dest e<strong>in</strong>e M<strong>in</strong>imierung <strong>der</strong> Risiken zu erreichen, wurde für diese<br />

Stoffe bis 2004 die ‚Technische Richtkonzentration‘ (TRK) angegeben. Sie wurde als die<br />

Konzentration def<strong>in</strong>iert, die nach dem ‚Stand <strong>der</strong> Technik‘ e<strong>in</strong>gehalten werden kann. Diese<br />

Def<strong>in</strong>ition wi<strong>der</strong>spricht dem Schutzkonzept <strong>der</strong> neuen Gefahrstoffverordnung, weswegen die<br />

TRK vollständig weggefallen ist.<br />

1.1.3 Biologischer Grenzwert (BGW)<br />

Auch <strong>der</strong> Begriff ‚Biologischer Grenzwert‘ (BGW) wurde <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gefahrstoffverordnung vom<br />

23.12.2004 neu e<strong>in</strong>geführt und ersetzt den bisherigen ‚Biologischen Arbeitsplatztoleranzwert‘<br />

(BAT). Der Biologische Grenzwert ist die Konzentration e<strong>in</strong>es Stoffes o<strong>der</strong> se<strong>in</strong>es Umwandlungsproduktes<br />

im Körper o<strong>der</strong> die dadurch ausgelöste Abweichung e<strong>in</strong>es biologischen Indikators<br />

von se<strong>in</strong>er Norm, bei <strong>der</strong> im Allgeme<strong>in</strong>en die Gesundheit <strong>der</strong> Arbeitnehmer nicht bee<strong>in</strong>trächtigt<br />

wird<br />

Im Gegensatz zum Arbeitsplatzgrenzwert ist <strong>der</strong> biologische Grenzwert also e<strong>in</strong> Maß für die<br />

tatsächlich <strong>in</strong> den Körper aufgenommene Menge e<strong>in</strong>es Stoffes. Er wird durch regelmäßige<br />

Arbeitsmediz<strong>in</strong>ische Untersuchungen kontrolliert. Bislang existieren nur für wenige Stoffe<br />

Werte (ca. 50 E<strong>in</strong>zelstoffe bzw. Stoffgruppen).<br />

1.1.4 Wassergefährdungsklassen (WGK)<br />

Die Wassergefährdungsklasse (WGK) leitet sich aus dem Wasserhaushaltsgesetz ab und wird<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> ‚Verwaltungsvorschrift wassergefährdende Stoffe‘ (VwVwS) def<strong>in</strong>iert [8]. Sie ist beson<strong>der</strong>s<br />

wichtig für die Lagerung und den Transport von Chemikalien. Wassergefährdende<br />

Stoffe werden <strong>in</strong> drei Kategorien e<strong>in</strong>geteilt:<br />

WGK 1:<br />

WGK 2:<br />

WGK 3:<br />

Schwach wassergefährdende Stoffe.<br />

Wassergefährdende Stoffe.<br />

Stark wassergefährdende Stoffe.<br />

Nicht wassergefährdende Stoffe werden nicht e<strong>in</strong>gestuft. Die Bewertung erfolgt unter an<strong>der</strong>em<br />

nach <strong>der</strong> biologischen Abbaubarkeit, Bioakkumulation und den R-Sätzen. E<strong>in</strong>e Liste <strong>der</strong><br />

6


1.2 Allgeme<strong>in</strong>e Regeln für das Arbeiten im Labor<br />

offiziell e<strong>in</strong>gestuften Stoffe wird vom Bundesm<strong>in</strong>isterium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit<br />

herausgegeben [8], alle an<strong>der</strong>en Stoffe müssen vom Hersteller bzw. Betreiber<br />

nach vorgeschriebenen Kriterien selbst e<strong>in</strong>gestuft werden. Für die Arbeit im Labor hat die<br />

Wassergefährdungsklasse ke<strong>in</strong>e beson<strong>der</strong>e Bedeutung.<br />

1.2 Allgeme<strong>in</strong>e Regeln für das Arbeiten im Labor<br />

1.2.1 Zugang zu den e<strong>in</strong>schlägigen Informationen<br />

Informieren Sie sich vor Beg<strong>in</strong>n e<strong>in</strong>es Versuches über die Eigenschaften aller e<strong>in</strong>gesetzten<br />

Chemikalien, Intermediate und Reaktionsprodukte sowie den fachgerechten E<strong>in</strong>satz <strong>der</strong> <strong>Arbeitsmethoden</strong>.<br />

H<strong>in</strong>weise auf das Gefahrenpotential von Chemikalien f<strong>in</strong>det man:<br />

• auf Etiketten <strong>der</strong> Chemikalienpackung und <strong>in</strong> den Chemikalienkatalogen.<br />

• auf Wandtafeln mit den Daten <strong>der</strong> wichtigsten Chemikalien.<br />

• <strong>in</strong> Betriebsanweisungen.<br />

• <strong>in</strong> Sicherheitsdatenblättern (stellt <strong>der</strong> Hersteller auf Anfor<strong>der</strong>ung zur Verfügung).<br />

• <strong>in</strong> <strong>der</strong> Stoffliste im Anhang I <strong>der</strong> Richtl<strong>in</strong>ie 67/548/EWG [3].<br />

• <strong>in</strong> Nachschlagewerken, z.B. dem sog. Kühn-Birett [5,6].<br />

Meistens können die wichtigsten Informationen auch den Hausdatenbanken o<strong>der</strong> den<br />

WWW-Seiten <strong>der</strong> Chemikalienhersteller [7] entnommen werden. E<strong>in</strong>e sehr gute und umfangreiche<br />

Informationsquelle ist die frei zugängliche Gefahrstoffdatenbank <strong>der</strong> Län<strong>der</strong><br />

(GDL) [4].<br />

Vor Beg<strong>in</strong>n e<strong>in</strong>es Versuchs ist sicherzustellen, dass alle benötigten Chemikalien <strong>in</strong> ausreichen<strong>der</strong><br />

Menge zur Verfügung stehen. Darüber h<strong>in</strong>aus s<strong>in</strong>d Materialien bereitzustellen, die<br />

<strong>der</strong> Entsorgung o<strong>der</strong> Desaktivierung <strong>der</strong> e<strong>in</strong>gesetzten Chemikalien dienen.<br />

1.2.2 Allgeme<strong>in</strong>e Sicherheitse<strong>in</strong>richtungen<br />

Informieren sie sich über die vorhandenen Sicherheitse<strong>in</strong>richtungen: Wo s<strong>in</strong>d die nächsten<br />

Brandmel<strong>der</strong>, Telefone mit Notruf, Feuerlöscher, Löschdecken, Augenduschen, Notduschen,<br />

Fluchtwege und Notausstiege? Die Funktionsfähigkeit <strong>der</strong> Notduschen und <strong>der</strong> Augenduschen<br />

ist regelmäßig zu überprüfen. Feuerlöscher müssen auch nach e<strong>in</strong>maligem<br />

Gebrauch zum Nachfüllen gegeben werden.<br />

7


1. Sicherheit im Labor – Allgeme<strong>in</strong>e H<strong>in</strong>weise zum chemischen Arbeiten<br />

Sicherheitse<strong>in</strong>richtungen müssen stets funktionsfähig und erreichbar se<strong>in</strong> und dürfen deshalb<br />

nicht verstellt o<strong>der</strong> missbraucht werden. Defekte Geräte müssen unverzüglich gemeldet werden.<br />

Die Fluchtwege s<strong>in</strong>d frei zu halten. Dazu gehören auch die Wege im Labor und im Haus.<br />

Stellen sie ke<strong>in</strong>e H<strong>in</strong><strong>der</strong>nisse <strong>in</strong> die Fluchtwege, halten sie die Türen <strong>der</strong> Laborschränke geschlossen.<br />

Brandschutztüren sollen im Brandfall die Ausbreitung von Feuer und Rauch verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n.<br />

Deshalb dürfen sie auf ke<strong>in</strong>en Fall blockiert werden.<br />

Abzüge dienen generell dem Schutz vor Chemikalien (Gase, Dämpfe, Stäube etc.). Sie müssen<br />

mit e<strong>in</strong>er Funktionsanzeige ausgestattet se<strong>in</strong>. Wenn e<strong>in</strong>e Störung angezeigt wird, darf <strong>in</strong><br />

diesem Abzug nicht weitergearbeitet werden. Für die e<strong>in</strong>wandfreie Funktion muss <strong>der</strong> Frontschieber<br />

stets so weit wie möglich geschlossen gehalten werden. E<strong>in</strong>e optimale Absaugwirkung<br />

kann nur bei genauer Regelung <strong>der</strong> Frischluftzufuhr und <strong>der</strong> abgesaugten Luftmenge<br />

erreicht werden. Offene Türen und Fenster wirken sich negativ auf den Regelkreis – und damit<br />

auf die Absaugwirkung – aus, obwohl <strong>der</strong> subjektive E<strong>in</strong>druck (Zufuhr von Frischluft)<br />

täuscht.<br />

Mit Chemikalien, die als sehr giftig, giftig, sensibilisierend, krebserzeugend, fruchtschädigend<br />

o<strong>der</strong> erbgutverän<strong>der</strong>nd gekennzeichnet s<strong>in</strong>d, darf pr<strong>in</strong>zipiell nur im Abzug gearbeitet werden.<br />

1.2.3 Persönliche Schutzausrüstung und Hygiene<br />

Die Kleidung sollte nicht aus Kunstfasern bestehen, sie können im Brandfall schmelzen und<br />

dadurch großflächige Brandwunden verursachen. Überdies besteht die Gefahr <strong>der</strong> elektrostatischen<br />

Aufladung, die zur Zündung explosionsfähiger Gemische führen kann.<br />

Bei Verunre<strong>in</strong>igung <strong>der</strong> Kleidung durch Chemikalien muss diese sofort ausgezogen werden.<br />

Deshalb sollte immer Ersatzkleidung bereitgehalten werden. Über <strong>der</strong> Kleidung muss e<strong>in</strong><br />

Labormantel getragen werden. Er ist ke<strong>in</strong>e Schutzkleidung im engeren S<strong>in</strong>n, kann aber den<br />

Kontakt von Chemikalien mit <strong>der</strong> Kleidung verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n o<strong>der</strong> zum<strong>in</strong>dest verzögern. Als Material<br />

wird Baumwolle empfohlen, <strong>der</strong> Mantel sollte lang und vorne schließbar se<strong>in</strong>. Kunstfasern<br />

s<strong>in</strong>d – wie bei <strong>der</strong> Kleidung (siehe oben) – ungeeignet. E<strong>in</strong> mit Chemikalien verunre<strong>in</strong>igter<br />

Mantel muss sofort ausgezogen werden und darf erst nach <strong>der</strong> Re<strong>in</strong>igung wie<strong>der</strong> verwendet<br />

werden. Labormäntel können auch unbemerkt mit Chemikalien kontam<strong>in</strong>iert se<strong>in</strong> und<br />

dürfen deshalb außerhalb des Laborbereiches nicht getragen werden.<br />

Schuhe müssen geschlossen und trittsicher se<strong>in</strong>, also ke<strong>in</strong>e Sandalen o<strong>der</strong> hohe Absätze!<br />

Im Labor ist pr<strong>in</strong>zipiell immer e<strong>in</strong>e Schutzbrille mit seitlichem Spritzschutz o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e Korbbrille<br />

zu tragen. ‚Normale‘ Brillen s<strong>in</strong>d nicht ausreichend. Für Brillenträger gibt es ‚Über-<br />

8


1.2 Allgeme<strong>in</strong>e Regeln für das Arbeiten im Labor<br />

brillen‘, die über <strong>der</strong> optischen Korrekturbrille getragen werden können, besser ist e<strong>in</strong>e eigene<br />

Schutzbrille mit geschliffenen Gläsern. Schutzbrillen dienen nicht nur dem Schutz beim eigenen<br />

Experimentieren, auch <strong>der</strong> Nachbar stellt e<strong>in</strong>e Gefährdung dar!<br />

Kontaktl<strong>in</strong>sen sollten im Labor vermieden werden. Wenn trotz Schutzbrille e<strong>in</strong>e Chemikalie<br />

<strong>in</strong> das Auge zwischen die Hornhaut und Kontaktl<strong>in</strong>se gelangt, kann das Spülen des Auges<br />

wirkungslos bleiben, das Auge wird stärker geschädigt.<br />

Handschuhe sollen verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n, dass die Haut mit Chemikalien <strong>in</strong> Berührung kommt, die<br />

dann vom Körper aufgenommen werden. Das Material <strong>der</strong> Handschuhe muss gegenüber den<br />

verwendeten Chemikalien beständig se<strong>in</strong>, gleichzeitig darf <strong>der</strong> Tasts<strong>in</strong>n durch zu dicke Materialstärken<br />

nicht e<strong>in</strong>geschränkt werden, damit die sichere Handhabung <strong>der</strong> Apparaturen und<br />

Geräte verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t wird. Schutzhandschuhe für den Labore<strong>in</strong>satz müssen die Anfor<strong>der</strong>ungen<br />

nach DIN EN 374 erfüllen und mit e<strong>in</strong>er CE-Kennzeichnung versehen se<strong>in</strong>. Die Auswahlkriterien<br />

geeigneter Schutzhandschuhe werden <strong>in</strong> <strong>der</strong> GUV-Regel R 195 def<strong>in</strong>iert [2].<br />

In <strong>der</strong> Laborpraxis gibt es ke<strong>in</strong>e Handschuhe, die diese Kriterien universell erfüllten. Latex ist<br />

gut beständig gegenüber Aceton, aber unbeständig gegenüber Kohlenwasserstoffen, für<br />

Nitrilkautschuk ist die Beständigkeit genau umgekehrt. Zu beachten ist, dass bei längerem<br />

Tragen <strong>der</strong> Handschuhe die Haut durch Schwitzen aufquillt und dadurch das E<strong>in</strong>dr<strong>in</strong>gen von<br />

Chemikalien erleichtert wird. Die Chemikalienbeständigkeit <strong>der</strong> verschiedenen Handschuhe<br />

ist auf <strong>der</strong> Verpackung vermerkt und kann den Informationsbroschüren bzw. den Internet-<br />

Seiten <strong>der</strong> Hersteller entnommen werden.<br />

Beim normalen Arbeiten im Labor ist die Dauer und damit auch die Gefahr direkter Hautkontakte<br />

mit Chemikalien relativ ger<strong>in</strong>g. Sie beschränkt sich auf das Abwiegen, Abmessen,<br />

Umfüllen o<strong>der</strong> Absaugen von Chemikalien und das Spülen von Geräten. Hier sollten E<strong>in</strong>malhandschuhe<br />

verwendet werden und unmittelbar nach Beendigung <strong>der</strong> Arbeit ausgezogen<br />

werden.<br />

Zum Arbeiten mit sehr giftigen, giftigen, ätzenden, hautreizenden, allergenen, krebserzeugenden,<br />

fruchtschädigenden o<strong>der</strong> erbgutverän<strong>der</strong>nden Stoffe siehe Kapitel 1.4.<br />

Beim Umgießen und Umfüllen von Chemikalien s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel Flüssigkeitstrichter bzw.<br />

Pulvertrichter zu verwenden. Beim Abmessen von Flüssigkeiten empfiehlt sich die Verwendung<br />

von Pipetten mit Peleusball o<strong>der</strong> Saugkolben-Pipetten.<br />

Waagen, elektrische Geräte (Heizplatten, Heizhauben) o<strong>der</strong> Messgeräte (z.B. Spektrometer)<br />

dürfen auf ke<strong>in</strong>en Fall kontam<strong>in</strong>iert werden. Refraktometer müssen nach <strong>der</strong> Messung sofort<br />

gere<strong>in</strong>igt werden.<br />

Kontam<strong>in</strong>ierte Bereiche (z.B. durch Verschütten von Chemikalien) müssen sofort gere<strong>in</strong>igt<br />

werden.<br />

Lange Haare dürfen aus Sicherheitsgründen nicht offen getragen werden.<br />

9


1. Sicherheit im Labor – Allgeme<strong>in</strong>e H<strong>in</strong>weise zum chemischen Arbeiten<br />

Vor Beg<strong>in</strong>n <strong>der</strong> Laborarbeit sollten die Hände mit e<strong>in</strong>er Hautcreme e<strong>in</strong>gerieben werden, für<br />

den <strong>Chemie</strong>bereich gibt es spezielle Hautschutzpräparate. Diese Cremes sollen vor allem das<br />

Entfetten <strong>der</strong> Haut durch Lösungsmittelkontakt verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n, sie s<strong>in</strong>d auf ke<strong>in</strong>en Fall e<strong>in</strong> Ersatz<br />

für Schutzhandschuhe! Geeignete Hautschutzpräparate und <strong>der</strong>en Verwendung muss vom<br />

Arbeitgeber <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Hautschutzplan festgelegt werden.<br />

Wenn <strong>der</strong> Verdacht besteht, dass Chemikalien mit <strong>der</strong> Haut <strong>in</strong> Berührung kamen, müssen die<br />

entsprechenden Hautstellen sofort mit Wasser und Seife gründlich gere<strong>in</strong>igt werden. Nach <strong>der</strong><br />

experimentellen Arbeit s<strong>in</strong>d die Hände zu waschen. Nach dem Waschen das E<strong>in</strong>cremen nicht<br />

vergessen!<br />

Essen und Tr<strong>in</strong>ken im Labor ist nicht gestattet, Lebensmittel dürfen nicht im Labor o<strong>der</strong> <strong>in</strong><br />

den Labor-Kühlschränken aufbewahrt werden.<br />

1.2.4 Weitere allgeme<strong>in</strong>e Vorsichtmaßnahmen im Labor<br />

Der Transport von Chemikalien <strong>in</strong> zerbrechlichen Gefäßen (z.B. Glasflaschen) darf nur <strong>in</strong><br />

bruchsicheren Behältern erfolgen, im e<strong>in</strong>fachsten Fall werden stabile Kunststoffeimer verwendet.<br />

Die Aufbewahrung von Substanzen im Labor darf nur <strong>in</strong> verschlossenen (Schliffstopfen,<br />

Schraubdeckel) und gekennzeichneten Gefäßen erfolgen. Die Beschriftung muss deutlich lesbar<br />

und beständig se<strong>in</strong>, auf ke<strong>in</strong>en Fall dürfen wasserlösliche Stifte verwendet werden. Am<br />

besten geeignet s<strong>in</strong>d mit Bleistift beschriftete Klebeetiketten. Rundkolben müssen gegen Umkippen<br />

gesichert se<strong>in</strong>, Korkr<strong>in</strong>ge s<strong>in</strong>d wenig geeignet, besser s<strong>in</strong>d Bechergläser geeigneter<br />

Größe, <strong>in</strong> die <strong>der</strong> Kolben e<strong>in</strong>gestellt wird.<br />

Zur Aufbewahrung von Chemikalien dürfen ke<strong>in</strong>e Lebensmittelpackungen o<strong>der</strong> solche Gefäße,<br />

die damit verwechselt werden können, verwendet werden (z.B. Getränkeflaschen, Mareadengläser).<br />

Chemikalienbehälter, die länger aufbewahrt werden, müssen vollständig gekennzeichnet werden:<br />

• Genauer und vollständiger Substanznamen. Formeln und Abkürzungen können zusätzlich<br />

angegeben werden, aber nicht ausschließlich.<br />

• Gefahrensymbol und Gefahrenbezeichnung.<br />

• R- und S-Sätze.<br />

• Name des Besitzers o<strong>der</strong> des Herstellers.<br />

Bei Chemikalien für den ‚Handgebrauch‘ ist e<strong>in</strong>e vere<strong>in</strong>fachte Kennzeichnung mit Substanznamen<br />

und Gefahrensymbol mit Gefahrenbezeichnung ausreichend. Als Handgebrauch werden<br />

alle für die unmittelbare Arbeit bereitgestellten Stoffe <strong>in</strong> <strong>der</strong> m<strong>in</strong>imal erfor<strong>der</strong>lichen<br />

Menge angesehen.<br />

10


1.2 Allgeme<strong>in</strong>e Regeln für das Arbeiten im Labor<br />

Reaktionsgemische, die vor <strong>der</strong> weiteren Bearbeitung kurz aufbewahrt werden (z.B. über<br />

Nacht o<strong>der</strong> Wochenende) müssen ebenfalls e<strong>in</strong>deutig beschriftet werden. Hier ist <strong>der</strong> Name<br />

des Bearbeiters, Versuchsnummer und ergänzende H<strong>in</strong>weise wie ‚Mutterlauge‘, ‚Destillation:<br />

Fraktion 2‘ o<strong>der</strong> ‚wässrige Phase‘ ausreichend.<br />

Apparaturen müssen sicher aufgebaut werden und dürfen nur unter ständiger Kontrolle betrieben<br />

werden. Beson<strong>der</strong>es Augenmerk ist zu richten auf:<br />

• Korrekten, spannungsfreien Aufbau <strong>der</strong> Apparatur.<br />

• Die verwendeten Glasgeräte dürfen ke<strong>in</strong>e Sprünge aufweisen.<br />

• Der Druckausgleich zwischen Apparatur und Atmosphäre muss sichergestellt se<strong>in</strong>.<br />

• Die Kühlung muss vor dem Versuch angeschlossen werden und auf Dichtigkeit überprüft<br />

werden. Kühlwasserschläuche s<strong>in</strong>d auf jeden Fall zu sichern und e<strong>in</strong> Kontakt mit dem<br />

Heizbad o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Heizplatte auszuschließen.<br />

• Heizquellen (z.B. Heizbä<strong>der</strong>) müssen sich ohne irgende<strong>in</strong>e Manipulation an <strong>der</strong> Apparatur<br />

leicht entfernen lassen, verwenden sie dazu e<strong>in</strong>e Hebebühne.<br />

• Ist e<strong>in</strong>e exotherme Reaktion zu erwarten, so muss e<strong>in</strong> Kühlbad bereitgehalten werden.<br />

Der betriebssichere Aufbau von Reaktionsapparaturen wird <strong>in</strong> den Kapiteln 2–10 beschrieben.<br />

Apparaturen, die über längere Zeit betrieben werden (z.B. über Nacht), dürfen nur <strong>in</strong> speziell<br />

ausgestatteten Räumen betrieben werden (Nachtlabor). Hier s<strong>in</strong>d zusätzliche Maßnahmen<br />

notwendig:<br />

• Die Apparatur muss mit dem Namen des Bearbeiters, Reaktionsgleichung, Angaben zum<br />

Lösungsmittel, Solltemperatur, Beg<strong>in</strong>n und Ende <strong>der</strong> Reaktion gekennzeichnet werden.<br />

• Die Apparatur muss bis zum Erreichen e<strong>in</strong>es stabilen, konstanten Betriebs beaufsichtigt<br />

werden (Abkl<strong>in</strong>gen von exothermen Reaktionen, gleichmäßiges Sieden). Vor Verlassen<br />

des Labors muss nochmals <strong>der</strong> sichere Zustand überprüft werden (Kontrolle <strong>der</strong> Badtemperatur,<br />

Wasserkühlung etc.).<br />

• Als Heizquellen dürfen nur Heizplatten mit zusätzlicher Temperaturüberwachung (Kontaktthermometer)<br />

und Ölbä<strong>der</strong> verwendet werden. Elektrische Heizhauben können <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Regel nicht über e<strong>in</strong> zusätzliches Kontaktthermometer gesichert werden und s<strong>in</strong>d deshalb<br />

ungeeignet.<br />

1.2.5 Entsorgung von Chemikalien<br />

Alle Reste von Chemikalien sowie Abfälle, die bei <strong>der</strong> Aufarbeitung von Reaktionen anfallen,<br />

müssen ordnungsgemäß entsorgt werden. Reaktive Substanzen müssen vor <strong>der</strong> Entsorgung<br />

deaktiviert werden. Chemikalienabfälle dürfen nicht <strong>in</strong> den Hausmüll gegeben werden. Sie<br />

müssen – nach Gruppen getrennt – <strong>in</strong> entsprechenden Behältern gesammelt werden. Die Klassifizierung<br />

<strong>der</strong> Behälter kann <strong>in</strong> den Instituten unterschiedlich se<strong>in</strong>, <strong>in</strong>formieren sie sich über<br />

die örtlichen Gegebenheiten. Die Entsorgung wird <strong>in</strong> Abschnitt 1.8 beschrieben.<br />

11


1. Sicherheit im Labor – Allgeme<strong>in</strong>e H<strong>in</strong>weise zum chemischen Arbeiten<br />

1.3 Gefahren durch reaktive Chemikalien<br />

1.3.1 Kenndaten<br />

In <strong>der</strong> Laborpraxis gehen große Gefahren von Chemikalien aus, die explosionsgefährlich s<strong>in</strong>d,<br />

sich an <strong>der</strong> Luft o<strong>der</strong> bei Kontakt mit an<strong>der</strong>en Substanzen entzünden o<strong>der</strong> selbstentzündlich<br />

s<strong>in</strong>d. Gase und leichtflüchtige Verb<strong>in</strong>dungen können mit Luft explosionsfähige Gemische<br />

bilden. Aus <strong>der</strong> Kenntnis <strong>der</strong> gefährlichen Eigenschaften und <strong>der</strong> physikalischen Daten dieser<br />

Substanzen lassen sich Vorsichtsmaßnahmen treffen, die den gefahrlosen Umgang mit diesen<br />

Chemikalien ermöglichen. Der Beurteilung <strong>der</strong> Gefahren dienen e<strong>in</strong>ige Kenndaten:<br />

Flammpunkt:<br />

Der Flammpunkt ist die Temperatur bei Normaldruck, bei <strong>der</strong> sich<br />

Dämpfe e<strong>in</strong>er brennbaren Substanz an <strong>der</strong> Luft durch e<strong>in</strong>e Zündquelle<br />

(offenes Feuer o<strong>der</strong> Funken) entzündet werden können.<br />

Explosionsgrenzen: Der Konzentrationsbereich, <strong>in</strong> dem Gas/Luft- o<strong>der</strong> Dampf/Luft-<br />

Mischungen durch e<strong>in</strong>e Zündquelle zur Explosion gebracht werden<br />

können.<br />

Zündtemperatur:<br />

Die Zündtemperatur ist die Temperatur bei Normaldruck, bei <strong>der</strong><br />

sich Dämpfe e<strong>in</strong>er brennbaren Substanz an <strong>der</strong> Luft o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>em<br />

heißen Gegentand von selbst entzünden können (Zündpunkt).<br />

Die Flammpunkte organischer Lösungsmittel können bereits bei tiefen Temperaturen liegen<br />

(z.B. bei –40 °C für Diethylether), aber auch relativ hohe Flammpunkte werden bei labortypischen<br />

Arbeiten wie Rückflusskochen o<strong>der</strong> Destillieren leicht überschritten. Deshalb müssen<br />

beim Erhitzen organischer Verb<strong>in</strong>dungen grundsätzlich Rückflusskühler aufgesetzt werden.<br />

Die Explosionsgrenzen von Gas/Luft o<strong>der</strong> Dampf/Luft-Gemischen variieren <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em weiten<br />

Bereich. In Tabelle 1.2 werden die Explosionsgrenzen für häufig e<strong>in</strong>gesetzte Solventien aufgelistet.<br />

Die Zündtemperaturen liegen meist sehr hoch (z.B. Diethylether: 180 °C, Cyclohexan<br />

260 °C), die Selbstentzündung im Labor stellt deshalb e<strong>in</strong>e ger<strong>in</strong>ge Gefahrenquelle dar. E<strong>in</strong>e<br />

Ausnahme ist Schwefelkohlenstoff, <strong>der</strong> manchmal als Lösungsmittel e<strong>in</strong>gesetzt wird. Se<strong>in</strong>e<br />

Zündtemperatur liegt bei 95 °C und die Dämpfe s<strong>in</strong>d schwerer als Luft. Bei unzureichen<strong>der</strong><br />

Kühlung können CS 2 -Dämpfe aus dem Rückflusskühler entweichen, nach unten fallen und<br />

sich an e<strong>in</strong>er heißen Heizplatte entzünden. Deshalb sollte mit Schwefelkohlenstoff unbed<strong>in</strong>gt<br />

im Abzug, am besten mit direkter Schlauchableitung vom Rückflusskühler h<strong>in</strong>ter die Abzugsprallwand<br />

gearbeitet werden!<br />

12


1.3 Gefahren durch reaktive Chemikalien<br />

Tabelle 1.2: Siedepunkt, Flammpunkt, Explosionsgrenzen und Zündtemperatur e<strong>in</strong>iger häufig<br />

e<strong>in</strong>gesetzter Solventien:<br />

Substanz<br />

Sdp.<br />

(1013 hPa)<br />

Flammpunkt<br />

Explosionsgrenzen<br />

[Vol-%]<br />

Zündtemperatur<br />

Wasserstoff –252.8 °C –240 °C 4.0–75.6 560 °C<br />

Acetylen –84 °C 305 °C 1.5–100 325 °C<br />

Diethylether 34.6 °C –40 °C 1.7–36 180 °C<br />

n-Pentan 36.1 °C –49.4 °C 1.4–8 285 °C<br />

Dichlormethan 40 °C – – 13–22 605 °C<br />

Schwefelkohlenstoff 46.5 °C –30 °C 1–60 95 °C<br />

Aceton 56.2 °C –20 °C 2.6–13 465 °C<br />

Chloroform 61 °C – – – – 982 °C<br />

Methanol 64.5 °C 11 °C 5.5–36.5 455 °C<br />

Tetrahydrofuran 66 °C –20 °C 1.5–12.4 245 °C<br />

Essigsäureethylester 77 °C –4 °C 2.1–11.5 460 °C<br />

Ethanol 78.3 °C 12 °C 3.5–15 425 °C<br />

Cyclohexan 81 °C –18 °C 1.2–8.3 260 °C<br />

Toluol 110.6 °C 4 °C 1.2–8 535 °C<br />

Essigsäure 118 °C 39 °C 4–19.9 485 °C<br />

1.3.2 Hochentzündliche, leichtentzündliche und entzündliche Substanzen<br />

Entzündliche Substanzen werden entsprechend ihren Flamm- und<br />

Siedepunkten <strong>in</strong> drei Kategorien e<strong>in</strong>geteilt:<br />

Kriterien<br />

Gefahrenzeichen und R-Satz<br />

Flammpunkt < 0 °C und Siedepunkt ≤ 35 °C F + R 12: Hochentzündlich<br />

Flammpunkt < 21 °C, aber nicht „Hochentzündlich“ F R 11: Leichtentzündlich<br />

Flammpunkt zwischen 21 und 55 °C<br />

R 10: Entzündlich<br />

Gase, die sich bei Raumtemperatur entzünden lassen, werden ebenfalls mit „F + : Hochentzündlich“<br />

gekennzeichnet. Stoffe, die bei Luftkontakt selbstentzündlich (pyrophor) s<strong>in</strong>d o<strong>der</strong><br />

bei Kontakt mit Wasser hochentzündliche Gase bilden (wie z.B. Natrium, Natriumhydrid,<br />

Lithiumalum<strong>in</strong>iumhydrid) werden mit „F: Leichtentzündlich“ und e<strong>in</strong>em <strong>der</strong> R-Sätze „R 15:<br />

Reagiert mit Wasser unter Bildung leichtentzündlicher Gase“ bzw. „R 17: Selbstentzündlich<br />

an <strong>der</strong> Luft“ gekennzeichnet.<br />

13


1. Sicherheit im Labor – Allgeme<strong>in</strong>e H<strong>in</strong>weise zum chemischen Arbeiten<br />

Vorsichtsmaßnahmen:<br />

Stellen Sie sicher, dass im Umkreis von 5 m alle offenen Flammen gelöscht s<strong>in</strong>d. Lassen Sie<br />

Gefäße mit entzündlichen Substanzen nie offen stehen, auch nicht für kurze Zeit. Erhitzen Sie<br />

entzündliche Substanzen nur <strong>in</strong> Apparaturen mit ausreichend dimensionierten Kühlern.<br />

Arbeiten Sie mit hochentzündlichen Substanzen nur im Abzug. Informieren Sie sich vor <strong>der</strong><br />

Verwendung dieser Substanzen über geeignete Löschmittel (siehe Abschnitt 1.7.1) und <strong>der</strong>en<br />

Standort.<br />

Chemikalien, die mit Wasser unter Bildung von leichtentzündlichen Gasen abreagieren<br />

(R 15) dürfen nur <strong>in</strong> wasserfreien, trockenen Apparaturen e<strong>in</strong>gesetzt werden. Die Glas-Kühlschlangen<br />

<strong>in</strong> den normalen Rückflusskühlern können bei heftigen Reaktionen brechen, es<br />

empfiehlt sich <strong>der</strong> E<strong>in</strong>satz von Metallkühlern (Kühlschlangen aus Metall). Kontrollieren Sie<br />

vor Beg<strong>in</strong>n des Versuchs die Dichtigkeit <strong>der</strong> Kühlschlangen. Bei diesen Versuchen dürfen<br />

zum Heizen ke<strong>in</strong>e Wasserbä<strong>der</strong> verwendet werden!<br />

Pyrophore Substanzen (R 17) dürfen nur unter Inertgas-Atmosphäre umgesetzt werden.<br />

Hierbei gelten die Anweisungen für das Arbeiten unter Schutzgas (siehe Kap. 10).<br />

Flüssigkeiten können sich beim Umfüllen durch Reibung elektrostatisch aufladen („S 33:<br />

Maßnahmen gegen elektrostatische Aufladung treffen“). E<strong>in</strong> plötzlicher Potentialausgleich<br />

(Funke) kann dann e<strong>in</strong>e Dampf/Luft-Mischung zünden. Verwenden Sie beim Umfüllen größerer<br />

Volum<strong>in</strong>a (> 5 l) nur geerdete Gefäße. Reiben Sie die Gefäße nie unmittelbar vor <strong>der</strong> Verwendung<br />

mit e<strong>in</strong>em trockenen Tuch ab. Lassen Sie beim Umfüllen die Flüssigkeit immer<br />

langsam an <strong>der</strong> Gefäßwand herunter laufen.<br />

Auch die Kleidung (vor allem Kunstfasern) kann sich elektrostatisch aufladen: Wenn sie<br />

beim Berühren von Metallen o<strong>der</strong> sonstigen Gegenständen e<strong>in</strong>en „elektrischen Schlag“ erhalten,<br />

ist Ihre Kleidung ungeeignet!<br />

1.3.3 Explosionsgefährliche Substanzen<br />

14<br />

Stoffe, die sich durch Schlag, Reibung, Erwärmung, Feuer o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Zündquellen<br />

auch ohne Beteiligung von Luftsauerstoff explosionsartig zersetzen<br />

können, z.B. organische Peroxide, Metallazide, Metallsalze <strong>der</strong> Pikr<strong>in</strong>säure,<br />

werden als „E: Explosionsgefährlich“ zusammen mit den R-Sätzen „R 2:<br />

Durch Schlag, Reibung, Feuer o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Zündquellen explosionsgefährlich“<br />

o<strong>der</strong> „R 3: Durch Schlag, Reibung, Feuer o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Zündquellen beson<strong>der</strong>s<br />

explosionsgefährlich“ gekennzeichnet.<br />

Die Explosionsgefährlichkeit wird oft durch den Zusatz von Wasser o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en <strong>in</strong>erten<br />

Substanzen verr<strong>in</strong>gert (Phlegmatisierung).


1.3 Gefahren durch reaktive Chemikalien<br />

Vorsichtsmaßnahmen:<br />

Explosionsgefährliche Stoffe s<strong>in</strong>d nur <strong>in</strong> möglichst ger<strong>in</strong>gen Mengen zu handhaben und immer<br />

kühl zu lagern. Hitzee<strong>in</strong>wirkung, Schlag, Reibung und Metallspatel vermeiden. Auf ke<strong>in</strong>en<br />

Fall verreiben o<strong>der</strong> mörsern!<br />

Häufig besitzen Reaktionen mit explosionsgefährlichen Stoffen e<strong>in</strong>e Induktionsperiode, d.h.<br />

die Reaktion setzt erst ab e<strong>in</strong>er bestimmten Temperatur o<strong>der</strong> verzögert e<strong>in</strong>, kann dann aber<br />

sehr heftig werden (z.B. Radikalreaktionen mit organische Peroxiden als Radikalstarter).<br />

Diese Reaktionen erfor<strong>der</strong>n e<strong>in</strong>e ständige Überwachung, e<strong>in</strong> Kühlbad für den Fall zu heftiger<br />

Reaktion ist bereitzustellen. Versichern Sie sich vor <strong>der</strong> Aufarbeitung, dass <strong>in</strong> <strong>der</strong> Reaktionsmischung<br />

ke<strong>in</strong>e explosionsgefährlichen Stoffe mehr vorhanden s<strong>in</strong>d (im Falle von Peroxiden<br />

z.B. durch Kaliumiodid/Stärke-Papier, Blaufärbung bei Anwesenheit von Peroxiden).<br />

1.3.4 Brandför<strong>der</strong>nde Substanzen<br />

Stoffe, die selbst nicht brennen, aber durch Kontakt mit an<strong>der</strong>en, brennbaren<br />

Substanzen diese entzünden können o<strong>der</strong> die Heftigkeit e<strong>in</strong>es Brandes erhöhen,<br />

werden als „O: Brandför<strong>der</strong>nd“ gekennzeichnet und durch die folgenden R-<br />

Sätze genauer spezifiziert:<br />

„R 7: Kann Brand verursachen“.<br />

„R 8: Feuergefahr bei Berührung mit brennbaren Stoffen“.<br />

„R 9: Explosionsgefahr bei Mischung mit brennbaren Stoffen“.<br />

In <strong>der</strong> Regel handelt es sich um starke Oxidationsmittel (z.B. Kaliumpermanganat, konzentrierte<br />

Salpetersäure, Chromschwefelsäure) o<strong>der</strong> Peroxide (z.B. Peressigsäure).<br />

Vorsichtsmaßnahmen:<br />

Brandför<strong>der</strong>nde Stoffe dürfen auf ke<strong>in</strong>en Fall mit brennbaren Materialien (z.B. Lösungsmittel,<br />

Filterpapier) o<strong>der</strong> Reduktionsmitteln <strong>in</strong> Berührung kommen. Versichern Sie sich vor <strong>der</strong> Aufarbeitung<br />

e<strong>in</strong>es Reaktionsansatzes, dass ke<strong>in</strong> Überschuss an Oxidationsmitteln mehr vorhanden<br />

ist, ansonsten muss desaktiviert werden (z.B. durch verdünnen mit Wasser und anschließen<strong>der</strong><br />

kontrollierter Reduktion). Reste brandför<strong>der</strong>n<strong>der</strong> Stoffe dürfen auf ke<strong>in</strong>en Fall <strong>in</strong> den<br />

Son<strong>der</strong>abfall gegeben werden. Hier könnte es zu unkontrollierten Reaktionen kommen bis zu<br />

Verpuffungen und Herausschleu<strong>der</strong>n von Material.<br />

Häufig besitzen Reaktionen mit Oxidationsmitteln e<strong>in</strong>e Induktionsperiode, d.h. die Reaktion<br />

setzt erst verzögert e<strong>in</strong>, kann dann aber sehr heftig werden. Diese Reaktionen erfor<strong>der</strong>n e<strong>in</strong>e<br />

ständige Überwachung, e<strong>in</strong> Kühlbad für den Fall zu heftiger Reaktion ist bereitzustellen.<br />

15


1. Sicherheit im Labor – Allgeme<strong>in</strong>e H<strong>in</strong>weise zum chemischen Arbeiten<br />

1.3.5 Weitere Gefahren durch die Reaktivität von Chemikalien ohne eigene Gefahrensymbole<br />

Reaktive Chemikalien, denen ke<strong>in</strong>es <strong>der</strong> Gefahrensymbole F + , F, E o<strong>der</strong> O zugeordnet wird,<br />

können dennoch durch physikalische E<strong>in</strong>wirkung (z.B. Erhitzen) o<strong>der</strong> durch Reaktion mit<br />

an<strong>der</strong>en Stoffen gefährlich werden. Diese Gefahren werden durch eigene R-Sätze beschrieben,<br />

z.B:<br />

„R 1: In trockenem Zustand explosionsgefährlich“ für Stoffe, die z.B. durch Zusatz von Wasser<br />

o<strong>der</strong> <strong>in</strong> Lösung phlegmatisiert s<strong>in</strong>d und <strong>in</strong> dieser Form gefahrlos verwendet werden können.<br />

„R 4: Bildet hochempf<strong>in</strong>dliche explosionsgefährliche Metallverb<strong>in</strong>dungen“ für Verb<strong>in</strong>dungen,<br />

die als solche nicht explosionsgefährlich s<strong>in</strong>d, aber explosionsfähige Metallsalze bilden.<br />

„R 5: Beim Erwärmen explosionsfähig“ für Verb<strong>in</strong>dungen, die bei normalen Temperaturen<br />

zwar stabil s<strong>in</strong>d, aber beim Erhitzen explosionsartig zerfallen.<br />

„R 6: Mit und ohne Luft explosionsfähig“<br />

„R 14: Reagiert heftig mit Wasser“ für Stoffe, die mit Wasser (und meist auch mit nie<strong>der</strong>en<br />

Alkoholen, Säuren und Basen) zu e<strong>in</strong>er heftigen, exothermen Reaktion führen.<br />

„R 16: Explosionsgefährlich <strong>in</strong> Mischung mit brandför<strong>der</strong>nden Stoffen“ für alle leicht oxidierbaren<br />

Stoffe (Reduktionsmittel). Mit e<strong>in</strong>er heftigen, unter Umständen explosionsartigen<br />

Reaktion ist zu rechnen.<br />

„R 18: Bei Gebrauch Bildung explosionsfähiger/leichtentzündlicher Dampf-Luftgemische<br />

möglich“.<br />

„R 19: Kann explosionsfähige Peroxide bilden“ für Stoffe, die selbst ke<strong>in</strong>e Explosionsgefahr<br />

darstellen, aber mit Luft (oft unter E<strong>in</strong>wirkung von Licht und Metallspuren) leicht Peroxide<br />

bilden (z.B. Diethylether, THF und an<strong>der</strong>e Ether). Die Peroxide reichern sich bei e<strong>in</strong>er Destillation<br />

im Sumpf an und können dann explodieren. Lösungsmittel, die zur Bildung von Peroxiden<br />

neigen, müssen <strong>in</strong> braunen Flaschen aufbewahrt werden und mit Stabilisatoren versetzt<br />

werden, um die Peroxidbildung zu verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n. Dennoch sollten immer folgende Vorsichtsmaßnahmen<br />

getroffen werden:<br />

Prüfen Sie vor <strong>der</strong> Destillation immer auf Peroxide (z.B. mit KI/Stärke-Papier o<strong>der</strong> spezielle<br />

Teststäbchen). Destillieren Sie problematische Lösungsmittel nie bis zur Trockne. Achtung:<br />

bei <strong>der</strong> Destillation wird auch <strong>der</strong> Stabilisator entfernt, im Destillat können sich sehr rasch<br />

Peroxide neu bilden. Für weitere Informationen siehe Kapitel 11.<br />

16


1.4 Gefahren durch giftige (toxische) Chemikalien<br />

1.4 Gefahren durch giftige (toxische) Chemikalien<br />

Bei <strong>der</strong> Giftigkeit wird pr<strong>in</strong>zipiell zwischen akuter Wirkung und nicht akuter Wirkung<br />

unterschieden. Bei <strong>der</strong> akuten Wirkung setzt die Schädigung sofort o<strong>der</strong> nach kurzer Zeit e<strong>in</strong>,<br />

e<strong>in</strong> Zusammenhang zwischen Dosis und Wirkung lässt sich bestimmen. Für krebserzeugende,<br />

erbgutverän<strong>der</strong>nde, fruchtschädigende, sensibilisierende o<strong>der</strong> auf sonstige Weise chronisch<br />

schädigende Stoffe kann ke<strong>in</strong>e Beziehung zwischen Dosis und Wirkung aufgestellt werden.<br />

E<strong>in</strong>e Schädigung kann (muss aber nicht) bereits bei e<strong>in</strong>maligen Kontakt erfolgen, die Wirkung<br />

tritt aber unter Umständen erst nach Jahren auf.<br />

Die E<strong>in</strong>stufung giftiger Substanzen erfolgt hauptsächlich nach ihrer akuten Toxizität, die<br />

durch Tierversuche ermittelt wird. Die Kenngrößen s<strong>in</strong>d LD 50 für die Aufnahme über die<br />

Haut (<strong>der</strong>mal) o<strong>der</strong> durch Verschlucken (oral) und LC 50 für die Aufnahme über die Atmungsorgane<br />

(Inhalation). Der Wert (<strong>in</strong> mg/kg Körpergewicht o<strong>der</strong> mg/l Luft bei 4 h Expositionsdauer)<br />

gibt die Menge o<strong>der</strong> Konzentration an, bei <strong>der</strong> 50% <strong>der</strong> Versuchstiere verenden.<br />

Chronische Toxizitäten werden durch die Gefahrensymbole nur unzureichend dargestellt, hier<br />

muss auf die entsprechenden R-Sätze geachtet werden (siehe unten!).<br />

Die orale Aufnahme von Chemikalien und daraus resultierende Vergiftungen spielen im<br />

Labor praktisch ke<strong>in</strong>e Rolle, viel wichtiger ist die mögliche Aufnahme durch E<strong>in</strong>atmen von<br />

Dämpfen o<strong>der</strong> Stäuben und die Aufnahme durch die Haut.<br />

1.4.1 Akut toxische Substanzen<br />

Aufnahme durch Verschlucken:<br />

Giftige Stoffe werden <strong>in</strong> drei Klassen (sehr giftig, giftig und<br />

gesundheitsschädlich) e<strong>in</strong>geteilt. Die E<strong>in</strong>stufung erfolgt nach<br />

dem Aufnahmeweg und den LD 50 - bzw. LC 50 -Werten aus<br />

Tierversuchen:<br />

Symbol R-Satz LD 50 (oral)<br />

[mg/kg Körpergewicht]<br />

T+ R 28: Sehr giftig beim Verschlucken. < 25<br />

T R 25: Giftig beim Verschlucken. 25 – 200<br />

Xn R 22: Gesundheitsschädlich beim Verschlucken. 200 – 2000<br />

17


1. Sicherheit im Labor – Allgeme<strong>in</strong>e H<strong>in</strong>weise zum chemischen Arbeiten<br />

Vorsichtsmaßnahmen:<br />

Die normalen Vorsichtsmaßnahmen s<strong>in</strong>d ausreichend. Beim Pipetieren von Flüssigkeiten darf<br />

nicht mit dem Mund angesaugt werden. Man verwende Pipetten mit Peleusball o<strong>der</strong> Saugkolben-Pipetten.<br />

Aufnahme durch die Haut:<br />

Symbol R-Satz LD 50 (<strong>der</strong>mal)<br />

[mg/kg Körpergewicht]<br />

T+ R 27: Sehr giftig bei Berührung mit <strong>der</strong> Haut. < 50<br />

T R 24: Giftig bei Berührung mit <strong>der</strong> Haut. 50 – 400<br />

Xn R 21: Gesundheitsschädlich bei Berührung mit <strong>der</strong><br />

Haut.<br />

400 – 2000<br />

Substanzen, die beson<strong>der</strong>s leicht über die Haut aufgenommen werden können, s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

TRGS 900 und TRGS 905 mit dem Buchstaben H (für hautresorptiv) gekennzeichnet. Im<br />

Allgeme<strong>in</strong>en können Flüssigkeiten wegen <strong>der</strong> größeren Kontaktfläche besser aufgenommen<br />

werden als Feststoffe. Achten Sie aber auf Stäube, die beim Umfüllen eventuell auf feuchten<br />

o<strong>der</strong> schweißnassen Händen o<strong>der</strong> Armen haften bleiben. Der S-Satz „S 28: Bei Berührung mit<br />

<strong>der</strong> Haut sofort abwaschen mit ...“ muss vom Hersteller mit geeigneten Re<strong>in</strong>igungsmethoden<br />

ergänzt werden. Sorgen Sie dafür, dass das angegeben Re<strong>in</strong>igungsmittel vorhanden ist!<br />

Vorsichtsmaßnahmen:<br />

Wenn <strong>der</strong> Hautkontakt nicht sicher ausgeschlossen werden kann, müssen bei giftigen und sehr<br />

giftigen Stoffen Schutzhandschuhe verwendet werden. Nach Hautkontakt mit gefährlichen<br />

Stoffen müssen die betroffenen Hautstellen gründlich gere<strong>in</strong>igt werden (siehe H<strong>in</strong>weise <strong>in</strong><br />

„S 28“).<br />

Aufnahme durch die Atmungsorgane:<br />

Symbol R-Satz LC 50 (<strong>in</strong>hal.) [mg/l Luft],<br />

4 h Expositionsdauer<br />

T+ R 26: Sehr giftig beim E<strong>in</strong>atmen. < 0.5<br />

T R 23: Giftig beim E<strong>in</strong>atmen. 0.5 – 2<br />

Xn R 20: Gesundheitsschädlich beim E<strong>in</strong>atmen. 2 – 20<br />

Der häufigste Aufnahmeweg bei leichtflüchtigen Substanzen ist das E<strong>in</strong>atmen, ihre Flüchtigkeit<br />

kann über den Dampfdruck abgeschätzt werden. Naturgemäß ist bei Raumtemperatur <strong>der</strong><br />

Dampfdruck von Flüssigkeiten höher als <strong>der</strong> von Feststoffen, Ausnahmen s<strong>in</strong>d leicht sublimierbare<br />

Feststoffe wie z.B. Iod, Adamantan o<strong>der</strong> p-Benzoch<strong>in</strong>on. Nicht unterschätzt werden<br />

darf das E<strong>in</strong>atmen von Stäuben, die beim Umfüllen o<strong>der</strong> Pulvern von Feststoffen entstehen.<br />

18


1.4 Gefahren durch giftige (toxische) Chemikalien<br />

Vorsichtsmaßnahmen:<br />

Gefäße mit leichtflüchtigen Stoffen immer verschlossen halten. Flüssigkeiten sollten nicht<br />

abgewogen, son<strong>der</strong> mit Messzyl<strong>in</strong><strong>der</strong>n, Pipetten o<strong>der</strong> Spritzen im Abzug abgemessen werden.<br />

Bei Staubentwicklung muss ebenfalls unter dem Abzug gearbeitet werden.<br />

1.4.2 Ätzende und reizende Substanzen<br />

Beruht die schädliche Wirkung e<strong>in</strong>es Stoffes nicht auf <strong>der</strong> Toxizität<br />

durch Aufnahme <strong>in</strong> den Körper, son<strong>der</strong>n auf <strong>der</strong> direkten E<strong>in</strong>wirkung<br />

auf die Haut o<strong>der</strong> Schleimhäute (Mund, Lunge, Magen etc.), wird <strong>der</strong><br />

Stoff als ätzend o<strong>der</strong> reizend e<strong>in</strong>gestuft.<br />

Wird die Haut <strong>in</strong>nerhalb von 4 h vollständig zerstört, wird <strong>der</strong> Stoff als „Ätzend“ mit dem<br />

Gefahrensymbol C und „R 34: Verursacht Verätzungen“ gekennzeichnet. Tritt die Zerstörung<br />

<strong>der</strong> Haut bereits <strong>in</strong>nerhalb von 3 M<strong>in</strong>uten auf, gilt „R 35: Verursacht schwere Verätzungen“.<br />

Ist die schädliche Wirkung auf die Haut begrenzt auf Entzündungen, wird <strong>der</strong> Stoff als „Reizend“<br />

mit dem Gefahrensymbol Xi gekennzeichnet. Durch R 36, 37 und/o<strong>der</strong> 38 wird die<br />

Wirkung weiter spezifiziert:<br />

„R 36: Reizt die Augen.“<br />

„R 37: Reizt die Atmungsorgane.“<br />

„R 38: Reizt die Haut.“<br />

Ätzende Stoffe s<strong>in</strong>d alle starken Säuren und Laugen. Schwache sowie verdünnte Säuren und<br />

Laugen wirken meist reizend. Beachten Sie, dass auch viele organische Basen (z.B. Am<strong>in</strong>e<br />

o<strong>der</strong> Alkalialkoholate) bzw. ihre Lösungen ätzend s<strong>in</strong>d.<br />

Viele organische Lösungsmittel s<strong>in</strong>d als reizend e<strong>in</strong>gestuft. Ihre Wirkung beruht meist auf <strong>der</strong><br />

Entfettung <strong>der</strong> Haut, sie wird rissig und spröde.<br />

Die Augen s<strong>in</strong>d beson<strong>der</strong>s gefährdet, Verätzungen führen zur Trübung <strong>der</strong> Hornhaut, die vor<br />

allem bei Verätzungen mit Basen oft irreversibel ist.<br />

E<strong>in</strong>e beson<strong>der</strong>e Gefahr stellen Verätzungen mit Fluss-Säure dar: <strong>in</strong> diesem Fall bildet sich<br />

ke<strong>in</strong> Schorf, <strong>der</strong> den Verlauf <strong>der</strong> Verätzungen normalerweise verzögert. Verätzungen mit<br />

Fluss-Säure verlaufen rasch und dr<strong>in</strong>gen sehr tief <strong>in</strong> das Gewebe e<strong>in</strong>.<br />

Vorsichtsmaßnahmen:<br />

Direkter Hautkontakt ist zu vermeiden, verwenden Sie für stark ätzende Substanzen immer<br />

Schutzhandschuhe. Nach Hautkontakt sofort mit viel Wasser abwaschen.<br />

19


1. Sicherheit im Labor – Allgeme<strong>in</strong>e H<strong>in</strong>weise zum chemischen Arbeiten<br />

Der Augenschutz vor Spritzern ist durch die obligatorische Schutzbrille gewährleistet. Sollte<br />

dennoch e<strong>in</strong>e ätzende Substanz <strong>in</strong> die Augen gelangen, ist das Auge bei weit geöffnetem Lidspalt<br />

m<strong>in</strong>destens 15 M<strong>in</strong>uten lang gründlich mit <strong>der</strong> Augendusche zu spülen, anschließend<br />

muss sofort <strong>der</strong> Augenarzt aufgesucht werden.<br />

Ätzende, leichtflüchtige Substanzen immer im Abzug handhaben und die Gefäße stets verschlossen<br />

halten.<br />

1.4.3 Krebserzeugende, erbgutverän<strong>der</strong>nde und reproduktionstoxische Stoffe<br />

Der Nachweis sogenannter CMR-Eigenschaften (C = cancerogen = krebserzeugend, M =<br />

mutagen = erbgutverän<strong>der</strong>nd und R = reproduktionstoxisch = fortpflanzungsgefährdend) von<br />

Substanzen ist schwierig, e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>deutiger Kausalzusammenhang für Menschen ist nur <strong>in</strong><br />

wenigen Fällen nachgewiesen. Ergebnisse aus Tierversuchen, Tests an Zelll<strong>in</strong>ien o<strong>der</strong> die<br />

Befunde epidemiologischer Studien s<strong>in</strong>d oft strittig.<br />

Rechtlich b<strong>in</strong>dend ist <strong>in</strong> Europa die Legale<strong>in</strong>stufung nach <strong>der</strong> Stoffliste im Anhang I <strong>der</strong><br />

Richtl<strong>in</strong>ie 67/548/EWG. Ergänzungen auf nationaler Ebene s<strong>in</strong>d möglich, sie werden <strong>in</strong><br />

Deutschland durch die TRGS 905 bekanntgegeben.<br />

Daneben nimmt die ‚Senatskommission zur Prüfung gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe‘<br />

<strong>der</strong> DFG eigene E<strong>in</strong>stufungen vor, die dem ‚Ausschuss für Gefahrstoffe (AGS)‘ vorgeschlagen<br />

werden. Nach <strong>der</strong> Bewertung durch den AGS können diese Vorschläge <strong>in</strong> die<br />

TRGS 905 aufgenommen werden o<strong>der</strong> bis zum Vorliegen e<strong>in</strong>deutiger Daten zurückgestellt<br />

werden. Dies kann dazu führen, dass e<strong>in</strong> Stoff nach den Erkenntnissen <strong>der</strong> Senatskommission<br />

als krebserzeugend anzusehen ist, nach <strong>der</strong> Legale<strong>in</strong>stufung aber auf dem Flaschenetikett ke<strong>in</strong><br />

H<strong>in</strong>weis auf die krebserzeugende Eigenschaft gegeben wird.<br />

Krebserzeugende Stoffe werden nach dem Anhang VI <strong>der</strong> Richtl<strong>in</strong>ie 67/548/EWG <strong>in</strong> drei<br />

Kategorien e<strong>in</strong>geteilt:<br />

Kategorie 1: Die krebserzeugende Wirkung beim Menschen ist bekannt und e<strong>in</strong> Kausalzusammenhang<br />

zwischen Krebsentstehung und Exposition h<strong>in</strong>reichend nachgewiesen.<br />

Kategorie 2: Stoffe, die als krebserzeugend für den Menschen angesehen werden sollten. Es<br />

bestehen h<strong>in</strong>reichende Anhaltspunkte zu <strong>der</strong> Annahme, dass die Exposition e<strong>in</strong>es Menschen<br />

gegenüber dem Stoff Krebs erzeugen kann. Diese Annahme beruht im Allgeme<strong>in</strong>en auf Langzeitversuchen<br />

bei Tieren o<strong>der</strong> sonstigen relevanten Informationen.<br />

Kategorie 3: Stoffe, die wegen möglicher krebserzeugen<strong>der</strong> Wirkung beim Menschen Anlass<br />

zu Besorgnis geben, über die jedoch ungenügende Informationen vorliegen. Aus Tierversuchen<br />

liegen e<strong>in</strong>ige Anhaltspunkte vor, die jedoch nicht ausreichen, um e<strong>in</strong>en Stoff <strong>in</strong> Kategorie<br />

2 e<strong>in</strong>zustufen.<br />

20


1.4 Gefahren durch giftige (toxische) Chemikalien<br />

Die Kennzeichnung erfolgt nach folgendem Schema:<br />

Kategorie R-Satz Gefahrensymbol<br />

K1 o<strong>der</strong> K2 R 45: Kann Krebs erzeugen. O<strong>der</strong>:<br />

R 49: Kann Krebs erzeugen beim E<strong>in</strong>atmen.<br />

T<br />

T<br />

K3 R 45: Kann möglicherweise Krebs erzeugen. Xn<br />

Mutagene (erbgutverän<strong>der</strong>nde) Stoffe führen e<strong>in</strong>e dauerhafte Verän<strong>der</strong>ung des Erbguts herbei.<br />

Es kann zur Verän<strong>der</strong>ung e<strong>in</strong>zelner Gene, ganzer Genblöcke o<strong>der</strong> des ganzen Chromosoms<br />

kommen, die Erbgutschädigung ist vererblich. Sie werden ebenfalls <strong>in</strong> drei Kategorien<br />

mit folgen<strong>der</strong> Kennzeichnung e<strong>in</strong>geteilt:<br />

Kategorie R-Satz Gefahrensymbol<br />

M1 o<strong>der</strong> M2 R 46: Kann vererbbare Schäden verursachen. T<br />

M3 R 68: Irreversibler Schaden möglich. Xn<br />

Bei reproduktionstoxischen (fortpflanzungsgefährdenden) Stoffen wird unterschieden<br />

zwischen:<br />

• Stoffen, welche die Fortpflanzungsfähigkeit (Fruchtbarkeit) gefährden (R F ) und<br />

• Stoffen, welche die Entwicklung ungeborener K<strong>in</strong><strong>der</strong> bee<strong>in</strong>trächtigen (fruchtschädigende<br />

Stoffe, R E ).<br />

Auch hier werden jeweils drei Kategorien unterschieden. Die Kennzeichnung erfolgt nach<br />

dem Schema:<br />

Kategorie R-Satz Gefahrensymbol<br />

R F 1 o<strong>der</strong> R F 2 R 60: Kann die Fortpflanzungsfähigkeit bee<strong>in</strong>trächtigen. T<br />

R E 1 o<strong>der</strong> R E 2 R 61: Kann das K<strong>in</strong>d im Mutterleib schädigen.<br />

T<br />

R F 3 R 62: Kann möglicherweise die Fortpflanzungsfähigkeit Xn<br />

bee<strong>in</strong>trächtigen.<br />

R E 3 R 63: Kann das K<strong>in</strong>d im Mutterleib möglicherweise<br />

schädigen.<br />

Xn<br />

Vorsichtsmaßnahmen:<br />

Pr<strong>in</strong>zipiell sollten krebserzeugende, mutagene und reproduktionstoxische Stoffen vermieden<br />

und durch weniger gefährliche Stoffe ersetzt werden. Wenn das nicht möglich ist, muss die<br />

Exposition auf e<strong>in</strong> M<strong>in</strong>imum beschränkt, also direkter Hautkontakt und E<strong>in</strong>atmen vermieden<br />

werden. Es s<strong>in</strong>d dieselben Vorsichtsmaßnahmen wie beim Umgang mit sehr giftigen Stoffen<br />

zu treffen.<br />

21


1. Sicherheit im Labor – Allgeme<strong>in</strong>e H<strong>in</strong>weise zum chemischen Arbeiten<br />

Schwangere Frauen dürfen nach <strong>der</strong> Mutterschaftsverordnung (MuSchV) mit krebserzeugenden,<br />

mutagenen und reproduktionstoxischen Stoffen überhaupt nicht <strong>in</strong> Berührung kommen.<br />

1.4.4 Sensibilisierende Stoffe<br />

Manche Stoffe können durch E<strong>in</strong>atmen o<strong>der</strong> Hautkontakt Allergien auslösen. Sie werden nach<br />

dem Anhang I <strong>der</strong> EG-Richtl<strong>in</strong>ie 67/548 gekennzeichnet mit:<br />

Xn<br />

Xi<br />

„R 42: Sensibilisierung durch E<strong>in</strong>atmen möglich.“<br />

„R 43: Sensibilisierung durch Hautkontakt möglich.“<br />

Ergänzend dazu werden <strong>in</strong> <strong>der</strong> TRGS 907 Stoffe aufgelistet, die <strong>in</strong> <strong>der</strong> EG-Richtl<strong>in</strong>ie noch<br />

nicht als sensibilisierend e<strong>in</strong>gestuft wurden.<br />

Vorsichtsmaßnahmen:<br />

Hautkontakt und E<strong>in</strong>atmen sollten vermieden werden, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e wenn bereits e<strong>in</strong>e Überempf<strong>in</strong>dlichkeit<br />

gegenüber dem betreffenden o<strong>der</strong> auch an<strong>der</strong>en Stoffen besteht.<br />

1.5 Gefahren für die Umwelt<br />

Chemikalien können bei Freisetzung <strong>in</strong> die Umwelt Schäden anrichten, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />

wenn sie <strong>in</strong> das Abwasser gelangen. Diese Gefahren werden mit den<br />

R-Sätzen 50 bis 59 beschrieben, zusammen mit dem Gefahrensymbol N:<br />

R-Satz<br />

R 50: Sehr giftig für Wasserorganismen<br />

R 51: Giftig für Wasserorganismen<br />

R 54: Giftig für Pflanzen<br />

R 55: Giftig für Tiere<br />

R 56: Giftig für Bodenorganismen<br />

R 57: Giftig für Bienen<br />

R 58: Kann längerfristig schädliche Wirkungen auf die Umwelt haben<br />

R 59: Gefährlich für die Ozonschicht.<br />

R 52: Schädlich für Wasserorganismen<br />

R 53: Kann <strong>in</strong> Gewässern längerfristige schädliche Wirkungen haben.<br />

Gefahrensymbol<br />

N<br />

ohne<br />

Gefahrensymbol<br />

Im normalen Laborbetrieb werden alle gefährlichen Abfälle <strong>in</strong> beson<strong>der</strong>en Behältern gesammelt<br />

und e<strong>in</strong>er ordnungsgemäßen Entsorgung zugeführt, so dass das Risiko e<strong>in</strong>er Umwelt-<br />

22


1.5 Gefahren für die Umwelt<br />

schädigung eher ger<strong>in</strong>g ist (siehe Kapitel 1.8). E<strong>in</strong>e Ausnahme s<strong>in</strong>d freiwerdende Dämpfe, die<br />

über die Abluft <strong>in</strong> die Atmosphäre gelangen können.<br />

Das Abdampfen von Lösungsmitteln o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en flüchtigen Stoffen im Abzug ist nicht erlaubt,<br />

auch wenn es <strong>in</strong> (älteren) Vorschriften empfohlen wird. Verwenden Sie zum Entfernen<br />

von Lösungsmitteln Destillationsapparaturen o<strong>der</strong> Rotationsverdampfer. Zur Vakuumerzeugung<br />

sollten Wasserstrahlpumpen durch Membranpumpen mit Emissionskondensator ersetzt<br />

werden, dadurch wird <strong>der</strong> E<strong>in</strong>trag von flüchtigen Stoffen <strong>in</strong> das Abwasser sehr wirkungsvoll<br />

reduziert. Reste von gefährlichen flüchtigen Chemikalien (z.B. Brom) dürfen nicht im Abzug<br />

durch Verdampfen ‚entsorgt‘ werden, son<strong>der</strong>n müssen unmittelbar durch chemische Reaktionen<br />

zu ungefährlichen und nicht reaktiven Stoffen umgesetzt (‚vernichtet‘) werden (z.B.<br />

Reduktion von Brom zu Bromid). Danach können sie <strong>in</strong> die entsprechenden Son<strong>der</strong>abfallbehälter<br />

gegeben werden.<br />

1.6 Weitere typische Gefahren im Labor<br />

1.6.1 Schnittverletzungen<br />

Schnittverletzungen s<strong>in</strong>d die häufigsten Verletzungen im Labor, sie s<strong>in</strong>d meist auf Unachtsamkeit<br />

und Missachtung <strong>der</strong> e<strong>in</strong>fachsten Vorsichtmaßnahmen zurückzuführen:<br />

• Achten Sie darauf, dass alle verwendeten Glasgeräte e<strong>in</strong>wandfrei s<strong>in</strong>d, d.h. ke<strong>in</strong>e Sprünge,<br />

Risse o<strong>der</strong> scharfen Kanten haben.<br />

• Scherben o<strong>der</strong> Glasbruch (z.B. zerbrochene Pipetten, Glasrohre o<strong>der</strong> -stäbe) gehören<br />

ausschließlich <strong>in</strong> Sammelbehälter für Laborglasabfall. Fassen Sie Scherben nie mit <strong>der</strong><br />

bloßen Hand, son<strong>der</strong>n nur mit (Tiegel-) Zangen, P<strong>in</strong>zetten o<strong>der</strong> speziellen Schnittschutzhandschuhen<br />

an.<br />

• Verwenden Sie zum Aufziehen von Schläuchen auf Glasrohre und Glasoliven-Anschlüsse<br />

o<strong>der</strong> beim Durchführen von Glasrohren durch Gummistopfen immer e<strong>in</strong>ige Tropfen<br />

Gleitmittel, z.B. Glycer<strong>in</strong>. Gewaltanwendung kann zu Bruch und gefährlichen Handverletzungen<br />

führen. Bei PVC-Schläuchen hilft E<strong>in</strong>tauchen <strong>in</strong> warmes Wasser. Versuchen<br />

Sie nie, festsitzende Schläuche mit Gewalt abzuziehen, man schneidet sie besser ab.<br />

• Versuchen Sie nicht, festsitzende Schliffverb<strong>in</strong>dungen durch kräftiges Ziehen zu lösen.<br />

Es besteht die Gefahr, dass sie zerbrechen. Sie können durch Klopfen mit e<strong>in</strong>em Holzstück<br />

(z.B. Hammerstiel) und leichtem Zug gelockert werden. Durch Erwärmen mit e<strong>in</strong>em<br />

Heißluftföhn o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>em Gasbrenner können festgebackene Schliffe ebenfalls gelöst<br />

werden, die Apparatur darf dann aber ke<strong>in</strong>e Chemikalien enthalten, die sich entzünden<br />

können! Das E<strong>in</strong>legen <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Ultraschallbad, am besten bei ca. 60 °C, hat sich ebenfalls<br />

bewährt. Wenn nichts hilft, den Glasbläser aufsuchen.<br />

23


1. Sicherheit im Labor – Allgeme<strong>in</strong>e H<strong>in</strong>weise zum chemischen Arbeiten<br />

1.6.2 Verbrennungen und Verbrühungen<br />

Verbrennungen an heißen Gegenständen o<strong>der</strong> Verbrühungen durch heiße Öl- o<strong>der</strong> Wasserbä<strong>der</strong><br />

kommen im Labor relativ häufig vor:<br />

• Entnehmen Sie die Glasgeräte nie mit bloßen Händen aus dem (heißen) Trockenschrank.<br />

• Lassen Sie Apparaturen pr<strong>in</strong>zipiell immer erst abkühlen, bevor Sie sie abbauen. Wenn mit<br />

heißen Lösungen gearbeitet wird (z.B. Umkristallisation aus heißen Solventien mit anschließen<strong>der</strong><br />

Heißfiltration) empfiehlt es sich, den heißen Kolben <strong>in</strong> <strong>der</strong> Stativklammer<br />

e<strong>in</strong>gespannt zu lassen und die Klammer als ‚Haltegriff‘ zu verwenden.<br />

• Heiz- und Kältebä<strong>der</strong> sollten immer auf Laborhebebühnen stehen und sich durch e<strong>in</strong>faches<br />

Herunterdrehen <strong>der</strong> Hebebühne vollständig von <strong>der</strong> Apparatur entfernen lassen.<br />

• Heiße Heizbä<strong>der</strong> dürfen ebenso wie Kältebä<strong>der</strong> (Dewar-Behälter mit Kältemischungen)<br />

nicht transportiert werden. Lassen Sie Heizbä<strong>der</strong> zuvor abkühlen und Kältebä<strong>der</strong> auf<br />

Raumtemperatur kommen.<br />

1.7 Verhalten bei Laborunfällen<br />

Informieren Sie sich vor dem Arbeiten im Labor über alle Sicherheitse<strong>in</strong>richtungen (Fluchtwege,<br />

Notruftelefon, Feuermel<strong>der</strong>, Rettungstreffpunkte, Feuerlöscher, Notduschen, Augenduschen,<br />

Löschdecken, Absperrventile für Gas und Strom usw.). Nur dann können Sie bei e<strong>in</strong>em<br />

Unfall schnell handeln. Aus Sicherheitsgründen ist es grundsätzlich nicht gestattet, alle<strong>in</strong> im<br />

Labor zu arbeiten!<br />

• Informieren Sie die Nachbarlabore und das technische Personal über den Unfall.<br />

• Verletzte Personen müssen schnellstens <strong>in</strong> Sicherheit gebracht und wenn nötig ärztlich<br />

versorgt werden.<br />

• Begeben Sie sich nie alle<strong>in</strong> <strong>in</strong> Gefahr! E<strong>in</strong>e zweite Person muss die Sicherung übernehmen.<br />

1.7.1 Laborbrände<br />

• Bei Personen muss das Feuer so schnell als möglich mit <strong>der</strong> Löschdecke erstickt o<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />

Notdusche gelöscht werden. Bewährt haben sich auch kle<strong>in</strong>e, tragbare Kohlendioxidlöscher.<br />

• Laborbrände sollten generell nicht mit Wasser gelöscht werden! Alkalimetalle, Metallhydride<br />

und komplexe Metallhydride können mit Wasser explosionsartig reagieren. Wenn<br />

Wasser <strong>in</strong> heiße Ölbä<strong>der</strong> gelangt, kann das explosionsartig verdampfende Wasser das<br />

heiße Öl im weiten Umkreis verspritzen. H<strong>in</strong>weise auf geeignete Löschmittel f<strong>in</strong>den Sie<br />

im S-Satz 43.<br />

24


1.7 Verhalten bei Laborunfällen<br />

• Kalte Flammen, z.B. von brennendem Ethanol, können mit e<strong>in</strong>er Feuerlöschdecke o<strong>der</strong><br />

e<strong>in</strong>em Handtuch erstickt werden.<br />

• Bei normalen Bränden s<strong>in</strong>d Kohlendioxid-Löscher die Methode <strong>der</strong> Wahl.<br />

• Bei Gas- o<strong>der</strong> Schwelbränden sollte e<strong>in</strong> Pulverlöscher verwendet werden. Der E<strong>in</strong>satz<br />

von Pulverlöschern führt dazu, dass das gesamte Labor mit e<strong>in</strong>er weißen Pulverschicht<br />

bedeckt wird.<br />

• Brände von Alkali- und Erdalkalimetallen und Hydride lassen sich we<strong>der</strong> mit<br />

Kohlendioxid- noch mit Pulverlöschern bekämpfen, Kohlendioxid unterhält den Brand <strong>in</strong><br />

diesen Fällen sogar. Bei begrenzten Bränden kann das Abdecken mit Sand genügen, bei<br />

größeren Bränden müssen spezielle Metallbrandlöscher verwendet werden.<br />

• Brände s<strong>in</strong>d immer von unten nach oben zu bekämpfen. Halten Sie Abstand zum<br />

Brandherd (etwa 2 m).<br />

• Veranlassen Sie, dass Neugierige den Unfallort verlassen.<br />

Wenn die Löschversuche nicht unmittelbar zum Erfolg führen, müssen weitere Maßnahmen<br />

ergriffen werden:<br />

• Lösen Sie Feueralarm aus (Feuermel<strong>der</strong>, Notruf über Telefon).<br />

• Versuchen Sie, die Ausweitung des Brandes zu verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n, soweit es ohne Gefahr möglich<br />

ist.<br />

• Br<strong>in</strong>gen Sie Lösungsmittelflaschen, Druckgasflaschen etc. aus dem Gefahrenbereich.<br />

• Trennen Sie die Gaszufuhr über die zentralen Absperrventile.<br />

• Trennen Sie die Stromversorgung über die Hauptsicherung.<br />

• Schließen Sie die Fenster und Labortüren. Dadurch kann die Ausbreitung des Feuers für<br />

e<strong>in</strong>ige Zeit verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t werden.<br />

1.7.2 Erste Hilfe bei Verletzungen<br />

• Schnittwunden nicht auswaschen. Es ist besser, sie erst e<strong>in</strong>ige Zeit bluten zu lassen,<br />

dabei werden Fremdkörper o<strong>der</strong> Chemikalien ausgespült. Dann wird die Wunde mit Verbandmaterial<br />

abgedeckt.<br />

• Brandverletzungen müssen so schnell als möglich mit fließendem, kaltem Wasser behandelt<br />

werden, die Behandlung sollte längere Zeit erfolgen.<br />

• Verätzungen o<strong>der</strong> Kontam<strong>in</strong>ation <strong>der</strong> Haut mit Chemikalien werden ebenfalls mit<br />

fließendem, kaltem Wasser behandelt, wenn größere Hautpartien betroffen s<strong>in</strong>d unter <strong>der</strong><br />

Notdusche. Kleidung, die mit Chemikalien kontam<strong>in</strong>iert ist, muss unbed<strong>in</strong>gt abgelegt<br />

werden. Ist die Chemikalie schlecht o<strong>der</strong> gar nicht wasserlöslich wird zunächst Seife<br />

benutzt, anschließend wird mit Polyethylenglykol 400 gewaschen.<br />

• Bei Verletzungen sollte nach <strong>der</strong> ersten Wundversorgung immer e<strong>in</strong> ausgebildeter Ersthelfer,<br />

bei größeren Verletzungen e<strong>in</strong> Arzt zu Rate gezogen werden. Informieren Sie den<br />

Arzt über den Unfallhergang und die verwendeten Chemikalien. Im Zweifelsfall Kontakt<br />

mit dem zuständigen Giftnotfallzentrum aufnehmen.<br />

25


1. Sicherheit im Labor – Allgeme<strong>in</strong>e H<strong>in</strong>weise zum chemischen Arbeiten<br />

Tabelle 1.3: Giftnotrufzentralen <strong>in</strong> Deutschland.<br />

Berl<strong>in</strong><br />

BBGes – Giftnotruf Berl<strong>in</strong><br />

Institut für Toxikologie<br />

Kl<strong>in</strong>ische Toxikologie und Giftnotruf Berl<strong>in</strong><br />

Karl-Bonhoeffer Str. 285<br />

13437 Berl<strong>in</strong><br />

Tel: 030-19240<br />

Fax: 030-3068-6721<br />

eMail: Mail@giftnotruf.de<br />

Internet: http://www.giftnotruf.de/<br />

Charité - Universitätsmediz<strong>in</strong> Berl<strong>in</strong><br />

Campus Virchow Kl<strong>in</strong>ikum<br />

Kl<strong>in</strong>ik für Nephrologie und <strong>in</strong>ternistische Intensivmediz<strong>in</strong>, Gift<strong>in</strong>formation<br />

Augustenburger Platz 1<br />

13353 Berl<strong>in</strong><br />

Tel: 030-450-653555<br />

Fax: 030-450-553915<br />

eMail: gift<strong>in</strong>fo@charite.de<br />

Internet: http://www.charite.de/rv/nephro/<br />

Bonn<br />

Erfurt<br />

Freiburg<br />

Informationszentrale gegen Vergiftungen<br />

Zentrum für K<strong>in</strong><strong>der</strong>heilkunde Universitätskl<strong>in</strong>ikum Bonn<br />

Adenauerallee 119<br />

53113 Bonn<br />

Tel: 0228-19240<br />

Fax: 0228-287-3314<br />

eMail: GIZBN@ukb.uni-bonn.de<br />

Internet: http://www.meb.uni-bonn.de/giftzentrale/<br />

Geme<strong>in</strong>sames Gift<strong>in</strong>formationszentrum <strong>der</strong> Län<strong>der</strong><br />

Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt, und Thür<strong>in</strong>gen<br />

Nordhäuser Str. 74<br />

99089 Erfurt<br />

Tel: 0361-730-730<br />

Fax: 0361-730-7317<br />

eMail: Info@ggiz-erfurt.de<br />

Internet: http://www.ggiz-erfurt.de<br />

Zentrum für K<strong>in</strong><strong>der</strong>heilkunde und Jugendmediz<strong>in</strong><br />

Vergiftungs-Informations-Zentrale<br />

Mathildenstr. 1<br />

79106 Freiburg<br />

Tel: 0761-19240<br />

Fax: 0761-270-4457<br />

eMail: gift<strong>in</strong>fo@kikli.ukl.uni-freiburg.de<br />

Internet: http://www.giftberatung.de<br />

26


1.7 Verhalten bei Laborunfällen<br />

Tabelle 1.3 (Fortsetzung): Giftnotrufzentralen <strong>in</strong> Deutschland.<br />

Gött<strong>in</strong>gen<br />

Homburg<br />

Ma<strong>in</strong>z<br />

München<br />

Nürnberg<br />

Gift<strong>in</strong>formationszentrum-Nord <strong>der</strong> Län<strong>der</strong> Bremen, Hamburg,<br />

Nie<strong>der</strong>sachsen und Schleswig-Holste<strong>in</strong> (GIZ-Nord)<br />

Universität Gött<strong>in</strong>gen - Bereich Humanmediz<strong>in</strong><br />

Robert Koch-Str. 40<br />

37075 Gött<strong>in</strong>gen<br />

Tel: 0551-383180<br />

Fax: 0551-3831881<br />

eMail: giznord@giz-nord.de<br />

Internet: http://www.Giz-Nord.de<br />

Informations- und Beratungszentrum für Vergiftungsfälle<br />

Kl<strong>in</strong>ik für K<strong>in</strong><strong>der</strong>- und Jugendmediz<strong>in</strong><br />

66421 Homburg / Saar<br />

Tel: 06841-1628314<br />

Fax: 06841-1628438<br />

Internet: http://www.unikl<strong>in</strong>ikumsaarland.de/k<strong>in</strong><strong>der</strong>kl<strong>in</strong>ik/Vergiftungszentrale/vergiftungszentrale.html<br />

Kl<strong>in</strong>ische Toxikologie und Beratungsstelle bei Vergiftungen <strong>der</strong> Län<strong>der</strong><br />

Rhe<strong>in</strong>land-Pfalz und Hessen<br />

Universitätskl<strong>in</strong>ikum<br />

Langenbeckstr. 1<br />

55131 Ma<strong>in</strong>z<br />

Tel: 06131-19240 o<strong>der</strong> 232466<br />

Fax: 06131-232469 o<strong>der</strong> 176605<br />

eMail: gift<strong>in</strong>fo@gift<strong>in</strong>fo.uni-ma<strong>in</strong>z.de<br />

Internet: http://www.gift<strong>in</strong>fo.uni-ma<strong>in</strong>z.de/<br />

Giftnotruf München<br />

Toxikolog. Abt. <strong>der</strong> II. Med. Kl<strong>in</strong>ik und Polikl<strong>in</strong>ik, rechts <strong>der</strong> Isar <strong>der</strong> Technischen<br />

Universität München<br />

Isman<strong>in</strong>ger Str. 22<br />

81675 München<br />

Tel: 089-19240<br />

eMail: tox@lrz.tu-muenchen.de<br />

Internet: http://www.tox<strong>in</strong>fo.org<br />

Giftnotrufzentrale Nürnberg<br />

Med. Kl<strong>in</strong>ik 2, Kl<strong>in</strong>ikum Nürnberg, Lehrstuhl Innere Mediz<strong>in</strong>-Gerontologie,<br />

Universität Erlangen-Nürnberg<br />

Prof.-Ernst-Nathan-Str. 1<br />

90419 Nürnberg<br />

Tel: 0911-398 2665<br />

Fax: 0911-398 2192<br />

eMail: muehlberg@kl<strong>in</strong>ikum-nuernberg.de<br />

Internet: http://www.gift<strong>in</strong>formation.de<br />

27


1. Sicherheit im Labor – Allgeme<strong>in</strong>e H<strong>in</strong>weise zum chemischen Arbeiten<br />

• Wenn Chemikalien <strong>in</strong> die Augen gelangt s<strong>in</strong>d, ist e<strong>in</strong>e m<strong>in</strong>destens 15-m<strong>in</strong>ütige Spülung<br />

des Auges bei weit geöffnetem Lidspalt nötig. Meistens ist <strong>der</strong> Verletzte nicht <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage,<br />

das Auge geöffnet zu halten, deshalb muss e<strong>in</strong> Helfer das Auge geöffnet halten. Nach <strong>der</strong><br />

Erstversorgung ist e<strong>in</strong> Augenarzt aufzusuchen.<br />

• Besteht <strong>der</strong> Verdacht, dass giftige o<strong>der</strong> ätzende Stoffe <strong>in</strong>haliert wurden, muss <strong>der</strong> Betroffene<br />

rasch an die frische Luft gebracht und <strong>der</strong> Notarzt verständigt werden. Wenn<br />

vorhanden, kann bei Atemnot Cortison (z.B. Auxiloson-Spray) zur Lungenödem-Prophylaxe<br />

gegeben werden. Versuchen Sie Informationen über die Art des <strong>in</strong>halierten Stoffes zu<br />

erhalten und <strong>in</strong>formieren Sie den Notarzt.<br />

• Wurden Chemikalien verschluckt, darf auf ke<strong>in</strong>en Fall Erbrechen ausgelöst werden. Sofort<br />

den Notarzt verständigen. Inzwischen klären, welche Chemikalien verschluckt wurden,<br />

viel Wasser tr<strong>in</strong>ken lassen und das zuständige Giftnotfallzentrum (Tab. 1.3) konsultieren.<br />

1.7.3 Verschüttete Chemikalien<br />

Sichern Sie die betreffende Stelle ab! Falls die Substanz im Abzug verschüttet wurde, wird<br />

<strong>der</strong> Frontschieber sofort geschlossen. Informieren Sie die Personen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Umgebung! Die<br />

weitere Vorgehensweise richtet sich nach den Eigenschaften und <strong>der</strong> Menge <strong>der</strong> freigesetzten<br />

Chemikalien:<br />

• Kle<strong>in</strong>e Mengen verschütteter, nicht reaktiver Flüssigkeiten sollten mit e<strong>in</strong>em Papiertuch<br />

o<strong>der</strong> Zellstoff aufgenommen werden. Bei leichtflüchtigen Substanzen lässt man dann das<br />

getränkte Papier im Abzug ausdampfen, bei schwerer flüchtigen Flüssigkeiten wird das<br />

getränkte Papier <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Kunststoffbeutel verpackt <strong>in</strong> den entsprechenden Sammelbehälter<br />

für Feststoffe gegeben.<br />

• Kle<strong>in</strong>e Mengen von Säuren, Laugen o<strong>der</strong> Salzen (nicht Schwermetallsalze!) werden mit<br />

Wasser verdünnt und <strong>in</strong> das Abwasser gespült.<br />

• Reaktive Flüssigkeiten sowie alle größeren Flüssigkeitsmengen werden mit Adsorptionsmaterial<br />

aufgenommen (z.B. Vermiculite o<strong>der</strong> Chemizorb). Das getränkte Material<br />

muss falls nötig desaktiviert werden, danach <strong>in</strong> Kunststoffbeutel verpackt <strong>in</strong> die entsprechenden<br />

Sammelbehälter für Feststoffe geben.<br />

• Feststoffe werden vorsichtig zusammengekehrt, Staubentwicklung sollte durch Anfeuchten<br />

mit wenig Wasser verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t werden.<br />

• Wenn sehr reaktive o<strong>der</strong> giftige Stoffe freigesetzt werden, muss das Labor sofort<br />

geräumt werden. Informieren Sie alle Personen! Die Entsorgung darf nur von erfahrenen<br />

Personen, evtl. mit Atemschutz und spezieller Schutzkleidung durchgeführt werden.<br />

• Wurde Quecksilber freigesetzt (z.B. beim Bruch e<strong>in</strong>es Thermometers) muss es sorgfältig<br />

zusammengekehrt werden. Große Kugeln werden mit e<strong>in</strong>er Quecksilberzange aufgenommen,<br />

kle<strong>in</strong>ere Kügelchen mit Hilfe e<strong>in</strong>es speziellen Absorptionsmittels (z.B. Mercurisorb).<br />

Alle quecksilberhaltigen Abfälle müssen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em speziellen Behälter gesammelt werden.<br />

Ist Quecksilber auf den Boden gefallen, muss weiträumig (auch unter Schränken und<br />

zwischen den Bodenfugen) mit Absorptionsmittel gere<strong>in</strong>igt werden!<br />

28


1.8 Entsorgung von Chemikalien – Recycl<strong>in</strong>g<br />

1.8 Entsorgung von Chemikalien – Recycl<strong>in</strong>g<br />

Chemikalien dürfen niemals unkontrolliert <strong>in</strong> die Umwelt gelangen. Im Labor dürfen sie auf<br />

ke<strong>in</strong>en Fall <strong>in</strong>s Abwasser gelangen. Verunre<strong>in</strong>igte Chemikalien müssen <strong>der</strong> geordneten<br />

Entsorgung zugeführt werden.<br />

Zur sicheren Entsorgung von Chemikalien (Feststoffe, Flüssigkeiten) müssen die anfallenden<br />

Laborabfälle – nach Gruppen getrennt – <strong>in</strong> speziellen Son<strong>der</strong>abfallbehältern gesammelt<br />

werden, um sie später entsprechend ihrer Eigenschaften zu entsorgen.<br />

Die Entsorgungskonzepte können an den verschiedenen Instituten unterschiedlich se<strong>in</strong>,<br />

<strong>in</strong>formieren Sie sich!<br />

Feststoffe werden e<strong>in</strong>zeln verpackt und beschriftet (<strong>in</strong> Behältern o<strong>der</strong> <strong>in</strong> Plastiktüten) und<br />

getrennt nach anorganischen, organischen und schwermetallsalzhaltigen Stoffen <strong>in</strong> die Sammelbehälter<br />

für Feststoffe gegeben. Dadurch wird <strong>der</strong> direkte Kontakt von unverträglichen<br />

Substanzen verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t.<br />

Flüssigkeiten müssen <strong>in</strong> allen Fällen getrennt gesammelt werden:<br />

• Organische, halogen- und wasserfreie Lösungsmittel<br />

• Organische, halogenhaltige, wasserfreie Lösungsmittel<br />

• Wässrige, halogenfreie Lösungsmittel und Waschwässer, verunre<strong>in</strong>igt mit organischen,<br />

halogenfreien Stoffen<br />

• Wässrige, halogenhaltige Lösungsmittel und Waschwässer, verunre<strong>in</strong>igt mit organischen,<br />

halogenhaltigen Stoffen<br />

• Wässrige Lösungen von Schwermetallen<br />

Desaktivierung reaktiver Chemikalien<br />

Chemikalienreste, die <strong>in</strong> die Son<strong>der</strong>abfallbehälter gegeben werden, dürfen nicht reaktiv se<strong>in</strong><br />

und ke<strong>in</strong>e unkontrollierten Reaktionen im Abfallbehälter verursachen, sie müssen vorher<br />

desaktiviert werden:<br />

• Natriumreste werden <strong>in</strong> <strong>der</strong> nebenstehenden Apparatur durch Zutropfen<br />

von 2-Propanol o<strong>der</strong> Ethanol zu Natriumalkoholaten umgesetzt.<br />

Wenn die Wasserstoffentwicklung beendet ist, wird vorsichtig<br />

mit Wasser versetzt. Nach <strong>der</strong> Neutralisation mit verdünnter Schwefelsäure<br />

wird die Lösung <strong>in</strong> den Son<strong>der</strong>abfallbehälter für halogenfreie,<br />

wässrige organische Solventien gegeben.<br />

29


1. Sicherheit im Labor – Allgeme<strong>in</strong>e H<strong>in</strong>weise zum chemischen Arbeiten<br />

• Alkalihydride, Alkaliamide und Natriumdispersionen (häufig als Disperion <strong>in</strong> Weißöl)<br />

werden <strong>in</strong> <strong>der</strong> gleichen Apparatur <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em <strong>in</strong>ertem Lösungsmittel (z.B. Toluol) suspendiert.<br />

Unter Rühren tropft man langsam 2-Propanol o<strong>der</strong> Ethanol zu. Wenn die Umsetzung<br />

unter Wasserstoffentwicklung beendet ist, wird mit Wasser verdünnt, mit verdünnter<br />

Schwefelsäure neutralisiert und <strong>in</strong> den Son<strong>der</strong>abfallbehälter für halogenfreie, wässrige<br />

organische Solventien gegeben.<br />

• Lithiumalum<strong>in</strong>iumhydrid wird <strong>in</strong> <strong>der</strong> gleichen Apparatur <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Ether (z.B. 1,4-<br />

Dioxan o<strong>der</strong> THF) aufgeschlämmt und tropfenweise unter Rühren mit e<strong>in</strong>er 1:4-Mischung<br />

aus Ethylacetat und dem Ether versetzt. Dabei darf die Ethylacetat/Ether-Mischung nicht<br />

an <strong>der</strong> Kolben<strong>in</strong>nenwand herunterlaufen, da sich sonst ‚Klumpen‘ bilden, die noch nicht<br />

hydrolysiertes Lithiumalum<strong>in</strong>iumhydrid e<strong>in</strong>schließen. Wenn die Wasserstoffentwicklung<br />

beendet ist, wird zuerst vorsichtig Wasser zugegeben, anschließend wird mit verd.<br />

Schwefelsäure neutralisiert und <strong>in</strong> den Son<strong>der</strong>abfallbehälter mit halogenfreien, wässrigen<br />

organischen Solventien gegeben.<br />

• Viele Hydrierkatalysatoren (z. B. Raney-Nickel) s<strong>in</strong>d pyrophor. Sie können sich im<br />

trockenen Zustand an <strong>der</strong> Luft spontan entzünden und dürfen nie direkt <strong>in</strong> den Son<strong>der</strong>abfall<br />

gegeben werden. Zur Entsorgung wird zu e<strong>in</strong>er Suspension von Raney-Nickel <strong>in</strong> Wasser<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> gleichen Apparatur vorsichtig konz. Salzsäure zugetropft, bis sich e<strong>in</strong>e klare<br />

Lösung gebildet hat. Nach <strong>der</strong> Neutralisation kann diese Lösung <strong>in</strong> den wässrigen<br />

Schwermetallabfall gegeben werden.<br />

• Pyrophore Edelmetall-Katalysatoren werden getrennt (unter Wasser) gesammelt und <strong>der</strong><br />

Wie<strong>der</strong>aufbereitung zugeführt.<br />

• Anorganische Säurechloride und Anhydride werden unter Rühren vorsichtig portionsweise<br />

<strong>in</strong> 2 M Natronlauge e<strong>in</strong>getragen. Nach Neutralisation mit verdünnter Salzsäure wird<br />

die Lösung <strong>in</strong> den Son<strong>der</strong>abfallbehälter für halogenhaltigen, wässrigen anorganischen<br />

Son<strong>der</strong>abfall gegeben. Die hydrolysierten Lösungen unproblematischer Säurechloride und<br />

Anhydride (z. B. Phosphorpentoxid, Phosphortrichlorid, Phosphoroxychlorid) können mit<br />

reichlich Wasser verdünnt <strong>in</strong>s Abwasser gegeben werden.<br />

• Organische Säurechloride und Anhydride werden vorsichtig unter Rühren und Kühlung<br />

<strong>in</strong> Ethanol getropft. Nach Neutralisation mit 2 M Natronlauge wird die Lösung <strong>in</strong> den<br />

Son<strong>der</strong>abfallbehälter für halogenhaltige, wässrige organische Solventien gegeben.<br />

• Brom wird durch wässrige Sulfit- o<strong>der</strong> Thiosulfatlösung zu Bromid reduziert. Nach <strong>in</strong>tensiver<br />

Verdünnung mit Wasser kann die Lösung dem Abwassersystem zugeführt werden.<br />

Die Sulfit- bzw. Thiosulfatlösung muss vor Beg<strong>in</strong>n des Versuchs <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em großen Becherglas<br />

bereitgestellt werden, damit alle mit Brom verunre<strong>in</strong>igten Geräte sofort re<strong>in</strong>igen zu<br />

können. Auf ke<strong>in</strong>en Fall dürfen Bromreste mit Aceton <strong>in</strong> Berührung kommen, da sich<br />

dabei stark tränenreizendes Bromaceton bildet.<br />

• Papierfilter und an<strong>der</strong>e feste Materialien (z.B. Trockenmittel), die noch lösungsmittelfeucht<br />

s<strong>in</strong>d, lässt man im Abzug liegen, bis die Solventien abgedampft s<strong>in</strong>d. Erst dann<br />

werden sie <strong>in</strong> Plastikbeutel verpackt <strong>in</strong> den Abfallbehälter für Feststoffe verbracht.<br />

30


1.8 Entsorgung von Chemikalien – Recycl<strong>in</strong>g<br />

Redestillation (Recycl<strong>in</strong>g) von Lösungsmitteln – Recycl<strong>in</strong>g-Destillationslabor<br />

Die Entsorgung von Chemikalien durch Spezialfirmen ist außerordentlich teuer. Um die<br />

Menge <strong>der</strong> organischen Solventien und damit auch die Entsorgungskosten zu reduzieren,<br />

empfiehlt es sich, Lösungsmittel, die <strong>in</strong> größeren Mengen e<strong>in</strong>gesetzt werden, getrennt zu sammeln<br />

und destillativ zu re<strong>in</strong>igen, so dass sie wie<strong>der</strong> verwendet werden können.<br />

Für die e<strong>in</strong>zelnen Lösungsmittel stehen beschriftete Sammelbehälter auf. Das Recycl<strong>in</strong>g kann<br />

nur funktionieren, wenn die gebrauchten Lösungsmittel zuverlässig <strong>in</strong> die dafür vorgesehenen<br />

Behälter gegeben werden. Destillativ nicht trennbare Gemische können im Normalfall nicht<br />

recycelt werden – sie werden nicht getrennt gesammelt, son<strong>der</strong>n direkt <strong>der</strong> Entsorgung<br />

zugeführt.<br />

Das Recycl<strong>in</strong>g-Destillationslabor sollte wegen <strong>der</strong> anfallenden Solvensmengen e<strong>in</strong> geson<strong>der</strong>ter<br />

Raum se<strong>in</strong>, gegebenenfalls ist e<strong>in</strong>e Explosionsschutz-Ausstattung notwendig.<br />

Die gesammelten e<strong>in</strong>heitlichen Solventien werden zunächst <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em großen Rotationsverdampfer<br />

(25 l) von höher siedenden Verunre<strong>in</strong>igungen und Wasser abgetrennt (siehe auch<br />

Kapitel 4.2.8). Lösungsmittel, die leicht Peroxide bilden, müssen vor <strong>der</strong> Destillation auf Peroxide<br />

überprüft werden. Am besten wird bereits zu den Sammelbehältern e<strong>in</strong> geeigneter<br />

Stabilisator gegeben.<br />

In e<strong>in</strong>em zum Destillationslabor gehörenden e<strong>in</strong>fachen Gaschromatographen wird das<br />

Destillat auf mögliche Verunre<strong>in</strong>igungen geprüft. Das Rohdestillat wird anschließend über<br />

e<strong>in</strong>e Destillationskolonne (~ 1 m) rektifiziert. Gut geeignet s<strong>in</strong>d Destillationsanlagen mit<br />

programmierbarem, automatischem Fraktionswechsel.<br />

Das Fe<strong>in</strong>destillat wird anschließend erneut durch e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>fache GC-Analyse auf se<strong>in</strong>e Re<strong>in</strong>heit<br />

überprüft. E<strong>in</strong> ger<strong>in</strong>ger Wassergehalt kann noch über e<strong>in</strong> Molekularsieb entfernt werden.<br />

Ethern, die Peroxide bilden, müssen wie<strong>der</strong> mit Stabilisator versetzt werden.<br />

Meist ist es nicht möglich, e<strong>in</strong>e 100 %ige Re<strong>in</strong>heit <strong>der</strong> redestillierten Lösungsmittel zu<br />

erreichen. Es muss im E<strong>in</strong>zelfall entschieden werden, ob das redestillierte Solvens für e<strong>in</strong>e<br />

Umsetzung geeignet ist. Deshalb sollten die redestillierten Solventien immer zusammen mit<br />

e<strong>in</strong>em Analysenzertifikat abgegeben werden. Für Extraktionen (z.B. Ausschütteln bei <strong>der</strong><br />

Aufarbeitung) ist die Verwendung <strong>der</strong> redestillierten Lösungsmittel <strong>in</strong> aller Regel ohne<br />

E<strong>in</strong>schränkung möglich.<br />

Bei Aceton, das zur Re<strong>in</strong>igung verwendet wird (‚Spülol‘) genügt die e<strong>in</strong>fache Redestillation<br />

im Rotationsverdampfer. Bei den Kosten für re<strong>in</strong>es Aceton und für dessen Entsorgung durch<br />

Spezialfirmen amortisieren sich alle<strong>in</strong> dadurch die notwendigen Mittel für die Ausstattung des<br />

Destillationslabors relativ schnell.<br />

31


1. Sicherheit im Labor – Allgeme<strong>in</strong>e H<strong>in</strong>weise zum chemischen Arbeiten<br />

Wie erwähnt, müssen destillativ nicht trennbare Lösungsmittelgemische direkt <strong>der</strong> Entsorgung<br />

zugeführt werden. Def<strong>in</strong>ierte b<strong>in</strong>äre Gemische, die <strong>in</strong> größeren Mengen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Chromatographie<br />

e<strong>in</strong>gesetzt werden, können aber durch e<strong>in</strong>fache Destillation am Rotationsverdampfer<br />

und anschließen<strong>der</strong> Trocknung über e<strong>in</strong>en Molekularsieb zurückgewonnen werden. Die<br />

Zusammensetzung <strong>der</strong> destillierten Mischung wird überprüft (mit GC o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>facher über den<br />

R F -Wert von Testsubstanzen, siehe Kap. 9, Chromatographie) und – wenn nötig – durch<br />

Zugabe e<strong>in</strong>er <strong>der</strong> beiden Komponenten wie<strong>der</strong> auf die gefor<strong>der</strong>te Zusammensetzung gebracht.<br />

32


Literaturverzeichnis<br />

Literaturverzeichnis<br />

[1] Unfallverhütungsvorschriften und Regeln <strong>der</strong> Berufsgenossenschaft <strong>der</strong> Chemischen<br />

Industrie, Je<strong>der</strong>mann-Verlag Dr. Otto Pfeffer, Heidelberg (Jeweils neueste Fassung).<br />

[2] Regelwerke des Bundesverbands <strong>der</strong> Unfallkassen: http://regelwerk.unfallkassen.de<br />

[3] Text <strong>der</strong> Gefahrstoffverordung (GefStoffV), <strong>der</strong> Technischen Regeln für Gefahrstoffe<br />

(TRGS) und <strong>der</strong> wichtigsten EG-Richtl<strong>in</strong>ien auf <strong>der</strong> Homepage <strong>der</strong> Bundesanstalt für<br />

Arbeitsschutz und Arbeitsmediz<strong>in</strong> (BAUA): http://www.baua.de und dort Themen von<br />

A-Z – Gefahrstoffe<br />

[4] Gefahrstoffdatenbank <strong>der</strong> Län<strong>der</strong>: http://www.gefahrstoff-<strong>in</strong>fo.de<br />

Siehe auch GESTIS-Datenbank (Gefahrstoff<strong>in</strong>formationssystem <strong>der</strong> gewerblichen<br />

Berufsgenossenschaften): http://www.hvbg.de/bgia/stoffdatenbank<br />

[5] Kühn-Birett, Merkblätter Gefährliche Arbeitsstoffe, ecomed-Verlag<br />

[6] Dr. U. Welzenbacher, Neue Datenblätter für gefährliche Arbeitsstoffe nach <strong>der</strong><br />

Gefahrstoffverordnung, WEKA Fachverlag Augsburg<br />

[7] Sammlung von Sicherheitsdatenblätter verschiedener Hersteller: http://www.eusdb.de<br />

WWW-Seiten e<strong>in</strong>iger Hersteller mit Sicherheitsdaten:<br />

Firma Acros: http://www.acros.be<br />

Firma Alfa Aesar: http://www.alfa-chemcat.com<br />

Firma Merck: http://www.chemdat.<strong>in</strong>fo<br />

Firma Sigma-Aldrich (e<strong>in</strong>schließlich Fluka): http://www.sigmaaldrich.com<br />

[8] Wassergefährdende Stoffe auf <strong>der</strong> Homepage des Umweltbundesamtes:<br />

http://www.umweltbundesamt.de/wgs/<strong>in</strong>dex.htm.<br />

33


1. Sicherheit im Labor – Allgeme<strong>in</strong>e H<strong>in</strong>weise zum chemischen Arbeiten<br />

34


Kapitel 2<br />

Glasgeräte und Reaktionsapparaturen<br />

2.1 Schliff- und Schraubverb<strong>in</strong>dungen<br />

2.2 Bauteile für Schliffapparaturen<br />

2.3 Standard-Reaktionsapparaturen<br />

2.4 Standard-Destillationsapparaturen<br />

35


2. Glasgeräte und Reaktionsapparaturen<br />

Die meisten Geräte und Apparaturen im chemischen Labor bestehen aus Spezialglas. Es ist<br />

chemisch sehr wi<strong>der</strong>standsfähig und lässt die Beobachtung von Vorgängen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Apparatur<br />

zu. Für Reaktionsapparaturen werden heute meist Borsilikatgläser (z.B. Duran, Pyrex, Simax)<br />

verwendet. Sie besitzen e<strong>in</strong>en kle<strong>in</strong>en thermischen Ausdehnungskoeffizienten und s<strong>in</strong>d daher<br />

gegen Temperaturwechsel relativ unempf<strong>in</strong>dlich. Zu plötzliches Abkühlen o<strong>der</strong> sehr schnelles<br />

Aufheizen kann trotzdem zum Zerspr<strong>in</strong>gen des Geräts führen. Für sehr hohe thermische Belastungen<br />

eignen sich Geräte aus dem teuren und nur schwer zu bearbeitendem Quarzglas.<br />

Für e<strong>in</strong>fache Geräte wie Reagensgläser, Glasrohre und -stäbe, Pipetten und Siedekapillaren<br />

wird Kalknatronglas (z.B. AR-Glas) e<strong>in</strong>gesetzt. Es zeichnet sich durch e<strong>in</strong>e niedrigere Erweichungstemperatur<br />

aus und lässt sich relativ leicht bearbeiten (e<strong>in</strong>e Bunsenbrennerflamme<br />

reicht bereits aus). Hier muss man auf die ger<strong>in</strong>ge Beständigkeit gegen Temperaturschwankungen<br />

achten.<br />

Bauteile aus Gläsern mit ähnlichen Ausdehnungskoeffizienten lassen sich leicht und dauerhaft<br />

mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> verschmelzen. Größere Glasapparaturen werden <strong>in</strong> <strong>der</strong> Praxis meist aus Bauteilen<br />

aufgebaut, die durch Schliffe und Verschraubungen mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> verbunden werden. Die<br />

Bauteile s<strong>in</strong>d flexibel e<strong>in</strong>setzbar und können auch leichter gere<strong>in</strong>igt werden.<br />

2.1 Schliff- und Schraubverb<strong>in</strong>dungen<br />

2.1.1 Kegelschliffe (Normschliff)<br />

Die gebräuchlichsten Schliffverb<strong>in</strong>dungen im chemischen Labor s<strong>in</strong>d Kegelschliffe, sie bestehen<br />

aus <strong>der</strong> kegelförmig <strong>in</strong>nen geschliffenen Hülse und dem außen geschliffenen Kern.<br />

Normschliffe werden nach DIN 12 242 mit e<strong>in</strong>em Kegel 1:10 und <strong>in</strong> standardisierten Größen<br />

angefertigt und s<strong>in</strong>d dadurch austauschbar (Abb. 2.1). Die Kernstücke gibt es <strong>in</strong> e<strong>in</strong>facher<br />

Ausführung o<strong>der</strong> mit Abtropfr<strong>in</strong>g o<strong>der</strong> -spitze; die beiden letzteren Arten werden dann e<strong>in</strong>gesetzt,<br />

wenn Flüssigkeiten durch den Schliff tropfen und Schlifffett auswaschen könnten<br />

(z.B. bei Rückflusskühlern, siehe Abschnitt 2.2.2). Gebräuchlich s<strong>in</strong>d die Größen NS 10/19,<br />

NS 14/23, NS 29/32 und NS 45/40. Die erste Zahl gibt die Weite <strong>in</strong> mm an, die zweite Zahl<br />

die Länge. Oft lässt man die Längenangabe weg und spricht nur von NS 14- o<strong>der</strong> NS 29-<br />

Schliffen.<br />

Für spezielle Anwendungen, bei denen es auf beson<strong>der</strong>e Dichtigkeit ankommt (z.B. für Arbeiten<br />

im Hochvakuum) gibt es auch so genannte Langschliffe, z.B. NS 29/42. Kegelschliffe<br />

s<strong>in</strong>d pr<strong>in</strong>zipiell starre Verb<strong>in</strong>dungen, sie lassen sich nur um die Längsachse drehen. Sie müssen<br />

daher spannungsfrei befestigt werden.<br />

36


2.1 Schliff- und Schraubverb<strong>in</strong>dungen<br />

Abb. 2.1: Normschliffverb<strong>in</strong>dungen<br />

2.1.2 Kugelschliffe<br />

Beim Aufbau großer Apparaturen s<strong>in</strong>d Kegelschliffe wegen ihrer Starrheit problematisch. Es<br />

erfor<strong>der</strong>t viel Übung und Geschick, e<strong>in</strong>e große Apparatur spannungsfrei aufzubauen. In diesen<br />

Fällen ist die Verwendung von flexiblen Kugelschliffverb<strong>in</strong>dungen von Vorteil. Kugelschliffe<br />

bestehen aus e<strong>in</strong>er kugelförmig geschliffenen Kugel und <strong>der</strong> Schale (Abb. 2.2).<br />

Abb. 2.2: Kugelschliff<br />

Auch Kugelschliffe s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> verschiedenen Größen<br />

gebräuchlich, z.B. KS 18, KS 28 o<strong>der</strong> KS 35. Die<br />

Zahl gibt den Kugeldurchmesser <strong>in</strong> mm an.<br />

Kugelschliffe müssen immer mit e<strong>in</strong>er geeigneten<br />

Klammer fixiert werden.<br />

2.1.3 Planschliffverb<strong>in</strong>dungen (Flanschverb<strong>in</strong>dungen)<br />

Für Bauteile mit großem Durchmesser s<strong>in</strong>d Kugel- und Kegelschliffe ungeeignet. Sie werden<br />

deshalb mit Planschliffen verbunden. Dabei werden die Geräte über plan geschliffene Glasflächen<br />

aufe<strong>in</strong>an<strong>der</strong> gesetzt und mit speziellen Halteklammern o<strong>der</strong> Verschraubungen gegen<br />

Verrutschen fixiert. Im normalen Laborbetrieb werden Planschliffverb<strong>in</strong>dungen seltener e<strong>in</strong>gesetzt<br />

(z.B. bei Exsikkatoren o<strong>der</strong> Reaktionstöpfen mit Deckeln mit Planschliff, die 5 und<br />

mehr Schlifföffnungen tragen), bei Apparaturen im Technikumsmaßstab s<strong>in</strong>d sie die Regel.<br />

2.1.4 Behandlung von Schliffverb<strong>in</strong>dungen<br />

Auch Schliffverb<strong>in</strong>dungen s<strong>in</strong>d per se nicht vakuumdicht. Bei Kegelschliffen besteht außerdem<br />

die Gefahr, dass sie sich wegen <strong>der</strong> großen Schlifffläche beim Abbau <strong>der</strong> Apparatur nicht<br />

wie<strong>der</strong> lösen lassen (‚Festbacken des Schliffs‘).<br />

Deshalb müssen Schliffe vor dem E<strong>in</strong>satz ‚gefettet‘ werden. Das Schlifffett soll sowohl die<br />

Dichtigkeit <strong>der</strong> Schliffverb<strong>in</strong>dung gewährleisten als auch für e<strong>in</strong>e leichte Lösbarkeit <strong>der</strong> Verb<strong>in</strong>dung<br />

sorgen. Je nach Schliffart und E<strong>in</strong>satzgebiet verwendet man verschiedene Fettsorten:<br />

37


2. Glasgeräte und Reaktionsapparaturen<br />

• Für Planschliffe, Kegelschliffe und Schliffhähne mit ger<strong>in</strong>ger Beanspruchung können weiche<br />

Fette auf Vasel<strong>in</strong>ebasis e<strong>in</strong>gesetzt werden. Es s<strong>in</strong>d auch wasserlösliche Sorten im<br />

Handel, die leicht zu entfernen s<strong>in</strong>d und ausreichende Beständigkeit gegenüber vielen organischen<br />

Lösungsmitteln besitzen, von Wasser und nie<strong>der</strong>en Alkoholen dagegen gelöst<br />

werden.<br />

• Für Kegel- und Kugelschliffe bei höherer Beanspruchung und Vakuumarbeiten s<strong>in</strong>d vor<br />

allem Siliconfette mit unterschiedlichen Zähigkeiten und niedrigen Dampfdrucken im<br />

Handel.<br />

Wichtig ist das richtige Fetten <strong>der</strong> Schliffe: Überschüssiges Fett wird durch Lösungsmittel<br />

o<strong>der</strong> Destillationsgut herausgelöst und führt zu schwer zu entfernenden Verunre<strong>in</strong>igungen, zu<br />

wenig Fett führt zu undichten und verbackenen Schliffverb<strong>in</strong>dungen. Am besten wird auf die<br />

obere Hälfte des Schliffkegels e<strong>in</strong> dünner Schlifffettr<strong>in</strong>g aufgetragen und durch Drehen <strong>der</strong><br />

Hülse gleichmäßig verteilt.<br />

Die verwendeten Schliffe müssen völlig sauber und unbeschädigt se<strong>in</strong>. E<strong>in</strong>e richtig gefettete<br />

Schliffverb<strong>in</strong>dung ersche<strong>in</strong>t klar, ohne dass Schlifffett an den Enden austritt!<br />

Nach dem Abbau <strong>der</strong> Apparatur müssen die Schliffe sorgfältig gere<strong>in</strong>igt werden. Das Fett<br />

wird zunächst mit e<strong>in</strong>em weichen Papiertuch abgewischt. Die verbliebenen Schlifffettreste<br />

werden mit e<strong>in</strong>em mit Petrolether, Cyclohexan o<strong>der</strong> Ethylacetat befeuchteten Papiertuch entfernt.<br />

Die Re<strong>in</strong>igung <strong>der</strong> Schliffe ist wichtig, da beim Säubern <strong>der</strong> Apparatur <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e Reste<br />

von Silikonfett <strong>in</strong> die Apparatur gelangen können und diese mit e<strong>in</strong>em dünnen, kaum wie<strong>der</strong><br />

zu entfernenden Silikonfilm überziehen!<br />

Festsitzende (verbackene) Schliffverb<strong>in</strong>dungen versucht man unter Zug durch vorsichtiges<br />

Klopfen mit e<strong>in</strong>em Hammerstiel zu lockern. Auch die Erwärmung <strong>der</strong> Hülse mit e<strong>in</strong>em<br />

Heißluftgebläse kann zum Lösen <strong>der</strong> Verb<strong>in</strong>dung führen. Ist <strong>der</strong> Schliff durch Substanzreste<br />

verklebt (z.B. teerartige Harze nach e<strong>in</strong>er Destillation) kann man die verklebende Verunre<strong>in</strong>igung<br />

unter Umständen durch Stehen lassen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Lösungsmittelgemisch herauslösen. Bewährt<br />

hat sich auch das E<strong>in</strong>legen <strong>der</strong> festsitzenden Schliffverb<strong>in</strong>dung <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Ultraschallbad.<br />

Wenn das nichts hilft, br<strong>in</strong>gt man die leere, saubere und trockene Apparatur mit dem festsitzenden<br />

Schliff am besten zum Glasbläser.<br />

Wenn erfor<strong>der</strong>lich, können Kegelschliffverb<strong>in</strong>dungen durch spezielle Klammern (z. B. KWS-<br />

Klammern, Keck-Klemmen, Gabel-Klemmen) gegen e<strong>in</strong> Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>gleiten gesichert werden<br />

(Abb. 2.3a). Spiralfe<strong>der</strong>n können ebenfalls zum Sichern von Kegelschliffen verwendet werden.<br />

Sie werden <strong>in</strong> angeschmolzene Glasdornen (Abb. 2.3b) o<strong>der</strong> am Schliff angebrachte<br />

Metallhaken e<strong>in</strong>gehängt. Kugelschliff- und Planschliffverb<strong>in</strong>dungen müssen <strong>in</strong> jedem Fall<br />

gesichert werden.<br />

38


2.1 Schliff- und Schraubverb<strong>in</strong>dungen<br />

Abb. 2.3: Schliff-Sicherungen<br />

a) b)<br />

mit Keck-Klemme gesicherte<br />

Schliffverb<strong>in</strong>dung<br />

mit Fe<strong>der</strong>n gesicherte Schliffverb<strong>in</strong>dung<br />

l<strong>in</strong>ks: Metallhaken, rechts Glasdornen.<br />

Soll ohne Schlifffett gearbeitet werden, da das Fett die Substanz möglicherweise verunre<strong>in</strong>igen<br />

könnte (z.B. bei analytischen Arbeiten), kann man statt Fett auch Teflonhülsen e<strong>in</strong>setzen,<br />

die über den Schliffkern gezogen werden. Es s<strong>in</strong>d zwei Varianten im Handel:<br />

• Dünne Folien zum E<strong>in</strong>malgebrauch, sie werden vor allem bei fest aufgebauten<br />

Apparaturen e<strong>in</strong>gesetzt.<br />

• Dickere, wie<strong>der</strong> verwendbare Teflonhülsen. Hier ist unbed<strong>in</strong>gt zu beachten, dass Teflon<br />

e<strong>in</strong>en sehr viel höheren thermischen Ausdehnungskoeffizienten besitzt als Glas. Bei starker<br />

Temperaturbelastung o<strong>der</strong> -unterschiede kann das zum Sprengen <strong>der</strong> Glasschliffhülse<br />

führen!<br />

Besser ist die Verwendung von Verschraubungen o<strong>der</strong> speziellen fettfreien Schliffverb<strong>in</strong>dungen:<br />

2.1.5 Spezielle Schliffe<br />

Fettfreie kegel- o<strong>der</strong> kugelschliffartige Verb<strong>in</strong>dungen werden von e<strong>in</strong>igen Firmen (z.B.<br />

Young) angeboten (Abb. 2.4). Sie besitzen im Gegensatz zu den normalen Schliffverb<strong>in</strong>dungen<br />

ke<strong>in</strong>e angerauhten Schliffoberflächen. Im Schliffkern s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> o<strong>der</strong> zwei Dichtungsr<strong>in</strong>ge<br />

aus Teflon o<strong>der</strong> speziellen Gummisorten <strong>in</strong> Nuten e<strong>in</strong>gelassen, die beim E<strong>in</strong>schieben <strong>in</strong> die<br />

Hülse abdichten. Bei den Kugeln bef<strong>in</strong>det sich dieser R<strong>in</strong>g unten an <strong>der</strong> Kugel.<br />

Abb. 2.4: Young-Schliff mit Gummi- und Teflondichtr<strong>in</strong>g.<br />

2.1.6 Rohr- und Schlauchverb<strong>in</strong>dungen<br />

Müssen rohrartige Bauteile wie Siedekapillaren, Thermometer o<strong>der</strong> Gase<strong>in</strong>leitungsrohre <strong>in</strong><br />

Apparaturen so e<strong>in</strong>gesetzt werden, dass ihre E<strong>in</strong>tauchtiefe justierbar ist, können durchbohrte<br />

Gummistopfen verwendet werden (Abb. 2.5a). Das Rohr wird durch die Bohrung des Stopfens<br />

geschoben und auf die Apparaturöffnung gesetzt. Beim E<strong>in</strong>führen von Glasrohren be-<br />

39


2. Glasgeräte und Reaktionsapparaturen<br />

steht hohe Bruchgefahr: Das Glasrohr wird zum Schutz vor Schnittverletzungen mit e<strong>in</strong>em<br />

Tuch umwickelt und mit Glycer<strong>in</strong> o<strong>der</strong> Silikonfett ‚geschmiert‘.<br />

Mit Schraubverschlüssen lassen sich <strong>der</strong>artige Verb<strong>in</strong>dungen e<strong>in</strong>facher und sicherer herstellen<br />

(Abb. 2.5b): Auf das Rohr wird e<strong>in</strong>e teflonummantelte, konische Gummidichtung gesteckt<br />

(die teflonbeschichtete Seite <strong>in</strong> Richtung <strong>der</strong> Apparatur) und mit e<strong>in</strong>er durchbohrten<br />

Gew<strong>in</strong>dekappe auf die Gew<strong>in</strong>deanschluss-Öffnung geschraubt. Beim Festziehen wird die<br />

Dichtung gegen das Glasrohr gedrückt, die Rohrverb<strong>in</strong>dung wird dadurch abgedichtet und <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Höhe fixiert.<br />

Für Normschliffapparaturen verwendet man e<strong>in</strong> kurzes Bauteil (Abb. 2.5c), das am unteren<br />

Ende e<strong>in</strong>en Schliffkern, am oberen Ende mit e<strong>in</strong>em Gew<strong>in</strong>deanschluss ausgestattet ist, <strong>in</strong> dem<br />

das Glasrohr fixiert ist (‚Quickfit‘).<br />

Abb. 2.5: Rohrdurchführungen und Schlauchanschlüsse:<br />

Wasser- und Vakuumschläuche werden über so genannte Oliven an Glasapparaturen angeschlossen<br />

(Abb. 2.5d). Das Aufziehen von Gummischläuchen wird durch etwas Glycer<strong>in</strong> o<strong>der</strong><br />

Silikonöl erleichtert, bei relativ harten PE- o<strong>der</strong> PVC-Schläuchen hat sich das vorherige kurze<br />

E<strong>in</strong>tauchen des Schlauchendes <strong>in</strong> Aceton o<strong>der</strong> Erwärmen mit e<strong>in</strong>em Fön bewährt.<br />

Pr<strong>in</strong>zipiell besteht beim Aufziehen von Schläuchen Verletzungsgefahr durch Bruch <strong>der</strong> Glasolive,<br />

deshalb werden auch hier zunehmend Schraubverb<strong>in</strong>dungen e<strong>in</strong>gesetzt: Hier hat die<br />

Apparatur nicht e<strong>in</strong>e Olive, son<strong>der</strong>n ist mit e<strong>in</strong>em Gew<strong>in</strong>deanschluss ausgestattet, auf den<br />

e<strong>in</strong>e Kunststoff-Schraubkappe mit Schlauchanschluss aufgeschraubt wird. E<strong>in</strong>e flache Gummischeibe<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Schraubkappe dichtet gegen das Glasgew<strong>in</strong>de ab (Abb. 2.5e). Dadurch wird<br />

das Verletzungsrisiko durch Glasbruch beim Aufziehen von Schläuchen auf Glasoliven ausgeschaltet.<br />

Gew<strong>in</strong>deschraubanschlüsse s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> verschiedenen Gew<strong>in</strong>degrößen und -arten erhältlich. Üblich<br />

s<strong>in</strong>d die Gew<strong>in</strong>dearten GL und RD, sie unterscheiden sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Steigung und Ausformung<br />

des Gew<strong>in</strong>des und s<strong>in</strong>d nicht austauschbar. Nicht zue<strong>in</strong>an<strong>der</strong> passende Gew<strong>in</strong>dearten<br />

werden nicht dicht!<br />

40


2.1 Schliff- und Schraubverb<strong>in</strong>dungen<br />

Alle druckbelasteten Schlauchverb<strong>in</strong>dungen (Wasserschläuche, Schläuche zum E<strong>in</strong>leiten von<br />

Gasen etc.) müssen unbed<strong>in</strong>gt mit Schlauchschellen gegen Abplatzen gesichert werden. Festsitzende<br />

Schläuche nicht mit Gewalt abziehen, son<strong>der</strong>n abschneiden!<br />

2.1.7 Hähne<br />

Hähne werden zum Absperren o<strong>der</strong> Regulieren von Flüssigkeiten o<strong>der</strong> Gasen e<strong>in</strong>gesetzt.<br />

Meist s<strong>in</strong>d es Schliffhähne aus Glas. Die <strong>in</strong>nen konisch geschliffene Hülse ist senkrecht zur<br />

Leitung angeordnet. Das mit e<strong>in</strong>er Bohrung versehene Küken wird e<strong>in</strong>gesteckt und mit e<strong>in</strong>er<br />

Verschraubung gegen Herausfallen gesichert. Glasschliffhähne müssen wie alle Schliffverb<strong>in</strong>dungen<br />

gefettet werden, dabei darf die Bohrung nicht mit Schlifffett zugeschmiert werden.<br />

Vor dem Zusammenbau ist darauf zu achten, dass Hülse und Küken zue<strong>in</strong>an<strong>der</strong> passen, d.h.<br />

die Bohrung des Kükens muss <strong>in</strong> <strong>der</strong> Höhe des Durchgangsrohrs liegen (Abb. 2.6).<br />

Glasschliffhähne s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> verschiedenen, genormten Größen mit unterschiedlichen Bohrungsdurchmessern<br />

im Handel. Soll Schlifffett vermieden werden, können Schliffhähne mit Teflonküken<br />

verwendet werden. In diesen Hähnen ist die Hülse <strong>in</strong>nen nicht rau geschliffen,<br />

son<strong>der</strong>n poliert (sie ersche<strong>in</strong>t nicht trüb son<strong>der</strong>n klar). Teflonküken dürfen nie <strong>in</strong> normale<br />

Hahnhülsen e<strong>in</strong>gesetzt werden, sie ‚fressen‘ sich durch die hohe Reibung fest, umgekehrt zerstört<br />

e<strong>in</strong> Glasschliffküken den polierten Schliff <strong>der</strong> Hülse von Teflonhähnen.<br />

Zum abwechselnden Arbeiten mit mehreren Medien (Vakuum und Schutzgas an <strong>der</strong> Apparatur)<br />

werden Zweiwegehähne e<strong>in</strong>gesetzt (Abb. 2.6). Sie erlauben das wechselseitige Umschalten<br />

auf zwei Anschlüsse.<br />

Abb. 2.6: E<strong>in</strong>- und Zweiwege-Schliffhahn und Sp<strong>in</strong>delhahn.<br />

Zum fe<strong>in</strong>en Regeln und Dosieren eignen sich e<strong>in</strong>fache Schliffhähne nur e<strong>in</strong>geschränkt, hier<br />

verwendet man so genannte Nadel- o<strong>der</strong> Sp<strong>in</strong>delventile: e<strong>in</strong>e konische, durch e<strong>in</strong> Gew<strong>in</strong>de<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Höhe regelbare Sp<strong>in</strong>del erlaubt e<strong>in</strong> fe<strong>in</strong>es E<strong>in</strong>stellen <strong>der</strong> Ventilöffnung. Solche Hähne<br />

werden z.B. <strong>in</strong> Büretten, Tropftrichtern o<strong>der</strong> als Auslaufhähne von Chromatographiesäulen<br />

verwendet.<br />

41


2. Glasgeräte und Reaktionsapparaturen<br />

2.2 Bauteile für Schliffapparaturen<br />

2.2.1 Reaktionsgefäße<br />

Umsetzungen mit nicht brennbaren und ungiftigen Substanzen können pr<strong>in</strong>zipiell <strong>in</strong> offenen<br />

Gefäßen wie Bechergläsern o<strong>der</strong> Erlenmeyerkolben durchgeführt werden. Im organischpräparativen<br />

Labor werden aber im Normalfall Rundkolben mit Schliffen als Standardreaktionsgefäße<br />

verwendet (Abb. 2.7). Die Kolbengrößen s<strong>in</strong>d standardisiert (10, 25, 50, 100, 250,<br />

500, 1000, 2000, 4000 und 6000 ml).<br />

Werden mehrere Schlifföffnungen benötigt, verwendet man Zweihals- o<strong>der</strong> Dreihals-Rundkolben.<br />

Ab e<strong>in</strong>er Größe von 1000 ml s<strong>in</strong>d auch Ausführungen mit 4 o<strong>der</strong> mehr Schlifföffnungen<br />

erhältlich. Aus konstruktiven Gründen s<strong>in</strong>d Dreihalskolben mit weniger als 100 ml<br />

Volumen nicht möglich. Der mittlere Schliff dient gewöhnlich zur Aufnahme e<strong>in</strong>es mechanischen<br />

Rührers mit NS 29 Rührhülse und ist daher festgelegt. Die seitlichen Schliffe können<br />

schräg o<strong>der</strong> gerade angesetzt und <strong>in</strong> verschiedenen Schliffgrößen ausgeführt se<strong>in</strong>. Gerade<br />

Seitenhälse erleichtern den Aufbau von komplizierteren Apparaturen (Abb. 2.7), bei kle<strong>in</strong>en<br />

Kolbengrößen bereitet das Aufsetzen von Geräten (Tropftrichter, Rückflusskühler) unter Umständen<br />

aber Probleme.<br />

Abb. 2.7: Verschiedene Rundkolben.<br />

2.2.2 Kühler<br />

Viele organisch-chemische Reaktionen müssen bei erhöhten Temperaturen durchgeführt werden.<br />

Siedende Lösungsmittel, Edukte o<strong>der</strong> Produkte verdampfen unter diesen Bed<strong>in</strong>gungen<br />

und müssen wie<strong>der</strong> kondensiert werden. Wird das Kondensat <strong>in</strong> den Reaktionskolben zurückgeführt,<br />

spricht man von Rückflusskühlern, man arbeitet unter Rückfluss! Wird die siedende<br />

Verb<strong>in</strong>dung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em absteigenden Kühler <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Vorlage aufgefangen, spricht man von<br />

e<strong>in</strong>er Destillation.<br />

Die e<strong>in</strong>fachste – aber am wenigsten effektive – Form e<strong>in</strong>es Kühlers ist e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>faches Glasrohr,<br />

das durch die umgebende Luft gekühlt wird (Luftkühler, Abb. 2.8a). Es wird nur <strong>in</strong> beson<strong>der</strong>en<br />

Fällen e<strong>in</strong>gesetzt, z. B. bei sehr hoch siedenden Flüssigkeiten o<strong>der</strong> bei Substanzen, die<br />

42


2.2 Bauteile für Schliffapparaturen<br />

unterhalb 20 °C fest werden. In e<strong>in</strong>er Variante wird <strong>der</strong> Dampf durch mehrere Verjüngungen<br />

im Steigrohr besser verwirbelt, die Kühlleistung steigt (Kugelkühler, Abb. 2.8b).<br />

Wird das Glasrohr mit e<strong>in</strong>em Mantel umgeben, durch den Kühlflüssigkeit (<strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel Wasser)<br />

strömt, spricht man von e<strong>in</strong>em Liebig-Kühler (Abb. 2.8c). Er wird häufig als Kühler <strong>in</strong><br />

Destillationsbrücken e<strong>in</strong>gesetzt. Als Rückflusskühler besitzt er nur e<strong>in</strong>e mäßige Kondensationsleistung.<br />

E<strong>in</strong> Kugelkühler mit Kühlmantel (Allihn-Kühler, Abb. 2.8d) besitzt e<strong>in</strong>e etwas<br />

höhere Kondensationsleistung.<br />

Der gebräuchlichste Rückflusskühler ist <strong>der</strong> so genannte Dimroth-Kühler. Hier wird die<br />

Kühlflüssigkeit <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Glaswendel durch das Kühlerrohr geleitet. Er ist sehr effektiv und<br />

kann <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em weiten Temperaturbereich e<strong>in</strong>gesetzt werden (Abb. 2.8e).<br />

Der Metallkühler (Abb. 2.8f) ist e<strong>in</strong>e Variante des Dimroth-Kühlers, er ist mit e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>setzbaren<br />

Kühlschlange aus vernickeltem Kupfer o<strong>der</strong> Edelstahl ausgestattet. Er wird immer dann<br />

e<strong>in</strong>gesetzt, wenn e<strong>in</strong> Bruch <strong>der</strong> Kühlwendel durch das austretende Kühlwasser explosionsartige<br />

Reaktionen bzw. Zersetzungen im Reaktionskolben verursachen kann, z.B. Reaktionen<br />

mit metallorganischen Verb<strong>in</strong>dungen, Alkalimetallen, komplexen Metallhydriden (z.B.<br />

LiAlH 4 , NaH o<strong>der</strong> NaNH 2 ).<br />

Bei sehr leichtflüchtigen und niedrig siedenden Substanzen muss e<strong>in</strong> Intensivkühler (Abb.<br />

2.8g) e<strong>in</strong>gesetzt werden. Es ist im Pr<strong>in</strong>zip e<strong>in</strong>e Komb<strong>in</strong>ation von Liebig- und Dimroth-Kühler.<br />

Die Kühlflüssigkeit strömt zuerst durch die Glaswendel und wird danach durch e<strong>in</strong>en äußeren<br />

Kühlmantel geleitet, dadurch wird e<strong>in</strong>e sehr große Kühlfläche erreicht.<br />

Abb. 2.8: Verschiedene Rückflusskühler.<br />

43


2. Glasgeräte und Reaktionsapparaturen<br />

Bei allen Kühlern (außer Luftkühler) wird die Kühlflüssigkeit entgegengesetzt zur Strömungsrichtung<br />

des Dampfes geführt (Gegenstrompr<strong>in</strong>zip). Dadurch lässt sich die maximale<br />

Kühlwirkung erzielen. In <strong>der</strong> Abbildung 2.8 ist <strong>der</strong> Kühlwasserfluss durch Pfeile angedeutet.<br />

Auf die Schläuche und Anschlüsse <strong>der</strong> Kühlflüssigkeit muss beson<strong>der</strong>s geachtet werden: Die<br />

Schläuche dürfen nicht spröde o<strong>der</strong> gar rissig se<strong>in</strong>, Schlauchverb<strong>in</strong>dungen müssen durch<br />

Klemmen o<strong>der</strong> Schlauchschellen gesichert se<strong>in</strong>. Das Abspr<strong>in</strong>gen von Kühlwasserschläuchen<br />

kann ernste Folgen haben:<br />

• Wasserschäden im Labor.<br />

• Explosionsartiges Zerspritzen e<strong>in</strong>es heißen Ölbades beim Zulaufen von Wasser – Brandgefahr!<br />

• Löschen <strong>der</strong> Gasflamme, Ausströmen von Gas und Bildung explosiver Gas-Luft-Gemische.<br />

• Brand- und Explosionsgefahr durch nicht mehr kondensierte, aus dem Reaktionskolben<br />

abdestillierende Lösungsmittel.<br />

Die Kühlwasserschläuche sollten nicht zu lang se<strong>in</strong>. Es ist darauf zu achten, dass sie nicht<br />

abgeknickt s<strong>in</strong>d, um e<strong>in</strong> Abplatzen <strong>der</strong> Schläuche zu verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n.<br />

Wird mit Wasser gekühlt, darf <strong>der</strong> Wasserstrom nicht zu stark se<strong>in</strong>: Die engen Kühlwendel<br />

besitzen e<strong>in</strong>en erheblichen Strömungswi<strong>der</strong>stand, bei zu starkem Wasserfluss können die<br />

Schläuche abplatzen. Der Wasserfluss ist von Zeit zu Zeit zu überprüfen: Die Dichtungen <strong>in</strong><br />

den Wasserhähnen können mit <strong>der</strong> Zeit quellen, dadurch kann <strong>der</strong> Kühlwasserzufluss völlig<br />

unterbrochen werden. Bewährt hat sich hier <strong>der</strong> E<strong>in</strong>bau e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>fachen Kühlwasserflussanzeige<br />

<strong>in</strong> die Schlauchleitung (Wasserwächter!).<br />

2.2.3. Tropftrichter<br />

Zum Zutropfen von Flüssigkeiten und Lösungen zum Reaktionsansatz über e<strong>in</strong>en längeren<br />

Zeitraum verwendet man e<strong>in</strong>en Tropftrichter mit Schliffverb<strong>in</strong>dung (Abb. 2.9). Er kann direkt<br />

auf die Reaktionsapparatur aufgesetzt werden und erlaubt e<strong>in</strong> genaues Dosieren durch<br />

den Schliffhahn. Der Schliffhahn ist vor dem E<strong>in</strong>bau zu fetten. Die aufgebrachte Skalierung<br />

ist als Orientierung zu verstehen, e<strong>in</strong> exaktes Abmessen ist damit <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel nicht möglich.<br />

Um e<strong>in</strong> Verdampfen <strong>der</strong> zuzutropfenden Lösung zu vermeiden, benutzt man <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel e<strong>in</strong>en<br />

Tropftrichter mit Druckausgleich. Hier kann <strong>der</strong> Tropftrichter oben mit e<strong>in</strong>em Stopfen<br />

verschlossen werden, <strong>der</strong> Druckausgleich <strong>der</strong> gesamten Apparatur muss aber gewährleistet<br />

se<strong>in</strong> (vorzugsweise über e<strong>in</strong>en aufgesetzten Rückflusskühler).<br />

44


2.2 Bauteile für Schliffapparaturen<br />

Abb. 2.9: Tropftrichter mit Symboldarstellung.<br />

2.2.4 Aufsätze und Übergangsstücke<br />

In manchen Fällen reichen die vorhandenen Schlifföffnungen e<strong>in</strong>es Reaktionskolbens nicht<br />

aus. Der Zweihals-Aufsatz (Anschütz-Aufsatz) erlaubt die Erweiterung um e<strong>in</strong>en weiteren<br />

Schliff (Abb. 2.10a).<br />

Die Verb<strong>in</strong>dung von Glasgeräten mit unterschiedlichen Schliffgrößen ist mit Übergangsstücken<br />

möglich (Abb. 2.10b). Für den Anschluss von Schläuchen an Schliffe gibt es Übergangsstücke<br />

mit Olive (gerade o<strong>der</strong> gebogen) mit o<strong>der</strong> ohne Schliffhahn (Abb. 2.10c und d).<br />

Abb. 2.10: Anschützaufsatz und Übergangsstücke.<br />

2.2.5 Trockenrohre und Blasenzähler<br />

Viele Reaktionen müssen unter Ausschluss von Feuchtigkeit durchgeführt werden. Um zu<br />

verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n, dass Feuchtigkeit aus <strong>der</strong> Luft <strong>in</strong> die Apparatur gelangt, wird e<strong>in</strong> Trockenrohr<br />

mit Schliff aufgesetzt (Abb. 2.11a). Das Trockenrohr wird zunächst mit etwas Glaswatte<br />

locker verschlossen, dann wird das gekörnte Trockenmittel e<strong>in</strong>gefüllt (Abb. 2.11b). Man<br />

verschließt mit etwas Glaswolle und e<strong>in</strong>em durchbohrten Gummistopfen. Vor E<strong>in</strong>satz des<br />

Trockenrohrs prüfe man auf Durchlässigkeit.<br />

Zum Schutz von Vorstößen vor dem E<strong>in</strong>dr<strong>in</strong>gen von Feuchtigkeit kann man e<strong>in</strong>fache gerade<br />

Trockenrohre verwenden, die mit e<strong>in</strong>em Stück Vakuumschlauch an die Olive des Vorstoßes<br />

angeschlossen werden (Abb. 2.11c).<br />

45


2. Glasgeräte und Reaktionsapparaturen<br />

Abb. 2.11 Trockenrohre und Blasenzähler<br />

Als Trockenmittel eignet sich grob gekörntes, wasserfreies Calciumchlorid o<strong>der</strong> besser<br />

gekörntes Kieselgel mit Feuchtigkeits<strong>in</strong>dikator. Es ist darauf zu achten, dass das Trockenrohr<br />

nicht durch zerfließendes Trockenmittel (z.B. bei Verwendung von Calciumchlorid) verstopft.<br />

Fe<strong>in</strong>e Trockenmittel besitzen e<strong>in</strong>en zu großen Strömungswi<strong>der</strong>stand und s<strong>in</strong>d daher<br />

ungeeignet.<br />

Soll bei e<strong>in</strong>er Reaktion die Bildung von Gasen beobachtet werden, verwendet man e<strong>in</strong>en Blasenzähler<br />

(Abb. 2.11d). Hier wird das entstehende Gas durch e<strong>in</strong>e Sperrflüssigkeit geleitet<br />

und an den durchperlenden Blasen registriert. Als Sperrflüssigkeit verwendet man möglichst<br />

<strong>in</strong>erte Flüssigkeiten, z. B. Paraff<strong>in</strong>öl.<br />

Wenn <strong>in</strong> <strong>der</strong> Reaktionsapparatur e<strong>in</strong> Unterdruck entsteht, darf die Sperrflüssigkeit nicht <strong>in</strong> die<br />

Apparatur zurückgezogen werden. Das E<strong>in</strong>leitungsrohr ist deshalb so verdickt, dass die Sperrflüssigkeit<br />

aufgenommen werden kann.<br />

2.2.6 Rühren<br />

Reaktionsansätze müssen meist gerührt werden, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e, wenn zwei nicht mischbare<br />

Phasen (fest/flüssig, flüssig/flüssig o<strong>der</strong> flüssig/gasförmig) vorliegen, e<strong>in</strong>e Komponente zugetropft<br />

o<strong>der</strong> portionsweise zugegeben wird, e<strong>in</strong> rascher Temperaturausgleich <strong>der</strong> Reaktionsmischung<br />

mit dem Heiz- o<strong>der</strong> Kältebad erfor<strong>der</strong>lich ist o<strong>der</strong> beim Rückflusskochen Siedeverzüge<br />

auftreten können.<br />

Bei kle<strong>in</strong>en und nicht zu viskosen (zähen) Reaktionsmischungen wird meist e<strong>in</strong> Magnetrührstab<br />

e<strong>in</strong>gesetzt. Dabei wird <strong>der</strong> Rührstab (e<strong>in</strong> mit Teflon überzogener Stabmagnet) im Reaktionskolben<br />

mit e<strong>in</strong>em Magnetrührer angetrieben. Das Rühren erfolgt durch e<strong>in</strong>en mit Motor<br />

angetriebenen Permanentmagnet o<strong>der</strong> – bei kle<strong>in</strong>eren Rührern – durch e<strong>in</strong> mit Spulen erzeugtes,<br />

zirkulierendes Magnetfeld. Die Magnetrührer besitzen meist auch e<strong>in</strong>e regelbare<br />

Heizplatte.<br />

Magnetrührstäbe gibt es <strong>in</strong> zahlreichen Größen und Formen (Abb. 2.12). Für e<strong>in</strong>e gute Durchmischung<br />

sollte <strong>der</strong> Rührstab nicht zu kle<strong>in</strong> se<strong>in</strong> und gleichmäßig und ruhig im Kolben rotieren.<br />

Wird die Drehzahl des Magnetrührers zu hoch geregelt, spr<strong>in</strong>gt <strong>der</strong> Rührstab im Kolben<br />

46


2.2 Bauteile für Schliffapparaturen<br />

(Bruchgefahr) o<strong>der</strong> er bewegt sich gar nicht mehr. In diesen Fällen muss die Drehzahl reduziert<br />

werden.<br />

Abb. 2.12: Magnetrührstäbe.<br />

Circulus-Rührstab<br />

Die Auswahl des passenden Magnetrührstabs richtet sich nach <strong>der</strong> Kolbengröße und dem zu<br />

rührenden Medium:<br />

Rührstäbe, die für den e<strong>in</strong>gesetzten Rundkolbens zu groß s<strong>in</strong>d, laufen nicht ruhig, sie schlagen<br />

aus. Abhilfe schafft die Verwendung e<strong>in</strong>es kle<strong>in</strong>eren Rührstabs, e<strong>in</strong>es Rührstabs mit e<strong>in</strong>em<br />

übergezogenen Teflonr<strong>in</strong>g o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>es elliptischen Rührstabs. Viskose, schwer zu rührende<br />

Mischungen o<strong>der</strong> Suspensionen erfor<strong>der</strong>n dickere (stärkere) Rührstäbe o<strong>der</strong> hantelförmige<br />

Circulus-Rührstäbe.<br />

Bei größeren Reaktionsansätzen, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e wenn Nie<strong>der</strong>schläge auftreten o<strong>der</strong> sich dichte<br />

Suspensionen bilden, versagen Magnetrührstäbe. In diesen Fällen muss mit e<strong>in</strong>em mechanischen<br />

Rührer gearbeitet werden.<br />

Im Labormaßstab wird zum mechanischen Rühren e<strong>in</strong> KPG-Rührer (Kerngezogenes Präzisions-Glasgerät)<br />

verwendet (Abb. 2.13). Es handelt sich um e<strong>in</strong>en Glasstab mit e<strong>in</strong>em etwa 10<br />

cm langen, genormten Präzisions-Zyl<strong>in</strong><strong>der</strong>schliff (Rührwelle), <strong>der</strong> durch e<strong>in</strong>e dazu passend<br />

geschliffene Rührhülse (Schaft) mit NS 29-Kernschliff geführt wird. Der Zyl<strong>in</strong><strong>der</strong>schliff dient<br />

als Lager und dichtet gleichzeitig den Kolben ab (Rührverschluss).<br />

KPG-Rührer können mit verschiedenen Rührern ausgestattet se<strong>in</strong>. Am gebräuchlichsten s<strong>in</strong>d<br />

Rührblätter mit zum Kolben passen<strong>der</strong> Rundung o<strong>der</strong> Flügelrührer. Die Rührblätter bestehen<br />

wegen <strong>der</strong> guten Chemikalienbeständigkeit meistens aus Teflon.<br />

KPG-Rührer müssen sehr sorgfältig behandelt werden. Vor dem Zusammenstecken von<br />

Rührer und Hülse müssen diese sorgfältig gere<strong>in</strong>igt werden. Die Achsen des Antriebsmotors<br />

und <strong>der</strong> Rührwelle müssen zusammenfallen, e<strong>in</strong> Verkannten kann zum ‚Ausschlagen‘ des<br />

Rührers und damit zur Zerstörung des Zyl<strong>in</strong><strong>der</strong>schliffs führen. Rührmotor und -welle werden<br />

deshalb mit e<strong>in</strong>er flexiblen Kupplung verbunden. Im e<strong>in</strong>fachsten Fall kann dazu e<strong>in</strong> etwa 7<br />

cm langes Stück Vakuumschlauch verwendet werden, das die Antriebsachse des Motors und<br />

<strong>der</strong> Rührwelle verb<strong>in</strong>det. Um e<strong>in</strong> Herausrutschen <strong>der</strong> Rührwelle zu verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n (<strong>der</strong> Rührer<br />

kann den Reaktionskolben durchschlagen) werden die Verb<strong>in</strong>dungsstellen mit Schlauchschellen<br />

gesichert.<br />

47


2. Glasgeräte und Reaktionsapparaturen<br />

Der Zyl<strong>in</strong><strong>der</strong>schliff muss mit e<strong>in</strong>em Spezialfett sorgfältig geschmiert werden. Dieses Fett darf<br />

auch bei thermischer Beanspruchung (z.B. beim Rückflusskochen <strong>der</strong> Reaktionsmischung)<br />

se<strong>in</strong>e Schmier- und Dichtwirkung nicht verlieren. Das Herauslösen des Fetts während <strong>der</strong><br />

Reaktion durch siedendes Lösungsmittel kann zum ‚Festfressen‘ des Rührers führen.<br />

Auch die Rührhülse kann sich während des Rührens lockern und herausgedreht werden und<br />

muss deshalb unbed<strong>in</strong>gt angeklammert werden (siehe Abb. 2.19).<br />

Abb. 2.13: KPG-Rührer.<br />

2.2.7 Heizen und Kühlen<br />

Zum Heizen werden im Labor üblicherweise elektrische Heizplatten mit passenden Heizbä<strong>der</strong>n<br />

verwendet. Die Heizplatte sollte e<strong>in</strong>e Temperaturregelung besitzen, meist verwendet<br />

man Magnetrührer mit Heizplatte. Als Heizbad dient im e<strong>in</strong>fachsten Fall e<strong>in</strong> Topf mit Wasser.<br />

Für Temperaturen über etwa 70 °C eignen sich Wasserbä<strong>der</strong> nicht, da zuviel Wasser<br />

verdampft. In diesen Fällen werden Ölbä<strong>der</strong> (Paraff<strong>in</strong>öl bis ca. 150 °C, Siliconöl bis ca. 220<br />

°C) verwendet. Für höhere Temperaturen lassen sich Metallbä<strong>der</strong> aus niedrig schmelzenden<br />

Legierungen (z.B. Wood'sche Legierung, Schmp. 94 °C) verwenden.<br />

Es ist unbed<strong>in</strong>gt darauf zu achten, dass ke<strong>in</strong> Wasser <strong>in</strong> die heißen Öl- o<strong>der</strong> Metallbä<strong>der</strong> gelangt,<br />

da die heiße Badflüssigkeit durch das verdampfende Wasser explosionsartig herausgeschleu<strong>der</strong>t<br />

werden kann. Wenn dies geschehen ist, Heizung sofort abschalten und Heizbad<br />

runterfahren.<br />

48


2.2 Bauteile für Schliffapparaturen<br />

Wasserhaltige Ölbä<strong>der</strong> können durch vorsichtiges Aufheizen unter Umrühren bis 150 °C<br />

‚ausgeheizt‘ werden. Im Handel s<strong>in</strong>d auch mit Wasser mischbare Badflüssigkeiten aus Polyethylenglycol<br />

400 bzw. 600 erhältlich.<br />

Die Reaktionsapparaturen können auch mit elektrischen Heizhauben (‚Heizpilzen‘) erhitzt<br />

werden. Der Heizpilz wird so am Stativ geklammert, dass zwischen Reaktionskolben und <strong>der</strong><br />

Heizung e<strong>in</strong> Abstand von 1–2 cm besteht (Abb. 2.14).<br />

Der Heizpilz besteht aus e<strong>in</strong>em keramischen Fasergeflecht, <strong>in</strong> dem elektrische Heizdrähte<br />

e<strong>in</strong>gearbeitet s<strong>in</strong>d. Sie s<strong>in</strong>d für alle Standardgrößen von Rundkolben erhältlich (50–2000 ml),<br />

die Heizleistung nimmt mit <strong>der</strong> Kolbengröße zu und ist so ausgelegt, dass Temperaturen von<br />

350–500 °C erreicht werden. Die Temperaturregelung bei e<strong>in</strong>fachen Heizhauben ist problematisch,<br />

meist werden 2 bis 4 Heizzonen nache<strong>in</strong>an<strong>der</strong> e<strong>in</strong>geschaltet. Ist e<strong>in</strong>e Zone e<strong>in</strong>geschaltet,<br />

läuft diese Zone mit voller Leistung, d.h., dass auch beim Betrieb von nur e<strong>in</strong>er<br />

Heizzone <strong>in</strong> diesem Bereich hohe Temperaturen auftreten.<br />

Abb. 2.14: Elektrische Heizhaube.<br />

a) b)<br />

elektrische Heizhaube Abstand Reaktionskolben Abstand richtig!<br />

(Heizpilz)<br />

zum Heizpilz zu dicht.<br />

Beim E<strong>in</strong>setzen <strong>der</strong> Reaktionskolben <strong>in</strong> den Heizpilz ist darauf zu achten, dass die Flüssigkeitsoberfläche<br />

im Kolben sich nicht im Heizpilz bef<strong>in</strong>det, da es hier zu thermischen Zersetzungen<br />

<strong>der</strong> Produkte kommen kann.<br />

Der Reaktionskolben darf auch nicht auf dem Heizpilz aufsitzen, die Kolben können durch<br />

lokale Überhitzung spr<strong>in</strong>gen (Abb. 2.14b).<br />

Magnetrührer können beim Heizen mit Heizpilzen nicht verwendet werden, da ihr Magnetfeld<br />

zu schwach ist, um durch den Heizpilz h<strong>in</strong>durch zu rühren. Für Heizhauben ab 500 ml mit<br />

Bodenloch s<strong>in</strong>d spezielle Magnetrührer im Handel erhältlich, die das Durchrühren ermöglichen.<br />

Zum Kühlen von Reaktionsansätzen verwendet man am besten isolierende Styroporgefäße<br />

o<strong>der</strong> Dewar-Gefäße. Weniger geeignet s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>fache Al-Töpfe o<strong>der</strong> Glasgefäße, die nur für<br />

Eis/Wasser o<strong>der</strong> Eis/Kochsalz-Kühlmischungen e<strong>in</strong>gesetzt werden können. Da diese Gefäße<br />

nicht isoliert s<strong>in</strong>d, verbrauchen sich die Kühlmischungen rasch.<br />

49


2. Glasgeräte und Reaktionsapparaturen<br />

Für tiefere Kühltemperaturen (T < –25 °C) müssen Dewar-Gefäße, die nach dem Pr<strong>in</strong>zip <strong>der</strong><br />

Thermoskannen gebaut s<strong>in</strong>d, verwendet werden.<br />

Dewar-Gefäße s<strong>in</strong>d mit Vorsicht zu verwenden. Auf Schlag o<strong>der</strong> Druck kann es zur Implosion<br />

des Vakuummantels kommen.<br />

E<strong>in</strong>ige gebräuchliche Kältemischungen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> Tab. 2.1 aufgeführt.<br />

Tabelle 2.1: Gebräuchliche Kältemischungen<br />

Mischung <strong>in</strong> Gewichtsanteilen<br />

Erreichte Temperatur [°C]<br />

4 Wasser + 1 Kaliumchlorid –12<br />

1 Wasser+ 1 Ammoniumnitrat –15<br />

1 Wasser + 1 Natriumnitrat + 1 Ammoniumnitrat –24<br />

3 Eis (gemahlen) + 1 Natriumchlorid –21<br />

1.2 Eis (gestoßen) + 2 Calciumchlorid-hexahydrat –39<br />

Trockeneis + Aceton, Ethanol o<strong>der</strong> 2-Propanol –78<br />

Flüssiger Stickstoff –196<br />

Achtung: Kältemischungen können bei Hautkontakt zu ‚Verbrennungen‘ führen.<br />

2.2.8 Temperaturmessung<br />

Zur Temperaturmessung werden fast immer Thermometer aus Glas e<strong>in</strong>gesetzt. Je nach dem<br />

zu messenden Temperaturbereich werden verschiedene Thermometerflüssigkeiten verwendet.<br />

(Tab. 2.2).<br />

Tabelle 2.2: Gebräuchliche Thermometerflüssigkeiten.<br />

Füllung<br />

Temperaturbereich [°C]<br />

Quecksilber –10 bis +700<br />

Quecksilber-Thallium-Eutektikum ca. –60 bis +5<br />

Toluol o<strong>der</strong> Ethanol, gefärbt –100 bis +30<br />

Pentan, gefärbt –200 bis +30<br />

Im Normalfall decken Thermometer mit Quecksilberfüllung den <strong>in</strong> <strong>der</strong> Praxis wichtigsten<br />

Temperaturbereich von 0 bis 250 °C mit guter Genauigkeit ab, bei Bruch des Thermometers<br />

wird aber das giftige Quecksilber freigesetzt. Durch die Verwendung von teflonummantelten<br />

Thermometern kann diese Gefahr verm<strong>in</strong><strong>der</strong>t werden. Ist e<strong>in</strong>e ger<strong>in</strong>gere Genauigkeit vertretbar,<br />

kann man auf Thermometer mit quecksilberfreien Ölfüllungen (Temperaturbereich etwa<br />

–20 bis +260 °C) ausweichen. Je nach <strong>der</strong> Reaktionsapparatur empfehlen sich verschiedene<br />

Thermometer-Typen.<br />

50


2.2 Bauteile für Schliffapparaturen<br />

Abb. 2.15: Thermometer.<br />

a) b) c)<br />

Abb. 2.16: Thermometer <strong>in</strong><br />

Destillationsapparaturen<br />

• Universal-Thermometer (Abb. 2.15a) werden als chemische<br />

Thermometer zur Temperaturmessung mit nicht zu<br />

hohen Ansprüchen an die Genauigkeit e<strong>in</strong>gesetzt. Der<br />

Temperaturbereich liegt bei etwa -10 bis +250 o<strong>der</strong> 300<br />

°C, die Genauigkeit liegt bei 0.5 - 1 °C. Zu beachten ist,<br />

dass Universal-Thermometer meist ganze<strong>in</strong>tauchend skaliert<br />

s<strong>in</strong>d.<br />

• Stockthermometer (Abb. 2.15b) besitzen e<strong>in</strong>en verlängerten<br />

Schaft. Dadurch kann das Thermometer tief e<strong>in</strong>getaucht<br />

werden, ohne dass die Skala verdeckt wird.<br />

• Normschliff-Thermometer (Abb. 2.15c) besitzen e<strong>in</strong>en<br />

fest angeschmolzenen Normschliffkern am Thermometerschaft.<br />

Sie eignen sich beson<strong>der</strong>s für den E<strong>in</strong>bau <strong>in</strong> Apparaturen<br />

(z.B. Destillationsapparaturen). Die E<strong>in</strong>tauchtiefe<br />

ist durch den Schliffkern fest vorgegeben und muss zur<br />

Apparatur passen. Oft wird sowohl bei <strong>der</strong> Apparatur als<br />

auch beim Schliffthermometer die E<strong>in</strong>bautiefe angegeben,<br />

sie ist <strong>der</strong> Abstand vom oberen Schliffende bis zur<br />

Unterkante des Thermometers.<br />

Beim E<strong>in</strong>satz von Thermometern <strong>in</strong> Destillationsapparaturen<br />

ist darauf zu achten, dass die Quecksilber-Kugel etwas unterhalb<br />

des unteren Rands des absteigenden Kühlers steht, so<br />

dass sie vom heißen Dampf vollständig umspült wird (Abb.<br />

2.16). An<strong>der</strong>nfalls werden falsche Siedetemperaturen abgelesen.<br />

Kältethermometer decken den tiefen Temperaturbereich (–200 bis ca. +30 °C) ab. Sie werden<br />

meist als Stockthermometer zur Temperaturkontrolle von Kältebä<strong>der</strong>n e<strong>in</strong>gesetzt.<br />

Achtung: Kältethermometer s<strong>in</strong>d sehr empf<strong>in</strong>dlich! Rasche Temperaturän<strong>der</strong>ungen (z.B.<br />

schnelles E<strong>in</strong>tauchen <strong>in</strong> sehr kalte Medien) führen meist zum Riss des Fadens und machen das<br />

Thermometer unbrauchbar.<br />

Elektronische Thermometer werden auch im Labor immer häufiger e<strong>in</strong>gesetzt. Sie bestehen<br />

meist aus dem Messgerät mit Stromversorgung und e<strong>in</strong>em separaten Messfühler (Thermoelement)<br />

mit Sensor. Gemessen wird die temperaturabhängige Wi<strong>der</strong>standsän<strong>der</strong>ung des Sensors<br />

(Pt 100 o<strong>der</strong> NiCr-Ni). Sensor und Messgerät müssen zue<strong>in</strong>an<strong>der</strong> passen! Durch die kle<strong>in</strong>en<br />

Maße <strong>der</strong> Sensoren ist e<strong>in</strong>e sehr rasche und wenig träge Messung auch bei großen Temperaturän<strong>der</strong>ungen<br />

möglich. Der Außenmantel des Messfühlers besteht meist aus Edelstahl. Für<br />

korrosive Medien s<strong>in</strong>d auch glas- o<strong>der</strong> teflonummantelte Messfühler erhältlich, allerd<strong>in</strong>gs<br />

wird die Temperaturmessung durch die schlechte Wärmeleitfähigkeit <strong>der</strong> Umhüllung träger.<br />

51


2. Glasgeräte und Reaktionsapparaturen<br />

2.3 Standard-Reaktionsapparaturen<br />

Nachfolgend werden die am häufigsten e<strong>in</strong>gesetzten Standard-Reaktionsapparaturen beschreiben.<br />

2.3.1 Erhitzen unter Rückfluss<br />

Die e<strong>in</strong>fachste Reaktionsapparatur für Umsetzungen <strong>in</strong> siedenden Flüssigkeiten (Abb. 2.17)<br />

besteht aus e<strong>in</strong>em Rundkolben (NS 14, NS 29) (1) mit aufgesetztem Rückflusskühler (2) und<br />

Magnetrührstab (3). Der Aufbau <strong>der</strong> Apparatur beg<strong>in</strong>nt mit <strong>der</strong> Befestigung des Kolbens am<br />

Stativ mit e<strong>in</strong>er Stativklammer (4) <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Höhe, die es erlaubt, dass das Heizbad (5) mit dem<br />

Magnetrührer (mit Heizplatte) (6) mit <strong>der</strong> Hebebühne (7) soweit heruntergefahren werden<br />

kann, dass Magnetrührer und Heizbad problemlos von <strong>der</strong> Apparatur entfernt werden können.<br />

Abb. 2.17: E<strong>in</strong>fache Standard-<br />

Reaktionsapparatur<br />

Die Klammerung des Kolbens muss fest se<strong>in</strong>, da sie<br />

die gesamte Apparatur trägt. Die Apparatur muss exakt<br />

über <strong>der</strong> Stativplatte aufgebaut werden, da ansonsten<br />

Kippgefahr besteht! Besser ist es, die Apparatur an<br />

e<strong>in</strong>em fest <strong>in</strong>stallierten Stativgestänge aufzubauen. Die<br />

Kolbengröße ist so zu wählen, dass er nach Zugabe<br />

aller Solventien und Reagenzien maximal zu ¾ gefüllt<br />

ist.<br />

Der Rückflusskühler wird im oberen Drittel mit e<strong>in</strong>er<br />

weitern Stativklammer (4) locker fixiert, e<strong>in</strong>e zu feste<br />

Klammerung kann zu Spannungen und zum Bruch <strong>der</strong><br />

Apparatur führen! Die Apparatur muss völlig senkrecht<br />

stehen.<br />

Die Kühlwasserschläuche (mit Wasserwächter im Ablauf)<br />

müssen mit Schlauchschellen gesichert und auf<br />

Dichtigkeit geprüft werden, damit ke<strong>in</strong> Wasser <strong>in</strong> das<br />

Ölbad gelangen kann.<br />

Die Apparatur wird jetzt – nach Wegnahme des Rückflusskühlers – über e<strong>in</strong>en Trichter bzw.<br />

Pulvertrichter mit den Edukten und Solventien beschickt. Substanzreste im Pulvertrichter<br />

werden mit e<strong>in</strong>em Teil des e<strong>in</strong>gesetzten Solvens <strong>in</strong> den Kolben gespült. Wenn nötig, wird die<br />

Schliffhülse gere<strong>in</strong>igt und <strong>der</strong> jetzt gefettete Rückflusskühler wie<strong>der</strong> aufgesetzt. Die Kühlwasserschläuche<br />

werden nochmals auf Dichtigkeit geprüft und – wenn erfor<strong>der</strong>lich – <strong>der</strong> Kühlwasserfluss<br />

nachgeregelt.<br />

52


2.3 Standard-Reaktionsapparaturen<br />

Jetzt werden das Heizbad und <strong>der</strong> Magnetrührer mit <strong>der</strong> Hebebühne soweit hochgefahren,<br />

dass das Niveau des heißen Heizbades etwas unterhalb des Flüssigkeitsspiegels im Reaktionskolben<br />

bleibt (an<strong>der</strong>enfalls können sich am Flüssigkeitsrand Krusten von Edukten und/o<strong>der</strong><br />

Produkten bilden).<br />

Nachdem noch e<strong>in</strong> Thermometer (8) <strong>in</strong> das Heizbad gehängt wurde, um die Badtemperatur zu<br />

kontrollieren, wird langsam bis zum Sieden <strong>der</strong> Reaktionsmischung aufgeheizt. Die Temperatur<br />

wird so e<strong>in</strong>gestellt, dass sich e<strong>in</strong> mäßiger Rückfluss e<strong>in</strong>stellt, die Kondensation des<br />

Solvens sollte bereits im unteren Drittel des Rückflusskühlers erfolgen.<br />

Die obere Schlifföffnung des Rückflusskühlers darf auf ke<strong>in</strong>en Fall verschlossen werden, da<br />

ansonsten e<strong>in</strong> Überdruck <strong>in</strong> <strong>der</strong> Apparatur entsteht, <strong>der</strong> schlimmstenfalls zum Bersten führen<br />

kann. Mögliche Gasentwicklungen führen zum gleichen Effekt.<br />

2.3.2 Varianten <strong>der</strong> e<strong>in</strong>fachen Standardreaktionsapparatur<br />

• Während <strong>der</strong> Reaktion entsteht e<strong>in</strong> Gas. Die Gasentwicklung soll zur Kontrolle des<br />

Reaktionsablaufs beobachtet werden (Abb. 2.18a):<br />

Auf den oberen Schliff des Rückflusskühlers wird e<strong>in</strong> Blasenzähler (9) mit e<strong>in</strong>er geeigneten,<br />

gegenüber <strong>der</strong> Reaktionsmischung <strong>in</strong>erten Sperrflüssigkeit aufgesetzt. Das Durchperlen<br />

des entweichenden Gases kann so beobachtet werden.<br />

• Die Reaktion soll unter Feuchtigkeitsausschluss durchgeführt werden (Abb. 2.18b):<br />

Zunächst muss darauf geachtet werden, dass alle Bauteile wirklich trocken s<strong>in</strong>d (zuvor e<strong>in</strong>ige<br />

Stunden <strong>in</strong> den Trockenschrank legen). Auf den oberen Schliff des Rückflusskühlers<br />

wird e<strong>in</strong> Trockenrohr (10) mit geeigneter Füllung (z.B. Kieselgelgranulat, grob gekörntes<br />

Calciumchlorid) aufgesetzt. Durch das Trockenrohr wird das E<strong>in</strong>diffundieren von (feuchter)<br />

Umgebungsluft verlangsamt.<br />

Abb. 2.18: Varianten <strong>der</strong> e<strong>in</strong>fachen Standardreaktionsapparatur mit Apparatursymbolen.<br />

53


2. Glasgeräte und Reaktionsapparaturen<br />

2.3.3 Mehrhalskolben-Apparaturen<br />

Die am häufigsten e<strong>in</strong>gesetzte Standard-Reaktionsapparatur <strong>in</strong> <strong>der</strong> organisch-chemischen<br />

Synthese ist <strong>der</strong> Dreihalskolben (1) mit KPG-Rührer (3), Rückflusskühler (2) und Tropftrichter<br />

mit Druckausgleich (9). Zu <strong>der</strong> gerührten, siedenden Reaktionslösung wird e<strong>in</strong> Reaktionspartner<br />

zugetropft.<br />

Für den Aufbau <strong>der</strong> Apparatur gilt grundsätzlich die <strong>in</strong> 2.3.1 beschriebene Vorgehensweise.<br />

Abbildung 2.19 zeigt die fertig aufgebaute Apparatur.<br />

Der Aufbau beg<strong>in</strong>nt mit dem Dreihalskolben (1), <strong>der</strong> am mittleren Schliff an <strong>der</strong> Stativstange<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Höhe festgeklammert wird, wie dies bei <strong>der</strong> e<strong>in</strong>fachen Apparatur (2.3.1, Abb. 2.17)<br />

beschrieben wird ((4): Stativklammern, (5): Heizbad, (6): Heizplatte, (7): Hebebühne).<br />

Abb. 2.19: Reaktionsapparatur mit<br />

mechanischem Rührer und Tropftrichter:<br />

Anschließend wird <strong>der</strong> KPG-Rührer (3) auf den zentralen<br />

Schliff aufgesetzt. Die Rührwelle wird nur soweit<br />

gefettet, wie sie im Zyl<strong>in</strong><strong>der</strong>schliff <strong>der</strong> Hülse läuft. Bei<br />

Flügelrührblättern ist beim E<strong>in</strong>setzen darauf zu achten,<br />

dass sie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e korrekte Position gebracht werden<br />

(Flügel auf entgegengesetzten Seiten). Die Rührhülse<br />

wird ebenfalls fest geklammert, um e<strong>in</strong> Lockern während<br />

des Rührens zu verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n. Am besten platziert<br />

man die Stativklammer so, dass sie unmittelbar oberhalb<br />

<strong>der</strong> Verdickung des Kernschliffes sitzt und e<strong>in</strong><br />

Hochrutschen <strong>der</strong> Hülse somit verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t wird. Der<br />

Kolben mit Rührer muss absolut senkrecht stehen,<br />

wenn nötig wird die Apparatur ausgerichtet.<br />

Nun wird <strong>der</strong> Rührmotor (11) so am Stativ (12) befestigt,<br />

dass die Motorwelle genau <strong>in</strong> <strong>der</strong> Achse <strong>der</strong><br />

Rührwelle liegt. Die Klammerung des Motors muss<br />

sehr fest se<strong>in</strong>. Die flexible Verb<strong>in</strong>dung (10) zwischen<br />

Antriebswelle und KPG-Rührer wird durch e<strong>in</strong> etwa<br />

10 cm langes Stück Vakuumschlauch hergestellt. (Sichern<br />

<strong>der</strong> Verb<strong>in</strong>dung evt. durch Rohrschellen!). Die<br />

Höhe des Rührers muss so justiert werden, dass das<br />

Rührblatt etwa 0.5 cm Abstand zum Kolbenboden hat.<br />

We<strong>der</strong> Rührblatt noch die Rührwelle dürfen im Reaktionskolben<br />

aufsitzen, ansonsten besteht Bruchgefahr!<br />

E<strong>in</strong> Testlauf des Rührers zeigt, ob er ruhig läuft, die<br />

Apparatur darf dabei nicht merklich wackeln. Eventuell<br />

muss die Ausrichtung von Welle und Motor korrigiert<br />

werden.<br />

54


2.3 Standard-Reaktionsapparaturen<br />

Der Rückflusskühler (2) wird (bei abgeschaltetem Rührmotor!) auf e<strong>in</strong>en Seitenhals gesetzt,<br />

<strong>der</strong> Tropftrichter (NS 14) mit Druckausgleich (9) auf den an<strong>der</strong>en. Alle Schliffverb<strong>in</strong>dungen<br />

werden gefettet. Sowohl <strong>der</strong> Kühler als auch <strong>der</strong> Tropftrichter müssen ausreichend<br />

Abstand zur Rührwelle (10) und dem Rührmotor haben, es darf nirgends zu Berührungen<br />

kommen (auch auf ausreichend Abstand zu den Sicherungen <strong>der</strong> flexiblen Verb<strong>in</strong>dung achten!).<br />

Der Kühler wird durch e<strong>in</strong>e Stativklammer (4) locker geklammert. E<strong>in</strong>e zu feste Klammerung<br />

kann durch Vibrationen beim Rühren leicht zu Bruch <strong>der</strong> Apparatur führen. Der<br />

Tropftrichter wird mit e<strong>in</strong>er Schliffklemme gesichert. Nach dem Anbr<strong>in</strong>gen e<strong>in</strong>es chemischen<br />

Thermometers (8) zur Kontrolle <strong>der</strong> Heizbadtemperatur ist die Apparatur e<strong>in</strong>satzbereit. In Abbildung<br />

2.20 ist <strong>der</strong> Aufbau <strong>der</strong> Apparatur nochmals schematisch dargestellt.<br />

Abb. 2.20: Aufbau e<strong>in</strong>er Apparatur mit mechanischem Rührer.<br />

2.3.4 Varianten <strong>der</strong> Dreihalskolben-Apparatur – portionsweise Zugabe e<strong>in</strong>es Feststoffs<br />

während <strong>der</strong> Reaktion<br />

Zu <strong>der</strong> Reaktionsmischung soll e<strong>in</strong> Feststoff über e<strong>in</strong>en längeren Zeitraum portionsweise zugegeben<br />

werden. Dabei ist mit e<strong>in</strong>er Erwärmung <strong>der</strong> Reaktionsmischung zu rechnen, die mit<br />

e<strong>in</strong>em Innenthermometer verfolgt werden soll. Den Aufbau <strong>der</strong> Apparatur zeigt Abb. 2.21.<br />

Abb. 2.21: In e<strong>in</strong>e Schlifföffnung des 3-Halskolbens (1)<br />

wird (evt. über e<strong>in</strong> Übergangsstück) mit Hilfe<br />

e<strong>in</strong>es Schraubverschlusses (‚Quickfit‘) e<strong>in</strong><br />

Stockthermometer (2) e<strong>in</strong>gesetzt. Das Thermometer<br />

muss <strong>in</strong> <strong>der</strong> Höhe so justiert werden,<br />

dass die Thermometerkugel möglichst tief <strong>in</strong><br />

die Reaktionsmischung e<strong>in</strong>taucht, <strong>der</strong> Rührstab<br />

aber nicht anschlagen kann. Das Thermometer<br />

darf nicht unter Spannung stehen (z. B.<br />

durch Anstoßen an die Kolben<strong>in</strong>nenwand).<br />

Die zweite Schlifföffnung dient <strong>der</strong> Zugabe<br />

des Feststoffes, sie ist zunächst mit e<strong>in</strong>em<br />

Schliffstopfen (3) verschlossen.<br />

55


2. Glasgeräte und Reaktionsapparaturen<br />

Die feste Substanz wird über e<strong>in</strong>en Schlifftrichter mit sehr breitem und kurzem Auslauf<br />

(Feststofftrichter) (4) zugegeben. Beson<strong>der</strong>s geeignet s<strong>in</strong>d Trichter, die an e<strong>in</strong>er Seite<br />

abgeflacht s<strong>in</strong>d. Nach je<strong>der</strong> Zugabe wird <strong>der</strong> Trichter sofort wie<strong>der</strong> entfernt und die<br />

Schlifföffnung wie<strong>der</strong> mit dem Stopfen verschlossen. Am besten verwendet man e<strong>in</strong>en<br />

Kunststoffschliffstopfen (<strong>in</strong> diesem Fall muss <strong>der</strong> Schliff nicht gefettet werden). Die Gefahr,<br />

dass Substanzreste am Schlifffett kleben bleiben und <strong>der</strong> Schliff dadurch beim Verschließen<br />

beschädigt wird o<strong>der</strong> nicht mehr dichtet, ist ger<strong>in</strong>ger. Für e<strong>in</strong> bequemes Zugeben des<br />

Feststoffes sollten Rechtshän<strong>der</strong> am besten den rechten Schliff verwenden, L<strong>in</strong>kshän<strong>der</strong><br />

umgekehrt.<br />

In Abbildung 2.22 s<strong>in</strong>d die Apparatesymbole weiterer Dreihalskolben-Varianten abgebildet.<br />

Abb. 2.22: Verschiedene Varianten<br />

<strong>der</strong> Dreihalskolben-Apparatur<br />

Abb. 2.22a: Wie bei Abb. 1.21 Zugabe e<strong>in</strong>er Festsubstanz<br />

während <strong>der</strong> Reaktion, es muss aber mechanisch<br />

gerührt werden, Rückfluss.<br />

Abb. 2.22b: Zutropfen e<strong>in</strong>es Edukts während <strong>der</strong><br />

Reaktion, magnetisches Rühren, Rückfluss.<br />

Abb. 2.22c: Zutropfen e<strong>in</strong>es Edukts während <strong>der</strong><br />

Reaktion <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Kältebad, Messung <strong>der</strong> Innentemperatur,<br />

mechanisches Rühren, Rückflusskühler<br />

nicht erfor<strong>der</strong>lich.<br />

Abb. 2.22d: Zutropfen e<strong>in</strong>es Edukts während <strong>der</strong><br />

Reaktion, mechanisches Rühren, Rückfluss, Beobachtung<br />

e<strong>in</strong>er Gasentwicklung mit dem Blasenzähler.<br />

Abb. 2.22e: Während <strong>der</strong> Reaktion wird e<strong>in</strong>e Reaktionskomponente<br />

zugetropft, das Reaktionsgemisch<br />

enthält flüchtige Bestandteile und ist feuchtigkeitsempf<strong>in</strong>dlich;<br />

durch die Verwendung e<strong>in</strong>es sog. Anschützaufsatzes<br />

erreicht man, dass e<strong>in</strong>e vierte NS-<br />

Schlifföffnung zur Verfügung steht.<br />

Abb. 2.22f: Während <strong>der</strong> Reaktion wird e<strong>in</strong> Gas – als<br />

Schutzgas o<strong>der</strong> Reaktionspartner – e<strong>in</strong>geleitet. Der<br />

Aufbau <strong>der</strong> Reaktionsapparatur mit KPG-Rührer,<br />

Innenthermometer, Rückflusskühler und Gase<strong>in</strong>leitungsrohr<br />

wird durch die Verwendung e<strong>in</strong>es Anschütz-Aufsatzes<br />

erreicht. E<strong>in</strong> auf dem Rückflusskühler<br />

aufgesetzter Blasenzähler <strong>in</strong>diziert entweichende<br />

Gase und zeigt den ‚Gasstrom‘ an.<br />

56


2.4 Standard-Destillationsapparaturen<br />

Abb. 2.22g: Bei <strong>der</strong> Reaktion entweichende aggressive Gase werden <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er nachgeschalteten<br />

Waschflüssigkeit <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Erlenmeyerkolben absorbiert. Um die Gefahr <strong>der</strong> Zurücksteigens<br />

<strong>der</strong> Absorptionsflüssigkeit zu vermeiden, empfiehlt sich – wie auch bei allen Gase<strong>in</strong>leitungsoperationen<br />

– das Zwischenschalten e<strong>in</strong>er Waschflasche (man achte auf <strong>der</strong>en ‚Schaltung‘!).<br />

2.4 Standard-Destillationsapparaturen (siehe Kap. 4)<br />

E<strong>in</strong>fache Destillationsapparatur mit absteigendem Kühler (Abb. 2.23).<br />

Auf den zu maximal ¾ gefüllten Destillationskolben wird e<strong>in</strong> absteigen<strong>der</strong> Kühler (Claisen-<br />

Brücke) mit Vorstoß und Vorlagekolben gesetzt (Abb. 2.23). Weitere H<strong>in</strong>weise siehe Kap. 4.<br />

Abb. 2.23: E<strong>in</strong>fache Destillationsapparatur (NS 14).<br />

57


2. Glasgeräte und Reaktionsapparaturen<br />

Destillationsapparatur NS 14.5 mit Vigreux-Kolonne mit Vakuummantel (Abb. 2.24), absteigen<strong>der</strong><br />

Kühler, Vorstoß und ‚Sp<strong>in</strong>ne‘ mit 4 Vorlagekölbchen.<br />

Abb. 2.24: Destillationsapparatur mit Vigreux-Kolonne.<br />

Feststoff-Destillationsapparatur: Destillationskolben mit angeschmolzenem Anschütz-Aufsatz<br />

und absteigendem Rohr (Abb. 2.25). Der Vorlagekolben wird ohne Kühler angeschlossen.<br />

Zur Kühlung wird e<strong>in</strong> schwacher Wasserstrahl über den Vorlagekolben geleitet und mit<br />

e<strong>in</strong>em an den Trichterauslauf angeschlossenen Schlauch dem Abwasser zugeführt. Die Vorlage<br />

übernimmt mit <strong>der</strong> angeschmolzenen Öffnung mit Olive zugleich die Funktion des Vorstoßes,<br />

z.B. zum Anlegen von Vakuum.<br />

58


2.3 Standard-Reaktionsapparaturen<br />

Abb. 2.25: Feststoffdestille:<br />

Erhitzen <strong>der</strong> Reaktionsmischung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Rundkolben unter Rückfluss und kont<strong>in</strong>uierlicher<br />

Abscheidung von Reaktionswasser (Abb. 2.26).<br />

Bei Reaktionen, bei denen während <strong>der</strong> Umsetzung Wasser gebildet wird (z.B. H + -katalysierte<br />

Bildung von Acetalen und Ketalen aus Aldehyden bzw. Ketonen und Alkoholen o<strong>der</strong><br />

H + -katalysierte Veresterung von Carbonsäuren mit Alkoholen), lassen sich die Produktausbeuten<br />

wesentlich verbessern, wenn man das Reaktionswasser kont<strong>in</strong>uierlich aus dem Reaktionsgemisch<br />

entfernt und damit dem Reaktionsgleichgewicht entzieht.<br />

Dies geschieht zweckmäßig durch ‚Azeotrope Destillation‘. Cyclohexan (Sdp. 81 °C) bildet<br />

z.B. mit Wasser e<strong>in</strong> Azeotrop (9 % Wasser, 81 % Cyclohexan, Sdp. 68.9 °C, mit dessen Hilfe<br />

man das Wasser aus dem Reaktionsgemisch ‚auskreisen‘ (‚ausschleppen‘) kann, Cyclohexan<br />

ist <strong>der</strong> sog. ‚Schlepper‘.<br />

Da sich Wasser praktisch nicht <strong>in</strong> Cyclohexan löst, besteht das azeotrope Destillat aus e<strong>in</strong>er<br />

Cyclohexan- und e<strong>in</strong>er Wasserphase.<br />

Mit Hilfe des ‚Wasserabschei<strong>der</strong>s‘ (Abb. 2.26), <strong>in</strong> dessen ‚Bürettenteil‘ das azeotrope Kondensat<br />

e<strong>in</strong>tropft, kann man das sich absetzende spezifisch schwerere Wasser abtrennen (die<br />

Bürettengraduierung erlaubt zugleich, die Menge des abgeschiedenen Wassers zu bestimmen),<br />

während das spezifisch leichtere Cyclohexan <strong>in</strong> den Reaktionskolben zurückläuft.<br />

59


2. Glasgeräte und Reaktionsapparaturen<br />

Abb. 2.26: Wasserabschei<strong>der</strong> für spezifisch leichtere Lösungsmittel.<br />

60


Kapitel 3<br />

Klassische Methoden zur Charakterisierung<br />

organischer Verb<strong>in</strong>dungen<br />

3.1 Der Schmelzpunkt<br />

3.2 Der Siedepunkt<br />

3.3 Der Brechungs<strong>in</strong>dex, Refraktometrie<br />

3.4 Der spezifische Drehwert [α], Polarimetrie<br />

61


3. Klassische Methoden zur Charakterisierung organischer Verb<strong>in</strong>dungen<br />

3.1 Der Schmelzpunkt<br />

Def<strong>in</strong>ition:<br />

Die Temperatur, bei <strong>der</strong> e<strong>in</strong>e kristall<strong>in</strong>e Substanz von <strong>der</strong> festen <strong>in</strong> die flüssige<br />

Phase übergeht, bezeichnet man als den Schmelzpunkt (Schmp.) o<strong>der</strong> Fließpunkt<br />

(Fp.). Bei dieser Temperatur bricht das Kristallgitter zusammen.<br />

3.1.1 Physikalische Grundlagen<br />

Der Zusammenhang zwischen <strong>der</strong> festen (kristall<strong>in</strong>en), <strong>der</strong> flüssigen und <strong>der</strong> gasförmigen<br />

Phase e<strong>in</strong>er Verb<strong>in</strong>dung wird durch das Zustandsdiagramm (Phasendiagramm) wie<strong>der</strong>gegeben.<br />

Das Zustandsdiagramm von Wasser zeigt Abb. 3.1.<br />

Abb. 3.1: Zustandsdiagramm von Wasser<br />

Jede Substanz besitzt e<strong>in</strong>e Sublimationsdruckkurve (Kurve 1), e<strong>in</strong>e Dampfdruckkurve<br />

(Kurve 2) und e<strong>in</strong>e Schmelzdruckkurve (Kurve 3). Die Kurven grenzen die Existenzgebiete<br />

<strong>der</strong> Phasen vone<strong>in</strong>an<strong>der</strong> ab.<br />

Entlang <strong>der</strong> Sublimationsdruckkurve steht die Festsubstanz mit <strong>der</strong> Gasphase im thermodynamischen<br />

Gleichgewicht. Auf <strong>der</strong> l<strong>in</strong>ken Seite liegt <strong>der</strong> kristall<strong>in</strong>e, auf <strong>der</strong> rechten Seite<br />

<strong>der</strong> gasförmige Zustand vor. Im Grunde ist diese Kurve nichts an<strong>der</strong>es als die Dampfdruckkurve<br />

p(T) des festen Zustands (z.B. Eis).<br />

Die Dampfdruckkurve p(T) beschreibt die Phasengrenze Flüssigkeit – Gasphase. Entlang<br />

dieser Kurve steht <strong>der</strong> flüssige Zustand e<strong>in</strong>es Stoffes mit se<strong>in</strong>er Gasphase im thermodynamischen<br />

Gleichgewicht, die Phasenübergänge werden als verdampfen (Übergang von flüssig<br />

nach gasförmig) bzw. kondensieren (Übergang von gasförmig nach flüssig) bezeichnet. Die<br />

Dampfdruckkurve endet auf <strong>der</strong> rechten Seite am kritischen Punkt. Rechts vom kritischen<br />

Punkt kann <strong>der</strong> flüssige Zustand nicht mehr vom gasförmigen Zustand unterschieden werden,<br />

man spricht von überkritischen Gasen.<br />

Der Phasenübergang vom festen <strong>in</strong> den flüssigen Zustand wird durch die Schmelzdruckkurve<br />

p(T) gekennzeichnet. L<strong>in</strong>ks von ihr liegt e<strong>in</strong>e Substanz kristall<strong>in</strong>, auf <strong>der</strong> rechten Seite<br />

62


3.1 Der Schmelzpunkt<br />

als Schmelze (Flüssigkeit) vor. Die Übergänge werden als schmelzen bzw. kristallisieren<br />

bezeichnet.<br />

Der Schnittpunkt <strong>der</strong> Kurven 1, 2 und 3 ist <strong>der</strong> Tripelpunkt, hier haben die feste und die flüssige<br />

Phase den gleichen Dampfdruck (Eis / Wasser / Wasserdampf: p = 6.09 hPa, T = 0.0098<br />

°C). Kristall, Schmelze und Dampf stehen mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> im thermodynamischen Gleichgewicht.<br />

Schmelzpunkte und Siedepunkte s<strong>in</strong>d bei gegebenem Druck charakteristische physikalische<br />

Stoffkonstanten und eignen sich pr<strong>in</strong>zipiell zur Charakterisierung, z.T. auch zur Identifizierung<br />

chemischer Verb<strong>in</strong>dungen. Tabelle 3.1 gibt hierfür e<strong>in</strong>ige Beispiele.<br />

Tabelle 3.1: Beispiele für stoffspezifische Schmelzpunkte.<br />

Isomorphe Monobromphenole<br />

Schmp. [°C]<br />

o-Bromphenol<br />

5.6<br />

m-Bromphenol<br />

32<br />

p-Bromphenol<br />

64<br />

Isomorphe Dichlorbenzole<br />

Schmp. [°C]<br />

o-Dichlorbenzol<br />

–17<br />

m-Dichlorbenzol<br />

–26<br />

p-Dichlorbenzol<br />

53<br />

Isomere Pentane<br />

Schmp. [°C]<br />

Isopentan<br />

–160<br />

n-Pentan<br />

–130<br />

Neopentan<br />

–17<br />

Die Beispiele zeigen, dass die Schmelzpunkte mit zunehmen<strong>der</strong> Molekülsymmetrie ansteigen.<br />

Wie aus dem Phasendiagramm von Wasser (Abb. 3.1) zu ersehen ist, ist die Schmelzkurve <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Regel sehr steil. Tab. 3.2 gibt die Druckabhängigkeit des Schmelzpunkts von Wasser wie<strong>der</strong>.<br />

Tabelle 3.2: Druckabhängigkeit des<br />

Schmelzpunkts von Wasser<br />

Äußerer Druck (at) Schmp. (°C)<br />

1 0.0<br />

590 –5.0<br />

2045 –22.0<br />

8040 +15.0<br />

3.1.2 Eutektische Gemische<br />

Sehr hoch- o<strong>der</strong> nichtschmelzende Verunre<strong>in</strong>igungen, die sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schmelze <strong>der</strong> Substanz<br />

nicht lösen, bee<strong>in</strong>flussen den Schmelzpunkt nicht. Der Schmelzfluss wird aber nicht klar und<br />

täuscht somit e<strong>in</strong> unvollständiges Schmelzen <strong>der</strong> Probe vor; e<strong>in</strong>e exakte Bestimmung ist nicht<br />

möglich.<br />

Ist die Verunre<strong>in</strong>igung ebenfalls e<strong>in</strong>e kristall<strong>in</strong>e Substanz mit e<strong>in</strong>em ‚normalen‘ Schmelzpunkt,<br />

dann beobachtet man e<strong>in</strong>e Absenkung des Schmelzpunktes (Schmelzpunktsdepression),<br />

<strong>der</strong>en Größe von Art und Menge <strong>der</strong> Verunre<strong>in</strong>igung abhängig ist.<br />

63


3. Klassische Methoden zur Charakterisierung organischer Verb<strong>in</strong>dungen<br />

Physikalische Grundlagen<br />

Das nachstehende Zustandsdiagramm (Abb. 3.2) gibt die Verhältnisse wie<strong>der</strong>. Geschmolzenes<br />

α-Naphthol (Schmp. 96 °C) besitzt e<strong>in</strong>en von <strong>der</strong> Temperatur abhängigen Dampfdruck<br />

(Kurve 1), <strong>der</strong> bei <strong>der</strong> Zugabe von Naphthal<strong>in</strong> als ‚Verunre<strong>in</strong>igung‘ nach dem Raoult’schen<br />

Gesetz mit zunehmen<strong>der</strong> Naphthal<strong>in</strong>konzentration zunehmend kle<strong>in</strong>er wird (Kurven 2, 3). Die<br />

Dampfdruckkurve wird nach unten verschoben.<br />

E<strong>in</strong>e analoge Beziehung gilt für die Schmelzdruckkurve. Hier verschiebt sich die Schmelzdruckkurve<br />

von α-Naphthol mit zunehmen<strong>der</strong> Verunre<strong>in</strong>igung nach l<strong>in</strong>ks. Die Konsequenz<br />

daraus ist, dass <strong>der</strong> Schmelzpunkt mit zunehmen<strong>der</strong> Verunre<strong>in</strong>igung von T S1 = (96 °C) → T S2<br />

abs<strong>in</strong>kt (Schmelzdepression), bis bei e<strong>in</strong>em Schmelzpunkt von T SE = 62 °C die Zusammensetzung<br />

des ‚Eutektikums‘ (60 % α-Naphthol und 40 % Naphthal<strong>in</strong>) erreicht wird. Das Eutektikum<br />

gibt die am ‚Eutektischen Punkt‘ vorliegende Mischung an. Unterhalb von T SE ist<br />

das System α-Naphthol/Naphthal<strong>in</strong> bei je<strong>der</strong> Zusammensetzung fest.<br />

Abb. 3.2: Zustandsdiagramm von 1-Naphthol<br />

mit zunehmenden Mengen von Naphthal<strong>in</strong> als<br />

Verunre<strong>in</strong>igung<br />

Abb. 3.3: Schmelzdiagramm des b<strong>in</strong>ären<br />

Systems 1-Naphthol/Naphthal<strong>in</strong><br />

Re<strong>in</strong>es 1-Naphthol hat e<strong>in</strong>en scharfen Schmelzpunkt, d.h. das Temperatur<strong>in</strong>tervall (=<br />

Schmelzbereich) von Beg<strong>in</strong>n des Schmelzvorgangs bis zur klaren Schmelze ist kle<strong>in</strong>er als<br />

1 °C. Mit zunehmen<strong>der</strong> Beimischung von Naphthal<strong>in</strong> wird <strong>der</strong> Schmelzbereich größer und die<br />

klare Schmelze bereits bei niedrigeren Temperaturen erreicht. Das Schmelzdiagramm des<br />

b<strong>in</strong>ären Systems 1-Naphthol/Naphthal<strong>in</strong> (Abb. 3.3) veranschaulicht das Schmelzverhalten<br />

über den gesamten Mischungsbereich bei Normaldruck.<br />

In den Bereichen rechts und l<strong>in</strong>ks des Eutektikums (Abb. 3.3: 60% 1-Naphthol, 40% Naphthal<strong>in</strong>,<br />

Schmp. 62 °C) bef<strong>in</strong>den sich noch Naphthal<strong>in</strong>- bzw. 1-Naphthol-Kristalle <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Schmelze, die Folge ist e<strong>in</strong>e Vergrößerung des Intervalls, <strong>in</strong> dem sich e<strong>in</strong>e klare Schmelze<br />

bildet (Schmelz<strong>in</strong>tervall). Bei e<strong>in</strong>er Zusammensetzung von 80% 1-Naphthol / 20% Naphthal<strong>in</strong><br />

liegt das Schmelz<strong>in</strong>tervall bei 62–88 °C (siehe Abb. 3.3).<br />

64


3.1 Der Schmelzpunkt<br />

Mit Ausnahme <strong>der</strong> sehr seltenen Fälle e<strong>in</strong>er echten Mischkristallbildung (Isomorphie) – bei<br />

<strong>der</strong> sich die verschiedenen Molekülsorten ohne Störung im Kristallgitter vertreten können –<br />

zeigen alle Mischungen chemisch verschiedener, kristall<strong>in</strong>er Verb<strong>in</strong>dungen e<strong>in</strong>e Schmelzpunktdepression<br />

mit Vergrößerung des Schmelz<strong>in</strong>tervalls ähnlich dem abgebildeten<br />

Schmelzdiagramm.<br />

• Der scharfe Schmelzpunkt e<strong>in</strong>er Verb<strong>in</strong>dung (Schmelz<strong>in</strong>tervall 0.5–1.0 °C) ist e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>faches<br />

und zuverlässiges Kriterium für <strong>der</strong>en Re<strong>in</strong>heit. Bei ger<strong>in</strong>gen Verunre<strong>in</strong>igungen<br />

(< 1%) ist e<strong>in</strong>e Schmelzpunktdepression wie auch die Vergrößerung des Schmelz<strong>in</strong>tervalls<br />

mit dem Auge nicht mehr zu erkennen, hier liegt die Nachweisgrenze. Tabelle 3.3 gibt e<strong>in</strong>en<br />

Überblick über die Nachweisgrenzen von Verunre<strong>in</strong>igungen mit verschiedenen spektroskopischen<br />

und chromatographischen Methoden.<br />

• Wenn e<strong>in</strong>e authentische Vergleichsprobe zur Verfügung steht, kann e<strong>in</strong>e organische<br />

Verb<strong>in</strong>dung durch die Bestimmung e<strong>in</strong>es Mischschmelzpunktes, <strong>der</strong> ke<strong>in</strong>e Depression<br />

aufweisen darf (siehe unten), auch identifiziert werden. Normalerweise werden organische<br />

Verb<strong>in</strong>dungen durch die Darstellung von Derivaten charakterisiert, <strong>der</strong>en Schmelzpunkte<br />

bei bekannten Verb<strong>in</strong>dungen Tabellenwerten entnommen werden können. Wenn zwei verschiedene<br />

Derivate <strong>der</strong>selben Verb<strong>in</strong>dung die <strong>in</strong> den Tabellen angegebenen Schmelzpunkte<br />

aufweisen, ist die Verb<strong>in</strong>dung im Normalfall identifiziert.<br />

Für erstmals synthetisierte Verb<strong>in</strong>dungen s<strong>in</strong>d diese Methoden <strong>der</strong> Identifizierung natürlich<br />

nicht brauchbar.<br />

Tabelle 3.3: Nachweisgrenzen von Verunre<strong>in</strong>igungen.<br />

Methode<br />

Nachweisgrenze von<br />

Verunre<strong>in</strong>igungen<br />

Schmelzpunkt ca. 1 %<br />

IR-Spektroskopie ca. 3–5 %<br />

UV-Spektroskopie ca. 1–3 %<br />

NMR-Spektroskopie ca. 3–5 %<br />

Dünnschichtchromatographie ca 1 %<br />

Gaschromatographie < 0.1 %<br />

3.1.3 Bestimmung des Schmelzpunkts<br />

Schmelzpunktapparatur nach Thiele<br />

Die Schmelzpunktbestimmung erfolgt meist im so genannten Schmelzpunktröhrchen: Die<br />

Substanzprobe wird <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>seitig abgeschmolzenen Glasröhrchen, ∅ ca. 1.0–1.5 mm,<br />

Länge ca. 7–8 cm (Schmelzpunktröhrchen, Schmelzpunktkapillare) etwa 3–5 mm hoch e<strong>in</strong>gefüllt.<br />

65


3. Klassische Methoden zur Charakterisierung organischer Verb<strong>in</strong>dungen<br />

Nach dem E<strong>in</strong>füllen <strong>der</strong> Substanz (E<strong>in</strong>drücken des Röhrchens <strong>in</strong> die Substanz) klopft man die<br />

Probe vorsichtig nach unten. Am Besten lässt man das Röhrchen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em 30–40 cm hohen<br />

Glasrohr mehrmals auf e<strong>in</strong>e harte Unterlage (Labortisch) fallen. Nach dieser Operation muss<br />

aber unbed<strong>in</strong>gt geprüft werden, dass die Abschmelzung unbeschädigt ist, da die Substanz ansonsten<br />

<strong>in</strong> die Heizflüssigkeit gelangt.<br />

In <strong>der</strong> Schmelzpunktapparatur nach Thiele (Abb. 3.4) wird e<strong>in</strong>e Heizflüssigkeit (Paraff<strong>in</strong>öl,<br />

Höchsttemperatur 180 °C o<strong>der</strong> Silikonöl, Höchsttemperatur 200–250 °C) mit e<strong>in</strong>em Bunsenbrenner<br />

an <strong>der</strong> mit e<strong>in</strong>em Kupfernetz überzogenen Stelle vorsichtig aufgeheizt. Das aufsteigende<br />

Glasknie erlaubt e<strong>in</strong> rasches, gleichmäßiges Aufheizen durch Wärmekonvektion.<br />

Das Thermometer (chemisches Thermometer, 0–250 °C) wird mit e<strong>in</strong>em durchbohrten und<br />

ausgeschnittenen (Abb. 3.4) Korkstopfen zentrisch im Gerät befestigt. Der Ausschnitt erlaubt<br />

e<strong>in</strong>e durchgehende Ablesung <strong>der</strong> Thermometerskala.<br />

Abb. 3.4: Schmelzpunktapparatur nach Thiele<br />

1 Thermometer<br />

2 Korkstopfen zur Thermometerhalterung<br />

2a Querschnitt des Korkstopfens mit Bohrung<br />

und Ausschnitt<br />

3 Kupferdrahtnetz<br />

4 Schmelzpunktröhrchen<br />

5 Halterung des Röhrchens (Schlauchstück<br />

o<strong>der</strong> Filterpapier)<br />

Seitenansicht<br />

Vor<strong>der</strong>ansicht<br />

Das Schmelzpunktröhrchen wird nun durch die seitlichen Ansätze des Schmelzpunktapparates<br />

so e<strong>in</strong>geführt, dass die Substanzprobe sich unmittelbar vor <strong>der</strong> Thermometerkugel bef<strong>in</strong>det<br />

(Thermometerhöhe genau e<strong>in</strong>stellen!). Um das ‚Wegrutschen‘ des Röhrchens zu vermeiden,<br />

kann es mit e<strong>in</strong>em durchstochenen kle<strong>in</strong>en Stück Filterpapier o<strong>der</strong> Gummischlauch fixiert<br />

werden. Bei Schmelztemperaturen über 200 °C muss <strong>der</strong> gemessene Wert an Hand e<strong>in</strong>er<br />

Eichtabelle korrigiert werden. Die <strong>in</strong>dividuelle Eichung erfolgt mit Hilfe von käuflichen<br />

Eichsubstanzen.<br />

Anschließend wird langsam erhitzt, die Probe wird dabei genau beobachtet und Verän<strong>der</strong>ungen<br />

zusammen mit <strong>der</strong> Temperatur protokolliert. Der Schmelzbeg<strong>in</strong>n zeigt sich durch Tröpfchenbildung<br />

an <strong>der</strong> Glaswand des Röhrchens o<strong>der</strong> Abrundung von Ecken und Kanten <strong>der</strong><br />

Kristallsplitter; das Ende ist erreicht, wenn e<strong>in</strong>e klare Schmelze vorliegt. Die Werte von<br />

Schmelzbeg<strong>in</strong>n bis zur Bildung <strong>der</strong> klaren Schmelze s<strong>in</strong>d das Schmelz<strong>in</strong>tervall.<br />

66


3.1 Der Schmelzpunkt<br />

Weitere Verän<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Probe (S<strong>in</strong>tern = Zusammenbacken <strong>der</strong> Substanz ohne zu<br />

schmelzen, Gasentwicklung, Verfärbung, Zersetzung, Sublimation usw.) müssen ebenfalls<br />

protokolliert werden, da hieraus Rückschlüsse auf Verunre<strong>in</strong>igungen o<strong>der</strong> auf chemische bzw.<br />

physikalische Verän<strong>der</strong>ungen möglich s<strong>in</strong>d.<br />

E<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>wandfreie Schmelzpunktbestimmung setzt die langsame Erwärmung <strong>der</strong> Probe voraus,<br />

da die Wärmeübertragung vom Heizmedium auf die Probe und <strong>der</strong> Schmelzvorgang<br />

selbst e<strong>in</strong>e gewisse Trägheit aufweisen. E<strong>in</strong>e Aufheizgeschw<strong>in</strong>digkeit von 1–2 °C/m<strong>in</strong>. im<br />

Bereich des Schmelzpunkts ist <strong>in</strong> den meisten Fällen ausreichend, schnelleres Aufheizen<br />

täuscht e<strong>in</strong>en zu hohen Schmelzpunkt und e<strong>in</strong> zu großes Schmelz<strong>in</strong>tervall vor.<br />

Bei unbekannten Substanzen ist e<strong>in</strong>e Aufheizgeschw<strong>in</strong>digkeit von 1–2 °C/m<strong>in</strong>. nicht praktikabel.<br />

Deshalb schätzt man <strong>in</strong> diesen Fällen zuerst mit relativen hohen Aufheizraten (ca. 10-<br />

15 °C/m<strong>in</strong>) die ungefähre Lage des Schmelzpunktes ab. Nach Abkühlen des Gerätes auf etwa<br />

20 °C unterhalb des abgeschätzten Schmelzpunktes wird die exakte Messung mit e<strong>in</strong>er frischen<br />

Substanzprobe und langsamer Aufheizgeschw<strong>in</strong>digkeit durchgeführt.<br />

Alle Schmelzpunkte werden normalerweise <strong>in</strong> offenen Röhrchen unter Normaldruck bestimmt.<br />

Bei leicht flüchtigen Substanzen (z. B. Sublimation) muss das Röhrchen zugeschmolzen<br />

werden (protokollieren!). Wenn es sich um literaturbekannte Stoffe handelt, wird den<br />

eigenen Werten <strong>der</strong> Literaturwert – evtl. mit Quellenangaben – <strong>in</strong> Klammern gegenübergestellt:<br />

Schmp. 134–135 °C (Lit.: 135–136 °C)<br />

Schmp. 245–247 °C unter Zersetzung im abgeschmolzenen Röhrchen (Lit. 240–244 °C,<br />

Zers.)<br />

Schmelzpunktapparatur nach Tottoli<br />

Bei <strong>der</strong> Schmelzpunktapparatur nach Tottoli wird Öl als Wärmeüberträger e<strong>in</strong>gesetzt, das Öl<br />

wird zum gleichmäßigen Aufheizen mit e<strong>in</strong>em kle<strong>in</strong>en elektrischen Turb<strong>in</strong>enrührer umgepumpt.<br />

Die Heizung erfolgt ebenfalls elektrisch durch e<strong>in</strong>e geregelte Heizspirale. Die Temperaturmessung<br />

erfolgt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel elektronisch über e<strong>in</strong>en Thermofühler, bei älteren Geräten<br />

über e<strong>in</strong> Thermometer.<br />

Der Vorteil gegenüber <strong>der</strong> Thiele-Apparatur ist die geregelte elektrische Heizung, die konstante<br />

Aufheizraten erlaubt und e<strong>in</strong>e gleichmäßigere Temperaturverteilung <strong>der</strong> Heizflüssigkeit<br />

ermöglicht.<br />

67


3. Klassische Methoden zur Charakterisierung organischer Verb<strong>in</strong>dungen<br />

Bestimmung hoher Schmelzpunkte mit dem Kupferblock<br />

Abb. 3.5: Schmelzpunktbestimmung<br />

im Kupferblock<br />

Bei Schmelzpunktbestimmungen im Kupferblock<br />

(Abb. 3.5) werden die Schmelzpunktröhrchen <strong>in</strong> Bohrungen<br />

e<strong>in</strong>es massiven Metallblocks gestellt. Durch<br />

e<strong>in</strong>e Bohrung auf <strong>der</strong> Vor<strong>der</strong>seite mit e<strong>in</strong>gesetzter<br />

Lupe kann das Schmelzverhalten beobachtet werden.<br />

Durch den Metallblock wird die Wärme recht gleichmäßig<br />

im Probenraum verteilt, die Wärmeübertragung<br />

auf das Schmelzpunktröhrchen erfolgt durch die Luft<br />

im Probenraum. Der Kupferblock wird im e<strong>in</strong>fachsten<br />

Fall mit e<strong>in</strong>em Bunsenbrenner geheizt, mo<strong>der</strong>ne Geräte<br />

besitzen e<strong>in</strong>e elektrische Heizung mit elektronischer<br />

Regelung.<br />

Da <strong>der</strong> Kupferblock ke<strong>in</strong> Öl als Wärmeübertragungsmedium<br />

benutzt, können auch höhere Schmelzpunkte<br />

problemlos gemessen werden. Der Nachteil ist e<strong>in</strong>e<br />

trägere Wärmeübertragung über die Luft, deswegen<br />

darf nur relativ langsam aufgeheizt werden. Im Übrigen<br />

gelten alle obigen H<strong>in</strong>weise zur Schmelzpunktbestimmung<br />

(z. B. Thermometerkorrektur).<br />

Im Handel werden auch Geräte zur automatischen Bestimmung des Schmelzpunkts nach dem<br />

Kupferblock-Pr<strong>in</strong>zip angeboten. Abbildung 3.6a zeigt das Messpr<strong>in</strong>zip: Das Schmelzpunktröhrchen<br />

(2) sitzt hier zwischen e<strong>in</strong>er Lichtquelle (1) und e<strong>in</strong>em Detektor (4) (Photozellen).<br />

Feste (kristall<strong>in</strong>e) Proben streuen das e<strong>in</strong>fallende Licht, am Detektor wird nur e<strong>in</strong>e ger<strong>in</strong>ge<br />

Transmission beobachtet. Beim Schmelzen nimmt die Lichtstreuung ab, die Transmission <strong>der</strong><br />

Probe nimmt zu.<br />

Abb. 3.6: Automatische Schmelzpunktbestimmung.<br />

a) Messpr<strong>in</strong>zip b) Transmissionskurve<br />

1 Lichtquelle<br />

2 Spalt<br />

3 Probe<br />

4 Detektor<br />

Die Auftragung <strong>der</strong> Transmission gegen die Temperatur zeigt im Schmelzbereich e<strong>in</strong>en<br />

sprunghaften Anstieg <strong>der</strong> Kurve (Abb. 3.6b). Aus <strong>der</strong> Transmissionskurve kann <strong>der</strong> Schmelzbereich<br />

(a bis b) bestimmt werden. E<strong>in</strong>ige Geräte werten die Kurve auch automatisch aus.<br />

68


3.1 Der Schmelzpunkt<br />

Mikroskopische Bestimmung des Schmelzpunkts: Heizmikroskop nach Kofler<br />

E<strong>in</strong>e beson<strong>der</strong>s präzise und trotzdem e<strong>in</strong>fache Methode ist die Schmelzpunktbestimmung unter<br />

dem Heizmikroskop nach Kofler (Abb. 3.7). Dazu wird die Substanzprobe auf e<strong>in</strong>em<br />

dünnen Glasobjektträger auf den elektrischen Heiztisch gelegt (2) und mit e<strong>in</strong>em zweiten<br />

Objektträger abgedeckt. Durch e<strong>in</strong>e Bohrung im Heiztisch wird die Probe von unten (also im<br />

Durchlicht) beleuchtet (3), bei Bedarf kann auch e<strong>in</strong> Polarisationsfilter <strong>in</strong> den Strahlengang<br />

gebracht werden. Die Beobachtung erfolgt durch e<strong>in</strong> Mikroskop (1).<br />

Diese Methode erlaubt Schmelzpunktbestimmungen im weiten Temperaturbereich bis<br />

T > 300 °C. Zur Temperaturmessung müssen geeichte Thermometersätze e<strong>in</strong>gesetzt werden.<br />

Grundsätzlich ist auch die <strong>in</strong>dividuelle Erstellung e<strong>in</strong>er Eichkurve mit käuflichen Substanzen<br />

möglich.<br />

Abb. 3.7: Heizmikroskop nach Kofler.<br />

2<br />

1<br />

Der Vorteil des Kofler Heiztisches liegt nicht<br />

nur im ger<strong>in</strong>gen Substanzbedarf son<strong>der</strong>n vor<br />

allem <strong>in</strong> <strong>der</strong> besseren Beobachtung <strong>der</strong> Probe.<br />

Verän<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Probe, wie Sublimation,<br />

Kristallumwandlungen, Abspaltung flüchtiger<br />

Substanzen usw. können leichter erkannt werden<br />

und liefern unter Umständen wichtige<br />

Zusatz<strong>in</strong>formationen.<br />

3<br />

3.1.4 Bestimmungen von Mischschmelzpunkten<br />

Die e<strong>in</strong>deutige Identifizierung von Substanzen nur durch den Schmelzpunkt ist nicht möglich,<br />

viele Substanzen besitzen e<strong>in</strong>en sehr ähnlichen Schmelzpunkt. Die nahezu zweifelsfreie Identifizierung<br />

erfolgt über den Mischschmelzpunkt (siehe Kapitel 3.1.2 ‚Eutektische Gemische‘)<br />

mit e<strong>in</strong>er authentischen Probe. Das folgende Beispiel veranschaulicht die Vorgehensweise:<br />

Aus <strong>der</strong> e<strong>in</strong>fachen Schmelzpunktbestimmung e<strong>in</strong>er farblosen, unbekannten Substanz ergibt<br />

sich e<strong>in</strong> Schmelzpunkt von 134–135 °C. Es könnte sich also um Harnstoff (Schmp. 132–<br />

133 °C), Acetylsalicylsäure (Schmp. 135–136 °C) o<strong>der</strong> Malonsäure (Schmp. 135–136 °C)<br />

handeln. Nun werden jeweils Mischungen <strong>der</strong> unbekannten Substanz mit Proben <strong>der</strong> <strong>in</strong> Frage<br />

kommenden Re<strong>in</strong>substanzen (authentische Proben) durch gründliches Verreiben <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er kle<strong>in</strong>en<br />

Achatreibschale o<strong>der</strong> zwischen zwei Glasplatten hergestellt und die Schmelzpunkte dieser<br />

Mischungen bestimmt. Während die Schmelzpunkte <strong>der</strong> Mischungen mit Harnstoff und Malonsäure<br />

deutlich niedriger liegen als <strong>der</strong> Schmelzpunkt <strong>der</strong> unbekannten Substanz (außerdem<br />

69


3. Klassische Methoden zur Charakterisierung organischer Verb<strong>in</strong>dungen<br />

wird das Schmelz<strong>in</strong>tervall signifikant größer) ist bei <strong>der</strong> Mischung mit Acetylsalicylsäure<br />

ke<strong>in</strong>e Än<strong>der</strong>ung des Schmelzverhaltens zu beobachten.<br />

Harnstoff und Malonsäure verhalten sich <strong>in</strong> den Mischungen offenbar wie e<strong>in</strong>e Verunre<strong>in</strong>igung<br />

(Schmelzpunktdepression, breites Schmelz<strong>in</strong>tervall), Acetylsalicylsäure nicht. Bei <strong>der</strong><br />

unbekannten Substanz muss es sich also ebenfalls um Acetylsalicylsäure handeln.<br />

3.2 Der Siedepunkt (siehe auch Kapitel 4, 4.1 Physikalische Grundlagen)<br />

In kristall<strong>in</strong>en Stoffen nehmen die Ionen o<strong>der</strong> Moleküle feste Gitterplätze e<strong>in</strong>. Die Moleküle<br />

e<strong>in</strong>er Flüssigkeit s<strong>in</strong>d dagegen beweglich, ständig entweichen Moleküle durch die Flüssigkeitsoberfläche<br />

<strong>in</strong> den umgebenden Gasraum (Verdampfung) und kehren wie<strong>der</strong> <strong>in</strong> die Flüssigkeit<br />

zurück (Kondensation).<br />

In e<strong>in</strong>em abgeschlossenen System stellt sich e<strong>in</strong> Gleichgewicht zwischen Verdampfung und<br />

Kondensation e<strong>in</strong>; jede Flüssigkeit besitzt also e<strong>in</strong>en charakteristischen, von <strong>der</strong> Temperatur<br />

abhängigen Dampfdruck. Mit steigen<strong>der</strong> Temperatur steigt <strong>der</strong> Dampfdruck e<strong>in</strong>er Verb<strong>in</strong>dung<br />

<strong>in</strong> charakteristischer Weise. Der Dampfdruck bei 20 °C kann als Maß für die ‚Flüchtigkeit‘<br />

e<strong>in</strong>er Verb<strong>in</strong>dung bei Raumtemperatur dienen. Die Abhängigkeit des Dampfdrucks e<strong>in</strong>er<br />

Flüssigkeit von <strong>der</strong> Temperatur wird durch die Dampfdruckkurve dargestellt.<br />

Im offenen System kann sich <strong>der</strong> e<strong>in</strong>er bestimmten Temperatur entsprechende Dampfdruck<br />

nicht e<strong>in</strong>stellen, da die Flüssigkeit rasch verdunstet. Wird <strong>der</strong> Dampfdruck e<strong>in</strong>er Verb<strong>in</strong>dung<br />

gleich dem über dieser Verb<strong>in</strong>dung herrschenden Druck, dann siedet die Verb<strong>in</strong>dung (Sdp.:<br />

Siedepunkt, Kp.: Kochpunkt). Während des Siedens e<strong>in</strong>er Substanz dient die zugeführte<br />

Energie dem Verdampfen <strong>der</strong> Flüssigkeit.<br />

E<strong>in</strong>heitliche Substanzen zeigen während des gesamten Siedevorgangs e<strong>in</strong>en konstanten<br />

Siedepunkt; er ist bei gegebenem Druck e<strong>in</strong>e charakteristische Stoffkonstante. Der Siedepunkt<br />

lässt sich für jeden Druck aus <strong>der</strong> Dampfdruckkurve ablesen. Mit fallendem äußeren<br />

Druck s<strong>in</strong>kt auch <strong>der</strong> Siedepunkt.<br />

3.2.1 Bestimmung des Siedepunkts<br />

Analytische Bedeutung des Siedepunkts<br />

Obwohl <strong>der</strong> Siedepunkt für re<strong>in</strong>e Verb<strong>in</strong>dungen e<strong>in</strong>e charakteristische Stoffkonstante darstellt,<br />

ist die analytische Bedeutung vergleichsweise ger<strong>in</strong>g: Verunre<strong>in</strong>igungen bewirken zwar<br />

im Allgeme<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>e Siedepunkterhöhung, doch ist <strong>der</strong> Effekt deutlich ger<strong>in</strong>ger als beispielsweise<br />

beim Schmelzpunkt. Deshalb wird bei Flüssigkeiten neben dem Siedepunkt auch <strong>der</strong><br />

Brechungs<strong>in</strong>dex (siehe Abschnitt 3.3) angegeben.<br />

70


3.2 Der Siedepunkt<br />

Bestimmung des Siedepunkts im Mikromaßstab nach Siwolobow<br />

Abb. 3.8: Schmelzpunktbestimmung<br />

nach Siwolobow:<br />

E<strong>in</strong> Mikroreagenzglas wird etwa 1 cm hoch mit <strong>der</strong> Substanz<br />

gefüllt, als Siedekapillare dient e<strong>in</strong> Schmelzpunktröhrchen,<br />

das mit <strong>der</strong> Öffnung nach unten <strong>in</strong> das Reagenzglas<br />

gestellt wird. Das Reagenzglas wird mit e<strong>in</strong>em<br />

Gummi so an e<strong>in</strong>em Thermometer befestigt, dass sich die<br />

Quecksilberkugel auf Höhe <strong>der</strong> zu untersuchenden Flüssigkeit<br />

bef<strong>in</strong>det (Abb. 3.8). Nun wird <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em kle<strong>in</strong>en<br />

Ölbad langsam erhitzt. Sobald e<strong>in</strong>e Kette kle<strong>in</strong>er Gasbläschen<br />

aufsteigt wird die Temperatur abgelesen. Das<br />

Heizbad wird wie<strong>der</strong> abgekühlt und sobald die Kette <strong>der</strong><br />

Gasbläschen abreißt, wird nochmals die Temperatur abgelesen.<br />

Der Mittelwert <strong>der</strong> beiden Temperaturen ergibt<br />

den Siedepunkt <strong>der</strong> Probe mit e<strong>in</strong>er Genauigkeit von ±2<br />

°C.<br />

Bestimmung des Siedepunkts im Makromaßstab<br />

Bei genügend großen Probemengen kann <strong>der</strong> Siedepunkt natürlich auch im Makromaßstab <strong>in</strong><br />

‚konventionellen‘ Apparaturen bestimmt werden, Abb. 3.9 zeigt e<strong>in</strong>e geeignete Apparatur. Es<br />

ist darauf zu achten, dass das Ölbad nur bis zum Flüssigkeitsspiegel <strong>in</strong> das Heizbad e<strong>in</strong>taucht,<br />

um e<strong>in</strong>e Überhitzung zu vermeiden. Ebenso wichtig ist es, dass das Thermometer mit Hilfe<br />

e<strong>in</strong>es sog. ‚Quickfits‘ so weit e<strong>in</strong>geführt wird, dass sich die Quecksilberkugel im Knie des<br />

Anschützaufsatzes (d.h., <strong>in</strong> <strong>der</strong> Höhe <strong>der</strong> ‚Abzeigung‘) bef<strong>in</strong>det und vollständig vom Dampf<br />

umspült wird. Wenn die Substanz etwa 5 M<strong>in</strong>uten unter Rückfluss steht, wird die Temperatur<br />

am Innenthermometer abgelesen.<br />

71


3. Klassische Methoden zur Charakterisierung organischer Verb<strong>in</strong>dungen<br />

Abb. 3.9: Apparatur zur Siedepunktbestimmung im Makromaßstab<br />

1 Rundkolben mit Substanzprobe und Magnetrührstab (um Siedeverzüge<br />

zu verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n)<br />

2 Anschützaufsatz<br />

3 Rückflusskühler<br />

4 Innenthermometer (mit Quickfit befestigt)<br />

5 Heizbad (Ölbad)<br />

6 Elektrische Heizplatte mit Magnetrührer<br />

7 Heizbadthermometer zur Kontrolle <strong>der</strong> Heizbadtemperatur<br />

3.3 Der Brechungs<strong>in</strong>dex, Refraktometrie<br />

3.3.1 Physikalische Grundlagen<br />

Wenn e<strong>in</strong> Lichtstrahl von e<strong>in</strong>em optischen Medium <strong>in</strong> e<strong>in</strong> an<strong>der</strong>es übergeht, wird e<strong>in</strong> Teil des<br />

Lichtstrahls an <strong>der</strong> Grenzfläche reflektiert, <strong>der</strong> Rest dr<strong>in</strong>gt <strong>in</strong> das zweite Medium e<strong>in</strong> und breitet<br />

sich dort <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er neuen Richtung (d.h. mit neuer Geschw<strong>in</strong>digkeit) weiter aus (Abb. 3.10).<br />

Dieses Phänomen ist unter <strong>der</strong> Bezeichnung ‚optische Brechung‘ bekannt. Die Richtungsän<strong>der</strong>ung<br />

des Lichtstrahls hängt dabei von den Eigenschaften <strong>der</strong> beiden Medien ab.<br />

Abb. 3.10: Optische Brechung<br />

α 1<br />

Medium 1<br />

n 1<br />

n 2<br />

α 2<br />

Medium 2<br />

Es gilt das Gesetz von Snellius:<br />

s<strong>in</strong>a<br />

s<strong>in</strong>a<br />

1<br />

2<br />

c1<br />

n<br />

= =<br />

c n<br />

2<br />

2<br />

1<br />

α 1 = E<strong>in</strong>fallsw<strong>in</strong>kel<br />

α 2 = Ausfallsw<strong>in</strong>kel<br />

c 1 = Lichtgeschw<strong>in</strong>digkeit im Medium 1<br />

c 2 = Lichtgeschw<strong>in</strong>digkeit im Medium 2<br />

n 1 = Brechungs<strong>in</strong>dex im Medium 1<br />

n 2 = Brechungs<strong>in</strong>dex im Medium 2<br />

72


3.3 Der Brechungs<strong>in</strong>dex, Refraktometrie<br />

Der Brechungs<strong>in</strong>dex ist – wie die Lichtgeschw<strong>in</strong>digkeit – auf die Ausbreitung elektromagnetischer<br />

Wellen im Vakuum bezogen. Damit ergibt sich mit c = Lichtgeschw<strong>in</strong>digkeit im<br />

Vakuum:<br />

n<br />

1<br />

=<br />

c<br />

c<br />

1<br />

Da Licht bei unterschiedlichen Wellenlängen unterschiedlich gebrochen wird (Dispersion)<br />

und die Brechung, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e von Flüssigkeiten, stark von <strong>der</strong> Temperatur abhängt, werden<br />

diese beiden Parameter angegeben. Üblich ist <strong>der</strong> Bezug auf die Natrium-D-L<strong>in</strong>ie (λ = 589<br />

nm) und T = 20 °C, Schreibweise: n D<br />

20<br />

.<br />

Da <strong>der</strong> Brechungs<strong>in</strong>dex e<strong>in</strong>e Stoffkonstante ist und zum Teil sehr empf<strong>in</strong>dlich auf Verunre<strong>in</strong>igungen<br />

reagiert, wird er häufig als Re<strong>in</strong>heitskriterium und zur Charakterisierung von<br />

Flüssigkeiten angeführt. Weitere Vorteile s<strong>in</strong>d <strong>der</strong> ger<strong>in</strong>ge Substanzbedarf (bei Abbé-<br />

Refraktometern e<strong>in</strong>ige Tropfen) sowie die e<strong>in</strong>fache und schnelle Messung.<br />

3.3.2 Pr<strong>in</strong>zip des Abbé-Refraktometers<br />

Das Pr<strong>in</strong>zip <strong>der</strong> Bestimmung des Brechungs<strong>in</strong>dex mit Hilfe des Abbé-Refraktometers beruht<br />

auf <strong>der</strong> Beobachtung des sog. Grenzw<strong>in</strong>kels γ. Auf die Verwendung von monochromatischem<br />

Licht kann <strong>in</strong> <strong>der</strong> Praxis wegen <strong>der</strong> Achromasie des Grenzw<strong>in</strong>kels <strong>der</strong> Brechung<br />

verzichtet werden. Es tritt zwar zunächst e<strong>in</strong> Farbsaum an <strong>der</strong> Hell-Dunkel-Grenze auf, <strong>der</strong><br />

jedoch mit Hilfe e<strong>in</strong>es Kompensators korrigiert werden kann.<br />

Tritt Licht aus e<strong>in</strong>em optisch dünneren Medium mit n 1 <strong>in</strong> e<strong>in</strong><br />

optisch dichteres Medium mit n 2 und n 2 > n 1 e<strong>in</strong>, so werden<br />

alle Lichtstrahlen zum Lot h<strong>in</strong> gebrochen, sie werden auf e<strong>in</strong>en<br />

W<strong>in</strong>kelbereich 2γ zusammengedrängt. Außerhalb dieses<br />

W<strong>in</strong>kelbereiches wird ke<strong>in</strong> Lichtstrahl beobachtet, es entsteht<br />

e<strong>in</strong>e Hell-Dunkel-Grenze am Grenzw<strong>in</strong>kel γ <strong>der</strong> Brechung.<br />

Der W<strong>in</strong>kel γ gehört zu dem streifenden Lichtstrahl (Abb.<br />

3.11).<br />

Abb. 3.11: Grenzw<strong>in</strong>kel<br />

<strong>der</strong> Totalreflektion<br />

n 1<br />

n 2<br />

γ γ<br />

Dabei gilt: s<strong>in</strong>γ = n 2<br />

n1<br />

Durchführung <strong>der</strong> Messung:<br />

Zuerst muss sichergestellt werden, dass <strong>der</strong> Thermostat die gewünschte Messtemperatur (<strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Regel 20 °C) am Refraktometer e<strong>in</strong>stellt.<br />

Das Beleuchtungsprisma (mit rauher Oberfläche) wird aufgeklappt und 2–3 Tropfen <strong>der</strong> Probenflüssigkeit<br />

werden mit e<strong>in</strong>em Glasstab o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>er Pipette aufgebracht. Es soll e<strong>in</strong> gleich-<br />

73


3. Klassische Methoden zur Charakterisierung organischer Verb<strong>in</strong>dungen<br />

mäßiger, dünner Film entstehen, dazu klappt man am besten das Prisma e<strong>in</strong>- bis zweimal auf<br />

und zu, anschließend wird es verriegelt.<br />

Zur Messung wird am Triebknopf solange gedreht, bis im rechten Okular e<strong>in</strong>e Hell-Dunkel-<br />

Grenze erkennbar ist (Abb. 3.12). Mit dem Kompensator wird die Grenzl<strong>in</strong>ie scharf gestellt,<br />

danach wird die Grenzl<strong>in</strong>ie nochmals mit dem Triebknopf <strong>in</strong> den Schnittpunkt des Fadenkreuzes<br />

gelegt. Jetzt kann im l<strong>in</strong>ken Okular an e<strong>in</strong>er Skala <strong>der</strong> Brechungs<strong>in</strong>dex auf vier<br />

Dezimalstellen genau abgelesen werden. Zuletzt vergewissert man sich nochmals, ob die<br />

Grenzl<strong>in</strong>ie noch im Fadenkreuz liegt und die Temperatur noch konstant gehalten wurde.<br />

Nach Ende <strong>der</strong> Messung werden die Prismen sofort mit e<strong>in</strong>em weichen Papiertuch und mit<br />

Aceton gere<strong>in</strong>igt!<br />

Abb. 3.12: Blick durch die beiden Okulare e<strong>in</strong>es Refraktometers bei korrekt e<strong>in</strong>gestellter<br />

Grenzl<strong>in</strong>ie. In diesem Fall beträgt <strong>der</strong> Brechungs<strong>in</strong>dex n D<br />

20<br />

=1.3678.<br />

1.36<br />

1.37<br />

1.38<br />

Mögliche Fehler:<br />

• Es wird ke<strong>in</strong>e scharfe Grenze im Sehfeld beobachtet: Die Probenmenge ist zu ger<strong>in</strong>g o<strong>der</strong><br />

die Substanz zu leichtflüchtig. Probenmenge erhöhen o<strong>der</strong> etwas Probensubstanz mit e<strong>in</strong>er<br />

Pipette bei geschlossenen Prismen <strong>in</strong> den vorgesehenen Kanal geben.<br />

• Das Sehfeld bleibt immer dunkel: Möglicherweise gelangt ke<strong>in</strong> Licht durch das Probenprisma,<br />

den Licht-Spiegel nachjustieren bzw. Beleuchtung kontrollieren.<br />

• Es werden systematisch falsche Brechungs<strong>in</strong>dices erhalten: Die Temperatur des Messprismas<br />

weicht von <strong>der</strong> Solltemperatur ab, nachregeln; das Gerät ist dejustiert, Überprüfung<br />

mit Wasser ( n D<br />

20<br />

=1.3330).<br />

3.4 Der spezifische Drehwert [α], Polarimetrie<br />

3.4.1 Physikalische Grundlagen<br />

Optisch aktive chemische Verb<strong>in</strong>dungen drehen die Schw<strong>in</strong>gungsebene von l<strong>in</strong>ear polarisiertem<br />

Licht um e<strong>in</strong>en bestimmten, charakteristischen W<strong>in</strong>kel α (Abb. 3.13). Der Drehw<strong>in</strong>kel<br />

α kann positiv (im Uhrzeigers<strong>in</strong>n) o<strong>der</strong> negativ se<strong>in</strong>.<br />

74


3.4 Der spezifische Drehwert [α], Polarimetrie<br />

Abb. 3.13: Drehung <strong>der</strong> Schw<strong>in</strong>gungsebene von l<strong>in</strong>ear polarisiertem Licht durch e<strong>in</strong>e optisch<br />

aktive Substanz.<br />

Der Drehw<strong>in</strong>kel α hängt von <strong>der</strong> Substanz, <strong>der</strong> Schichtdicke l, <strong>der</strong> Temperatur und – soweit<br />

benötigt – auch vom Lösungsmittel ab. Man gibt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel den spezifischen Drehwert<br />

[α] D<br />

20<br />

an; <strong>der</strong> Zusammenhang ist:<br />

t c ⋅l<br />

α = [ α]<br />

λ<br />

100<br />

o<strong>der</strong><br />

t<br />

[ α]<br />

= 100<br />

λ α<br />

c ⋅l<br />

t: Temperatur <strong>in</strong> °C, oft 20 °C<br />

λ: Wellenlänge (D bedeutet die Wellenlänge <strong>der</strong> Natrium-D-L<strong>in</strong>ie<br />

(λ = 589 nm)<br />

c: Konzentration <strong>in</strong> g/100 ml Lösung<br />

l: Schichtdicke <strong>in</strong> dm.<br />

Da <strong>der</strong> Drehw<strong>in</strong>kel auch vom Lösungsmittel und <strong>der</strong> Konzentration (durch Wechselwirkungen<br />

<strong>der</strong> Substanz mit dem Lösungsmittel) abhängt, werden sowohl das Lösungsmittel als<br />

auch die Konzentration c mit angegeben, z.B.:<br />

(S)-Phenylalan<strong>in</strong>, [α] D<br />

20<br />

= 35° (c = 0.02 gml -1 <strong>in</strong> Wasser)<br />

(R)-Phenylethanol, [α] D<br />

20<br />

= +44° (<strong>in</strong> Substanz)<br />

3.4.2 Messpr<strong>in</strong>zip<br />

In e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>fachen optischen Polarimeter (Abb. 3.14) tritt <strong>der</strong> Lichtstrahl aus <strong>der</strong> monochromatischen<br />

Lichtquelle (1) durch den ersten, feststehenden Polarisator (2) (z.B. e<strong>in</strong><br />

Nicolsches Prisma) und wird dadurch l<strong>in</strong>ear polarisiert. Nach dem Durchgang durch die<br />

Probenküvette (3) trifft er auf e<strong>in</strong>en zweiten, drehbaren Polarisator (4) (dem Analysator).<br />

Im Okular müssen nun durch Drehen des Analysators zwei Halbfel<strong>der</strong> auf gleichmäßige Helligkeit<br />

gebracht werden (5). Der Drehw<strong>in</strong>kel kann auf e<strong>in</strong>er W<strong>in</strong>kelskala abgelesen werden<br />

und liefert den gemessenen Wert α.<br />

Abb. 3.14: Pr<strong>in</strong>zip e<strong>in</strong>es optischen Polarimeters:<br />

75


3. Klassische Methoden zur Charakterisierung organischer Verb<strong>in</strong>dungen<br />

Fehlerquellen:<br />

• Die Lösung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Küvette ist nicht blasenfrei.<br />

• Der Drehw<strong>in</strong>kel kann mehrdeutig se<strong>in</strong> (e<strong>in</strong> Drehw<strong>in</strong>kel von +70° bzw. –290° ersche<strong>in</strong>t<br />

z. B. identisch!). Abhilfe schafft e<strong>in</strong>e zweite Messung mit unterschiedlicher Konzentration<br />

o<strong>der</strong> Schichtdicke.<br />

76


Kapitel 4<br />

Destillation<br />

Gängige Verfahren und Apparaturen<br />

4.1 Physikalische Grundlagen<br />

4.2 E<strong>in</strong>stufendestillation<br />

4.3 Mehrstufendestillation (Rektifikation)<br />

4.4 Destillation azeotroper Mischungen<br />

Spezielle Verfahren und Apparaturen<br />

4.5 Halbmikro- und Mikrodestillationsapparaturen<br />

4.6 Vakuumpumpen – Vakuummessgeräte<br />

Literaturverzeichnis<br />

77


4. Destillation<br />

Die Destillation ist die vielseitigste Methode zur Re<strong>in</strong>igung von Flüssigkeiten durch Abtrennung<br />

von schwerflüchtigen Verunre<strong>in</strong>igungen und zur Trennung von Flüssigkeitsgemischen.<br />

Voraussetzung ist, dass sich die Substanzen ohne Zersetzung bei Normaldruck o<strong>der</strong> bei verm<strong>in</strong><strong>der</strong>tem<br />

Druck verdampfen lassen.<br />

4.1 Physikalische Grundlagen<br />

Moleküle e<strong>in</strong>er Flüssigkeit entweichen ständig durch die Flüssigkeitsoberfläche <strong>in</strong> den umgebenden<br />

Gasraum (Verdampfung) und kehren wie<strong>der</strong> <strong>in</strong> die Flüssigkeit zurück (Kondensation).<br />

In e<strong>in</strong>em abgeschlossenen System stellt sich e<strong>in</strong> Gleichgewicht zwischen Verdampfung und<br />

Kondensation e<strong>in</strong>; jede Verb<strong>in</strong>dung besitzt e<strong>in</strong>en charakteristischen, von <strong>der</strong> Temperatur abhängigen<br />

Dampfdruck, <strong>der</strong> mit steigen<strong>der</strong> Temperatur steigt (Abb. 4.1 und Tab. 4.1).<br />

In e<strong>in</strong>em offenen System kann sich <strong>der</strong> zu e<strong>in</strong>er bestimmten Temperatur gehörende Dampfdruck<br />

nicht e<strong>in</strong>stellen, da die Gasphase ‚unendlich groß‘ ist. Es geht ständig Substanz von <strong>der</strong><br />

flüssigen Phase <strong>in</strong> die Gasphase über. Die Temperatur, bei <strong>der</strong> <strong>der</strong> Dampfdruck e<strong>in</strong>er Verb<strong>in</strong>dung<br />

den Außendruck erreicht, ist <strong>der</strong> Siedepunkt (Sdp.). Die zur Verdampfung e<strong>in</strong>es Mols<br />

e<strong>in</strong>er Verb<strong>in</strong>dung am Siedepunkt benötigte Energie ist die Verdampfungsenthalpie (ΔH verd. ).<br />

Siedepunkt und ΔH verd. s<strong>in</strong>d Stoffkonstanten. Die Verdampfungsenthalpie wird durch Heizung<br />

des Destillationskolbens <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Heizbad aufgebracht.<br />

In <strong>der</strong> Destillationsapparatur (siehe Kapitel 4.2) wird <strong>der</strong> Dampf im Kühler kondensiert und <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>em getrennten Gefäß aufgefangen (Übergang flüssig → gasförmig → flüssig). Dadurch<br />

kann e<strong>in</strong>e Flüssigkeit von schwer verdampfbaren Verunre<strong>in</strong>igungen getrennt werden.<br />

4.1.1 Druckabhängigkeit des Siedunkts<br />

Den Zusammenhang zwischen Temperatur und Dampfdruck e<strong>in</strong>er Verb<strong>in</strong>dung gibt die Gleichung<br />

von Clausius-Clapeyron wie<strong>der</strong>:<br />

d ln p<br />

dT<br />

=<br />

ΔH<br />

RT<br />

verd<br />

2<br />

p<br />

ΔH verd<br />

T<br />

R<br />

Dampfdruck<br />

molare Verdampfungswärme<br />

abs. Temperatur<br />

Gaskonstante<br />

Gleichung 4.1<br />

Durch Integration erhält man:<br />

ΔH<br />

ln p = − verd<br />

+ const.<br />

RT<br />

ΔH bzw. log p = − verd + const'.<br />

2.303⋅<br />

RT<br />

Gleichung 4.2<br />

78


4.1 Physikalische Grundlagen<br />

Das Auftragen von ln p bzw. log p gegen 1/T ergibt nach Gleichung 4.2 e<strong>in</strong>e Gerade, die<br />

sich konstruieren lässt, wenn man die Siedepunkte e<strong>in</strong>er Verb<strong>in</strong>dung bei m<strong>in</strong>destens drei verschiedenen<br />

Drucken kennt (Abbildung 4.1).<br />

Tabelle 4.1: Dampfdrucke verschiedener Verb<strong>in</strong>dungen. Im Bereich <strong>der</strong> grau unterlegten Bereiche<br />

s<strong>in</strong>d die Verb<strong>in</strong>dungen bei Normaldruck gasförmig.<br />

Temperatur<br />

Dampfdruck (hPa [Torr])<br />

T [°C] Wasser Diethylether Ethanol n-Pentan n-Heptan<br />

0 6.10 [4.58] 246.6 [185] 16.0 [12] 244 [183] 14.6 [11]<br />

10 12.28 [9.21] 389.2 [292] 32.0 [24] 376 [282] 28 [21]<br />

20 23.3 [17.5] 589 [442] 58.6 [44] 560 [420] 48 [36]<br />

30 42.4 [31.8] 862 [647] 105 [79] 814 [611] 77 [58]<br />

40 73.7 [55.3] 1228 [921] 180 [135] 1164 [873] 123 [92]<br />

50 123.3 [92.5] 1702 [1277] 296 [222] 1590 [1193] 188 [141]<br />

60 199.1 [149.4] 470 [353] 2139 [1605] 279 [209]<br />

70 311.5 [233.7] 722 [542] 2824 [2119] 403 [302]<br />

80 473.3 [355.1] 1084 [813] 3645 [2735] 569 [427]<br />

90 700.8 [525.8] 1582 [1187] 4662 [3498] 785 [589]<br />

100 1013 [760.0] 5878 [4410] 1060 [795]<br />

110 1433 [1075] 1398 [1049]<br />

120 1986 [1490] 1026 [1367]<br />

Sdp. bei (1013<br />

hPa / 760 Torr)<br />

100 °C 34.6 °C 78.3 °C 36.2 °C 98.4 °C<br />

Abb. 4.1: Dampfdruckkurven von Diethylether, Ethanol und Wasser.<br />

Druck<br />

[hPa]<br />

1000<br />

Ether<br />

log p<br />

3.0<br />

Ether<br />

Ethanol<br />

500<br />

Wasser<br />

2.0<br />

Wasser<br />

Ethanol<br />

0<br />

0 50 100<br />

Temperatur [°C]<br />

1.0<br />

0.0025 0.0030 0.0035<br />

T -1 [K -1 ]<br />

Destillationen bei Normaldruck (1013 hPa bzw. 760 Torr) sollte man nur bei Siedetemperaturen<br />

zwischen 35 °C und maximal 170 °C durchführen, bei höheren Temperaturen besteht die<br />

Gefahr <strong>der</strong> thermischen Zersetzung.<br />

Nach Gleichung 4.1 bzw. 4.2 lässt sich durch Verr<strong>in</strong>gerung des Drucks die Siedetemperatur<br />

herabsetzen; <strong>der</strong> Siedepunkt entspricht dann <strong>der</strong> Temperatur, bei <strong>der</strong> <strong>der</strong> Dampfdruck gleich<br />

dem angelegtem Druck ist (Destillation im Vakuum, (siehe 4.2.5). Abbildung 4.2 zeigt die<br />

Auftragung von log p gegen 1/T (Nomogramm) für e<strong>in</strong>ige ausgewählte Verb<strong>in</strong>dungen.<br />

79


4. Destillation<br />

Abb. 4.2: Nomogramm <strong>der</strong> Druckabhängigkeit des Siedepunkts verschiedener Flüssigkeiten<br />

80


4.1 Physikalische Grundlagen<br />

Als Faustregel für die Verm<strong>in</strong><strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Siedepunkte bei Reduzierung des Druckes gilt:<br />

Reduzierung des Druckes auf<br />

die Hälfte ~ 15 °C<br />

20 hPa (15 Torr) ~ 100 °C<br />

10 -1 –10 -3 hPa (7.5 · 10 –2 –7.5 · 10 –4 Torr) ~ 150–170 °C<br />

Erniedrigung des Siedepunktes<br />

Zur Erzeugung von verm<strong>in</strong><strong>der</strong>ten Drucken werden Vakuumpumpen verwendet (siehe Abschnitt<br />

4.6).<br />

4.1.2 Ideale Mischungen<br />

Für das Verhalten <strong>der</strong> Dampfdrucke e<strong>in</strong>er idealen Mischung zweier chemisch ähnlicher, <strong>in</strong>erter<br />

und unbegrenzt mischbarer Verb<strong>in</strong>dungen gilt das Raoult’sche Gesetz.<br />

Der Dampfdruck e<strong>in</strong>er Mischung ist gleich <strong>der</strong> Summer <strong>der</strong> Partialdrucke<br />

<strong>der</strong> beiden Komponenten, die Partialdrucke s<strong>in</strong>d proportional<br />

den molaren Anteilen <strong>der</strong> Verb<strong>in</strong>dung <strong>in</strong> <strong>der</strong> flüssigen Phase.<br />

Für b<strong>in</strong>äre, ideale Mischungen gilt:<br />

P Misch = p A + p B ; p A = x A ·P O A<br />

; p B = x B · P O B<br />

P Misch Gesamtdampfdruck über <strong>der</strong> Mischung<br />

p A , p B Partialdruck <strong>der</strong> Verb<strong>in</strong>dung A bzw. B. über <strong>der</strong> Mischung<br />

(A sei die leichter flüchtige Komponente)<br />

P O A<br />

, P O B<br />

Dampfdruck <strong>der</strong> re<strong>in</strong>en Verb<strong>in</strong>dungen A bzw. B<br />

x A, x B Molenbrüche für die Verb<strong>in</strong>dungen A bzw. B<br />

Durch Addition erhält man: p A + p B = x A P O A<br />

+ x B P O B<br />

Division unter Verwendung von x B = 1 − x A liefert:<br />

p<br />

p<br />

A<br />

B<br />

P x<br />

A ·<br />

1− x<br />

A<br />

O<br />

A<br />

=<br />

O<br />

PB<br />

mit<br />

α = Dampfdruckverhältnis <strong>der</strong> re<strong>in</strong>en Verb<strong>in</strong>dungen A und B<br />

P = α Gleichung 4.3<br />

P<br />

O<br />

A<br />

O<br />

B<br />

Die Partialdrucke p A und p B im Dampfraum s<strong>in</strong>d mit dem Gesamtdruck P Misch außerdem über<br />

die Molenbrüche y A bzw. y B im Dampfraum verknüpft durch:<br />

p A = P Misch · y A und p B = P Misch · y B = P(1–y A )<br />

81


4. Destillation<br />

Durch E<strong>in</strong>setzen von p A und p B <strong>in</strong> Gleichung 4.3 erhält man:<br />

O<br />

yA<br />

PA<br />

xA<br />

= ⋅<br />

O<br />

( 1−<br />

y ) PB<br />

(1 − xA)<br />

A<br />

o<strong>der</strong>:<br />

yA<br />

xA<br />

= α ⋅<br />

Gleichung 4.4<br />

( 1−<br />

yA)<br />

(1 − xA)<br />

Der Wert α verknüpft die relative Konzentration x (als Molenbruch) <strong>der</strong> Komponenten A und<br />

B <strong>in</strong> <strong>der</strong> flüssigen Phase mit <strong>der</strong>en relativer Konzentration y (als Molenbruch) im Dampfraum.<br />

Durch Umformung von Gleichung 4.4 erhält man die Beziehung für den Molenbruch <strong>der</strong><br />

leichter flüchtigen Komponente:<br />

y<br />

A<br />

1<br />

=<br />

1−<br />

x<br />

A<br />

α ⋅ x<br />

A<br />

+ 1<br />

Gleichung 4.5<br />

In Tabelle 4.2 wird <strong>der</strong> Molenbruch y A <strong>der</strong> leichter flüchtigen Komponente im Dampf <strong>in</strong> Abhängigkeit<br />

von ihrem Anteil x A <strong>in</strong> dem zu trennenden Gemisch <strong>der</strong> Substanzen A und B sowie<br />

dem Dampfdruckverhältnis angegeben. Die Bed<strong>in</strong>gungen für e<strong>in</strong>e Anreicherung von y A ><br />

95 % s<strong>in</strong>d grau unterlegt dargestellt.<br />

Tabelle 4.2: Anreicherung <strong>der</strong> leichter flüchtigen Komponente <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gasphase (y A ) bei unterschiedlichen<br />

Startbed<strong>in</strong>gungen (x A <strong>in</strong> <strong>der</strong> flüssigen Phase) für verschiedene Werte von α:<br />

Molenbruch x A 0.90 0.50 0.10<br />

α = 5 (ΔSdp. ~35 °C ); y A 0.98 0.83 0.36<br />

α = 10 (ΔSdp. ~50 °C); y A 0.99 0.90 0.53<br />

α = 20 (ΔSdp. ~70 °C ); y A 0.99 0.95 0.69<br />

ΔSdp.: Siedepunktdifferenz zwischen Verb<strong>in</strong>dung A und B<br />

Aus den Werten <strong>der</strong> Tabelle 4.2 ergibt sich die Faustregel:<br />

Bei e<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>stufen-Destillation lassen sich zwei Komponenten A und B, x A = 0.50 nur dann<br />

mit e<strong>in</strong>er Re<strong>in</strong>heit von etwa 95 % trennen, wenn die Siedepunktdifferenz m<strong>in</strong>destens 70 °C<br />

beträgt.<br />

Mit abnehmen<strong>der</strong> Konzentration <strong>der</strong> niedriger siedenden Komponente – z. B. im Verlauf <strong>der</strong><br />

Destillation – s<strong>in</strong>kt <strong>der</strong> Re<strong>in</strong>heitsgrad des Destillats stark. Die Trennung von Mischungen mit<br />

Siedepunktsdifferenzen kle<strong>in</strong>er als 70 °C erfor<strong>der</strong>t e<strong>in</strong>e Mehrstufendestillation.<br />

Im Dampfdruckdiagramm wird die Dampfdruckkurve und die Zusammensetzung <strong>der</strong> Gasphase<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong> Diagramm e<strong>in</strong>getragen. Die beiden Kurven begrenzen e<strong>in</strong> Zweiphasengebiet, <strong>in</strong>nerhalb<br />

dessen Dampf und Flüssigkeit im thermodynamischen Gleichgewicht koexistieren.<br />

In <strong>der</strong> Praxis wird die Destillation bei konstantem Druck durchgeführt. Deshalb werden statt<br />

<strong>der</strong> Dampfdruckdiagramme <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel Siedediagramme verwendet. Die Beziehung zwi-<br />

82


4.1 Physikalische Grundlagen<br />

schen Siedepunkt und Zusammensetzung <strong>der</strong> Mischung kann nicht e<strong>in</strong>fach berechnet werde,<br />

die Siedediagramme werden deshalb experimentell bestimmt. Abbildung 4.3 zeigt den Zusammenhang<br />

zwischen Partial- und Gesamtdruck, Dampfdruckdiagramm und Siedepunktdiagramm<br />

für die ideale Mischung Benzol und Toluol.<br />

Abb. 4.3: Partial- und Gesamtdruck, Dampfdruckdiagramm und Siedepunktdiagramm für die<br />

ideale Mischung Benzol und Toluol.<br />

a) Gesamt- und Partialdrucke<br />

T = 20 °C<br />

b) Dampfdruckdiagramm<br />

T = 20 °C<br />

c) Siedediagramm<br />

p = 1013 hPa<br />

Die praktische Bedeutung <strong>der</strong> Siedediagramme wird <strong>in</strong> Abschnitt 4.3, Rektifikation besprochen.<br />

4.1.3 Nicht ideale Mischungen<br />

In idealen Mischungen s<strong>in</strong>d die Wechselwirkungen <strong>der</strong> re<strong>in</strong>en Komponenten A bzw. B weitgehend<br />

vergleichbar mit den Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Molekülarten<br />

A/B bzw. B/A. Nur <strong>in</strong> diesen Fällen gilt das Raoult’sche Gesetz exakt: <strong>der</strong> Gesamtdruck dieser<br />

Mischung än<strong>der</strong>t sich l<strong>in</strong>ear mit <strong>der</strong> Zusammensetzung <strong>der</strong> Mischung (Abb. 4.3a).<br />

In nicht idealen Mischungen s<strong>in</strong>d die Wechselwirkungen zwischen verschiedenartigen Komponenten<br />

unterschiedlich (entwe<strong>der</strong> größer o<strong>der</strong> kle<strong>in</strong>er) zu den Wechselwirkungen <strong>der</strong> re<strong>in</strong>en<br />

Komponenten. In diesen Fällen erhält man im Siedediagramm Kurven mit M<strong>in</strong>ima o<strong>der</strong><br />

Maxima (Abb. 4.4). Die Zusammensetzung <strong>der</strong> Mischungen an den Extrema werden als azeotrope<br />

Mischungen o<strong>der</strong> kurz Azeotrope bezeichnet. Azeotrope Mischungen verhalten sich<br />

bei <strong>der</strong> Destillation wie re<strong>in</strong>e Stoffe: Bei <strong>der</strong> Destillation solcher nicht idealen Mischungen ist<br />

die vollständige Trennung <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen Komponenten nicht möglich (siehe Kapitel 4.3).<br />

83


4. Destillation<br />

Abb. 4.4: Siedediagramme nicht idealer Mischungen (p = 1013 hPa):<br />

a) Ethanol/Benzol b) Aceton/Chloroform<br />

4.2 E<strong>in</strong>stufendestillation<br />

Bei <strong>der</strong> Destillation wird die zu destillierende Flüssigkeit, das Destillationsgut, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Destillationsapparatur<br />

zum Sieden erhitzt. Der entweichende Dampf wird durch Wasserkühlung<br />

so kondensiert, dass das Destillat nicht <strong>in</strong> den Destillationskolben zurückfließt, son<strong>der</strong>n <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

Vorlage aufgefangen wird.<br />

E<strong>in</strong>stufen-Destillation = E<strong>in</strong>maliges Verdampfen und Kondensieren <strong>der</strong> Verb<strong>in</strong>dung<br />

Anwendung: • Re<strong>in</strong>igung von Flüssigkeiten durch Abtrennung von Verunre<strong>in</strong>igungen<br />

mit sehr hohen Siedepunkten.<br />

• Abtrennung von Lösungsmitteln aus Lösungen von höher siedenden<br />

Verb<strong>in</strong>dungen o<strong>der</strong> Feststoffen.<br />

Für die Destillation sollte die Siedetemperatur bei Normaldruck im Bereich von 30–150 °C<br />

liegen; bei höherer Temperatur besteht häufig die Gefahr <strong>der</strong> Zersetzung des Destillationsgutes,<br />

bei tieferen Temperaturen ist die Kondensation <strong>der</strong> Dämpfe durch Wasserkühlung nicht<br />

mehr möglich.<br />

E<strong>in</strong>e Verb<strong>in</strong>dung mit hohem Siedepunkt z.B. 300 °C bei Normaldruck (1013 hPa) muss man<br />

bei verm<strong>in</strong><strong>der</strong>tem Druck destillieren. Nach <strong>der</strong> Faustregel (Kapitel 4.1.1) kann <strong>der</strong> Siedepunkt<br />

durch Verr<strong>in</strong>gerung des Druckes auf 0.01 hPa um etwa 150 °C abgesenkt werden, Die<br />

Destillation kann dadurch im optimalen Temperaturbereich durchgeführt werden.<br />

84


4.2 E<strong>in</strong>stufendestillation<br />

4.2.1 Aufbau und Inbetriebnahme e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>fachen Destillationsapparatur (Abb. 4.5)<br />

Abb. 4.5: E<strong>in</strong>fache Destillationsapparatur<br />

1 Destillationskolben<br />

2 Claisen-Brücke<br />

(Destillationsbrücke<br />

mit absteigendem<br />

Kühler)<br />

3 Vorstoß mit<br />

4 Anschluss für e<strong>in</strong><br />

Trockenrohr o<strong>der</strong><br />

e<strong>in</strong>e Vakuumpumpe<br />

5 Vorlagekolben<br />

6 Thermometer<br />

7 Heizbad<br />

8 Magnetrührer<br />

9 Hebebühne<br />

10 NS 14.5-Schliffstopfen<br />

11 Heizbadthermometer<br />

12 Stativklammern<br />

Aufbau <strong>der</strong> Apparatur<br />

• Man beg<strong>in</strong>nt mit dem Anklammern e<strong>in</strong>es mit Magnetrührstab tarierten Destillationskolbens<br />

(1) mittig über <strong>der</strong> Stativplatte, er muss <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Höhe e<strong>in</strong>gespannt werden, dass<br />

Heizquelle und Heizbad rasch und mühelos nach unten entfernt werden können. Dazu verwendet<br />

man zweckmäßig e<strong>in</strong>e Laborhebebühne (9), mit <strong>der</strong> sich <strong>der</strong> Magnetrührer (8)<br />

mit regulierbarer Heizplatte und das Heizbad (7) rauf- und runterfahren lassen.<br />

• Der tarierte Vorlagekolben (5) wird an e<strong>in</strong>em zweiten Stativ geklammert (12). Der Abstand<br />

<strong>der</strong> senkrechten Stativstange und die Höhe <strong>der</strong> Klammerung wird so ausgerichtet,<br />

dass sich die Claisenbrücke zusammen mit dem Vorstoß problemlos auf den Destillationskolben<br />

(1) und den Vorlagekolben (5) setzen lässt.<br />

• Anschließend wird die Claisenbrücke (Claisen-Aufsatz mit absteigendem Liebigkühler)<br />

(2) zusammen mit dem Vorstoß (3) aufgesetzt. Die mit Schlauchklemmen gesicherten<br />

Kühlwasserschläuche werden so angeschlossen, dass das frische Kühlwasser von unten<br />

<strong>in</strong> den Liebigkühler e<strong>in</strong>strömt (Gegenstrompr<strong>in</strong>zip). Danach werden die Schlauchanschlüsse<br />

auf Dichtigkeit überprüft. Es ist darauf zu achten, dass bei e<strong>in</strong>er möglichen Undichtigkeit<br />

ke<strong>in</strong> Wasser <strong>in</strong>s Ölbad gelangt und die Schläuche nicht mit <strong>der</strong> Heizplatte o<strong>der</strong><br />

dem Heizbad <strong>in</strong> Berührung kommen können.<br />

85


4. Destillation<br />

• Jetzt wird das abgewogene Destillationsgut mit Hilfe e<strong>in</strong>es Trichters <strong>in</strong> den tarierten Destillationskolben<br />

(1) gefüllt.<br />

• Hierauf wird das Schliffthermometer (6) auf die Claisenbrücke aufgesetzt. Die Quecksilberkugel<br />

muss knapp unterhalb des Übergangs zum absteigenden Kühler sitzen, nur<br />

dann kann sie vom Dampf vollständig umspült werden. Das Thermometer wird mit e<strong>in</strong>er<br />

Schliffklammer gesichert, die zweite Schlifföffnung mit e<strong>in</strong>em Glasstopfen (10) verschlossen.<br />

Zur Messung <strong>der</strong> Heizbadtemperatur wird e<strong>in</strong> Thermometer (11) e<strong>in</strong>getaucht.<br />

• Da <strong>in</strong> je<strong>der</strong> Destillationsapparatur e<strong>in</strong>e von <strong>der</strong> Größe <strong>der</strong> Apparatur abhängige Menge<br />

Destillationsgut zurückgehalten wird (Retentionsvolumen), muss die Apparatur <strong>der</strong><br />

Menge des Destillationsgutes angepasst werden: <strong>der</strong> Destillationskolben sollte m<strong>in</strong>destens<br />

zur Hälfte, maximal zu zwei Drittel gefüllt se<strong>in</strong>.<br />

• Die seitliche Oliven- o<strong>der</strong> Schrauböffnung (4) am Vorstoß darf nicht verschlossen werden.<br />

Sie dient dem Druckausgleich, dem Anschluss an e<strong>in</strong>e Vakuumleitung o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Verb<strong>in</strong>dung<br />

mit e<strong>in</strong>em Trockenrohr (vgl. Kap. 2.2.5). Nie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er völlig verschlossenen<br />

Apparatur destillieren! Explosions- und Feuergefahr durch Überdruck!<br />

Vorbereitung <strong>der</strong> Destillation<br />

• Um während <strong>der</strong> Destillation Siedeverzüge (explosionsartige Verdampfung) im Destillationskolben<br />

zu vermeiden, gibt man vor Beg<strong>in</strong>n <strong>der</strong> Destillation entwe<strong>der</strong> e<strong>in</strong>en Magnetrührstab<br />

o<strong>der</strong> Siedeste<strong>in</strong>e <strong>in</strong> den Destillationskolben.<br />

• Um e<strong>in</strong>e Massenbilanz erstellen zu können, müssen Vorlagekolben und Destillationskolben<br />

(am besten zusammen mit Magnetrührstab o<strong>der</strong> Siedeste<strong>in</strong>en) vor dem E<strong>in</strong>bau gewogen<br />

(tariert) werden. Am besten stellt man sie auf e<strong>in</strong>en Korkr<strong>in</strong>g, <strong>der</strong> mitgewogen wird.<br />

• Das Kühlwasser wird vorsichtig angestellt, bei zu starkem Wasserdruck besteht die Gefahr,<br />

dass die Wasserschläuche abplatzen. Bei <strong>der</strong> Verwendung von Ölbä<strong>der</strong>n kann Wasser<br />

<strong>in</strong> das heiße Öl gelangen, das durch das verdampfende Wasser explosionsartig herausgeschleu<strong>der</strong>t<br />

wird (Brand- und Verbrennungsgefahr!).<br />

• Der Destillationskolben wird bis unter den Schliffansatz <strong>in</strong> das noch kalte Heizbad e<strong>in</strong>getaucht.<br />

So wird e<strong>in</strong> maximaler Wärmekontakt gewährleistet. Bei höher siedenden Flüssigkeiten<br />

sollte <strong>der</strong> Destillationsaufsatz durch Umwickeln mit Alum<strong>in</strong>iumfolie gegen Wärmeverluste<br />

geschützt werden. Dadurch vermeidet man die Kondensation des Destillationsgutes<br />

bereits im oberen Teil des Destillationskolbens bzw. im Destillationsaufsatz.<br />

• Bei <strong>der</strong> Destillation von leichtflüchtigen, hochentzündlichen, giftigen o<strong>der</strong> aggressiven<br />

Substanzen unter Normaldruck wird auf die Olive am Vorstoß (4) e<strong>in</strong> Schlauch aufgezogen,<br />

<strong>der</strong> h<strong>in</strong>ter die Abzugsprallwand geführt wird. Die Entzündung von nicht kondensierten<br />

entzündbaren Dämpfen durch offene Flammen o<strong>der</strong> heiße Oberflächen wird so<br />

vermieden. Freiwerdende giftige o<strong>der</strong> aggressive, leicht flüchtige o<strong>der</strong> gasförmige Substanzen<br />

sollten <strong>in</strong> geeigneten Waschflüssigkeiten absorbiert werden.<br />

86


4.2 E<strong>in</strong>stufendestillation<br />

Durchführung <strong>der</strong> Destillation<br />

• Das Heizbad wird langsam bis zum Sieden des Destillationsgutes aufgeheizt, dabei müssen<br />

die Apparatur und die Temperatur des Heizbades ständig überwacht werden. Wenn<br />

das erste Destillat <strong>in</strong> den Vorlagekolben tropft, protokolliert man Ölbadtemperatur, Siedetemperatur<br />

und die Zeit.<br />

• Von diesem Zeitpunkt an sollte die Heizbadtemperatur konstant bis leicht steigend se<strong>in</strong><br />

(sie liegt meist etwa bei 30–50 °C oberhalb des Siedepunktes), die Destillationsgeschw<strong>in</strong>digkeit<br />

sollte ca. 2–4 Tropfen/Sekunde betragen. Der Siedepunkt bei e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>heitlichen<br />

Substanz sollte während <strong>der</strong> gesamten Destillation <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>es Intervalls von ca. 2 °C<br />

konstant bleiben. E<strong>in</strong>e zu niedrige Badtemperatur führt zu falschen Siedetemperaturen, da<br />

<strong>der</strong> Dampf die Thermometerkugel nicht ausreichend umspült. E<strong>in</strong>e zu hohe Badtemperatur<br />

verfälscht den Siedepunkt ebenfalls, da <strong>der</strong> Dampf überhitzt wird. Bei starker Überhitzung<br />

(zu hohe Badtemperatur) besteht die Gefahr des Überschleu<strong>der</strong>ns o<strong>der</strong> Überschäumens<br />

des Destillationsgutes (Brandgefahr!).<br />

• Der Kühlwasserfluss muss während <strong>der</strong> Destillation immer wie<strong>der</strong> kontrolliert werden.<br />

Die unvollständige Kondensation brennbarer Dämpfe (z. B. Diethylether, Petrolether)<br />

kann zu Bränden führen. Der Kühlwasserfluss lässt sich mit e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>fachen Durchflussmesser<br />

(‚Wasserwächter‘) <strong>in</strong> <strong>der</strong> Wasserzuleitung beobachten.<br />

• Während <strong>der</strong> Destillation sollten alle 5–10 m<strong>in</strong> die Ölbadtemperatur und die Siedetemperatur<br />

registriert werden.<br />

• Das Ende <strong>der</strong> Destillation erkennt man an <strong>der</strong> abfallenden Siedetemperatur. Jetzt werden<br />

nochmals die Siedetemperatur, Badtemperatur und die Zeit protokolliert. Im Normalfall<br />

destilliert man aus Sicherheitsgründen nie bis zur Trockene des Destillationskolbens! Im<br />

Destillationsrückstand (Sumpf) könnten sich Substanzen bef<strong>in</strong>den, die sich bei Überhitzung<br />

explosionsartig zersetzen. Vor allem Ether bilden beim längeren Stehen durch Autoxidation<br />

Peroxide, die sich thermisch explosionsartig zersetzen können (siehe Kap. 11.4).<br />

• Man entfernt das Heizbad und lässt die Apparatur abkühlen, danach wird sie <strong>in</strong> umgekehrter<br />

Reihenfolge abgebaut. Abschließend werden durch Rückwiegen des Vorlagekolbens<br />

bzw. des Destillationskolbens die Menge des Destillats und <strong>der</strong>en Brechungs<strong>in</strong>dex sowie<br />

die Menge des Rückstands bestimmt und protokolliert. Aus <strong>der</strong> Differenz von E<strong>in</strong>waage<br />

und <strong>der</strong> Summe des Destillats und des Rückstands wird <strong>der</strong> Substanzverlust bestimmt.<br />

Abschließend werden <strong>der</strong> Siedepunkt und <strong>der</strong> Brechungs<strong>in</strong>dex <strong>der</strong> destillierten Substanz –<br />

wenn möglich – mit Literaturdaten verglichen. Zu e<strong>in</strong>em vollständigen Protokoll gehören<br />

auch Angaben über die verwendete Apparatur (auch die Größe, Beobachtungen während<br />

<strong>der</strong> Destillation (z. B. Schäumen) und Beschreibung des Destillats.<br />

87


4. Destillation<br />

Beispiel e<strong>in</strong>es Destillationsprotokolls:<br />

Destillation von Ethanol unter Normaldruck <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er NS 14-Destillationsapparatur mit<br />

100 ml Destillations- und Vorlagekolben:<br />

E<strong>in</strong>waage: 65.2 g verunre<strong>in</strong>igtes Ethanol, schwach gelblich.<br />

Zeit<br />

Ölbadtemperatur<br />

Siedetemperatur<br />

Menge<br />

Destillat<br />

13.05–13.25 108–115 °C 77–78 °C 59.8 g 1.3620<br />

Destillationsrückstand: 4.10 g<br />

Verlust bei <strong>der</strong> Destillation: 1.30 g<br />

Destillat:<br />

59.8 g Ethanol, farblose Flüssigkeit, Sdp. 77–78 °C,<br />

(Lit: Sdp. 78 °C, n = 1.3621)<br />

20<br />

D<br />

20<br />

n<br />

D<br />

= 1.3620<br />

20<br />

n D<br />

4.2.2 Fraktionierende E<strong>in</strong>stufendestillation (Abb. 4.6)<br />

In <strong>der</strong> Praxis steht man meist vor dem Problem, dass die zu destillierende Substanz mit Substanzen<br />

verunre<strong>in</strong>igt ist, die selbst destillieren. Dies führt dazu, dass <strong>der</strong> Siedepunkt während<br />

<strong>der</strong> Destillation nicht konstant bleibt, <strong>in</strong> diesem Fall ist <strong>der</strong> Vorlagekolben zu wechseln. Sehr<br />

e<strong>in</strong>fach gel<strong>in</strong>gt dies durch Verwendung e<strong>in</strong>er so genannten Sp<strong>in</strong>ne (14) zusammen mit e<strong>in</strong>em<br />

Vorstoß mit gebogenem Auslauf (13) (Vorstoß nach Bredt): Durch e<strong>in</strong>faches Drehen können<br />

mehrere Vorlagekolben (5) (meist vier) <strong>in</strong> den Auslauf des Vorstoßes gedreht werden (Abb.<br />

4.6). Die e<strong>in</strong>zelnen Fraktionen werden nach <strong>der</strong> Destillation getrennt untersucht (z. B. Bestimmung<br />

<strong>der</strong> Brechungs<strong>in</strong>dizes).<br />

• Der Aufbau <strong>der</strong> Apparatur erfolgt analog zur e<strong>in</strong>fachen Destillationsapparatur. Statt des<br />

Vorlagekolbens wird die Sp<strong>in</strong>ne so geklammert, dass sie zwar fest, aber noch drehbar ist.<br />

Die tarierten und nummerierten Destillationskolben werden mit Fe<strong>der</strong>n o<strong>der</strong> Klemmen an<br />

die Sp<strong>in</strong>ne fixiert.<br />

• Die Durchführung <strong>der</strong> Destillation ist analog zur e<strong>in</strong>fachen Destillation. Der Destillationskolben<br />

und alle Vorlagekolben müssen vorher tariert worden se<strong>in</strong>. Im ersten Vorlagekolben<br />

sammelt man das Destillat bis zum konstanten Siedepunkt, dann dreht man zum<br />

zweiten Kolben. Än<strong>der</strong>t sich die Siedetemperatur signifikant (mehr als 2 °C), dreht man<br />

den nächsten Kolben <strong>in</strong> den Auslauf und so weiter. Abb. 4.7 zeigt schematisch die beiden<br />

häufigsten Destillationsverläufe.<br />

• Das Destillationsprotokoll für e<strong>in</strong>e fraktionierende Destillation entspricht dem <strong>der</strong> e<strong>in</strong>fachen<br />

Destillation, die Fraktionen werden durchgehend nummeriert. Die E<strong>in</strong>teilung <strong>der</strong><br />

Fraktionen <strong>in</strong> Vorlauf, Hauptlauf, Nachlauf s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>e Interpretation <strong>der</strong> erhaltenen Ergebnisse,<br />

sie erfolgt erst am Schluss unter Berücksichtigung <strong>der</strong> Mengen und <strong>der</strong> Brechungs<strong>in</strong>dizes.<br />

•<br />

88


4.2 E<strong>in</strong>stufendestillation<br />

Abb. 4.6: Apparatur zur fraktionierenden Destillation<br />

1 Destillationskolben<br />

mit Magnetrührstab<br />

2 Claisen-Brücke<br />

(Destillationsbrücke<br />

mit absteigendem<br />

Kühler)<br />

5 4 Vorlagekolben<br />

6 Thermometer<br />

7 Heizbad<br />

8 Magnetrührer<br />

9 Hebebühne<br />

10 NS 14.5-Schliffstopfen<br />

11 Heizbadthermometer<br />

12 Stativklammern<br />

13 Vorstoß mit<br />

gebogenem Auslauf<br />

14 Sp<strong>in</strong>ne<br />

Abb. 4.7: Typische Destillationsabläufe<br />

Es ist möglich (z. B. wegen verschiedener Ölbadtemperaturen), dass zwei Fraktionen mit etwas<br />

unterschiedlichen Siedepunkten (1–3 °C) identisch s<strong>in</strong>d (gleicher Brechungs<strong>in</strong>dex) und<br />

deshalb vere<strong>in</strong>igt werden können.<br />

89


4. Destillation<br />

Beispiel e<strong>in</strong>es Destillationsprotokolls:<br />

Fraktionierende Destillation von Toluol unter Normaldruck. Destillationsapparatur mit<br />

100 ml Destillationskolben und verschiedenen Vorlagekolben (1x100, 3x25 ml).<br />

E<strong>in</strong>waage: 63.2 g verunre<strong>in</strong>igtes Toluol, schwach gelblich.<br />

20<br />

Fraktion Zeit Ölbadtemperatur Siedetemperatur Destillat n<br />

D<br />

1 13.25-13.30 130–135 °C bis 109 °C 2.42 g 1.4930<br />

2 13.30-13.45 135–140 °C 109–111 °C 40.50 g 1.4959<br />

3 13.45-13.55 140–143 °C 111–112 °C 15.04 g 1.4960<br />

4 13.55-13.58 143–145 °C 112–103 °C 1.02 g 1.4965<br />

Destillationsrückstand: 3.10 g<br />

Verlust bei <strong>der</strong> Destillation: 1.12 g<br />

Wegen <strong>der</strong> fast identischen Brechungs<strong>in</strong>dizes und <strong>der</strong> sehr ähnlichen Siedepunkte können<br />

Fraktion 2 und 3 als Hauptlauf vere<strong>in</strong>igt werden.<br />

Ausbeute: 59.8 g Toluol, farblose Flüssigkeit, Sdp. 109–112 °C,<br />

(Lit.: Sdp. 110.6 °C, n = 1.4960)<br />

20<br />

D<br />

20<br />

n<br />

D<br />

= 1.4959<br />

4.2.3 Anwendungsbereiche <strong>der</strong> E<strong>in</strong>stufendestillation<br />

Bei Gemischen destillierbarer Verb<strong>in</strong>dungen ist <strong>der</strong> Dampfdruck <strong>der</strong> Mischung gleich <strong>der</strong><br />

Summe <strong>der</strong> Partialdrucke bei<strong>der</strong> Verb<strong>in</strong>dungen (Gesetz von Raoult, siehe Abschnitt 4.1.2).<br />

E<strong>in</strong>e Trennung mehrerer Komponenten mit <strong>der</strong> e<strong>in</strong>fachen Destillationsapparatur ist nur <strong>in</strong> folgenden<br />

Fällen möglich:<br />

• Die Flüssigkeit enthält nichtflüchtige o<strong>der</strong> schwerflüchtige Verunre<strong>in</strong>igungen, z. B. gelöste<br />

Salze, fe<strong>in</strong> verteilte (nichtfiltrierbare) feste Partikel, dunkle Zersetzungs- o<strong>der</strong> Polymerisationsprodukte.<br />

• Die Flüssigkeit enthält e<strong>in</strong> leichtflüchtiges Lösungsmittel, <strong>in</strong> dem das schwerflüchtige<br />

bzw. nichtflüchtige Reaktionsprodukt gelöst ist (z. B. nach dem Ausschütteln e<strong>in</strong>er Verb<strong>in</strong>dung<br />

aus e<strong>in</strong>em Reaktionsansatz).<br />

• Die Flüssigkeit enthält mehrere Komponenten, die sich <strong>in</strong> den Siedepunkten um m<strong>in</strong>destens<br />

70 °C unterscheiden. In diesem Fall lassen sich die Komponenten destillativ trennen.<br />

Zwischen den Hauptfraktionen <strong>der</strong> re<strong>in</strong>en Produkte können Zwischenfraktionen mit entsprechenden<br />

Produktgemischen liegen.<br />

90


4.2 E<strong>in</strong>stufendestillation<br />

4.2.4 E<strong>in</strong>stufen-Destillation bei verm<strong>in</strong><strong>der</strong>tem Druck<br />

Destillationen bei Normaldruck (1013 hPa bzw. 760 Torr) sollte man nur bei Siedetemperaturen<br />

zwischen 35 °C und maximal 170 °C durchführen, bei höheren Temperaturen besteht die<br />

Gefahr <strong>der</strong> thermischen Zersetzung. Die Siedetemperatur lässt sich durch Destillation im Vakuum<br />

herabsetzen (siehe 4.1.1).<br />

Aufbau und Inbetriebnahme e<strong>in</strong>er Apparatur für die Destillation bei verm<strong>in</strong><strong>der</strong>ten<br />

Drucken<br />

Pr<strong>in</strong>zipiell kann die Destillationsapparatur für die fraktionierende Destillation bei Normaldruck<br />

(Abb. 4.6) verwendet werden:<br />

Die Apparatur (Abb. 4.8) wird über dickwandige Vakuumschläuche (1) (Innendurchmesser<br />

6–8 mm) an die Vakuumpumpe (Vakuumpumpen und Vakuum-Messgeräte Kap. 4.6) angeschlossen.<br />

Achtung: Zu lange Schlauchleitungen bzw. zu kle<strong>in</strong>e lichte Weiten des Vakuumschlauches<br />

verschlechtern das Vakuum <strong>in</strong> <strong>der</strong> Apparatur drastisch.<br />

Zur Verm<strong>in</strong><strong>der</strong>ung des Drucks <strong>in</strong> <strong>der</strong> Destillationsapparatur verwendet man je nach angestrebtem<br />

Druckbereich verschiedene Vakuumpumpen:<br />

• Membranpumpen, Wasserstrahlpumpen (Grobvakuum)<br />

• Drehschieberpumpen (Fe<strong>in</strong>vakuum)<br />

• Öldiffusionspumpen (Hochvakuum)<br />

16 bis 19 hPa (12–14 Torr)<br />

10 –1 bis 10 –3 hPa<br />

10 –3 bis 10 –6 hPa<br />

Vorbereitung <strong>der</strong> Destillation bei verm<strong>in</strong><strong>der</strong>tem Druck<br />

• Vor dem Aufbau <strong>der</strong> Apparatur s<strong>in</strong>d sämtliche Glasteile auf Sprünge o<strong>der</strong> ‚Sternchen‘ zu<br />

untersuchen, schadhafte Glasgeräte können beim Evakuieren implodieren!<br />

• Mit <strong>der</strong> zwischengeschalteten Woulff’schen Flasche (3) lässt sich die unter Vakuum stehende<br />

Apparatur bei geschlossenem Absperrventil (5) zur Vakuumpumpe belüften. Insbeson<strong>der</strong>e<br />

beim Anfahren <strong>der</strong> Destillation kann Destillationsgut überschäumen. Die<br />

Woulff’sche Flasche (auf die richtige Schaltung achten!) fängt das Produkt auf und verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t<br />

so e<strong>in</strong>e Verunre<strong>in</strong>igung <strong>der</strong> Pumpe.<br />

• Dichtigkeit <strong>der</strong> Apparatur: Die leere Apparatur – ohne Destillationsgut – wird bei geschlossenem<br />

Hahn (4) an die Vakuumpumpe angeschlossen (vorsichtiges Öffnen des Absperrhahns<br />

(5). Wenn das <strong>der</strong> Pumpe entsprechende Endvakuum auch nach ‚H<strong>in</strong>- und<br />

Herdrehen‘ <strong>der</strong> Schliffverb<strong>in</strong>dungen nicht erreicht wird, hat die Apparatur e<strong>in</strong> ‚Leck‘. In<br />

diesem Fall s<strong>in</strong>d die Schliffverb<strong>in</strong>dungen zu überprüfen und evtl. nachzufetten.<br />

• Wenn die Apparatur dicht ist, wird <strong>in</strong> die nicht evakuierte Apparatur mit aufgesetztem<br />

Trichter das Destillationsgut e<strong>in</strong>gefüllt.<br />

91


4. Destillation<br />

Abb. 4.8: Apparatur zur e<strong>in</strong>fachen Destillation unter verm<strong>in</strong><strong>der</strong>tem Druck.<br />

Variante mit Siedekapillare:<br />

1 Vakuumschläuche<br />

2 Vakuummessgerät<br />

3 Woulff’sche Flasche<br />

4 Hahn zum Belüften <strong>der</strong> Apparatur<br />

5 Hahn zum Absperren von <strong>der</strong> Vakuumpumpe<br />

6 Magnetrührstab<br />

7 Siedekapillare<br />

• Zur Vermeidung von Siedeverzügen während <strong>der</strong> Destillation (plötzliches, explosionsartiges<br />

Verdampfen des Destillationsgutes) wird während <strong>der</strong> Destillation mit e<strong>in</strong>em Magnetrührstab<br />

und Magnetrührer gerührt. Alternativ kann auch e<strong>in</strong>e Siedekapillare (7) e<strong>in</strong>gesetzt<br />

werden, die im Vakuum e<strong>in</strong>e Kette kle<strong>in</strong>er Luftperlen durchlässt. Pr<strong>in</strong>zipiell ist auch<br />

die Verwendung hochaktiver, poröser Siedeste<strong>in</strong>chen möglich, die Wirksamkeit <strong>der</strong> Siedeste<strong>in</strong>chen<br />

lässt bei Vakuumdestillationen allerd<strong>in</strong>gs rasch nach, beson<strong>der</strong>s, wenn das<br />

Destillationsgut sehr viskos ist.<br />

• Bei <strong>der</strong> Destillation s<strong>in</strong>kt die über die Gasphase transportierte Stoffmenge (und Wärmemenge)<br />

mit fallendem Druck stark ab; <strong>der</strong> Abstand zwischen <strong>der</strong> Flüssigkeitsoberfläche<br />

und des Heizbads zum absteigendem Kühler sollte daher möglichst kle<strong>in</strong> se<strong>in</strong>. Deshalb<br />

muss dieser Teil <strong>der</strong> Apparatur gegen Wärmeverluste mit Alufolie isoliert werden.<br />

92


4.2 E<strong>in</strong>stufendestillation<br />

Durchführung <strong>der</strong> Destillation bei verm<strong>in</strong><strong>der</strong>tem Druck<br />

• Zuerst wird <strong>der</strong> Destillationskolben <strong>in</strong> das kalte Ölbad e<strong>in</strong>getaucht und <strong>der</strong> Magnetrührmotor<br />

e<strong>in</strong>geschaltet.<br />

• Bei geschlossenem Belüftungshahn (4) wird durch vorsichtiges Öffnen des Absperrhahns<br />

(5) Vakuum angelegt. Häufig kommt es hierbei zu e<strong>in</strong>em Aufschäumen des Destillationsguts,<br />

<strong>in</strong> diesem Fall wird <strong>der</strong> Hahn (5) wie<strong>der</strong> geschlossen, nach dem Abkl<strong>in</strong>gen des<br />

Schäumens wird <strong>der</strong> Vorgang wie<strong>der</strong>holt.<br />

• Werden Siedeste<strong>in</strong>e o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e Siedekapillare verwendet, muss bei voll angelegtem Vakuum<br />

geprüft werden, ob die Siedekapillare (fe<strong>in</strong>es Perlen) bzw. die Siedeste<strong>in</strong>chen<br />

(schwaches Gasen) funktionieren, im Zweifelsfalle müssen Kapillare bzw. Siedeste<strong>in</strong>chen<br />

erneuert werden.<br />

• Das Heizbad wird langsam aufgeheizt, bis die Substanz zu sieden beg<strong>in</strong>nt (erster Vorlagekolben).<br />

• Nach dem Erreichen e<strong>in</strong>es konstanten Siedepunkts wird die Vorlage gewechselt (zweiter<br />

Vorlagekolben).<br />

• Wenn gegen Ende <strong>der</strong> Destillation die Siedetemperatur fällt, wird die Vorlage erneut gewechselt.<br />

• Wie bei 4.2.2. ist e<strong>in</strong> Destillationsprotokoll zu führen. Neben <strong>der</strong> Siedetemperatur ist <strong>der</strong><br />

Druck anzugeben, bei dem die entsprechende Fraktion übergegangen ist.<br />

Achtung: E<strong>in</strong> während <strong>der</strong> Destillation schlechter werdendes Vakuum führt zu e<strong>in</strong>em Anstieg<br />

<strong>der</strong> Siedetemperatur, wodurch e<strong>in</strong>e neue Fraktion vorgetäuscht wird.<br />

• Nach dem Ende <strong>der</strong> Destillation wird zuerst das Heizbad entfernt. Erst nach Abkühlen <strong>der</strong><br />

Apparatur wird <strong>der</strong> Absperrhahn (5) zur Vakuumpumpe geschlossen und die Apparatur<br />

vorsichtig belüftet (Hahn 4).<br />

Wenn e<strong>in</strong>e Drehschieberpumpe (Ölpumpe) verwendet wird, muss verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t werden, dass<br />

leichtflüchtige Bestandteile des Destillationsguts <strong>in</strong> die Pumpe gelangen – was zu e<strong>in</strong>er deutlichen<br />

Verschlechterung des Vakuums führt:<br />

• Im Grobvakuum (‚Wasserstrahlvakuum‘, ca. 10 hPa) bis ~80–90 °C Badtemperatur werden<br />

zunächst leicht flüchtige Anteile abdestilliert. Anschließend entfernt man das Heizbad<br />

wie<strong>der</strong> und lässt abkühlen. Erst danach wird die Apparatur an die Drehschieberpumpe angeschlossen<br />

und die Destillation im Fe<strong>in</strong>vakuum fortgesetzt.<br />

• Ger<strong>in</strong>ge Mengen von im Ölpumpenvakuum flüchtigen Produkten werden durch zwei auf<br />

–78 °C gekühlte Kühlfallen (Aceton/Trockeneis) vor <strong>der</strong> Pumpe kondensiert. Effektiver<br />

ist die Kühlung mit flüssigem Stickstoff (–196 °C).<br />

93


4. Destillation<br />

4.2.6 Anwendungsbereiche <strong>der</strong> E<strong>in</strong>stufendestillation bei verm<strong>in</strong><strong>der</strong>tem Druck<br />

Für die Anwendungsbereiche gilt im Pr<strong>in</strong>zip das unter 4.2.3 Gesagte.<br />

• Die Substanz wird von nicht o<strong>der</strong> schwer flüchtigen Verunre<strong>in</strong>igungen, z.B. gelösten Salzen,<br />

fe<strong>in</strong> verteilten (nicht filtrierbaren) festen Partikeln, dunklen Zersetzungs- o<strong>der</strong> Polymerisationsprodukten<br />

abgetrennt.<br />

• Die Flüssigkeit besteht aus mehreren Komponenten, die sich auch bei verm<strong>in</strong><strong>der</strong>tem<br />

Druck im Siedepunkt um m<strong>in</strong>desten 70–80 °C unterscheiden. In diesem Fall lassen sich<br />

die Komponenten destillativ trennen. Zwischen den Hauptfraktionen <strong>der</strong> re<strong>in</strong>en Produkte<br />

liegen aber Zwischenfraktionen aus entsprechenden Produktgemischen.<br />

4.2.7 Destillation unbekannter Produktgemische<br />

• Bei unbekannten Produktgemischen destilliert man zunächst mit e<strong>in</strong>er Destillationsapparatur<br />

mit Sp<strong>in</strong>ne bei Atmosphärendruck bis zu e<strong>in</strong>er Badtemperatur von etwa 100–<br />

150 °C.<br />

• An den erkalteten Destillationsrückstand wird nun Wasserstrahlvakuum angelegt (wenn<br />

nötig, muss das Destillationsgut zuvor <strong>in</strong> e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>eres Kölbchen überführt werden). Man<br />

destilliert auch hier bis zu e<strong>in</strong>er Badtemperatur von etwa 150 °C.<br />

• Der erkaltete Destillationsrückstand wird anschließend mit <strong>der</strong> Ölpumpe bei verm<strong>in</strong><strong>der</strong>tem<br />

Druck destilliert. Wenn die Gefahr besteht, dass Produktgemische bei längerer thermischer<br />

Belastung Verän<strong>der</strong>ungen o<strong>der</strong> Zersetzungen erfahren, wird das Gemisch zunächst<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>fachen Destillationsapparatur im Ölpumpenvakuum vollständig – ohne<br />

auf e<strong>in</strong>e Trennung zu achten – abdestilliert. Die Vorlage muss mit Aceton/Trockeneis o<strong>der</strong><br />

mit flüssigem Stickstoff gekühlt werden, damit leichtflüchtige Komponenten nicht verloren<br />

gehen. Das Destillat kann anschließend wie oben beschrieben destillativ aufgearbeitet<br />

werden.<br />

4.2.8 Spezielle Apparaturen zu E<strong>in</strong>stufendestillation<br />

Rotationsverdampfer<br />

Der Rotationsverdampfer ist beson<strong>der</strong>s geeignet für die rasche und schonende Abdestillation<br />

größerer Lösungsmittelmengen (50 ml bis mehrere Liter) bei verm<strong>in</strong><strong>der</strong>tem Druck (bis zu ca.<br />

20 hPa = 15 Torr). Im Gegensatz zur oben beschriebenen ‚normalen‘ Destillation wird die<br />

Heizbadtemperatur konstant gehalten und <strong>der</strong> Siedepunkt des Lösungsmittels durch kontrollierte<br />

Absenkung des Drucks e<strong>in</strong>gestellt.<br />

Für e<strong>in</strong>e rasche Destillation wählt man e<strong>in</strong>e Temperaturdifferenz zwischen <strong>der</strong> Badtemperatur<br />

und dem Siedepunkt von etwa 20 °C, gleichzeitig muss die Temperaturdifferenz zwischen<br />

Siedepunkt und Kühler auch etwa 20 °C betragen, um e<strong>in</strong>e ausreichende Kondensation <strong>der</strong><br />

94


4.2 E<strong>in</strong>stufendestillation<br />

Dämpfe zu gewährleisten. In <strong>der</strong> Praxis stellt man für e<strong>in</strong> optimales Destillationsergebnis die<br />

Heizbadtemperatur auf 60 °C e<strong>in</strong> (Kühlwassertemperatur 20 °C). Der Arbeitsdruck muss nun<br />

so gewählt werden, dass das Lösungsmittel bei 40 °C siedet. Deshalb wird am Rotationsverdampfer<br />

mit geregeltem Vakuum gearbeitet. In Tabelle 4.3 s<strong>in</strong>d die Parameter für die gebräuchlichsten<br />

Lösungsmittel aufgeführt.<br />

Der Destillationskolben (1) rotiert im Heizbad, dadurch bildet sich auf <strong>der</strong> gesamten Oberfläche<br />

des Kolbens e<strong>in</strong> dünner Flüssigkeitsfilm, <strong>der</strong> laufend erneuert wird. Diese große Oberfläche<br />

erlaubt e<strong>in</strong>e rasche Destillation. Der Dampf steigt durch die Hohlwelle (2) <strong>in</strong> den Kühler<br />

(4), wo er kondensiert wird und <strong>in</strong> den Auffangkolben (5) tropft (Abb. 4.9).<br />

Zwischen dem Rotationsverdampfer und dem Drucksensor ist e<strong>in</strong>e Woulff’sche Flasche zum<br />

Schutz des Sensors und <strong>der</strong> Pumpe.<br />

Abb. 4.9: Schematischer Aufbau e<strong>in</strong>es Rotationsverdampfers.<br />

1 Destillationskolben 8 Anschluss zur Vakuumpumpe<br />

2 rotierende massive Hohlwelle (Dampfdurchführungsrohr) 9 Schraubklammern<br />

3 Motor mit Regler für die Rotationsgeschw<strong>in</strong>digkeit 10 Woulff'sche Flasche<br />

4 Kühler 11 Drucksensor<br />

5 Auffangkolben 12 Magnetventil<br />

6 Heizbad 13 Controller<br />

7 Hahn mit Ansaugstutzen <strong>in</strong> den Destillationskolben<br />

• Bei hohen Destillationsgeschw<strong>in</strong>digkeiten kann das Lösungsmittel im Kühler möglicherweise<br />

nicht mehr vollständig kondensiert werden. Deshalb ist als Vakuumpumpe e<strong>in</strong>e<br />

‚chemiefeste‘ Membranpumpe vorzuziehen: Auf <strong>der</strong> ‚Auspuffseite‘ <strong>der</strong> Pumpe werden<br />

Lösungsmitteldämpfe über e<strong>in</strong>en Kühler unter Normaldruck kondensiert.<br />

95


4. Destillation<br />

• Wenn die Siedepunktdifferenz zwischen Lösungsmittel und Produkt kle<strong>in</strong>er als 60–80 °C<br />

ist, kann das Produkt bereits mitverdampfen (Ausbeuteverluste!).<br />

• Der Destillationskolben darf maximal nur zur Hälfte gefüllt werden, ansonsten kann bei<br />

starkem Schäumen Lösung überspritzen.<br />

• Manche Lösungen o<strong>der</strong> Flüssigkeiten neigen pr<strong>in</strong>zipiell zu starkem Schäumen. In diesen<br />

Fällen destilliert man nur kle<strong>in</strong>ere Mengen und führt das Destillationsgut portionsweise<br />

o<strong>der</strong> kont<strong>in</strong>uierlich über den E<strong>in</strong>lass (7) aus e<strong>in</strong>em Vorratsgefäß zu.<br />

• Niedrig siedende Flüssigkeiten (z. B. n-Pentan o<strong>der</strong> Diethylether) werden bei Normaldruck<br />

abdestilliert. Um Überdruck <strong>in</strong> <strong>der</strong> Apparatur zu vermieden, muss <strong>der</strong> Belüftungshahn<br />

<strong>der</strong> Woulff’schen Flasche geöffnet se<strong>in</strong>.<br />

Tabelle 4.3: Parameter häufig verwendeter Lösungsmittel am Rotationsverdampfer:<br />

Lösungsmittel E<strong>in</strong>zustellen<strong>der</strong> Druck [hPa] für Sdp. bei 40 °C<br />

Aceton 555<br />

Benzol 235<br />

tert-Butylmethylether 500<br />

Chloroform 475<br />

Cyclohexan 235<br />

Dichlormethan<br />

Normaldruck!<br />

Diethylether<br />

Normaldruck!<br />

Dioxan 105<br />

Essigsäure 45<br />

Essigsäurethylester (Ethylacetat) 240<br />

Ethanol 175<br />

n-Heptan 120<br />

n-Hexan 335<br />

Methanol 335<br />

Methylethylketon (2-Butanon) 245<br />

n-Pentan<br />

Normaldruck!<br />

1-Propanol 65<br />

2-Propanol 135<br />

Tetrahydrofuran (THF) 355<br />

Toluol 75<br />

Wasser 70<br />

Xylol 25<br />

4.2.9 Destillation von Festsubstanzen<br />

Auch Feststoffe lassen sich destillieren, wenn ihre Schmelzpunkte nicht zu hoch liegen. Da<br />

aber die Gefahr besteht, dass die Produkte bereits im Kühler wie<strong>der</strong> kristallisieren und die<br />

Apparatur verstopfen, muss mit speziellen Destillationsapparaturen gearbeitet werden. Es<br />

empfiehlt sich folgende (nicht im Handel erhältliche) Apparatur, die auch für die Destillation<br />

hochviskoser Substanzen geeignet ist (Abb. 4.10a, b):<br />

96


4.2 E<strong>in</strong>stufendestillation<br />

Abb. 4.10: Feststoffdestillationsapparatur<br />

1 Destillationskolben (M<strong>in</strong>destgröße 10 ml) mit angeschmolzenem Claisenaufsatz und seitlich<br />

absteigendem Rohr für das Destillat (Ø 10 mm, Länge 5-8 cm). Das absteigende Rohr besitzt<br />

an <strong>der</strong> Anschmelzung am Claisenaufsatz e<strong>in</strong>en Spritzschutz (7), <strong>der</strong> das Überspritzen von<br />

Produkt erschwert.<br />

2 Magnetrührer.<br />

3 Thermometer mit Schraubverschluss (Quickfit).<br />

4 Vorlagekolben mit Vakuumanschluss<br />

5 Glasrohr für Kühlwasser<br />

6 Trichter für Kühlwasserablauf<br />

7 Spritzschutz<br />

8 Schliffverb<strong>in</strong>dung mit weitlumiger Durchführung<br />

9 Liebigaufsatz<br />

10 Schlenk-Kolben<br />

Ersatzweise kann die Feststoffapparatur auch aus handelsüblichen Bauteilen zusammengesetzt<br />

werden (Abb. 4.10c) Durch die zusätzlichen Schliffverb<strong>in</strong>dungen und längeren Wege<br />

kann es jedoch leichter zur Kristallisation des Produktes an den Glaswänden und damit zum<br />

Verstopfen <strong>der</strong> Apparatur kommen.<br />

Spezielle Destillationsapparaturen, z. B. zur Destillation kle<strong>in</strong>er Mengen (Mikrodestillation,<br />

Kugelrohrdestillation) siehe Kap. 4.5.<br />

97


4. Destillation<br />

4.3 Mehrstufendestillation (Rektifikation)<br />

Bei Siedepunktunterschieden von weniger als 60–80 °C führt e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>fache Destillation nicht<br />

mehr zur Auftrennung e<strong>in</strong>es Gemisches <strong>in</strong> die re<strong>in</strong>en Komponenten. Durch Mehrstufendestillation<br />

= Rektifikation gel<strong>in</strong>gt meist e<strong>in</strong>e Trennung o<strong>der</strong> wenigstens e<strong>in</strong>e Anreicherung <strong>der</strong><br />

Komponenten.<br />

Im folgenden Siedediagramm (Abb. 4.11) des ideal mischbaren Systems Benzol – Toluol<br />

wird das Pr<strong>in</strong>zip <strong>der</strong> fraktionierenden Destillation erläutert.<br />

Abb. 4.11: Siedediagramm des Systems Benzol – Toluol<br />

Man geht von e<strong>in</strong>em Gemisch <strong>der</strong> Zusammensetzung x 0 (70% Toluol, 30% Benzol) aus:<br />

• Am Siedepunkt <strong>der</strong> Mischung (= Schnittpunkt mit <strong>der</strong> ‚Siedekurve‘) ist <strong>der</strong> Dampf mit <strong>der</strong><br />

leichter flüchtigen Komponente (Benzol) angereichert. Die Zusammensetzung entspricht<br />

dem Molenbruch x 1 . (Schnittpunkt <strong>der</strong> ‚Taukurve‘ mit dem Siedepunkt <strong>der</strong> ursprünglichen<br />

Mischung, ca. 47% Toluol, 53% Benzol). Wird <strong>der</strong> Dampf kondensiert ist bereits e<strong>in</strong>e<br />

gewisse Anreicherung erreicht.<br />

• Mit dem erhaltenen Kondensat <strong>der</strong> Zusammensetzung x 1 .wird e<strong>in</strong>e weitere Destillation<br />

durchgeführt, die Zusammensetzung des Kondensats dieser Destillation entspricht dem<br />

Molenbruch x 2 .usw.<br />

• Nach <strong>der</strong> 4. Destillation erreicht man im Kondensat die Zusammensetzung x 4 , entsprechend<br />

5% Toluol und 95% Benzol.<br />

• Natürlich än<strong>der</strong>t sich durch jede Kondensatentnahme die Zusammensetzung <strong>der</strong> flüssigen<br />

Phase, sie wird immer <strong>in</strong> Richtung <strong>der</strong> höher siedenden Komponente (Toluol) angereichert.<br />

Deshalb dürfen nur kle<strong>in</strong>e Kondensatmengen entnommen werden.<br />

Um das Flüssigkeitsgemisch <strong>in</strong> die re<strong>in</strong>en Komponenten zu trennen, müsste man e<strong>in</strong>e große<br />

Zahl kle<strong>in</strong>er Fraktionen auffangen und diese noch mehrmals erneut destillieren (x 0 nach x 1 , x 1<br />

nach x 2 usw.). E<strong>in</strong>e solche diskont<strong>in</strong>uierlich verlaufende fraktionierende Destillation ist expe-<br />

98


4.3 Mehrstufendestillation (Rektifikation)<br />

rimentell sehr aufwendig und unrationell. E<strong>in</strong>e effektive Trennung gel<strong>in</strong>gt durch e<strong>in</strong>e kont<strong>in</strong>uierliche<br />

fraktionierende Destillation mit ‚Destillationskolonnen‘, die e<strong>in</strong>e Mehrstufendestillation<br />

erlauben.<br />

4.3.1 Apparaturen für Mehrstufen-Destillationen<br />

Im Gegensatz zur E<strong>in</strong>stufen-Destillation ist die Mehrstufendestillation e<strong>in</strong>e <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Arbeitsgang<br />

sich ‚unendlich wie<strong>der</strong>holende Destillation‘ <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Destillationskolonne. Es s<strong>in</strong>d<br />

noch Trennungen von Komponenten möglich, <strong>der</strong>en Siedepunktdifferenz nur 5–20 °C beträgt.<br />

Apparaturen für fraktionierende Destillationen bestehen aus <strong>der</strong> Destillationskolonne (Abb.<br />

4.12) und e<strong>in</strong>em Kolonnenkopf (Abb. 4.13). E<strong>in</strong>e vollständige Apparatur ist <strong>in</strong> Abb. 4.14<br />

dargestellt.<br />

Destillationskolonnen<br />

E<strong>in</strong>e Destillationskolonne ist im Pr<strong>in</strong>zip e<strong>in</strong> vertikales Rohr zwischen Destillationskolben<br />

(‚Blase‘) und Kühler, <strong>in</strong> dem e<strong>in</strong> Teil des im Kolonnenkopf kondensierten Dampfes als Kondensat<br />

zur ‚Blase‘ zurückfließt. Das Kondensat unterliegt an <strong>der</strong> Phasengrenzfläche mit dem<br />

aufsteigenden heißen Dampf e<strong>in</strong>em Wärme- und Stoffaustausch; e<strong>in</strong> Teil <strong>der</strong> herabfließenden<br />

Flüssigkeit wird wie<strong>der</strong> verdampft, gleichzeitig kondensiert e<strong>in</strong> Teil des aufsteigenden Dampfes.<br />

Wie das Siedediagramm (Abb. 4.11) zeigt, wird bei je<strong>der</strong> Teilverdampfung bevorzugt die<br />

tiefer siedende Komponente im Dampf, bei je<strong>der</strong> Teilkondensation dagegen bevorzugt die<br />

höher siedende Komponente im Kondensat angereichert (‚Gegenstromdestillation‘). Auf<br />

diese Weise erfolgt automatisch e<strong>in</strong>e gegenüber <strong>der</strong> e<strong>in</strong>fachen Destillation vervielfachte<br />

Trennung. Dieses Verfahren nennt man Rektifikation. Nachstehend s<strong>in</strong>d zwei typische Destillationskolonnen<br />

abgebildet (Abb. 4.12).<br />

In e<strong>in</strong>er Destillationskolonne muss nach dem Gesagten zur E<strong>in</strong>stellung des thermodynamischen<br />

Gleichgewichts (Gas → ←<br />

Flüssigkeit) an jedem Punkt <strong>der</strong> Kolonne e<strong>in</strong> sehr <strong>in</strong>tensiver<br />

Stoff- und Wärmeaustausch zwischen flüssiger und dampfförmiger Phase erfolgen. Dies wird<br />

erreicht durch e<strong>in</strong>e Vergrößerung <strong>der</strong> Oberfläche, an <strong>der</strong> e<strong>in</strong> solcher Austausch erfolgen kann,<br />

sowie <strong>der</strong> Verlängerung <strong>der</strong> Strömungswege. E<strong>in</strong>e Störung dieses Gleichgewichts (z. B. durch<br />

kalte Außenluft) verm<strong>in</strong><strong>der</strong>t die Trennleistung <strong>der</strong> Säule. Deshalb isoliert man Kolonnen<br />

grundsätzlich durch e<strong>in</strong>en verspiegelten Vakuummantel.<br />

Die Wahl <strong>der</strong> Kolonnenart hängt vom Trennproblem ab: Füllkörperkolonnen s<strong>in</strong>d bei gleicher<br />

Länge effektiver als Vigreux-Kolonnen, sie besitzen bei gleicher Länge e<strong>in</strong>e größere Zahl<br />

theoretischer Böden. Nachteilig ist das sehr viel größere Retentionsvolumen (Menge des <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Kolonne verbleibenden Produkts, Betriebs<strong>in</strong>halt). Deshalb werden im Labor häufiger<br />

Vigreux-Kolonnen e<strong>in</strong>gesetzt, Füllkörperkolonnen eignen sich besser für die Destillation<br />

großer Mengen (z.B. Lösungsmittelre<strong>in</strong>igung).<br />

99


4. Destillation<br />

Abb. 4.12: Verschiedene Kolonnen<br />

Vigreux-Kolonne<br />

Füllkörper-Kolonne<br />

Wirksame Höhe <strong>der</strong> Kolonnen: 20–120 cm<br />

1 Vakuummantel<br />

2 Stützr<strong>in</strong>ge<br />

3 Vakuumabschmelzung<br />

4 Schliffanschlüsse<br />

5 Dornartige Glasausbuchtungen<br />

6 Füllkörper<br />

Häufig verwendete Füllkörper:<br />

Muss unter verm<strong>in</strong><strong>der</strong>tem Druck destilliert werden, s<strong>in</strong>d Füllkörperkolonnen wenig geeignet.<br />

Durch die Füllung erhöht sich <strong>der</strong> Strömungswi<strong>der</strong>stand, dadurch ergibt sich e<strong>in</strong>e deutliche<br />

Druckdifferenz <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> Kolonne. Besser geeignet s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> diesem Fall Vigreux-Kolonnen.<br />

Ist e<strong>in</strong>e höhere Trennleistung erfor<strong>der</strong>lich, empfehlen sich R<strong>in</strong>gspalt- o<strong>der</strong> Drehband-<br />

Kolonnen (siehe Abschnitt 4.5).<br />

4.3.2 Destillations- Kolonnenkopf<br />

Jede Abnahme von Destillat am Kopf <strong>der</strong> Kolonne bedeutet e<strong>in</strong>e Störung des thermodynamischen<br />

Gleichgewichts Dampf/Flüssigkeit <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kolonne. Die Trennwirkung ist also abhängig<br />

von <strong>der</strong> Destillationsgeschw<strong>in</strong>digkeit.<br />

Durch e<strong>in</strong>en Destillations-Kolonnenkopf (Abb. 4.13), <strong>der</strong> den absteigenden Kühler bei e<strong>in</strong>er<br />

e<strong>in</strong>fachen Destillation ersetzt, kann man das Verhältnis <strong>der</strong> Menge von entnommenem<br />

Destillat (D) und Rücklauf (R) – das Rücklaufverhältnis V = R/D – steuern. Wie oben gezeigt<br />

wurde, bedeutet e<strong>in</strong> hohes Rücklaufverhältnis zwar optimale Trennwirkung, aber auch lange<br />

Destillationszeiten und hohe thermische Belastung des zu trennenden Gemisches.<br />

100


4.3 Mehrstufendestillation (Rektifikation)<br />

Abb. 4.13: Handgeregelter Destillationskolonnenkopf<br />

1 Kernschliff mit Abtropfspitze (wird auf die<br />

Kolonne gesetzt)<br />

2 Thermometer<br />

3 Kühler<br />

4 Kernschliff zum Vorlagekolben<br />

5, 6 Sp<strong>in</strong>delhähne im Destillatablauf<br />

7, 9 Vakuumabsperrhähne<br />

8 Vakuumanschluss<br />

10 Belüftungshahn für Vorlagekolben<br />

Kolonnendestillation bei Normaldruck<br />

Der Kolonnenkopf wird mit Schliff 1 auf die Kolonne gesetzt und <strong>der</strong> erste Vorlagekolben am<br />

Schliff 4 befestigt. Die Hähne 7, 9 und 10 stehen offen. Zunächst wird Hahn 5 geschlossen,<br />

Hahn 6 kann geöffnet werden. Der Destillationskolben wird erhitzt. Nach e<strong>in</strong>iger Zeit stellt<br />

sich am Kühler (3) e<strong>in</strong> gleichmäßiger Rückfluss e<strong>in</strong>. Jetzt kann Hahn 5 vorsichtig bis zum<br />

gewünschten Rücklaufverhältnis geöffnet werden.<br />

Zum Wechsel <strong>der</strong> Vorlage wird Hahn 6 geschlossen, nach Wie<strong>der</strong>öffnung von 6 kann mit e<strong>in</strong>gestellten<br />

Rücklaufverhältnis weiterdestilliert werden.<br />

Kolonnendestillation im Vakuum:<br />

Der Kolonnenkopf wird mit Schliff 1 auf die Kolonne gesetzt und <strong>der</strong> erste Vorlagekolben am<br />

Schliff 4 befestigt. Die Hähne 6, 7, 9 stehen offen, Hahn 5 und 10 geschlossen. Am Anschluss<br />

8 wird das Vakuum angelegt. Erst danach darf mit dem Aufheizen des Destillationskolbens<br />

begonnen werden. Nachdem sich e<strong>in</strong> konstanter Rückfluss e<strong>in</strong>gestellt hat wird am Hahn 5 das<br />

Rücklaufverhältnis e<strong>in</strong>gestellt.<br />

Wechsel <strong>der</strong> Vorlage: Die Hähne 6 und 9 werden geschlossen, mit Hahn 10 wird die Vorlage<br />

4 belüftet. Nach Wechsel <strong>der</strong> Vorlage wird Hahn 10 und 7 geschlossen und durch Öffnen von<br />

Hahn 9 die Vorlage evakuiert. Wenn das Endvakuum erreicht ist, werden die Hähne 7 und 6<br />

wie<strong>der</strong> geöffnet.<br />

Beenden <strong>der</strong> Destillation (Aufhebung des Vakuums <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kolonne): Zuerst wird das Heizbad<br />

entfernt. Nach Abkühlen <strong>der</strong> Apparatur werden die Hähne 6, 7 und 9 geschlossen. Die Vorlage<br />

wird durch Öffnen von Hahn 10 belüftet. Die Verb<strong>in</strong>dung zur Vakuumpumpe 8 wird getrennt<br />

und durch langsames Öffnen von Hahn 7 wird die Kolonne belüftet.<br />

101


4. Destillation<br />

4.3.3 Destilllationskolonnen – physikalische und theoretische Grundlagen – theoretische<br />

Bödenzahl – theoretische Trennstufen – Trennstufenhöhe<br />

Die Trennwirkung e<strong>in</strong>er Destillationskolonne wird durch den Faktor n th beschrieben, um<br />

den <strong>der</strong> Molenbruch y A (Raoult’sches Gesetz) <strong>der</strong> Komponente A <strong>in</strong> <strong>der</strong> Dampfphase angereichert<br />

worden ist.<br />

O th<br />

y ⎛<br />

A<br />

P ⎞<br />

A<br />

xA<br />

=<br />

O<br />

y<br />

⎜ ⋅<br />

A<br />

P<br />

⎟<br />

1− ⎝ B ⎠ 1−<br />

x<br />

n<br />

A<br />

n th : Zahl <strong>der</strong> theoretischen Trennstufen (‚Böden‘)<br />

Die Zahl <strong>der</strong> ‚Böden‘ e<strong>in</strong>er Destillationskolonne lässt sich experimentell ermitteln bzw. abschätzen<br />

[10].<br />

Der effektive Wirkungsgrad e<strong>in</strong>er Destillationskolonne nimmt zu:<br />

• mit <strong>der</strong> Länge <strong>der</strong> Kolonne (siehe Trennstufenhöhe)<br />

• mit <strong>der</strong> Intensität des Dampf/Flüssigkeitsaustausches<br />

• mit abnehmen<strong>der</strong> Destillationsgeschw<strong>in</strong>digkeit (großer Rücklauf und ger<strong>in</strong>ge Entnahme<br />

von Destillat)<br />

• mit <strong>der</strong> Wärmeisolierung <strong>der</strong> Kolonne (bei gut isolierten Kolonnen liegt die Badtemperatur<br />

nur 10–20 °C oberhalb des Siedepunktes <strong>der</strong> übergehenden Fraktion). Bei hoch siedenden<br />

Flüssigkeiten o<strong>der</strong> sehr langen Kolonnen arbeitet man mit elektrisch beheizten<br />

Mänteln, <strong>der</strong>en Temperatur schwach unterhalb <strong>der</strong> Siedetemperatur gehalten wird. Bei e<strong>in</strong>er<br />

schlecht isolierten Kolonne liegen die erfor<strong>der</strong>lichen Badtemperaturen zur Destillation<br />

weitaus höher als bei gut isolierten Kolonnen. Zusammen mit e<strong>in</strong>em hohen Rücklaufverhältnis<br />

(siehe oben) kann dies zur partiellen Zersetzung des Destillationsguts führen.<br />

• Der Wirkungsgrad e<strong>in</strong>er Destillationskolonne wird durch die Zahl <strong>der</strong> effektiv erreichten<br />

Böden (Trennstufen) bestimmt. Die Trennstufenhöhe gibt an, wie viel Zentimeter<br />

<strong>der</strong> Kolonne notwendig s<strong>in</strong>d, um die Wirkung von e<strong>in</strong>em theoretischen Boden zu erzielen.<br />

Trennstufenhöhe<br />

(cm) =<br />

Höhe <strong>der</strong> Kolonne (cm)<br />

Zahl <strong>der</strong> theoretischen Böden(n<br />

th<br />

)<br />

Trennleistungen gebräuchlicher Destillationskolonnen<br />

Vigreux-Kolonne:<br />

Trennstufenhöhe 6–12 cm (0.08–0.16 theoretische Böden/cm). Mäßige Trennwirkung, ger<strong>in</strong>ger<br />

Betriebs<strong>in</strong>halt, ger<strong>in</strong>ger Druckverlust; die Vigreux-Kolonne eignet sich nur für e<strong>in</strong>fache<br />

Trennprobleme kle<strong>in</strong>er Substanzmengen bei Atmosphärendruck und im Vakuum.<br />

102


4.3 Mehrstufendestillation (Rektifikation)<br />

Füllkörper-Kolonne:<br />

Die Trennleistung ist abhängig von <strong>der</strong> Art <strong>der</strong> verwendeten Füllkörper:<br />

Füllkörper Trennstufenhöhe Theoretische Böden<br />

Raschig-R<strong>in</strong>ge 6–9 cm 0.11–0.16/cm<br />

Braunschweiger Wendeln 2–3 cm 0.33–0.50/cm<br />

Da bei den Füllkörperkolonnen sowohl Betriebs<strong>in</strong>halt als auch Druckverluste stark ansteigen<br />

(1 m-Kolonne: Betriebs<strong>in</strong>halt 50 ml, Druckabfall 5–10 hPa), s<strong>in</strong>d sie nur bei größeren Mengen<br />

Destillationsgut bei Atmosphärendruck s<strong>in</strong>nvoll.<br />

50–100 Trennstufen s<strong>in</strong>d bei Destillationskolonnen nur mit erheblichem Aufwand zu verwirklichen,<br />

während 1000–10000 Trennstufen bei <strong>der</strong> präparativen Gaschromatographie und <strong>der</strong><br />

Hochdruckflüssigkeitschromatographie (siehe Kap. 9.3 und 9.4) leicht zu erreichen s<strong>in</strong>d.<br />

Praxis <strong>der</strong> Mehrstufen-Destillation (Kolonnendestillation) – Allgeme<strong>in</strong>e H<strong>in</strong>weise und<br />

Ratschläge<br />

Neben den oben behandelten Grundlagen <strong>der</strong> Kolonnendestillation s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> <strong>der</strong> Praxis noch<br />

weitere Kenngrößen <strong>der</strong> Kolonnen von Bedeutung. Abb. 4.14 zeigt die komplette Destillationsapparatur<br />

mit Füllkörperkolonne und Kolonnenkopf und das Apparatesymbol. Die Bezifferungen<br />

s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> Abb. 4.12 und 4.13 aufgeführt.<br />

• Der Betriebs<strong>in</strong>halt o<strong>der</strong> das Retentionsvolumen e<strong>in</strong>er Kolonne ist die <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kolonne bef<strong>in</strong>dliche<br />

Substanzmenge, die zur Rektifikation nötig ist und die daher am Schluss auch <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Kolonne bleibt und nicht als Destillat übergeht.<br />

• Der Druckverlust <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kolonne ist die Druckdifferenz zwischen Destillationskolben<br />

und Kolonnenkopf. Der Druckverlust sollte möglichst kle<strong>in</strong> se<strong>in</strong>, um die Siedetemperatur<br />

bei Vakuumdestillationen genügend senken zu können.<br />

• Die optimalen For<strong>der</strong>ungen – große Trennstufenzahl/cm, hohe Belastbarkeit, ger<strong>in</strong>ger Betriebs<strong>in</strong>halt<br />

und ger<strong>in</strong>ger Druckverlust – schließen sich gegenseitig aus. Der jeweils beste<br />

Kompromiss richtet sich nach dem Trennproblem. Dabei ist <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e auch die thermische<br />

Dauerbelastbarkeit des Destillationsgutes zu berücksichtigen.<br />

• Die Belastbarkeit <strong>der</strong> Kolonne gibt an, wie viel aufsteigen<strong>der</strong> Dampf und rücklaufendes<br />

Kondensat <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kolonne pro Zeite<strong>in</strong>heit tragbar s<strong>in</strong>d, ohne dass die Kolonne flutet (‚absäuft‘).<br />

Die Belastbarkeit soll möglichst groß se<strong>in</strong>, um die Destillationsdauer abzukürzen.<br />

103


4. Destillation<br />

Abb. 4.14: Destillationsapparatur mit Kolonne und Kolonnenkopf und Apparatesymbol<br />

Die notwendige Zahl <strong>der</strong> theoretischen Böden e<strong>in</strong>er Kolonne für die Trennung zweier Substanzen<br />

A und B ist umso größer, je kle<strong>in</strong>er die Siedepunktsdifferenz ist (Abb. 4.15, Tab. 4.4).<br />

Tab. 4.4: Für die Trennung von 2 Flüssigkeiten erfor<strong>der</strong>liche theoretische Bodenzahl (n th ).<br />

Sdp.-Differenz Erfor<strong>der</strong>liche theor. Bodenzahl (n th ) bei e<strong>in</strong>er beabsichtigten Trennung von<br />

[°C] 90% 99% 99.9%<br />

80 1 2 4<br />

40 2 5 7<br />

10 8 20 40<br />

1 80 200 ~280<br />

104


4.3 Mehrstufendestillation (Rektifikation)<br />

Abb. 4.15: Benötigte Bodenzahl für die Trennung b<strong>in</strong>ärer Systeme bei 90.0- und 99.9-%iger<br />

Trennung:<br />

Jede Entnahme von Destillat stört das thermodynamische Gleichgewicht <strong>der</strong> Destillation: Die<br />

Trennung <strong>der</strong> beiden Komponenten verschlechtert sich. Die Bee<strong>in</strong>flussung des Trenneffekts −<br />

effektive Zahl <strong>der</strong> theoretischen Böden − durch das Rücklaufverhältnis zeigt Abb. 4.16.<br />

Abb. 4.16: Abhängigkeit des Trenneffekts e<strong>in</strong>er Kolonne vom Rücklaufverhältnis.<br />

Bei <strong>der</strong> wirksameren Kolonne (1) ist die maximale Zahl <strong>der</strong> theoretischen Böden n th ≅ 8, sie<br />

wird bei V = 70:1 erreicht; bei V = 10:1 verr<strong>in</strong>gert sich die Bödenzahl auf n th ≅ 6.7; bei Kolonne<br />

(2) ist n th (maximal) ≅ 6.5, dieser Wert wird erst bei V = 100:1 erreicht; bei V = 10:1 ist<br />

n ≅ 4.4.<br />

105


4. Destillation<br />

4.4 Destillation azeotroper Mischungen<br />

Mischungen, die e<strong>in</strong> Azeotrop bilden, können durch Destillation pr<strong>in</strong>zipiell nicht getrennt<br />

werden. Die azeotrope Mischung verhält sich bei <strong>der</strong> Destillation wie e<strong>in</strong>e re<strong>in</strong>e Flüssigkeit.<br />

4.4.1 Siedeverhalten mischbarer Flüssigkeiten mit Azeotrop<br />

Am Beispiel <strong>der</strong> nicht idealen Mischung Ethanol – Benzol wird <strong>der</strong> typische Verlauf <strong>der</strong><br />

Destillation e<strong>in</strong>er b<strong>in</strong>ären Mischung von Flüssigkeiten mit Azeotropbildung (Abb. 4.17) erläutert.<br />

Geht man von e<strong>in</strong>er Zusammensetzung von 80% Ethanol und 20% Benzol (x 0 ) aus, reichert<br />

sich die azeotrope Mischung (ca. 45% Ethanol, 55% Benzol) im Dampf an, <strong>in</strong> <strong>der</strong> kondensierten<br />

Phase wird Ethanol angereichert. Bei <strong>der</strong> Destillation über e<strong>in</strong>e Kolonne mit 3 theoretischen<br />

Böden erhält man im Destillat (über x 1 und x 2 ) e<strong>in</strong>e Mischung x 3 mit dem Siedepunkt<br />

von ca. 67 °C, die <strong>der</strong> azeotropen Zusammensetzung entspricht.<br />

Gleichzeitig reichert sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> flüssigen Phase (über x' 1 und x' 2 ) Ethanol bis zu e<strong>in</strong>er Zusammensetzung<br />

x' 3 an, <strong>der</strong> Siedepunkt <strong>der</strong> flüssigen Phase steigt dabei an.<br />

Wird die Destillation mit e<strong>in</strong>er Zusammensetzung rechts vom Azeotrop (z.B. 80% Benzol,<br />

20% Ethanol) begonnen, erhält man im Destillat ebenfalls die azeotrope Mischung, <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

flüssigen Phase reichert sich das Benzol an.<br />

Abb. 4.17: Siedediagramm <strong>der</strong> Mischung Ethanol – Benzol:<br />

Durch Destillation kann also pr<strong>in</strong>zipiell nur e<strong>in</strong>e <strong>der</strong> beiden Komponenten re<strong>in</strong> gewonnen<br />

werden, die an<strong>der</strong>e nur als Mischung mit <strong>der</strong> azeotropen Zusammensetzung. Der azeotrope<br />

Punkt kann bei <strong>der</strong> Destillation nicht überwunden werden.<br />

106


4.4 Destillation azeotroper Mischungen<br />

Um Flüssigkeitsgemische mit azeotropem Verhalten dennoch zu trennen, gibt es verschiedene<br />

Möglichkeiten:<br />

• Destillation bei verm<strong>in</strong><strong>der</strong>tem Druck: die Dampfdruckkurven <strong>der</strong> zwei Flüssigkeiten besitzen<br />

unterschiedliche Steigungen. Dadurch wird bei niedrigen Temperaturen die relative<br />

Flüchtigkeit <strong>der</strong> nie<strong>der</strong> siedenden Komponente erhöht. Durch Destillation im Vakuum<br />

kann bei niedrigeren Temperaturen gearbeitet werden, <strong>der</strong> azeotrope Punkt verschiebt sich<br />

<strong>in</strong> Richtung <strong>der</strong> schwerer flüchtigen Komponente und verschw<strong>in</strong>det im Idealfall ganz.<br />

• Entfernung e<strong>in</strong>er Komponente durch Ausfrieren: Unterscheiden sich die Schmelzpunkte<br />

<strong>der</strong> Flüssigkeiten deutlich, kann die höher schmelzende Komponente eventuell durch Abkühlen<br />

zum<strong>in</strong>dest teilweise kristallisiert und durch Filtration aus <strong>der</strong> Mischung entfernt<br />

werden. Dadurch wird <strong>der</strong> azeotrope Punkt überwunden.<br />

• Entfernung e<strong>in</strong>er Komponente durch Extraktion: In e<strong>in</strong>igen Fällen kann e<strong>in</strong>e Komponente<br />

durch Extraktion aus <strong>der</strong> Mischung entfernt werden (im obigem Beispiel kann Ethanol<br />

durch Extraktion mit Wasser weitgehend entfernt werden). Auch dadurch wird <strong>der</strong> azeotrope<br />

Punkt überwunden.<br />

• Chemische Umsetzung e<strong>in</strong>er Komponente: Im Beispiel <strong>der</strong> Mischung Ethanol – Benzol<br />

kann Ethanol durch Umsetzung mit Natrium o<strong>der</strong> Natriumhydrid <strong>in</strong> das Ethanolat überführt<br />

werden. Anschließend lässt sich Benzol e<strong>in</strong>fach abdestillieren.<br />

• Bildung höherer Azeotrope: Durch Zugabe e<strong>in</strong>er weiteren Substanz kann sich e<strong>in</strong> Azeotrop<br />

höherer Ordnung bilden. E<strong>in</strong> Beispiel ist die destillative Darstellung von wasserfreiem<br />

Ethanol: Ethanol besitzt mit Wasser e<strong>in</strong> Azeotrop (ca. 96 Gewichts-% Ethanol, 4%<br />

Wasser). Durch Zugabe von Benzol bildet sich e<strong>in</strong> ternäres Azeotrop (19 Gewichts-%<br />

Ethanol, 74% Benzol, 7% Wasser, Sdp. 65 °C). Das ternäre Azeotrop destilliert zunächst<br />

so lange ab, bis alles Wasser aus <strong>der</strong> Mischung entfernt ist, danach geht das b<strong>in</strong>äre Azeotrop<br />

Benzol – Ethanol (32 Gewichts-% Ethanol, 68 % Benzol) über, bis im Destillationsrückstand<br />

re<strong>in</strong>es Ethanol überbleibt.<br />

4.4.2 Siedeverhalten nicht mischbarer Flüssigkeiten mit Azeotrop<br />

Während bei homogenen Mischungen <strong>der</strong> Gesamtdampfdruck nach dem Raoult’schen Gesetz<br />

vom Molenbruch <strong>der</strong> Komponenten bestimmt wird, ist bei nicht mischbaren Systemen <strong>der</strong><br />

Gesamtdruck stets gleich <strong>der</strong> Summe <strong>der</strong> Dampfdrucke bei<strong>der</strong> Komponenten (unabhängig<br />

von <strong>der</strong> Zusammensetzung <strong>der</strong> Komponenten). Normalerweise besitzen die Mischphasen kle<strong>in</strong>ere<br />

Partialdrucke als <strong>der</strong> Normaldruck, deshalb liegt <strong>der</strong> Siedepunkt des Mischsystems niedriger<br />

als die Siedepunkte <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen Komponenten. Bei <strong>der</strong> Kondensation des Dampfes<br />

erfolgt die spontane Entmischung <strong>der</strong> Komponenten.<br />

Bei den wichtigsten praktischen Beispielen ist e<strong>in</strong>e <strong>der</strong> beiden Komponenten Wasser (siehe<br />

Tab. 4.5). Abb. 4.16 zeigt das Siedediagramm <strong>der</strong> azeotropen Mischung Toluol/Wasser.<br />

107


4. Destillation<br />

Tab. 4.5: Azeotrope Gemische mit Wasser<br />

Komponenten Organisches Solvens<br />

Sdp. [°C]<br />

Azeotrop<br />

Sdp. [°C]<br />

Wassergehalt im<br />

Azeotrop<br />

H 2 O/CH 2 Cl 2 40.1 38.8 1 %<br />

H 2 O/MTB 55.0 53.0 4 %<br />

H 2 O/Ethylacetat 78.0 70.0 9 %<br />

H 2 O/CCl 4 77.0 66.0 4 %<br />

H 2 O/Cyclohexan 81.0 70.0 9 %<br />

H 2 O/Benzol 80.6 69.2 9 %<br />

H 2 O/Toluol 110.6 84.1 20 %<br />

Abb. 4.18: Schematisches Siedediagramm <strong>der</strong> Mischung Wasser/Toluol:<br />

Die Destillation azeotroper Gemische mit Wasser wird <strong>in</strong> <strong>der</strong> organischen <strong>Chemie</strong> vielfältig<br />

genutzt:<br />

• zur destillativen Abtrennung von Reaktionswasser<br />

• zur Wasserdampfdestillation<br />

• zur Trocknung organischer Solventien (siehe Kap. 11, Re<strong>in</strong>igung und Trocknung organischer<br />

Solventien).<br />

4.4.2.1 Kont<strong>in</strong>uierliche Entfernung von Reaktionswasser aus e<strong>in</strong>em Reaktionsgemisch<br />

durch azeotrope Destillation.<br />

Bei zahlreichen Reaktionen, bei denen Wasser e<strong>in</strong> Reaktionsprodukt ist (z. B. Veresterung,<br />

Acetal-, Ketal-, Enam<strong>in</strong>-Bildung), kann man durch kont<strong>in</strong>uierliche Entfernung des Reaktionswassers<br />

das Gleichgewicht <strong>in</strong> Richtung <strong>der</strong> Produkte verschieben. Die oben aufgeführten<br />

Azeotrope ermöglichen es, mit Hilfe e<strong>in</strong>es ‚Wasserabschei<strong>der</strong>s‘ das organische Solvens im<br />

Kreislauf zu führen, das Wasser wird hierbei ‚ausgekreist‘ bzw. ‚ausgeschleppt‘ (Abb.<br />

4.19):<br />

Die azeotrope Mischung von Wasser und Cyclohexan enthält beispielsweise 9 % Wasser<br />

(Tab. 4.5). Die Löslichkeit von Wasser <strong>in</strong> Cyclohexan beträgt bei Raumtemperatur <strong>in</strong>des nur<br />

etwa 0.01 %! Wird <strong>der</strong> Dampf dieser Mischung mit <strong>der</strong> Zusammensetzung des Azeotrops<br />

kondensiert, tritt spontane Entmischung <strong>der</strong> Phasen e<strong>in</strong>.<br />

108


4.4 Destillation azeotroper Mischungen<br />

Pr<strong>in</strong>zip des Wasserabschei<strong>der</strong>s (Abb. 4.19):<br />

Das aus dem Reaktionskolben (1) über (2) abdestillierende Azeotrop wird im Rückflusskühler<br />

(3) kondensiert und tropft <strong>in</strong> das graduierte Trennrohr (4) des Wasserabschei<strong>der</strong>s.<br />

Abb 4.19: Apparaturen zum Auskreisen von Wasser.<br />

a) Wasserabschei<strong>der</strong> (Dean-Stark-Falle) zum Auskreisen von Wasser mit spezifisch leichteren Solventien<br />

(Benzol, Toluol, Cyclohexan).<br />

b) Wasserabschei<strong>der</strong> zum Auskreisen von Wasser mit spezifisch schwereren Solventien (z. B. Chloroform,<br />

Dichlormethan).<br />

c) Wasserabschei<strong>der</strong> zum Auskreisen von Wasser mit spezifisch schwereren Solventien mit Möglichkeit<br />

zur Entnahme des Reaktionswassers.<br />

1 Reaktionskolben<br />

2 Steigrohr<br />

3 Kühler<br />

4 graduiertes Trennrohr<br />

5 Ablasshahn<br />

Beim Auskreisen mit spezifisch leichteren Lösungsmitteln setzt sich das spezifisch schwerere<br />

Wasser im Trennrohr ab, das organische Solvens fließt <strong>in</strong> den Reaktionskolben zurück<br />

(Abb. 4.19a). Bei spezifisch schwereren Solventien setzt sich das organische Lösungsmittel<br />

unten ab (z. B. Chloroform) und wird <strong>in</strong> den Reaktionskolben zurückgeführt (Abb. 4.19b, c).<br />

Die Graduierung erlaubt <strong>in</strong> beiden Fällen die kont<strong>in</strong>uierliche Messung <strong>der</strong> Wasserbildung und<br />

damit die Verfolgung des Reaktionsablaufs.<br />

109


4. Destillation<br />

4.4.2.2 Wasserdampfdestillation<br />

Die Wasserdampfdestillation ist e<strong>in</strong>e Variante <strong>der</strong> azeotropen Destillation. E<strong>in</strong>er Mischung<br />

von Substanzen wird bewusst Wasser zugesetzt. Dadurch können die Bestandteile <strong>der</strong> Mischung,<br />

welche e<strong>in</strong> Azeotrop mit Wasser bilden, sehr schonend destillativ abgetrennt werden<br />

(Voraussetzung: Der Dampfdruck <strong>der</strong> organischen Verb<strong>in</strong>dung ist bei 100 °C größer als<br />

10 hPa und die Verb<strong>in</strong>dung ist nicht o<strong>der</strong> nur schwer mit Wasser mischbar). Die Wasserdampfdestillation<br />

wird häufig bei <strong>der</strong> Auftrennung komplexer Mischungen aus natürlichen<br />

Pflanzenmaterialien (Isolierung ‚etherischer Öle‘), kann aber auch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>igen Fällen bei <strong>der</strong><br />

Trennung von Produktmischungen aus organischen Synthesen e<strong>in</strong>gesetzt werden (z.B. Trennung<br />

von p-Benzoch<strong>in</strong>on/Hydroch<strong>in</strong>on o<strong>der</strong> o-Nitrophenol/p-Nitrophenol). Bei <strong>der</strong> Destillation<br />

gehen Wasser und Substanz <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em konstanten Verhältnis über, man kann also die<br />

übergetriebene Menge Substanz pro Zeite<strong>in</strong>heit steigern, wenn man e<strong>in</strong>e möglichst große<br />

Wassermenge destilliert.<br />

Apparaturen zur Wasserdampfdestillation:<br />

E<strong>in</strong>fache Wasserdampfdestillation<br />

Im e<strong>in</strong>fachsten Fall wird die Suspension von Wasser und <strong>der</strong> zu re<strong>in</strong>igenden Substanz <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

e<strong>in</strong>fachen Destillationsapparatur bis zum Sieden erhitzt. Für e<strong>in</strong>e raschere Destillation wird<br />

das Substanz/Wasser-Gemisch im Heizbad auf 100 °C erhitzt und noch zusätzlich überhitzter<br />

Wasserdampf <strong>in</strong> den Destillationskolben e<strong>in</strong>geleitet (<strong>der</strong> Wasserdampf wird <strong>in</strong> speziellen<br />

Dampfgeneratoren erzeugt).<br />

Abb. 4.20: Apparatesymbol für e<strong>in</strong>e Wasserdampfdestillationsapparatur<br />

1 Scheidetrichter zur Abtrennung von Kondenswasser<br />

2 Auf etwa 100 °C erhitzter Destillationskolben<br />

mit dem Destillationsgut <strong>in</strong> wässriger Suspension<br />

3 Liebigkühler bzw. Claisenbrücke<br />

4 Vorlage<br />

5 Eisbad zur Kühlung <strong>der</strong> Vorlage<br />

6 Heizplatte<br />

Der Kühlwasserstrom darf nicht zu schwach se<strong>in</strong>, sonst kann die große Menge Wasserdampf<br />

nicht vollständig kondensiert werden. Der Vorlagekolben wird zusätzlich mit Eis gekühlt.<br />

Das Ende <strong>der</strong> Destillation erkennt man daran, dass das Destillat nicht mehr trüb ist.<br />

Am Ende <strong>der</strong> Destillation wird zuerst <strong>der</strong> Ablasshahn des Scheidetrichters (1) geöffnet, erst<br />

dann darf <strong>der</strong> Wasserdampfgenerator abgeschaltet werden. Wird das nicht beachtet, kann<br />

beim Abkühlen <strong>der</strong> heiße Inhalt des Destillationskolbens über das Dampfe<strong>in</strong>leitungsrohr <strong>in</strong><br />

110


4.4 Destillation azeotroper Mischungen<br />

den Scheidetrichter und möglicherweise weiter <strong>in</strong> den Wasserdampfgenerator zurückgesaugt<br />

werden.<br />

Aus dem erkalteten Wasserdampfdestillat werden kristall<strong>in</strong>e Verb<strong>in</strong>dungen abgesaugt, flüssige<br />

Produkte im Scheidetrichter abgetrennt o<strong>der</strong> <strong>in</strong> organischen Solventien aufgenommen.<br />

Wasserdampfdestillation unter gleichzeitiger Extraktion des Produktes mit e<strong>in</strong>em organischen<br />

Solvens<br />

Der nachstehend abgebildete Aufsatz (Abb. 4.21) ist das ‚Kernstück‘ dieser speziellen<br />

Wasserdampfdestillationsapparatur:<br />

Abb. 4.21: Phasenteiler für die Wasserdampfdestillation unter gleichzeitiger Extraktion mit<br />

e<strong>in</strong>em spezifisch schwereren Lösungsmittel und Apparatesymbol<br />

1 Kolben mit Wasser und <strong>der</strong> zu isolierende Substanz<br />

2 Kolben mit organischem Lösungsmittel<br />

3 Phasenteiler<br />

4 Rückflusskühler<br />

A Aufsteigen<strong>der</strong> Dampf des organischen Lösungsmittels<br />

B Aufsteigen<strong>der</strong> Wasserdampf mit <strong>der</strong> zu isolierenden Substanz<br />

C Kondensat (Wasser, Substanz, organisches Lösungsmittel)<br />

D Wasserüberlauf<br />

E Organisches Lösungsmittel mit gelöster Substanz<br />

111


4. Destillation<br />

Beschreibung <strong>der</strong> Funktionsweise:<br />

Man erhitzt das Wasser mit dem Produkt im Destillationskolben 1 zum Sieden, hier f<strong>in</strong>det die<br />

Wasserdampfdestillation statt. Gleichzeitig wird <strong>in</strong> <strong>der</strong> Vorlage 2 Dichlormethan zum Sieden<br />

erhitzt. Bei <strong>der</strong> geme<strong>in</strong>samen Kondensation <strong>der</strong> Dämpfe extrahiert das organische Solvens das<br />

durch den Wasserdampf mitgeführte Produkt. Im Phasenteiler wird das <strong>in</strong> Dichlormethan gelöste<br />

Produkt von <strong>der</strong> Wasserphase getrennt und <strong>in</strong> den Kolben 2 geleitet; die Wasserphase<br />

fließt <strong>in</strong> den Koben 1 zurück. Durch die kont<strong>in</strong>uierliche Arbeitsweise kann auf das E<strong>in</strong>leiten<br />

von Wasserdampf verzichtet werden; durch die Rückführung kommt man mit e<strong>in</strong>em ger<strong>in</strong>gen<br />

Wasservolumen aus. Außerdem erübrigt sich durch die gleichzeitige Extraktion auch das<br />

nachträgliche Ausschütteln des destillierten Produkts aus e<strong>in</strong>em großen Wasservolumen.<br />

Dieser Methode erlaubt beispielsweise die Re<strong>in</strong>igung von ca. 10 g o-Nitrophenol/Stunde<br />

durch Wasserdampfdestillation.<br />

Für die gleichzeitige Extraktion mit e<strong>in</strong>em spezifisch leichteren Lösungsmittel werden die<br />

beiden Kolben 1 und 2 vertauscht.<br />

Destillation (spezielle Verfahren und Apparaturen)<br />

4.5 Halbmikro- und Mikrodestillationsapparaturen<br />

4.5.1 Variable Halbmikro-Destillationsapparatur (5–80 ml)<br />

(Zur Destillation bei Atmosphärendruck und im Vakuum)<br />

Die abgebildete, <strong>in</strong>zwischen auch handelsübliche Destillationsapparatur (Abb. 4.22) [11]<br />

empfiehlt sich bei Flüssigkeitsmengen von etwa 5–80 ml. Die Apparatur zeichnet sich durch<br />

sehr kurze Wege für Dampf und Kondensat aus, Substanzverluste und das Vermischen von<br />

Fraktionen werden vermieden. Bei Vakuumdestillationen muss man zur Vermeidung von<br />

Siedeverzügen mit dem Magnetrührer arbeiten. Der Knick im Anschützaufsatz dient als<br />

Spritzschutz.<br />

Wenn verschiedene Fraktionen nicht zu erwarten s<strong>in</strong>d, kann man an den Vorstoß direkt e<strong>in</strong>en<br />

Kolben anschließen (7).<br />

Bei sehr kle<strong>in</strong>en Mengen (2-10 ml) kann man an Stelle von Kolben auch konisch zulaufende<br />

Röhrchen mit Schliff verwenden (8). Als Variante ist auch e<strong>in</strong>e Sp<strong>in</strong>ne mit Schraubanschlüssen<br />

im Handel, an die direkt kle<strong>in</strong>e ‚Präparategläschen mit Gew<strong>in</strong>de‘ sogenannte ‚Vials‘<br />

angeschlossen werden können.<br />

112


4.5 Halbmikro- und Mikrodestillationsapparaturen<br />

Abb. 4.22: Halbmikrodestillationsapparatur (10–80 ml)<br />

1 Destillationskolben NS 14<br />

2 Destillationsaufsatz mit angeschmolzenem kurzen Liebigkühler mit Schliff- o<strong>der</strong> Schraubenanschluss<br />

für Thermometer.<br />

3 Thermometer<br />

4 Kühlwasser<br />

5 Vakuumanschluss<br />

6 Sp<strong>in</strong>ne (NS 14) mit 3 Kölbchen<br />

7 Direkter Anschluss e<strong>in</strong>es Vorlagekolbens<br />

8 Glasröhrchen als Vorlage für kle<strong>in</strong>e Destillatmengen<br />

4.5.2 Kugelrohrdestillation (0.5–10 ml)<br />

(Zur Destillation im Vakuum, auch Feststoffdestillation)<br />

Auf den Destillationskolben 1 werden ‚Destillationskugeln‘ 2 (A–C) aufgesetzt und auf die<br />

Glashohlwelle (4) gesteckt. Die Hohlwelle – und damit auch <strong>der</strong> Destillationskolben mit den<br />

Kugeln – wird von e<strong>in</strong>em Motor <strong>in</strong> <strong>der</strong> Längsachse gedreht und durch den Heizofen im Luftbad<br />

geheizt. Man verzichtet auf das Innenthermometer und registriert lediglich die Ofentemperatur<br />

[12].<br />

Der Destillationskolben 1 wird mit den Kugeln A und B <strong>in</strong> den Heizofen gebracht. Die letzte<br />

Kugel C dient als Vorlage, sie muss außerhalb <strong>der</strong> Heizzone bleiben. Zur thermischen Isolierung<br />

wird die Irisblende 6 am Ausgang des Heizofens geschlossen. In <strong>der</strong> Regel wird am<br />

Hahn 5 Vakuum angelegt. Die Destillation von Kugel zu Kugel verläuft rasch und schonend<br />

(kurze Abstände). Wegen <strong>der</strong> Rotation erneuert sich die Oberfläche ständig. Die letztlich als<br />

Vorlage benutzte Kugel C muss – um Verluste zu vermeiden – sehr gut (am besten mit Trockeneis)<br />

gekühlt werden.<br />

113


4. Destillation<br />

Abb. 4.23: Schematische Abbildung e<strong>in</strong>er Kugelrohrdestillationsapparatur<br />

1 Rundkolben mit Destillationsgut 4 rotierende Glashohlwelle<br />

2 Destillationskugeln A-C 5 Zweiwegehahn<br />

3 Glasrohr gefüllt mit Trockeneis 6 Irisblende<br />

Drei Vorlagekugeln erlauben auch e<strong>in</strong>e gewisse Fraktionierung. Man heizt zunächst die Kugeln<br />

1, A und B vorsichtig auf und destilliert das leichtflüchtigste Produkt <strong>in</strong> Kugel C. Hierauf<br />

werden nur noch die Kugeln 1 und A geheizt, B wird zur Vorlage für die 2. Fraktion usw.<br />

Es empfiehlt sich, die leichtflüchtigen Fraktionen <strong>in</strong> C und B vor Fortsetzung <strong>der</strong> Destillation<br />

wegzunehmen.<br />

4.5.3 Kurzwegdestillation und Mikrodestillation über e<strong>in</strong>en Bogen (Krümmer)<br />

(Halbmikro- o<strong>der</strong> Mikrodestillation)<br />

Abb. 4.24: a) Kurzwegdestillation, b) Mikrodestillation über e<strong>in</strong>en Bogen<br />

1 Destillationskolben<br />

(M<strong>in</strong>destgröße 10ml)<br />

2 Claisenaufsatz<br />

3 Vorlagekolben mit seitlichem<br />

Hahn zum Vakuumanschluss<br />

(Schlenk-Kolben)<br />

4 Thermometer<br />

5 Kühlbad<br />

6 Bogen (Krümmer)<br />

In beiden Apparaturen wird <strong>der</strong> Vorlagekolben mit Aceton/Trockeneis o<strong>der</strong> flüssigem Stickstoff<br />

gekühlt, um Substanzverluste zu vermeiden. Auf diese Weise können vor allem schwer<br />

destillierbare Substanzen und Feststoffe destilliert werden, da <strong>der</strong> Destillationsweg kurz ist.<br />

Der Destillationskolben kann mit e<strong>in</strong>em Heißluftgebläse zusätzlich geheizt werden.<br />

114


4.5 Halbmikro- und Mikrodestillationsapparaturen<br />

4.5.4 Mikrodestillation <strong>in</strong> Glasrohren<br />

Abb. 4.25: a) Mikrodestillationsapparatur mit Luftkühlung, b) Mikrodestillationsapparatur für<br />

leichtflüchtige Produkte<br />

1 Destillationskolben<br />

2 Absteigendes Glasrohr mit<br />

Haltestab<br />

3 Vorlagekolben mit seitlichem<br />

Hahn zum Vakuumanschluss<br />

(Schlenk-Kolben)<br />

4 Spitzkolben mit<br />

angeschmolzenem Bogen und<br />

E<strong>in</strong>buchtung zur Kühlung<br />

5 Übergangsstück<br />

6 Kühlbad<br />

Beide <strong>in</strong> Abb. 4.25 dargestellten Apparaturen (NS 10) s<strong>in</strong>d für die Destillation kle<strong>in</strong>er Mengen<br />

geeignet. Während man die Variante a) für Substanzen mit relativ hohen Siedepunkten<br />

verwendet (die Luftkühlung reicht zur Kondensation weitgehend aus), wird die Variante b)<br />

bei leichter flüchtigen Produkten bevorzugt; <strong>der</strong> Spitzkolben als Vorlage ist <strong>in</strong>nen e<strong>in</strong>gebuchtet<br />

zur Aufnahme von Trockeneis.<br />

Beide Apparaturen s<strong>in</strong>d auch für die Destillation luftempf<strong>in</strong>dlicher Substanzen geeignet, da<br />

die Vorlage vor <strong>der</strong> Destillation mit Schutzgas gespült werden kann.<br />

4.5.5 Destillationsaufsatz zur Destillation großer Flüssigkeitsmengen<br />

Der <strong>in</strong> Abb. 4.26 dargestellte Aufsatz eignet sich zur Destillation größerer Mengen stark<br />

schäumen<strong>der</strong> und spritzen<strong>der</strong> Substanzen bei Normaldruck wie im Vakuum. Auch bei <strong>der</strong> raschen<br />

Destillation großer Wassermengen (z. B. bei <strong>der</strong> Wasserdampfdestillation, siehe Abschnitt<br />

4.4.2.2) ist dieser Aufsatz von Vorteil.<br />

Abb. 4.26: Spezialaufsatz für die Destillation großer Flüssigkeitsmengen<br />

1 Schraubverschluss für Thermometer<br />

2 Spritzschutz<br />

3 Schlangenkühler<br />

4 Schliffverb<strong>in</strong>dungen NS 29<br />

5 Angeschmolzener gera<strong>der</strong> Vorstoß mit<br />

6 Vakuumanschluss<br />

115


4. Destillation<br />

4.5.6 R<strong>in</strong>gspaltkolonnen<br />

Die R<strong>in</strong>gspaltkolonne (Abb. 4.27) besteht aus zwei konzentrischen Rohren. Der aufsteigende<br />

Dampf wird durch den Spalt zwischen <strong>in</strong>nerem und äußerem Rohr geführt. Das Kondensat<br />

läuft <strong>in</strong> spiralförmige Nuten an den dampfberührenden Seiten <strong>der</strong> Rohre zurück. Das führt zur<br />

Verwirbelung des Dampfes und e<strong>in</strong>em effektiven Stoffaustausch zwischen Dampf und Kondensat.<br />

Die Kolonnen haben bei mäßigem Durchsatz e<strong>in</strong>e große Wirkung (Trennstufenhöhe<br />

0.5–1 cm), verbunden mit sehr ger<strong>in</strong>gem Betriebs<strong>in</strong>halt und Druckverlust.<br />

Mit R<strong>in</strong>gspaltkolonnen können Menge bis zu mehreren Litern, aber auch – wegen des kle<strong>in</strong>en<br />

Retentionsvolumens – kle<strong>in</strong>e Mengen bis 5 ml bei Atmosphärendruck und auch im Vakuum<br />

rektifiziert werden. Beson<strong>der</strong>s wichtig für e<strong>in</strong>e optimale Trennwirkung ist die exakt senkrechte<br />

Aufstellung <strong>der</strong> R<strong>in</strong>gspaltkolonne [13].<br />

Abb. 4.27: Schematische Darstellung e<strong>in</strong>er R<strong>in</strong>gspaltkolonne<br />

Längsschnitt<br />

Querschnitt<br />

4.6 Vakuumpumpen – Vakuummessgeräte [14]<br />

4.6.1 Druck – Def<strong>in</strong>ition und E<strong>in</strong>heiten<br />

Der Druck ist zusammen mit <strong>der</strong> Temperatur und dem Volumen e<strong>in</strong>e <strong>der</strong> Zustandsgrößen, die<br />

e<strong>in</strong> makroskopisches System beschreiben. Der Druck ist dabei physikalisch als Quotient <strong>der</strong><br />

Normalkraft F auf e<strong>in</strong>e Fläche durch den Flächen<strong>in</strong>halt A def<strong>in</strong>iert:<br />

dF<br />

p =<br />

dA<br />

116


4.6 Vakuumpumpen – Vakuummessgeräte<br />

Aus dieser Def<strong>in</strong>ition ergibt sich nach dem <strong>in</strong>ternationalen SI-E<strong>in</strong>heitensystem für die E<strong>in</strong>heit<br />

des Drucks:<br />

Newton<br />

N<br />

[ p ] = = Pascal o<strong>der</strong> = Pa<br />

2 2<br />

Meter<br />

m<br />

An<strong>der</strong>e zulässige E<strong>in</strong>heiten s<strong>in</strong>d:<br />

1 bar = 10 5 Nm −2 = 10 5 Pa = 0.1 MPa und 1 mbar = 1 hPa<br />

Außerdem s<strong>in</strong>d – vor allem <strong>in</strong> <strong>der</strong> älteren Literatur – noch folgende Drucke<strong>in</strong>heiten zu f<strong>in</strong>den:<br />

1 dyn = 1 g · cm · s –2 = 10 –5 N (E<strong>in</strong>heit des früher gebräuchlichen cgs-Systems)<br />

1 Torr = 133.3224 Pa = 1.33 hPa = 1.33 bar<br />

1 at = 1 kp · cm –2 (technische Atmosphäre, 1 kp = 9.81N, 1 at = 0.981 bar)<br />

1atm = 760 Torr (physikalische Atmosphäre, 1 atm = 1.013 bar = 1.033 at)<br />

Die SI-E<strong>in</strong>heiten (Système International d’Unitès) wurden 1977 nach Vere<strong>in</strong>barungen <strong>der</strong><br />

ISO (International Organisation for Standardisation) e<strong>in</strong>geführt. In Deutschland s<strong>in</strong>d diese<br />

E<strong>in</strong>heiten für den Druck <strong>in</strong> <strong>der</strong> DIN 1314 def<strong>in</strong>iert.<br />

E<strong>in</strong>ige wichtige Def<strong>in</strong>itionen <strong>der</strong> Vakuumtechnik:<br />

Totaldruck im Vakuumraum: Summer aller Partialdrucke aller im Gasraum bef<strong>in</strong>dlichen<br />

(nicht kondensierbaren) Gase und (kondensierbaren) Dämpfe, z. B.: Wasserdampf aus <strong>der</strong><br />

Atmosphäre, Öldampf aus <strong>der</strong> Pumpe etc.<br />

Enddruck im Vakuum: Der niedrigste mit e<strong>in</strong>er bestimmten Anordnung (Pumpe + Behälter)<br />

erreichbare Druck. Der Enddruck ist die Summe <strong>der</strong> Partialdrucke <strong>der</strong> im Vakuumraum noch<br />

verbleibenden nicht kondensierbaren Gase. Bei den Pumpenkenndaten werden meist die Endpartialdrucke<br />

angegeben. Während bei den zweistufigen Drehschieberpumpen <strong>der</strong> Endpartialdruck<br />

ca. 10 –4 mbar beträgt, erreicht <strong>der</strong> Endtotaldruck durch die Dämpfe (Wasser, Öl) im<br />

Vakuumraum nur Werte von 10 –2 mbar. Der Enddruck e<strong>in</strong>er Pumpe wird nicht nur vom<br />

Saugvermögen, son<strong>der</strong>n auch vom Dampfdruck <strong>der</strong> verwendeten Dichtungs-, Treib- und<br />

Schmiermittel bestimmt.<br />

Saugvermögen S e<strong>in</strong>er Pumpe: Gasvolumen, das <strong>in</strong> <strong>der</strong> Zeite<strong>in</strong>heit durch den Ausgangsquerschnitt<br />

<strong>der</strong> Pumpe strömt.<br />

dV<br />

S =<br />

dt<br />

Arbeitsdruck p: Der <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Destillationsapparatur niedrigste, erreichbare Druck; dieser<br />

hängt ab:<br />

117


4. Destillation<br />

• vom Enddruck <strong>der</strong> Pumpe (P end )<br />

• vom effektiven Saugvermögen (S eff )<br />

(siehe unten)<br />

• von <strong>der</strong> sog. Leckrate q L<br />

• von <strong>der</strong> Gasabgabe <strong>der</strong> Apparatur<br />

q<br />

S<br />

L<br />

p = +<br />

eff<br />

P<br />

end<br />

Effektives Saugvermögen S eff : Saugvermögen an <strong>der</strong> Apparatur (l/s)<br />

mit: L = Strömungsleitwert (siehe unten)<br />

S ⋅ L<br />

S eff<br />

=<br />

S + L<br />

Strömungsleitwert L: Der Strömungsleitwert ist e<strong>in</strong> Maß für den Strömungswi<strong>der</strong>stand e<strong>in</strong>er<br />

Leitung bzw. Apparatur. Der Strömungsleitwert ist dabei def<strong>in</strong>itionsgemäß <strong>der</strong> reziproke<br />

Wert des Strömungswi<strong>der</strong>standes R.<br />

Um das Saugvermögen e<strong>in</strong>er Pumpe gut auszunutzen, muss <strong>der</strong> Strömungsleitwert L möglichst<br />

groß werden.<br />

Für h<strong>in</strong>tere<strong>in</strong>an<strong>der</strong> geschaltete Bauteile gilt:<br />

Für parallel geschaltete Bauteile gilt:<br />

1 1<br />

= ∑<br />

L Ges<br />

L<br />

L<br />

=<br />

i<br />

∑<br />

Ges<br />

L i<br />

i<br />

i<br />

Mit Hilfe des Hagen-Poiseuille’schen Gesetzes kann <strong>der</strong> Druckabfall Δp für die lam<strong>in</strong>are<br />

Strömung von Gasen <strong>in</strong> Röhren abgeschätzt werden. Es gilt:<br />

8V<br />

⋅ L<br />

Δ p =<br />

4<br />

r<br />

mit:<br />

V = Strömungsgeschw<strong>in</strong>digkeit<br />

n = Zähigkeit des Gases<br />

L = Länge des Rohres<br />

r = Radius des Rohres<br />

Der Druckverlust wächst l<strong>in</strong>ear mit dem Abstand L zwischen Destillationsgut und Pumpe und<br />

s<strong>in</strong>kt mit dem Quotienten 1/r 4 ! Außerdem s<strong>in</strong>kt die Leitfähigkeit e<strong>in</strong>er Leitung mit je<strong>der</strong><br />

Krümmung stark ab.<br />

4.6.2 Wasserstrahlpumpen<br />

Wasserstrahlpumpen s<strong>in</strong>d die e<strong>in</strong>fachsten Vakuumpumpen im Labor (Abb. 4.28): Der Wasserstrahl<br />

wird beim Durchtritt durch die Lavaldüse (3) auf hohe Geschw<strong>in</strong>digkeit beschleunigt<br />

und <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Staudüse expandiert, durch die er aus dem Pumpengehäuse austritt. Der aus<br />

<strong>der</strong> Düse austretende Wasserstrahl transportiert <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en äußeren Schichten die abzusaugen-<br />

118


4.6 Vakuumpumpen – Vakuummessgeräte<br />

den Gas- bzw. Luftmoleküle ab. Die Wasserstrahlpumpe gehört also zu den sog. ‚Treibmittelpumpen‘.<br />

Abb. 4.28: Baupr<strong>in</strong>zip e<strong>in</strong>er Wasserstrahlpumpe<br />

1 Wasseranschluss mit Gew<strong>in</strong>de<br />

2 Ansaugstutzen<br />

3 Lavaldüse<br />

4 Staudüse<br />

Der Endtotaldruck wird durch den Dampf des Wassers bei <strong>der</strong> Wassertemperatur bestimmt,<br />

das Saugvermögen ist vom Wasserdruck abhängig.<br />

Technische Daten <strong>der</strong> Wasserstrahlpumpe:<br />

Saugvermögen bei e<strong>in</strong>em Wasserdruck von 4 bar<br />

Endtotaldruck bei e<strong>in</strong>er Wassertemperatur von 12 °C<br />

Auspumpzeit für e<strong>in</strong>en 5-l-Behälter (großer Exsikkator)<br />

Wasserverbrauch<br />

200–400 l/h<br />

16 mbar (12 Torr)<br />

6–10 m<strong>in</strong><br />

200–500 l/h<br />

Da beim Abs<strong>in</strong>ken des Wasserdrucks das Wasser <strong>in</strong> die unter Vakuum stehende Apparatur<br />

‚zurückschlagen‘ kann, enthalten viele Wasserstrahlpumpen e<strong>in</strong> Rückschlagventil. E<strong>in</strong>e<br />

‚Sicherheitsflasche‘ dient als Auffanggefäß beim evt. Zurückschlagen des Wassers und<br />

zugleich als ‚Druckpuffer‘ zum Ausgleich von Druckschwankungen.<br />

Der Nachteil <strong>der</strong> Wasserstrahlpumpen ist weniger das ger<strong>in</strong>ge Saugvermögen als <strong>der</strong> recht<br />

hohe Wasserverbrauch und die Tatsache, dass alle abgesaugten Substanzen <strong>in</strong> die Kanalisation<br />

gelangen. Deshalb ist man heute bestrebt, Ersatzlösungen für Wasserstrahlpumpen im<br />

Laborbereich zu f<strong>in</strong>den.<br />

4.6.3 Membranpumpen<br />

Membranpumpen können Wasserstrahlpumpen weitgehend ersetzen. Ihr E<strong>in</strong>satzbereich liegt<br />

ebenfalls im Grobvakuumbereich, bei geeigneter Schaltung können bis zu 10 mbar (2-stufig)<br />

o<strong>der</strong> 2 mbar (4-stufig) erreicht werden. Der Vorteil von Membranpumpen liegt <strong>in</strong> ihrer hohen<br />

Saugleistung (etwa 2 m 3 /h) und – bei geeigneter Ausstattung (PTFE-Beschichtung) – <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

ger<strong>in</strong>gen Empf<strong>in</strong>dlichkeit gegenüber den geför<strong>der</strong>ten Medien.<br />

119


4. Destillation<br />

Das Arbeitspr<strong>in</strong>zip e<strong>in</strong>er Membranpumpe ähnelt e<strong>in</strong>er Hubkolbenpumpe, durch die flexible<br />

Membran wird jedoch e<strong>in</strong> ger<strong>in</strong>geres Totvolumen und damit e<strong>in</strong> besseres Endvakuum<br />

erreicht:<br />

E<strong>in</strong>e zwischen Zyl<strong>in</strong><strong>der</strong>kopf und Gehäuse e<strong>in</strong>gespannte Membran wird über e<strong>in</strong> Pleuel auf<br />

und nie<strong>der</strong> bewegt. Die Membran trennt dabei den Antriebsraum vom För<strong>der</strong>raum. Wird<br />

die Membran nach unten bewegt, wird Gas bzw. Dampf über das E<strong>in</strong>lassventil <strong>in</strong> den För<strong>der</strong>raum<br />

gesaugt und bei <strong>der</strong> anschließenden Aufwärtsbewegung <strong>der</strong> Membran komprimiert und<br />

über das Auslassventil ausgestoßen. Die ausgestoßenen Dämpfe können durch e<strong>in</strong>en nachgeschalteten<br />

Kühler (mit Wasserkühlung) kondensiert werden.<br />

Membranpumpen s<strong>in</strong>d aus Gründen des Umweltschutzes den Wasserstrahlpumpen vorzuziehen:<br />

Lösungsmitteldämpfe können nicht <strong>in</strong> das Abwasser gelangen, mit nachgeschaltetem<br />

Kühler können sie bis zu 99% kondensiert werden. Der wesentlich ger<strong>in</strong>gere Wasserverbrauch<br />

ist e<strong>in</strong> weiteres Argument für ihren E<strong>in</strong>satz.<br />

Abb. 4.29: Funktionsweise <strong>der</strong> Membranpumpe<br />

1 Zyl<strong>in</strong><strong>der</strong>kopf<br />

2 Gehäuse<br />

3 Kurbelwelle mit Elektromotor<br />

4 Pleuel<br />

5 Membran<br />

6 E<strong>in</strong>lassventil<br />

7 Auslassventil<br />

4.6.4 Drehschieberpumpen (Ölpumpen)<br />

Drehschieberpumpen s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>- o<strong>der</strong> zweistufige Vakuumpumpen, die bis <strong>in</strong> den<br />

Fe<strong>in</strong>vakuumbereich (10 –3 hPa bzw. mbar) e<strong>in</strong>gesetzt werden können. Abb. 4.30 zeigt das<br />

Baupr<strong>in</strong>zip und die Funktionsweise dieser Pumpen.<br />

In dem Pumpenzyl<strong>in</strong><strong>der</strong> (1) dreht sich e<strong>in</strong> exzentrisch gelagerter Rotor (2). Zwei fe<strong>der</strong>belastete<br />

Schieber sorgen für die Abdichtung des Schöpfraumes. Wenn <strong>der</strong> Schieber an <strong>der</strong> Ansaugöffnung<br />

(4) vorbei gleitet, entsteht e<strong>in</strong> Schöpfraum mit sichelförmigem Querschnitt, <strong>in</strong> den<br />

das abgesaugte Gas e<strong>in</strong>strömt (A und B). Durch weitere Drehung des Rotors wird <strong>der</strong> Schöpfraum<br />

abgeschlossen (C). Im weiteren Verlauf wird das Gas durch die Verkle<strong>in</strong>erung des<br />

Schöpfraums zunächst komprimiert (D). Sobald <strong>der</strong> Schieber die Auslassöffnung freigibt,<br />

kann das komprimierte Gas über das Auslassventil <strong>in</strong> den Gasraum <strong>der</strong> Pumpe ausgestoßen<br />

werden (E) und gelangt durch die Auspufföffnung (6) aus <strong>der</strong> Pumpe. Der Pumpvorgang (pro<br />

Rotorumdrehung zweimal) setzt sich aus den drei Phasen Ansaugen – Komprimieren – Ausstoßen<br />

– zusammen.<br />

120


4.6 Vakuumpumpen – Vakuummessgeräte<br />

Abb. 4.30: Aufbau und Funktionsweise von Drehschieberpumpen.<br />

1 Pumpenzyl<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

2 Rotor<br />

3 Schieber<br />

4 Ansaugstutzen<br />

5 Auslassventil<br />

6 Auspufföffnung<br />

7 Ölvorrat<br />

Der Pumpenkörper ist von Öl umgeben (Ölkapselung). Vom Ölvorrat (7) im Pumpengehäuse<br />

wird über e<strong>in</strong>e Pumpe den Lagerstellen und Schiebern ständig Öl zugeführt. Neben <strong>der</strong><br />

Schmierung sorgt <strong>der</strong> Ölfilm auch für die Abdichtung <strong>der</strong> gleitenden Teile. Das angesaugte Öl<br />

wird zusammen mit dem geför<strong>der</strong>ten Gas durch das Ventil (5) wie<strong>der</strong> <strong>in</strong> den Ölvorrat geför<strong>der</strong>t.<br />

Schmutz und evtl. vorhandene Verschleißteilchen werden mit dem Öl aus dem Arbeitsraum<br />

<strong>in</strong> den Ölvorrat gespült. Sie lagern sich auf dem Boden des Pumpengehäuses ab und<br />

können nicht mehr <strong>in</strong> den Ölkreislauf gelangen.<br />

Bei e<strong>in</strong>er 2-stufigen Drehschieberpumpe wird an <strong>der</strong> Auslassöffnung an Stelle des Ventils<br />

e<strong>in</strong>e zweite, synchron laufende Drehschieberpumpe nachgeschaltet. Bei <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung großer<br />

Gasvolumnia ist die Abtrennung des mit dem Gas mitgeför<strong>der</strong>ten Öls im Gasraum <strong>der</strong> Pumpe<br />

nicht mehr ausreichend, zusammen mit dem Gas gelangt das Öl <strong>in</strong> Form fe<strong>in</strong>er Tröpfchen<br />

(Ölnebel) über die Auspufföffnung <strong>in</strong>s Freie. In diesem Fall sollte unbed<strong>in</strong>gt e<strong>in</strong> Ölnebelfilter<br />

nachgeschaltet werden.<br />

Technische Daten von Drehschieberpumpen für den Labore<strong>in</strong>satz:<br />

e<strong>in</strong>stufige Pumpen zweistufige Pumpen<br />

Saugvermögen (m 3 ⋅h –1 ) 1.75–2.50 2.50–7.60<br />

Endpartialdruck ohne Gasballast (mbar) 3·10 –2 2.5·10 –4<br />

Endtotaldruck mit Gasballast (mbar) 3·10 –1 < 1.3·10 –2<br />

Wie Abb. 4.31a zeigt, bleibt bei Drehschiebervakuumpumpen das Saugvermögen bis 1 mbar<br />

konstant, verm<strong>in</strong><strong>der</strong>t sich bis 0.1 mbar um etwa 10 % und fällt gegen den Enddruck rasch ab.<br />

Hieraus resultiert für e<strong>in</strong>stufige Drehschiebervakuumpumpen <strong>der</strong> E<strong>in</strong>satz bis etwa 0.1 mbar.<br />

Wie gezeigt, ist <strong>der</strong> Endtotaldruck im Vakuumraum die Summe aller Partialdrucke <strong>der</strong><br />

nichtkondensierbaren Gase und des Öldampfes. Da sich nicht kondensierte Dämpfe aus<br />

dem Destillationsgut im Pumpenöl lösen, wird <strong>der</strong> Endtotaldruck dadurch noch erheblich ver-<br />

121


4. Destillation<br />

schlechtert. Um dieses zu verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n müssen die nicht kondensierten Dämpfe aus dem<br />

Destillationsgut <strong>in</strong> Kühlfallen mit Aceton/Trockeneis o<strong>der</strong> besser noch mit flüssigem<br />

Stickstoff vor <strong>der</strong> Pumpe ausgefroren werden.<br />

Produkte, die bei <strong>der</strong> Destillation korrosive Gase, z. B. Chlorwasserstoff, abgeben, dürfen<br />

nicht mit Ölpumpen destilliert werden, da die Metallteile <strong>der</strong> Pumpe angegriffen werden.<br />

Erreicht die Pumpe auch ohne Belastung das Endvakuum nicht mehr, ist e<strong>in</strong> Ölwechsel<br />

erfor<strong>der</strong>lich.<br />

Abb. 4.31: Charakteristische Kennkurven e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>stufigen Ölpumpe.<br />

a) Saugvermögen b) Auspumpzeit e<strong>in</strong>es 10 l-Behälters<br />

Gasballast<br />

Werden Dämpfe angesaugt, können diese nur bis zu ihrem Sättigungsdampfdruck bei <strong>der</strong><br />

Betriebstemperatur <strong>der</strong> Pumpe komprimiert werden. Bei höherer Verdichtung kondensiert e<strong>in</strong><br />

Teil des Dampfes im Pumpenraum. Beispielsweise kann e<strong>in</strong> Luft-Wasserdampf-Gemisch<br />

bei 70 °C Pumpentemperatur nur bis zu e<strong>in</strong>em Wasser-Partialdruck von 312 mbar verdichtet<br />

werden. Bei weiterer Kompression kondensiert <strong>der</strong> Wasserdampf. Die Folge ist<br />

e<strong>in</strong>e Vermischung des Wassers mit dem Pumpenöl und e<strong>in</strong>e Verschlechterung des erreichbaren<br />

Enddruckes!<br />

Um diese Kondensation zu verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n, wird zu Beg<strong>in</strong>n <strong>der</strong> Kompression <strong>in</strong> den Schöpfraum<br />

<strong>der</strong> Pumpe soviel Luft e<strong>in</strong>gelassen, dass das Luft-Dampf-Gemisch während <strong>der</strong> Kompression<br />

den für das Öffnen des Auslassventils nötigen Druck erreicht, noch ehe <strong>der</strong> Dampf den zur<br />

Pumpentemperatur gehörigen Sättigungsdruck erreicht hat. Der Dampf wird mit <strong>der</strong> Luft <strong>in</strong><br />

die Atmosphäre ausgestoßen, bevor er kondensieren kann. Die zusätzliche Luft nennt man<br />

den Gasballast, das für die Dosierung notwendige Ventil das Gasballastventil. Der erreichbare<br />

Enddruck verschlechtert sich dabei etwa um e<strong>in</strong>e Zehnerpotenz, die Auspumpzeiten<br />

verlängern sich ebenfalls.<br />

122


4.6 Vakuumpumpen – Vakuummessgeräte<br />

In <strong>der</strong> Praxis ist die Gasballastmenge so dosiert, dass das Kompressionsverhältnis nicht größer<br />

als etwa 10:1 wird. Das bedeutet, dass <strong>der</strong> Partialdruck <strong>der</strong> angesaugten Dämpfe nur so<br />

hoch se<strong>in</strong> darf, dass diese bei <strong>der</strong> Verdichtung um den Faktor 10 bei <strong>der</strong> Betriebstemperatur<br />

<strong>der</strong> Pumpe noch nicht kondensieren können. Aus diesem Grunde ist es zweckmäßig, die<br />

Pumpe vor <strong>der</strong> Benutzung etwa 30 M<strong>in</strong>uten warmlaufen zu lassen.<br />

4.6.5 Vakuumpumpen für das Hochvakuum<br />

Die genaue Ausführung von Pumpen und Apparaturen für das Hochvakuum kann hier nur angedeutet<br />

werden. Pr<strong>in</strong>zipiell gilt für alle Hochvakuum- und Ultrahochvakuumpumpen, dass<br />

das Vakuum nicht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Stufe erreicht werden kann, son<strong>der</strong>n dass e<strong>in</strong>e o<strong>der</strong> mehrere ‚Vorpumpen‘<br />

vor die eigentliche Hochvakuumpumpe geschalten werden müssen. Gleichzeitig<br />

ergeben sich aus <strong>der</strong> Theorie <strong>der</strong> Lam<strong>in</strong>arströmung e<strong>in</strong>e ganze Reihe von Randbed<strong>in</strong>gungen<br />

für die Dimensionierung von Pumpe und Apparatur. Hier werden nur zwei Pumpentypen<br />

kurz behandelt:<br />

Dampfstrahl- und Diffusionspumpen<br />

Bei den Dampfstrahlpumpen werden geeignete ‚Treibmittel‘ (z. B. hoch siedende M<strong>in</strong>eralöle,<br />

Silikonöle o<strong>der</strong> Quecksilber) durch e<strong>in</strong>gebaute elektrische Heizwendeln zum Sieden erhitzt.<br />

Der erzeugte Dampfstrom wird nun den Düsen zugeführt. Diese Düsen (Lavaldüsen)<br />

s<strong>in</strong>d so konstruiert, dass <strong>der</strong> Dampfstrahl auf Überschallgeschw<strong>in</strong>digkeit beschleunigt und<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em bestimmten W<strong>in</strong>kel auf das Pumpengehäuse gelenkt wird. Das Pumpengehäuse wird<br />

gekühlt, das dampfförmige Treibmittel kondensiert und wird als Flüssigkeit wie<strong>der</strong> <strong>in</strong> das<br />

Siedegefäß zurückgeführt. Die Pumpwirkung kommt – ähnlich wie bei <strong>der</strong> Wasserstrahlpumpe<br />

– durch die Transportfähigkeit des Dampfstrahls für Gase zustande. Das abzupumpende<br />

Gas wird hierbei so stark komprimiert, dass es durch e<strong>in</strong>e geeignete Vorvakuumpumpe<br />

(<strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel e<strong>in</strong>e Ölpumpe) abgesaugt werden kann. Bei Dampfstrahlpumpen ist die<br />

Dampfdichte im Strahl sehr hoch, so dass nur die äußeren Randschichten des Dampfstrahls<br />

vom abzusaugenden Gas durchsetzt werden. Dampfstrahlpumpen besitzen den Vorteil, schon<br />

ab Drucken von 10 –2 bis 1 mbar e<strong>in</strong>satzfähig zu se<strong>in</strong>, <strong>der</strong> Nachteil ist ihr ger<strong>in</strong>ges spezifisches<br />

Saugvermögen.<br />

Bei Diffusionspumpen ist die Dampfdichte im Treibdampfstrahl (Quecksilber- o<strong>der</strong> Öldampfstrahl)<br />

sehr niedrig. Dadurch können die Gasmoleküle nahezu vollständig <strong>in</strong> den<br />

Dampfstrahl e<strong>in</strong>diffundieren. So kann <strong>der</strong> größte Teil <strong>der</strong> im Dampfstrom aufgenommenen<br />

Moleküle abgesaugt werden. Aus diesem Grund ist das Saugvermögen von Diffusionspumpen<br />

bezogen auf die Fläche <strong>der</strong> Ansaugöffnung außerordentlich hoch und über den ganzen<br />

Arbeitsbereich (von etwa 10 –3 bis zu 10 –7 mbar) konstant. Um ihren Arbeitsdruck zu erreichen,<br />

benötigen Diffusionspumpen für den Betrieb immer e<strong>in</strong>e entsprechend dimensionierte<br />

Vorvakuumpumpe (<strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel e<strong>in</strong>e zweistufige Ölpumpe).<br />

123


4. Destillation<br />

Turbomolekularpumpen<br />

Turbomolekularpumpen s<strong>in</strong>d im Pr<strong>in</strong>zip sehr schnell laufende Turb<strong>in</strong>en (bis zu 50000 Umdrehungen/M<strong>in</strong>ute).<br />

Trifft e<strong>in</strong> Molekül auf die rotierende Schaufel, so erfährt es e<strong>in</strong>en Impuls<br />

tangential <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bewegungsrichtung <strong>der</strong> Rotorschaufel. Durch geeignete Konstruktion von<br />

Rotor und Stator <strong>der</strong> Turb<strong>in</strong>e werden die Moleküle bevorzugt <strong>in</strong> die Saugrichtung <strong>der</strong> Turbomolekularpumpe<br />

beschleunigt. Da dieses Pr<strong>in</strong>zip erst im Bereich <strong>der</strong> Molekularströmung (ab<br />

etwa 10 –3 mbar) e<strong>in</strong>satzfähig ist, muss auch für Turbomolekularpumpen das notwendige Vorvakuum<br />

mit ausreichend dimensionierten Vorvakuumpumpen e<strong>in</strong>gestellt werden. Die<br />

extremen Drehzahlen stellen hohe Ansprüche an die mechanischen Bauteile, <strong>der</strong> Vorteil dieser<br />

Pumpen liegt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Erzeugung e<strong>in</strong>es kohlenwasserstofffreien Vakuums bis <strong>in</strong> den Bereich<br />

von 10 –11 mbar bei e<strong>in</strong>em gleichzeitig hohen und über weite Bereiche konstanten Saugvermögen.<br />

Der wichtigste E<strong>in</strong>satzbereich für Turbomolekularpumpen <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Chemie</strong> ist die Erzeugung<br />

von Hochvakuum <strong>in</strong> <strong>der</strong> Massenspektroskopie.<br />

4.6.6 Druckmessung<br />

Die Geräte zur Druckmessung werden vom Vakuumbereich und <strong>der</strong> erfor<strong>der</strong>lichen Genauigkeit<br />

bestimmt. Im Folgenden wird e<strong>in</strong>e Übersicht <strong>der</strong> gebräuchlichsten Vakuummessgeräte für<br />

das Grob- und Fe<strong>in</strong>vakuum gegeben:<br />

Quecksilber-Zweischenkelmanometer, 1000–3 mbar (760–2 Torr)<br />

Das e<strong>in</strong>fachste und trotzdem genaue Gerät zur Druckmessung im Grobvakuum ist das U-Rohr<br />

o<strong>der</strong> Quecksilber-Zweischenkelmanometer (Abb. 4.32). E<strong>in</strong> an e<strong>in</strong>em Ende verschlossenes U-<br />

Rohr aus Glas wird mit Quecksilber gefüllt, am an<strong>der</strong>en Ende wird das zu messende Vakuum<br />

angelegt. Dadurch entsteht im abgeschmolzenem Ende des U-Rohrs e<strong>in</strong> Gasraum, <strong>der</strong> nur<br />

Quecksilberdampf enthält; <strong>der</strong> dort herrschende Druck entspricht somit exakt dem Dampfdruck<br />

von Quecksilber bei <strong>der</strong> Messtemperatur. Aus <strong>der</strong> Differenz <strong>der</strong> beiden Quecksilberniveaus<br />

<strong>in</strong> den Schenkeln kann <strong>der</strong> Druck direkt bestimmt werden. Die Anzeige ist unabhängig<br />

vom Atmosphärendruck. Die Differenz Δh <strong>der</strong> beiden Quecksilberspiegel – gemessen <strong>in</strong> mm<br />

– ergibt den Druck <strong>in</strong> Torr. Das erklärt die weite Verbreitung dieser Drucke<strong>in</strong>heit, die <strong>in</strong> hPa<br />

umgerechnet werden muss.<br />

Abb. 4.32: Zweischenkelmanometer<br />

124


4.6 Vakuumpumpen – Vakuummessgeräte<br />

Fe<strong>der</strong>-Vakuummeter<br />

Für den Bereich des Grobvakuums s<strong>in</strong>d auch relativ e<strong>in</strong>fache und billige Fe<strong>der</strong>-Vakuummeter<br />

erhältlich: Das Innere e<strong>in</strong>es kreisförmig gebogenen und an e<strong>in</strong>em Ende befestigten Rohrs wird<br />

an das zu messende Vakuum angeschlossen. Durch den äußeren Luftdruck wird diese ‚Rohrfe<strong>der</strong>‘<br />

mehr o<strong>der</strong> wenig stark verbogen und über e<strong>in</strong>e Mechanik wird e<strong>in</strong> Zeigerwerk betätigt.<br />

Da diese Druckmessung vom äußeren Luftdruck abhängig ist, kann die Genauigkeit nur etwa<br />

±10 mbar betragen – solange nicht auf den äußeren Luftdruck korrigiert wird. Fe<strong>der</strong>-Vakuummeter<br />

werden deshalb dort e<strong>in</strong>gesetzt, wo nur e<strong>in</strong>e grobe Kontrolle des Drucks notwendig ist.<br />

Membran-Vakuummeter<br />

E<strong>in</strong> etwas an<strong>der</strong>es Messpr<strong>in</strong>zip liegt den Membran-Vakuummetern zugrunde: Sie bestehen<br />

aus e<strong>in</strong>er evakuierten Dose, die mit e<strong>in</strong>er dünnen Membran gegen den Messraum abgedichtet<br />

ist. Je nach Druckdifferenz zwischen dem Messraum und dem Referenzdruck im Inneren <strong>der</strong><br />

Dose beult sich die Membran mehr o<strong>der</strong> weniger aus. Diese mechanische Bewegung wird<br />

gemessen:<br />

• Mechanische Übertragung auf Zeiger: Auflösung ca. 0.1 mbar.<br />

• Die Membran bildet e<strong>in</strong>e Platte e<strong>in</strong>es Plattenkondensators, die zweite Platte bef<strong>in</strong>det sich<br />

im Inneren <strong>der</strong> Referenzdose. Gemessen wird die Än<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Kapazität des Kondensators<br />

durch die Än<strong>der</strong>ung des Plattenabstands: Auflösung bis zu 10 –3 mbar.<br />

• Auf die Membran werden Halbleiterwi<strong>der</strong>stände aufgebracht und die Än<strong>der</strong>ung des<br />

Stromflusses bei e<strong>in</strong>er Verformung <strong>der</strong> Membran gemessen. Auch hier s<strong>in</strong>d Auflösungen<br />

bis zu 10 –3 mbar möglich.<br />

In <strong>der</strong> Regel werden Membran-Vakuummeter im Grobvakuum und Fe<strong>in</strong>vakuum bis etwa<br />

0.1 mbar e<strong>in</strong>gesetzt. Die Möglichkeit <strong>der</strong> elektronischen Messung wird vor allem bei <strong>der</strong><br />

Druckregelung (Vakuumkonstanter) genutzt.<br />

Kompressions-Vakuummeter<br />

E<strong>in</strong>e Verfe<strong>in</strong>erung des Zweischenkelmanometers stellt das Kompressionsmanometer dar. Die<br />

Funktionsweise beruht darauf, dass e<strong>in</strong>e Gasmenge, die zunächst e<strong>in</strong> relativ großes Volumen<br />

e<strong>in</strong>nimmt, auf e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>eres Volumen komprimiert wird, Bei bekannten geometrischen Verhältnissen<br />

kann <strong>der</strong> im abgeschlossenen Vakuumbehälter herrschende Druck nach dem Boyle-<br />

Mariottschen Gesetz (pV = const.) bestimmt werden. Die Kompression des Gasvolumens erfolgt<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel durch das Heben e<strong>in</strong>er Quecksilbersäule. Bed<strong>in</strong>gt durch die Kompression<br />

trägt nur <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> Gase und Dämpfe zur Messung bei, die nicht während <strong>der</strong> Kompression<br />

auskondensieren.<br />

In <strong>der</strong> Praxis verwendet man meist das Vakuskop nach Gaede (Abb. 4.33). Es besteht aus e<strong>in</strong>er<br />

Komb<strong>in</strong>ation von Zweischenkelmanometer und Kompressionsmanometer, die Auflösung<br />

beträgt 50–0.01 mbar (≡ 35–0.005 Torr).<br />

125


4. Destillation<br />

Das Vakuskop lässt sich um den Kegelschliff 1 <strong>in</strong> zwei Stellungen drehen: Zwischen 4 und<br />

50 mbar wird <strong>der</strong> Druck im abgekürzten U-Rohr-Vakuummeter gemessen (Stellung A). Die<br />

an<strong>der</strong>e Seite des Vakuskops ist e<strong>in</strong> sog. Kompressions-Vakuummeter. In Stellung B wird das<br />

Gasvolumen im Kapillarschenkel vom Quecksilber abgesperrt und zugleich komprimiert.<br />

Damit werden nur die nicht kondensierten Gase erfasst, während Dämpfe kondensiert werden<br />

können und das Manometer verschmutzen.<br />

Abb. 4.33: Vakuskop nach Gaede<br />

1: Kegelschliff-Anschluss<br />

Stellung A: Grobmessung<br />

Stellung B: Fe<strong>in</strong>messung<br />

Die Druckmessung darf daher nur zwischen Pumpe und Kühlfalle erfolgen, <strong>der</strong> hier gemessene<br />

Druck gibt deshalb die Druckverhältnisse <strong>in</strong> <strong>der</strong> Destillationsapparatur nur ungenau wie<strong>der</strong>.<br />

Ganz allgeme<strong>in</strong> dürfen Quecksilber-Manometer zur Vermeidung von Verunre<strong>in</strong>igungen<br />

des Quecksilbers durch aggressive Gase und Dämpfe nur im Nebenschluss verwendet werden<br />

(siehe auch Kap. 4.2.5, Abb 4.8); die Absperrhähne werden jeweils nur kurz für die Messung<br />

geöffnet.<br />

Vakuumkonstanthalter (Vakuumcontroller)<br />

Vor allem bei Destillationen im Vakuum ist e<strong>in</strong> konstanter Druck während <strong>der</strong> gesamten<br />

Destillationsdauer von entscheiden<strong>der</strong> Bedeutung. Wird bei e<strong>in</strong>em Druck gearbeitet, <strong>der</strong> dem<br />

effektiv erreichbaren Enddruck e<strong>in</strong>er Vakuumpumpe entspricht (ca. 16 mbar bei <strong>der</strong> Wasserstrahlpumpe,<br />

10 –2 mbar bei e<strong>in</strong>er zweistufigen Ölpumpe), stellt diese Bed<strong>in</strong>gung ke<strong>in</strong> Problem<br />

dar. In allen an<strong>der</strong>en Fällen muss das Vakuum auf an<strong>der</strong>e Weise e<strong>in</strong>gestellt werden.<br />

Am e<strong>in</strong>fachstem ist es, über e<strong>in</strong> im Nebenschluss geschaltetes Nadelventil e<strong>in</strong>e regelbare<br />

Menge Permanentgas (Luft) e<strong>in</strong>zulassen. Diese Variante ist nur bei Pumpen mit relativ ger<strong>in</strong>gem<br />

Saugvermögen praktikabel. Werden Kühlfallen zur Kondensation benutzt, muss auf die<br />

Schaltung geachtet werden: Der Gase<strong>in</strong>lass muss sich zwischen Kühlfalle und Pumpe bef<strong>in</strong>den.<br />

Das <strong>in</strong> <strong>der</strong> Laborpraxis bessere Verfahren drosselt das Saugvermögen <strong>der</strong> Vakuumpumpe<br />

durch e<strong>in</strong> geeignetes Ventil. Dieses Verfahren ist <strong>in</strong> allen heute gebräuchlichen Vakuumkonstantern<br />

realisiert:<br />

E<strong>in</strong> im Nebenschluss geschaltetes Vakuummeter (4) misst laufend den Arbeitsdruck <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Apparatur. Wird e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>stellbarer Schwellendruck überschritten, so öffnet die Regelung e<strong>in</strong> <strong>in</strong><br />

die Saugleitung zur Pumpe e<strong>in</strong>gefügtes Ventil (3), die Pumpe (1) evakuiert die Apparatur.<br />

126


4.6 Vakuumpumpen – Vakuummessgeräte<br />

Sobald <strong>der</strong> Schwellendruck wie<strong>der</strong> unterschritten wird, wird auch das Saugleitungsventil geschlossen.<br />

Die Belüftung <strong>der</strong> Apparatur erfolgt meistens durch den Controller über e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>gebautes<br />

Belüftungsventil (5). Zur Belüftung <strong>der</strong> Pumpe muss e<strong>in</strong> handbetätigtes Ventil (Hahn)<br />

(2) vorhanden se<strong>in</strong>. Die Woulfsche Flasche (6) schützt das Ventil und den Sensor vor mitgerissenen<br />

Flüssigkeitströpfchen. Wird e<strong>in</strong>e Drehschieberpumpe verwendet, muss zusätzlich<br />

e<strong>in</strong>e Kühlfalle (7) vor die Pumpe geschaltet werden; bei Membranpumpen entfällt sie.<br />

Abb. 4.34: Schaltung e<strong>in</strong>es Vakuumkonstanters<br />

1 Vakuumpumpe<br />

2 Handbetätigtes Belüftungsventil<br />

3 Elektromagnetisch betätigtes Saugleitungsventil<br />

4 Drucksensor<br />

5 Elektromagnetisch betätigtes Belüftungsventil<br />

6 Woulf'sche Flasche<br />

7 Kühlfalle<br />

Die Druckmessung- und Regelung erfolgt <strong>in</strong> mo<strong>der</strong>nen Vakuumkonstantern elektronisch, die<br />

Ventile werden über Elektromagneten geschaltet. E<strong>in</strong> häufiges Problem bei <strong>der</strong> Verwendung<br />

von Pumpen mit hoher Saugleistung an relativ kle<strong>in</strong>en Apparaturen s<strong>in</strong>d die raschen Druckän<strong>der</strong>ungen<br />

beim Öffnen des Saugleitungsventils. Diese Druckän<strong>der</strong>ungen können entwe<strong>der</strong><br />

durch e<strong>in</strong>en ausreichend großen Ausgleichsbehälter o<strong>der</strong> besser durch e<strong>in</strong> kurzes Rohrstück<br />

mit ger<strong>in</strong>gem Querschnitt (Drossel) gedämpft werden.<br />

Werden zur Vakuumerzeugung Membranpumpen e<strong>in</strong>gesetzt (bis zu 2 mbar), kann e<strong>in</strong> an<strong>der</strong>es<br />

Regelpr<strong>in</strong>zip angewandt werden: Das Saugleitungsventil entfällt, dafür steuert <strong>der</strong> Vakuumcontroller<br />

die Motordrehzahl und damit das Saugvermögen <strong>der</strong> Pumpe. Diese Regelung vermeidet<br />

rasche Druckän<strong>der</strong>ungen und ist <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e für Destillationen besser geeignet.<br />

127


4. Destillation<br />

Literaturverzeichnis<br />

[1] G. M. Barrow, Physical Chemistry; 6 th Edition, McGraw Hill, New York 1996;<br />

Deutsche Ausgabe: Physikalische <strong>Chemie</strong>, 5. Auflage, Bohmann Verlag: Wien 1984.<br />

[2] K. Sigwart, Destillieren und Rektifizieren, <strong>in</strong>: Houben-Weyl, Methoden <strong>der</strong> <strong>Organischen</strong><br />

<strong>Chemie</strong>, Bd. I/1, 781–887; Georg-Thieme-Verlag, Stuttgart 1958.<br />

[3] W. Frank und D. Kutsche, Die schonende Destillation; Krausskopf-Verlag GmbH,<br />

Ma<strong>in</strong>z, 1969.<br />

[4] E. Krell, E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> die Trennverfahren, VEB Deutscher Verlag für Grundstoff<strong>in</strong>dustrie,<br />

Leipzig 1975.<br />

[5] E. Krell Handbuch <strong>der</strong> Laboratoriumsdestillation, 3. Aufl. Dr. A. Hüthig Verlag,<br />

Heidelberg, Basel, Ma<strong>in</strong>z, 1976; daselbst umfangreiche weitere Literaturangaben.<br />

[6] Organikum, Organisch-chemisches Grundpraktikum, Wiley-VCH Verlag GmbH,<br />

We<strong>in</strong>heim, 22. überarb. Auflage 2004.<br />

[7] R. Timmermans, Physicochemical Constants of B<strong>in</strong>ary Systems, 2, Interscience Publ,<br />

Inc. New York 1959.<br />

[8] H. Röck, Destillation im Laboratorium, Extraktive und azeotrope Destillation<br />

<strong>in</strong> Fortschritte <strong>der</strong> Physikalischen <strong>Chemie</strong>; Dr. Dietrich, Ste<strong>in</strong>kopf-Verlag, Darmstadt<br />

1960.<br />

[9] D.P. Tassios, Extractive and Azeotropic Distillation“, Advances <strong>in</strong> Chemistry Steries<br />

115, American Chemical Society, Wash<strong>in</strong>gton, D.C. 1972.<br />

[10] International Critical Tables, Mc. Graw Hill Book Co.; New York 1926–1930.<br />

[11] z. B. Gebr. Rettberg GmbH, Gött<strong>in</strong>gen; http://www.rettberg.biz/<br />

[12] z. B. Büchi Labortechnik GmbH, Essen; http://www.buechigmbh.de/<br />

[13] PILODIST GmbH, Bonn; http://www.pilodist.de<br />

[14] Druckschrift <strong>der</strong> Firma Leybold AG, Vakuumtechnik für die <strong>Chemie</strong>.<br />

128


Kapitel 5<br />

Filtration<br />

5.1 E<strong>in</strong>fache Filtration<br />

5.2 Filtration unter verm<strong>in</strong><strong>der</strong>tem Druck<br />

5.3 Filtration mit Überdruck<br />

5.4 Filtrierhilfsmittel<br />

5.5 Filtration durch Zentrifugieren<br />

129


5. Filtration<br />

Die Filtration dient <strong>der</strong> Abtrennung von Feststoffen (mechanische Verunre<strong>in</strong>igungen, schwerlösliche<br />

Produkte, Reaktionsprodukte) aus Flüssigkeiten. Im e<strong>in</strong>fachsten Fall kann man den<br />

Feststoff absetzen lassen und die überstehende Flüssigkeit vorsichtig abgießen (abdekantieren).<br />

Dieses Verfahren führt allerd<strong>in</strong>gs nicht zur vollständigen Trennung, auch bei sorgfältigem<br />

Arbeiten verbleibt immer e<strong>in</strong> Rest <strong>der</strong> Flüssigkeit im Feststoff zurück. Um e<strong>in</strong>e vollständige<br />

Trennung zu erreichen, muss filtriert werden.<br />

Filter bestehen aus e<strong>in</strong>em porösen Material. Die zu filtrierende Suspension läuft durch das<br />

Filter, die enthaltenen Feststoffteilchen werden dabei an <strong>der</strong> Oberfläche o<strong>der</strong> im Inneren des<br />

Filters zurückgehalten. Das Rückhaltevermögen e<strong>in</strong>es Filters wird durch die Porengröße<br />

bestimmt, die Filtrationsgeschw<strong>in</strong>digkeit von <strong>der</strong> Filterfläche, Porengröße, Viskosität <strong>der</strong><br />

Flüssigkeit und dem Druckunterschied zwischen Zu- und Ablauf des Filters. Im e<strong>in</strong>fachsten<br />

Fall sorgt die Schwerkraft für den nötigen Druckunterschied. Durch Vakuumfiltration (Kap.<br />

5.2) o<strong>der</strong> Druckfiltration (Kap. 5.3) wird <strong>der</strong> Druckunterschied erhöht, die Filtrationsgeschw<strong>in</strong>digkeit<br />

nimmt zu.<br />

Die am häufigsten verwendeten Filtertypen s<strong>in</strong>d:<br />

• E<strong>in</strong> <strong>in</strong> den Trichterauslauf e<strong>in</strong>gebrachter Wattebausch aus Cellulose o<strong>der</strong> Glaswolle. Es<br />

werden nur grobe Feststoffe zurückgehalten.<br />

• Papier- o<strong>der</strong> Glasfaserfilter s<strong>in</strong>d die wichtigsten Filtermaterialien. Sie bestehen aus e<strong>in</strong>em<br />

regellos verfilzten Fasergeflecht. Aufgrund ihrer Struktur besitzen diese Filter ke<strong>in</strong>e<br />

def<strong>in</strong>ierte Porengröße son<strong>der</strong>n e<strong>in</strong>en Rückhaltebereich. Häufig verwendet wird e<strong>in</strong> Rückhaltebereich<br />

von 4–7 μm für mittelfe<strong>in</strong>e Nie<strong>der</strong>schläge.<br />

• Fritten aus ges<strong>in</strong>tertem Glas, Metall o<strong>der</strong> auch Kunststoff. Zur Herstellung wird das Frittenmaterial<br />

zu e<strong>in</strong>em fe<strong>in</strong>en Gries vermahlen und ges<strong>in</strong>tert, dadurch entstehen fe<strong>in</strong>e Porenkanäle.<br />

Glasfilterfritten zur Filtration werden <strong>in</strong> Porositätsklassen e<strong>in</strong>geteilt (siehe Tab.<br />

5.1).<br />

• Membranfilter besitzen e<strong>in</strong>e präzise Oberflächenstruktur mit genau def<strong>in</strong>ierten Poren.<br />

Filtermaterialien können hydrophile Eigenschaften (z.B. Celluloseacetat o<strong>der</strong> Polyamid<br />

für wässrige Lösungen) o<strong>der</strong> hydrophobe Eigenschaften (z.B. PTFE für organische Lösungsmittel)<br />

besitzen. Die Filtration erfolgt im Wesentlichen an <strong>der</strong> Filteroberfläche. Erhältliche<br />

Porenweiten s<strong>in</strong>d 10 μm bis zu 0.01 μm, häufig verwendet werden die Porenweiten<br />

0.2 und 0.45 μm zur Filtration analytischer Proben (HPLC-, NMR o<strong>der</strong> UV-Messungen).<br />

Neben <strong>der</strong> Porosität muss bei <strong>der</strong> Auswahl des geeigneten Filters auch die chemische Beständigkeit<br />

des Filtermaterials berücksichtigt werden: Starke Säuren o<strong>der</strong> Laugen greifen die<br />

Cellulose-Fasern von Papierfiltern an. In diesem Fall müssen Glasfaserfilter o<strong>der</strong> Glasfilterfritten<br />

verwendet werden.<br />

130


5.1 E<strong>in</strong>fache Filtration<br />

5.1 E<strong>in</strong>fache Filtration<br />

Bei <strong>der</strong> Filtration wird die Suspension im e<strong>in</strong>fachsten Fall durch e<strong>in</strong>en Filter gegossen. Als<br />

Filter verwendet man zur Tüte gefaltete Rundfilter o<strong>der</strong> Faltenfilter (Abb. 5.1) <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em geeigneten<br />

Glastrichter (<strong>der</strong> Abstand des Filters zum Glasrand des Trichters sollte m<strong>in</strong>destens 1<br />

cm betragen). Im Vergleich zum e<strong>in</strong>fachen Rundfilter besitzen Faltenfilter e<strong>in</strong>e größere Oberfläche,<br />

die Filtration verläuft schneller. Zum Abfiltrieren von sehr groben Feststoffen kann<br />

auch e<strong>in</strong> <strong>in</strong> den Trichterauslauf gestopfter Wattebausch verwendet werden.<br />

Abb. 5.1: E<strong>in</strong>fache Filtration.<br />

Zur Filtration wird die Suspension vorsichtig (an e<strong>in</strong>em Glasstab entlang) <strong>in</strong> den Filter gegossen<br />

(nicht bis zum Filterrand auffüllen). Das durchlaufende Filtrat wird <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Erlenmeyerkolben<br />

aufgefangen. Werden organische Lösungsmittel filtriert, sollte <strong>der</strong> Trichter während<br />

des Filtrationsvorgangs mit e<strong>in</strong>em Uhrglas abgedeckt werden, um Verdampfungsverluste und<br />

damit das Entweichen von Lösungsmitteldämpfen zu vermeiden. Überdies müssen die Filter<br />

vor <strong>der</strong> Filtration mit dem e<strong>in</strong>gesetzten Solvens angefeuchtet werden.<br />

Wann kann die e<strong>in</strong>fache Filtration e<strong>in</strong>gesetzt werden?<br />

• Die bei <strong>der</strong> Aufarbeitung e<strong>in</strong>es Reaktionsansatzes erhaltene Lösung des Produkts <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

organischen Solvens wurde mit e<strong>in</strong>em anorganischen Trockenmittel (z. B. CaCl 2 ,<br />

Na 2 SO 4 ) getrocknet. Die Abtrennung des Trockenmittels kann durch Filtration durch<br />

e<strong>in</strong>en Faltenfilter erfolgen. Da Lösung durch das Trockenmittel festgehalten wird,<br />

muss allerd<strong>in</strong>gs gründlich mit dem Solvens ‚nachgewaschen‘ werden. Am Filterrand<br />

durch Verdunsten des Solvens auskristallisierendes Produkt muss mit Solvens aus e<strong>in</strong>er<br />

Pipette gelöst werden. Wegen des hohen Lösungsmittelverbrauchs ist diese Methode<br />

nur 2. Wahl.<br />

• Die Lösung des Produkts ist nicht klar (Schwebeteilchen, mechanische Verunre<strong>in</strong>igungen,<br />

e<strong>in</strong> schwerlösliches zweites Reaktionsprodukt); man filtriert durch e<strong>in</strong>en Faltenfilter<br />

und wäscht mit wenig Solvens nach.<br />

131


5. Filtration<br />

• Nicht durch Papierfilter filtriert werden können heiße, gesättigte Lösungen e<strong>in</strong>er Verb<strong>in</strong>dung,<br />

aus denen beim Abkühlen während des langsamen Filtrationsvorgangs Produkt<br />

auskristallisiert.<br />

• Fe<strong>in</strong>e Schwebstoffe können die Poren des Filters verstopfen, <strong>der</strong> Filter arbeitet dann<br />

nicht mehr (hier kann die Verwendung von Filterhilfen (siehe unten) weiter helfen).<br />

5.2 Filtration unter verm<strong>in</strong><strong>der</strong>tem Druck<br />

Die langsame Filtrationsgeschw<strong>in</strong>digkeit bei Papierfiltern <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Glastrichter führt bei<br />

vielen Filtrationen zu erheblichen Nachteilen (Verdampfen des Solvens, Verstopfen <strong>der</strong> Filterporen<br />

durch Auskristallisation des Produkts u.a.) Die Standardfiltration <strong>in</strong> <strong>der</strong> präparativen<br />

organischen <strong>Chemie</strong> wird deshalb unter verm<strong>in</strong><strong>der</strong>tem Druck durchgeführt.<br />

Zum E<strong>in</strong>satz kommen meist genormte, massive Porzellantrichter (Abb. 5.2) mit gelochter<br />

Bodenplatte (Büchner-Trichter). Die Normgrößen reichen von 5 cm–20 cm Durchmesser,<br />

die entsprechenden Papierrundfilter s<strong>in</strong>d handelsüblich.<br />

Zur Filtration wird <strong>der</strong> Büchner-Trichter über e<strong>in</strong>en breiten, konischen Gummir<strong>in</strong>g (Guko-<br />

R<strong>in</strong>g) auf e<strong>in</strong>e sog. Absaugflasche aus dickwandigem, vakuumfestem Glas (Abb. 5.2) aufgesetzt.<br />

Der Guko-R<strong>in</strong>g darf nicht zu kle<strong>in</strong> se<strong>in</strong>, da er dann beim Anlagen des Vakuums<br />

‚durchgezogen‘ werden kann und <strong>der</strong> Büchner-Trichter auf die Absaugflasche ‚knallt‘, Bruchgefahr!<br />

An <strong>der</strong> Olive <strong>der</strong> Absaugflasche wird über e<strong>in</strong>e Woulff’sche Flasche e<strong>in</strong> schwacher Unterdruck<br />

(Wasserstrahlvakuum, Belüftungshahn, z. T. geöffnet) angelegt. Der <strong>in</strong> den Büchner-<br />

Trichter e<strong>in</strong>gelegte Papier-Rundfilter wird bei leichtem Unterdruck mit dem verwendeten<br />

Solvens angefeuchtet und auf <strong>der</strong> Filterplatte angedrückt. Das Filtergut wird jetzt unter<br />

schwachen Unterdruck portionsweise auf den Trichter gegeben. Achtung: Bei zu starkem<br />

anfänglichem Unterdruck können die Poren des Filters verstopft werden, die Filtration missl<strong>in</strong>gt.<br />

Über den Absperrhahn stellt man e<strong>in</strong>en Unterdruck e<strong>in</strong>, bei dem die Filtration zügig<br />

abläuft.<br />

Im weiteren Verlauf <strong>der</strong> Filtration kann <strong>der</strong> Unterdruck erhöht werden, gleichzeitig wird <strong>der</strong><br />

‚Filterkuchen‘ mit e<strong>in</strong>em Glasstopfen fest auf den Trichter gedrückt. Auf diese Weise wird<br />

das Solvens weitgehend abgesaugt.<br />

Absaugflaschen sollten durch Anklammern an e<strong>in</strong>em Stativ gegen Umfallen gesichert werden.<br />

Wenn die Lösung e<strong>in</strong>es Produkts <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em leichtflüchtigen Solvens filtriert werden soll, darf<br />

nur mit e<strong>in</strong>em sehr schwachen Unterdruck gearbeitet werden, da ansonsten Solvens abgezogen<br />

wird und auskristallisierendes Produkt den Filter verstopft.<br />

132


5.2 Filtration unter verm<strong>in</strong><strong>der</strong>tem Druck<br />

Lösungen mit fe<strong>in</strong>dispersen Verunre<strong>in</strong>igungen können ebenfalls den Filter verstopfen. Auch<br />

hier empfiehlt sich <strong>der</strong> E<strong>in</strong>satz von Filtrierhilfen (siehe unten).<br />

Abb. 5.2: Büchner-Trichter mit Absaugflasche.<br />

1 Büchnertrichter<br />

2 Lochplatte<br />

3 Guko-R<strong>in</strong>g<br />

4 Absaugflasche<br />

5 Woulff'sche Flasche<br />

6 Absperrhahn<br />

7 Stative<br />

Die Filtration mit Büchner-Trichtern eignet sich für Flüssigkeitsmengen von 50–2000 ml.<br />

Trichter und Absaugflaschen s<strong>in</strong>d <strong>der</strong> Menge des Filtrationsgutes anzupassen. Am Ende <strong>der</strong><br />

Filtration sollte die Absaugflasche maximal zu etwa 2/3 gefüllt se<strong>in</strong>.<br />

E<strong>in</strong>satzmöglichkeiten von Büchner-Trichtern mit Papierfiltern.<br />

In folgenden Fällen empfiehlt sich das Arbeiten mit Büchner-Trichtern:<br />

• Abtrennung von Trockenmitteln aus e<strong>in</strong>er Produktlösung. Durch Anpressen des Trockenmittels<br />

auf dem Trichter (z. B. mit e<strong>in</strong>em Schliffstöpsel o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>em breiten, abgeknickten<br />

Spatel) und Nachwaschen mit dem verwendeten Solvens ist e<strong>in</strong>e quantitative<br />

Isolierung des Produkts möglich.<br />

• Abfiltrieren von schwerlöslichen und unlöslichen Verunre<strong>in</strong>igungen aus e<strong>in</strong>er heißen<br />

Lösung des Produkts (Heißfiltration). Um das Abdestillieren von Solvens und damit<br />

e<strong>in</strong> vorzeitiges Auskristallisieren des Produkts während <strong>der</strong> Filtration zu vermeiden,<br />

darf nur bei schwachen Unterdrucken gearbeitet werden. Zur Vermeidung des vorzeitigen<br />

Auskristallisierens versetzt man die heiß gesättigte Lösung zusätzlich mit etwa<br />

5–10 Volumenteilen heißem Solvens, das entwe<strong>der</strong> schon während des Filtrationsvorganges<br />

wie<strong>der</strong> abgezogen o<strong>der</strong> nach <strong>der</strong> Filtration im schwachen Vakuum abgedampft<br />

wird.<br />

• Isolierung <strong>der</strong> kalten Lösung e<strong>in</strong>es aus e<strong>in</strong>em Solvens auskristallisierten Produkts. Zur<br />

vollständigen Isolierung des Kristallisats spült man den im Kolben verbliebenen Kristallrückstand<br />

mit etwas klarem Filtrat auf den Trichter. Das Filtrat wird auf dem Filter<br />

fest abgedrückt und mit wenig kaltem Solvens nachgewaschen.<br />

• Bei <strong>der</strong> Filtration kle<strong>in</strong>er Lösungsmittelmengen (max. 100 ml) <strong>in</strong> allen drei oben angeführten<br />

Fällen empfiehlt sich auch die Verwendung e<strong>in</strong>es sog. Hirschtrichters aus<br />

Porzellan (Abb. 5.3a).<br />

133


5. Filtration<br />

Abb. 5.3: a) Hirschtrichter, b) Hirschtrichter auf e<strong>in</strong>em geraden Vorstoß mit Gukor<strong>in</strong>g<br />

Der gerade Vorstoß zum Absaugen ist nicht im<br />

Handel erhältlich. Skizze für die Glasbläser auf<br />

<strong>der</strong> Webseite zu den ‚<strong>Arbeitsmethoden</strong>‘.<br />

Zur Aufnahme des Filtrats eignet sich e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e Absaugflasche (anklammern!) o<strong>der</strong> e<strong>in</strong> NS<br />

14.5-Vorlagekolben (Abb. 5.3b). Die zu verwendenden Papierrundfilter (ca. ∅ 2 cm) s<strong>in</strong>d<br />

handelsüblich. Der Filtrationsablauf erfolgt wie oben beim E<strong>in</strong>satz <strong>der</strong> Büchner-Trichter beschrieben.<br />

Glasfilterfritten<br />

Für die Filtration stark saurer, alkalischer o<strong>der</strong> oxidieren<strong>der</strong> Lösungen s<strong>in</strong>d Papierfilter ungeeignet.<br />

In diesem Fall werden Glasfilterfritten (Glasfilternutschen) e<strong>in</strong>gesetzt. Es s<strong>in</strong>d<br />

Büchner- und Hirsch-Trichter, bei denen die gelochten Bodenplatten durch poröse Glasfilter<br />

(Glasfrittenböden) ersetzt s<strong>in</strong>d, die Fritten s<strong>in</strong>d nicht aus Porzellan son<strong>der</strong>n aus Glas. Für die<br />

verschiedenen Filtrationsprobleme s<strong>in</strong>d nachstehende Glasfrittenböden handelsüblich (Tab.<br />

5.1).<br />

Tabelle 5.1: Handelsübliche Glasfrittenböden<br />

Porosität Bezeichnung Porenweite Anwendung<br />

nach ISO 4793 (μm)<br />

00 P 500 250 – 500 Gasverteilung<br />

0 P 250 160 – 250 Gasverteilung, Filtration sehr grober Nie<strong>der</strong>schläge<br />

1 P 160 100 – 250 Filtration grober Nie<strong>der</strong>schläge<br />

2 P 100 40 – 100 Präp. Filtration krist. Nie<strong>der</strong>schläge<br />

3 P 40 16 – 40 Präp. Filtration fe<strong>in</strong>er Nie<strong>der</strong>schläge<br />

4 P 16 10 – 16 Analytische Fe<strong>in</strong>filtration<br />

5 P 1.6 1.0 – 1.6 Bakterienfiltration, Sterilfiltration<br />

Problematisch beim E<strong>in</strong>satz von Glasfritten ist ihre Re<strong>in</strong>igung. Wenn Lösungen mit schwerund<br />

unlöslichen Verunre<strong>in</strong>igungen mit Glasfritten filtriert werden, ist die Re<strong>in</strong>igung <strong>der</strong> Fritten<br />

problematisch. In den schwierigsten Fällen muss mit heißer Chromschwefelsäure gere<strong>in</strong>igt<br />

werden. Wenn möglich, sollte hier mit Büchner-Trichtern und Papierfiltern gearbeitet werden.<br />

Vorteilhaft ist häufig die Verwendung des sog. Witt'schen Topfes (Abb. 5.4a). Der Witt'sche<br />

Topf besitzt e<strong>in</strong>en Planschliffdeckel. Im unteren Teil ist das Auffanggefäß (z.B. Rundkolben).<br />

Durch Korkr<strong>in</strong>ge o<strong>der</strong> Holzplättchen kann die Höhe so justiert werden, dass <strong>der</strong> Auslauf des<br />

Filters <strong>in</strong> die Vorlage reicht. Durch e<strong>in</strong>e seitliche Olive kann <strong>der</strong> notwendige Unterdruck angelegt<br />

werden.<br />

134


5.3 Filtration unter Überdruck<br />

Abb. 5.4: a) Witt'scher Topf, b) Allihn’sches Rohr<br />

Für die Isolierung ger<strong>in</strong>ger Substanzmengen <strong>in</strong> größeren Solvensvolum<strong>in</strong>a (ca. 50 ml) (siehe<br />

Kap. 6, Umkristallisation) eignen sich Glasfilterfritten aus dickwandigem Glas, sog. Allihn’sche<br />

Rohre mit Glasfritten von 1–2 cm Durchmesser (Abb. 5.4b). Trotz größerer Solvensvolum<strong>in</strong>a<br />

können ger<strong>in</strong>ge Substanzmengen auf e<strong>in</strong>er kle<strong>in</strong>en Glasfritte gesammelt werden.<br />

Im Allihn’schen Rohr kann auch durch Anlegen von Überdruck filtriert werden (siehe<br />

unten).<br />

5.3 Filtration mit Überdruck<br />

Die Druckfiltration dreht das Pr<strong>in</strong>zip <strong>der</strong> Vakuumfiltration um. Hier wird die zu filtrierende<br />

Flüssigkeit unter Druck durch das Filter gepresst, während das Filtrat unter Normaldruck<br />

bleibt. Durch diese Technik ist die Filtration mit leichtflüchtigen Lösungsmittel weniger<br />

problematisch, nachteilig ist <strong>der</strong> apparative Aufwand zur Druckerzeugung. Mittlerweile s<strong>in</strong>d<br />

allerd<strong>in</strong>gs vollständige Druckfiltrationsanlagen im Laborfachhandel erhältlich.<br />

In <strong>der</strong> Laborpraxis s<strong>in</strong>d zwei e<strong>in</strong>fache Varianten üblich:<br />

E<strong>in</strong> Allihn'sches Rohr wird mit <strong>der</strong> zu filtrierenden Flüssigkeit gefüllt. Anschließend wird<br />

über e<strong>in</strong>en Gummistopfen e<strong>in</strong> Handgebläse aufgesetzt und damit e<strong>in</strong> leichter Überdruck erzeugt<br />

(Abb. 5.5a). Wenn e<strong>in</strong>e Stickstoff- o<strong>der</strong> Pressluftversorgungsleitung vorhanden ist,<br />

kann sie unter Zwischenschalten e<strong>in</strong>es Druckm<strong>in</strong><strong>der</strong>ers ebenfalls zur Druckfiltration verwendet<br />

werden. In jedem Fall ist darauf zu achten, dass das Filterohr für den angewandeten Druck<br />

geeignet ist!<br />

135


5. Filtration<br />

Abb. 5.5: a) Druckfiltration mit<br />

Handgebläse und b) Spritzenfilter.<br />

Um kle<strong>in</strong>e Volum<strong>in</strong>a von Lösungen zu klären,<br />

kann man Spritzen mit aufgestecktem Filter zur<br />

Druckfiltration e<strong>in</strong>setzen: Dazu wird die zu filtrierende<br />

Flüssigkeit <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Spritze aufgesaugt. Dann<br />

wird e<strong>in</strong> Spritzenfilter aufgesetzt und die Flüssigkeit<br />

wie<strong>der</strong> aus <strong>der</strong> Spritze gedrückt (Abb. 5.5b).<br />

Dabei ist darauf zu achten, dass <strong>der</strong> Filter nicht<br />

durch zu hohen Druck abspr<strong>in</strong>gt. Bewährt haben<br />

sich Spritzen und Vorsatzfilter mit Schraubverb<strong>in</strong>dung<br />

(Luer-Lock-Anschluss). Diese Methode ist<br />

<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e zur Fe<strong>in</strong>filtration von Probenlösungen<br />

mit Membranfiltern geeignet, wenn Schwebstoffe<br />

das Gerät gefährden o<strong>der</strong> schlechte Messwerte<br />

verursachen können (z.B. HPLC- o<strong>der</strong><br />

NMR-Proben).<br />

Behelfsweise kann auch e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>er Wattebausch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Tropfpipette verwendet werden. Die<br />

Pipette wird mit <strong>der</strong> zu filtrierenden Suspension gefüllt. Mit e<strong>in</strong>em Handgebläse o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>em<br />

Pipettenhütchen wird <strong>der</strong> nötige Druck erzeugt (siehe auch Kapitel 6.4). Das Filtrationsergebnis<br />

kann verbessert werden, wenn <strong>der</strong> Wattebausch zusätzlich mit etwas Kieselgur (Celite)<br />

überschichtet wird.<br />

5.4 Filtrierhilfsmittel<br />

Manche Suspensionen lassen sich nur schwer filtrieren: das Filter verstopft durch sehr fe<strong>in</strong>e<br />

Feststoffanteile, verklebt durch teerartige Bestandteile o<strong>der</strong> das Filtrat läuft trüb durch das<br />

Filter. Wenn nur das Filtrat benötigt wird, kann die Verwendung von Filtrierhilfsmitteln von<br />

Vorteil se<strong>in</strong>.<br />

Häufig verwendete Filtrierhilfsmittel s<strong>in</strong>d Celluloseflocken, Kieselgur (Celite) o<strong>der</strong> Aktivkohle.<br />

Welche dieser Filtrierhilfen geeignet ist, hängt vom jeweiligen Problem ab.<br />

Bei trüben Filtraten und durch fe<strong>in</strong>e Feststoffe verstopfenden Filtern gel<strong>in</strong>gt die Filtration<br />

meist durch Zusatz von Celluloseflocken o<strong>der</strong> Kieselgur. Man kann zwei Methoden e<strong>in</strong>setzen:<br />

• Das Filtrierhilfsmittel wird <strong>in</strong> die zu filtrierende Lösung e<strong>in</strong>gerührt. Anschließend wird<br />

normal abfiltriert (vorzugsweise bei Unterdruck).<br />

• Das Filtrierhilfsmittel wird mit dem re<strong>in</strong>en Lösungsmittel <strong>der</strong> zu filtrierenden Suspension<br />

angerührt und bei schwachem Unterdruck als 1–3 cm dicke Schicht auf das Filter e<strong>in</strong>es<br />

Büchnertrichters aufgeschlämmt. Danach kann wie gewohnt filtriert werden, wobei beim<br />

Aufbr<strong>in</strong>gen des Filtrationsgutes das Filtrierhilfsmittel nicht aufgewirbelt werden darf.<br />

136


5.5 Filtration durch Zentrifugieren<br />

Teerartige Verunre<strong>in</strong>igungen <strong>in</strong> polaren Lösungsmitteln wie z.B. Wasser o<strong>der</strong> Alkohol<br />

(häufig oligomere o<strong>der</strong> polymere Nebenprodukte <strong>in</strong> Reaktionsmischungen) können <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Regel an Aktivkohle gebunden und dann abfiltriert werden. Dazu rührt man Aktivkohle <strong>in</strong> die<br />

zu filtrierende Suspension e<strong>in</strong>. Gekörnte Aktivkohle ist leichter hand zu haben, aber weniger<br />

aktiv als gepulverte Aktivkohle. Anschließend wird – wie oben beschrieben – über e<strong>in</strong>e ca. 1<br />

cm dicke Schicht Kieselgur abgesaugt.<br />

Achtung: Bei <strong>der</strong> Zugabe von Aktivkohle können heiße Lösungen durch die Aufhebung<br />

von Siedeverzügen heftig aufsieden. Brandgefahr! Oxidationsempf<strong>in</strong>dliche Substanzen<br />

können <strong>in</strong> Gegenwart von Aktivkohle durch Luftsauerstoff leichter oxidiert werden.<br />

Alle Verfahren basieren auf <strong>der</strong> Adsorption an <strong>der</strong> Oberfläche des Filtrierhilfsmittels. Es<br />

muss sichergestellt werden, dass das zu re<strong>in</strong>igende Produkt nicht ebenfalls adsorbiert wird.<br />

Um Ausbeuteverluste zu vermeiden, sollte die Menge an Filtrierhilfsmittel möglichst knapp<br />

bemessen werden. Der Filterrückstand muss <strong>in</strong> jedem Fall gut nachgewaschen werden, um<br />

Ausbeuteverluste zu vermeiden.<br />

5.5 Filtration durch Zentrifugieren<br />

Beson<strong>der</strong>s fe<strong>in</strong>e, auch schmierige, klebrige, harzige, schwer o<strong>der</strong> gar nicht filtrierbare, unlösliche<br />

Verunre<strong>in</strong>igungen lassen sich häufig effektiv durch Zentrifugation abtrennen.<br />

Zum Zentrifugieren eignen sich <strong>in</strong> diesen Fällen e<strong>in</strong>fache Labor-Tischzentrifugen mit vier<br />

Zentrifugengläsern und bis zu 15000 Umdrehungen/m<strong>in</strong> bzw. e<strong>in</strong>er Beschleunigung von bis<br />

zu 3000 g. Die dickwandigen Zentrifugengläser haben e<strong>in</strong> Fassungsvermögen von 100 ml, mit<br />

beson<strong>der</strong>en E<strong>in</strong>sätzen lassen sich stattdessen auch jeweils vier 20 ml Zentrifugengläser <strong>in</strong> die<br />

Rotoren e<strong>in</strong>setzen.<br />

Die gefüllten Zentrifugengläser müssen paarweise gegenüber mit e<strong>in</strong>er speziellen, e<strong>in</strong>fachen<br />

Waage exakt austariert werden. Die Dauer des Zentrifugierens und die Drehgeschw<strong>in</strong>digkeit<br />

s<strong>in</strong>d abhängig von <strong>der</strong> Natur <strong>der</strong> Verunre<strong>in</strong>igungen, sie müssen <strong>in</strong> jedem Fall problemorientiert<br />

<strong>in</strong>dividuell ermittelt werden. Die nach dem Zentrifugieren überstehende klare Lösung<br />

kann durch e<strong>in</strong>faches Dekantieren isoliert werden.<br />

Umgekehrt lassen sich auch fe<strong>in</strong>e Produktnie<strong>der</strong>schläge durch Zentrifugieren isolieren. Aus<br />

<strong>der</strong> zentrifugierten Lösung lässt sich durch e<strong>in</strong>faches Dekantieren des überstehenden Solvens<br />

das Produkt als Bodensatz isolieren.<br />

Ger<strong>in</strong>ge Mengen Substanz <strong>in</strong> größeren Solvensmengen lassen sich durch portionsweises<br />

Zentrifugieren im gleichen Zentrifugenglas quantitativ isolieren.<br />

137


5. Filtration<br />

138


Kapitel 6<br />

Umkristallisation<br />

6.1 Allgeme<strong>in</strong>es Pr<strong>in</strong>zip <strong>der</strong> Umkristallisation<br />

6.2 Umkristallisation im Makromaßstab<br />

6.3 Umkristallisation im Halbmikromaßstab<br />

6.4 Umkristallisation im Mikromaßstab<br />

6.5 Umkristallisation unbekannter Substanzen<br />

Achtung: Vor dem Studium <strong>der</strong> Umkristallisation muss<br />

Kap. 5, Filtration durchgearbeitet werden.<br />

139


6. Umkristallisation<br />

6.1 Allgeme<strong>in</strong>es Pr<strong>in</strong>zip <strong>der</strong> Umkristallisation<br />

Unter Umkristallisation versteht man das Auflösen e<strong>in</strong>er Verb<strong>in</strong>dung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em geeigneten<br />

Lösungsmittel <strong>in</strong> <strong>der</strong> Hitze und die anschließende Auskristallisation <strong>der</strong> Verb<strong>in</strong>dung aus <strong>der</strong><br />

gesättigten Lösung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kälte. Die Löslichkeit <strong>der</strong> Verb<strong>in</strong>dung muss also e<strong>in</strong>en großen<br />

Temperaturgradienten <strong>in</strong> dem zur Umkristallisation verwendeten Solvens aufweisen. Voraussetzung<br />

ist natürlich, dass die Verb<strong>in</strong>dung überhaupt kristall<strong>in</strong> ist.<br />

Ziel <strong>der</strong> Umkristallisation ist meist die Re<strong>in</strong>igung e<strong>in</strong>es kristall<strong>in</strong>en Rohproduktes, d.h. die<br />

Abtrennung von<br />

• mechanischen Verunre<strong>in</strong>igungen (Filterpapier, Siedeste<strong>in</strong>chen usw.).<br />

• chemischen Verunre<strong>in</strong>igungen (Nebenprodukte <strong>der</strong> Synthese, harzige und schmierige<br />

Produkte, stark färbende Verunre<strong>in</strong>igungen usw.).<br />

• Mechanische Verunre<strong>in</strong>igungen lassen sich relativ leicht durch Heißfiltration entfernen.<br />

Chemische Verunre<strong>in</strong>igungen können ebenfalls durch Heißfiltration abgetrennt werden,<br />

wenn sie <strong>in</strong> dem entsprechenden heißen Solvens unlöslich s<strong>in</strong>d. Unter Umständen müssen<br />

hier Filtrierhilfen, z. B. Aktivkohle e<strong>in</strong>gesetzt werden.<br />

• Umgekehrt gel<strong>in</strong>gt es, chemische Verunre<strong>in</strong>igungen abzutrennen, wenn sie sich <strong>in</strong> dem zur<br />

Umkristallisation verwendeten Solvens sehr leicht lösen und <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kälte nicht mehr auskristallisieren.<br />

Die Kristallisation wie auch die Umkristallisation s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> ‚Kunsthandwerk‘, für dessen Beherrschung<br />

e<strong>in</strong>e lange Erfahrung vonnöten ist. Am wichtigsten ist die Wahl des geeigneten<br />

Solvens, das die obigen Bed<strong>in</strong>gungen erfüllt und im Idealfall e<strong>in</strong>e nahezu quantitative Auskristallisation<br />

des Produkts bei e<strong>in</strong>em hohen Re<strong>in</strong>igungseffekt ermöglicht (siehe Kap. 6.4).<br />

Das Pr<strong>in</strong>zip <strong>der</strong> Umkristallisation lässt sich am Beispiel <strong>der</strong> Benzoesäure aufzeigen. In<br />

kaltem Wasser löst sich Benzoesäure praktisch nicht (1.70 g/l bei 0 °C), <strong>in</strong> siedendem Wasser<br />

löst sie sich gut (68.0 g/l bei 95 °C). 68.0 g Benzoesäure <strong>in</strong> 1 Liter Wasser gehen beim Erhitzen<br />

langsam <strong>in</strong> Lösung, bis sich <strong>in</strong> siedendem Wasser e<strong>in</strong>e klare Lösung bildet (Abb. 6.1 (1)).<br />

In <strong>der</strong> Kälte (Kühlschrank, Eisbad) kristallisiert die Benzoesäure <strong>in</strong> schönen, farblosen Nadeln<br />

aus (Abb. 6.1 (2)). Die Filtration über e<strong>in</strong>en Büchertrichter (3) liefert nach dem Trocknen<br />

66.3 g Benzoesäure (4), 1.7 g verbleiben im Filtrat (5) (Mutterlauge).<br />

Da es sich bei Wasser und Benzoesäure um nicht brennbare und ungiftige Substanzen handelt,<br />

kann im offenen Gefäß (Erlenmeyerkolben) gearbeitet werden. Der Erlenmeyerkolben sollte<br />

maximal bis zur Hälfte gefüllt se<strong>in</strong> (im vorliegenden Fall muss also aus e<strong>in</strong>em 2 l-Erlenmeyerkolben<br />

umkristallisiert werden).<br />

140


6.1 Allgeme<strong>in</strong>es Pr<strong>in</strong>zip <strong>der</strong> Umkristallisation<br />

Abb. 6.1: Umkristallisation von Benzoesäure<br />

An diesem Beispiel werden die e<strong>in</strong>zelnen Arbeitsgänge <strong>der</strong> Umkristallisation deutlich:<br />

• Auflösen <strong>der</strong> Substanz <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em geeigneten Solvens (im Normalfall <strong>in</strong> <strong>der</strong> Siedehitze) (1)<br />

• Auskristallisation <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kälte (2)<br />

• Isolierung des Kristallisats (3)<br />

• Trocknung des Kristallisats (4)<br />

• Re<strong>in</strong>heitskontrolle und Ausbeutebestimmung<br />

• Mutterlauge (zunächst aufbewahren) (5)<br />

Die Heißfiltration ist nur dann erfor<strong>der</strong>lich, wenn die Lösung des Produktes nicht klar ist<br />

(mechanische Verunre<strong>in</strong>igungen, unlösliche Nebenprodukte, Harze usw.); sie stellt e<strong>in</strong>en <strong>der</strong><br />

schwierigsten Schritte <strong>der</strong> Umkristallisation dar und wird <strong>in</strong> Kap. 6.2 ausführlich behandelt.<br />

Entscheidend für den Erfolg <strong>der</strong> Umkristallisation ist die Auswahl des geeigneten Lösungsmittels<br />

und die Verwendung <strong>der</strong> gerade ausreichenden Menge an Solvens. Zuviel Lösungsmittel<br />

führt zu Verlusten, zuwenig Lösungsmittel liefert verunre<strong>in</strong>igte Produkte.<br />

Ist das geeignete Solvens und die benötigte Menge nicht bekannt, müssen vor <strong>der</strong> Umkristallisation<br />

Vorproben durchgeführt werden (siehe Kap. 6.5).<br />

6.2 Umkristallisation im Makromaßstab<br />

Unter Makromaßstab versteht man das Arbeiten mit größeren Mengen Substanz (ca. 3 g bis<br />

mehrere 100 g). Diese Mengen erlauben e<strong>in</strong> bequemes Arbeiten mit den üblichen Standardapparaturen<br />

(siehe Kap. 5, Filtration). Im Folgenden werden die e<strong>in</strong>zelnen Arbeitsschritte <strong>der</strong><br />

Umkristallisation beschrieben:<br />

Lösen <strong>der</strong> Substanz<br />

Die Standardapparatur ist e<strong>in</strong>e Schliffapparatur mit Rundkolben und aufgesetztem Rückflusskühler<br />

mit Heizbad auf e<strong>in</strong>er Laborhebebühne und Heizbadbadthermometer (Abb. 6.2).<br />

141


6. Umkristallisation<br />

Der Kolben (1) mit <strong>der</strong> e<strong>in</strong>gewogenen umzukristallisierenden Substanz wird an e<strong>in</strong>er Stativstange<br />

(6) fest geklammert. Die Höhe ist so zu wählen, dass das Heizbad bei heruntergefahrener<br />

Hebebühne entfernt werden kann.<br />

Die Größe des Kolbens (1) sollte so gewählt werden, dass er mit <strong>der</strong> benötigten Lösungsmittelmenge<br />

knapp zur Hälfte gefüllt ist.<br />

Um Siedeverzüge beim Erhitzen zu verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n, wird mit e<strong>in</strong>em Magnetrührstab gerührt, danach<br />

wird <strong>der</strong> Rückflusskühler (2) aufgesetzt und locker geklammert. Die Wasserschläuche<br />

werden angeschlossen, mit Klemmen gesichert und auf Dichtigkeit überprüft.<br />

Das benötigte Lösungsmittel wird bereitgestellt. Dazu misst man die voraussichtlich benötigte<br />

Lösungsmittelmenge <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Messzyl<strong>in</strong><strong>der</strong> ab und notiert die Menge. Dadurch kann man<br />

später auf das tatsächlich verbrauchte Lösungsmittelvolumen zurückrechnen.<br />

Abb. 6.2: Standardapparatur zur<br />

Umkristallisation<br />

Auf die obere Schlifföffnung des Rückflusskühlers<br />

wird nun e<strong>in</strong> Trichter (3) gesetzt und etwa<br />

70 bis 80% des voraussichtlich benötigten Lösungsmittels<br />

e<strong>in</strong>gefüllt. Der Kolben soll <strong>in</strong> das<br />

Ölbad (4) bis knapp unter das Lösungsmittelniveau<br />

e<strong>in</strong>tauchen. Danach wird langsam unter<br />

(nicht zu heftigem) Rühren zum Sieden erhitzt.<br />

Zur Kontrolle <strong>der</strong> Heizbadtemperatur wird noch<br />

e<strong>in</strong> Badthermometer (5) e<strong>in</strong>gesetzt.<br />

Wenn sich nach 10–15 M<strong>in</strong>uten Sieden die Substanz<br />

noch nicht vollständig gelöst hat, gibt man<br />

über den Trichter portionsweise weiteres Solvens<br />

zu. Nach den e<strong>in</strong>zelnen Zugaben sollte<br />

jeweils 10–15 M<strong>in</strong>uten unter Rückfluss gekocht<br />

werden. Organische Substanzen lösen sich<br />

häufig nur sehr langsam, dadurch gibt man<br />

sehr schnell zu viel Lösungsmittel zu. Aus den<br />

verdünnten Lösungen kristallisiert das Produkt<br />

dann gar nicht mehr o<strong>der</strong> mit schlechten Ausbeuten!<br />

Wenn e<strong>in</strong>e klare Lösung vorliegt, wird das Heizbad abgeschaltet und heruntergefahren. Um<br />

Verbrennungen mit heißem Öl zu vermeiden, lässt man das Heizbad am besten zum Abkühlen<br />

unter <strong>der</strong> Apparatur stehen. Die Wasserkühlung bleibt angestellt!<br />

142


6.2 Umkristallisation im Makromaßstab<br />

Wenn sich noch ungelöstes Produkt auch bei Zugabe von weiterem Solvens nicht mehr löst,<br />

liegt wahrsche<strong>in</strong>lich e<strong>in</strong>e schwerlösliche Verunre<strong>in</strong>igung vor. Bei weiterer Zugabe von Solvens<br />

würde die gesättigte Lösung verdünnt und die Ausbeute an auskristallisierendem Produkt<br />

reduziert. In diesem Fall muss die schwerlösliche Verunre<strong>in</strong>igung durch Heißfiltration<br />

abgetrennt werden.<br />

Heißfiltration<br />

Die Heißfiltration dient <strong>der</strong> Entfernung von schwerlöslichen Verunre<strong>in</strong>igungen aus heißen,<br />

gesättigten Lösungen. Die Schwierigkeit besteht dar<strong>in</strong>, das Kristallisieren <strong>der</strong> Substanz während<br />

<strong>der</strong> Filtration zu verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n. Dadurch würde <strong>der</strong> Filter verstopft und die weitere Filtration<br />

letztlich verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t. Im schlimmsten Fall müsste das Produkt durch Auflösen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

geeigneten Solvens ‚zusammengespült‘ werden, um die Umkristallisation zu wie<strong>der</strong>holen.<br />

Wie lässt sich dieses Problem vermeiden?<br />

• Die apparative Anordnung muss e<strong>in</strong>e schnelle Filtration erlauben.<br />

• Der zur Filtration angewandete Unterdruck darf nicht zu Solvensverlusten führen.<br />

• Man gibt zur heißen gesättigten Lösung noch etwas Solvens (5–10 Volumenprozent), so<br />

dass e<strong>in</strong>e spontane Kristallisation unterbleibt. Bei <strong>der</strong> Filtration unter Unterdruck wird<br />

das überschüssige heiße Solvens wie<strong>der</strong> abgezogen (siehe auch Kapitel 5.2).<br />

Im e<strong>in</strong>fachsten Fall – bei kle<strong>in</strong>en Solvensmengen – kann über e<strong>in</strong>en Faltenfilter <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en<br />

Enghals-Erlenmeyerkolben filtriert werden. Der Erlenmeyerkolben sollte durch das Filtrat zu<br />

etwa 3/4 gefüllt werden, dadurch wird e<strong>in</strong> günstigeres Oberfläche/Volumen-Verhältnis<br />

erreicht und die Verdunstung verr<strong>in</strong>gert. Der Trichter sollte e<strong>in</strong>en möglichst dicken, kurzen<br />

Auslauf besitzen, dadurch wird e<strong>in</strong> Verstopfen verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t. Trichter und Erlenmeyerkolben<br />

müssen vorgewärmt werden (Trockenschrank), <strong>der</strong> Erlenmeyerkolben wird auf e<strong>in</strong>e<br />

wärmeisolierende Unterlage (z. B. Korkplatte) gestellt.<br />

Erst wenn alles zur Filtration bereitsteht wird das Heizbad von <strong>der</strong> Umkristallisationsapparatur<br />

entfernt. Man wartet noch das Ende des Rückflusses ab, dann entfernt man den Rückflusskühler<br />

und nimmt den heißen Kolben an <strong>der</strong> Klammer vom Stativ. Dadurch vermeidet man<br />

Verbrennungen o<strong>der</strong> Verbrühungen durch den heißen Kolben o<strong>der</strong> den Inhalt.<br />

Die heiße Lösung wird portionsweise <strong>in</strong> den mit Lösungsmittel angefeuchteten Filter gegeben;<br />

<strong>der</strong> Filter wird dazwischen immer wie<strong>der</strong> mit e<strong>in</strong>em Uhrglas abgedeckt. Nach beendeter<br />

Filtration verschließt man den Erlenmeyerkolben lose mit e<strong>in</strong>em Stopfen o<strong>der</strong> deckt mit<br />

e<strong>in</strong>em Uhrglas ab und lässt das Filtrat langsam abkühlen.<br />

In den meisten Fällen ist die Filtration über e<strong>in</strong>en Hirschtrichter o<strong>der</strong> e<strong>in</strong> Allihn’sches Rohr<br />

vorzuziehen.<br />

143


6. Umkristallisation<br />

Größere Lösungsmengen filtriert man über e<strong>in</strong>en Büchnertrichter o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e Glasfilternutsche<br />

(Porosität 3) mit Absaugflasche und Gummidichtungsr<strong>in</strong>g (Gukor<strong>in</strong>g). Zur apparativen<br />

Anordnung siehe Kap. 5.2 (Abb. 5.2). Auch hier muss möglichst rasch mit vorgewärmten<br />

Geräten gearbeitet werden. Es darf nur e<strong>in</strong> sehr schwacher Unterdruck angelegt werden<br />

(Vakuumabsperrhahn nur ganz kurz öffnen!). Bei zu starkem Unterdruck verdampft Lösungsmittel,<br />

das Filter verstopft durch Kristallisat. Im Übrigen verfährt man wie oben beschrieben.<br />

Kristallisation<br />

Beim Abkühlen <strong>der</strong> Lösung kristallisiert das Produkt aus. Zur Vervollständigung <strong>der</strong> Kristallisation<br />

stellt man die erkaltete Lösung im verschlossenen Kolben <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Eisbad (Kolben anklammern!)<br />

o<strong>der</strong> lässt über Nacht im Kühlschrank stehen. Durch die tieferen Temperaturen<br />

kristallisiert noch mehr Produkt aus. Die Temperatur darf aber nicht zur Kristallisation des<br />

Lösungsmittels führen (z. B. Cyclohexan, Schmp. 6 °C).<br />

Die Re<strong>in</strong>heit des Kristallisats ist erfahrungsgemäß am größten, wenn Kristalle mittlerer<br />

Größe (1–5 mm) aus <strong>der</strong> Lösung auskristallisieren.<br />

Zu kle<strong>in</strong>e Kristalle adsorbieren an ihrer Oberfläche leicht Verunre<strong>in</strong>igungen; sie entstehen bei<br />

zu rascher Kristallisation durch schnelles Abkühlen. Zu große Kristalle schließen oft Lösungsmittel<br />

e<strong>in</strong>; sie entstehen bei sehr langsamer Kristallisation.<br />

Für die Kristallisation leiten sich daraus folgende Regeln ab:<br />

• Lösungen zur Kristallisation sollten nur langsam abgekühlt werden.<br />

• Falls sich beim Heißfiltrieren an <strong>der</strong> Glaswand des Erlenmeyer-Kolbens bzw. <strong>der</strong><br />

Absaugflasche bereits Kristalle abgeschieden haben, erhitzt man nochmals vorsichtig, bis<br />

wie<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e klare Lösung vorliegt.<br />

• Wenn sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lösung auch bei Raumtemperatur noch ke<strong>in</strong>e Kristalle gebildet haben,<br />

leitet man die Kristallisation e<strong>in</strong>. Dies geschieht durch ‚Animpfen‘ (man verreibt e<strong>in</strong>ige<br />

Kristalle des kristall<strong>in</strong>en Rohprodukts o<strong>der</strong> bei Vorproben erhaltener Kristalle an <strong>der</strong><br />

Glaswand <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lösung) o<strong>der</strong> durch ‚Anreiben‘ (Reiben an <strong>der</strong> Glaswand<strong>in</strong>nenseite des<br />

Gefäßes <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lösung mit e<strong>in</strong>em Spatel o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>em Glasstab). In beiden Fällen wird die<br />

Zahl <strong>der</strong> Kristallkeime erhöht.<br />

Die Kristallisationgeschw<strong>in</strong>digkeit kann stark schwanken und M<strong>in</strong>uten, Stunden o<strong>der</strong> sogar<br />

Tage betragen. Beobachtungen bei den Vorproben helfen, die benötigte Zeit abzuschätzen.<br />

Faustregel:<br />

Die Kristallkeimbildung erfolgt etwa 100 °C unterhalb des Schmelzpunktes <strong>der</strong><br />

Substanz am schnellsten, das Kristallwachstum etwa 30–50 °C unterhalb des<br />

Schmelzpunkts.<br />

144


6.2 Umkristallisation im Makromaßstab<br />

Schwierigkeiten bei <strong>der</strong> Kristallisation:<br />

• Bei niedrigen Schmelzpunkten kann sich beim Abkühlen <strong>der</strong> Lösung die Substanz unter<br />

Umständen ölig abscheiden. In diesen Fällen nimmt die Löslichkeit <strong>der</strong> Substanz im Lösungsmittel<br />

rascher ab als sie kristallisiert. Diese Schwierigkeit lässt sich häufig beheben,<br />

wenn man die sich abkühlende Lösung zum richtigen Zeitpunkt animpft o<strong>der</strong> anreibt.<br />

• E<strong>in</strong>geschlepptes Schlifffett (Silikonfett!) kann gerade bei kle<strong>in</strong>en Mengen die Kristallisation<br />

verzögern o<strong>der</strong> zu schmierigen Nie<strong>der</strong>schlägen führen. Deshalb sollten Schliffgeräte<br />

zur Umkristallisation nur wenig am oberen Rand gefettet werden. Wenn es die Löslichkeit<br />

erlaubt, nimmt man das Produkt zunächst <strong>in</strong> Ethanol auf (Silikonfette s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> Ethanol unlöslich),<br />

filtriert und zieht das Solvens wie<strong>der</strong> ab.<br />

• Wenn auch nach dem Abkühlen, Animpfen o<strong>der</strong> Anreiben ke<strong>in</strong>e Kristallisation e<strong>in</strong>tritt<br />

wurde vermutlich zu viel Lösungsmittel verwendet. Durch E<strong>in</strong>engen <strong>der</strong> Lösung (z. B. am<br />

Rotationsverdampfer) kann man die Kristallisation unter Umständen doch noch erreichen.<br />

Isolierung des Kristallisats<br />

Das umkristallisierte Produkt wird durch Filtration bei verm<strong>in</strong><strong>der</strong>tem Druck von <strong>der</strong> überstehenden<br />

kalten Lösung (‚Mutterlauge‘) abgetrennt. Die Wahl <strong>der</strong> Trichter und Nutschen wird<br />

durch die Menge des Kristallisats bestimmt (nicht von <strong>der</strong> Menge <strong>der</strong> Mutterlauge!).<br />

Bei <strong>der</strong> Verwendung von Hirsch- o<strong>der</strong> Büchner-Trichtern muss das e<strong>in</strong>gelegte Rundfilter exakt<br />

auf <strong>der</strong> Filterplatte aufliegen, da sonst Produkt <strong>in</strong> das Filtrat gelangt. Dies erreicht man<br />

durch Anfeuchten des Filters mit dem zur Kristallisation benutzten Solvens bei schwachem<br />

Unterdruck (siehe auch Kap. 5.2).<br />

Die Mutterlauge wird zunächst nicht verworfen, son<strong>der</strong>n <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em geschlossenen, beschrifteten<br />

Gefäß aufbewahrt. Wenn die Ausbeute an Kristallisat zu ger<strong>in</strong>g ist, muss die Mutterlauge<br />

unter Umständen aufgearbeitet werden (siehe unten).<br />

Das Kristallisat überführt man möglichst vollständig aus dem Kolben auf das Filter (e<strong>in</strong> gebogener<br />

Spatel ist hier sehr hilfreich). Die im Kolben verbliebenen Kristalle können mit wenig<br />

kalter Mutterlauge auf den Filter gespült werden. Man saugt sofort scharf ab, auf ke<strong>in</strong>en<br />

Fall darf man das Lösungsmittel abdunsten lassen, da hierdurch das re<strong>in</strong>e Kristallisat durch<br />

Rückstände <strong>in</strong> <strong>der</strong> Mutterlauge wie<strong>der</strong> verunre<strong>in</strong>igt wird.<br />

Das abgesaugte Kristallisat wird mit wenig kaltem Lösungsmittel nachgewaschen. Um den<br />

Ausbeuteverlust bei gutem Wascheffekt möglichst ger<strong>in</strong>g zu halten, wäscht man 2–3 mal mit<br />

wenig kaltem Lösungsmittel, statt e<strong>in</strong>mal mit e<strong>in</strong>er größeren Menge. Nach jedem Waschvorgang<br />

wird belüftet. Größere Mengen an Kristallisat arbeitet man mit dem kalten Solvens mit<br />

dem Spatel gründlich durch (dabei aber darauf achten, dass <strong>der</strong> Filter nicht durchstoßen<br />

wird!). Zum Schluss wird scharf abgesaugt und das Kristallisat dabei mit e<strong>in</strong>em abgebogenen,<br />

breiten Spatel o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>em umgekehrten Glasstopfen festgedrückt.<br />

145


6. Umkristallisation<br />

Hochsiedende o<strong>der</strong> polare Lösungsmittel z.B. Pyrid<strong>in</strong> o<strong>der</strong> Eisessig werden oft von den Kristallen<br />

festgehalten. In diesen Fällen wäscht man das Kristallisat noch e<strong>in</strong>ige Male mit e<strong>in</strong>em<br />

Solvens, <strong>in</strong> dem das Kristallisat unlöslich ist, das sich aber mit dem zur Umkristallisation benutzten<br />

Lösungsmittel (Pyrid<strong>in</strong>, Eisessig) mischt.<br />

Trocknung des Kristallisats – Ausbeutebestimmung<br />

Die abgesaugten und gewaschenen Kristalle werden <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e tarierte Schale überführt und im<br />

Exsikkator im Vakuum über e<strong>in</strong>em geeigneten Trockenmittel bis zur Gewichtskonstanz<br />

getrocknet. Kle<strong>in</strong>ere Mengen belässt man am besten im Allihn'schen Rohr o<strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Mikrofilternutsche<br />

(vor dem Absaugen tarieren) und trocknet direkt im Exsikkator.<br />

Hierauf werden Ausbeute (bezogen auf das zur Umkristallisation e<strong>in</strong>gesetzte Produkt),<br />

Schmelzpunkt des Kristallisats und Aussehen und Farbe <strong>der</strong> Kristalle (im Vergleich zum<br />

e<strong>in</strong>gesetzten Rohprodukt) registriert. Soweit möglich werden den beobachteten Werten die<br />

Literaturwerte gegenübergestellt.<br />

E<strong>in</strong>e Umkristallisation ohne diese Angaben erlaubt ke<strong>in</strong>e Erfolgskontrolle!<br />

Wenn sowohl die Re<strong>in</strong>heit <strong>der</strong> Verb<strong>in</strong>dung als auch die Ausbeute bei <strong>der</strong> Umkristallisation<br />

zufrieden stellend s<strong>in</strong>d, kann die Mutterlauge verworfen werden. Bei zu ger<strong>in</strong>ger Ausbeute<br />

muss sie weiter aufgearbeitet werden (E<strong>in</strong>engen, nochmalige Kristallisation usw.). Ist die<br />

Re<strong>in</strong>heit nicht zufrieden stellend, muss e<strong>in</strong> weiteres Mal, eventuell aus e<strong>in</strong>em an<strong>der</strong>en Lösungsmittel,<br />

umkristallisiert werden.<br />

Beispiele zur Protokollführung bei <strong>der</strong> Umkristallisation:<br />

1. Beispiel:<br />

Rohprodukt: 8.90 g, brauner Feststoff, Schmp. 105–117 °C.<br />

Umkristallisation aus 54 ml siedendem Ethanol (96%), Trocknen im Vakuum.<br />

Ausbeute: 7.95 g beige, büschelartige Nadeln, Schmp. 135–138 °C.<br />

Da das Produkt offensichtlich noch nicht re<strong>in</strong> ist, wurde nochmals aus 50 ml Ethanol (96%)<br />

umkristallisiert:<br />

Ausbeute : 7.68 g farblose Nadeln, Schmp. 140–140.5 °C (Lit.: 140–141 °C).<br />

Das große Schmelz<strong>in</strong>tervall des Rohprodukts deutet <strong>in</strong> diesem Beispiel auf starke Verunre<strong>in</strong>igungen<br />

h<strong>in</strong>. Die Ausbeute nach <strong>der</strong> 1. Umkristallisation ist zufrieden stellend, das Schmelz<strong>in</strong>tervall<br />

von 3 °C zeigt aber, dass die Substanz noch nicht re<strong>in</strong> ist. Nach <strong>der</strong> 2. Umkristallisation<br />

ist die Substanz farblos und analysenre<strong>in</strong> (Schmelz<strong>in</strong>tervall 0.5 °C), <strong>der</strong> Literaturwert<br />

wird erreicht.<br />

146


6.3 Umkristallisation im Halbmikromaßstab<br />

2. Beispiel:<br />

Rohprodukt: 12.3 g, orange Plättchen, Schmp. 147–151 °C.<br />

Umkristallisation aus 125 ml siedendem Cyclohexan, Trocknen im Vakuum.<br />

Ausbeute : 6.63 g gelbe, hexagonale Plättchen, Schmp. 152.5–153 °C.<br />

Die Mutterlauge wurde am Rotationsverdampfer auf ca. 40 ml e<strong>in</strong>geengt. In <strong>der</strong> Kälte kristallisiert<br />

weiteres Produkt aus. Nach dem Trocknen erhält man e<strong>in</strong>e zweite Kristallfraktion:<br />

3.90 g gelbe Plättchen, Schmp. 152–153 °C.<br />

Die Re<strong>in</strong>heit bei <strong>der</strong> 1. Umkristallisation war befriedigend, die Ausbeute mit nur 50% aber<br />

nicht tolerierbar. Offenbar wurde zuviel Lösungsmittel verwendet. Deshalb wurde die Mutterlauge<br />

e<strong>in</strong>geengt. Die Re<strong>in</strong>heit <strong>der</strong> 2. Kristallfraktion ist zwar etwas ger<strong>in</strong>ger aber noch akzeptabel.<br />

Insgesamt beträgt die Ausbeute <strong>der</strong> Umkristallisation nun 85%.<br />

6.3 Umkristallisation im Halbmikromaßstab<br />

Die Umkristallisation kle<strong>in</strong>er Substanzmengen (1–5 g) erfolgt im Pr<strong>in</strong>zip wie bei 6.2. Allerd<strong>in</strong>gs<br />

müssen die Geräte den ger<strong>in</strong>geren Solvensmengen, die zur Umkristallisation benötigt<br />

werden, angepasst werden.<br />

Man verwendet NS 14-Schliffgeräte und Kolbengrößen von 5–50 ml. Zum Absaugen <strong>der</strong><br />

Kristalle verwendet man Hirschtrichter o<strong>der</strong> Glasfilternutschen. Bei kle<strong>in</strong>en und sehr kle<strong>in</strong>en<br />

Lösungsmengen (1–20 ml) s<strong>in</strong>d das Allihn'sche Rohr, Mikrofilternutschen zusammen mit<br />

geradem Vorstoß o<strong>der</strong> e<strong>in</strong> Absaugf<strong>in</strong>ger besser geeignet (siehe Kapitel 5). Diese Methoden<br />

bieten den Vorzug, dass die Flüssigkeitsoberfläche im Vergleich zur Flüssigkeitsmenge kle<strong>in</strong><br />

ist. Während des Absaugens kann deshalb weniger Solvens verdampfen. Sehr gut geeignet ist<br />

auch die e<strong>in</strong>fache Druckfiltration im Allihn'schem Rohr mit e<strong>in</strong>em Handballon (Kap. 5.3).<br />

Die abgesaugten Kristalle werden wie üblich <strong>in</strong> e<strong>in</strong> tariertes Schälchen überführt und im Exsikkator<br />

mit e<strong>in</strong>em geeigneten Trockenmittel im Vakuum getrocknet. Bei kle<strong>in</strong>en Mengen<br />

kann man die Kristalle auch auf dem Mikrofilter belassen und im Exsikkator trocknen (Filter<br />

vor dem Absaugen tarieren!).<br />

Die Heißfiltration von kle<strong>in</strong>en Lösungsmittelmengen ist beson<strong>der</strong>s problematisch, da sie sehr<br />

rasch abkühlen, was zu hohen Ausbeuteverlusten führen kann. In diesen Fällen kann e<strong>in</strong> spezielles<br />

Heißfiltrationsgerät e<strong>in</strong>gesetzt werden (Abb. 6.3):<br />

147


6. Umkristallisation<br />

Abb. 6.3: Heißfiltrationsgerät<br />

Zuerst wird e<strong>in</strong> Wattebausch mit e<strong>in</strong>em Draht<br />

locker <strong>in</strong> den Auslauf gestopft. Die umzukristallisierende<br />

Substanz wird e<strong>in</strong>gewogen und<br />

im Solvens vorsichtig <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Heizbad gelöst<br />

(Siedeste<strong>in</strong>chen verwenden, im Abzug<br />

arbeiten, alle offenen Flammen löschen!).<br />

Die heiße Lösung wird unter Druck mit e<strong>in</strong>em<br />

Handballon durch den Wattebausch <strong>in</strong> e<strong>in</strong><br />

vorgewärmtes Reagenzglas o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>en kle<strong>in</strong>en<br />

Erlenmeyerkolben filtriert.<br />

6.4 Umkristallisation im Mikromaßstab<br />

Bei sehr kle<strong>in</strong>en Substanzmengen (< 1 g) und Lösungsmittelvolum<strong>in</strong>a (< 2 ml) kann u.U.<br />

noch mit kle<strong>in</strong>en NS 14- o<strong>der</strong> NS 10-Geräten gearbeitet werden, häufig wird man aber <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

kle<strong>in</strong>en Reagenzglas umkristallisieren (Abb. 6.4). Dazu wird die Substanz <strong>in</strong> das Reagenzglas<br />

e<strong>in</strong>gewogen, die Größe richtet sich nach <strong>der</strong> benötigten Lösungsmittelmenge: Das<br />

Reagenzglas sollte zu 1/8 bis max. 1/4 gefüllt werden. Es wird e<strong>in</strong> Siedeste<strong>in</strong>chen h<strong>in</strong>zugegeben<br />

und mit e<strong>in</strong>er Tropfpipette mit wenig Lösungsmittel versetzt (1). Unter leichtem Umschütteln<br />

wird vorsichtig <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Heizbad erwärmt (2). Wenn nötig wird noch tropfenweise<br />

frisches Solvens zugegeben (im Abzug arbeiten) .<br />

Zur Heißfiltration <strong>der</strong> Lösung wird e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>er Wattebausch <strong>in</strong> das Reagenzglas gegeben und<br />

die heiße Lösung mit e<strong>in</strong>er vorgewärmten Tropfpipette mit Pipettenhütchen durch den Wattebausch<br />

aufgesaugt (3) und sofort <strong>in</strong> e<strong>in</strong> angewärmtes, frisches Reagenzglas überführt, das mit<br />

e<strong>in</strong>em Gummistopfen verschlossen wird (4).<br />

Abb. 6.4: Umkristallisation im Mikromaßstab:<br />

148


6.4 Umkristallisation im Mikromaßstab<br />

Nach <strong>der</strong> Kristallisation <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kälte wird auf e<strong>in</strong>er Mikrofilternutsche mit Saugf<strong>in</strong>ger abgesaugt.<br />

Sehr kle<strong>in</strong>e Kristallmengen werden am besten mit e<strong>in</strong>er an <strong>der</strong> Verjüngung abgeschnittenen<br />

Tropfpipette mit Pipettenhütchen aufgesaugt und auf die Mikrofritte (Allihn’sches<br />

Rohr) gebracht (5).<br />

Sehr vorteilhaft zur präparativen Isolierung sehr kle<strong>in</strong>er Kristallmengen ist das Abzentrifugieren<br />

<strong>der</strong> Mutterlauge <strong>in</strong> Craig-Röhrchen (Abb. 6.5, Inhalt 1–3 ml). Dazu wird die heiße<br />

Lösung <strong>in</strong> dickwandige Röhrchen mit e<strong>in</strong>em geschliffenen ‚Hals‘ überführt und dar<strong>in</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Kälte kristallisiert (1). In die Verjüngung wird e<strong>in</strong> Schliff-Stempel e<strong>in</strong>gesetzt, anschließend<br />

wird das Röhrchen um 180° gedreht und <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Zentrifugenglas gestellt (besser stülpt man das<br />

Zentrifugenglas über das Craig-Röhrchen und dreht es dann) (2). Beim Zentrifugieren wird<br />

die Mutterlauge am Stempel vorbei <strong>in</strong> das Zentrifugenglas gedrückt, das Kristallisat bleibt im<br />

Craig-Röhrchen zurück (3). Zum Waschen gibt man wie<strong>der</strong> etwas frisches, kaltes Solvens <strong>in</strong><br />

das Craig-Röhrchen zum Kristallisat und zentrifugiert erneut (Abb. 6.5).<br />

Abb. 6.5: Abzentrifugieren kle<strong>in</strong>er Kristallisatmengen mit dem Craig-Röhrchen:<br />

6.5 Umkristallisation unbekannter Verb<strong>in</strong>dungen<br />

Wenn das Lösungsmittel für die Umkristallisation nicht bekannt ist (z. B. bei neuen, noch<br />

nicht beschriebenen Verb<strong>in</strong>dungen), müssen Vorproben durchgeführt werden: Dabei werden<br />

ger<strong>in</strong>ge Mengen <strong>der</strong> umzukristallisierenden Substanz (Spatelspitzen) <strong>in</strong> kle<strong>in</strong>en Reagensgläsern<br />

(10 x 1 cm) tropfenweise mit den zu testenden Lösungsmitteln (o<strong>der</strong> Lösungsmittelgemischen)<br />

versetzt und vorsichtig unter Schütteln zum Sieden erhitzt. E<strong>in</strong> ideales Solvens liegt<br />

dann vor, wenn die Lösung durch das auskristallisierende Produkt praktisch breiartig erstarrt.<br />

Zur Isolierung wird <strong>der</strong> abgeschiedene Kristallbrei am besten mit e<strong>in</strong>er abgeschnittenen<br />

Tropfpipette aufgesaugt und auf e<strong>in</strong>e Tonplatte o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>em Stück Filterpapier aufgebracht.<br />

Man wäscht mit 1–2 Tropfen eiskaltem Solvens nach. Nach kurzem Trocknen wird <strong>der</strong><br />

Schmelzpunkt bestimmt. Im E<strong>in</strong>zelnen ist zu protokollieren:<br />

149


6. Umkristallisation<br />

• E<strong>in</strong>gewogene Probenmenge (<strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>er Reihe möglichst gleich, 10–20 mg s<strong>in</strong>d ausreichend).<br />

• Löslichkeit im kalten Solvens (durch Abschätzen: sehr schlecht bis sehr gut; zur Umkristallisation<br />

ungeeignet).<br />

• Benötigte Solvensmenge zum vollständigen Lösen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Hitze.<br />

• S<strong>in</strong>d unlösliche Bestandteile zu beobachten (Heißfiltration)?<br />

• Kristallisationsgeschw<strong>in</strong>digkeit und -bed<strong>in</strong>gungen (spontane Kristallisation beim Abkühlen,<br />

Kristallisation erst beim Anreiben, gar ke<strong>in</strong>e Kristallisation).<br />

• Aussehen, E<strong>in</strong>heitlichkeit <strong>der</strong> Kristalle (Lupe!), Schmelzpunkt und Ausbeute <strong>der</strong> umkristallisierten<br />

Probe.<br />

In e<strong>in</strong>em geeigneten Solvens löst sich die Probe bei Raumtemperatur möglichst schlecht, zur<br />

vollständigen Lösung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Hitze wird nur wenig Solvens benötigt (großer Temperaturgradient<br />

<strong>der</strong> Löslichkeit). Die Kristallisation setzt spontan e<strong>in</strong>. Das Schmelz<strong>in</strong>tervall sollte möglichst<br />

kle<strong>in</strong> se<strong>in</strong>, <strong>der</strong> Schmelzpunkt soll <strong>der</strong> höchste <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> Probenreihe und die Ausbeute<br />

möglichst gut se<strong>in</strong>. Unter Umständen muss e<strong>in</strong> Kompromiss zwischen hoher Re<strong>in</strong>heit<br />

und guter Ausbeute e<strong>in</strong>gegangen werden.<br />

Die <strong>in</strong> den Vorproben ermittelte Lösungsmittelmenge ist e<strong>in</strong> guter H<strong>in</strong>weis für die zur Umkristallisation<br />

benötigte Solvensmenge.<br />

Anmerkungen zur Wahl des Lösungsmittels für die Umkristallisation<br />

Für die Auswahl des Lösungsmittels s<strong>in</strong>d folgende Randbed<strong>in</strong>gungen zu beachten:<br />

• Die Substanz darf sich bei <strong>der</strong> Umkristallisation chemisch nicht verän<strong>der</strong>n. Es dürfen<br />

ke<strong>in</strong>e chemischen Reaktionen mit dem Solvens e<strong>in</strong>treten (z.B. Säurechloride reagieren mit<br />

Wasser und Alkoholen). Durch die thermische Belastung während <strong>der</strong> Umkristallisation<br />

können Umlagerungen, Decarboxylierung, Stickstoffelim<strong>in</strong>ierung o<strong>der</strong> Zersetzung stattf<strong>in</strong>den,<br />

<strong>in</strong> diesen Fällen muss e<strong>in</strong> niedriger siedendes Solvens e<strong>in</strong>gesetzt werden.<br />

• Das Lösungsmittel sollte nach Möglichkeit ke<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>lagerungsverb<strong>in</strong>dungen mit <strong>der</strong> Substanz<br />

e<strong>in</strong>gehen (Hydrate etc.).<br />

• Sehr hoch siedende Lösungsmittel bereiten bei <strong>der</strong> Trocknung oft Probleme.<br />

• Der Siedepunkt des Lösungsmittels sollte m<strong>in</strong>destens 15–20 °C unter dem Schmelzpunkt<br />

<strong>der</strong> umzukristallisierenden Substanz liegen, ansonsten besteht die Gefahr, dass<br />

die Substanz nicht kristallisiert, son<strong>der</strong>n sich ölig abscheidet und erst dann erstarrt. Der<br />

Re<strong>in</strong>igungseffekt ist dann ger<strong>in</strong>g. Man kann das Problem eventuell umgehen, wenn bei<br />

<strong>der</strong> Umkristallisation die Lösung nur bis zu etwa 15 °C unter den Schmelzpunkt <strong>der</strong> Substanz<br />

erhitzt wird.<br />

Nach dem alten Leitsatz <strong>der</strong> Chemiker „similia similibus solvuntur“ lösen sich polare Substanzen<br />

gut <strong>in</strong> polaren und unpolare Substanzen gut <strong>in</strong> unpolaren Lösungsmitteln (z.B. Zucker<br />

<strong>in</strong> Wasser und Naphthal<strong>in</strong> <strong>in</strong> Benzol o<strong>der</strong> Toluol). Diese Komb<strong>in</strong>ationen s<strong>in</strong>d zum Umkristal-<br />

150


6.5 Umkristallisation unbekannter Verb<strong>in</strong>dungen<br />

lisieren ungeeignet: Voraussetzung ist ja e<strong>in</strong>e möglichst ger<strong>in</strong>ge Löslichkeit <strong>der</strong> Substanz bei<br />

Raumtemperatur und e<strong>in</strong> großer Temperaturgradient!<br />

Für stark polare Substanzen wählt man deshalb mäßig polare Solventien (z.B. Alkohole für<br />

Zucker), für mäßig polare Substanzen unpolare Solventien (z.B. Tetrachlorkohlenstoff o<strong>der</strong><br />

Cyclohexan für Triphenylmethanol ).<br />

Diese e<strong>in</strong>fache Regel kann nur zur Orientierung dienen, langjährige Erfahrung kann sie nicht<br />

ersetzen. E<strong>in</strong>en besseren Anhaltspunkt geben die Solvensparameter, mit denen sich die Solventien<br />

<strong>in</strong> vier Gruppen zusammenfassen lassen (Tabelle 6.1). Als Anhaltspunkt für die Polarität<br />

von Solventien kann man die Dielektrizitätskonstanten (DK) heranziehen, geeigneter<br />

s<strong>in</strong>d aber die von K. Dimroth und Ch. Reichardt e<strong>in</strong>geführten E T (30)-Werte.<br />

Tabelle 6.1: Solvensparameter e<strong>in</strong>iger gebräuchlicher Lösungsmittel:<br />

Sdp. Schmp. DK E T (30)<br />

Aprotische Solventien mit ger<strong>in</strong>ger Polarität<br />

Petrolether (40/60) 40–60 °C ca. –95 °C 1.9 ca. 31<br />

Benzol 80 °C 5.5 °C 2.3 34.3<br />

Toluol 110 °C –95 °C 2.4 33.9<br />

Chloroform 61 °C –63 °C 4.7 39.1<br />

Aprotische Solventien mit mäßiger Polarität<br />

Tetrahydrofuran (THF) 66 °C –108 °C 7.4 37.4<br />

Essigsäureethylester 77 °C –83 °C 6.0 38.1<br />

Aceton 56 °C –95 °C 20.7 42.2<br />

Dipolare aprotische Solventien<br />

Acetonitril 82 °C –43 °C 37.5 45.6<br />

Dimethylformamid (DMF) 153 °C –61 °C 36.7 43.2<br />

Nitromethan 101 °C –28 °C 38.6 46.3<br />

Protische Solventien<br />

Wasser 100 °C 0 °C 78.5 63.1<br />

Methanol 65 °C –98 °C 32.6 55.4<br />

Ethanol 78 °C –118 °C 24.3 51.9<br />

2-Propanol 82 °C –90 °C 18.3 48.4<br />

Essigsäure (Eisessig) 118 °C 16 6.2 51.7<br />

N-Methylpyrrolidon (NMP) 202 °C –24 °C<br />

Ameisensäure 101 °C 8 °C 54.3<br />

1-Butanol 117 –89 °C 17.8 49.7<br />

Man prüft zunächst e<strong>in</strong> Solvens aus je<strong>der</strong> Gruppe und variiert dann <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> für die Umkristallisation<br />

am besten geeigneten Gruppe (<strong>der</strong> erfahrene Chemiker kann die Polarität e<strong>in</strong>er<br />

Verb<strong>in</strong>dung ungefähr abschätzen und wird unmittelbar die Solventien mit entsprechen<strong>der</strong><br />

Polarität und evtl. Protonität heranziehen!).<br />

Beispiel: Wenn sich e<strong>in</strong>e Substanz mit dem Schmp. ~150 °C <strong>in</strong> Wasser auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kälte gut<br />

löst und aus Ethanol mit ger<strong>in</strong>gen Ausbeuten umkristallisierbar ist, wird man zu 2-Propanol<br />

(sekundärer Alkohol!) o<strong>der</strong> zu 1-Butanol (längerer Alkylrest) übergehen. Im letzteren Falle<br />

151


6. Umkristallisation<br />

nutzt man außerdem wegen des Siedepunktes von 117 °C e<strong>in</strong>en größeren Temperaturbereich<br />

aus.<br />

Man beobachtet sehr oft den Fall, dass e<strong>in</strong>e Substanz <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Gruppe von Solventien (z.B.<br />

protischen) sehr leicht löslich, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er an<strong>der</strong>en Gruppe (z.B. aprotischen) h<strong>in</strong>gegen wenig<br />

löslich o<strong>der</strong> unlöslich ist. Ke<strong>in</strong>es dieser Lösungsmittel ist daher zur Umkristallisation geeignet.<br />

Aus Gemischen dieser Lösungsmittel, im e<strong>in</strong>fachsten Fall aus zwei Solventien, kann man<br />

diese Verb<strong>in</strong>dungen aber häufig sehr gut umkristallisieren (Tab. 6.2).<br />

Tabelle 6.2: Häufig angewandte Lösungsmittelgemische:<br />

Solvens (Sdp.) zur Lösung<br />

Solvens (Sdp.) zur Verr<strong>in</strong>gerung <strong>der</strong> Löslichkeit<br />

Ethanol (78 °C)<br />

Wasser (100 °C)<br />

Dioxan (102 °C)<br />

Wasser (100 °C)<br />

Eisessig (118 °C)<br />

Wasser (100 °C)<br />

Ethanol (78 °C)<br />

Essigsäurethylester (77 °C)<br />

Aceton (56 °C)<br />

Petrolether (40-60 °C)<br />

Chloroform (61 °C)<br />

Diethylether (35 °C)<br />

Chloroform (61 °C)<br />

Essigsäureethylester (77 °C)<br />

Chloroform (61 °C)<br />

Petrolether (40-60 °C)<br />

Benzol (80 °C)<br />

Petrolether (60-80 °C)<br />

Toluol (111 °C)<br />

Acetonitril (82 °C)<br />

Essigsäureethylester (77 °C)<br />

Petrolether 60/80 (60-80 °C)<br />

Acetonitril (82 °C)<br />

Diethylether (35 °C)<br />

Acetonitril (82 °C)<br />

Wasser (100 °C)<br />

Ameisensäure (101 °C) Eisessig (118 ° C)<br />

Dimethylformamid (153 °C)<br />

Diethylether (35 °C)<br />

Dimethylformamid (153 °C)<br />

Toluol (111 °C)<br />

Dimethylformamid (153 °C)<br />

Wasser (100 °C)<br />

Bei den Lösungsmittelgemischen ist darauf zu achten, dass die Komponenten nach Möglichkeit<br />

unbegrenzt mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> mischbar s<strong>in</strong>d! E<strong>in</strong>en Überblick über die gegenseitige Mischbarkeit<br />

gebräuchlicher Lösungsmittel gibt die nachstehende Abbildung 6.6:<br />

Abb. 6.6: Mischbarkeit gebräuchlicher Lösungsmittel:<br />

152


6.5 Umkristallisation unbekannter Verb<strong>in</strong>dungen<br />

Die Mischung Ethanol/Wasser kann zwei Funktionen übernehmen:<br />

• Sehr viele <strong>in</strong> Ethanol leicht lösliche organische Substanzen, die <strong>in</strong> Wasser schwer löslich<br />

s<strong>in</strong>d, kristallisieren bei Zugabe von Wasser zur ethanolischen Lösung.<br />

• Gut wasserlösliche Substanzen (z.B. verschiedene Salze organischer Säuren) lassen sich<br />

unter Umständen durch Zugabe von Ethanol zur wässrigen Lösung zur Kristallisation<br />

br<strong>in</strong>gen.<br />

Zu große Löslichkeiten <strong>in</strong> mäßig polaren Lösungsmitteln (z.B. Acetonitril o<strong>der</strong> Dimethylformamid)<br />

lassen sich durch Zugabe von stärker o<strong>der</strong> schwächer polaren Solventien herabsetzen.<br />

Technik <strong>der</strong> Umkristallisation aus Lösungsmittelgemischen<br />

Zur Umkristallisation aus Solvensgemischen werden verschiedene Methoden e<strong>in</strong>gesetzt:<br />

• Im e<strong>in</strong>fachsten Fall kann direkt aus <strong>der</strong> Mischung umkristallisiert werden. Vorproben<br />

liefern das am besten geeignete Verhältnis.<br />

• Man stellt zunächst mit dem gut lösenden Solvens e<strong>in</strong>e heiße, konzentrierte Lösung <strong>der</strong><br />

Probe her, die dann langsam so lange mit dem schlechter lösenden Solvens versetzt wird,<br />

bis e<strong>in</strong>e schwache Trübung auftritt, die auch beim Umschütteln nicht mehr verschw<strong>in</strong>det.<br />

Beim Abkühlen sollte nun die Kristallisation e<strong>in</strong>setzen.<br />

• Fällt das Produkt ölig an, so hilft es meist, den Anteil an gut lösendem Solvens wie<strong>der</strong><br />

etwas zu erhöhen und Impfkristalle zuzugeben.<br />

• Ist die Kristallisation nur sehr unvollständig, wird vorsichtig noch weiteres schlecht<br />

lösendes Solvens zugesetzt.<br />

• Das Mischungsverhältnis <strong>der</strong> Solventien sollte bekannt se<strong>in</strong>, da man das abgesaugte<br />

Kristallisat mit <strong>der</strong> gleichen Mischung nachwaschen muss, um die Abscheidung von Verunre<strong>in</strong>igungen<br />

aus <strong>der</strong> verdunstenden, anhaftenden Mutterlauge zu vermeiden. Deshalb<br />

misst man zweckmäßig beide Lösungsmittel aus Messzyl<strong>in</strong><strong>der</strong>n ab, zum<strong>in</strong>dest sollte man<br />

am Kolben (Erlenmeyer) die Füllhöhe vor und nach Zusatz <strong>der</strong> jeweiligen Solventien<br />

markieren, so dass sich das Mischungsverhältnis abschätzen lässt.<br />

E<strong>in</strong>e Variante verzichtet auf erhöhte Temperaturen zur Herstellung <strong>der</strong> Lösungen. Man versetzt<br />

hier e<strong>in</strong>e bei Raumtemperatur gesättigte Lösung <strong>der</strong> umzukristallisierenden Substanz<br />

langsam mit dem schlechter lösenden Solvens. Dabei wird das zweite Lösungsmittel so langsam<br />

zugeben, dass die Kristallisation stets schneller verläuft als die Löslichkeit <strong>der</strong> Substanz<br />

abnimmt. Selbstverständlich sollte das Mischungsverhältnis <strong>der</strong> beiden Solventien auch hier<br />

bekannt se<strong>in</strong>.<br />

Beispiel: Quartäre Ammoniumsalze ([R 4 N] + Hal − ) lösen sich leicht <strong>in</strong> dipolar aprotischen und<br />

<strong>in</strong> protischen Solventien bereits <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kälte. Bei vorsichtiger Zugabe von Diethylether bzw.<br />

Ethylacetat kristallisieren die Salze aus.<br />

153


6. Umkristallisation<br />

Allgeme<strong>in</strong>e Ratschläge und H<strong>in</strong>weise zur Re<strong>in</strong>igung kristall<strong>in</strong>er Verb<strong>in</strong>dungen durch<br />

Umkristallisation<br />

Bei stark mit Harzen und Schmieren verunre<strong>in</strong>igten Produkten sollte man stets prüfen, ob<br />

nicht e<strong>in</strong>e Vorre<strong>in</strong>igung durch Sublimation, Wasserdampfdestillation o<strong>der</strong> (Vakuum)-Destillation<br />

möglich ist.<br />

Für die Vorre<strong>in</strong>igung s<strong>in</strong>d auch chromatographische Methoden wegen ihrer besseren Trennung<br />

und ger<strong>in</strong>gen Verluste vorteilhaft. Bei größeren Ansätzen ist dies aber unter Umständen<br />

sehr kostspielig und zeitraubend. Man kann dieses Verfahren vere<strong>in</strong>fachen, <strong>in</strong>dem man versucht<br />

die Verunre<strong>in</strong>igungen durch Adsorption an geeigneten Adsorbentien (Alum<strong>in</strong>iumoxid,<br />

Kieselgur, Aktivkohle etc) zu entfernen. Diese Vorre<strong>in</strong>igung durch Adsorption bewährt sich<br />

<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e auch dann, wenn die Rohprodukte durch Verunre<strong>in</strong>igungen stark gefärbt s<strong>in</strong>d.<br />

Wenn als Feststoffe zu erwartende Produkte ölig anfallen, kann dies mehrere Gründe haben:<br />

• Der Siedepunkt des e<strong>in</strong>gesetzten Solvens liegt deutlich über dem Schmelzpunkt des Produkts.<br />

Beim Abkühlen <strong>der</strong> Lösung wird die Löslichkeit des Produkts unterschritten, die<br />

Temperatur des Solvens liegt aber noch über dem Schmelzpunkt des Produkts.<br />

• Das Rohprodukt ist sehr stark verunre<strong>in</strong>igt: Man prüft deshalb analytisch (IR, NMR,<br />

usw.) auf die vorhandenen Verunre<strong>in</strong>igungen (Edukte, Nebenprodukte, Harze usw.) und<br />

trennt diese nach Möglichkeit spezifisch ab: Harze durch Adsorption, an<strong>der</strong>e Stoffe durch<br />

Chromatographie, gegebenenfalls auch durch spezifische chemische Reaktionen (z.B.<br />

Ausschütteln von Säuren mit NaHCO 3 -Lösung, von Basen mit verdünnten Säuren).<br />

Wenn die nicht kristallisierende Substanz nur ger<strong>in</strong>gfügig verunre<strong>in</strong>igt ist, muss man versuchen,<br />

mit e<strong>in</strong>igen ‚Tricks‘ die Kristallisation zu erreichen:<br />

• Die Substanz kristallisiert sehr langsam: Man verreibt auf e<strong>in</strong>em Uhrglas wenig Substanz<br />

mit 1–2 Tropfen e<strong>in</strong>es flüchtigen Solvens (z.B. Ether, Aceton o<strong>der</strong> Dichlormethan) mit<br />

e<strong>in</strong>em Glasstab o<strong>der</strong> Spatel. Nach Verdunsten des Solvens wie<strong>der</strong>holt man den Vorgang<br />

mit dem gleichen o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>em an<strong>der</strong>en Solvens. Nach e<strong>in</strong>iger Zeit können sich Kristalle<br />

bilden, die sich beim Stehen lassen noch vermehren. Man presst die kristallhaltige<br />

Schmiere auf e<strong>in</strong>er Tonplatte ab (eventuell mit e<strong>in</strong>em Tropfen e<strong>in</strong>es mäßig lösenden Solvens<br />

nachwaschen). Mit den erhaltenen Kristallen impft man die Hauptmenge des Öls an<br />

und ‚walkt‘ es, eventuell unter Zusatz von wenig Solvens durch, bis überall die Kristallisation<br />

e<strong>in</strong>setzt. Nach längerem Stehen arbeitet man mit e<strong>in</strong>em schwach lösenden Solvens<br />

durch, saugt ab und kristallisiert das Rohprodukt entsprechend dem Ergebnis von Vorproben<br />

um.<br />

• Hohe Ausbeuten bei <strong>der</strong> Umkristallisation verlangen e<strong>in</strong>en großen Temperaturkoeffizienten<br />

<strong>der</strong> Löslichkeit. Dieser kann bei thermisch empf<strong>in</strong>dlichen Substanzen auch so verwirklicht<br />

werden, dass man bei Raumtemperatur (20 °C) löst und auf –70 °C abkühlt<br />

(Aceton/Trockeneis). Diese Temperaturdifferenz (ΔT = 90 °C) entspricht <strong>der</strong> Umkristallisation<br />

aus e<strong>in</strong>em bei 110 °C siedendem Solvens und Kristallisation bei 20 °C. Zum Ab-<br />

154


6.5 Umkristallisation unbekannter Verb<strong>in</strong>dungen<br />

saugen bei tiefen Temperaturen müssen spezielle Geräte verwendet werden (z.B. Glasfilterfritten<br />

mit Kühlmantel).<br />

Manche Substanzen s<strong>in</strong>d hygroskopisch, das heißt, sie nehmen sehr leicht Feuchtigkeit auf,<br />

die zum Zerfließen <strong>der</strong> Kristalle führen kann. Bei <strong>der</strong> Umkristallisation dürfen <strong>in</strong> diesem Fall<br />

nur trockene (wasserfreie) Lösungsmittel verwendet werden, alle verwendeten Geräte müssen<br />

absolut trocken se<strong>in</strong>. Beim Umkristallisieren wird e<strong>in</strong> Trockenrohr auf den Rückflusskühler<br />

aufgesetzt, <strong>der</strong> Kontakt mit <strong>der</strong> Raumluft ist möglichst kurz zu halten o<strong>der</strong> ganz auszuschließen.<br />

Unbed<strong>in</strong>gt zu vermeiden ist das längere Durchsaugen von Luft beim Absaugen.<br />

Ist die Substanz luft- und feuchtigkeitsempf<strong>in</strong>dlich (d.h. sie kann mit dem Luftsauerstoff und<br />

<strong>der</strong> Feuchtigkeit aus <strong>der</strong> Luft reagieren) müssen spezielle Methoden und Apparaturen verwendet<br />

werden (siehe Kap. 10.3, Arbeiten unter Schutzgas).<br />

Die Umkristallisation ist die universellste Methode zur Re<strong>in</strong>igung von Feststoffen und unerlässlich<br />

zur Herstellung von analysenre<strong>in</strong>en kristall<strong>in</strong>en Substanzen. Kristalle, die für Verbrennungsanalysen<br />

(Elementaranalyse) bestimmt s<strong>in</strong>d, dürfen nicht von e<strong>in</strong>er Glasfritte o<strong>der</strong><br />

e<strong>in</strong>em Papierfilter abgekratzt werden, da Glassplitter o<strong>der</strong> Papierfasern das Produkt verunre<strong>in</strong>igen<br />

können und damit das Analysenergebnis verfälschen.<br />

155


6. Umkristallisation<br />

156


Kapitel 7<br />

Sublimation<br />

7.1 Physikalische Grundlagen<br />

7.2 Sublimation als Re<strong>in</strong>igungsmethode<br />

7.3 Apparaturen zur Sublimation<br />

7.4 Gefriertrocknung<br />

157


7. Sublimation<br />

Unter Sublimation versteht man den direkten Übergang e<strong>in</strong>er Verb<strong>in</strong>dung vom kristall<strong>in</strong>en <strong>in</strong><br />

den gasförmigen Zustand. Die Sublimation erfolgt meist bei höheren Temperaturen, an kühlen<br />

Stellen geht die Verb<strong>in</strong>dung wie<strong>der</strong> direkt vom gasförmigen <strong>in</strong> den kristall<strong>in</strong>en Zustand über.<br />

Mechanische Verunre<strong>in</strong>igungen und nicht sublimierende Substanzen (z. B. harzige Produkte)<br />

lassen sich so leicht abtrennen.<br />

7.1 Physikalische Grundlagen<br />

In Kap. 3.1 ‚Der Schmelzpunkt‘, zeigt das Zustandsdiagramm von Wasser, dass <strong>der</strong> Dampfdruck<br />

von festen, kristall<strong>in</strong>en Verb<strong>in</strong>dungen mit Erhöhung <strong>der</strong> Temperatur ansteigt.<br />

E<strong>in</strong>e kristall<strong>in</strong>e Verb<strong>in</strong>dung, <strong>der</strong>en Dampfdruck noch vor Erreichen des Schmelzpunkts den<br />

Druck <strong>der</strong> äußeren Umgebung erreicht, geht – ohne vorher zu schmelzen – direkt vom festen<br />

<strong>in</strong> den gasförmigen Zustand über. Diesen Vorgang bezeichnet man als Sublimation. Die<br />

Temperaturabhängigkeit des Dampfdrucks e<strong>in</strong>er festen Substanz wird durch die Sublimationskurve<br />

wie<strong>der</strong>gegeben (Abb. 7.1). Sublimierende Verb<strong>in</strong>dungen gehen dementsprechend<br />

bei Temperaturen unterhalb des Schmelzpunktes aus <strong>der</strong> Gasphase direkt wie<strong>der</strong> <strong>in</strong> den festen,<br />

kristall<strong>in</strong>en Zustand über.<br />

Die Verhältnisse werden nachstehend am Beispiel von Hexachlorethan und Phthalsäureanhydrid<br />

dargestellt.<br />

Die Sublimationsdruckkurven (Abb. 7.1) liegen def<strong>in</strong>itionsgemäß unterhalb <strong>der</strong> Temperatur<br />

des Tripelpunktes, bei <strong>der</strong> die Substanz schmilzt und Flüssigkeit sowie Festsubstanz den gleichen<br />

Dampfdruck besitzen.<br />

Abb. 7.1: Schematische Phasendiagramme<br />

a) Hexachlorethan b) Phthalsäureanhydrid<br />

Hexachlorethan besitzt bereits bei 185 °C, d.h. 1° unterhalb des Schmelzpunktes, e<strong>in</strong>en<br />

Dampfdruck von 1013 hPa. Festes Hexachlorethan ‚verdampft‘ = sublimiert also bei Atmos-<br />

158


7.1 Physikalische Grundlagen<br />

phärendruck, ohne vorher zu schmelzen. Erst im geschlossenen System, z.B. <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em abgeschmolzenen<br />

Schmelzpunktröhrchen schmilzt Hexachlorethan (Schmp. 186 °C), hierbei steht<br />

die Substanz unter ihrem eigenen Dampfdruck von 1040 hPa.<br />

Im Gegensatz hierzu besitzt Phthalsäureanhydrid an se<strong>in</strong>em Schmelzpunkt (131 °C) nur<br />

e<strong>in</strong>en Dampfdruck von 12 hPa. E<strong>in</strong> präparativ nutzbarer Stofftransport pro Zeite<strong>in</strong>heit ist hier<br />

nur möglich, wenn man unter verm<strong>in</strong><strong>der</strong>tem Druck arbeitet.<br />

Sublimation bei Normaldruck<br />

Ähnlich hohe Dampfdrucke wie Hexachlorethan besitzen z.B. die folgenden Verb<strong>in</strong>dungen:<br />

Cl<br />

N<br />

Cl<br />

Cl<br />

N<br />

N<br />

N<br />

O<br />

Cl<br />

Cl<br />

Cl<br />

Adamantan<br />

Schmp = 270 °C<br />

Urotrop<strong>in</strong><br />

Schmp = 290 °C (Zers.)<br />

Campher<br />

Schmp = 176 °C<br />

Hexachlorbenzol<br />

Schmp = 229 °C<br />

Die Molekülmodelle zeigen, dass zwischen Sublimationsdampfdruck und Molekülgestalt e<strong>in</strong><br />

Zusammenhang besteht. Es s<strong>in</strong>d mehr o<strong>der</strong> weniger kugelförmige Moleküle, die sehr leicht<br />

sublimieren, da ihre b<strong>in</strong>denden Wechselwirkungen im Kristallgitter nur ger<strong>in</strong>g s<strong>in</strong>d.<br />

Sublimation unter verm<strong>in</strong><strong>der</strong>tem Druck<br />

Die extrem hohen Sublimationsdampfdrucke <strong>der</strong> oben aufgeführten Verb<strong>in</strong>dungen s<strong>in</strong>d relativ<br />

selten, bei den meisten Verb<strong>in</strong>dungen s<strong>in</strong>d die Dampfdrucke bei <strong>der</strong> Temperatur des Schmelzpunktes<br />

sehr viel kle<strong>in</strong>er. Tabelle 7.1 zeigt, dass die meisten organischen Verb<strong>in</strong>dungen<br />

schmelzen, lange bevor ihr Dampfdruck Atmosphärendruck erreicht.<br />

Grundsätzlich kann jede Substanz, die bei Atmosphärendruck schmilzt, sublimiert werden,<br />

wenn die Sublimationsdrucke unterhalb des Schmelzpunktes noch e<strong>in</strong>en ausreichenden Stofftransport<br />

/ Zeite<strong>in</strong>heit zulassen, d.h., wenn die Sublimationsgeschw<strong>in</strong>digkeit noch genügend<br />

groß ist. Zur Erhöhung <strong>der</strong> Sublimationsgeschw<strong>in</strong>digkeit arbeitet man, wie oben erwähnt,<br />

zweckmäßig im Grob- bzw. Fe<strong>in</strong>vakuum. Phthalsäureanhydrid lässt sich z.B. im präparativen<br />

Maßstab im Ölpumpenvakuum (10 -2 hPa) bei 110–125 °C befriedigend sublimieren.<br />

Generell sollte man aber – wie bei <strong>der</strong> Destillation – beachten, dass mit s<strong>in</strong>kendem Druck<br />

auch <strong>der</strong> Stofftransport über die Gasphase s<strong>in</strong>kt.<br />

159


7. Sublimation<br />

Tab. 7.1: Dampfdrucke verschiedener kristall<strong>in</strong>er Verb<strong>in</strong>dungen<br />

Substanz Schmelzpunkt [°C] Dampfdruck am Schmelzpunkt [hPa]<br />

Hexachlorethan 186 1039<br />

Campher 176 493<br />

Anthracen 218 54<br />

Benzol 5.5 48<br />

Benzoesäure 121 9.3<br />

Phthalsäureanhydrid 131 12<br />

Wasser 0 6.1<br />

7.2 Sublimation als Re<strong>in</strong>igungsmethode<br />

Verunre<strong>in</strong>igte kristall<strong>in</strong>e Substanzen, die bei normalem o<strong>der</strong> verm<strong>in</strong><strong>der</strong>tem Druck sublimierbar<br />

s<strong>in</strong>d (also merkliche Dampfdrucke im Temperaturbereich ihrer Schmelzpunkte besitzen<br />

und sich unter den Bed<strong>in</strong>gungen chemisch nicht verän<strong>der</strong>n), lassen sich elegant und schnell<br />

durch Sublimation re<strong>in</strong>igen. Thermisch empf<strong>in</strong>dliche Substanzen können – wenn überhaupt –<br />

nur unter beson<strong>der</strong>en Bed<strong>in</strong>gungen sublimiert werden.<br />

Voraussetzung für den Re<strong>in</strong>igungseffekt ist, dass <strong>der</strong> Dampfdruck <strong>der</strong> begleitenden Verunre<strong>in</strong>igungen<br />

vergleichsweise kle<strong>in</strong> ist. Verunre<strong>in</strong>igungen mit vergleichbaren Dampfdrucken lassen<br />

sich durch Sublimation nicht abtrennen!<br />

Ölige o<strong>der</strong> harzige Verunre<strong>in</strong>igungen erschweren häufig e<strong>in</strong>e Re<strong>in</strong>igung durch Sublimation,<br />

wenn sie während <strong>der</strong> Sublimation mitdestillieren. In diesen Fällen muss man versuchen,<br />

diese Verunre<strong>in</strong>igungen mit geeigneten Solventien auszuwaschen o<strong>der</strong> durch Abdrücken auf<br />

e<strong>in</strong>er Tonplatte zu entfernen.<br />

Um e<strong>in</strong> Schmelzen des Rohprodukts und damit durch e<strong>in</strong>e starke Verkle<strong>in</strong>erung <strong>der</strong> Oberfläche<br />

e<strong>in</strong>e Verr<strong>in</strong>gerung <strong>der</strong> Sublimationsgeschw<strong>in</strong>digkeit zu vermeiden, arbeitet man bei <strong>der</strong><br />

Sublimation etwa 5–10 °C unterhalb des vorher festgestellten Schmelzpunktes des Rohproduktes.<br />

Um e<strong>in</strong> Zusammenbacken des Rohprodukts zu verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n, kann man es z. B. auch mit<br />

etwas Seesand vermischen.<br />

Die durch Sublimation erhaltenen, kristall<strong>in</strong>en Produkte, die Sublimate, s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel<br />

sehr re<strong>in</strong>. Die Methode eignet sich – bei geeigneter Wahl <strong>der</strong> Sublimationsapparaturen – für<br />

Mengen im 100 g-Maßstab ebenso wie für Mengen im Bereich e<strong>in</strong>iger mg. Die Sublimation<br />

sehr kle<strong>in</strong>er Mengen ist meist sehr viel weniger verlustreich als <strong>der</strong>en Umkristallisation.<br />

160


7.2 Sublimation als Re<strong>in</strong>igungsmethode<br />

Vorproben<br />

E<strong>in</strong>fache Vorproben geben Auskunft, ob e<strong>in</strong>e Substanz sublimierbar ist:<br />

• Ist bei <strong>der</strong> Schmelzpunktbestimmung e<strong>in</strong>er Substanz im Schmelzpunktröhrchen e<strong>in</strong>e Sublimation<br />

zu beobachten (<strong>in</strong> <strong>der</strong> kalten Zone des Schmelzpunktröhrchens scheidet sich Sublimat<br />

ab), kann die Substanz bei Normaldruck, ganz sicher aber bei Unterdruck sublimiert<br />

werden.<br />

• E<strong>in</strong>e mögliche Vorprobe für die Sublimationsfähigkeit e<strong>in</strong>er Verb<strong>in</strong>dung ist auch <strong>der</strong>en<br />

Beobachtung im Kofler-Heizmikroskop <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em hohl geschliffenen Objektträger (siehe<br />

auch Kap. 3.1.4).<br />

• E<strong>in</strong>e Spatelspitze Substanz wird <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Mikroreagenzglas gegeben, das mit e<strong>in</strong>em Vakuumschlauch<br />

an e<strong>in</strong>e Wasserstrahl- o<strong>der</strong> Membranpumpe angeschlossen wird (Druck ca. 16<br />

hPa). Das Reagenzglas wird nun vorsichtig (z.B. über <strong>der</strong> Sparflamme e<strong>in</strong>es Bunsenbrenners<br />

o<strong>der</strong> im Ölbad) erhitzt. Scheidet sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> kalten Zone e<strong>in</strong> Sublimat ab, lässt sich die<br />

Substanz bei Unterdruck sublimieren. Unter Umständen muss man diesen Test bei 0.1 hPa<br />

wie<strong>der</strong>holen.<br />

Mit dem Sublimat <strong>der</strong> Vorprobe führt man anschließend e<strong>in</strong>e Re<strong>in</strong>heitskontrolle durch:<br />

Schmelzpunktbestimmung im abgeschmolzenen Röhrchen, evtl. auch dünnschichtchromatographische<br />

o<strong>der</strong> IR-spektroskopische Kontrolle.<br />

7.3 Apparaturen zur Sublimation<br />

Die e<strong>in</strong>fachste Sublimationsapparatur, die man bei Atmosphärendruck wie unter verm<strong>in</strong><strong>der</strong>ten<br />

Drucken verwenden kann, besteht aus e<strong>in</strong>em ‚Kühlf<strong>in</strong>ger‘ mit e<strong>in</strong>geschmolzener Wasserzuleitung,<br />

<strong>der</strong> mit e<strong>in</strong>em durchbohrtem Gummistopfen <strong>in</strong> das Sublimationsgefäß gesteckt wird<br />

(Abb. 7.2a). Apparaturen dieses Typs lassen sich sowohl für größere Mengen Sublimationsgut<br />

(1–10 g, äußerer ∅ ~ 10-15 cm) wie für mg-Mengen (äußerer ∅ ~ 1–2 cm) e<strong>in</strong>setzen. Der<br />

Abstand zwischen Kühlf<strong>in</strong>ger und Sublimationsgut lässt sich durch e<strong>in</strong>faches vertikales Verschieben<br />

des Kühlf<strong>in</strong>gers im Gummir<strong>in</strong>g variieren.<br />

Wenn bei verm<strong>in</strong><strong>der</strong>tem Druck sublimiert wird, ist es vorteilhaft e<strong>in</strong>e Sublimationsapparatur<br />

mit Schliffverb<strong>in</strong>dungen zu verwenden (Abb. 7.2b). Dadurch wird vermieden, dass <strong>der</strong> Kühlf<strong>in</strong>ger<br />

unter dem angelegten Vakuum <strong>in</strong> die Apparatur ‚h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>gezogen‘ wird und unter Umständen<br />

das Sublimationsgefäß durchstößt. Das Sublimationsgefäß besitzt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel e<strong>in</strong>en<br />

Kernschliff. Dadurch wird verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t, dass beim Zerlegen <strong>der</strong> Apparatur das Sublimat mit<br />

dem Schlifffett <strong>in</strong> Berührung kommt.<br />

Wird die Sublimation bei niedrigen Temperaturen (< 40–50 °C Badtemperatur) durchgeführt,<br />

kann das Sublimat mit normaler Wasserkühlung nicht mehr vollständig abgeschieden werden.<br />

161


7. Sublimation<br />

In diesem Fall verwendet man Kühlf<strong>in</strong>ger, die sich über die obere Öffnung mit Eis o<strong>der</strong> Trockeneis<br />

füllen lassen (Abb. 7.2b, (10)).<br />

Bei größeren Substanzmengen hat sich beson<strong>der</strong>s die Sublimationsapparatur nach Rettberg<br />

(Abb. 7.2c) bewährt. Hier ist <strong>der</strong> Kühlf<strong>in</strong>ger als e<strong>in</strong> sich nach oben verjüngen<strong>der</strong> Kegel ausgebildet,<br />

<strong>der</strong> Vakuumanschluss bef<strong>in</strong>det sich an <strong>der</strong> Kegelspitze. Durch diese Bauform lässt sich<br />

das Sublimat leicht isolieren.<br />

Abb. 7.2: Verschiedene Sublimationsapparaturen.<br />

a) E<strong>in</strong>fache Sublimationsapparatur<br />

1 Sublimationsgefäß<br />

2 Kühlf<strong>in</strong>ger<br />

3 Gummidichtung (durchbohrter Gummistopfen)<br />

4 Wasseranschlüsse<br />

5 Heizbad<br />

6 Thermometer<br />

7 Stativklammer<br />

8 Substanz<br />

9 Sublimat<br />

10 Kühlf<strong>in</strong>ger für Trockeneiskühlung<br />

b) Sublimationsapparatur mit Schliffen und<br />

verschiedenen Kühlf<strong>in</strong>gern<br />

c) Sublimationsapparatur nach Rettberg<br />

162


7.3 Apparaturen zur Sublimation<br />

Durchführung e<strong>in</strong>er Sublimation mit <strong>der</strong> Sublimationsapparatur Abb. 7.2a<br />

Das Sublimationsgefäß (1) mit <strong>der</strong> Substanz wird – bei Normaldruck o<strong>der</strong> im Vakuum – im<br />

Ölbad auf die geeignete Temperatur aufgeheizt, die zu re<strong>in</strong>igende Substanz (8) sublimiert<br />

hierbei an den Kühlf<strong>in</strong>ger (2) (Sublimat (9)). Der Abstand zwischen Substanzoberfläche und<br />

Kühlf<strong>in</strong>ger muss bei sehr kle<strong>in</strong>er Sublimationsgeschw<strong>in</strong>digkeit kle<strong>in</strong> gewählt werden (~1 cm),<br />

normalerweise ist <strong>der</strong> Kühlf<strong>in</strong>ger 2–3 cm oberhalb <strong>der</strong> Substanzoberfläche. Um zu verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n,<br />

dass sich das Sublimat an <strong>der</strong> kalten Glaswand des Sublimationsgefäßes abscheidet,<br />

muss die Apparatur möglichst tief <strong>in</strong> das Heizbad e<strong>in</strong>getaucht werden.<br />

Die Substanzfüllhöhe sollte nicht mehr als etwa 1 cm betragen. Um zu vermeiden, dass Verunre<strong>in</strong>igungen<br />

an den Kühlf<strong>in</strong>ger gelangen, deckt man das Sublimationsgut vorteilhaft mit<br />

e<strong>in</strong>er dünnen Schicht (2–3 mm) Glaswolle ab.<br />

Nach beendeter Sublimation muss <strong>der</strong> Kühlf<strong>in</strong>ger (beim Arbeiten im Vakuum nach Belüften)<br />

sehr vorsichtig herausgenommen werden, sonst kann Sublimat vom Kühlf<strong>in</strong>ger <strong>in</strong> den Sublimationsrückstand<br />

zurückfallen. Wenn möglich, führt man diese Operation <strong>in</strong> horizontaler<br />

Anordnung <strong>der</strong> Apparatur durch. Unter Umständen muss das Produkt <strong>in</strong> mehreren kle<strong>in</strong>en<br />

Portionen sublimiert und das Sublimat jeweils sofort vom Kühlf<strong>in</strong>ger abgeschabt o<strong>der</strong> abgeklopft<br />

werden.<br />

Sublimation <strong>in</strong> horizontal angeordneten Apparaturen<br />

Die e<strong>in</strong>fache Sublimationsapparatur von Abb. 7.2 lässt sich im Pr<strong>in</strong>zip auch horizontal e<strong>in</strong>setzen.<br />

(Abb. 7.3a). Als Heizquelle benutzt man e<strong>in</strong>en Rohrofen, den Ofen e<strong>in</strong>er ‚Trockenpistole‘<br />

o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>er Kugelrohrdestille. Mit dieser Anordnung lässt sich die Substanzoberfläche<br />

erheblich vergrößern und damit die Sublimationsgeschw<strong>in</strong>digkeit erhöhen. Komplette Sublimationsapparaturen<br />

mit horizontaler Anordnung s<strong>in</strong>d auch im Handel erhältlich.<br />

Um mechanische Verunre<strong>in</strong>igungen zuverlässig abzutrennen, ist es möglich, die Substanz<br />

durch e<strong>in</strong>e Fritte zu sublimieren (Abb. 7.3b). Die Glasfritte muss <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> Heizzone liegen<br />

und sollte möglichst grob se<strong>in</strong> (Porosität 00). Bei dieser Anordnung können nur hochschmelzende,<br />

thermisch stabile Verb<strong>in</strong>dungen (z.B. Alizar<strong>in</strong>) sublimiert werden, da e<strong>in</strong>e<br />

Wasserkühlung nicht möglich ist.<br />

163


7. Sublimation<br />

Abb. 7.3: Sublimation mit horizontaler Anordnung<br />

a) mit horizontalem Kühlf<strong>in</strong>ger<br />

1 Sublimationsgefäß<br />

2 Kühlf<strong>in</strong>ger<br />

3 Zweiwegehahn<br />

4 Substanz<br />

5 Sublimat<br />

6 Glasfritte (Porosität 00)<br />

b) mit Glasfritte<br />

7.4 Gefriertrocknung<br />

Unter Gefriertrocknung (Lyophilisierung) versteht man im engeren S<strong>in</strong>ne die Entfernung<br />

von Wasser aus wässrigen Substanzlösungen durch Sublimation.<br />

Das Zustandsdiagramm von Wasser zeigt, dass Eis bei 0.0 °C e<strong>in</strong>en Dampfdruck von 6.10<br />

hPa besitzt. Bei Drucken unterhalb 6 hPa lässt sich Wasser absublimieren. In <strong>der</strong> Praxis verwendet<br />

man e<strong>in</strong>en Druck von < 0.1 hPa und Drehschieberpumpen. Um e<strong>in</strong>en ausreichenden<br />

Dampftransport zu gewährleisten, müssen weitlumige Geräte verwendet werden.<br />

Die wässrige Lösung, die gefriergetrocknet werden soll, wird zunächst <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Kältemischung<br />

bis zur vollständigen Eisbildung abgekühlt. Im Fe<strong>in</strong>vakuum wird nun aus <strong>der</strong> erstarrten<br />

Substanzlösung (nach Wegnahme <strong>der</strong> Kältemischung) das Eis <strong>in</strong> die vorgelegte Kühlfalle<br />

absublimiert. Durch die hohe Sublimationswärme des Wassers schmilzt das Eis auch ohne<br />

weitere Kühlung während <strong>der</strong> Sublimation nicht mehr, d.h. das E<strong>in</strong>engen wässriger Lösungen<br />

zur Trockene nach dieser schonenden Methode erfolgt bei T < 0 °C.<br />

Auf die gleiche Weise können auch e<strong>in</strong>ige organische Lösungsmittel, z.B. Benzol, absublimiert<br />

werden, man spricht auch hier von Gefriertrocknung. Voraussetzung hierfür ist e<strong>in</strong>e<br />

hohe Sublimationswärme.<br />

Die Gefriertrocknung hat den Vorteil, dass <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e bei thermolabilen Produkten die<br />

thermische Belastung während des Abdestillierens <strong>der</strong> Solventien entfällt. Die Gefriertrocknung<br />

wird <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e auch zur Isolierung biologischer Materialien, z.B. von Enzymen,<br />

164


7.4 Gefriertrocknung<br />

Zellbestandteilen o<strong>der</strong> ganzen Zellen (z.B. Hefezellen), aus ihren wässrigen Lösungen und<br />

Suspensionen herangezogen. Im Handel s<strong>in</strong>d zahlreiche Apparaturen zur Gefriertrocknung im<br />

Mikro- wie im Makromaßstab erhältlich.<br />

Abbildung 7.4 zeigt e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>fache Apparatur zur Gefriertrocknung. Da recht große Mengen<br />

Wasser über die Gasphase <strong>in</strong> die Kühlfalle sublimiert werden, sollten möglichst weitlumige<br />

Vakuumverb<strong>in</strong>dungen verwendet werden, die Kühlfalle muss ausreichend groß dimensioniert<br />

se<strong>in</strong> und gut gekühlt werden. Man achte auf die Schaltung <strong>der</strong> Kühlfalle, die verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t, dass<br />

das E<strong>in</strong>leitungsrohr durch das Eis verstopft wird.<br />

Abb. 7.4: E<strong>in</strong>fache Apparatur zur Gefriertrocknung.<br />

1 Kolben mit <strong>der</strong> zu Eis gefrorenen<br />

wässrigen Lösung<br />

2 Kühlfalle<br />

3 Dewar-Gefäß mit Kühlflüssigkeit<br />

4 Absublimiertes Eis<br />

165


7. Sublimation<br />

166


Kapitel 8<br />

Extraktion<br />

8.1 Physikalische Grundlagen<br />

8.2 Flüssig-flüssig-Extraktion<br />

8.3 Fest-flüssig-Extraktion<br />

167


8. Extraktion<br />

Die unterschiedlichen Löslichkeiten von Flüssigkeiten und Feststoffen <strong>in</strong> verschiedenen Lösungsmitteln<br />

bieten e<strong>in</strong>e gute Möglichkeit zur Isolierung von re<strong>in</strong>en Produkten, zur Trennung<br />

von Stoffgemischen und zur Abtrennung von Verunre<strong>in</strong>igungen. Für die Aufarbeitung von<br />

Reaktionsgemischen ist diese Methode unverzichtbar.<br />

Die wichtigsten Verfahren s<strong>in</strong>d:<br />

• Das Verteilen e<strong>in</strong>er gelösten Substanz zwischen zwei nicht mischbaren Lösungsmitteln<br />

durch Ausschütteln o<strong>der</strong> kont<strong>in</strong>uierliche Extraktion (Perforation).<br />

• Die Extraktion fester Stoffe mit kalten o<strong>der</strong> heißen Lösungsmitteln. Diese Methode steht<br />

häufig am Anfang <strong>der</strong> Isolierung von Naturstoffen aus pflanzlichem o<strong>der</strong> tierischem Material.<br />

Schwerlösliche Verb<strong>in</strong>dungen können auf diese Weise auch umkristallisiert werden<br />

(siehe Abschnitt 8.3).<br />

8.1 Physikalische Grundlagen<br />

Gibt man zur Lösung e<strong>in</strong>er Verb<strong>in</strong>dung (A) <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Solvens (1) e<strong>in</strong> zweites, mit (1) nicht<br />

mischbares Solvens (2), so verteilt sich – nach E<strong>in</strong>stellung des Gleichgewichts – die Verb<strong>in</strong>dung<br />

A zwischen den beiden Solventien entsprechend dem Verhältnis <strong>der</strong> Löslichkeit von A<br />

<strong>in</strong> diesen beiden Solventien. Die Gleichgewichtslage wird durch den Nernst'schen Verteilungssatz<br />

beschrieben:<br />

[A]<br />

Solv.2<br />

c = 2<br />

c: Gleichgewichtskonzentration <strong>der</strong> Substanz A <strong>in</strong> den<br />

= k<br />

[A]<br />

Solv.1<br />

c<br />

Solventien 1 bzw. 2 [mol/l]<br />

1<br />

k: Verteilungskoeffizient (temperaturabhängig!)<br />

Im Gleichgewicht ist also das Verhältnis <strong>der</strong> Konzentrationen c 2 /c 1 <strong>der</strong> gelösten Verb<strong>in</strong>dung<br />

A <strong>in</strong> den Solventien 1 und 2 konstant und damit unabhängig von <strong>der</strong> Gesamtmenge an Substanz<br />

A. E<strong>in</strong>e Substanz lässt sich umso vollständiger aus dem Solvens 1 <strong>in</strong> das Solvens 2<br />

überführen, je kle<strong>in</strong>er se<strong>in</strong>e Löslichkeit <strong>in</strong> 1 und je größer sie im Solvens 2 ist.<br />

Beispiel: Aus <strong>der</strong> Lösung e<strong>in</strong>er Verb<strong>in</strong>dung A <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Solvens 1 soll A mit <strong>der</strong> gleichen<br />

Menge e<strong>in</strong>es Solvens 2 extrahiert werden. Welche Ergebnisse werden <strong>in</strong> Abhängigkeit von k<br />

erzielt? (Tab. 8.1).<br />

Tab. 8.1: Verteilung von A <strong>in</strong> Solvens 1 bzw. 2 nach e<strong>in</strong>maliger Extraktion.<br />

k Solvens 1 Solvens 2<br />

∞ 0 % 100 %<br />

1000 0.09 % 99.91 %<br />

100 0.99 % 99.01 %<br />

10 9.09 % 90.91 %<br />

1 50.0 % 50.0 %<br />

0.1 90.9 % 9.1 %<br />

168


8.1 Physikalische Grundlagen<br />

Hieraus ergibt sich:<br />

• bei k > 100 genügt e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>malige Extraktion.<br />

• bei 10 < k


8. Extraktion<br />

<strong>der</strong> Austausch und die Gleichgewichtse<strong>in</strong>stellung über die Phasengrenze. E<strong>in</strong>e große Phasengrenze<br />

beschleunigt also die Gleichgewichtse<strong>in</strong>stellung.<br />

Extraktion mit dem Scheidetrichter (Ausschütteln)<br />

Das e<strong>in</strong>fachste Gerät zur Extraktion von Lösungen ist <strong>der</strong> Scheidetrichter (Abb. 8.1) mit e<strong>in</strong>er<br />

Schlifföffnung (NS 14.5 o<strong>der</strong> NS 29) und e<strong>in</strong>em Schliff-Ablasshahn. Der Scheidetrichter wird<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>en an e<strong>in</strong>em Stativ befestigten Eisenr<strong>in</strong>g e<strong>in</strong>gehängt. Anschließend gießt man die zu extrahierende<br />

Lösung und das organische Solvens zur Extraktion <strong>in</strong> den Scheidetrichter. Man<br />

achte darauf, dass spezifisch leichtere Solventien die obere, spezifisch schwerere Solventien<br />

die untere Phase bilden (Abb. 8.1a). Zur Extraktion wird <strong>der</strong> Scheidetrichter mit e<strong>in</strong>em<br />

Schliffstopfen verschlossen und e<strong>in</strong>ige M<strong>in</strong>uten nach ‚Barmixerart‘ geschüttelt (‚Ausschütteln‘)<br />

(Abb. 8.1b).<br />

Auf diese Weise wird e<strong>in</strong>e gute Durchmischung <strong>der</strong> Phasen und somit e<strong>in</strong>e große, sich ständig<br />

erneuernde Phasengrenze geschaffen. Man wartet die Trennung <strong>der</strong> Phasen ab und trennt sie<br />

durch Ablassen <strong>der</strong> spezifisch schwereren Phase durch den Ablasshahn. Der konisch zulaufende<br />

Scheidetrichter lässt e<strong>in</strong>e gute Trennung <strong>der</strong> beiden Phasen zu. Wenn erfor<strong>der</strong>lich, wird<br />

das Ausschütteln wie<strong>der</strong>holt.<br />

Abb. 8.1a: Scheidetrichter<br />

Abb. 8.1b: Ausschütteln mit dem Scheidetrichter<br />

Wichtige H<strong>in</strong>weise für die Durchführung <strong>der</strong> Extraktion:<br />

• Der Auslaufhahn des Scheidetrichters muss gut gefettet se<strong>in</strong>, die Bohrung des Hahnkükens<br />

darf aber nicht verstopft werden. Unzureichend gefettete Hähne ‚fressen‘ sich fest,<br />

die Phasen können nicht sauber getrennt werden.<br />

• Der Scheidetrichter sollte maximal zu etwa 3/4 gefüllt se<strong>in</strong>. Ist er zu voll, kann ke<strong>in</strong>e<br />

wirksame Durchmischung beim Schütteln erfolgen.<br />

170


8.2 Flüssig-flüssig-Extraktion<br />

• Noch bevor man zu schütteln beg<strong>in</strong>nt, wird durch vorsichtiges Öffnen des Hahns eventueller<br />

Überdruck aus dem Scheidetrichter abgelassen (Belüftung). Nach kurzem, vorsichtigem<br />

Umschütteln wird wie<strong>der</strong> belüftet und die Prozedur solange wie<strong>der</strong>holt, bis sich<br />

ke<strong>in</strong> merklicher Überdruck mehr bildet. Achtung! Beim Ausschütteln wässriger Lösungen<br />

mit leichtflüchtigen Lösungsmitteln (z. B. Diethylether) o<strong>der</strong> von organischen Lösungen<br />

mit NaHCO 3 -Lösung (Entfernung von Säuren!) kann sich e<strong>in</strong> erheblicher Druck aufbauen.<br />

Warme Lösungen entwickeln ebenfalls starken Überdruck. Häufiges Belüften ist hier unbed<strong>in</strong>gt<br />

erfor<strong>der</strong>lich!<br />

• Zur Extraktion wird jeweils e<strong>in</strong>ige M<strong>in</strong>uten geschüttelt, dazwischen immer wie<strong>der</strong> belüftet.<br />

Häufig bilden sich Emulsionen, die sich auch nach längerer Zeit nicht wie<strong>der</strong> auflösen.<br />

Wenn sich schon beim ersten vorsichtigen Schütteln zeigt, dass die Mischung zur<br />

Emulsionsbildung neigt, wird man das Verteilungsgleichgewicht nur durch vorsichtiges<br />

Kreisen und Schwenken des Scheidetrichters herstellen und zwischendurch immer wie<strong>der</strong><br />

absitzen lassen (siehe unten).<br />

• Für die Dauer <strong>der</strong> Phasentrennung wird <strong>der</strong> Scheidetrichter <strong>in</strong> den Stativr<strong>in</strong>g gehängt.<br />

Die Phasentrennung benötigt Zeit! Durch wie<strong>der</strong>holtes kreisförmiges Schwenken des<br />

Scheidetrichters kann die Phasentrennung beschleunigt werden.<br />

• Nach erfolgter Phasentrennung wird <strong>der</strong> Stopfen des Scheidetrichters entfernt und durch<br />

vorsichtiges Öffnen des Hahns die spezifisch schwerere, untere, meist wässrige Phase <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>en Erlenmeyerkolben abgelassen. Der Erlenmeyer wird beschriftet, mit e<strong>in</strong>em Uhrglas<br />

o<strong>der</strong> Stopfen verschlossen und beiseite gestellt.<br />

• Die obere, spezifisch leichtere Phase – meistens ist das die organische Phase – wird ebenfalls<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>en beschrifteten Erlenmeyerkolben abgelassen.<br />

• Falls erfor<strong>der</strong>lich, wird die Extraktion <strong>der</strong> Wasserphase wie<strong>der</strong>holt.<br />

Mehrfache Extraktion (Zwei-Scheidetrichter-Technik)<br />

Wie oben ausgeführt, ist die Extraktion viel wirksamer, wenn man statt e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong>e große<br />

Menge Lösungsmittel mehrmals kle<strong>in</strong>e Mengen verwendet.<br />

Wenn das Lösungsmittel die obere spezifisch leichtere Phase bildet, wird die wässrige Phase<br />

mit Resten <strong>der</strong> zu extrahierenden Substanz aus dem Scheidetrichter (1) <strong>in</strong> den Scheidetrichter<br />

(2) abgelassen und dort mit frischem Lösungsmittel extrahiert. Die organische Phase <strong>der</strong> ersten<br />

Extraktion wird <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Enghals-Erlenmeyer-Kolben aufbewahrt, so dass <strong>der</strong> Scheidetrichter<br />

(1) wie<strong>der</strong> für die Aufnahme <strong>der</strong> wässrigen Phase zur Verfügung steht. Die organischen<br />

Extrakte vere<strong>in</strong>igt man (Abb. 8.2).<br />

In <strong>der</strong> Regel enthält die organische Phase das Produkt. Sie wird zunächst mit e<strong>in</strong>em geeigneten<br />

Trockenmittel (z. B. Natriumsulfat o<strong>der</strong> Calciumchlorid) getrocknet, nach dem Abfiltrieren<br />

des Trockenmittels wird das Solvens abdestilliert. Die saubere Abtrennung <strong>der</strong><br />

Wasserphase im Scheidetrichter ist wichtig, um Trockenmittel zu sparen. Wassertropfen <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> organischen Phase kann man durch Klopfen an die Glaswand des Scheidetrichters <strong>in</strong> die<br />

Wasserphase ‚runterschütteln‘.<br />

171


8. Extraktion<br />

Abb. 8.2: Mehrfach-Extraktion mit <strong>der</strong> ‚Zwei-Scheidetrichter-Technik‘.<br />

Ratschläge zum Ausschütteln<br />

• Häufig ist nur schwer zu entscheiden, welche Phase die Wasser- und welche die organische<br />

Phase ist. Normalerweise bilden die gegenüber Wasser spezifisch leichteren Solventien<br />

(z.B. Ether, Toluol, Essigsäureethylester) die obere, spezifisch schwerere Solventien<br />

(z.B. CH 2 Cl 2 , CHCl 3 , CCl 4 ) die untere Phase.<br />

Beson<strong>der</strong>s bei stark salzhaltigen Lösungen kann es selbst beim Ausschütteln mit spezifisch<br />

schweren Solventien, z. B. Dichlormethan, zur Vertauschung <strong>der</strong> Phasen kommen.<br />

Zur Prüfung entnimmt man mit <strong>der</strong> Tropfpipette e<strong>in</strong>e Probe und verdünnt diese im Mikroreagenzglas<br />

mit etwas Wasser o<strong>der</strong> Solvens.<br />

• Filmbildung an <strong>der</strong> Grenzfläche: Dieses häufig beobachtete Phänomen erschwert die<br />

genaue Trennung <strong>der</strong> Phasen. Im Zweifelsfall trennt man die Phasen großzügig und<br />

schüttelt nochmals aus.<br />

Zur Auflösung von Emulsionen, die e<strong>in</strong>e Trennung <strong>der</strong> Phasen erschweren o<strong>der</strong> sogar verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n,<br />

kann man folgende Tricks anwenden:<br />

• Der Wasserphase wird etwas Salz zugesetzt (NaCl, Na 2 SO 4 ). Dies ist beim Ausschütteln<br />

wässriger Phasen mit spezifisch leichteren Solventien grundsätzlich zu empfehlen. In Extremfällen<br />

muss die wässrige Phase mit Salz gesättigt werden.<br />

• Die Dichtedifferenz <strong>der</strong> beiden Phasen wird vergrößert z. B. durch Zusatz von Petrolether<br />

zu e<strong>in</strong>er leichten o<strong>der</strong> Tetrachlorkohlenstoff zu e<strong>in</strong>er spezifisch schwereren organischen<br />

Phase.<br />

• Der Mischung werden e<strong>in</strong>ige Tropfen e<strong>in</strong>es primären Alkohols (Methanol, Ethanol) o<strong>der</strong><br />

e<strong>in</strong>e Spur Silikonentschäumer zugesetzt.<br />

172


8.2 Flüssig-flüssig-Extraktion<br />

• Zusatz e<strong>in</strong>iger Tropfen BaCl 2 -Lösung. Dies ist nur s<strong>in</strong>nvoll bei basischen Lösungen, die<br />

beson<strong>der</strong>s leicht Emulsionen bilden.<br />

• Warten! Nach Stehen lassen über Nacht (verschlossener Scheidetrichter) lösen sich viele<br />

Emulsionen von selbst auf!<br />

Abschätzung des Verteilungskoeffizienten k, Auswahl des Solvens<br />

Der präparativ arbeitende Chemiker ist <strong>in</strong> den meisten Fällen nicht an <strong>der</strong> Bestimmung des<br />

Verteilungskoeffizienten <strong>in</strong>teressiert, son<strong>der</strong>n nur an e<strong>in</strong>em ungefähren Wert für k, um über<br />

das Verteilungsgleichgewicht (z.B. im System Wasser/organisches Solvens) Substanzen abtrennen<br />

o<strong>der</strong> re<strong>in</strong>igen zu können. Die Tabelle 8.2 vermittelt e<strong>in</strong>ige Anhaltspunke.<br />

Tab. 8.2: Geschätzte Verteilungskoeffizienten k für organische Verb<strong>in</strong>dungen im System unpolares,<br />

organisches Solvens (c 1 ) / Wasser (c 2 ):<br />

Verb<strong>in</strong>dungen k = c 1 /c 2<br />

Kohlenwasserstoffe > 100<br />

Kohlenwasserstoffe mit Sauerstoff- und/o<strong>der</strong> stickstoffhaltigen funktionellen<br />

Gruppen:<br />

mit 5 C-Atomen / funktionelle Gruppe ca. 10<br />

mit 2 C-Atomen / funktionelle Gruppe ca. 1<br />

mit 1 C-Atom / funktionelle Gruppe ca. 0.1<br />

Salze organischer Säuren < 0.1<br />

Salze von Am<strong>in</strong>en und quartäre Ammoniumsalze < 0.1<br />

Anorganische Salze (z.B. NaCl, K 2 CO 3 , Na 2 SO 4 ) < 0.1<br />

Geht man von dem häufigsten Fall aus, dass e<strong>in</strong>e Substanz aus wässriger Lösung ausgeschüttelt<br />

werden soll, wird die Wahl des organischen Solvens von folgenden Faktoren bestimmt:<br />

• Das Solvens muss gegenüber <strong>der</strong> Verb<strong>in</strong>dung <strong>in</strong>ert se<strong>in</strong> (man wird z. B. nicht n-Butylam<strong>in</strong><br />

mit Essigsäureethylester ausschütteln: Mögliche Amidbildung!).<br />

• Die Löslichkeit <strong>der</strong> Substanz im Solvens soll möglichst groß se<strong>in</strong> (hoher k-Wert), um sie<br />

dem Wasser voll entziehen zu können.<br />

• Das Solvens soll nach Möglichkeit etwa 100 °C tiefer sieden als die Substanz, damit beim<br />

späteren Abdestillieren des Solvens ke<strong>in</strong>e Trennprobleme auftreten, hier liegen die großen<br />

Vorteile von Diethylether (Sdp. 35 °C), tert-Butylmethylether (Sdp. 54 °C), Dichlormethan<br />

(Sdp. 41 °C) und Petrolether (Sdp. 40–60 °C).<br />

• Bei hoher Wasserlöslichkeit <strong>der</strong> zu extrahierenden Verb<strong>in</strong>dungen (z.B. durch die Ausbildung<br />

von Wasserstoffbrücken) wird man das organische Solvens polarer wählen, z.B. Essigsäureethylester<br />

(Sdp. 77 °C) o<strong>der</strong> Isobutanol (Sdp. 61 °C).<br />

• Wird zur Extraktion e<strong>in</strong> mit Wasser mischbarer Alkohol verwendet – z.B. n-Propanol<br />

(Sdp. 97 °C) – muss die Phasentrennung durch Sättigen <strong>der</strong> wässrigen Phase mit Salzen,<br />

z.B. NaCl, Na 2 SO 4 o<strong>der</strong> Na 2 CO 3 , erzwungen werden. Dieses ‚Aussalzen‘ empfiehlt sich<br />

grundsätzlich bei sehr leicht wasserlöslichen Substanzen.<br />

173


8. Extraktion<br />

Wenn mehrfach ausgeschüttelt werden muss, könnte man die Dichte des zur Extraktion verwendeten<br />

Solvens so wählen, dass es spezifisch schwerer ist und nach <strong>der</strong> Phasentrennung<br />

e<strong>in</strong>fach ‚abgelassen‘ werden kann. Dadurch werden Ausbeuteverluste durch Umfüllen vermieden.<br />

Wird zum Beispiel e<strong>in</strong>e wässrige Lösung ausgeschüttelt, ist Dichlormethan o<strong>der</strong><br />

Chloroform als spezifisch schwereres Solvens vorteilhaft. Soll h<strong>in</strong>gegen e<strong>in</strong>e organische Lösung<br />

mit Wasser ausgeschüttelt werden, sollte die organische Phase nach Möglichkeit die<br />

spezifisch leichtere se<strong>in</strong> (Ether, Essigsäureethylester, aromatische und aliphatische Kohlenwasserstoffe).<br />

Der Verwendung chlorierter organischer Lösungsmittel stehen allerd<strong>in</strong>gs ihre hohe (Öko-)<br />

Toxizität und die hohen Kosten ihrer Entsorgung entgegen.<br />

Kont<strong>in</strong>uierliche Extraktion (Perforation)<br />

Bei Verteilungskoeffizienten k < 10 ist zur quantitativen Isolierung <strong>der</strong> Substanz vielfaches<br />

Ausschütteln erfor<strong>der</strong>lich. Dieses Verfahren ist sehr zeitaufwendig und es wird viel Solvens<br />

benötigt. Eleganter ist <strong>der</strong> E<strong>in</strong>satz von kont<strong>in</strong>uierlichen Flüssigextraktionsgeräten (Perforatoren).<br />

Für spezifisch leichtere Lösungsmittel kann <strong>der</strong> <strong>in</strong> Abb. 8.3 gezeigte Extraktor e<strong>in</strong>gesetzt<br />

werden. Da die Kolbengröße (2) variabel ist, eignet sich diese Apparatur auch für die Extraktion<br />

von großen Mengen.<br />

Abb. 8.3: E<strong>in</strong>facher Flüssigextraktor.<br />

Das Extraktionsgut wird <strong>in</strong> den Extraktionskolben<br />

(1) gefüllt und mit soviel Extraktionsmittel<br />

überschichtet, dass es gerade im Ansatz<br />

des Steigrohrs (3) überläuft. Der Kolben (2)<br />

wird etwa zur Hälfte mit Extraktionsmittel<br />

gefüllt und zum Sieden erhitzt. Der Lösungsmitteldampf<br />

steigt über das Steigrohr (3) <strong>in</strong><br />

den Kühler (4), wo er kondensiert wird und <strong>in</strong><br />

den Extraktionskolben tropft. Durch Rühren<br />

wird die Grenzfläche laufend erneuert, das<br />

Produkt wird kont<strong>in</strong>uierlich extrahiert. Die<br />

gesättigte, leichtere organische Phase läuft<br />

ständig über das Steigrohr zurück <strong>in</strong> den Kolben<br />

(2) und die extrahierte Substanz reichert<br />

sich <strong>in</strong> (2) an.<br />

Der Flüssigextraktor nach Kutscher-Steudel (Abb. 8.4) arbeitet nach dem gleichen Pr<strong>in</strong>zip:<br />

Hier wird das im Kühler (5) kondensierte Solvens über e<strong>in</strong>en Trichter (3) gesammelt und<br />

durch e<strong>in</strong> Rohr nach unten geleitet, wo es durch e<strong>in</strong>e grobe Glasfilterfritte durch das wässrige<br />

174


8.3 Fest-flüssig-Extraktion<br />

Extraktionsgut (4) nach oben perlt. Hierdurch ergibt sich e<strong>in</strong>e große Phasenoberfläche, gleichzeitig<br />

wird das Extraktionsgut durchmischt. Über das Steigrohr (2) gelangt das gesättigte<br />

Extraktionsmittel wie<strong>der</strong> <strong>in</strong> den Kolben (1), wo es am Sieden gehalten wird. E<strong>in</strong> Ablasshahn<br />

erlaubt die bequeme Entnahme <strong>der</strong> schwereren Phase nach <strong>der</strong> Extraktion.<br />

Abb. 8.4: Flüssigextraktor nach Kutscher-Steudel.<br />

1 Kolben mit Lösungsmittel zur Extraktion<br />

2 Steigrohr<br />

3 Fallrohr mit Trichter und Glasfrittenboden<br />

4 Extraktionsgut<br />

5 Rückflusskühler<br />

8.3 Fest-flüssig-Extraktion<br />

Die fest-flüssig-Extraktion wird seltener e<strong>in</strong>gesetzt. Im e<strong>in</strong>fachsten Fall wird <strong>der</strong> zu extrahierende<br />

Feststoff mit e<strong>in</strong>em geeigneten Lösungsmittel versetzt und bis zur Sättigung des Lösungsmittels<br />

gerührt (digeriert). Danach dekantiert man die klare Lösung vom Feststoff ab<br />

und wie<strong>der</strong>holt den Vorgang nötigenfalls.<br />

Wichtiger s<strong>in</strong>d kont<strong>in</strong>uierliche Verfahren zur Feststoffextraktion.<br />

Heißdampfextraktion<br />

Im Heißdampfextraktor (Abb. 8.5a) wird das Extraktionsgut <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Extraktionshülse (3) aus<br />

Papier o<strong>der</strong> Glasfasern e<strong>in</strong>gebracht, mit etwas Glaswolle abgedeckt und <strong>in</strong> das unten und oben<br />

offene Extraktionsrohr (2) gestellt. Die obere Schliffhülse muss weit se<strong>in</strong> (NS 45), um die<br />

Extraktionshülse e<strong>in</strong>stellen zu können. Im Kolben (1) wird das Lösungsmittel zum Sieden<br />

erhitzt. Der heiße Dampf streicht durch das Extraktionsrohr und wird im Kühler kondensiert.<br />

Dabei wird die Extraktionshülse vom heißen Dampf umspült und aufgeheizt. Das Kondensat<br />

tropft vom Rückflusskühler (4) direkt <strong>in</strong> die Hülse mit dem Extraktionsgut. Das Lösungsmittel<br />

mit dem extrahierten Produkt fließt durch die Hülse <strong>in</strong> den Kolben (1) zurück.<br />

Die Heißdampfextraktion ist auch zur extrahierenden Umkristallisation von schwer löslichen<br />

Produkten e<strong>in</strong>setzbar. Hier wird das Rohprodukt <strong>in</strong> die Extraktionshülse e<strong>in</strong>gebracht und ex-<br />

175


8. Extraktion<br />

trahiert. Sobald das Löslichkeitsprodukt im Kolben (1) überschritten ist, beg<strong>in</strong>nt die gere<strong>in</strong>igte<br />

Substanz auszukristallisieren. Durch diese Technik kann auch bei schwerlöslichen Verb<strong>in</strong>dungen<br />

mit wenig Lösungsmittel gearbeitet werden.<br />

Abb. 8.5: Fest-flüssig-Extraktionsapparaturen<br />

a) Heißdampfextraktor<br />

b) Soxleth-Extraktor<br />

1 Kolben mit Lösungsmittel<br />

2 Extraktionsrohr<br />

3 Extraktionshülse mit Feststoff<br />

und Glaswolle zum Abdecken<br />

4 Rückflusskühler<br />

5 Glasdornen<br />

6 Steigrohr<br />

7 Siphon-Verschluss<br />

Kaltextraktion im Soxleth-Extraktor<br />

Im Soxleth-Extraktor (Abb. 8.5b) wird <strong>der</strong> heiße Lösungsmitteldampf vom Kolben (1) über<br />

e<strong>in</strong> seitliches Steigrohr (2) <strong>in</strong> den Kühler (4) geleitet. Das Kondensat tropft auch hier <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e<br />

Hülse (3) mit dem Extraktionsgut. Das Extraktionsrohr ist unten geschlossen, das Lösungsmittel<br />

kann nicht abfließen, son<strong>der</strong>n füllt das Extraktionsgefäß. Wenn es das Niveau des Siphon-Verschlusses<br />

(7) erreicht hat, fließt das gesättigte Lösungsmittel vollständig <strong>in</strong> den<br />

Kolben (1) zurück. Im Gegensatz zum Heißdampfextraktor wird das Extraktionsgut nicht<br />

durch den Lösungsmitteldampf geheizt, es kommt nur mit dem kondensierten, kalten Solvens<br />

<strong>in</strong> Kontakt. Die Soxleth-Extraktion ist deshalb wegen <strong>der</strong> ger<strong>in</strong>geren thermischen Belastung<br />

für das Extraktionsgut sehr schonend, die extrahierte Substanz bef<strong>in</strong>det sich aber auch hier <strong>in</strong><br />

dem siedenden Lösungsmittel.<br />

Beim Arbeiten mit dem Soxleth-Extraktor muss unbed<strong>in</strong>gt darauf geachtet werden, dass genug<br />

Lösungsmittel verwendet wird: Auch bei gefülltem Extraktionsgefäß muss <strong>der</strong> Kolben (1)<br />

noch m<strong>in</strong>destens zu 1/4 gefüllt se<strong>in</strong>.<br />

Verwendung f<strong>in</strong>det diese Extraktionsart vor allem bei <strong>der</strong> Naturstoff-Isolierung.<br />

176


Kapitel 9<br />

Chromatographie<br />

9.1 Physikalische Grundlagen <strong>der</strong><br />

Flüssigkeitschromatographie<br />

9.2 Dünnschichtchromatographie (DC)<br />

9.3 Säulenchromatographie (SC, HPLC)<br />

9.4 Gaschromatographie (GC)<br />

Literaturverzeichnis<br />

177


9. Chromatographie<br />

Chromatographische Methoden werden heute universell e<strong>in</strong>gesetzt, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e dort, wo die<br />

klassischen Trennverfahren wie Destillation o<strong>der</strong> Umkristallisation versagen. Vor allem aus<br />

<strong>der</strong> Analytik s<strong>in</strong>d die chromatographischen Verfahren wegen ihrer hohen Trennleistung und<br />

ihrer hohen Empf<strong>in</strong>dlichkeit nicht mehr wegzudenken. Ohne chromatographische Methoden<br />

s<strong>in</strong>d die Analyse und die Isolierung von Naturstoffen nicht möglich. Die Chromatographie<br />

nützt ger<strong>in</strong>ge Unterschiede zwischen ähnlichen Stoffen zur Trennung. In <strong>der</strong> Analytik benötigt<br />

sie extrem wenig Substanz und sie ist im Normalfall leicht durchführbar.<br />

Alle chromatographischen Methoden beruhen auf <strong>der</strong> unterschiedlichen Verteilung von chemischen<br />

Substanzen <strong>in</strong> <strong>der</strong> stationären und mobilen Phase e<strong>in</strong>es chromatographischen Systems.<br />

Bei <strong>der</strong> Chromatographie wird das Substanzgemisch von e<strong>in</strong>er mobilen (strömenden) Gaso<strong>der</strong><br />

Solvens-Phase (Fließmittel) an e<strong>in</strong>er stationären Phase vorbeigeführt. Dabei f<strong>in</strong>det laufend<br />

e<strong>in</strong> Stoffaustausch <strong>der</strong> zu trennenden Substanzen zwischen stationärer und mobiler Phase<br />

statt (multiplikative Verteilung). In Abhängigkeit von ihrem Verteilungsverhältnis (Verteilungskoeffizienten)<br />

wan<strong>der</strong>n die Komponenten <strong>der</strong> Mischung mit unterschiedlicher Geschw<strong>in</strong>digkeit<br />

<strong>in</strong> Strömungsrichtung <strong>der</strong> mobilen Phase und trennen sich damit auf.<br />

Das Trennpr<strong>in</strong>zip an <strong>der</strong> stationären Phase kann auf folgende Retentionsmechanismen<br />

zurückgeführt werden:<br />

• Adsorption: Die Komponenten gehen e<strong>in</strong>e direkte Wechselwirkung mit <strong>der</strong> Oberfläche<br />

<strong>der</strong> festen Phase e<strong>in</strong>. Die Stärke <strong>der</strong> Adsorption hängt von den spezifischen Wechselwirkungen<br />

Adsorbens/Substrat ab (Langmuir'sche Adsorptionsisotherme) und wird bestimmt<br />

durch die Konkurrenz Adsorption des Substrats/Adsorption des Laufmittels.<br />

• Verteilung: Die Trennung beruht auf unterschiedlichen Löslichkeiten <strong>der</strong> Komponenten<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> stationären Phase. Es gilt <strong>der</strong> Nernst'sche Verteilungssatz. Bei <strong>der</strong> Flüssigkeitschromatographie<br />

kann beim Konditionieren e<strong>in</strong> Teil <strong>der</strong> mobilen Phase <strong>in</strong> die Poren <strong>der</strong><br />

Säulenfüllung e<strong>in</strong>dr<strong>in</strong>gen und dort durch Adsorption ‚festgehalten‘ werden. Dadurch wird<br />

e<strong>in</strong>e stationäre Phase gebildet. Die Trennwirkung bei <strong>der</strong> Chromatographie beruht <strong>in</strong><br />

diesem Fall auf <strong>der</strong> Verteilung <strong>der</strong> Komponenten zwischen <strong>der</strong> ‚freien‘ und <strong>der</strong> <strong>in</strong> den<br />

Poren zurückgehaltenen Flüssigkeit.<br />

• Größenausschluss: Die mobile Phase ist porös mit def<strong>in</strong>ierten Porengrößen. Große Moleküle<br />

können nicht weniger gut o<strong>der</strong> gar nicht <strong>in</strong> die Poren e<strong>in</strong>dr<strong>in</strong>gen und werden deshalb<br />

weniger stark zurückgehalten.<br />

Meist wirken sowohl Adsorption und Verteilung, jedoch mit unterschiedlicher Stärke. Die <strong>in</strong><br />

diesem Abschnitt zunächst behandelte Dünnschicht- und Säulenchromatographie (Kap. 9.2<br />

und 9.3) arbeitet überwiegend nach dem Adsorptionspr<strong>in</strong>zip.<br />

178


9.1 Physikalische Grundlagen <strong>der</strong> Flüssigkeitschromatographie<br />

Je nachdem, welchen Aggregatzustand die Phasen besitzen, unterscheidet man folgende Methoden:<br />

• Papierchromatographie<br />

• Dünnschichtchromatographie<br />

• Säulenchromatographie<br />

• Gaschromatographie<br />

mobile Phase<br />

stationäre Phase<br />

flüssig<br />

fest<br />

flüssig Flüssig-Flüssig-Chromatagraphie<br />

(Verteilungs-Chromatographie)<br />

Flüssig-Fest-Chromatographie<br />

(Adsorptions-Chromatagraphie,<br />

Austausch-Chromatographie)<br />

gasförmig Gas-Flüssig-Chromatographie Gas-Fest-Chromatographie<br />

(Gas-Chromatographie)<br />

9.1 Physikalische Grundlagen <strong>der</strong> Flüssigkeitschromatographie<br />

Als stationäre Phasen werden <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel Feststoffe mit großer <strong>in</strong>nerer Oberfläche (z.B. Kieselgel<br />

60 mit Porenweite 60 Å) e<strong>in</strong>gesetzt. Entscheidend für das Trennpr<strong>in</strong>zip (Adsorption<br />

o<strong>der</strong> Verteilung) ist die Adsorptionsfähigkeit. Typische Adsorbentien (geordnet nach steigen<strong>der</strong><br />

Adsorptionsaktivität) s<strong>in</strong>d z.B:<br />

Cellulose, Stärke < Kieselgur (= Celite) < Calciumcarbonat<br />

< Kieselgel < Alum<strong>in</strong>iumoxid < Aktivkohle<br />

Insbeson<strong>der</strong>e Kieselgel und Alum<strong>in</strong>iumoxid werden <strong>in</strong> <strong>der</strong> Chromatographie universell e<strong>in</strong>gesetzt.<br />

Beide oxidischen Adsorbentien s<strong>in</strong>d sehr polar, ihre Aktivität wird entscheidend durch<br />

den Wassergehalt bestimmt; die Wassermoleküle besetzen die hydroxidischen Adsorptionsstellen.<br />

Nach Brockmann werden bei Kieselgel und Alum<strong>in</strong>iumoxid 5 Aktivitätsstufen unterschieden<br />

(Tab. 9.1). Ausgehend von <strong>der</strong> Aktivitätsstufe I kann die Aktivität durch Wasserzugabe e<strong>in</strong>gestellt<br />

werden.<br />

Tab. 9.1: Aktivitätsstufen von Kieselgel und Alum<strong>in</strong>iumoxid nach Brockmann<br />

Aktivitätsstufe Alum<strong>in</strong>iumoxid Kieselgel<br />

Wasserzusatz [%]<br />

I 0 0<br />

II 3 10<br />

III 6 12<br />

IV 10 15<br />

V 15 20<br />

179


9. Chromatographie<br />

Alum<strong>in</strong>iumoxid <strong>der</strong> Akt.-Stufe I ist handelsüblich, die Akt.-Stufen II–V werden hergestellt,<br />

<strong>in</strong>dem man Al 2 O 3 <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em ausreichend großen und verschließbaren Gefäß mit <strong>der</strong> berechneten<br />

Menge an Wasser versetzt, kräftig durchmischt und über Nacht stehen lässt. Achtung:<br />

Alum<strong>in</strong>iumoxid kann bei <strong>der</strong> Zugabe von Wasser sehr heiß werden, Adsorptionswärme!<br />

Zusätzlich ist neutrales, saures und basisches Al 2 O 3 im Handel (ungefähre pH-Werte <strong>der</strong><br />

wässrigen Suspensionen: 7, 4 bzw. 9.5). Der genaue pH-Wert ist abhängig von <strong>der</strong> Herstellung.<br />

• Basisches (kationotropes) Alum<strong>in</strong>iumoxid besitzt Al-O - -Gruppen, die zusätzlich Kationen-Austauschfunktionen<br />

übernehmen.<br />

• Saures (anionotropes) Alum<strong>in</strong>iumoxid besitzt die Fähigkeit zum Anionen-Austausch.<br />

Organische Säuren werden also an basischem Al 2 O 3 stärker adsorbiert als an saurem Al 2 O 3 ,<br />

bei Am<strong>in</strong>en s<strong>in</strong>d die Verhältnisse umgekehrt.<br />

Kieselgel ist das am häufigsten verwendete Adsorptionsmittel. Die Si-OH-Gruppen im Kieselgel<br />

liegen entwe<strong>der</strong> frei vor o<strong>der</strong> s<strong>in</strong>d über Wasserstoffbrücken verbunden. Die Aktivität<br />

des käuflichen Kieselgels kann durch Erhitzen auf 150 °C gesteigert werden, dabei wird das<br />

physikalisch gebundene Wasser abgegeben und die Si-OH-Gruppen freigelegt. Bei 150 °C im<br />

Vakuum behandeltes (‚ausgeheiztes‘) Kieselgel besitzt die höchste Oberflächenaktivität.<br />

Vorsicht! Wird Kieselgel auf über 200 °C erhitzt, entstehen unter Wasserabspaltung Siloxangruppen,<br />

die Selektivität für die Adsorption polarer Stoffe geht verloren:<br />

180<br />

2 R 3 Si−OH → R 3 Si−O−SiR 3 + H 2 O<br />

Kieselgel <strong>der</strong> Aktivitätsstufen II–V wird – wie bei Alum<strong>in</strong>iumoxid beschrieben – durch Wasserzusatz<br />

e<strong>in</strong>gestellt (Tab. 9.1).<br />

Allgeme<strong>in</strong> gilt: Bei hoher Aktivität des Adsorbens wird das Trennpr<strong>in</strong>zip auf die Seite <strong>der</strong><br />

Adsorptionschromatographie verschoben, empf<strong>in</strong>dliche Substanzen können<br />

verän<strong>der</strong>t o<strong>der</strong> irreversibel festgehalten werden. Mit steigendem Wassergehalt<br />

wirken Kieselgel und Alum<strong>in</strong>iumoxid zunehmend als hydrophile Phase für<br />

die Verteilungschromatographie (bei <strong>der</strong> Verwendung e<strong>in</strong>es weitgehend hydrophoben<br />

Eluens, z.B. n-Hexan).<br />

Modifizierte Kieselgele werden <strong>in</strong> <strong>der</strong> analytischen Chromatographie häufig e<strong>in</strong>gesetzt,<br />

gew<strong>in</strong>nen aber auch für die präparative Trennung zunehmend an Bedeutung. Die freien Si-<br />

OH-Gruppen auf <strong>der</strong> Kieselgeloberfläche werden durch organische Reste (Si-R) ersetzt.<br />

Dadurch lassen sich die Eigenschaften des Adsorbens <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em weiten Bereich variieren. Bei<br />

<strong>der</strong> Umkehrphasen-Chromatographie (Reversed-Phase Chromatography, RPC) ist <strong>der</strong><br />

organische Rest R unpolar (z.B. R = Alkyl) und damit auch die Oberfläche <strong>der</strong> stationären<br />

Phase. Die Elution erfolgt mit polaren mobilen Phasen (z.B. Wasser/Alkohol-Mischungen).


9.1 Physikalische Grundlagen <strong>der</strong> Flüssigkeitschromatographie<br />

Mobile Phase (Eluentien, Laufmittel)<br />

Die mobile Phase übernimmt die Entwicklung des Chromatogramms durch unterschiedliche<br />

Elution <strong>der</strong> Komponenten vom Adsorbens.<br />

Die Lösungsmittel können nach ihrer Elutionskraft <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er sogenannten elutropen Reihe<br />

e<strong>in</strong>geordnet werden. Je höher die Elutionskraft e<strong>in</strong>es Lösungsmittels ist, desto schneller wan<strong>der</strong>t<br />

e<strong>in</strong>e Substanz über die jeweilige stationäre Phase. In Tabelle 9.2 werden die gebräuchlichsten<br />

Lösungsmittel <strong>in</strong> <strong>der</strong> elutropen Reihe für das hydrophile Adsorbens Alum<strong>in</strong>iumoxid<br />

angegeben. Die Elutionskraft auf Kieselgel bezogen auf Alum<strong>in</strong>iumoxid lässt sich abschätzen<br />

nach:<br />

ε 0 SiO 2<br />

≅ 0.77 ε 0 Al 2 O 3<br />

Um reproduzierbare Ergebnisse zu erreichen, sollten nur gere<strong>in</strong>igte Lösungsmittel<br />

verwendet werden, da polare Verunre<strong>in</strong>igungen (z.B. Wasser) die Elutionskraft ε 0 e<strong>in</strong>es<br />

Lösungsmittels drastisch än<strong>der</strong>n können. Handelsübliches Chloroform enthält beispielsweise<br />

bis zu 1% Ethanol als Stabilisator und auch <strong>der</strong> Wassergehalt <strong>in</strong> organischen Lösungsmitteln<br />

darf nicht unterschätzt werden! Die Re<strong>in</strong>igung <strong>der</strong> gebräuchlichsten Lösungsmittel wird im<br />

Kap. 11.4 beschrieben.<br />

Tab. 9.2: Elutrope Reihe e<strong>in</strong>iger wichtigen Solventien für die Flüssigkeitschromatographie.<br />

Die ε o -Werte gelten für Al 2 O 3 .<br />

Solvens Elutionskraft ε o UV-Durchlässigkeit*) [nm]<br />

n-Pentan 0.00 195<br />

n-Hexan 0.00 190<br />

n-Heptan 0.01 200<br />

Cyclohexan 0,04 200<br />

Toluol 0.29 285<br />

Diethylether 0.38 205<br />

Dichlormethan 0.39 230<br />

Chloroform 0.40 245<br />

tert-Butylmethylester ca. 0.5 220<br />

Methylethylketon 0.51 330<br />

Aceton 0.56 330<br />

1,4-Dioxan 0.56 220<br />

Tetrahydrofuran (THF) 0.57 220<br />

Essigsäureethylester 0.58 260<br />

Acetonitril 0.65 190<br />

2-Propanol 0.82 210<br />

1-Propanol 0.82 250<br />

Ethanol 0.88 210<br />

Methanol 0.95 205<br />

Wasser sehr groß 180<br />

*) Die UV-Durchlässigkeit gibt die Wellenlänge an, bei <strong>der</strong> noch 10% Durchlässigkeit erreicht werden (1 cm Schichtdicke,<br />

gegen Luft gemessen).<br />

181


9. Chromatographie<br />

n-Hexan sollte wegen se<strong>in</strong>er Neurotoxizität durch n-Heptan ersetzt werden. Für die präparative<br />

Säulenchromatographie wird meistens Petrolether mit e<strong>in</strong>em Siedebereich von 40–60 °C<br />

(PE 40/60) wegen se<strong>in</strong>es günstigen Preises verwendet.<br />

E<strong>in</strong>fluss <strong>der</strong> chemischen Struktur von Verb<strong>in</strong>dungen auf das chromatographische Verhalten<br />

Die chemische Struktur e<strong>in</strong>er Verb<strong>in</strong>dung bestimmt wesentlich ihr chromatographisches Verhalten:<br />

• Mit zunehmen<strong>der</strong> Polarität <strong>der</strong> Verb<strong>in</strong>dung wird diese stärker adsorbiert, damit nimmt die<br />

Wan<strong>der</strong>ungsgeschw<strong>in</strong>digkeit am Adsorbens ab.<br />

• Wasserstoffbrücken-Donatoren (Alkohole, Carbonsäuren etc.) adsorbieren beson<strong>der</strong>s gut<br />

an oxidischen Adsorbentien (Kieselgel, Alum<strong>in</strong>iumoxid).<br />

• Bei ungesättigten und aromatischen Kohlenwasserstoffen steigt die Adsorptionsstärke mit<br />

<strong>der</strong> Größe des konjugierten π-Systems.<br />

Substanzen mit niedriger Polarität wird man demnach an Adsorbentien mit hoher Adsorptionsstärke<br />

mit e<strong>in</strong>em schwach eluierenden Solvens chromatographieren und umgekehrt. Das<br />

geeignete System Eluent/Adsorbens kann für e<strong>in</strong> Stoffgemisch gegebener Polarität mit Hilfe<br />

des Dreieck-Schemas <strong>in</strong> Abb. 9.1 relativ gut qualitativ ermittelt werden:<br />

Abb. 9.1: Dreieckschema nach E. Stahl.<br />

Die markierte Spitze des <strong>in</strong>neren Dreiecks<br />

wird auf die Polarität des zu trennenden<br />

Gemisches e<strong>in</strong>gestellt. An den<br />

beiden an<strong>der</strong>en Ecken des Dreiecks<br />

kann die Aktivität <strong>der</strong> stationären<br />

Phase und die Polarität des Elutionsmittels<br />

abgelesen werden.<br />

182


9.2 Dünnschichtchromatographie<br />

9.2 Dünnschichtchromatographie (DC)<br />

Die Dünnschichtchromatographie (DC) wird vor allem <strong>in</strong> <strong>der</strong> Analytik e<strong>in</strong>gesetzt. Sie besitzt<br />

folgende Vorteile:<br />

• Ger<strong>in</strong>ger apparativer Aufwand.<br />

• Hohe Trennleistung.<br />

• Ger<strong>in</strong>ger Substanzbedarf, weniger als 0.1 mg s<strong>in</strong>d völlig ausreichend, die Nachweisgrenze<br />

liegt bei 1 bis 10 μg/Substanz, bei Verwendung von HPTLC-Platten (High Performance<br />

Th<strong>in</strong> Layer Chromatographie) kann die Methode sogar bis <strong>in</strong> den ng-Bereich angewandt<br />

werden.<br />

• Die Entwicklungszeit für e<strong>in</strong> Chromatogramm ist kurz (10–90 M<strong>in</strong>uten).<br />

• Funktionelle Gruppen lassen sich auf dem Dünnschichtchromatogramm mit spezifischen<br />

Sprühreagentien nachweisen.<br />

• Der E<strong>in</strong>satz von Vergleichssubstanzen erlaubt oft die Identifizierung e<strong>in</strong>er unbekannten<br />

Substanz.<br />

Die DC-Chromatographie bewährt sich zur<br />

• Analyse von Produktgemischen im Mikromaßstab.<br />

• Verfolgung chemischer Reaktionen (Verbrauch von Edukten, Bildung von Produkten).<br />

• Re<strong>in</strong>heitskontrolle.<br />

• Ermittlung <strong>der</strong> Bed<strong>in</strong>gungen für die präparative Säulenchromatographie.<br />

Die DC verwendet dünne Schichten e<strong>in</strong>es Adsorbens (Schichtdicke ca. 0.1 bis 0.25 mm) auf<br />

Platten e<strong>in</strong>es lösungsmittelfesten Trägermaterials.<br />

Handelsüblich s<strong>in</strong>d käufliche DC-Fertigplatten aus Glas, Alum<strong>in</strong>iumfolie o<strong>der</strong> lösungsmittelbeständiger<br />

Kunststofffolie als Trägermaterial <strong>in</strong> verschiedenen Größen (z. B. 20x20 cm).<br />

DC-Platten auf Alum<strong>in</strong>ium- o<strong>der</strong> Kunststofffolie lassen sich mit e<strong>in</strong>er Schere leicht auf die<br />

gewünschte Größe zuschneiden. Als Adsorbentien s<strong>in</strong>d Kieselgel, Alumiumoxid, Cellulose,<br />

Polyamid und oberflächenmodifizierte Kieselgele handelsüblich.<br />

9.2.1 Durchführung <strong>der</strong> Dünnschichtchromatographie<br />

Wahl des Laufmittels<br />

Die Wahl des erfor<strong>der</strong>lichen Laufmittels ist abhängig von <strong>der</strong> Struktur <strong>der</strong> zu trennenden Substanzen.<br />

Bei unbekannten Proben wird zunächst e<strong>in</strong> Laufmittel mit mittlerer Elutionskraft<br />

gewählt (z.B. Essigsäureethylester). Bevor man zu an<strong>der</strong>en Solventien greift, erprobt man<br />

z. B. Mischungen von Essigester (EtOAc) und Petrolether (PE) mit zunehmendem PE-Gehalt.<br />

183


9. Chromatographie<br />

Man beg<strong>in</strong>nt mit e<strong>in</strong>em Verhältnis EtOAc:PE = 10:1 und erhöht den PE-Anteil (10:2, 10:3,<br />

usw.) bis man e<strong>in</strong>en R F -Wert (siehe unten) von 0.3–0.5 erreicht. Falls die Probe <strong>in</strong> EtOAc zu<br />

langsam läuft, gibt man e<strong>in</strong> stärker eluotropes Solvens zu, z. B. Ethanol.<br />

Auftragung des Substanzgemisches<br />

E<strong>in</strong>e ger<strong>in</strong>ge Menge <strong>der</strong> Substanzprobe wird <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em möglichst wenig polaren Lösungsmittel<br />

gelöst (ca. 0.1–1-prozentige Lösung) und mit e<strong>in</strong>er fe<strong>in</strong>en Kapillare im Abstand von 1 cm<br />

vom unteren und seitlichen Rand <strong>der</strong> DC-Platte durch kurzes, vorsichtiges Auftupfen so aufgetragen,<br />

dass <strong>der</strong> Fleckendurchmesser max. 3 mm beträgt. Hierzu eignet sich e<strong>in</strong> zur<br />

Kapillare ausgezogenes, mit <strong>der</strong> Probe gefülltes Schmelzpunktröhrchen. Bei verdünnten<br />

Lösungen wird diese Prozedur e<strong>in</strong>fach o<strong>der</strong> mehrfach wie<strong>der</strong>holt. Größere Mengen an<br />

Probensubstanz werden mit Hilfe e<strong>in</strong>er Mikropipette streifenförmig auf <strong>der</strong> Startl<strong>in</strong>ie aufgetragen.<br />

Diese Methode erhöht die Nachweisempf<strong>in</strong>dlichkeit, erfor<strong>der</strong>t aber etwas Übung.<br />

Zur Vere<strong>in</strong>fachung <strong>der</strong> Auftragung s<strong>in</strong>d DC-Fertigplatten mit e<strong>in</strong>er Konzentrierungszone im<br />

Handel. Diese besteht aus e<strong>in</strong>em chromatographisch <strong>in</strong>aktivem Material (z.B. Kieselgur) und<br />

konzentriert bei <strong>der</strong> Entwicklung die Substanzflecken an <strong>der</strong> Grenze zum chromatographisch<br />

aktivem Material zu schmalen Zonen auf.<br />

Werden mehrere Proben aufgetragen, sollte <strong>der</strong> Abstand <strong>der</strong> Startflecken etwa 10–15 mm<br />

betragen, ebenso <strong>der</strong> Abstand <strong>der</strong> äußeren Startflecken zum Rand. Zweckmäßigerweise werden<br />

die Startl<strong>in</strong>ie bzw. die Startpunkte markiert (z.B. durch e<strong>in</strong>en leichten Bleistiftstrich,<br />

vgl. Abb. 9.2).<br />

Entwicklung des Chromatogramms<br />

Die Entwicklung <strong>der</strong> Dünnschichtchromatogramme wird <strong>in</strong> Pressglaskästen (z. B. 20x20x<br />

10 cm) mit e<strong>in</strong>er Abdeckplatte o<strong>der</strong> <strong>in</strong> Schraubdeckelgläsern (∅ 5–10 cm) durchgeführt. Vor<br />

Durchführung <strong>der</strong> Chromatographie müssen die Trennkammern mit dem Laufmitteldampf<br />

gesättigt se<strong>in</strong>. Zu diesem Zweck kleidet man die Kammerwände mit Filterpapier aus, gießt<br />

anschließend das Laufmittel etwa 2–4 mm hoch <strong>in</strong> die Kammern und lässt 15–30 M<strong>in</strong>uten<br />

verschlossen stehen (das Filterpapier muss im Laufmittel stehen). Die Chromatographieplatten<br />

werden vorsichtig – mit den Substanzflecken unten – <strong>in</strong> die Kammern gestellt, die<br />

Flecken dürfen aber nicht <strong>in</strong> das Laufmittel tauchen. Das Laufmittel steigt dann durch die<br />

Kapillarkräfte nach oben. Die Entwicklung des Chromatogramms ist dann beendet, wenn <strong>in</strong><br />

den verschlossenen Kammern das Laufmittel bis kurz vor den oberen Rand <strong>der</strong> Platte gestiegen<br />

ist. Die Platte wird entnommen, die Lauffront sofort mit e<strong>in</strong>em Bleistift markiert und<br />

die Platte im Abzug getrocknet.<br />

Den Abstand von <strong>der</strong> Startl<strong>in</strong>ie bis zur Laufmittelfront bezeichnet man als Trennstrecke, er<br />

ist für die Auswertung e<strong>in</strong>es Chromatogramms von Bedeutung. Bei den üblichen Trennstre-<br />

184


9.2 Dünnschichtchromatographie<br />

cken von 6–16 cm beträgt die Laufzeit etwa 10–90 M<strong>in</strong>uten, abhängig von <strong>der</strong> Art des Laufmittels<br />

und <strong>der</strong> verwendeten Chromatographieplatte.<br />

Abb. 9.2: Schematischer Ablauf e<strong>in</strong>er Dünnschichtchromatographie<br />

Als Laufmittel verwendet man Lösungsmittel verschiedener Polarität, entwe<strong>der</strong> als Re<strong>in</strong>substanz<br />

o<strong>der</strong> als Solvensgemisch. Die Flussmittel können <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er eluotropen Reihe aufgelistet<br />

werden (siehe Tabelle 9.2).<br />

9.2.2 Identifizierung <strong>der</strong> Substanzflecken<br />

Nur <strong>in</strong> wenigen Fällen, z. B. bei Farbstoffen, können die Komponenten direkt an ihrer Eigenfarbe<br />

erkannt werden. In <strong>der</strong> Regel müssen zum Nachweis von farblosen Substanzen an<strong>der</strong>e<br />

Methoden herangezogen werden, dabei kann <strong>der</strong> Nachweis zugleich mit <strong>der</strong> Charakterisierung<br />

<strong>der</strong> Substanz verbunden se<strong>in</strong>. Meist wird e<strong>in</strong>e <strong>der</strong> folgenden Methoden verwendet:<br />

• Fluoreszenz bei UV-Bestrahlung: Viele Substanzen fluoreszieren bei Bestrahlung mit<br />

kurzwelligem UV-Licht (Quecksilberlampe, λ = 254 nm).<br />

• Fluoreszenzlöschung: Fast alle DC-Platten s<strong>in</strong>d mit Fluoreszenz<strong>in</strong>dikator <strong>in</strong> <strong>der</strong> Beschichtung<br />

im Handel erhältlich. Die unbelegte Platte fluoresziert bei Bestrahlung mit <strong>der</strong><br />

Hg-Lampe, alle Substanzflecken die <strong>in</strong> diesem UV-Bereich absorbieren, ersche<strong>in</strong>en<br />

dagegen dunkel.<br />

• Bedampfen mit Jod: Die entwickelte DC-Platte wird zusammen mit e<strong>in</strong>igen Körnchen<br />

Jod <strong>in</strong> e<strong>in</strong> verschlossenes Gefäß gestellt. Nach kurzer Zeit färben sich die Substanzflecken<br />

<strong>in</strong>tensiver braun als die Platte (o<strong>der</strong> bleiben manchmal auch heller als die Platte) und werden<br />

mit Bleistift markiert (die braune Färbung verblasst sehr schnell).<br />

• Sprühreagentien: Auf die entwickelte Platte werden Reagenslösungen aufgesprüht, die<br />

mit den Substanzflecken <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er chemischen Reaktion Verb<strong>in</strong>dungen mit charakteristischer<br />

Färbung liefern. Dafür verwendet man so genannte ‚Zerstäuber‘ aus Glas, die mit<br />

185


9. Chromatographie<br />

e<strong>in</strong>em Handgebläse betrieben werden. Gut eignen sich käufliche Sprühdosen mit angehängtem<br />

Behälter für Anfärbe-Reagentien. Das Aufsprühen muss <strong>in</strong> sehr fe<strong>in</strong>er Verteilung<br />

erfolgen (Sprühen aus 20–30 cm Entfernung), da zu starkes Besprühen die Substanzflecken<br />

verwäscht. Das Sprühen muss im Abzug o<strong>der</strong> speziellen Sprühkammern erfolgen!<br />

Für e<strong>in</strong>fache Analytik (z.B. Reaktionskontrolle) kann die DC-Platte auch kurz <strong>in</strong> das<br />

Anfärbe-Reagens getaucht werden. Dadurch wird <strong>der</strong> Sprühnebel <strong>der</strong> meist giftigen<br />

Reagentien vermieden. Dabei ist aber zu beachten, dass die Reagenslösung selbst wie e<strong>in</strong><br />

Eluens wirkt: e<strong>in</strong>e exakte Bestimmung <strong>der</strong> R F -Werte ist mit dieser Methode nicht<br />

möglich.<br />

Entwickelte DC-Platten werden immer zuerst nach Fluoreszenz o<strong>der</strong> Fluoreszenzlöschung<br />

untersucht und die gefundenen Substanzflecken mit Bleistift markiert. Danach kann mit Jod<br />

o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>em Sprühreagenz nach weiteren, im UV nicht sichtbaren Flecken gesucht werden.<br />

Sprühreagentien für bestimmte Verb<strong>in</strong>dungsklassen<br />

• Säuren: Zu e<strong>in</strong>er 0.05-prozentigen Lösung von Bromkresolgrün <strong>in</strong> Ethanol gibt man bis<br />

zum Umschlag nach blau verdünnte Natronlauge (0.1 M) und besprüht damit die DC-<br />

Platte. Säuren geben gelbe Flecken auf blauem Grund.<br />

• Am<strong>in</strong>osäuren, Peptide, primäre aromatische Am<strong>in</strong>e: Zu e<strong>in</strong>er 0.1-prozentigen Lösung<br />

von N<strong>in</strong>hydr<strong>in</strong> <strong>in</strong> wassergesättigtem 1-Butanol gibt man e<strong>in</strong>ige Tropfen Essigsäure und<br />

besprüht damit die DC-Platte. Beim Erwärmen mit e<strong>in</strong>em Föhn o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>er elektrischen<br />

Heizplatte entsteht e<strong>in</strong>e blaue bis braun-violette Färbung. Sprühdosen mit N<strong>in</strong>hydr<strong>in</strong>-Lösung<br />

s<strong>in</strong>d im Handel erhältlich.<br />

• Am<strong>in</strong>e: 4-Dimethylam<strong>in</strong>obenzaldehyd (Ehrlichs Reagenz) erzeugt gelbe bis violette Färbungen.<br />

• Aldehyde, Ketone: Man besprüht mit e<strong>in</strong>er Lösung von 2,4-D<strong>in</strong>itrophenylhydraz<strong>in</strong><br />

(500 mg) und konz. Schwefelsäure (2 ml) <strong>in</strong> Ethanol (100 ml). Man erhält langsam<br />

(schneller beim Erwärmen) rotorange Flecken auf gelbem Grund.<br />

• β-Diketone, β-Ketoester, Phenole: Man besprüht mit e<strong>in</strong>er Lösung aus FeCl 3 (1 g) <strong>in</strong><br />

Ethanol (200 ml), Wasser (50 ml) und konz. Salzsäure (2 ml). Man beobachtet rote –<br />

violette Flecken [Bildung <strong>der</strong> Eisen(III)-Komplexe].<br />

Unspezifische Sprühreagentien<br />

• Ekkert’s Reagenz: 100 ml Eisessig werden mit 2 ml konz. Schwefelsäure und 1 ml<br />

Anisaldehyd (4-Methoxybenzaldehyd) versetzt. Nach Besprühen <strong>der</strong> entwickelten DC-<br />

Platte mit <strong>der</strong> Reagenslösung muss e<strong>in</strong>ige M<strong>in</strong>uten auf 90–130 °C erhitzt werden (Fön).<br />

• Vanill<strong>in</strong>-Schwefelsäure: 1 g Vanill<strong>in</strong> wird <strong>in</strong> 100 ml Methanol gelöst und mit 12 ml Eisessig<br />

sowie 4 ml konz. Schwefelsäure versetzt. Nach Besprühen mit <strong>der</strong> Reagenslösung<br />

muss e<strong>in</strong>ige M<strong>in</strong>uten auf 110–130 °C erhitzt werden (Fön).<br />

186


9.2 Dünnschichtchromatographie<br />

Diese Reagentien s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>ige Wochen haltbar und liefern für viele Substanzklassen zum Teil<br />

unterschiedlich farbige Flecken. Sie können als universelle Färbereagentien e<strong>in</strong>gesetzt<br />

werden, z.B. bei Reaktionskontrollen.<br />

9.2.3 Auswertung und Dokumentation<br />

Die Lage <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen Substanzflecken wird durch den so genannten R F -Wert (Retentionso<strong>der</strong><br />

Verzögerungsfaktor) charakterisiert:<br />

R<br />

F<br />

d = =<br />

f<br />

Abb. 9.3: Ermittlung des Retentionsfaktors.<br />

Entfernung <strong>der</strong> Substanzflecken vom Start<br />

Entfernung <strong>der</strong> Solvensfront vom Start<br />

Def<strong>in</strong>itionsgemäß s<strong>in</strong>d die R F -Werte ≤ 1, und<br />

besitzen bei gegebenen Laufmittel, Adsorbens,<br />

Temperatur und Entwicklungsbed<strong>in</strong>gungen<br />

e<strong>in</strong>en charakteristischen Wert.<br />

F<br />

d<br />

d<br />

2<br />

( 1) = 1 ; R (2)<br />

f<br />

= F<br />

f<br />

Enthält die Probe Substanzen sehr unterschiedlicher Polarität, so entwickelt man zunächst die<br />

schwach polaren Substanzen und nach Trocknen die polaren Anteile mit e<strong>in</strong>em stärker eluierenden<br />

Lösungsmittel (Stufenentwicklung).<br />

R F -Werte geben H<strong>in</strong>weise auf die Natur <strong>der</strong> Substanzen. Bei <strong>der</strong> Dünnschicht-Chromatographie<br />

auf Kieselgel ist e<strong>in</strong>e Substanz mit größerem R F -Wert weniger polar als e<strong>in</strong>e Substanz<br />

mit kle<strong>in</strong>erem R F -Wert.<br />

Da <strong>der</strong> R F -Wert von vielen Faktoren abhängt (Laufmittel, Adsorbens, Temperatur, Trennkammer,<br />

Sättigung des Kammerraums, Substanzmenge usw.), ist se<strong>in</strong>e Reproduzierbarkeit<br />

ger<strong>in</strong>g, und die Identifizierung e<strong>in</strong>er Substanz mit Hilfe des R F -Werts aus <strong>der</strong> Literatur sehr<br />

problematisch. Daher ist es unbed<strong>in</strong>gt nötig, im gleichen Chromatogramm authentische<br />

Vergleichssubstanzen mitlaufen zu lassen.<br />

Zur Vorbereitung e<strong>in</strong>er präparativen Chromatographie können die R F -Werte wichtige H<strong>in</strong>weise<br />

liefern.<br />

R<br />

187


9. Chromatographie<br />

Störungen und Fehler<br />

• Die ‚Schwanzbildung‘ <strong>der</strong> wan<strong>der</strong>nden Flecken (Abb. 9.4a) ist e<strong>in</strong> häufiger Effekt, verantwortlich<br />

ist meist e<strong>in</strong>e zu große aufgetragene Substanzmenge. Wenn auch ger<strong>in</strong>gere<br />

Mengen ke<strong>in</strong>e Abhilfe schaffen, müssen das Laufmittel und/o<strong>der</strong> die Adsorptionsschicht<br />

gewechselt werden.<br />

• Die Laufmittelfront wan<strong>der</strong>t nicht gleichmäßig (Abb. 9.4b). Damit ergibt sich auch für die<br />

Flecken e<strong>in</strong>e ungleichmäßige Wan<strong>der</strong>geschw<strong>in</strong>digkeit, das Chromatogramm ist nicht reproduzierbar.<br />

Die Ursache ist meist e<strong>in</strong>e ungleiche Temperaturverteilung im Inneren <strong>der</strong><br />

Kammer (z.B. e<strong>in</strong>seitige Sonnene<strong>in</strong>strahlung) o<strong>der</strong> die Kammeratmosphäre ist nicht e<strong>in</strong>heitlich<br />

mit Solvensdampf gesättigt. Wan<strong>der</strong>t das Laufmittel nur an den Rän<strong>der</strong>n <strong>der</strong><br />

Schicht zu rasch, müssen diese auf etwa 1 mm vom Rand des Trägers entfernt werden.<br />

Abb. 9.4a: ‚Schwanzbildung‘ bei zu<br />

großer Substanzmenge<br />

Abb. 9.4b: Ungleichmäßige Laufmittelfront<br />

Weitere H<strong>in</strong>weise<br />

Wenn die Substanzflecken nach <strong>der</strong> Entwicklung nur e<strong>in</strong>en R F -Wert von 0.2–0.3 aufweisen,<br />

kann die Trennleistung beträchtlich gesteigert werden, wenn man die DC-Platte trocknen lässt<br />

und im selben Solvens e<strong>in</strong> zweites Mal entwickelt.<br />

Enthält die Probe Substanzen sehr unterschiedlicher Polarität, kann es s<strong>in</strong>nvoll se<strong>in</strong>, zuerst die<br />

schwach polaren Substanzen zu entwickeln und nach dem Trocknen die polaren Anteile des<br />

Chromatogramms mit e<strong>in</strong>em stärker eluierenden Solvens zu entwickeln.<br />

Lässt sich die vollständige Trennung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Laufrichtung nicht erzielen, kann man e<strong>in</strong> DC<br />

auch zweidimensional entwickeln. Dazu br<strong>in</strong>gt man auf e<strong>in</strong>er quadratischen Platte <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

Ecke die zu trennende Substanz auf und entwickelt das Chromatogramm völlig normal. Nach<br />

dem Trocknen wird die Platte um 90° gedreht und nochmals entwickelt. Bei schwierigen<br />

Trennproblemen bietet es sich an, für die 2. Entwicklung e<strong>in</strong> an<strong>der</strong>es Laufmittel zu verwenden<br />

(Abb. 9.5).<br />

188


9.2 Dünnschichtchromatographie<br />

Abb. 9.5: Zweidimensionale Dünnschichtchromatographie.<br />

9.2.4 Kontrolle von Reaktionsabläufen<br />

Zur Kontrolle <strong>der</strong> Reaktionsabläufe bei <strong>der</strong> Durchführung <strong>der</strong> Praktikumsversuche im ‚I.O.C.-<br />

Praktikum‘ ist die Dünnschichtchromatographie hervorragend geeignet. E<strong>in</strong> Vergleich <strong>der</strong> R F -<br />

Werte <strong>der</strong> Edukte und <strong>der</strong> möglichen Produkte erlaubt Aussagen über den Grad <strong>der</strong> Umsetzung<br />

<strong>der</strong> Edukte zu den Produkten.<br />

Auf <strong>der</strong> DC-Folie werden die Edukte und das Reaktionsgemisch aufgetragen (Abb. 9.6) und<br />

das Chromatogramm wird mit dem Laufmittel entwickelt.<br />

Im Normalfall verwendet man mit Kieselgel beschichtete Alufolien mit Fluoreszenz-Indikator<br />

(254). Die Substanzflecken können mit e<strong>in</strong>er UV-Lampe durch Fluoreszenzlöschung<br />

nachgewiesen werden.<br />

Abb. 9.6: Kontrolle des Reaktionsablaufs<br />

1: Edukt 1<br />

2: Edukt 2<br />

3: Reaktionsgemisch<br />

4: re<strong>in</strong>es Produkt<br />

(wenn vorhanden)<br />

Als Laufmittel hat sich das Solvensgemisch Essigester/Pentan im Verhältnis 1:1 bis 1:6<br />

bewährt. Weitere Solventien und Solvensgemische für die DC-Analytik <strong>der</strong> Produkte, die im<br />

Praktikum dargestellt werden, s<strong>in</strong>d nachstehend aufgeführt.<br />

189


9. Chromatographie<br />

Solventien und Solvensgemische für die DC-Analytik:<br />

Essigester<br />

Essigester/Cyclohexan<br />

Essigester/Dichlormethan<br />

Pentan/Aceton<br />

Pentan/THF<br />

Toluol<br />

Toluol/Essigester<br />

Toluol/Pentan<br />

Ethanol<br />

Diethylether<br />

Aceton<br />

Wenn <strong>der</strong> Nachweis <strong>der</strong> Substanzen auf dem DC durch Fluoreszenzlöschung versagt, empfehlen<br />

sich das sog. Ekkert’s Reagens, Vanill<strong>in</strong>/Schwefelsäure, Iod o<strong>der</strong> KMnO 4 (Abschnitt<br />

9.2.2).<br />

9.3 Säulenchromatographie (SC)<br />

Die Säulenchromatographie (SC) dient zur Trennung von Substanzgemischen im präparativen<br />

Maßstab. Dabei wird auf e<strong>in</strong>e mit Adsorbens (stationäre Phase) gefüllte Säule das Substanzgemisch<br />

aufgetragen und mit dem Laufmittel (mobile Phase) eluiert. Die e<strong>in</strong>zelnen Bestandteile<br />

des Substanzgemisches werden unterschiedlich schnell durch die Säule transportiert und<br />

erreichen nache<strong>in</strong>an<strong>der</strong> das Säulenende. Sie werden dort detektiert und <strong>in</strong> e<strong>in</strong>zelnen Gefäßen<br />

aufgefangen. Abb. 9.7 zeigt den schematischen Ablauf <strong>der</strong> SC.<br />

Abb. 9.7: Schematischer Ablauf <strong>der</strong> Säulenchromatographie:<br />

190


9.3 Säulenchromatographie<br />

Substanzmenge und Trenneffekt bestimmen Durchmesser und Länge <strong>der</strong> Säule sowie die Art<br />

und Menge des verwendeten Adsorbens und des Laufmittels. Wenn die Trennung zuerst mit<br />

<strong>der</strong> DC-Technik optimiert wurde, gel<strong>in</strong>gt häufig die Übertragung <strong>der</strong> stationären und mobilen<br />

Phase auch auf die Säulenchromatographie.<br />

9.3.1 Grundlagen <strong>der</strong> Säulenchromatographie<br />

Unter <strong>der</strong> Trennsäule versteht man <strong>in</strong> <strong>der</strong> SC e<strong>in</strong> Rohr, das mit <strong>der</strong> stationären Phase (Packungsmaterial)<br />

gefüllt ist. Angaben zur Säulenlänge, Säulenquerschnitt und Säulenvolumen<br />

beziehen sich immer nur auf den gepackten Teil <strong>der</strong> Säule.<br />

Der Verlauf <strong>der</strong> Chromatographie kann sowohl über die Zeit als auch über das Volumen des<br />

durchströmenden Laufmittels beschrieben werden: Bei konstanter Flussgeschw<strong>in</strong>digkeit ist<br />

die Zeit direkt proportional zum Volumen. Die Zeit, die e<strong>in</strong>e Substanz von <strong>der</strong> Probenaufgabe<br />

bis zum Verlassen <strong>der</strong> Säule (genauer: bis zur Detektion) benötigt, ist die Gesamtretentionszeit<br />

t R .<br />

Substanzen, die auf <strong>der</strong> Säule nicht zurückgehalten werden, benötigen ebenfalls e<strong>in</strong>e bestimmte<br />

Zeit von <strong>der</strong> Aufgabe bis zur Detektion. Diese Zeit wird als Durchflusszeit t M<br />

bezeichnet. Die reduzierte Retentionszeit o<strong>der</strong> Netto-Retentionszeit (t' R ) ist die Gesamtretentionszeit<br />

e<strong>in</strong>er Substanz abzüglich <strong>der</strong> Durchflusszeit t M . Sie charakterisiert die Verweildauer<br />

<strong>der</strong> Substanz auf <strong>der</strong> Trennsäule.<br />

Bei <strong>der</strong> Verwendung von Volum<strong>in</strong>a gilt entsprechendes: Gesamtretentionsvolumen V R ,<br />

Durchflussvolumen V M und reduziertes Retentionsvolumen (V' R ). In <strong>der</strong> Abb. 9.8 werden<br />

e<strong>in</strong>ige wichtige chromatographische Messgrößen dargestellt.<br />

In <strong>der</strong> Literatur f<strong>in</strong>det man häufig die Begriffe Totzeit (t 0 ) o<strong>der</strong> Totvolumen (V 0 ). Sie<br />

bezeichnen streng genommen nur die Zeit bzw. Volumen, die e<strong>in</strong>e nicht retardierende<br />

Substanz vom E<strong>in</strong>gang <strong>in</strong> die Säule bis zum Austritt benötigt. Da sie praktisch nur sehr<br />

schwer bestimmbar s<strong>in</strong>d und auch häufig verwechselt werden, empfiehlt die IUPAC die<br />

alle<strong>in</strong>ige Verwendung <strong>der</strong> Durchflusszeit t M bzw. des Durchflussvolumens (V m ).<br />

191


9. Chromatographie<br />

Abb. 9.8: Wichtige Messgrößen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Chromatographie.<br />

0: Zeitpunkt <strong>der</strong> Probenaufgabe<br />

t M , V M : Retentionswert e<strong>in</strong>er nicht<br />

adsorbierten Substanz (z.B. n-<br />

Pentan): Durchflusszeit bzw.<br />

Durchflussvolumen<br />

t R1 , V R1 : Gesamtretentionswert e<strong>in</strong>er Verb<strong>in</strong>dung<br />

1<br />

t R2 , V R2 : Gesamtretentionswert e<strong>in</strong>er Verb<strong>in</strong>dung<br />

2<br />

t' R1 , V' R1 : Netto-Retentionswert e<strong>in</strong>er Verb<strong>in</strong>dung<br />

1<br />

t' R2 , V' R2 : Netto-Retentionswert e<strong>in</strong>er Verb<strong>in</strong>dung<br />

2<br />

w b1 , w b2 : Basisbreite e<strong>in</strong>es Peaks<br />

Der Retentionsfaktor k gibt an, um wieviel länger sich e<strong>in</strong>e Substanz an <strong>der</strong> stationären Phase<br />

aufhält als <strong>in</strong> <strong>der</strong> mobilen Phase. Als dimensionslose Größe erlaubt er den Vergleich von<br />

Chromatogrammen, die auf unterschiedlich lange o<strong>der</strong> dicken Säulen und unterschiedlichen<br />

Flüssen gemessen wurden (stationäre und mobile Phasen müssen jedoch identisch se<strong>in</strong>!). Er<br />

wird aus <strong>der</strong> Netto-Retentionszeit und <strong>der</strong> Durchflusszeit bzw. den entsprechenden Volumene<strong>in</strong>heiten<br />

bestimmt:<br />

k<br />

=<br />

tR- t<br />

tM<br />

M<br />

=<br />

t'<br />

t<br />

R<br />

M<br />

VR- V<br />

=<br />

VM<br />

M<br />

V '<br />

=<br />

V<br />

M<br />

R<br />

Aus dem Quotienten <strong>der</strong> Netto-Retentionszeiten zweier benachbarter Peaks erhält man den<br />

Trennfaktor α:<br />

t' V ' k K<br />

α =<br />

R2<br />

=<br />

R2<br />

=<br />

2<br />

=<br />

2<br />

mit k 2 > k 1<br />

t' V ' k K<br />

R1 R1 1 1<br />

Der Trennfaktor ist auch das Verhältnis <strong>der</strong> entsprechenden Retentionsfaktoren k und den<br />

Verteilungsfaktoren K. Unter identischen Bed<strong>in</strong>gungen (gleiche stationäre und mobile Phase,<br />

gleiche Temperatur) ist a unabhängig vom chromatographischem System (Säulengröße)<br />

192


9.3 Säulenchromatographie<br />

In <strong>der</strong> Praxis ist nicht nur <strong>der</strong> Abstand <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen Substanzfraktionen wichtig, son<strong>der</strong>n<br />

auch die Breite <strong>der</strong> wan<strong>der</strong>nden Zonen. Erwünscht s<strong>in</strong>d natürlich möglichst schmale Bandenbreiten,<br />

die e<strong>in</strong>e saubere Trennung <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen Fraktionen erlauben. Diese unter den tatsächlichen<br />

Bed<strong>in</strong>gungen erzielbare Auflösung R s (peak resolution) wird beschrieben durch:<br />

t'<br />

R2 −t'<br />

R1<br />

Rs<br />

= 2<br />

bzw.<br />

w + w<br />

b1<br />

b2<br />

V'<br />

Rs<br />

= 2<br />

w<br />

R2<br />

b1<br />

−V'<br />

+ w<br />

R1<br />

b2<br />

Bei e<strong>in</strong>er Auflösung von Rs = 1.0 s<strong>in</strong>d Peaks <strong>der</strong> beiden Komponenten getrennt, durch die<br />

Gauß-Form <strong>der</strong> Signale überlappen sie jedoch noch (bei gleicher Peakhöhe etwa 2.3%). Mit<br />

Rs = 1.5 ist die Trennung vollständig, die Überlappung beträgt nur noch 0.13% (Basisl<strong>in</strong>ientrennung).<br />

Höhere Auflösungen als 1.5 s<strong>in</strong>d für die Trennung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Praxis unnötig (Abb.<br />

9.9).<br />

Abb. 9.9: Auflösung zweier benachbarter Peaks (Höhenverhältnis 1:1):<br />

Die Auflösung R s kann mit <strong>der</strong> Bodenzahl N e<strong>in</strong>er Säule und dem Retentionsfaktor k durch<br />

folgende Gleichung <strong>in</strong> Beziehung gebracht werden. Unter <strong>der</strong> Annahme ähnlicher<br />

Retentionsfaktoren k 1 und k 2 für das Substanzpaar gilt näherungsweise:<br />

Rs<br />

=<br />

1<br />

4<br />

α −1<br />

k<br />

N<br />

α 1 + k<br />

mit<br />

k<br />

=<br />

+<br />

2<br />

k1 k 2<br />

Damit lässt sich die bei bekannten Werten für α und k (z.B. aus <strong>der</strong> DC, siehe unten!) die<br />

erfor<strong>der</strong>liche Trennleistung <strong>der</strong> Säule (ausgedrückt als Trennstufenzahl N) abschätzen. Abb.<br />

9.10 stellt den Zusammenhang graphisch dar.<br />

Aus <strong>der</strong> Gleichung ist auch ersichtlich, dass die Verdoppelung <strong>der</strong> Bodenzahl N e<strong>in</strong>er Trennsäule<br />

(durch doppelte Länge <strong>der</strong> Säule) die Auflösung R s nur um den Faktor 1.4 verbessert!<br />

193


9. Chromatographie<br />

Abb. 9.10: Bodenzahl N <strong>in</strong> Abhängigkeit vom Trennfaktor α <strong>in</strong> halblogarithmischer<br />

Auftragung.<br />

Aus diesem Zusammenhang ergeben sich folgende Konsequenzen:<br />

• Für α = 5 bis 2 ist das Trennproblem e<strong>in</strong>fach, die erfor<strong>der</strong>liche Bodenzahl beträgt N = 40–<br />

100. Die Trennung ist bei h<strong>in</strong>reichen<strong>der</strong> Auflösung (R s = 1.5) mit e<strong>in</strong>fachen, drucklosen<br />

Schwerkraftsäulen möglich.<br />

• Der Wert α = 2 bis 1.3 stellt mit Bodenzahl N zwischen 100 und 500 höhere Anfor<strong>der</strong>ungen<br />

an die Trennsäule. In diesen Fällen s<strong>in</strong>d beson<strong>der</strong>s sorgfältig gepackte Schwerkraftsäulen<br />

nötig o<strong>der</strong> man verwendet fe<strong>in</strong>körnigeres Säulenmaterial. Das bedeutet aber<br />

gleichzeitig, dass <strong>der</strong> Flusswi<strong>der</strong>stand <strong>der</strong> Säule anwächst, <strong>der</strong> hydrostatische Druck reicht<br />

nicht mehr aus, um e<strong>in</strong>en ausreichenden Fluss des Laufmittels durch die Trennsäule zu<br />

gewährleisten, es muss mit leichtem Überdruck (bis zu 5 bar) gearbeitet werden (Flash-<br />

Chromatographie, z. B. mit dem Lobar-System).<br />

• Im Bereich α = 1.3 bis 1.1 steigt die erfor<strong>der</strong>liche Trennleistung steil an, es werden<br />

Bodenzahlen von N = 500–4000 erfor<strong>der</strong>lich. Es muss sehr leistungsfähiges und fe<strong>in</strong>es<br />

Säulenmaterial verwendet werden, das Mittel- (MPLC) o<strong>der</strong> Hochdrucksäulen (HPLC)<br />

voraussetzt.<br />

• Der Bereich α < 1.1 stellt sehr hohe Anfor<strong>der</strong>ungen an die Trennsäule, präparative<br />

Trennungen s<strong>in</strong>d nur <strong>in</strong> Ausnahmefällen möglich. Besser ist es, mit <strong>der</strong> DC nach besseren<br />

Trennbed<strong>in</strong>gungen zu suchen.<br />

• In jedem Fall sollten Trennbed<strong>in</strong>gungen mit e<strong>in</strong>em Retentionsfaktor k im Bereich 2–5<br />

gesucht werden.<br />

Anmerkung: Normale DC-Platten besitzen Bodenzahlen von N = 500 bis 1000, HPTLC-Platten<br />

kommen auf N = 1500 bis 3000!<br />

194


9.3 Säulenchromatographie<br />

Die Bodenzahl e<strong>in</strong>er Säule ist für e<strong>in</strong> gegebenes Trennproblem zunächst unabhängig von <strong>der</strong><br />

Menge <strong>der</strong> zu trennenden Substanz. Ab e<strong>in</strong>er bestimmten Beladung (<strong>in</strong> g Substanz / g<br />

Sorbens) nimmt N jedoch ab, die Säule ist überladen. Dabei werden die Peaks zunehmend<br />

breiter und unsymmetrisch (Tail<strong>in</strong>g ‚Schwanzbildung‘), gleichzeitig än<strong>der</strong>t sich auch <strong>der</strong><br />

Retentionsfaktor k. (Abb. 9.11).<br />

Bei präparativen Trennungen wird – bei großen Trennfaktoren α – die Säule häufig bewusst<br />

überladen, um Lösungsmittel und vor allem Zeit zu sparen. Wie weit die Säule überladen<br />

werden kann (bei h<strong>in</strong>reichen<strong>der</strong> Trennung), wird meist experimentell bestimmt. Als Orientierungswert<br />

können die Angaben <strong>in</strong> Tabelle 9.3 herangezogen werden.<br />

Abb. 9.11: E<strong>in</strong>fluss <strong>der</strong> Beladung e<strong>in</strong>er Trennsäule auf die Trennung zweier Verb<strong>in</strong>dungen.<br />

E<strong>in</strong> weiterer wichtiger Faktor ist die Durchflussgeschw<strong>in</strong>digkeit. Sie muss so groß se<strong>in</strong>, dass<br />

sich die Trennung <strong>der</strong> Zonen nicht durch Rückdiffusion verwischt, gleichzeitig aber kle<strong>in</strong><br />

genug, dass sich zu jedem Zeitpunkt das Verteilungsgleichgewicht <strong>der</strong> Substanz zwischen<br />

stationärer und mobiler Phase vollständig e<strong>in</strong>stellen kann. Da beide For<strong>der</strong>ungen gegenläufig<br />

s<strong>in</strong>d, muss <strong>der</strong> beste Kompromiss gesucht werden, d.h. diejenige Durchflussgeschw<strong>in</strong>digkeit,<br />

bei <strong>der</strong> die Trennstufenhöhe den kle<strong>in</strong>sten Wert annimmt.<br />

Die van-Deemter-Gleichung (1956) stellt e<strong>in</strong>en Zusammenhang zwischen <strong>der</strong> theoretischen<br />

Trennstufenhöhe H und <strong>der</strong> l<strong>in</strong>earen Strömungsgeschw<strong>in</strong>digkeit u <strong>der</strong> mobilen Phase her.<br />

E<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e Trennstufenhöhe H bedeutet e<strong>in</strong>e hohe Trennstufenzahl N für e<strong>in</strong>e Trennstrecke<br />

bestimmter Länge. Für e<strong>in</strong>e Diskussion <strong>der</strong> van-Deemter-Gleichung sei auf die<br />

Spezialliteratur verwiesen. E<strong>in</strong>e entscheidende Erniedrigung <strong>der</strong> Trennstufenhöhe H und<br />

damit e<strong>in</strong>e Verbesserung <strong>der</strong> Trennleistung ist durch e<strong>in</strong>e Verr<strong>in</strong>gerung <strong>der</strong> Teilchengröße<br />

und e<strong>in</strong>e homogene Packung <strong>der</strong> stationären Phase zu erreichen (Abb. 9.12).<br />

195


9. Chromatographie<br />

Abb. 9.12: Graphische Darstellung <strong>der</strong> van-Deemter-Gleichung für verschiedene Korngrößen<br />

<strong>der</strong> stationären Phase.<br />

H: Trennstufenhöhe<br />

u: l<strong>in</strong>eare Strömungsgeschw<strong>in</strong>digkeit<br />

dp: Korngröße <strong>der</strong> stationären<br />

Phase.<br />

Die l<strong>in</strong>eare Strömungsgeschw<strong>in</strong>digkeit u (cm/m<strong>in</strong>) <strong>der</strong> mobilen Phase ist e<strong>in</strong>e von <strong>der</strong><br />

Säulendimension unabhängige Größe. In <strong>der</strong> Praxis wird meist die Flussgeschw<strong>in</strong>digkeit<br />

(Volumenstrom) F (ml/m<strong>in</strong>) angegeben. Beide Größen s<strong>in</strong>d über die Gleichung<br />

F<br />

= u ⋅ A⋅ε<br />

t<br />

A: freie Querschnittsfläche <strong>der</strong> Säule<br />

ε t : totale Porosität <strong>der</strong> Säulenpackung<br />

mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> verknüpft.<br />

Bei hoher Korngröße des Adsorbens (z.B. 150 μm) besitzt die theoretische Trennstufe e<strong>in</strong>en<br />

hohen Wert (= niedrige Trennstufenzahl N), das M<strong>in</strong>imum <strong>der</strong> van-Deemter-Gleichung und<br />

damit <strong>der</strong> günstigste Arbeitsbereich (optimale Trennung) liegt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em sehr schmalen<br />

Flussbereich u bzw. F.<br />

Bei kle<strong>in</strong>er werdenden Korngrößen nehmen die H-Werte ab, <strong>der</strong> rechte Teil <strong>der</strong> van-Deemter-<br />

Kurve wird flacher. Die Flussgeschw<strong>in</strong>digkeit kann deshalb <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em weiten Bereich variiert<br />

werden, ohne die Trennung <strong>der</strong> Säule wesentlich zu bee<strong>in</strong>flussen.<br />

Da bei kle<strong>in</strong>er werdenden Körnungen gleichzeitig auch <strong>der</strong> Durchflusswi<strong>der</strong>stand deutlich<br />

zunimmt, muss <strong>in</strong> diesen Korngrößenbereichen das Laufmittel mit hohem Druck auf die Säule<br />

gepumpt werden, um die erfor<strong>der</strong>lichen Fließgeschw<strong>in</strong>digkeiten zu erreichen (Mittel- und<br />

Hochdruckchromatographie (MPLC, HPLC), bis zu 600 bar bei 3 μm Korngröße).<br />

Aus <strong>der</strong> van-Deemter-Gleichung ergibt sich weiterh<strong>in</strong>:<br />

• Die Korngrößenverteilung muss möglichst eng se<strong>in</strong>, um e<strong>in</strong>e m<strong>in</strong>imale Trennstufenhöhe<br />

zu erreichen (Verr<strong>in</strong>gerung <strong>der</strong> Diffusion).<br />

• Mit wachsen<strong>der</strong> Viskosität des Laufmittels nimmt die Steigung des rechten Kurvenabschnittes<br />

zu, d. h., die Trennstufenhöhe wächst, die Trennstufenzahl N s<strong>in</strong>kt.<br />

196


9.3 Säulenchromatographie<br />

Die konventionelle, drucklose ‚Schwerkraftsäule‘ verlangt relativ grobkörnige Füllungen<br />

(40–60 μm) und erlaubt deshalb auch nur e<strong>in</strong>en sehr engen Bereich günstiger<br />

Fließgeschw<strong>in</strong>digkeiten.<br />

E<strong>in</strong>en Kompromiss stellen Körnungen von 40–60 μm dar. Sie verlangen nur ger<strong>in</strong>gen Überdruck<br />

(0.5–3 bar): z.B. Lobar-Fertigsäulen (Merck), Flash-Chromatographie etc. Diese<br />

Mitteldrucksäulen eignen sich für die meisten Trennprobleme.<br />

Tab. 9.3: Betriebsdaten e<strong>in</strong>iger Chromatographiesäulen<br />

Kenndaten Typ Konventionelle Säule Nie<strong>der</strong>drucksäule<br />

1 h = 15, Ø = 1.0<br />

h = 24, Ø = 1.0<br />

Füllhöhe (h) und<br />

2 h = 30, Ø = 2.8<br />

h = 31, Ø = 2.5<br />

Durchmesser Ø [cm]<br />

3 h = 50, Ø = 5.0<br />

h = 44, Ø = 3.7<br />

Korngröße<br />

Druck<br />

Trennstufenzahl<br />

Günstige<br />

Durchflussgeschw<strong>in</strong>digkeit<br />

Max. Beladung *)<br />

für α = 3.0<br />

Max. Beladung *)<br />

für α = 1.8<br />

Max. Beladung *)<br />

für α = 1.3<br />

1<br />

2<br />

3<br />

1<br />

2<br />

3<br />

1<br />

2<br />

3<br />

1<br />

2<br />

3<br />

1<br />

2<br />

3<br />

1<br />

2<br />

3<br />

60–200 [μm]<br />

drucklos<br />

230<br />

460<br />

770<br />

cm/m<strong>in</strong> ml/m<strong>in</strong><br />

0.2–0.8 0.15–0.6<br />

0.2–0.8 1.5–5<br />

0.2–0.8 4–15<br />

100–150 mg<br />

200–600 mg<br />

1000–2000 mg<br />

2–5 mg<br />

10–20 mg<br />

50–100 mg<br />

--<br />

--<br />

--<br />

*) bezogen auf e<strong>in</strong> Molekulargewicht von etwa 200 g/mol.<br />

40–60 [μm]<br />

0.1–0.4 bar<br />

850<br />

1100<br />

1500<br />

cm/m<strong>in</strong> ml/m<strong>in</strong><br />

0.5–3.5 0.5–3<br />

0.5–3.5 3–20<br />

0.5–3.5 10–70<br />

150–200 mg<br />

ca. 1000 mg<br />

2000–4000 mg<br />

10–50 mg<br />

200–400 mg<br />

800–1200 mg<br />

2–10 mg<br />

20–80 mg<br />

100–200 mg<br />

9.3.2 Ermittlung <strong>der</strong> Trennbed<strong>in</strong>gungen mit Hilfe <strong>der</strong> DC<br />

Geeignete Trennbed<strong>in</strong>gungen für die Säulenchromatographie lassen sich e<strong>in</strong>fach und schnell<br />

über die DC bestimmen. Die Retentionsparameter von DC und SC s<strong>in</strong>d über folgende Beziehung<br />

gekoppelt:<br />

1 − R<br />

R<br />

F<br />

F<br />

t<br />

≈<br />

R<br />

− t<br />

t<br />

m<br />

m<br />

=<br />

t'<br />

t<br />

R<br />

m<br />

= k<br />

Mit Hilfe <strong>der</strong> DC wird das Trennproblem zunächst analytisch untersucht. Es muss e<strong>in</strong> geeignetes<br />

Adsorbens und e<strong>in</strong>e möglichst optimale Laufmittelmischung gefunden werden. Zunächst<br />

werden Mischungen aus Essigsäureethylester und Pentan (o<strong>der</strong> Petrolether) mit<br />

Kieselgel als Adsorbens getestet. Anschließend wird für jede e<strong>in</strong>zelne Substanz aus dem DC<br />

197


9. Chromatographie<br />

zunächst <strong>der</strong> R F -Wert und daraus <strong>der</strong> Retentionsfaktor k bestimmt. Für jeweils benachbarte<br />

Substanzpaare lassen sich damit die entsprechenden Trennfaktoren α berechnen, <strong>der</strong> kle<strong>in</strong>ste<br />

Wert von α bestimmt das Trennproblem. Mit Hilfe <strong>der</strong> graphischen Darstellung (Abb. 9.10)<br />

kann nun mit den ermittelten Werten für α und k die erfor<strong>der</strong>liche Bodenzahl für die SC<br />

abgeschätzt werden.<br />

Günstig für die erfolgreiche Trennung s<strong>in</strong>d Retentionsfaktoren zwischen 1.5 (R F = 0.4) und 5<br />

(R F = 0.16) und möglichst hohe Trennfaktoren.<br />

Entsprechend <strong>der</strong> nötigen Trennstufenzahl und <strong>der</strong> gewünschten Beladung (zu trennende Substanzmenge)<br />

wählt man die geeignete Chromatographiesäule aus (vgl. Tab. 9.3). Für die<br />

drucklose, präparative Säulenchromatographie wählt man nach Möglichkeit das preisgünstige<br />

Kieselgel 60 (Porenweite 60 Å) mit e<strong>in</strong>em Korngrößenbereich von 60–200 μm.<br />

Erfahrungsgemäß muss die Polarität des Laufmittels beim Übergang von <strong>der</strong> DC auf die SC<br />

etwas gesenkt werden, bei Mischungen e<strong>in</strong>fach durch e<strong>in</strong>en erhöhten Anteil <strong>der</strong> unpolaren<br />

Komponente. Dabei ist aber unbed<strong>in</strong>gt auf die ausreichende Löslichkeit <strong>der</strong> Substanzprobe im<br />

Laufmittel zu achten!<br />

9.3.3 Praxis <strong>der</strong> Säulenchromatographie<br />

Die Chromatographiesäule<br />

Bei <strong>der</strong> Säulenchromatographie (unter Normal- o<strong>der</strong> Nie<strong>der</strong>druck) wird pr<strong>in</strong>zipiell <strong>in</strong> senkrecht<br />

stehenden Glassäulen gearbeitet. Das Verhältnis Füllhöhe zu Säulendurchmesser soll<br />

etwa 10:1 bis 5:1 betragen. Günstig ist außerdem e<strong>in</strong> möglichst kle<strong>in</strong>es Totvolumen am Ende<br />

<strong>der</strong> Säule (Auslauf), dadurch wird die nachträgliche Durchmischung <strong>der</strong> getrennten Banden<br />

verr<strong>in</strong>gert.<br />

Um zu verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n, dass das Adsorbens beim Füllen aus <strong>der</strong> Säule ausläuft, drückt man e<strong>in</strong>en<br />

Wattebausch <strong>in</strong> den Auslauf. In e<strong>in</strong>er an<strong>der</strong>en Variante übernimmt e<strong>in</strong>e fest e<strong>in</strong>gebaute Frittenplatte<br />

diese Funktion.<br />

Bei Schwerkraftsäulen muss am Auslauf unbed<strong>in</strong>gt e<strong>in</strong> gut dichten<strong>der</strong> und regulierbarer Hahn<br />

angebracht se<strong>in</strong>, vorzuziehen ist hier unbed<strong>in</strong>gt e<strong>in</strong> Teflonhahn, optimal ist e<strong>in</strong> Fe<strong>in</strong>regulierventil<br />

aus Teflon. Das bedeutet auch äußerste Sorgfalt beim Füllen bzw. Säubern <strong>der</strong> Säule,<br />

da Füllmaterial (Kieselgel), zwischen Hülse und Küken das Teflonküken beschädigt und e<strong>in</strong>e<br />

e<strong>in</strong>wandfreie Dichtung blockiert.<br />

Wird e<strong>in</strong> normaler Glas-Schliffhahn verwendet, besteht die Gefahr, dass das Schlifffett bei<br />

<strong>der</strong> Elution ausgewaschen wird. Besser ist <strong>in</strong> diesem Fall die Verwendung von Graphit (sehr<br />

weicher Bleistift) als Schmiermittel.<br />

198


9.3 Säulenchromatographie<br />

Im e<strong>in</strong>fachsten Fall – vor allem bei Fertigsäulen und Mitteldrucksäulen – setzt man e<strong>in</strong>en<br />

Tygon- o<strong>der</strong> Teflonschlauch am Auslauf e<strong>in</strong>. Die Regulierung <strong>der</strong> Flussgeschw<strong>in</strong>digkeit<br />

erfolgt dann mit Hilfe e<strong>in</strong>es Quetschhahns o<strong>der</strong> durch Dosierung des Laufmittels am Säulenanfang.<br />

Abb. 9.13 zeigt e<strong>in</strong>ige Säulentypen für unterschiedliche Ansprüche und Zwecke. Die Maße<br />

<strong>der</strong> Säulen können variieren, im Normalfall s<strong>in</strong>d jedoch drei Standardgrößen (siehe Tab. 9.3)<br />

ausreichend.<br />

Abb. 9.13: Verschiedene Arten von Chromatographiesäulen zur Säulenchromatographie<br />

a) Glasrohr mit Wattebausch und Quetschhahn<br />

b) Glasrohr mit Wattebausch und Schliffhahn<br />

c) Glasrohr mit Frittenplatte und Quetschhahn<br />

d) Glasrohr mit Frittenplatte und Schliffhahn<br />

e) Glasrohr mit Frittenplatte, Schliffhahn,<br />

seitlichem Stickstoffhahn, Lösungsmittelreservoir<br />

und Kühlmantel.<br />

Füllen <strong>der</strong> Säule und Konditionierung<br />

Im Wesentlichen gibt es zwei Methoden, um e<strong>in</strong>e Chromatographiesäule zur drucklosen o<strong>der</strong><br />

Nie<strong>der</strong>druck-Chromatographie zu füllen:<br />

Nassfüllung:<br />

Die Nassfüllung wird am häufigsten angewandt. Sie erfor<strong>der</strong>t am wenigsten Übung, liefert<br />

aber wegen <strong>der</strong> trichterförmig laufenden Zonen die ger<strong>in</strong>gste Trennleistung.<br />

Die abgemessene o<strong>der</strong> abgewogene Menge Adsorbens wird im Laufmittel suspendiert. Dieser<br />

dünne Brei wird langsam <strong>in</strong> die zu etwa 1/3 mit Laufmittel gefüllte Säule e<strong>in</strong>gegossen, dabei<br />

lässt man das Laufmittel <strong>in</strong> dem Maß ablaufen, wie die Suspension zufließt. Um Risse und<br />

Luftblasen zu vermeiden, klopft man – während sich das Adsorbens absetzt – gleichmäßig<br />

von allen Seiten an die Säule. Zum Schluss lässt man das Laufmittel durch Schließen des<br />

Hahns etwa 1 cm über <strong>der</strong> Säulenfüllung stehen und deckt die Füllung mit e<strong>in</strong>er ca. 1 cm<br />

hohen Schicht aus re<strong>in</strong>em Seesand ab.<br />

In e<strong>in</strong>er Variante füllt man die Säule zu 3/4 mit Laufmittel und lässt über e<strong>in</strong>en Trichter langsam<br />

das trockene Adsorbens e<strong>in</strong>rieseln. Auch hier erreicht man durch Klopfen an die Glaswand<br />

e<strong>in</strong>e gleichmäßige und blasenfreie Säulenfüllung.<br />

199


9. Chromatographie<br />

Trockenfüllung:<br />

Dieses Verfahren ist zeitaufwendiger als die Nassfüllung und erfor<strong>der</strong>t mehr Übung. Der Vorteil<br />

liegt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er dichteren und homogeneren Packung <strong>der</strong> Säule, dementsprechend schmäler<br />

werden die Zonen; die Trennleistung steigt bei gleicher Säulenlänge.<br />

In e<strong>in</strong>e Säule mit Frittenboden wird das Adsorbens trocken über e<strong>in</strong>en Trichter e<strong>in</strong>gefüllt.<br />

Durch Klopfen an die Außenwand wird die Oberfläche geglättet, anschließend wird <strong>der</strong> E<strong>in</strong>lauf<br />

mit e<strong>in</strong>em Stopfen verschlossen und am Auslauf Unterdruck angelegt; nach <strong>der</strong> Evakuierung<br />

wird <strong>der</strong> Stopfen schnell entfernt und die Packung auf diese Weise verdichtet. Der Vorgang<br />

wird dreimal wie<strong>der</strong>holt. Die Füllung wird anschließend mit 1 cm Seesand abgedeckt.<br />

Zur Konditionierung wird <strong>der</strong> Auslaufhahn leicht geöffnet und über e<strong>in</strong>en aufgesetzten<br />

Tropftrichter langsam das Solvens aufgebracht. Falls e<strong>in</strong>e zu starke Erwärmung an <strong>der</strong> Solvensfront<br />

auftritt – dies ist vor allem bei polaren Laufmitteln durch die hohe Adsorptionswärme<br />

<strong>der</strong> Fall – muss die Zulaufgeschw<strong>in</strong>digkeit verr<strong>in</strong>gert werden. Erst wenn das Laufmittel<br />

aus <strong>der</strong> Säule austritt, wird die Zuflussgeschw<strong>in</strong>digkeit erhöht bei gleicher Stellung des<br />

Auslaufhahns. Hat sich genügend Laufmittel über <strong>der</strong> Kieselgelschicht angesammelt, kann<br />

<strong>der</strong> Auslaufhahn weiter geöffnet werden. Unter leichtem Überdruck (ca. 0.2 bar, Handgebläse<br />

o<strong>der</strong> Pumpe) wird nun das Laufmittel durch die Säule gedrückt bis alle Luftblasen entfernt<br />

s<strong>in</strong>d, die Säule gleichmäßig benetzt ist und optisch homogen ersche<strong>in</strong>t. Die Säule darf zu ke<strong>in</strong>em<br />

Zeitpunkt wie<strong>der</strong> trocken laufen!<br />

Der Zeitbedarf für die Konditionierung beträgt etwa 60–90 M<strong>in</strong>uten, durch kurzzeitiges Öffnen<br />

und Schließen des Auslasshahns bei leichtem Überdruck kann sie beschleunigt werden.<br />

Bei stark polaren o<strong>der</strong> niedrigsiedenden Laufmitteln muss mit e<strong>in</strong>em größeren Zeitaufwand<br />

gerechnet werden; bewährt hat sich <strong>in</strong> diesen Fällen die Verwendung von Chromatographiesäulen<br />

mit Kühlmantel.<br />

Auftragen <strong>der</strong> Substanz - Beladung<br />

Von <strong>der</strong> zu trennenden Substanzprobe wird am besten e<strong>in</strong>e möglichst konzentrierte Lösung<br />

im Laufmittel hergestellt. Wenn das nicht möglich ist, muss auf e<strong>in</strong> unpolareres Laufmittel<br />

ausgewichen werden. Auf ke<strong>in</strong>en Fall darf die Probe <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em stärker eluierenden Solvens<br />

aufgetragen werden!<br />

Kann die zu trennende Substanz nur <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Lösungsmittel mit stärkerer Elutionskraft als<br />

das Laufmittel ausreichend gelöst werden, kann man sich folgen<strong>der</strong>maßen behelfen: Zu <strong>der</strong><br />

Lösung gibt man etwa die 10-fache Menge an Kieselgel (bezogen auf die Substanz) und engt<br />

zur Trockne e<strong>in</strong>. Das so beladene Kieselgel wird dann (nach dem Konditionieren <strong>der</strong> Säule)<br />

trocken auf das Adsorbens aufgetragen, vorsichtig mit Seesand abgedeckt und mit Laufmittel<br />

benetzt. Dabei werden durch leichtes Klopfen an die Säule die auftretenden Luftbläschen<br />

möglichst weitgehend beseitigt.<br />

200


9.3 Säulenchromatographie<br />

Bei konventionellen Säulen lässt man zum Auftragen das Laufmittel <strong>in</strong> <strong>der</strong> Säule genau<br />

soweit ab, bis <strong>der</strong> Flüssigkeitsspiegel die Oberkante <strong>der</strong> Säulenfüllung erreicht hat. Anschließend<br />

lässt man die konzentrierte Probenlösung langsam und gleichmäßig mit e<strong>in</strong>er Pipette<br />

entlang <strong>der</strong> Glaswand auf die Säulenfüllung fließen. Durch Regulierung des Hahns lässt man<br />

das Gemisch langsam auf die Säule ‚aufziehen‘, bis <strong>der</strong> Flüssigkeitsspiegel gerade e<strong>in</strong>gezogen<br />

wurde. Es wird nun noch mehrfach <strong>in</strong> gleicher Weise mit wenig Laufmittel nachgewaschen,<br />

bis die Probe vollständig auf die Säule aufgetragen ist.<br />

Entwicklung und Fraktionennahme<br />

Erst nachdem die Substanz aufgetragen wurde, kann die Säule bei<br />

geschlossenem Hahn mit Solvens gefüllt werden. Dabei darf die<br />

Säulenfüllung nicht aufgewirbelt werden! Die Elutionsgeschw<strong>in</strong>digkeit<br />

(0.2–0.5 cm/m<strong>in</strong>) wird nun am Auslauf e<strong>in</strong>gestellt.<br />

Abb. 9.14<br />

Hierauf wird e<strong>in</strong> Scheidetrichter mit e<strong>in</strong>em dicht schließendem<br />

Gummistopfen so auf die Säule aufgesetzt, dass das Auslaufrohr <strong>in</strong><br />

die Säulenflüssigkeit e<strong>in</strong>taucht, und mit Laufmittel aufgefüllt. Bei<br />

geöffnetem Trichterhahn läuft das Eluens automatisch mit <strong>der</strong><br />

e<strong>in</strong>gestellten Durchflussgeschw<strong>in</strong>digkeit nach (Abb. 9.14).<br />

Wenn <strong>der</strong> Scheidetrichter rechtzeitig nachgefüllt wird, wird verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t,<br />

dass die Säule während <strong>der</strong> Chromatographie trocken<br />

läuft.<br />

Bei <strong>der</strong> nun stattf<strong>in</strong>denden Entwicklung des Chromatogramms<br />

trennt sich das Gemisch <strong>in</strong> Substanzzonen auf, die nache<strong>in</strong>an<strong>der</strong><br />

am Auslauf aufgefangen werden.<br />

Besteht die zu trennende Probe aus farbigen Substanzen, kann <strong>der</strong> Verlauf <strong>der</strong> Chromatographie<br />

bequem verfolgt werden und die Zonen können e<strong>in</strong>zeln aufgefangen werden. Farblose<br />

Substanzen können auf folgende Weise erfasst werden:<br />

• Es werden willkürlich viele gleichgroße Fraktionen (5–15 ml, je nach Durchflussmenge<br />

und Trennproblem) aufgefangen, die anschließend durch vergleichende DC untersucht<br />

werden. Identische Fraktionen werden vere<strong>in</strong>igt, Mischfraktionen können evtl. durch<br />

nochmalige Chromatographie getrennt werden (Abb. 9.15).<br />

In Son<strong>der</strong>fällen können die e<strong>in</strong>zelnen Fraktionen auch UV-spektroskopisch gemessen o<strong>der</strong><br />

durch spezifische Farbreaktionen identifiziert werden.<br />

• Man lässt das Eluat durch e<strong>in</strong>e Durchflusszelle laufen, die über UV- o<strong>der</strong> Brechungs<strong>in</strong>dex-Signale<br />

die e<strong>in</strong>zelnen Fraktionen anzeigt. Der Vorteil hierbei ist, dass e<strong>in</strong> nötiger<br />

Fraktionswechsel direkt zu erkennen ist. Es können allerd<strong>in</strong>gs auch Substanzen ‚unbemerkt‘<br />

durch den Detektor gelangen (z. B. bei niedrigen Ext<strong>in</strong>ktionswerten bei <strong>der</strong> e<strong>in</strong>gestellten<br />

Wellenlänge).<br />

201


9. Chromatographie<br />

Abb. 9.15: DC-Messung <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen Fraktionen aus <strong>der</strong> Säulenchromatographie<br />

R: Referenz (= ursprüngliche Probe)<br />

1-8: Fraktionen aus <strong>der</strong> SC<br />

1, 2: Re<strong>in</strong>fraktion A<br />

4, 5: Re<strong>in</strong>fraktion B<br />

7, 8: Re<strong>in</strong>fraktion C<br />

3, 6: Mischfraktionen, nochmalige<br />

Trennung nötig<br />

R<br />

1 2 3 4 5 6 7 8<br />

R<br />

Aufarbeitung <strong>der</strong> Fraktionen<br />

Von den e<strong>in</strong>zelnen Fraktionen wird das Laufmittel abdestilliert. Hierbei muss beson<strong>der</strong>s<br />

darauf geachtet werden, dass bei <strong>der</strong> Destillation ke<strong>in</strong> Schlifffett e<strong>in</strong>geschleppt wird. Auch<br />

das ‚Abziehen‘ des Lösungsmittels am Rotationsverdampfer kann zu Verlusten selbst<br />

schwerer flüchtiger Substanzen führen, deshalb sollte nur mit geregeltem Druck (Vakuum-<br />

Controller) destilliert werden.<br />

Auf jeden Fall sollte e<strong>in</strong>e Massenbilanz erstellt werden, um Verluste bei <strong>der</strong> Chromatographie<br />

festzustellen. Nur so kann ermittelt werden, ob sich noch größere Substanzmengen<br />

auf <strong>der</strong> Säule bef<strong>in</strong>den.<br />

Die Re<strong>in</strong>heit <strong>der</strong> isolierten Substanzen (e<strong>in</strong> Fleck auf <strong>der</strong> DC-Folie) muss weiter überprüft<br />

werden (Schmp., Brechungs<strong>in</strong>dex, Spektroskopie usw.).<br />

9.3.4 Rückgew<strong>in</strong>nung des Laufmittels<br />

Die Säulenchromatographie, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e wenn sie unter Druck (Mitteldruckchromatographie<br />

bzw. HPLC) durchgeführt wird, führt zu hohem Solvensverbrauch. Zudem handelt<br />

es sich meist um re<strong>in</strong>e und damit auch relativ teure Lösungsmittel, die bei diesen Methoden<br />

e<strong>in</strong>gesetzt werden. Aus Wirtschaftlichkeitsüberlegungen und – nicht zuletzt – aus Gründen<br />

<strong>der</strong> Abfallreduzierung und des Umweltschutzes ist es gerade <strong>in</strong> diesem Bereich s<strong>in</strong>nvoll, das<br />

Laufmittel wie<strong>der</strong> zu verwenden.<br />

Bei <strong>der</strong> destillativen Aufarbeitung <strong>der</strong> Fraktionen erhält man bereits e<strong>in</strong> vorgere<strong>in</strong>igtes Laufmittel<br />

zurück. Beim E<strong>in</strong>satz von re<strong>in</strong>en Lösungsmitteln <strong>in</strong> <strong>der</strong> Chromatographie ist es problemlos,<br />

durch e<strong>in</strong>e weitere Fe<strong>in</strong>destillation, evtl. mit anschließendem Absolutieren, das re<strong>in</strong>e<br />

Solvens zurückzugew<strong>in</strong>nen.<br />

Auch Lösungsmittelgemische können unter Umständen wie<strong>der</strong> verwendet werden. Da jedoch<br />

auch bei e<strong>in</strong>er Fe<strong>in</strong>destillation ke<strong>in</strong>e 100-prozentige Trennung <strong>der</strong> Komponenten zu erwarten<br />

202


9.3 Säulenchromatographie<br />

ist, muss die ursprüngliche Mischung nachträglich wie<strong>der</strong> e<strong>in</strong>gestellt werden. Das kann über<br />

Dichte- o<strong>der</strong> Brechungs<strong>in</strong>dexbestimmungen geschehen, wesentlich genauer ist jedoch die<br />

Bestimmung <strong>der</strong> Elutionskraft <strong>der</strong> Mischung: Dazu wird e<strong>in</strong>e Testmischung mit verschiedenen<br />

Laufmittelmischungen <strong>der</strong> Solventien A und B am DC untersucht und die Eichkurve<br />

R FA /R FB gegen die Zusammensetzung von A und B aufgestellt. Wird die Testmischung mit<br />

dem zurückgewonnenen Solvens als Laufmittel im DC untersucht, kann aus dem Verhältnis<br />

R FA /R FB direkt auf die Zusammensetzung <strong>der</strong> Laufmittelmischung geschlossen werden. Je<br />

nach Bedarf wird die Mischung durch Zusatz von Solvens A o<strong>der</strong> B auf den ursprünglichen<br />

Gehalt gebracht wird (Abb. 9.16).<br />

Abb. 9.16: Dünnschichtchromatographische<br />

Bestimmung <strong>der</strong> Zusammensetzung<br />

e<strong>in</strong>es Laufmittelgemisches am<br />

Beispiel von Petrolether/Ethylacetat-<br />

Gemischen an Kieselgel. Testmischung:<br />

Benzoesäurebenzylamid / Benzophenon<br />

Beispiel: R F (Benzeosäurebenzylamid)/R F<br />

(Benzophenon) = 0.60 die Mischung<br />

enthält 60 Vol-% Petrolether und 40 %<br />

Ethylacetat.<br />

Dieses Verfahren sche<strong>in</strong>t etwas aufwendig, da aber <strong>der</strong> Lösungsmittelverbrauch häufig im<br />

Bereich von vielen Litern liegt, ist es aus Kostengründen und <strong>der</strong> Entsorgungsproblematik<br />

s<strong>in</strong>nvoll.<br />

9.3.5 Störungen und Fehler<br />

Bei <strong>der</strong> Säulenchromatographie können Störungen auftreten, die den Trenneffekt verschlechtern<br />

o<strong>der</strong> die Chromatographie unmöglich machen:<br />

• Die Säule ‚reißt‘ während <strong>der</strong> Entwicklung: Diese häufige Störung kann mehrere Ursachen<br />

haben:<br />

- Die Säule wurde nicht gründlich genug konditioniert.<br />

- Es wird mit e<strong>in</strong>em niedrigsiedenden Laufmittel gearbeitet (z.B. n-Pentan o<strong>der</strong> Diethylether).<br />

Hier kann die Adsorptionswärme zur Bildung von Gasbläschen führen. Durch<br />

Kühlung <strong>der</strong> Säule kann das Problem behoben werden.<br />

- Die Säule reißt von unten nach oben: Der Strömungswi<strong>der</strong>stand <strong>in</strong> <strong>der</strong> Säule ist zu<br />

hoch, es kann weniger Laufmittel nachfließen als am Auslauf die Säule verlässt. In<br />

diesem Fall kann entwe<strong>der</strong> e<strong>in</strong> leichter Überdruck angelegt werden o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Auslaufhahn<br />

muss weiter geschlossen werden.<br />

• Die Säule ‚verstopft‘ und reißt schließlich: Hier wurde e<strong>in</strong>e Probe aufgetragen, die noch<br />

fe<strong>in</strong>e, ungelöste Feststoffe o<strong>der</strong> klebrige, polymere Bestandteile enthält. Die obersten<br />

Schichten <strong>der</strong> Säule s<strong>in</strong>d mit fe<strong>in</strong>em Schlamm verstopft o<strong>der</strong> verklebt, durch Aufrühren<br />

203


9. Chromatographie<br />

<strong>der</strong> obersten Schicht (e<strong>in</strong>ige Zentimeter) mit e<strong>in</strong>em Glasstab kann das Problem manchmal<br />

behoben werden.<br />

Meistens ist die Chromatographie kaum zu retten, vor <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>holung muss das Rohprodukt<br />

entwe<strong>der</strong> filtriert o<strong>der</strong> über e<strong>in</strong>e kurze Säule (2 x 5 cm, evtl. Druck anlegen)<br />

vorgere<strong>in</strong>igt werden.<br />

• Die Trennung ist schlechter als erwartet: Hier wurde meist zu viel Substanz aufgetragen.<br />

Die Kapazität <strong>der</strong> verwendeten Säule sollte nochmals geprüft werden (vgl. Tab. 9.3), <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>igen Fällen bewirkt auch e<strong>in</strong> Wechsel zu weniger polaren Laufmitteln o<strong>der</strong> die Verwendung<br />

von Adsorbentien höherer Aktivität bereits Abhilfe.<br />

• Es wird deutlich weniger Produkt eluiert als erwartet: Hier muss zunächst geprüft werden,<br />

ob die Substanz auf dem verwendeten Adsorbens stabil ist. Dazu sollte das DC nochmals<br />

genau überprüft werden (Schwanzbildung auch bei kle<strong>in</strong>en Substanzmengen?), <strong>in</strong> Zweifelsfällen<br />

wird e<strong>in</strong> zweidimensionales DC entwickelt (mit jeweils demselben Laufmittel)<br />

und geprüft, ob auf dem Endpunkt des 1. Laufes (= Startpunkt des 2. Laufes) e<strong>in</strong> Fleck<br />

‚sitzen bleibt‘. Abhilfe kann möglicherweise die Verwendung von Adsorbens ger<strong>in</strong>gerer<br />

Aktivität (Akt.-Stufe II–IV) schaffen, notfalls kann auch die Verweilzeit <strong>der</strong> Substanz auf<br />

<strong>der</strong> Säule durch Erhöhung <strong>der</strong> Fließgeschw<strong>in</strong>digkeit verr<strong>in</strong>gert werden (siehe Flash-Chromatographie).<br />

In beiden Fällen muss jedoch die Verr<strong>in</strong>gerung <strong>der</strong> Trennstufenzahl <strong>der</strong><br />

Säule <strong>in</strong> Kauf genommen werden.<br />

9.3.6 Flash-Chromatographie (Blitz-Chromatographie)<br />

Die Flash-Chromatographie ist e<strong>in</strong>e effiziente und schnelle Methode für e<strong>in</strong>fache bis mittlere<br />

präparative Trennprobleme bei schwachem Überdruck mit ger<strong>in</strong>gem experimentellen Aufwand.<br />

Im Unterschied zur ‚normalen‘ Säulenchromatographie wird fe<strong>in</strong>eres Material für die<br />

stationäre Phase verwendet und dadurch e<strong>in</strong>e höhere Trennleistung erreicht. Die Durchflussgeschw<strong>in</strong>digkeit<br />

wird – wie bei <strong>der</strong> Mitteldruckchromatographie – durch den Überdruck<br />

erhöht: Die Trennzeit verkürzt sich und wegen <strong>der</strong> kürzeren Verweilzeit des Probenmaterials<br />

kann auch die Zersetzung empf<strong>in</strong>dlicher Substanzen weitgehend vermieden werden. Die<br />

Methode wurde erstmals 1978 von Still publiziert und patentiert (W.C. Still et al., J. Org.<br />

Chem. 1978, 43, 2923).<br />

Als stationäre Phase können alle üblichen Säulenmaterialien verwendet werden, typische<br />

Korngrößen liegen zwischen 30 und 60 μm.<br />

204


9.3 Säulenchromatographie<br />

Abb. 9.17: E<strong>in</strong>fache Apparatur<br />

zur Flash-Chromatographie<br />

E<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>fache Apparatur (Abb. 9.17) besteht aus e<strong>in</strong>er<br />

Chromatographiesäule (1) mit Glasfrittenboden (2) und<br />

e<strong>in</strong>em so genannten ‚Flowcontroller‘ (3) zum Regulieren<br />

des Überdrucks, dazwischen kann noch e<strong>in</strong> Solvens-Vorratsgefäß<br />

(4) e<strong>in</strong>gebaut werden. Die Druckversorgung<br />

erfolgt am Schlauchanschluss (5), meistens über Stickstoff-<br />

o<strong>der</strong> Pressluftdruckflaschen mit Druckm<strong>in</strong><strong>der</strong>er;<br />

alternativ kann <strong>der</strong> Druck auch mit e<strong>in</strong>em Handgebläse<br />

erzeugt werden. Am Nadelventil (6) des Flowcontrollers<br />

kann die Durchflussgeschw<strong>in</strong>digkeit geregelt werden, <strong>der</strong><br />

Überdruck entweicht über (7).<br />

Alle Schliffverb<strong>in</strong>dungen müssen gegen Überdruck gesichert<br />

werden, die Glassäule und das Solvens-Vorratsgefäß<br />

müssen mit e<strong>in</strong>em Splitterschutz versehen se<strong>in</strong> (Berstgefahr<br />

durch Überdruck!).<br />

Statt <strong>der</strong> Glasfilterfritte (2) kann auch e<strong>in</strong> Baumwollpropfen<br />

verwendet werden, er muss dann mit etwa 1 cm<br />

fe<strong>in</strong>en See- o<strong>der</strong> Quarzsand überschichtet werden, um das<br />

Auslaufen <strong>der</strong> fe<strong>in</strong>en Säulenfüllung zu verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n.<br />

Die Trennleistung <strong>der</strong> Flash-Chromatographie entspricht <strong>der</strong> von Nie<strong>der</strong>drucksäulen (siehe<br />

Tab. 9.3). In Abhängigkeit von <strong>der</strong> Säulengröße und dem Trennproblem können Substanzmengen<br />

von 0.01 bis 10 g <strong>in</strong> 15 M<strong>in</strong>uten getrennt werden.<br />

Mittlerweile s<strong>in</strong>d von verschiedenen Herstellern auch komplette Flash-Chromatographiesysteme<br />

im Handel erhältlich. Der Überduck wird meist mit e<strong>in</strong>fachen Pumpen erzeugt, als<br />

Säulen werden meist fertig gepackte ‚Cartridges‘ mit Kunststoffmantel (Polypropylen) <strong>in</strong> verschiedenen<br />

Größen verwendet. Die Systeme s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel modular aufgebaut und können<br />

mit Detektoren o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>em automatischen Fraktionssammler ausgerüstet werden.<br />

9.3.7 Hochdruckflüssigkeitschromatographie (HPLC)<br />

Die Hochdruckflüssigkeitschromatographie (HPLC, High Pressure Liquid Chromatography<br />

o<strong>der</strong> High Performance Liquid Chromatography) ist die leistungfähigste Variante <strong>der</strong> Flüssigkeitschromatographie.<br />

Die hohe Trennleistung wird durch den E<strong>in</strong>satz von sehr fe<strong>in</strong>en<br />

Säulenfüllungen erreicht, was e<strong>in</strong>en hohen Durchflusswi<strong>der</strong>stand verursacht. E<strong>in</strong>e vernünftige<br />

Flussgeschw<strong>in</strong>digkeit kann nur durch die Verwendung von Hochdruckpumpen (Druckbereich<br />

50–300 bar) erreicht werden. In Abbildung 9.18 ist <strong>der</strong> Aufbau e<strong>in</strong>er HPLC-Anlage schematisch<br />

dargestellt.<br />

205


9. Chromatographie<br />

Als Trennsäulen werden fertig gepackte, druckbeständige Edelstahl-Rohre verwendet, Säulene<strong>in</strong>gang<br />

und –ausgang s<strong>in</strong>d mit fe<strong>in</strong>en Edelstahlfrittenplatten verschlossen. Typische<br />

Säulen für die analytische HPLC besitzen e<strong>in</strong>en Durchmesser von 2–4.6 mm und e<strong>in</strong>e Länge<br />

von 125 o<strong>der</strong> 250 mm; für präparative Trennungen s<strong>in</strong>d Säulen mit 10–80 mm Durchmesser<br />

und Längen bis zu 60 cm erhältlich. Zur Verb<strong>in</strong>dungen <strong>der</strong> Säule mit <strong>der</strong> Pumpe und Detektor<br />

werden verschraubte Kapillaren aus Edelstahl o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>em speziellen, druckbeständigen<br />

Kunststoff (PEEK) verwendet.<br />

Als stationäre Phase wird Säulenfüllmaterial mit Korngrößen von 3–10 μm verwendet, häufig<br />

werden modifizierte Kieselgele e<strong>in</strong>gesetzt (Reversed Phase Chromatographie). Sphärisches<br />

Material mit sehr enger Korngrößenverteilung verbessert die Trennleistung. Die Analysenzeit<br />

kann durch die Verwendung dünnerer Säulen mit Korngrößen < 2 μm weiter verkürzt werden<br />

(Microbore-Säulen).<br />

Abb. 9.18: Schematischer Aufbau e<strong>in</strong>er HPLC-Anlage.<br />

1 Vorratsflaschen mit Solvens<br />

2 Mischkammer<br />

3 Hochdruckpumpe<br />

4 Probenaufgabeventil<br />

5 Spritze<br />

6 Probenschleife<br />

7 Trennsäule<br />

8 Detektor<br />

9 Computer zur Steuerung und<br />

Auswertung<br />

Der Eluent (mobile Phase) wird aus den Vorratsflaschen (1) angesaugt, bei Trennungen mit<br />

Gradienten wird die Zusammensetzung des Eluenten aus den e<strong>in</strong>zelnen Solventien <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Mischkammer (2) e<strong>in</strong>gestellt. Die Hochdruckpumpe (3) för<strong>der</strong>t den Eluenten mit konstanter<br />

Flussgeschw<strong>in</strong>digkeit zu Trennsäule (7).<br />

Die Probenaufgabe erfolgt über das Mehrwegeventil (6): Mit e<strong>in</strong>er Spritze wird die Probenschleife<br />

mit e<strong>in</strong>em def<strong>in</strong>iertem Inhalt <strong>der</strong> Probenlösung gefüllt. Durch Umschalten des Ventils<br />

(6) wird <strong>der</strong> Inhalt <strong>der</strong> Probenschleife zum E<strong>in</strong>gang <strong>der</strong> Trennsäule gepumpt und getrennt..<br />

Die Trennung kann über den Detektor (8) am Säulenausgang verfolgt werden.<br />

Mo<strong>der</strong>ne Anlagen registrieren das Detektorsignal über e<strong>in</strong>en Rechner, <strong>der</strong> auch die Steuerung<br />

<strong>der</strong> Pumpe und die Gradientenbildung übernimmt.<br />

206


9.3 Säulenchromatographie<br />

Bei <strong>der</strong> isokratischen Trennung wird e<strong>in</strong> Eluent mit konstanter Zusammensetzung verwendet.<br />

Für die Trennung komplexer Mischungen mit sehr unterschiedlichen Retentionszeiten ist<br />

die Gradienten-Trennung günstiger: Dabei wird die Zusammensetzung des Eluenten im<br />

Verlauf <strong>der</strong> Trennung nach e<strong>in</strong>em vorgegebenem Programm geän<strong>der</strong>t (z.B. 90% Hexan/10%<br />

Diclormethan zu 50% Hexan/50% Dichlormethan). Die Mischung des Eluenten erfolgt <strong>in</strong><br />

speziellen Mischkammern entwe<strong>der</strong> vor o<strong>der</strong> nach <strong>der</strong> Hochdruckpumpe.<br />

Als Detektoren werden häufig UV/Vis-Detektoren mit e<strong>in</strong>stellbaren Wellenlängen verwendet.<br />

Die Empf<strong>in</strong>dlichkeit hängt von <strong>der</strong> Absorption <strong>der</strong> Substanz bei <strong>der</strong> gewählten Wellenlänge<br />

ab. Dioden-Array-Detektoren erlauben die Registrierung von größeren Wellenlängenbereichen<br />

gleichzeitig, dadurch können überlappende Peaks leichter identifiziert werden. Seltener<br />

e<strong>in</strong>gesetzt werden refraktive Detektoren (Än<strong>der</strong>ung des Brechungs<strong>in</strong>dex des Eluenten)<br />

o<strong>der</strong> ORD-Detektoren (Än<strong>der</strong>ung des Drehwerts bei Trennung von chiralen Substanzen). In<br />

schwierigen Fällen können auch verschiedene Detektoren h<strong>in</strong>tere<strong>in</strong>an<strong>der</strong> geschalten werden.<br />

Die Identifizierung <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen Substanzen ist nur über die R F -Werte aus Vergleichsmessungen<br />

möglich, für die e<strong>in</strong>deutige Identifizierung werden häufig Referenzsubstanzen als<br />

<strong>in</strong>terne Standards zu <strong>der</strong> Probenmischung gegeben. Für quantitative Analysen müssen zusätzlich<br />

Eichmessungen mit verschiedenen Konzentrationen <strong>der</strong> zu bestimmenden Substanz <strong>in</strong><br />

Gegenwart <strong>der</strong> <strong>in</strong>ternen Standardsubstanz durchgeführt werden.<br />

Seit e<strong>in</strong>igen Jahren werden im analytischen Bereich auch MS-Detektoren e<strong>in</strong>gesetzt (HPLC/<br />

MS-Kopplung). Hier wird e<strong>in</strong> Teil des aus <strong>der</strong> Säule austretenden Eluenten dem E<strong>in</strong>lass e<strong>in</strong>es<br />

Massenspektrometers zugeführt, die Massenspektren werden kont<strong>in</strong>uierlich gemessen. Die<br />

erhaltenen Massespektren lassen direkte Rückschlüsse auf die Art <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen Substanzen<br />

zu.<br />

207


9. Chromatographie<br />

9.4 Gaschromatographie (GC)<br />

9.4.1 E<strong>in</strong>führung<br />

Im Gegensatz zur normalen Chromatographie (Flüssigkeitschromatographie, LC ≡ Liquid<br />

Chromatography) mit e<strong>in</strong>em Solvens als mobiler Phase ist bei <strong>der</strong> GC die mobile Phase e<strong>in</strong><br />

Gas, z. B. Helium, Stickstoff o<strong>der</strong> Wasserstoff (Trägergase).<br />

Grundvoraussetzung für die GC ist, dass das zu untersuchende Substanzgemisch unzersetzt<br />

verdampfbar ist. Aus diesem Grund bef<strong>in</strong>den sich die Trennsäulen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Säulenofen, <strong>der</strong><br />

mit e<strong>in</strong>em Temperaturprogramm geregelt wird.<br />

Als stationäre Phasen s<strong>in</strong>d Flüssigkeiten geeignet, die unter den Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen chemisch<br />

und thermisch stabil s<strong>in</strong>d, niedrige Viskositäten und Dampfdrucke besitzen und <strong>in</strong><br />

denen das Substanzgemisch löslich ist.<br />

Geeignet s<strong>in</strong>d:<br />

• Silikone (z. B. SE-30, DC-20)<br />

• Ester (z. B. Dioctylphthalat, Diisodecylphthalat)<br />

• Polyester (z. B. Polyethylenglykolterephthalat (EGTP), Polyethylenglycolsucc<strong>in</strong>at (EGS))<br />

• Poly(ethylenoxy)glykole (z. B. Carbowax 300 bzw. 4000)<br />

• Nitrile (z. B. 1,2,3-Tris(cyanoethoxy)propan (TCEP)<br />

Als Trägermaterialien für die stationären Phasen werden z. B. e<strong>in</strong>gesetzt Chromosorb, Celite<br />

und Kieselgurpräparate. Wenn die stationäre Phase e<strong>in</strong>es <strong>der</strong> oben angeführten Solventien ist,<br />

spricht man von e<strong>in</strong>er Flüssigkeits-Gaschromatograhpie (Liquid Gas Chromatography,<br />

LGC) im Gegensatz zur Solid Gas Chromatography (SGC), bei <strong>der</strong> die Chromatographiesäule<br />

nur mit e<strong>in</strong>em festen Adsorbens beschickt ist, wobei das zu untersuchende Substanzgemisch<br />

auf <strong>der</strong> aktiven Oberfläche des Adsorbens aufzieht.<br />

Die niedrige Viskosität des Gases bei <strong>der</strong> GC als mobiler Phase erlaubt im Gegensatz zur<br />

LC den E<strong>in</strong>satz sehr langer Trennsäulen, aus technischen Gründen ist <strong>der</strong> E<strong>in</strong>gangsdruck e<strong>in</strong>er<br />

Trennsäure aber auf 10 bar beschränkt.<br />

Die schnellere Diffusion <strong>in</strong> Gasen ermöglicht größere Körnungen des Trägermaterials (0.1–<br />

0.25) als bei <strong>der</strong> LC (0.005–0.05 mm).<br />

Die ger<strong>in</strong>ge Wärmekapazität <strong>der</strong> Gase erlaubt e<strong>in</strong>e schnelle Aufheizung <strong>der</strong> Säule während<br />

<strong>der</strong> Trennung (Temperaturprogramm).<br />

208


9.4 Gaschromatographie<br />

9.4.2 Die Trennsäulen<br />

Die Gaschromatographie ist generell natürlich nur <strong>in</strong> Säulen möglich, da das Trägergas nur<br />

hier geführt werden kann. Trennsäulen s<strong>in</strong>d aus Edelstahl-, Glas- o<strong>der</strong> Quarz-Rohren, die <strong>in</strong><br />

gera<strong>der</strong> o<strong>der</strong> aufgewendelter Form <strong>in</strong> den Säulenofen e<strong>in</strong>gepasst werden.<br />

Gepackte Säulen<br />

Gepackte Säulen werden heute nur noch für beson<strong>der</strong>e Trennprobleme o<strong>der</strong> für präparative<br />

Trennungen e<strong>in</strong>gesetzt. Im Handel erhältliche, fertige Säulenfüllungen werden bei Unterdruck<br />

<strong>in</strong> die Trennsäule e<strong>in</strong>gefüllt. Vor Inbetriebnahme werden die gefüllten Säulen bis an die obere<br />

Grenztemperatur aufgeheizt, um noch anhaftende Lösungsmittelreste (nicht die stationäre<br />

flüssige Phase!) zu entfernen.<br />

Zur eigenen Herstellung von Säulenfüllungen muss das Trägermaterial, z. B. Chromosorb<br />

(siehe oben), Korngröße von 0.1 bis 0.25 mm, mit <strong>der</strong> stationären flüssigen Phase (3–<br />

15 g/100 g Trägermaterial) belegt werden. Hierzu wird die stationäre Phase <strong>in</strong> soviel niedrig<br />

siedendem Lösungsmittel gelöst, dass das Trägermaterial völlig bedeckt ist. Anschließend<br />

wird das Solvens am Rotationsverdampfer wie<strong>der</strong> abgezogen.<br />

Kapillarsäulen<br />

In <strong>der</strong> Analytik werden fast ausschließlich Kapillarsäulen e<strong>in</strong>gesetzt. Sie enthalten ke<strong>in</strong><br />

Trägermaterial, die stationäre Phase haftet an <strong>der</strong> Säulenwand. Zur Herstellung wird die Säule<br />

mit e<strong>in</strong>er Lösung <strong>der</strong> stationären Phase <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em niedrig siedenden Solvens gefüllt und das<br />

Solvens unter verm<strong>in</strong><strong>der</strong>tem Druck abgezogen. Die Präparation von Kapillarsäulen erfor<strong>der</strong>t<br />

viel Erfahrung, es empfiehlt sich, auf käufliche Säulen zurückzugreifen.<br />

Die e<strong>in</strong>gesetzten Säulen lassen sich grob folgen<strong>der</strong>maßen e<strong>in</strong>teilen (Tab. 9.4).<br />

Tab. 9.4: Säulentypen für die Gaschromatographie:<br />

Länge [m] Durchmesser [mm] Trennstufen Belastbarkeit (g)<br />

Gepackte Säule<br />

Präparativ 1–8 6–80 500–2000 10 –3 –1<br />

Gepackte Säule<br />

Analytisch 1–8 2–5 1000–10000 10 –6 –10 -3<br />

Kapillarsäule 10–100 0.1–0.8 10000–100000 10 –9 –10 -6<br />

209


9. Chromatographie<br />

9.4.3 Physikalische Aspekte <strong>der</strong> Liquid Gas Chromatography (LGC)<br />

Die LGC basiert auf <strong>der</strong> Verteilung des Analysengemisches zwischen <strong>der</strong> stationären<br />

Phase C S und <strong>der</strong> mobilen Phase C m , für die <strong>der</strong> Nernst’sche Verteilungssatz gilt:<br />

C<br />

K =<br />

C<br />

S<br />

m<br />

C S : Konz. <strong>in</strong> <strong>der</strong> stationären Phase<br />

C m : Konz. <strong>in</strong> <strong>der</strong> mobilen Gasphase<br />

K Verteilungskoeffizient<br />

Die Trennstufen (Tab. 9.4) <strong>der</strong> GC-Säulen zeigen e<strong>in</strong>deutig die Überlegenheit <strong>der</strong> Gaschromatographie<br />

gegenüber <strong>der</strong> Flüssigkeitschromatographie und natürlich auch gegenüber<br />

<strong>der</strong> Kolonnendestillation.<br />

Bevorzugte E<strong>in</strong>satzgebiete <strong>der</strong> LGC s<strong>in</strong>d:<br />

• Trennung chemisch sehr ähnlicher Substanzen – z. B. homologer Reihen mit unterschiedlichen<br />

Siedepunkten – über ihren Dampfdruck.<br />

• Trennung von Substanzen mit gleichem Siedepunkt aber verschiedenen chemischen<br />

Eigenschaften und damit auch verschiedenen Wechselwirkungen mit <strong>der</strong> stationären<br />

Phase.<br />

Die GC verb<strong>in</strong>det also die Destillation mit den Möglichkeiten <strong>der</strong> Flüssigkeitschromatographie.<br />

Der Dampfdruck p e<strong>in</strong>er re<strong>in</strong>en Substanz ist nach Clausius-Clapeyron temperaturabhängig:<br />

d ln p<br />

dT<br />

ΔH<br />

= ΔH : Verdampfungsenthalpie<br />

2<br />

R ⋅T<br />

Die Partialdrucke e<strong>in</strong>es Gemisches nehmen ebenfalls exponentiell zu. Wenn die Säulentemperatur<br />

zu tief ist, bewegen sich die Substanzen auf <strong>der</strong> Säule gar nicht. Die richtigen Säulentemperaturen<br />

bei gepackten Säulen liegen 10–40 °C unter <strong>der</strong> Siedetemperatur <strong>der</strong> Analysenproben,<br />

bei Kapillarsäulen bis zu 100 °C tiefer.<br />

Weiten Siedebereichen <strong>der</strong> Probe trägt das Temperaturprogramm des Säulenofens Rechnung.<br />

Es regelt das Aufheizen <strong>der</strong> Säule während <strong>der</strong> Trennung. Wenn man die Heizrate richtig e<strong>in</strong>stellt,<br />

ersche<strong>in</strong>en alle Peaks e<strong>in</strong>er homologen Reihe mit gleichen Halbwertsbreiten und nahezu<br />

gleichen Abständen.<br />

210


9.4 Gaschromatographie<br />

9.4.4 Aufbau e<strong>in</strong>es Gaschromatographen<br />

Das Trägergas (aus e<strong>in</strong>er Druckgasflasche) zum Transport <strong>der</strong> Probe durch die Säule wird<br />

durch Druckm<strong>in</strong><strong>der</strong>er auf den erfor<strong>der</strong>lichen Betriebsdruck gebracht, e<strong>in</strong> Strömungsregler<br />

erlaubt die Fe<strong>in</strong>e<strong>in</strong>stellung des Gasstroms. Die Substanzmischung wird über das Probenaufgabesystem<br />

unmittelbar vor <strong>der</strong> Trennsäule (gepackt o<strong>der</strong> kapillar) e<strong>in</strong>gebracht. Der Säulenofen<br />

erlaubt die Durchführung <strong>der</strong> Trennung bei konstanten o<strong>der</strong> variablen Temperaturen<br />

(Temperaturprogramm). Die am Säulenende austretenden Substanzen werden von e<strong>in</strong>em<br />

Detektor <strong>in</strong> elektrische Signale umgewandelt und auf e<strong>in</strong>em Schreiber ausgegeben. In <strong>der</strong><br />

Regel <strong>in</strong>tegriert <strong>der</strong> Schreiber auch über die Peakflächen und erlaubt damit die quantitative<br />

Auswertung (Abb. 9.19).<br />

Abb. 9.19: Apparative Gaschromatographie-Anordnung<br />

1 Druckflasche für Trägergas<br />

2 Absperrventil<br />

3 Manometer<br />

4 Druckm<strong>in</strong><strong>der</strong>er<br />

5 Strömungsregler<br />

6 Probenzugabe<br />

7 Trennsäule<br />

8 Ofen mit Temperaturprogramm<br />

9 Detektor<br />

10 Schreiber<br />

11 Strömungsmesser<br />

Als Detektoren werden e<strong>in</strong>gesetzt:<br />

• Flammenionisationsdetektor (FID)<br />

• Flammenphotometrischer Detektor (FPD)<br />

• Thermionischer Detektor (PND)<br />

• Elektronene<strong>in</strong>fang-Detektor (ECD)<br />

• Photoionisationsdetektor (PID)<br />

• Helium-Detektor (HeD)<br />

Am universellsten e<strong>in</strong>setzbar ist <strong>der</strong> Flammenionisationsdetektor (FID). Hier wird die elektrische<br />

Leitfähigkeit e<strong>in</strong>er Flamme <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em elektrischen Feld gemessen (Abb. 9.20). Dem aus<br />

<strong>der</strong> Säule austretenden Gasgemisch (Helium o<strong>der</strong> Stickstoff als Trägergas + Substanz) wird<br />

als Brenngas Wasserstoff zugemischt und <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er kle<strong>in</strong>en Düse verbrannt. Die notwendige<br />

Luft wird von außen zugeführt. Über <strong>der</strong> Düse ist e<strong>in</strong>e r<strong>in</strong>gförmige Sammelelektrode angeordnet,<br />

zwischen ihr und <strong>der</strong> Düse liegt e<strong>in</strong> elektrisches Feld von e<strong>in</strong>igen 100 V. In <strong>der</strong><br />

Flamme wird die Substanz thermisch ionisiert, dadurch fließt e<strong>in</strong> messbarer Strom von <strong>der</strong><br />

Düse (Kathode) zur Sammelelektrode (Anode), <strong>der</strong> verstärkt und auf e<strong>in</strong>en Schreiber ausgegeben<br />

wird.<br />

211


9. Chromatographie<br />

Abb. 9.20: Messpr<strong>in</strong>zip des Flammenionisationsdetektors.<br />

1 Flammendüse<br />

2 Flamme<br />

3 Spannungsquelle<br />

4 Sammelelektrode<br />

5 Messverstärker<br />

6 Schreiber o<strong>der</strong> Computer<br />

Die Grundionisation – wenn nur Trägergas und Brenngas (H 2 ) im FID vorliegen – ist sehr<br />

kle<strong>in</strong>. Erst wenn thermisch ionisierbare Substanzen vorliegen (alle Substanzen mit C–H-B<strong>in</strong>dungen)<br />

steigt die Ionenkonzentration merklich an und damit auch <strong>der</strong> gemessene Strom.<br />

Die gemessenen Ströme s<strong>in</strong>d über e<strong>in</strong>en weiten Bereich direkt proportional zur Substanzmenge,<br />

die Empf<strong>in</strong>dlichkeit für verschiedene Substanzen ist aber unterschiedlich. Für<br />

quantitative Analysen ist deshalb immer e<strong>in</strong>e Kalibrierung notwendig. Schwer ionisierbare<br />

Substanzen wie H 2 O, CS 2 o<strong>der</strong> CCl 4 s<strong>in</strong>d praktisch nicht zu detektieren. Die Nachweisgrenze<br />

liegt bei etwa 5·10 –12 gC sec –1 (gC: Gramm Kohlenstoff).<br />

FID s<strong>in</strong>d robuste Detektoren für die organische Rout<strong>in</strong>e-Analyse, sie zeichnen sich vor allem<br />

durch ihre Unempf<strong>in</strong>dlichkeit gegen Än<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Temperatur- und <strong>der</strong> Strömungsgeschw<strong>in</strong>digkeit<br />

aus.<br />

Über die Funktionsweise <strong>der</strong> übrigen Detektoren <strong>in</strong>formiere man sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Spezialliteratur.<br />

9.4.5 Arbeitsweise des Gaschromatographen<br />

Der Gaschromatograph liefert e<strong>in</strong> Gaschromatogramm, das die Detektorsignale als Funktion<br />

<strong>der</strong> Zeit während <strong>der</strong> Auftrennung e<strong>in</strong>es Gemisches (Komponenten A, B, C, D, Abb. 9.21).<br />

Bei t = 0 wird die Substanzprobe auf die Säule gegeben, <strong>in</strong> dem abgebildeten fiktiven Gaschromatogramm<br />

ersche<strong>in</strong>en nach 1–5 M<strong>in</strong>uten die Signale (Peaks) <strong>der</strong> Komponente.<br />

Die Zeit, die e<strong>in</strong>e Komponente braucht, um direkt mit dem Trägergas durch die Säule – ohne<br />

Verzögerung – zu wan<strong>der</strong>n (z. B. Peak L) nennt man Durchbruchzeit t m (<strong>in</strong> älterer Literatur<br />

auch Totzeit t 0 ).<br />

212


9.4 Gaschromatographie<br />

Abb. 9.21: Fiktives Gaschromatogramm. Der Peak L ist das Signal für die mit <strong>der</strong> Probe<br />

e<strong>in</strong>gedrungene Luft, e<strong>in</strong>e Bl<strong>in</strong>dprobe b) bestätigt dies.<br />

a)<br />

b)<br />

Aus den Peaks im Gaschromatogramm lässt sich nicht ersehen, um welche Substanzen es sich<br />

handelt. Dies setzt e<strong>in</strong>e Chromatographie mit Eichsubstanzen bzw. Eichmischungen unter<br />

exakt den gleichen Bed<strong>in</strong>gungen voraus.<br />

Die Menge <strong>der</strong> getrennten Substanzen aus <strong>der</strong> Probe lässt sich bei ähnlichen Substanzen (z.B.<br />

Isomeren) näherungsweise aus <strong>der</strong> Fläche <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen Peaks ermitteln. Die Gesamtfläche<br />

erlaubt die Ermittlung <strong>der</strong> Gewichtsprozente <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen Komponenten:<br />

F A + F B + F C + F D = Σ F<br />

FA<br />

ΣF<br />

⋅100 = F % ≅ Gew.-% A usw.<br />

A<br />

Für e<strong>in</strong>e exakte quantitative Bestimmung muss die unterschiedliche Empf<strong>in</strong>dlichkeit des verwendeten<br />

Detektors für die jeweiligen Bestandteile <strong>der</strong> Mischung berücksichtigt werden.<br />

Dazu werden Eichmessungen verschiedener Konzentrationen <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen Substanzen <strong>in</strong><br />

Gegenwart e<strong>in</strong>er genau bekannten Menge e<strong>in</strong>er Referenzsubstanz (<strong>in</strong>terner Standard) aufgenommen.<br />

Aus den erhaltenen Integralen (Flächen) <strong>der</strong> Signale und den bekannten Mengen<br />

von Proben- und Referenzsubstanz werden Korrekturfaktoren (‚Flächenfaktoren‘) für die Probensubstanzen<br />

ermittelt. Auch <strong>der</strong> zu analysierenden Probenmischung wird e<strong>in</strong>e genau bekannte<br />

Menge <strong>der</strong> Referenzsubstanz zugesetzt. Aus den Integralen des analytischen Laufs<br />

können anschließend mit Hilfe <strong>der</strong> Korrekturfaktoren die exakten Mengen <strong>der</strong> Bestandteile<br />

bestimmt werden.<br />

Abb. 9.22 zeigt e<strong>in</strong> charakteristisches Gaschromatogramm verschiedener Drogen.<br />

213


9. Chromatographie<br />

Abb. 9.22: Gaschromatogramm verschiedener Drogen (Stationäre Phase: OPTIMA 1, 15 m x<br />

0.53 mm ID, Film = 1.80 μm, Säulentemperatur 134 °C, Aufheizgeschw<strong>in</strong>digkeit 10°/m<strong>in</strong> bis<br />

277 °C. Trägergas: Stickstoff, 10 ml/m<strong>in</strong>, Detektor NPD, Probenmenge: 1 μl).<br />

1. Amphetam<strong>in</strong><br />

2. Clomethiazol<br />

3. Nicot<strong>in</strong><br />

4. Ephedr<strong>in</strong><br />

5. Barbital<br />

6. Phenacet<strong>in</strong><br />

7. Coffe<strong>in</strong><br />

8. Diphenhydram<strong>in</strong><br />

9. Tilid<strong>in</strong><br />

10. Cyclobarbital<br />

11. 5-Chloro-2-am<strong>in</strong>obenzophenon (<strong>in</strong>t. Standard)<br />

12. Methaqualon<br />

13. Code<strong>in</strong><br />

14. Morph<strong>in</strong><br />

15. Qu<strong>in</strong><strong>in</strong><br />

16. Thioridaz<strong>in</strong> (<strong>in</strong>t. Standard)<br />

17. Butaperaz<strong>in</strong><br />

18. Tiotixen<br />

19. Tiotixen artefact<br />

20. Lidoflaz<strong>in</strong><br />

214


9.4 Gaschromatographie<br />

Literaturverzeichnis<br />

Dünnschichtchromatographie (DC)<br />

E. Stahl, Dünnschichtchromatographie, e<strong>in</strong> Laborhandbuch, Spr<strong>in</strong>ger-Verlag, 1976.<br />

E. Hahn-De<strong>in</strong>strop, Dünnschichtchromatographie – Praktische Durchführung und Fehlervermeidung,<br />

Wiley-VCH We<strong>in</strong>heim, 1998.<br />

H.-P. Frey, K. Zieloff, Qualitative und quantitative Dünnschichtchromatographie – Grundlagen<br />

und Praxis, VCH We<strong>in</strong>heim, 1993.<br />

H. Jork, W. Funk, W. Fischer, H. Wimmer, Dünnschicht-Chromatographie – Reagenzien und<br />

Nachweismethoden; Band 1a: Grundlagen, Reagenzien I, VCH We<strong>in</strong>heim, 1989; Band 1b:<br />

Physikalische und chemische Nachweismethoden: Aktivierungsreaktionen, Reagenzfolgen,<br />

Reagenzien II, VCH We<strong>in</strong>heim, 1993.<br />

Säulenchromatographie (SC, HPLC)<br />

V.R. Meyer, Praxis <strong>der</strong> Hochleistungs-Flüssigkeitschromatographie, 9. aktualisierte Auflage,<br />

WILEY-VCH We<strong>in</strong>heim, 2004.<br />

H. Henke, Flüssig-Chromatographie, Vogel Verlag Würzburg, 1999.<br />

G. Aced, H.J. Möckel, Liquidchromatographie: Apparative, theoretische und methodische<br />

Grundlagen, VCH We<strong>in</strong>heim, 1991.<br />

Gaschromatographie (GC)<br />

W. Gottwald, GC für Anwen<strong>der</strong>, VCH We<strong>in</strong>heim, 1995.<br />

G. Schomburg, Gaschromatography: A practical course, VCH We<strong>in</strong>heim, 1990.<br />

H. Naumer, W. Heller, Untersuchungsmethoden <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Chemie</strong>, Georg Thieme Verlag<br />

Stuttgart, New York, 1986.<br />

D. Jentzsch, Physikalische Methoden <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Chemie</strong>: Gas-Chromatographie, <strong>Chemie</strong> <strong>in</strong><br />

unserer Zeit, 6, 1972 , 154.<br />

Präparative Chromatographie (verschiedene Techniken)<br />

K. Hostettmann, A. Marston, M. Hostettmann, Preparative Chromatography Techniques:<br />

Applications <strong>in</strong> Natural Product Isolation, 2 nd , completely revised and enlarged Edition,<br />

Spr<strong>in</strong>ger Verlag, Berl<strong>in</strong>, 1997.<br />

215


9. Chromatographie<br />

216


Kapitel 10<br />

Gase – Arbeiten unter Schutzgas<br />

10.1 Funktion von Gasen – Physikalische Daten<br />

10.2 Arbeiten mit Gasen<br />

10.3 Arbeiten unter Schutzgas<br />

217


10. Gase – Arbeiten unter Schutzgas<br />

10.1 Funktion von Gasen – Physikalische Daten<br />

Meist s<strong>in</strong>d die Reaktionspartner bei chemischen Reaktionen feste o<strong>der</strong> flüssige Verb<strong>in</strong>dungen.<br />

Der E<strong>in</strong>satz von Gasen und niedrig siedenden Verb<strong>in</strong>dungen, die bei Raumtemperatur gasförmig<br />

vorliegen, erfor<strong>der</strong>t spezielle Kenntnisse.<br />

Gase haben <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Chemie</strong> die verschiedenartigsten Funktionen:<br />

• Reaktive Gase, z. B. Chlorwasserstoff, Bromwasserstoff, Chlor, Ethylenoxid, Ethylen,<br />

Butadien s<strong>in</strong>d Reaktanden <strong>in</strong> chemischen Umsetzungen:<br />

R<br />

OH<br />

+ HBr (g)<br />

R<br />

Br<br />

+ H 2<br />

O<br />

Ph<br />

CH 3<br />

+ Cl 2<br />

hν<br />

Ph<br />

CH 2<br />

Cl<br />

+ HCl<br />

O<br />

H 2<br />

C CH 2<br />

+ RMgX<br />

RCH 2<br />

CH 2<br />

OMgX<br />

O<br />

H<br />

O<br />

+<br />

O<br />

O<br />

O<br />

H<br />

O<br />

• Gase zur katalytischen Hydrierung o<strong>der</strong> zur katalytischen Oxidation<br />

H H<br />

Kat<br />

+ H 2<br />

Kat<br />

2 R C C H + O 2 R C C C C R<br />

• Kondensierte Gase mit speziellen physikalisch-chemischen Eigenschaften, z.B. flüssiges<br />

NH 3 (Sdp. –33 °C) <strong>in</strong> <strong>der</strong> Birch-Reduktion<br />

NH 3 (fl) + Na → Na + + NH 3 (solv. Elektronen), blaue Lösung.<br />

H<br />

H<br />

H<br />

NH 3<br />

(fl)<br />

EtOH<br />

Na (e )<br />

H<br />

H<br />

H<br />

H<br />

H<br />

H<br />

+ e<br />

EtOH<br />

H<br />

H<br />

H<br />

218


10.1 Funktion von Gasen – Physikalische Daten<br />

• Gase zur Bildung e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>erten Atmosphäre<br />

Als ‚Schutzgase‘, die vor <strong>der</strong> E<strong>in</strong>wirkung von Sauerstoff o<strong>der</strong> Luftsauerstoff schützen,<br />

dienen <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e Stickstoff und Argon.<br />

• Gase als Transportmittel<br />

Häufig werden Gase auch als Mittel zum Transport von flüssigen und festen Substanzen<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Gasphase e<strong>in</strong>gesetzt. In <strong>der</strong> Gaschromatographie ist z.B. Helium die mobile Phase.<br />

In diesen Beispielen werden Gase als Reagenzien bzw. als <strong>in</strong>erte Hilfsstoffe e<strong>in</strong>gesetzt.<br />

Umgekehrt werden bei vielen Reaktionen Gase freigesetzt, z.B.<br />

R<br />

O<br />

Cl<br />

O<br />

+ R' OH<br />

R + HCl<br />

OR'<br />

Die freigesetzten Gase müssen auf verschiedene Weise entsorgt werden.<br />

Allgeme<strong>in</strong>e Zustandsgleichung idealer Gase<br />

Für ideale Gase gilt die Gleichung<br />

p ⋅ V = n ⋅ R ⋅T<br />

p: Druck<br />

V: Volumen<br />

n: Stoffmenge<br />

T: absolute Temperatur (<strong>in</strong> K)<br />

R: allgeme<strong>in</strong>e Gaskonstante (8.31441 JK –1 mol –1 )<br />

Bei realen Gasen müssen Korrekturglie<strong>der</strong> e<strong>in</strong>geführt werden. Werden e<strong>in</strong>zelne Parameter<br />

konstant gehalten, lassen sich Teilgesetze ableiten:<br />

• Boyle-Mariott’sches Gesetz: p·V = konst. (T, n: konstant)<br />

Bei gegebener Temperatur und konstantem n ist das Produkt aus Druck p und<br />

Volumen V konstant.<br />

Gay-Lussac’sches Gesetz:<br />

Bei konstantem Volumen V ist <strong>der</strong> Druck p, bei konstantem Druck das Volumen V<br />

direkt proportional zur Temperatur T (bei gleich bleiben<strong>der</strong> Stoffmenge n).<br />

• Avogadro’sche Hypothese:<br />

Im gleichen Volumen V, bei gleichem Druck und gleicher Temperatur s<strong>in</strong>d gleich viele<br />

Moleküle enthalten, unabhängig von <strong>der</strong> Art des Gases (1 mol = 6.022 ⋅ 10 23 Moleküle).<br />

219


10. Gase – Arbeiten unter Schutzgas<br />

• Bei gleichem Druck und gleicher Temperatur nimmt 1 mol e<strong>in</strong>es gasförmigen Moleküls<br />

das gleiche Volumen e<strong>in</strong>.<br />

1 mol O 2 : 32.0 g Volumen: 22.414 l Zahl <strong>der</strong> Moleküle: 6.022 ⋅ 10 23<br />

1 mol Argon: 39.9 g Volumen: 22.414 l Zahl <strong>der</strong> Moleküle: 6.022 ⋅ 10 23<br />

1 mol Chlor: 71.0 g Volumen: 22.414 l Zahl <strong>der</strong> Moleküle: 6.022 ⋅ 10 23<br />

Physikalische Eigenschaften<br />

Die physikalischen Eigenschaften <strong>der</strong> wichtigsten Gase und geeignete Trockenmittel s<strong>in</strong>d <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Tabelle 10.1 zusammengefasst. Die relative Dichte wird auf die Dichte von Luft bezogen.<br />

Tab. 10.1: Physikalische Daten wichtiger Gase und geeignete Trockenmittel.<br />

Gas Sdp. [°C] /<br />

1013 mbar<br />

HC≡CH –81<br />

CH 2 =CH 2 −104<br />

H 5 C 2 –NH 2 +16.6<br />

H 2<br />

C CH 2<br />

+10.7<br />

O<br />

HCl<br />

HBr<br />

NH 3<br />

CO 2<br />

CO<br />

Cl 2<br />

CH 3 Cl<br />

O=CCl 2<br />

O 2<br />

N 2<br />

−85<br />

−67<br />

−33<br />

−78 (subl.)<br />

−192<br />

−34.6<br />

−24<br />

+8<br />

Schmp.<br />

[°C]<br />

−84<br />

−169<br />

−81<br />

−111<br />

−114<br />

−88<br />

Rel.<br />

Dichte<br />

0.906<br />

1.55<br />

1.55<br />

1.53<br />

1.27<br />

2.82<br />

−78 0.597<br />

1.53<br />

−199<br />

−101<br />

−98<br />

−128<br />

0.967<br />

2.49<br />

1.74<br />

3.44<br />

Explosionsgrenzen Trocken<strong>in</strong><br />

Luft, 20°C, 1 bar mittel<br />

2.4–83% 1–4<br />

2,5<br />

2.7–34%<br />

3–100%<br />

--<br />

--<br />

15–30.2%<br />

--<br />

12.5–74%<br />

--<br />

1,4,5<br />

2<br />

1–3, 6<br />

1–3,6<br />

2,4,5<br />

1–3,6<br />

1–3,6<br />

1,2,6<br />

7.6–19% 1,2<br />

1,2,6<br />

Löslichkeit<br />

<strong>in</strong> 1 l H 2 O, 0°C<br />

1.7 l<br />

0.26 l<br />

∞<br />

∞<br />

525 l<br />

580 l<br />

1180 l<br />

1.71 l<br />

0.035 l<br />

2.3 l<br />

4.0 l<br />

Zersetzung<br />

−183<br />

−196<br />

−218<br />

−210<br />

1.11<br />

0.967<br />

--<br />

--<br />

1,3,5,6<br />

1,3,5,6<br />

0.05 l<br />

0.023 l<br />

H 2 −253 −262 0.07 4–75.5% 2,3,5,6 0.02 l<br />

Ar −186 −189 1.78 -- 1–3,6 0.06 l<br />

Trockenmittel: (1) CaCl 2 , (2) Sikkon, (3) P 2 O 5 , (4) CaO, (5) NaOH, (6) H 2 SO 4<br />

220


10.2 Arbeiten mit Gasen<br />

10.2 Arbeiten mit Gasen<br />

10.2.1 Druckgasflaschen<br />

Die meisten Gase werden käuflichen Druckgasflaschen (Gasstahlflaschen, ‚Bomben‘) entnommen.<br />

Man unterscheidet dabei verdichtete Gase und Flüssiggase. Bei Flüssiggasen liegt<br />

das Gas unter dem Flaschendruck kondensiert (flüssig) vor (Tab. 10.2). Alle Druckgasflaschen<br />

unterliegen <strong>der</strong> „Verordnung über Druckbehälter, Druckgasbehälter und Füllanlagen“<br />

(DruckbehV) und müssen regelmäßig überprüft werden. Der nächste Prüfterm<strong>in</strong> ist auf<br />

e<strong>in</strong>er Prüfplakette vermerkt.<br />

Die zyl<strong>in</strong>drischen Gasflaschen werden mit e<strong>in</strong>em Gefahrgutaufkleber gekennzeichnet, er enthält:<br />

• Risiko- und Sicherheitssätze,<br />

• Gefahrenzettel,<br />

• Zusammensetzung des Gases,<br />

• Produktbezeichnung,<br />

• EG-Nummer,<br />

• vollständige Gasbenennung nach <strong>der</strong> GGVSE (Gefahrgut-Verordnung Straße und<br />

Eisenbahn),<br />

• Herstellerh<strong>in</strong>weise,<br />

• Name, Anschrift und Telefonnummer des Herstellers.<br />

Zusätzlich s<strong>in</strong>d die Gasdruckflaschen farblich gekennzeichnet. Diese Farbkennzeichnung<br />

wurde mit <strong>der</strong> Norm DIN EN 1089-3 vom Juli 1997 neu geregelt und soll spätestens bis 1.<br />

Juli 2006 abgeschlossen se<strong>in</strong>. Sie ist nur für die Flaschenschulter verb<strong>in</strong>dlich, die Farbe des<br />

zyl<strong>in</strong>drischen Flaschenkörpers ist nicht festgelegt (Ausnahme: Gase für mediz<strong>in</strong>ische Anwendungen<br />

besitzen e<strong>in</strong>en weißen Flaschenkörper). Um während <strong>der</strong> Übergangszeit Verwechslungen<br />

mit <strong>der</strong> alten Farbkennung zu verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n, wird bei geän<strong>der</strong>ter Farbkodierung zusätzlich<br />

e<strong>in</strong> großes N (für Neu, new) angegeben (Tab. 10.2).<br />

Aus <strong>der</strong> Schulterfarbe kann auf die Eigenschaften <strong>der</strong> Gase geschlossen werden:<br />

• Leuchtendgrün: Inertgase<br />

• Rot: Brennbare Gase<br />

• Hellblau: Oxidierende Gase<br />

• Gelb: Toxische und korrosive Gase<br />

E<strong>in</strong>ige Gase von beson<strong>der</strong>er technischer Bedeutung (z.B. Acetylen, Argon, Stickstoff) besitzen<br />

eigene Farbkennzeichnungen.<br />

221


10. Gase – Arbeiten unter Schutzgas<br />

Tab. 10.2: Flaschendruck und Farbkennzeichnung wichtiger Gase.<br />

Gas Maximaler Anschluss-Nr. Farbkennzeichnung<br />

Flaschendruck nach DIN 477 Neu Alt<br />

Acetylen 15 bar (<strong>in</strong> Aceton) 5 Kastanienbraun Gelb<br />

Ethen 20-30 bar, flüssig 1 Rot Rot<br />

Ethylam<strong>in</strong> 3 bar, flüssig 1 Rot Rot<br />

Ethylenoxid 5–10 bar, flüssig 1 Rot Rot<br />

HCl 60–80 bar, flüssig 8 Gelb Grau<br />

HBr 10–20 bar, flüssig 8 Gelb Grau<br />

NH 3 8–10 bar, flüssig 6 Gelb Grau<br />

CO 2 60 bar, flüssig 6 Grau Grau<br />

CO 200 bar, gasförmig 5 Gelb Rot<br />

Cl 2 6—8 bar, flüssig 8 Gelb Grau<br />

CH 3 Cl 10–15 bar, flüssig 1 Rot Grau<br />

O=CCl 2 20–30 bar, flüssig 8 Gelb Grau<br />

O 2 200 bar, gasförmig 9 Weiß Blau<br />

H 2 200 bar, gasförmig 1 Rot Rot<br />

He 200 bar, gasförmig 6 Braun Grau<br />

N 2 200 bar, gasförmig 10 Schwarz Grün<br />

Ar 200 bar, gasförmig 6 Dunkelgrün Grau<br />

Für spezielle Hochdruckanwendungen s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>ige Gase auch bis zu e<strong>in</strong>em Flaschendruck von<br />

300 bar erhältlich.<br />

Druckgasflaschen müssen stehend und gegen Umfallen gesichert <strong>in</strong> beson<strong>der</strong>s geschützten<br />

Räumen (‚Gasflaschenraum‘ o<strong>der</strong> ‚Käfigen‘ im Freien) gelagert werden. In Laboratorien dürfen<br />

sie nur <strong>in</strong> dauerabgesaugten und brandgeschützten Spezialschränken aufbewahrt werden.<br />

Außerhalb dieser Schränke dürfen Gasdruckflaschen nur kurzfristig aufgestellt werden. Sie<br />

müssen vor Wärmee<strong>in</strong>wirkung geschützt und mit Ketten o<strong>der</strong> Gurten standfest an e<strong>in</strong>er festen<br />

Wand befestigt werden. Am Ende des Versuchs s<strong>in</strong>d die Gasflaschen wie<strong>der</strong> an ihren sicheren<br />

Lagerort zurückzustellen. Gasflaschen dürfen nur mit speziellen Wagen (‚Bombenwagen‘)<br />

angekettet und mit aufgeschraubter Flaschenkappe transportiert werden.<br />

Die Re<strong>in</strong>heit von Gasen wird <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er speziellen Kurznotation angegeben: Die erste Zahl gibt<br />

die Anzahl <strong>der</strong> ‚Neuner‘ <strong>in</strong> <strong>der</strong> Prozentangabe an, die zweite – durch e<strong>in</strong>en Punkt getrennte –<br />

Zahl gibt die erste, von ‚Neun‘ abweichende Dezimalstelle an. E<strong>in</strong> Gas mit <strong>der</strong> Angabe 2.8<br />

besitzt also e<strong>in</strong>e Re<strong>in</strong>heit von 99.8%, die Angabe 6.0 bedeutet e<strong>in</strong>e Re<strong>in</strong>heit von 99.9999%.<br />

10.2.2 Reduzierventile (Druckm<strong>in</strong><strong>der</strong>ventile)<br />

Bei hohen Drucken <strong>in</strong> Druckgasflaschen müssen spezielle ‚Reduzierventile‘ e<strong>in</strong>gesetzt werden.<br />

Wenn die Druckgasflasche e<strong>in</strong>fach geöffnet wird, tritt e<strong>in</strong>e unkontrollierbare Gasmenge<br />

unter hohem Druck und mit großer Geschw<strong>in</strong>digkeit aus, was zum Zerbersten <strong>der</strong> Apparatur<br />

führen kann.<br />

Hochdruckgasflaschen mit komprimierten Gasen (bis 300 bar) dürfen nur mit e<strong>in</strong>em<br />

Druckm<strong>in</strong><strong>der</strong>ventil verwendet werden.<br />

222


10.2 Arbeiten mit Gasen<br />

Mit diesem Ventil kann <strong>der</strong> Entnahmedruck und die Gasmenge reguliert werden. Die<br />

Funktionsweise e<strong>in</strong>es Reduzierventils wird <strong>in</strong> Abbildung 10.1 dargestellt.<br />

Abb. 10.1: Druckm<strong>in</strong><strong>der</strong>er für hoch verdichtete Gase.<br />

1 Flaschenanschluss nach DIN 477,<br />

siehe Tab. 10.2<br />

2 Manometer, Anzeige des Gasflaschendrucks<br />

(bis 300 bar)<br />

3 Manometer, Anzeige des H<strong>in</strong>terdrucks<br />

(Entnahmedruck)<br />

4 Handrad zur E<strong>in</strong>stellung des<br />

Entnahmedrucks<br />

5 Absperrventil<br />

6 Gasauslass, Anschluss an die<br />

Reaktionsapparatur<br />

7 Vorspannfe<strong>der</strong><br />

8 Membran<br />

9 Regelschieber<br />

10 Sicherheitsventil<br />

Funktionsweise des Druckm<strong>in</strong><strong>der</strong>ers<br />

Das Gas strömt mit dem Flaschendruck <strong>in</strong> den Druckm<strong>in</strong><strong>der</strong>er und drückt gegen den Regelschieber<br />

(9). Die Vorspannfe<strong>der</strong> (7) übt e<strong>in</strong>en Gegendruck aus, <strong>der</strong> über das Handrad (4) geregelt<br />

werden kann. Die Membran (8) dichtet den Gasraum ab.<br />

Wenn <strong>der</strong> von <strong>der</strong> Fe<strong>der</strong> (7) ausgeübte Gegendruck größer ist als <strong>der</strong> Flaschendruck, wird <strong>der</strong><br />

Regelschieber (9) geöffnet. Das durchströmende Gas drückt die Membran (8) nach unten, <strong>der</strong><br />

Regelschieber wird wie<strong>der</strong> geschlossen.<br />

Handhabung <strong>der</strong> Reduzierventile<br />

Zum Abdichten von Ventilen dürfen niemals Fette, Öle o<strong>der</strong> Teflonband<br />

verwendet werden, Brand- und Explosionsgefahr!<br />

Anschluss und Inbetriebnahme des Ventils<br />

Die Druckflasche wird wie folgt <strong>in</strong> Betrieb genommen:<br />

• Nach Abnahme <strong>der</strong> Flaschenkappe ist e<strong>in</strong>e Sichtkontrolle <strong>der</strong> Dichtungen vorzunehmen,<br />

dann wird das Ventil mit dem Flaschenanschluss (1) auf die Druckgasflasche aufgeschraubt<br />

(ke<strong>in</strong>e Gewalt anwenden!). E<strong>in</strong>ige Anschlüsse (z.B. für Wasserstoff) besitzen<br />

e<strong>in</strong> L<strong>in</strong>ksgew<strong>in</strong>de.<br />

223


10. Gase – Arbeiten unter Schutzgas<br />

• Entnahmeventil (Absperrventil) (5) schließen, Handrad (4) vollständig entspannen (Drehen<br />

entgegen Uhrzeigers<strong>in</strong>n),<br />

• Gasflaschenventil langsam öffnen, Flaschendruck am Manometer (2) ablesen,<br />

• Drehen <strong>der</strong> Stellschraube im Uhrzeigers<strong>in</strong>n, bis das Manometer (3) den gewünschten Entnahmedruck<br />

anzeigt,<br />

• zur Gasentnahme (5) Absperrventil vorsichtig öffnen.<br />

• Wird ke<strong>in</strong> Gas mehr benötigt, wird das Absperrventil (5) geschlossen, das Handrad<br />

wie<strong>der</strong> entspannt und das Hauptventil <strong>der</strong> Druckgasflasche geschlossen.<br />

10.2.3 Nadelventile (Regulierventile)<br />

Bei Druckgasflaschen mit verflüssigten Gasen (Nie<strong>der</strong>druckgase, siehe Tab. 10.2), z. B. HCl,<br />

NH 3 , Cl 2 , werden Nadelventile (Regulierventile), Abbildung 10.2, e<strong>in</strong>gesetzt.<br />

Abb. 10.2: Nadelventil<br />

1 Flaschenanschluss nach DIN 477, siehe Tab.<br />

10.2<br />

2 Handrad zur E<strong>in</strong>stellung <strong>der</strong> Entnahmemenge<br />

3 Gasauslass, Anschluss an die Reaktionsapparatur<br />

4 Ventilsitz<br />

5 Reguliernadel<br />

Bei <strong>der</strong> Verwendung von Nadelventilen ist zu beachten, dass das Gas mit dem Flaschendruck<br />

entnommen wird und nur die Menge des Gases vom Nadelventil reguliert wird (Durchflusssteuerventil).<br />

Nadelventile s<strong>in</strong>d sehr gut fe<strong>in</strong>regulierbar, s<strong>in</strong>d aber empf<strong>in</strong>dlich gegenüber<br />

gewaltsamem Schließen. Mit Nadelventilen kann die Menge des <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Apparatur e<strong>in</strong>strömenden<br />

Gases reguliert werden.<br />

Nach dem E<strong>in</strong>satz von aggressiven Gasen müssen die e<strong>in</strong>gesetzten Nadelventile sofort mit<br />

Wasser gespült und durch Anschließen an e<strong>in</strong>e Wasserstrahlpumpe getrocknet werden. Wenn<br />

dies nicht geschieht, können sich die Nadelventile durch Korrosion ‚festfressen‘ und unbrauchbar<br />

werden.<br />

Achtung: Um Verwechslungen auszuschließen, s<strong>in</strong>d die Entnahmeventile nach DIN 477 für<br />

unterschiedliche Gasarten mit verschiedenen Anschlussgew<strong>in</strong>den versehen. Die Anschlussnummer<br />

des Ventils ist <strong>in</strong> die Überwurfmutter e<strong>in</strong>geschlagen (siehe auch Tab. 10.2).<br />

Faustregel: Rechtsgew<strong>in</strong>de für nicht brennbare Gase, L<strong>in</strong>ksgew<strong>in</strong>de für brennbare Gase.<br />

224


10.2 Arbeiten mit Gasen<br />

10.2.4 E<strong>in</strong>leiten von Gasen <strong>in</strong> Apparaturen<br />

Beim Arbeiten mit Gasen muss unbed<strong>in</strong>gt verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t werden, dass Substanzen aus <strong>der</strong> Reaktionsmischung<br />

<strong>in</strong> die Gasflasche gelangen können. Dazu wird e<strong>in</strong>e leere Waschflasche zwischen<br />

die Gasdruckflasche und Apparatur geschaltet, das Steigrohr muss zur Apparatur<br />

weisen. E<strong>in</strong>e zweite Waschflasche dient als Blasenzähler zur Kontrolle des Gasstroms (Abb.<br />

10.3a). Alle Schliffverb<strong>in</strong>dungen müssen mit Fe<strong>der</strong>n o<strong>der</strong> besser durch Verschraubungen<br />

gegen ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>drücken gesichert werden.<br />

Bei reaktiven Gasen und solchen, die sich sehr gut <strong>in</strong> dem verwendeten Solvens lösen (z.B.<br />

HCl), muss e<strong>in</strong>e zusätzliche, leere Waschflasche zwischen Blasenzähler und Reaktionsapparatur<br />

geschalten werden. Ihr Volumen muss so groß gewählt werden, dass notfalls<br />

<strong>der</strong> gesamte Reaktionskolben<strong>in</strong>halt dar<strong>in</strong> aufgenommen werden kann (Abb. 10.3b). Hochreaktive<br />

Gase werden am besten durch Zudosieren von <strong>in</strong>ertem Trägergas (z.B. N 2 ) vor dem<br />

E<strong>in</strong>leiten verdünnt. Dadurch können nach dem Ende <strong>der</strong> Reaktion auch Reste des reaktiven<br />

Gases aus den Waschflaschen gespült werden (Abb. 10.3c).<br />

Falls das Gas vor dem E<strong>in</strong>leiten getrocknet werden muss (Durchleiten durch e<strong>in</strong>en Trockenturm)<br />

muss e<strong>in</strong>e leere Waschflasche zwischen Apparatur und Trockenturm geschaltet werden,<br />

die e<strong>in</strong>en Kontakt <strong>der</strong> Reaktionsmischung mit dem Trockenmittel verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t (Abb. 10.3d). Ist<br />

das Trockenmittel e<strong>in</strong>e Flüssigkeit (z.B. konz. Schwefelsäure), wird die Apparatur 10.3b verwendet,<br />

die Schwefelsäure dient dann gleichzeitig zur Flusskontrolle. Geeignete Trockenmittel<br />

s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> <strong>der</strong> Tabelle 10.1 aufgeführt.<br />

Abb. 10.3: Schematischer Apparaturaufbau bei E<strong>in</strong>leiten von Gasen.<br />

225


10. Gase – Arbeiten unter Schutzgas<br />

Die E<strong>in</strong>leitung <strong>der</strong> Gase <strong>in</strong> die Apparatur erfolgt über Glasrohre, die über e<strong>in</strong>e Quickfit-Verschraubung<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Höhe verstellbar s<strong>in</strong>d. Das Glasrohr taucht dabei <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel <strong>in</strong> die Reaktionsmischung<br />

e<strong>in</strong>; e<strong>in</strong>e beson<strong>der</strong>s gute Verteilung des Gases erreicht man durch den E<strong>in</strong>satz<br />

von Glasrohren mit Frittenboden (Porosität 0 o<strong>der</strong> 00). In jedem Fall muss die Apparatur<br />

während <strong>der</strong> Gase<strong>in</strong>leitung permanent beobachtet werden, im Falle e<strong>in</strong>es Verstopfens des<br />

E<strong>in</strong>leitungsrohrs durch entstehende Feststoffe muss die Gaszufuhr sofort unterbrochen<br />

werden!<br />

Falls das Gas sehr heftig reagiert, besteht die Gefahr, dass die Reaktionsmischung <strong>in</strong> das E<strong>in</strong>leitungsrohr<br />

zurück steigt. In diesen Fällen wird das E<strong>in</strong>leitungsrohr so e<strong>in</strong>gebaut, dass es<br />

knapp über <strong>der</strong> Flüssigkeitsoberfläche endet, das Zurücksteigen wird dadurch verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t.<br />

Sicheres Arbeiten mit Gasen<br />

• Mit entzündlichen, korrosiven, reaktiven und toxischen Gasen darf pr<strong>in</strong>zipiell nur im Abzug<br />

gearbeitet werden. Sie dürfen nicht direkt <strong>in</strong> die Atmosphäre gelangen, son<strong>der</strong>n müssen<br />

zuvor deaktiviert o<strong>der</strong> neutralisiert werden (Nachschalten von Waschflaschen mit geeigneten<br />

Absorptionsmitteln).<br />

• Vor dem erstmaligen Gebrauch von Druckgasflaschen ist e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>weisung durch geschultes<br />

Personal unbed<strong>in</strong>gt erfor<strong>der</strong>lich.<br />

• Druckgasflaschen müssen immer gegen Umfallen gesichert werden.<br />

• Vor dem Aufschrauben des Entnahmeventils muss die Dichtung kontrolliert werden. Danach<br />

wird die Schutzmutter vom Flaschenventil abgeschraubt und das Entnahmeventil<br />

sofort aufgeschraubt.<br />

• Undichte Ventile müssen als defekt gekennzeichnet werden und dürfen auf ke<strong>in</strong>en Fall<br />

weiter verwendet werden.<br />

• Alle Schliffverb<strong>in</strong>dungen und Verschraubungen <strong>der</strong> Apparatur müssen überdrucksicher<br />

se<strong>in</strong>, Schlauchverb<strong>in</strong>dungen mit Schlauchschellen befestigen.<br />

• Die Apparatur muss e<strong>in</strong>en Druckausgleich besitzen.<br />

• Bei Undichtigkeiten und plötzlichem Druckanstieg (z.B. bei Verstopfungen) muss die<br />

Gaszufuhr sofort abgebrochen werden und darf erst nach Beseitigung <strong>der</strong> Ursache wie<strong>der</strong><br />

fortgesetzt werden.<br />

• Vor dem Arbeiten mit korrosiven o<strong>der</strong> toxischen Gasen muss e<strong>in</strong>e Fluchtmaske (Atemschutzmaske,<br />

Gasmaske) mit geeignetem Filter bereitgestellt werden (Tab. 10.3).<br />

226


10.3 Arbeiten unter Schutzgas<br />

Tab. 10.3: Filtertypen für Atemschutzmasken<br />

Filtertyp Farbkennung E<strong>in</strong>satzgebiet<br />

AX Braun Gase und Dämpfe von organischen Verb<strong>in</strong>dungen,<br />

Siedepunkt ≤ 65 °C<br />

z. B. Acetylen, Ethen, Ethylenoxid, Methylchlorid<br />

A Braun Gase und Dämpfe von organischen Verb<strong>in</strong>dungen,<br />

Siedepunkt > 65 °C<br />

B Grau Anorganische Gase und Dämpfe,<br />

z. B. Chlor, Schwefelwasserstoff, Cyanwasserstoff (Blausäure)<br />

E Gelb Schwefeldioxid, Chlorwasserstoff<br />

K Grün Ammoniak, Methylam<strong>in</strong>, Ethylam<strong>in</strong><br />

CO Schwarz Kohlenstoffmonoxid<br />

NO Blau Nitrose Gase, e<strong>in</strong>schließlich Stickstoffmonoxid<br />

Hg Rot Quecksilberdampf<br />

P Weiß Partikel<br />

10.3 Arbeiten unter Schutzgas<br />

Viele chemische Reaktionen müssen unter Schutzgas und strengem Ausschluss von Feuchtigkeit<br />

durchgeführt werden. Nachfolgend s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>ige Beispiele aufgelistet:<br />

• Metallorganische Verb<strong>in</strong>dungen <strong>der</strong> Alkalimetalle, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e die salzartigen Na- und<br />

K-organischen Verb<strong>in</strong>dungen (R–Na, R–K) mit kle<strong>in</strong>en Alkylresten, reagieren spontan<br />

mit Luftsauerstoff, z. T. s<strong>in</strong>d sie selbstentzündlich. Li-organische Verb<strong>in</strong>dungen reagieren<br />

ebenfalls, aber weniger heftig mit Sauerstoff, tert-BuLi allerd<strong>in</strong>gs ist pyrophor.<br />

• Metallorganische Verb<strong>in</strong>dungen <strong>der</strong> Erdalkalimetalle, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e Zn-organische Verb<strong>in</strong>dungen<br />

(ZnR 2 ) s<strong>in</strong>d ebenfalls extrem luftempf<strong>in</strong>dlich, zum Teil s<strong>in</strong>d sie selbstentzündlich.<br />

Bei Grignardverb<strong>in</strong>dungen RMgX bietet die überstehende Etheratmosphäre h<strong>in</strong>reichend<br />

Schutz.<br />

• Die technisch wichtigen Alum<strong>in</strong>iumalkyle AlR 3 (Ziegler-Natta-Verfahren), Alum<strong>in</strong>iumalkylhydride<br />

(AlR 2 H) und Boralkyle (BR 3 ) mit kle<strong>in</strong>en Alkylresten s<strong>in</strong>d ebenfalls pyrophor.<br />

• Viele Komplexe <strong>der</strong> Übergangsmetalle (z. B. Ni, Fe) reagieren mit Luftsauerstoff.<br />

• Bei Radikalreaktionen muss fast immer unter Schutzgas gearbeitet werden.<br />

• Viele fe<strong>in</strong>verteilte Metalle (z. B. Raney-Nickel) s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> trockenem Zustand pyrophor.<br />

• Ether (z. B. Diethylether, THF) bilden mit Luftsauerstoff spontan explosive Peroxide.<br />

• In <strong>der</strong> Photochemie werden die für viele Reaktionen verantwortlichen Triplettzustände<br />

durch Sauerstoff (Triplettenergie 22 kcal/mol) gelöscht (‚gequencht‘). Die Reaktionslösungen<br />

müssen <strong>in</strong> diesen Fällen sauerstofffrei se<strong>in</strong>.<br />

227


10. Gase – Arbeiten unter Schutzgas<br />

Als Schutzgas dient <strong>in</strong> den meisten Fällen Stickstoff, <strong>in</strong> beson<strong>der</strong>en Fällen Argon. Da Argon<br />

schwerer ist als Luft, bleibt die Argonatmosphäre auch bei e<strong>in</strong>er geöffneten Apparatur erhalten.<br />

Bei Verwendung von Stickstoff dürfen Apparaturen nur im Stickstoff-Gegenstrom geöffnet<br />

werden.<br />

10.3.1 Re<strong>in</strong>igung von Schutzgasen<br />

Stickstoff <strong>in</strong> Druckgasflaschen enthält je nach Re<strong>in</strong>heit noch Spuren von Sauerstoff, CO 2 und<br />

Feuchtigkeit (E<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>fache handelsübliche Re<strong>in</strong>heit von 5.0 = 99.999% kann noch O 2 - und<br />

H 2 O- Spuren < 5 ppm enthalten).<br />

Wenn <strong>der</strong> Stickstoff nicht trocken se<strong>in</strong> muss, genügt zum Entfernen von Sauerstoff das<br />

Durchleiten durch e<strong>in</strong>e Lösung von Pyrrogallol <strong>in</strong> wässrigem KOH <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Frittenwaschflasche.<br />

Die Darstellung von O 2 -freiem und trockenem Stickstoff (o<strong>der</strong> Argon) erfolgt <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>in</strong> Abbildung<br />

10.4 dargestellten Anlage. Sie ist <strong>in</strong> ähnlicher Form kommerziell erhältlich.<br />

Im Betrieb s<strong>in</strong>d die Hähne (11) und (13) geschlossen, Hähne (9), (10) und (12) offen. Das zu<br />

re<strong>in</strong>igende Gas (N 2 o<strong>der</strong> Ar) wird zur Kontrolle des Gasflusses durch e<strong>in</strong>e Waschflasche mit<br />

Paraf<strong>in</strong>öl (2) geleitet, die leere Waschflasche (1) verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t e<strong>in</strong> Zurücksteigen <strong>der</strong> Flüssigkeit<br />

<strong>in</strong> die Gaszuleitung. Anschließend wird es durch den beheizten Katalysatorturm (3), gefüllt<br />

mit reduziertem BTS-Katalysator geleitet, dabei werden Sauerstoffreste entfernt (Zur Funktionsweise<br />

siehe unten). Das aufgesetzte, komb<strong>in</strong>ierte Überdruck- und Rückschlagventil<br />

nach Stutz (siehe weiter unten) verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t e<strong>in</strong>en zu hohen Druckanstieg ebenso wie das E<strong>in</strong>dr<strong>in</strong>gen<br />

von Luft. Danach strömt das Gas zur Entfernung von Feuchtigkeitsspuren nache<strong>in</strong>an<strong>der</strong><br />

durch Trockentürme, gefüllt mit Kieselgel (4), Sicapent (5) und KOH (5) und tritt über<br />

den Hahn (12) aus.<br />

Das Herausrutschen <strong>der</strong> Trockenmittel <strong>in</strong> den Türmen (4) bis (6) wird durch Glaswollebäusche<br />

verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t. Der Turm mit Sicapent besitzt e<strong>in</strong>en relativ hohen Strömungswi<strong>der</strong>stand, er<br />

sollte nur sehr locker gefüllt werden, am besten zusammen mit lockerer Glaswolle <strong>in</strong> Abständen<br />

von 5–10 cm. E<strong>in</strong> Verdichten <strong>der</strong> Sicapent-Füllung wird durch das E<strong>in</strong>strömen von unten<br />

vermieden. Der letzte Trockenturm mit KOH-Füllung dient vor allem <strong>der</strong> Entfernung eventueller<br />

Säurespuren durch mitgerissene Sicapent-Partikel.<br />

228


10.3 Arbeiten unter Schutzgas<br />

Abb. 10.4: Anlage zur Re<strong>in</strong>igung und Trocknung von Gasen mit dem BTS-Katalysator<br />

1 Leere Sicherheits-Waschflasche<br />

2 Waschflasche mit Paraff<strong>in</strong>öl zur Flusskontrolle<br />

3 Katalysatorturm mit BTS-Katalysator und<br />

elektrischer Heizung<br />

4 Trockenturm mit Kieselgel<br />

5 Trockenturm mit Sicapent<br />

6 Trockenturm mit festem KOH<br />

7 Überdruck-/Rückschlagventil<br />

8 Gasaustritt für Überdruck<br />

9–13 Absperrventile (Schliffhähne)<br />

14 Glaswollebausch<br />

BTS-Katalysator<br />

Der BTS-Katalysator besteht aus etwa 30 % Kupfer, das <strong>in</strong> hochdisperser Form auf e<strong>in</strong>em<br />

<strong>in</strong>erten Träger fixiert und durch verschiedene Zusätze stabilisiert und aktiviert ist. Mit dem<br />

BTS-Katalysator können sowohl oxidierende wie reduzierende Verunre<strong>in</strong>igungen aus Gasen<br />

und <strong>der</strong>en Gemischen entfernt werden. Wegen <strong>der</strong> fast unbegrenzten Regenerierbarkeit handelt<br />

es sich um e<strong>in</strong> wirtschaftliches Laborhilfsmittel. Er ist kommerziell <strong>in</strong> oxidierter Form als<br />

Granulat (Körnung 0.8–2 mm) o<strong>der</strong> als Pellets erhältlich.<br />

Der BTS-Katalysator eignet sich vor allem zur Fe<strong>in</strong>re<strong>in</strong>igung von Edelgasen, Stickstoff, Wasserstoff,<br />

Sauerstoff, Kohlenmonoxid, Kohlendioxid, Methan, Ethan, Propan, Ethen, Propen<br />

229


10. Gase – Arbeiten unter Schutzgas<br />

und Gasgemischen verschiedenster Zusammensetzung. In Re<strong>in</strong>gasen o<strong>der</strong> Gasgemischen können<br />

Verunre<strong>in</strong>igungen wie Sauerstoff, Wasserstoff, Kohlenmonoxid, flüchtige anorganische<br />

und organische Schwefelverb<strong>in</strong>dungen leicht beseitigt werden. Ebenso können verschiedene<br />

Verunre<strong>in</strong>igungen gleichzeitig entfernt werden. Er kann bei Drucken bis zu 300 bar und<br />

Arbeitstemperaturen von 0–250 °C e<strong>in</strong>gesetzt werden.<br />

Die Re<strong>in</strong>igung geht im Allgeme<strong>in</strong>en so weit, dass mit den herkömmlichen Prüfmethoden<br />

ke<strong>in</strong>e störenden Anteile mehr feststellbar s<strong>in</strong>d. Bei sorgfältigem Arbeiten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er entsprechenden<br />

Apparatur lässt sich Sauerstoff bis unter 0.1 ppm entfernen.<br />

Der BTS-Katalysator wird <strong>in</strong> <strong>der</strong> oxidierten Form geliefert und kann so ohne weitere Vorbehandlung<br />

zur Beseitigung reduzieren<strong>der</strong> Verunre<strong>in</strong>igungen aus <strong>in</strong>erten Gasen verwendet werden.<br />

Die Oxid-Form ist graugrün, die reduzierte Form schwarz: <strong>der</strong> Farbumschlag ist<br />

relativ schwach, aber sichtbar.<br />

Zur Entfernung von Sauerstoff ist vorher e<strong>in</strong>e Reduktion erfor<strong>der</strong>lich, die üblicherweise mit<br />

Wasserstoff durchgeführt wird. Es ist hier jedoch zu beachten, dass <strong>der</strong> reduzierte BTS-Katalysator<br />

pyrophor ist.<br />

Im Allgeme<strong>in</strong>en lässt sich <strong>der</strong> Katalysator beliebig of regenerieren. Staub, Öl, Kondenswasser,<br />

Salze und Schwefelverb<strong>in</strong>dungen verr<strong>in</strong>gern jedoch die Aktivität und die Lebensdauer<br />

des Katalysators.<br />

Entfernen von Sauerstoff aus Gasen durch chemische Reaktion<br />

Der reduzierte Katalysator dient <strong>der</strong> chemischen Entfernung von Sauerstoff:<br />

2 Cu + O 2<br />

2 CuO<br />

Auf diese Weise kann man aus Inertgasen wie Stickstoff o<strong>der</strong> den Edelgasen den Sauerstoff<br />

entfernen, ohne Wasserstoff o<strong>der</strong> Kohlenmonoxid beimengen zu müssen.<br />

Die Reaktion erfolgt bereits bei Raumtemperatur. Die Sauerstoffmenge, die von e<strong>in</strong>er<br />

bestimmten Menge Katalysator aufgenommen wird, ist jedoch stark von <strong>der</strong> Temperatur abhängig:<br />

die Kapazität nimmt mit steigen<strong>der</strong> Temperatur bis zu e<strong>in</strong>em Grenzwert von etwa 50 l<br />

Sauerstoff/kg Katalysator zu.<br />

Die Arbeitstemperatur von 250 °C sollte im Dauerbetrieb nicht überschritten werden. Hierbei<br />

ist zu beachten, dass die Reaktion exotherm verläuft, so dass sich bereits Gase mit e<strong>in</strong>em ger<strong>in</strong>gen<br />

Sauerstoffgehalt von 1.5–2% von 100 °C E<strong>in</strong>gangstemperatur von selbst auf die<br />

Arbeitstemperatur von 120–130° C aufheizen.<br />

230


10.3 Arbeiten unter Schutzgas<br />

Reduktion des BTS-Katalysators<br />

Die Reduktion <strong>der</strong> oxidierten Form des BTS-Katalysators kann direkt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gasre<strong>in</strong>igungsanlage<br />

(Abb. 10.4) erfolgen. Dazu wird <strong>der</strong> Hahn (10) geschlossen. Das Überdruckventil (7)<br />

wird durch e<strong>in</strong>en Glasolivenanschluss ersetzt und über e<strong>in</strong>en Schlauch und T-Stück mit jeweils<br />

zwei h<strong>in</strong>tere<strong>in</strong>an<strong>der</strong> geschalteten Waschflaschen verbunden (e<strong>in</strong>e leere Sicherheitswaschflasche<br />

und e<strong>in</strong>e als Blasenzähler, auf die richtige Schaltung achten!). Die e<strong>in</strong>e Waschflaschenbatterie<br />

wird an die Stickstoffversorgung angeschlossen, die an<strong>der</strong>e an e<strong>in</strong>e Wasserstoff-Druckgasflasche<br />

(siehe Abb. 10.5).<br />

Abb. 10.5: Schematischer Aufbau zur Reduktion des BTS-Katalysators<br />

Die Nummerierung entspricht Abb. 10.4:<br />

3 Katalysatorturm mit BTS-Katalysator <strong>in</strong><br />

oxidierter Form und elektrischer Heizung<br />

10 Absperrhahn zu den Trockentürmen<br />

11 Absperrhahn<br />

Vor <strong>der</strong> Reduktion wird <strong>der</strong> Katalysatorturm etwa 15–20 m<strong>in</strong> mit Stickstoff gespült. Dazu<br />

wird <strong>der</strong> Hahn (11) geöffnet. Erst danach wird <strong>der</strong> Katalysatorturm aufgeheizt (max. 120° C)<br />

und dem Stickstoff werden etwa 20 % Wasserstoff (Blasenzahl!) beigemischt. Auf ke<strong>in</strong>en Fall<br />

darf re<strong>in</strong>er Wasserstoff durch die Säule geleitet werden, da die Reduktion des BTS-Katalysators<br />

exotherm verläuft. Die fortschreitende Reduktion zeigt sich an <strong>der</strong> Schwarzfärbung des<br />

Katalysators und <strong>der</strong> Kondensation von Wasser am unteren Ende des Katalysatortums.<br />

CuO + H 2<br />

Cu + H 2<br />

O<br />

Wenn die Reduktion beendet ist, wird die Wasserstoffzufuhr abgestellt und bei angeschalteter<br />

Heizung weiter Stickstoff durch den Katalysatorturm geleitet, um das entstandene Wasser<br />

auszutreiben. Gegebenfalls muss das untere Ende des Katalysatorturms mit e<strong>in</strong>em Fön erwärmt<br />

werden. Wenn <strong>der</strong> Katalysatorturm vollständig trocken ist, wird das Überdruckventil<br />

(7) im Stickstoff-Gegenstrom wie<strong>der</strong> aufgesetzt, Hahn (11) geschlossen und <strong>der</strong> Hahn (10)<br />

wie<strong>der</strong> geöffnet.<br />

10.3.2 Verteilerrechen<br />

Bei Arbeiten unter Schutzgas wird <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel mehr als e<strong>in</strong> Re<strong>in</strong>gas-Anschluss benötigt.<br />

Außerdem muss aus den Apparaturen die Luft vollständig durch Schutzgas ersetzt werden,<br />

was nur durch mehrmaliges evakuieren und füllen mit Schutzgas möglich ist. Dazu wird am<br />

besten e<strong>in</strong> Verteilerrechen verwendet (Abb. 10.6).<br />

231


10. Gase – Arbeiten unter Schutzgas<br />

Abb. 10.6: Komb<strong>in</strong>ierter Verteilerrechen für Schutzgas und Vakuum.<br />

Der Verteilerrechen besteht aus e<strong>in</strong>er Vakuumleitung, die meist über e<strong>in</strong>e Kühlfalle mit e<strong>in</strong>er<br />

Drehschieberpumpe (Ölpumpe) verbunden ist, und e<strong>in</strong>er Schutzgasleitung, die mit gere<strong>in</strong>igtem<br />

Stickstoff (o<strong>der</strong> Argon) aus <strong>der</strong> Gasre<strong>in</strong>igungsanlage (Abb. 10.4) versorgt wird. Beide<br />

Leitungen s<strong>in</strong>d mehrfach über Zweiwege-Hähne mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> verbunden. Dadurch kann an<br />

je<strong>der</strong> Entnahmestelle wahlweise Schutzgas o<strong>der</strong> Vakuum entnommen werden.<br />

10.3.3 Überdruckventile<br />

Beim Arbeiten unter Schutzgas muss die Apparatur gegenüber <strong>der</strong> Atmosphäre abgedichtet<br />

werden, um e<strong>in</strong> E<strong>in</strong>dr<strong>in</strong>gen von Luft zu verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n. An<strong>der</strong>erseits darf <strong>in</strong> <strong>der</strong> Apparatur ke<strong>in</strong><br />

unkontrollierter Überdruck entstehen (z.B. durch Erhitzen o<strong>der</strong> Gasentwicklung). Im e<strong>in</strong>fachsten<br />

Fall wird e<strong>in</strong> Blasenzähler mit <strong>in</strong>erter Sperrflüssig (z.B. Paraf<strong>in</strong>öl) auf die Apparatur aufgesetzt.<br />

Der Blasenzähler lässt zwar Überdruck aus <strong>der</strong> Apparatur entweichen, beim Abkühlen <strong>der</strong><br />

Apparatur entsteht jedoch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Reaktionsapparatur e<strong>in</strong> Unterdruck; Luft kann über den Blasenzähler<br />

<strong>in</strong> die Apparatur strömen. Deshalb muss die Apparatur permanent kontrolliert werden<br />

und immer wie<strong>der</strong> Schutzgas <strong>in</strong> die Apparatur zudosiert werden, um das Zurückströmen<br />

von Luft zu verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n.<br />

Besser ist die Verwendung von komb<strong>in</strong>ierten Überdruck- und Rückschlagventilen. In e<strong>in</strong>er<br />

Variante des Blasenzählers wird <strong>in</strong> das Steigrohr e<strong>in</strong> Schwimmkörper (1) mit Kegelschliff<br />

e<strong>in</strong>gesetzt, <strong>der</strong> beim Zurücksteigen <strong>der</strong> Sperrflüssigkeit (bei Unterdruck <strong>in</strong> <strong>der</strong> Apparatur) die<br />

Apparatur gegenüber <strong>der</strong> Atmosphäre abdichtet (Abb. 10.7a). Als Sperrflüssigkeit wird häufig<br />

Quecksilber wegen se<strong>in</strong>er hohen Dichte e<strong>in</strong>gesetzt, <strong>der</strong> Öffnungsdruck wird durch die Höhe<br />

<strong>der</strong> Quecksilbersäule e<strong>in</strong>gestellt. Paraff<strong>in</strong>öl kann auch verwendet werden, <strong>der</strong> Schwimmkörper<br />

und das Steigrohr müssen dann aber wegen <strong>der</strong> ger<strong>in</strong>gen Dichte des Öls größer dimensioniert<br />

werden, um e<strong>in</strong> zuverlässiges Schließen des Ventils zu erreichen.<br />

Das Überdruckventil nach Stutz (erhältlich z.B. von NORMAG) ist e<strong>in</strong>e robuste, quecksilberfreie<br />

Variante mit Kugelschliffverschluss (4) (Abb. 10.7b). Die apparaturseitige Kugel des<br />

Kugelschliffes ist mit e<strong>in</strong>em Glasrohr (Steigrohr (5)) verlängert. Die Schale ist mit e<strong>in</strong>er<br />

Haube verschlossen und wird über e<strong>in</strong>e Fe<strong>der</strong> (6) gegen die Kugel gedrückt. Die Kugelschliffschale<br />

ist poliert, die Kugelschliff-Kugel mit e<strong>in</strong>er schmalen Schliff-Zone versehen.<br />

232


10.3 Arbeiten unter Schutzgas<br />

Die Dichtheit des Verschlusses wird <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er höher viskosen Sperrflüssigkeit (2), z.B. Paraff<strong>in</strong>öl<br />

gewährleistet, <strong>der</strong> Öffnungsdruck wird durch die Fe<strong>der</strong> bestimmt. Optional ist e<strong>in</strong><br />

Schliffhahn (7) für den Schutzgase<strong>in</strong>lass möglich.<br />

Abb. 10.7: Komb<strong>in</strong>ierte Überdruck-/Rückschlageventile<br />

a) E<strong>in</strong>faches Ventil b) Ventil nach Stutz<br />

1 Schwimmkörper<br />

2 Sperrflüssigkeit<br />

3 Gasauslass<br />

4 Kugelschliff<br />

5 Steigrohr<br />

6 Andruckfe<strong>der</strong><br />

7 Schutzgase<strong>in</strong>lass mit<br />

Hahn<br />

Unter Vakuumbed<strong>in</strong>gungen funktionieren die Rückschlag/Überschlagventile nach Stutz als<br />

sofort schließende Rückschlagventile. Das <strong>in</strong>nen angeschmolzene Steigrohr (4) dient zur Führung<br />

<strong>der</strong> Kugelschliffhaube und verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t jegliches Zurücksteigen <strong>der</strong> Sperrflüssigkeit <strong>in</strong> die<br />

Apparatur. Bei aggressiven Medien kann die Fe<strong>der</strong> aus rostfreiem Stahl mit <strong>in</strong>erter Flüssigkeit<br />

bedeckt werden. Neben <strong>der</strong> Funktion als Rückschlagventil bei Unterdruck zeigen die Rückschlag-/Überdruckventile<br />

nach Stutz auch den optischen Effekt <strong>der</strong> Blasenbildung bei Überdruck,<br />

so dass <strong>in</strong> e<strong>in</strong>facher Weise <strong>der</strong> Betriebszustand sichtbar und überprüfbar ist. Für<br />

Laborglasschliffgeräte wird e<strong>in</strong>e verstellbare bzw. fixierte Ausführung mit e<strong>in</strong>em maximalen<br />

Überdruck von 0.1 bar empfohlen.<br />

H<strong>in</strong>weis: Die e<strong>in</strong>wandfreie Funktion dieser neuen Ventile ist gewährleistet, wenn die serienmäßig<br />

verwendeten Orig<strong>in</strong>al-Druckfe<strong>der</strong>n e<strong>in</strong>gesetzt s<strong>in</strong>d und <strong>der</strong> Kugelschliff-Verschluss auf<br />

eventuelles Verkleben überprüft worden ist. In e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>facheren Ausführung wird auf die<br />

Fe<strong>der</strong> verzichtet, <strong>der</strong> Öffnungsdruck wird durch Gewichte (Bleikugeln) e<strong>in</strong>gestellt.<br />

10.3.4 Reaktionsapparaturen unter Schutzgas<br />

Für Reaktionen unter Schutzgas muss die Apparatur vor dem Befüllen mit Lösungsmitteln<br />

und Reagenzien mit Schutzgas gespült werden. In <strong>der</strong> Regel müssen auch an <strong>der</strong> Glasoberfläche<br />

anhaftende Feuchtigkeitsspuren durch Ausheizen entfernt werden. Im Folgenden wird<br />

das Pr<strong>in</strong>zip an e<strong>in</strong>er Standardapparatur aus 3-Halskolben mit Magnetrührstab, Rückflusskühler<br />

und Tropftrichter beschrieben (Abb. 10.8).<br />

Die Reaktionsapparatur wird wie üblich aufgebaut, Rückflusskühler und Tropftrichter werden<br />

mit e<strong>in</strong>em Schliffstopfen verschlossen. Auf den freien Hals des 3-Halskolbens wird e<strong>in</strong> Hahnaufsatz<br />

aufgesetzt, <strong>der</strong> über e<strong>in</strong>en vakuumfesten Schlauch mit dem Rechen (Abb. 10.6) und<br />

damit mit <strong>der</strong> Inertgasversorgung und <strong>der</strong> Vakuumpumpe verbunden ist. Die Inertgasversorgung<br />

muss mit e<strong>in</strong>em Überdruckventil ausgerüstet se<strong>in</strong>, um e<strong>in</strong>en unzulässig hohen Druck <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Apparatur zu verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n (siehe Abb. 10.4).<br />

233


10. Gase – Arbeiten unter Schutzgas<br />

Abb. 10.8: Vorbereitung e<strong>in</strong>er Apparatur zum Arbeiten unter Schutzgas.<br />

Die Apparatur wird evakuiert und mit e<strong>in</strong>em Heißluftgebläse sorgfältig abgefächelt (die<br />

Hahnstellung am Rechen bleibt dabei auf Vakuum). Nach dem Erkalten wird <strong>der</strong> Hahn am<br />

Rechen auf Schutzgas gedreht, die Apparatur wird mit Schutzgas befüllt. Der Belüftungsvorgang<br />

ist abgeschlossen, wenn das Überdruckventil <strong>der</strong> Schutzgasversorgung anspricht. Dieser<br />

Vorgang wird mehrmals wie<strong>der</strong>holt.<br />

Nach dem letzten Belüften wird im Schutzgasgegenstrom (es wird über den Hahnaufsatz<br />

weiter Schutzgas durch die Apparatur geleitet) <strong>der</strong> Schliffstopfen vom Rückflusskühler abgenommen<br />

und gegen e<strong>in</strong> Überdruckventil ersetzt. Der Schliffhahn am Hahnaufsatz wird geschlossen<br />

– die Apparatur ist betriebsbereit.<br />

Alle folgenden Operationen, bei denen die Apparatur geöffnet werden muss (z.B. E<strong>in</strong>füllen<br />

von Reagenzien und Lösungsmittel), müssen im Schutzgasgegenstrom durchgeführt werden.<br />

Die Reaktion selbst wird unter e<strong>in</strong>er statischen Schutzgasatmosphäre durchgeführt, <strong>der</strong> Hahn<br />

am Hahnaufsatz bleibt geschlossen und wird nur bei Bedarf (Druckausgleich beim Abkühlen)<br />

kurz geöffnet. Dadurch wird verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t, dass Lösungsmittel und Reagenzien durch den<br />

Schutzgasstrom aus <strong>der</strong> Apparatur ausgetragen werden.<br />

Vorsicht ist geboten beim E<strong>in</strong>füllen von Festsubstanzen: E<strong>in</strong> zu kräftiger Schutzgasgegenstrom<br />

kann pulverförmige Substanzen verwirbeln und aus <strong>der</strong> Apparatur blasen.<br />

Reaktionen <strong>in</strong> sehr kle<strong>in</strong>en Apparaturen o<strong>der</strong> Reaktionen, bei denen ke<strong>in</strong>e Gase frei werden<br />

und die praktisch ke<strong>in</strong>e Wärmetönung besitzen, können auch mit <strong>der</strong> Ballon-Technik durchgeführt<br />

werden. Dazu wird das ausgeheizte und mit Schutzgas gespülte Reaktionsgefäß mit<br />

e<strong>in</strong>er Septumkappe verschlossen. E<strong>in</strong> mit Schutzgas gefüllter Ballon wird mit e<strong>in</strong>em Gummistopfen<br />

verschlossen, durch den e<strong>in</strong>e Kanüle geführt wurde. Diese Kanüle wird durch das<br />

Septum <strong>der</strong> Apparatur gestochen, dadurch wird e<strong>in</strong>e ständige Schutzgasatmosphäre mit positivem<br />

Druck <strong>in</strong> <strong>der</strong> Apparatur erreicht. Jede Zugabe von Reagenzien erfolgt mittels Spritze<br />

über die Serumkappe <strong>der</strong> Apparatur (Abb. 10.9).<br />

234


10.3 Arbeiten unter Schutzgas<br />

Abb. 10.9: Reaktionen unter Schutzgas mit <strong>der</strong> Ballontechnik<br />

Achtung: Viele Lösungsmittel lösen das Material <strong>der</strong> Ballons an und können zum Platzen des<br />

Ballons führen. Für Reaktionen unter Rückfluss ist diese Methode generell wenig geeignet.<br />

10.3.5 Entgasen von Flüssigkeiten<br />

Flüssigkeiten (Lösungsmittel, flüssige Reagenzien o<strong>der</strong> Reaktionslösungen) enthalten immer<br />

auch gelöste Gase. Für Reaktionen, <strong>in</strong> denen <strong>der</strong> aus <strong>der</strong> Luft gelöste Sauerstoff stört, müssen<br />

diese Flüssigkeiten sorgfältig entgast werden. Im e<strong>in</strong>fachsten Fall kann dies durch mehrm<strong>in</strong>ütiges<br />

Durchleiten von Schutzgas durch die Flüssigkeit erreicht werden, am besten mit e<strong>in</strong>em<br />

E<strong>in</strong>leitungsrohr mit Frittenboden.<br />

Besser ist das Entgasen durch mehrmaliges Evakuieren und Belüften: Von <strong>der</strong> Reaktionsapparatur<br />

mit <strong>der</strong> Lösung wird das Überdruckventil wie<strong>der</strong> durch e<strong>in</strong>en Schliffstopfen ersetzt. Die<br />

über den Hahnaufsatz mit dem Rechen verbundene Apparatur wird unter Rühren vorsichtig<br />

evakuiert. Wenn die Lösung aufsiedet, wird sofort auf Schutzgas umgeschaltet. Dieser Vorgang<br />

wird mehrmals wie<strong>der</strong>holt.<br />

Absolute (getrocknete) Lösungsmittel werden zweckmäßig unter Schutzgas aufbewahrt, das<br />

Befüllen von Apparaturen mit Lösungsmittel unter Schutzgas wird <strong>in</strong> Kap. 11.4 (Abb. 11.1)<br />

beschrieben.<br />

10.3.6 Umfüllen von luft- und feuchtigkeitsempf<strong>in</strong>dlichen Flüssigkeiten<br />

Viele luft- und feuchtigkeitsempf<strong>in</strong>dliche Reagenzien wie Lithium- und Z<strong>in</strong>kalkyle, Alkylalum<strong>in</strong>iumhydride<br />

usw. s<strong>in</strong>d als Lösungen im Handel erhältlich und werden <strong>in</strong> Flaschen mit<br />

Serumkappen geliefert. Die Entnahme aus solchen Behältern erfolgt <strong>in</strong> Regel mit Spritzen.<br />

Bei <strong>der</strong> Entnahme verr<strong>in</strong>gert sich das Volumen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Flasche, dadurch kann Luft <strong>in</strong> die<br />

Flasche gesaugt werden und das Reagenz hydrolysieren. Abhilfe schafft hier die Dre<strong>in</strong>adeltechnik<br />

(Abb. 10.10):<br />

E<strong>in</strong>e dünne Edelstahlkanüle wird auf <strong>der</strong> Anschlussseite über e<strong>in</strong>en Schlauch an die Schutzgaszuleitung<br />

angeschlossen. Am besten geeignet s<strong>in</strong>d Luer-Lock-Adapter mit Schlaucholive.<br />

Die Flasche mit dem Reagenz wird durch Festklammern gegen Umfallen gesichert und die<br />

235


10. Gase – Arbeiten unter Schutzgas<br />

Kanüle (bei schwachem Schutzgasstrom) durch das Septum gestochen. Gleichzeitig wird e<strong>in</strong>e<br />

zweite, dünne Kanüle durch das Septum geführt, dadurch kann ke<strong>in</strong> Überdruck entstehen.<br />

Abb. 10.10: Entnahme von Flüssigkeiten<br />

unter Schutzgas (Dre<strong>in</strong>adeltechnik)<br />

Die Entnahme erfolgt durch e<strong>in</strong>e Spritze mit<br />

Nadel. Um Sauerstoffspuren aus <strong>der</strong> Spritze<br />

zu entfernen, wird die Nadel zunächst nur <strong>in</strong><br />

den Gasraum über <strong>der</strong> Lösung geschoben<br />

und langsam angesaugt. Die Spritze wird<br />

herausgenommen und ausgestoßen. Dieser<br />

Vorgang wird mehrmals wie<strong>der</strong>holt; danach<br />

wird die Nadel bis <strong>in</strong> die Lösung geschoben<br />

und langsam angesaugt. Beim Herausziehen<br />

<strong>der</strong> Spritze aus dem Septum muss darauf geachtet<br />

werden, dass sich die Nadel nicht von<br />

<strong>der</strong> Spritze löst. Für pyrophore Reagenzien<br />

sollte zwischen Nadel und Spritze e<strong>in</strong> Absperrhahn<br />

(mit Luer-Lock-Anschluss) verwendet<br />

werden.<br />

Größere Flüssigkeitsmengen werden am besten mit e<strong>in</strong>er sogenannten Doppelnadel o<strong>der</strong><br />

Überführungskanüle (e<strong>in</strong>e Edelstahlkanüle mit beidseitig geschliffenen Enden) überführt:<br />

Auch hier wird die Vorratsflasche festgeklammert. Auf e<strong>in</strong>en freien Schliff <strong>der</strong> Apparatur<br />

(z.B. am Tropftrichter) wird e<strong>in</strong>e Septumkappe mit umstülpbaren Rand aufgesetzt. E<strong>in</strong> Ende<br />

<strong>der</strong> Doppelnadel wird durch dieses Septum geführt und mit Schutzgas gespült, danach wird<br />

das freie Ende <strong>der</strong> Doppelnadel durch das Septum <strong>der</strong> Vorratsflasche <strong>in</strong> den Gasraum geschoben<br />

und die Schutzgaszuleitung <strong>der</strong> Apparatur abgedreht. Die Kanüle darf noch nicht <strong>in</strong> die<br />

Lösung e<strong>in</strong>tauchen! Nun wird e<strong>in</strong>e dünne Kanüle mit Schutzgasanschluss (siehe oben) ebenfalls<br />

durch das Septum <strong>in</strong> den Gasraum <strong>der</strong> Vorratsflasche e<strong>in</strong>geführt. Durch E<strong>in</strong>tauchen des<br />

Doppelnadelendes <strong>in</strong> die Reagenzlösung wird die Lösung durch den Schutzgasüberdruck <strong>in</strong><br />

die Apparatur überführt. Durch Herausziehen <strong>der</strong> Doppelnadel aus <strong>der</strong> Lösung wird <strong>der</strong> Umfüllvorgang<br />

beendet. Diese Methode eignet sich auch für kle<strong>in</strong>ere Mengen an Lösungsmittel.<br />

Achtung: Es muss auf jeden Fall sichergestellt werden, dass die Doppelnadel sauber und<br />

trocken ist. Feuchtigkeitsreste können zur Hydrolyse <strong>der</strong> Reagenzlösung und damit oft zum<br />

Verstopfen <strong>der</strong> Nadel führen. Für Lösungen mit Feststoffanteilen o<strong>der</strong> Suspensionen ist diese<br />

Methode ungeeignet!<br />

236


10.3 Arbeiten unter Schutzgas<br />

10.3.7 Umfüllen von luft- und feuchtigkeitsempf<strong>in</strong>dlichen Feststoffen<br />

Luft- und feuchtigkeitsempf<strong>in</strong>dliche Feststoffe werden <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel <strong>in</strong> so genannten Schlenk-<br />

Rohren o<strong>der</strong> –Koben (siehe unten) aufbewahrt. Das Umfüllen erfolgt mit Hilfe e<strong>in</strong>es gebogenen<br />

Glasrohres mit beidseitigem Schliffverb<strong>in</strong>dungen (Bogen o<strong>der</strong> Krümmer, Abb. 10.11a):<br />

Abb. 10.11: Umfüllen von Feststoffen unter Schutzgas<br />

E<strong>in</strong> ausgeheiztes und mit Schutzgas gespültes, tariertes Schlenkrohr (mit Glasstopfen tarieren!)<br />

wird im Schutzgasgegenstrom über e<strong>in</strong>en Bogen mit dem Vorratsbehälter (ebenfalls e<strong>in</strong><br />

Schlenkrohr) verbunden. Durch vorsichtiges Umschütteln kann <strong>der</strong> Feststoff von e<strong>in</strong>em<br />

Schlenkrohr <strong>in</strong> das an<strong>der</strong>e überführt werden (Abb. 10.11b). Danach wird <strong>der</strong> Bogen (wie<strong>der</strong><br />

unter Schutzgasgegenstrom) entfernt und die Schlenkrohre verschlossen und rückgewogen.<br />

Es ist e<strong>in</strong>sichtig, dass das Abwiegen def<strong>in</strong>ierter Mengen mehrmaliges Rückwiegen und Umfüllen<br />

erfor<strong>der</strong>t. Deshalb werden extrem luft- und feuchtigkeitsempf<strong>in</strong>dliche Feststoffe oft nur<br />

<strong>in</strong> ungefähren Mengen entnommen und die an<strong>der</strong>en Reagenzien entsprechend <strong>der</strong> Stöchiometrie<br />

umgerechnet.<br />

10.3.8 Spezielle Geräte für Arbeiten unter Schutzgas<br />

Werden häufig Reaktionen unter Schutzgas durchgeführt, empfiehlt sich die Verwendung von<br />

Schlenkkolben (Rundkolben mit angeschmolzenen seitlichem Kapillarhahn). Schlenkkolben<br />

gibt es <strong>in</strong> allen Größen mit e<strong>in</strong>em o<strong>der</strong> mehreren Schliffen. Für sehr kle<strong>in</strong>e Reaktionsansätze<br />

o<strong>der</strong> zur Aufbewahrung von Substanzen unter Schutzgas werden Schlenkrohre verwendet<br />

(Abb. 10.12).<br />

Abb. 10.12: Verschiedene Schlenkkolben<br />

Schlenkkolben<br />

Schlenkrohr<br />

237


10. Gase – Arbeiten unter Schutzgas<br />

Das Filtrieren unter Schutzgasatmosphäre ist mit den üblichen Laborgeräten nicht möglich.<br />

Hierfür verwendet man spezielle Glasfilterfritten mit seitlichem Kapillarhahn <strong>in</strong> hoher Form<br />

(Abb. 10.13a). Umkehrfritten (Abb. 10.13b) können direkt auf den Reaktionskolben aufgesetzt<br />

werden. Zur Filtration wird die Apparatur um 180° gedreht (auf den Kopf gestellt). Dadurch<br />

wird je<strong>der</strong> Luftkontakt ausgeschlossen (Abb. 10.13c).<br />

Abb. 10.13: Geräte zur Filtration unter Schutzgas.<br />

238


Kapitel 11<br />

Trocknen von Feststoffen, Lösungen und<br />

Lösungsmitteln<br />

11.1 Trockenmittel<br />

11.2 Trocknen von Feststoffen<br />

11.3 Trocknen von Lösungen<br />

11.4 Re<strong>in</strong>igung und Trocknen von Lösungsmitteln<br />

11.5 Spezielle Re<strong>in</strong>igung und Trocknung häufig<br />

verwendeter Solventien<br />

Literaturverzeichnis<br />

239


11. Trocknen von Feststoffen, Lösungen und Lösungsmitteln<br />

Der Begriff Trocknung wird <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Organischen</strong> <strong>Chemie</strong> mit unterschiedlicher Bedeutung<br />

verwendet: Bei Feststoffen versteht man unter Trocknung die Entfernung aller anhaftenden,<br />

flüssigen Bestandteile (Lösungsmittelreste). Unter <strong>der</strong> Trocknung von Lösungen o<strong>der</strong> von<br />

Lösungsmitteln versteht man die Entfernung von Wasser aus organischen Flüssigkeiten. In<br />

diesem Kapitel werden die wichtigsten Trockenverfahren beschrieben.<br />

11.1 Trockenmittel [1]<br />

Trockenmittel können Flüssigkeiten aufnehmen und physikalisch o<strong>der</strong> chemisch b<strong>in</strong>den. Die<br />

meisten e<strong>in</strong>gesetzten Trockenmittel dienen <strong>der</strong> Entfernung von Wasser, e<strong>in</strong>ige s<strong>in</strong>d auch zur<br />

Entfernung von Säure- o<strong>der</strong> Basenspuren o<strong>der</strong> kle<strong>in</strong>er polarer Moleküle geeignet.<br />

Alum<strong>in</strong>iumoxid (Al 2 O 3 )<br />

Alum<strong>in</strong>iumoxid wird zur Entfernung von Wasser aus Ethern, aliphatischen, olef<strong>in</strong>ischen,<br />

aromatischen und halogenierten Kohlenwasserstoffen e<strong>in</strong>gesetzt. Für Epoxide, Ester, Ketone<br />

und Aldehyde ist Al 2 O 3 ungeeignet.<br />

Alum<strong>in</strong>iumoxid gibt es neutral, basisch o<strong>der</strong> sauer, jeweils <strong>in</strong> verschiedenen Aktivitätsstufen<br />

(siehe Kap. 9.2, Tab. 9.1). Zum Trocknen wird die Aktivitätsstufe I verwendet. Kle<strong>in</strong>e Volum<strong>in</strong>a<br />

von Lösungen und Lösungsmitteln kann man zur Trocknung durch e<strong>in</strong>e kurze, mit<br />

Al 2 O 3 beschickte Säule laufen lassen. Dabei werden zugleich polare Verunre<strong>in</strong>igungen entfernt.<br />

Bariumoxid (BaO)<br />

Bariumoxid eignet sich vor allem zum Trocknen von organischen Basen.<br />

Calciumchlorid (CaCl 2 ) (wasserfrei)<br />

Mit Calciumchlorid lassen sich Ether, aliphatische, aromatische und halogenierte Kohlenwasserstoffen<br />

sowie Ester trocknen. Man verwendet vorteilhaft gepulvertes CaCl 2 , es ist aber zu<br />

beachten, dass CaCl 2 bei <strong>der</strong> Wasseraufnahme zerfließt. E<strong>in</strong>e weitere Trocknung wird dadurch<br />

unterbunden, die Abtrennung des hochviskosen CaCl 2 -Hydrats von <strong>der</strong> getrockneten<br />

Lösung gel<strong>in</strong>gt aber durch e<strong>in</strong>faches Dekantieren. Da Alkohole, Phenole, Aldehyde, Am<strong>in</strong>e<br />

und viele Ketone mit CaCl 2 reagieren, ist es <strong>in</strong> diesen Fällen zur Trocknung ungeeignet.<br />

Grobes gekörntes CaCl 2 eignet sich bed<strong>in</strong>gt zur Trocknung von langsam strömenden Gasen<br />

(Füllung von Trockenrohren).<br />

240


11.1 Trockenmittel<br />

Calciumhydrid (CaH 2 )<br />

Calciumhydrid ist e<strong>in</strong> sehr wirksames Trockenmittel für fast alle nicht protischen organischen<br />

Lösungsmittel. Es reagiert sehr heftig mit Wasser, deshalb sollten die zu trocknenden Flüssigkeiten<br />

nur ger<strong>in</strong>ge Mengen Wasser enthalten. Meist setzt man CaH 2 nach e<strong>in</strong>er Vortrocknung<br />

mit Al 2 O 3 , CaCl 2 , Na 2 SO 4 o<strong>der</strong> KOH e<strong>in</strong> (siehe z. B. Trocknung von tert.Am<strong>in</strong>en).<br />

Kalium<br />

Kalium (Schmp. 63.5 °C) wird wie Natrium zur Entfernung von Wasserspuren aus Ethern,<br />

gesättigten aliphatischen und aromatischen Kohlenwasserstoffe verwendet. Kalium ist reaktiver<br />

als Natrium, entsprechend schwieriger ist die sichere Handhabung: Kalium entzündet<br />

sich bei Kontakt mit Luft spontan, es darf nur unter Inertgas bzw. Schutzflüssigkeit (z.B.<br />

Paraff<strong>in</strong>) gehandhabt werden. Kalium reagiert mit Wasser, nie<strong>der</strong>en Alkoholen und halogenhaltigen<br />

organischen Substanzen explosionsartig, Kaliumreste werden durch Umsetzung mit<br />

tert-Butanol vernichtet. Kalium wird nur <strong>in</strong> Ausnahmefällen zum Trocknen e<strong>in</strong>gesetzt.<br />

Kalium/Natrium-Legierung<br />

Die Legierung aus Kalium und Natrium besitzt e<strong>in</strong>en außerordentlich niedrigen Schmelzpunkt<br />

(–12 °C für das eutektische Gemisch aus 23% Na und 77% K). Sie ist noch reaktiver als Kalium<br />

und sollte aus Sicherheitsgründen für das Trocknen von Solventien nicht e<strong>in</strong>gesetzt werden.<br />

Protische und halogenhaltige Solventien reagieren wie mit Kalium explosionsartig.<br />

K/Na-Legierung wird <strong>in</strong> <strong>der</strong> metallorganischen <strong>Chemie</strong> e<strong>in</strong>gesetzt. Zu ihrer Darstellung werden<br />

Kalium und Natrium unter Schutzgas zusammengeschmolzen.<br />

Kaliumcarbonat (K 2 CO 3 ) (wasserfrei)<br />

K 2 CO 3 eignet sich zum Trocknen von Am<strong>in</strong>en, Aceton, Nitrilen und chlorierten Kohlenwasserstoffen.<br />

Gleichzeitig werden Säurespuren gebunden. Kaliumcarbonat ist ungeeignet zum<br />

Trocknen von Säuren und Substanzen, die unter den basischen Bed<strong>in</strong>gungen zu Folgereaktionen<br />

neigen (z. B. Kondensationsreaktionen).<br />

Kaliumhydroxid (KOH)<br />

Mit KOH können basische Flüssigkeiten wie Am<strong>in</strong>e getrocknet werden. Für die Trocknung<br />

von Säuren, Säureanhydriden, Estern, Amiden und Nitrilen ist es ungeeignet. Beim Trocknen<br />

zerfließt KOH, dadurch wird die Trockenwirkung gem<strong>in</strong><strong>der</strong>t und muss gegen frische KOH-<br />

Plätzchen ausgetauscht werden. KOH eignet sich auch als Exsikkatorfüllung für Festsubstanzen,<br />

die z. B. aus Essigsäure umkristallisiert wurden.<br />

241


11. Trocknen von Feststoffen, Lösungen und Lösungsmitteln<br />

Kaliumcarbonat (K 2 CO 3 )<br />

Kaliumcarbonat ist e<strong>in</strong> mäßig wirksames Trockenmittel, vor allem für organische Basen. Für<br />

Säuren, Thiole o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e acide Substanzen ist es ungeeignet. Kaliumcarbonat kann auch<br />

zum Entfernen von Säurespuren aus Lösungsmitteln (z.B. CCl 4 o<strong>der</strong> CHCl 3 ) verwendet werden.<br />

Kieselgel<br />

Kieselgel ist e<strong>in</strong> universell e<strong>in</strong>setzbares Trockenmittel für Gase und Flüssigkeiten. Als Exsikkatorfüllung<br />

und zum Trocknen von Gasen (Trockenrohrfüllung) wird häufig gekörntes o<strong>der</strong><br />

perlenförmiges Kieselgel mit Feuchtigkeits<strong>in</strong>dikator verwendet, dadurch kann die Wasseraufnahmefähigkeit<br />

durch Farbumschlag kontrolliert werden (‚Blaugel‘: Farbumschlag von blau<br />

nach rosa, ‚Orangegel‘: Farbumschlag von orange nach farblos)<br />

Kieselgel lässt sich durch Erhitzen auf 125–175 °C regenerieren. Es ist die Standardfüllung<br />

von Exsikkatoren zum Trocknen von Feststoffen.<br />

Kupfersulfat (CuSO 4 ) wasserfrei<br />

CuSO 4 kann zum Trocknen von Estern und Alkoholen e<strong>in</strong>gesetzt werden und ist zur Trocknung<br />

nur wenig wasserlöslicher Lösungsmittel wie Benzol, Toluol effektiver als Na 2 SO 4 .<br />

Wasserfreies Kupfersulfat (leicht gräulich) wird durch Erhitzen des blauen Pentahydrats erhalten.<br />

Magnesiumsulfat (MgSO 4 ) wasserfrei<br />

MgSO 4 kann zur Trocknung fast aller Verb<strong>in</strong>dungen verwendet werden, auch für organische<br />

Säuren, Ester, Aldehyde, Ketone und Nitrile.<br />

Molekularsiebe<br />

Mit Molekularsieben können praktisch alle Gase und Flüssigkeiten getrocknet werden. Sie<br />

s<strong>in</strong>d chemisch weitgehend <strong>in</strong>ert. Molekularsiebe s<strong>in</strong>d kristall<strong>in</strong>e, synthetische Zeolithe mit<br />

Hohlräumen im Kristallgitter, die durch def<strong>in</strong>ierte Poren zugänglich s<strong>in</strong>d. Die Porengröße<br />

bestimmt, welche Moleküle e<strong>in</strong>dr<strong>in</strong>gen können; handelsüblich s<strong>in</strong>d 3, 4, 5 und 10 Å. Polare<br />

Moleküle werden stärker adsorbiert als unpolare, polarisierbare Moleküle stärker als nicht<br />

polarisierbare.<br />

Molekularsiebe können beliebig oft bei Temperaturen über 250 °C regeneriert werden (erreichbarer<br />

niedrigster Wassergehalt ca. 2–3 g/100g; für höhere Ansprüche muss im Ölpumpenvakuum<br />

bei 300–350 °C getrocknet werden.<br />

242


11.1 Trockenmittel<br />

Wurden Lösungsmittel getrocknet, sollten durch E<strong>in</strong>gießen des Molekularsiebs <strong>in</strong> Wasser<br />

e<strong>in</strong>geschlossene Solvensmoleküle vor dem Regenieren verdrängt werden.<br />

3 Å-Molekularsieb b<strong>in</strong>det spezifisch Wasser. Es kann daher auch für kle<strong>in</strong>e Reaktionsansätze<br />

verwendet werden, um im Gleichgewicht entstehendes Reaktionswasser zu b<strong>in</strong>den.<br />

Natrium<br />

Natrium (Schmp. 97.7 °C) eignet sich zur Wasserentfernung aus Ethern, gesättigten aliphatischen<br />

und aromatischen Kohlenwasserstoffe und tertiären Am<strong>in</strong>en, hierbei bildet sich NaOH<br />

und Wasserstoff. Völlig ungeeignet ist Natrium zum Trocknen von protischen Lösungsmitteln<br />

(Alkohole, Carbonsäuren), Ketonen, Aldehyden, Estern und halogenhaltigen Lösungsmitteln,<br />

bei denen explosionsartige Reaktionen auftreten können. Natrium reagiert sehr heftig<br />

mit Wasser, deshalb sollten die zu trocknenden Flüssigkeiten nur ger<strong>in</strong>ge Mengen an Wasser<br />

enthalten. Wie CaH 2 setzt man metallisches Natrium zur ‚Endtrocknung‘ e<strong>in</strong>. So bewahrt man<br />

z.B. Diethylether über Natriumdraht auf.<br />

Für e<strong>in</strong>e gute Trockenwirkung wird Natrium meist mit Hilfe e<strong>in</strong>er Natriumpresse als dünner<br />

Draht <strong>in</strong> das Lösungsmittel e<strong>in</strong>gepresst (große Oberfläche). Natriumreste werden mit 2-Propanol<br />

vernichtet.<br />

Natriumhydrid (NaH)<br />

Natriumhydrid ist e<strong>in</strong> sehr wirksames Trockenmittel für viele nicht protische organische Lösungsmittel,<br />

für halogenhaltige Solventien darf es nicht verwendet werden. Es ist im Handel<br />

als 30–60-prozentige Suspension <strong>in</strong> Paraff<strong>in</strong>öl (Weißöl) erhältlich. NaH reagiert sehr heftig<br />

mit Wasser, deshalb sollten die zu trocknenden Flüssigkeiten nur ger<strong>in</strong>ge Mengen Wasser enthalten.<br />

Meist setzt man NaH zum Trocknen von Kohlenwasserstoffen und vorgetrockneten<br />

Ethern mit anschließen<strong>der</strong> Destillation e<strong>in</strong>. Das Paraff<strong>in</strong>öl bleibt im Destillationsrückstand<br />

und stört nicht.<br />

Natriumhydroxid (NaOH)<br />

NaOH trocknet ebenso wie Kaliumhydroxid basische Flüssigkeiten wie Am<strong>in</strong>e, für Säuren,<br />

Säureanhydride, Ester, Amide und Nitrile ist es ungeeignet. Beim Trocknen zerfließt Natriumhydroxid,<br />

dadurch wird die Trockenwirkung gem<strong>in</strong><strong>der</strong>t (siehe KOH).<br />

Natriumsulfat (Na 2 SO 4 ) (wasserfrei)<br />

Natriumsulfat ist e<strong>in</strong> universell e<strong>in</strong>setzbares Trockenmittel für fast alle Verb<strong>in</strong>dungen, auch<br />

empf<strong>in</strong>dliche Substanzen wie Aldehyde und Ketone können damit getrocknet werden. Die<br />

Trockenwirkung ist nur mäßig, zum Trocknen von Lösungen aber meist ausreichend.<br />

243


11. Trocknen von Feststoffen, Lösungen und Lösungsmitteln<br />

di-Phosphorpentoxid (P 4 O 10 )<br />

di-Phosphorpentoxid ist e<strong>in</strong> sehr wirksames Trockenmittel, es entfernt Wasserdampf aus Gasen<br />

und trocknet gesättigte aliphatische und aromatische Kohlenwasserstoffe, Nitrile, halogenierte<br />

Kohlenwasserstoffe und Schwefelkohlenstoff; ungeeignet ist es für Alkohole, Am<strong>in</strong>e,<br />

Säuren, Ketone, Aldehyde und Ether.<br />

Bei <strong>der</strong> Wasseraufnahme überzieht sich Phosphorpentoxid mit e<strong>in</strong>er viskosen, klebrigen<br />

Schicht von Polymetaphosphorsäure, die Trockenwirkung nimmt dadurch deutlich ab. Deshalb<br />

verwendet man oft Sicapent ® , e<strong>in</strong> auf anorganischem Träger aufgezogenes Phosphorpentoxid.<br />

Durch das Trägermaterial bleibt es auch bei Wasseraufnahme rieselfähig. Sicapent<br />

wird auch mit Feuchtigkeits<strong>in</strong>dikator angeboten, es ist auch hochwirksam zum Trocknen von<br />

Feststoffen im Exsikkator.<br />

Schwefelsäure (H 2 SO 4 )<br />

Konz. Schwefelsäure kann als Exsikkator-Füllung zum Trocknen neutraler o<strong>der</strong> saurer Substanzen<br />

verwendet werden, für basiche und oxidierbare Substanzen ist Schwefelsäure ungeeignet.<br />

Effektiver und sicherer <strong>in</strong> <strong>der</strong> Handhabung ist Sicazide (Schwefelsäure auf <strong>in</strong>ertem<br />

Träger). Durch die vergrößerte Oberfläche wird Feuchtigkeit schneller aufgenommen. Sicazide<br />

wird auch mit Feuchtigkeits<strong>in</strong>dikator (Farbumschlag von rot-violett nach gelblich) angeboten.<br />

Sicapent ® (di-Phosphorpentoxid auf anorganischem Träger)<br />

Siehe di-Phosphorpentoxid!<br />

Sicacide ® (Schwefelsäure auf <strong>in</strong>ertem Träger)<br />

Siehe Schwefelsäure!<br />

244


11.2 Trocknen von Feststoffen<br />

11.2 Trocknen von Feststoffen<br />

Feststoffe werden oft aus Lösungen durch Abdestillieren des Lösungsmittels erhalten. Durch<br />

Umkristallisation erhaltene Kristallisate werden durch Abfiltrieren über Büchner-Trichter etc.<br />

isoliert. Die Entfernung noch anhaften<strong>der</strong> Lösungsmittel nennt man generell ‚Trocknen‘.<br />

• Die e<strong>in</strong>fachste Methode, um organische Lösungsmittelreste aus Feststoffen zu entfernen,<br />

ist das Trocknen bei verm<strong>in</strong><strong>der</strong>tem Druck. Dazu wird <strong>der</strong> zu trocknende Feststoff <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

tarierten Schale <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Exsikkator gestellt und dieser durch Anlegen von Unterdruck<br />

(ca. 16 hPa, Wasserstrahlvakuum) evakuiert. Der verm<strong>in</strong><strong>der</strong>te Druck beschleunigt das<br />

Verdampfen des Lösungsmittels.<br />

• Der Planschliff des Exsikkators muss so gefettet werden, dass die Schliffe klar durchsichtig<br />

s<strong>in</strong>d. Während <strong>der</strong> gesamten Trocknungsdauer muss die Verb<strong>in</strong>dung zur Vakuumpumpe<br />

bestehen bleiben! Nur so ist es möglich, dass <strong>der</strong> Lösungsmitteldampf aus dem Exsikkator<br />

und damit auch aus <strong>der</strong> Substanz entfernt wird.<br />

• Zum Öffnen des Exsikkators wird <strong>der</strong> Absperrhahn zunächst geschlossen und die Verb<strong>in</strong>dung<br />

zur Vakuumpumpe aufgehoben. Anschließend wird <strong>der</strong> Absperrhahn sehr langsam<br />

und vorsichtig geöffnet, um die Substanz nicht durch die e<strong>in</strong>strömende Luft im Exsikkator<br />

zu Verwirbeln. Wenn man auf den Hahn vor <strong>der</strong> Öffnung e<strong>in</strong>en Papierfilter drückt, erfolgt<br />

die Belüftung langsamer.<br />

• Zur Kontrolle des Trocknungsvorgangs wird die Substanz von Zeit zu Zeit aus dem<br />

Exsikkator genommen und gewogen. Wenn ke<strong>in</strong>e Gewichtsabnahme mehr festzustellen ist,<br />

ist <strong>der</strong> Trocknungsvorgang beendet (Gewichtskonstanz).<br />

Die Trocknung benötigt Zeit! Bei leichtflüchtigen Lösungsmitteln kann e<strong>in</strong>e Stunde ausreichen,<br />

bei höhersiedenden Solventien wie Ethanol können es auch mehrere Stunden (o<strong>der</strong><br />

Tage) se<strong>in</strong>.<br />

• Kle<strong>in</strong>e Substanzmengen trocknet man am besten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em (tarierten) Rundkolben (NS 29)<br />

mit aufgesetztem Hahnstück im Vakuum, falls nötig auch bei erhöhter Temperatur.<br />

• Das Trocknen von wasserhaltigen Substanzen nur durch Anlegen von Unterdruck dauert<br />

zu lange. Es empfiehlt sich, e<strong>in</strong>e Schale mit Trockenmittel <strong>in</strong> den Exsikkator zu stellen und<br />

im Ölpumpenvakuum stehen zu lassen.<br />

• Als Trockenmittel wird meist gekörntes Kieselgel mit Feuchtigkeit<strong>in</strong>dikator o<strong>der</strong> gekörntes<br />

Calciumchlorid verwendet. Enthält die Substanz noch Reste organischer Säuren (z. B.<br />

Essigsäure), empfiehlt sich KOH als Trockenmittel. Scharfes Trocknen gel<strong>in</strong>gt mit Diphosphorpentoxid<br />

o<strong>der</strong> Sicapent.<br />

• Da Wasser relativ schwierig zu entfernen ist, wird meist über Nacht getrocknet. In hartnäckigen<br />

Fällen kann die Entfernung von Wasser durch azeotrope Destillation s<strong>in</strong>nvoll<br />

se<strong>in</strong>: Dazu wird <strong>der</strong> Feststoff <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em geeignetem Lösungsmittel (Wasserschlepper, z.B.<br />

Cyclohexan) gelöst o<strong>der</strong> suspendiert und am Wasserabschei<strong>der</strong> unter Rückfluss erhitzt.<br />

245


11. Trocknen von Feststoffen, Lösungen und Lösungsmitteln<br />

11.3 Trocknen von Lösungen<br />

Bei <strong>der</strong> Aufarbeitung von Reaktionsansätzen erhält man häufig Lösungen <strong>der</strong> Reaktionsprodukte<br />

<strong>in</strong> organischen Solventien, die mit Wasser gesättigt s<strong>in</strong>d. Vor <strong>der</strong> Weiterverarbeitung<br />

müssen diese Lösungen getrocknet werden.<br />

In e<strong>in</strong>igen Fällen bildet das Lösungsmittel mit Wasser Azeotrope (z. B. mit Cyclohexan,<br />

Toluol, siehe Kap. 4). Hier kann das Wasser durch Destillation des Solvens bei Normaldruck<br />

‚ausgekreist‘ werden.<br />

Im Normalfall werden die Lösungen durch Zugabe von Trockenmitteln getrocknet. Als Trockenmittel<br />

werden meist Na 2 SO 4 , MgSO 4 , K 2 CO 3 o<strong>der</strong> CaCl 2 verwendet. Welches Trockenmittel<br />

e<strong>in</strong>gesetzt wird, hängt vom Solvens und vom Produkt ab. Wenn zunächst wenig fe<strong>in</strong>gekörntes<br />

CaCl 2 zum Trocknen verwendet wird, wird das CaCl 2 -Hydrat flüssig und kann durch<br />

Dekantieren abgetrennt werden.<br />

Das Trockenmittel wird <strong>in</strong> kle<strong>in</strong>en Portionen zu <strong>der</strong> Lösung gegeben und immer wie<strong>der</strong> umgeschüttelt.<br />

Es wird soviel Trockenmittel zugegeben, bis es beim Umschütteln nicht mehr<br />

verklumpt. Anschließend wird das Gefäß verschlossen und von Zeit zu Zeit umgeschüttelt<br />

o<strong>der</strong> magnetisch gerührt. E<strong>in</strong>e gute Trocknung braucht m<strong>in</strong>destens 2 Stunden, am besten lässt<br />

man über Nacht stehen. Die überstehende Lösung muss klar se<strong>in</strong>, wenn sie trüb ist, wurde zu<br />

wenig Trockenmittel verwendet.<br />

Nach dem Trocknen wird über e<strong>in</strong>en Büchnertrichter o<strong>der</strong> e<strong>in</strong> Alihn'sches Rohr vom Trockenmittel<br />

abfiltriert und das Trockenmittel mit trockenem Solvens nachgewaschen.<br />

Zuviel Trockenmittel verr<strong>in</strong>gert häufig die Ausbeute, da die Substanz beim Abfiltrieren vom<br />

Trockenmittel teilweise e<strong>in</strong>geschlossen wird. Deshalb ist darauf zu achten, dass vor dem<br />

Trocknen sichtbare Wassertropfen aus <strong>der</strong> Lösung entfernt werden (nochmaliges Abtrennen<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Scheidetrichter o<strong>der</strong> Aufnehmen mit e<strong>in</strong>er Pipette). Insbeson<strong>der</strong>e wenn – bei flüssigen<br />

Substanzen – ohne Lösungsmittel (<strong>in</strong> Substanz) getrocknet wird, darf nur wenig Trockenmittel<br />

verwendet werden!<br />

246


11.4 Re<strong>in</strong>igung und Trocknen von Lösungsmitteln<br />

11.4 Re<strong>in</strong>igung und Trocknen von Lösungsmitteln<br />

Die meisten chemischen Umsetzungen setzen re<strong>in</strong>e und häufig auch trockene Lösungsmittel<br />

voraus. So ist es bei metallorganischen Synthesen entscheidend, dass die e<strong>in</strong>gesetzten Lösungsmittel<br />

trocken (= wasserfrei, ‚absolut‘) s<strong>in</strong>d.<br />

Wasser <strong>in</strong> organischen Lösungsmitteln ist auch e<strong>in</strong>e Verunre<strong>in</strong>igung, se<strong>in</strong>e Entfernung ist also<br />

sowohl Re<strong>in</strong>igung als auch Trocknung.<br />

E<strong>in</strong> e<strong>in</strong>faches Rechenbeispiel zeigt den E<strong>in</strong>fluss von Wasser: Handelsüblicher Diethylether<br />

hat e<strong>in</strong>en Wassergehalt von 0.2 %, 100 ml Ether enthalten also 0.14 g ≡ 7.5 mmol Wasser.<br />

Im Abschnitt 11.5 werden für die gebräuchlichen Lösungsmittel Re<strong>in</strong>igungsmethoden angegeben,<br />

zusammen mit ihren physikalischen Daten, Wassergehalt Mischbarkeit mit Wasser,<br />

Bildung von Azeotropen ebenso wie die wichtigsten bekannten Verunre<strong>in</strong>igungen. In vielen<br />

Fällen lässt sich die Re<strong>in</strong>igung und Trocknung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Arbeitsgang erreichen, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>igen<br />

Fällen s<strong>in</strong>d auch mehrere Schritte zur Re<strong>in</strong>igung und Trocknung notwendig.<br />

Abb. 11.1: Abfüllen von trockenem Solvens <strong>in</strong> die Reaktionsapparatur unter trockenem Stickstoff.<br />

1 Reaktionsapparatur<br />

2 Hahnaufsatz für Schutzgase<strong>in</strong>lass<br />

während <strong>der</strong> Reaktion<br />

3 Überdruckventil nach Stutz<br />

4 Vorratskolben mit trockenem<br />

Lösungsmittel<br />

5 Aufsatz zum Überführen von Flüssigkeiten<br />

mit Steigrohr<br />

6 Absperrhahn für das Lösungsmittel<br />

7 Absperrhahn für Inertgas<br />

247


11. Trocknen von Feststoffen, Lösungen und Lösungsmitteln<br />

Wichtig ist auch die Aufbewahrung und Handhabung <strong>der</strong> trockenen Lösungsmittel. Zum<br />

e<strong>in</strong>en soll verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t werden, dass das Solvens im Lauf <strong>der</strong> Zeit wie<strong>der</strong> Wasser aufnimmt,<br />

zum an<strong>der</strong>en muss damit gerechnet werden, dass die den Solventien zugesetzten Stabilisatoren<br />

zur Verh<strong>in</strong><strong>der</strong>ung von Peroxidbildungen bei <strong>der</strong> Re<strong>in</strong>igung ebenfalls entfernt wurden.<br />

Nicht unproblematisch ist das Abfüllen von absoluten Lösungsmitteln. Auch beim schnellen<br />

Ausgießen steigt <strong>der</strong> Restwassergehalt von 10 –3 Gew.-% auf den doppelten bis vierfachen<br />

Wert. Auch das an <strong>der</strong> Glasoberfläche von Laborgeräten adsorbierte Wasser ist nicht zu unterschätzen.<br />

Alle benötigten Glasgeräte müssen deshalb im Trockenschrank gut getrocknet<br />

und unter Vakuum ausgeheizt werden. Der direkte Luftkontakt von getrockneten Lösungsmitteln<br />

muss nach Möglichkeit ausgeschlossen werden (Abdrücken des Solvens unter trockenem<br />

Schutzgas (Abb. 11.1) o<strong>der</strong> Aufziehen mit e<strong>in</strong>er Spritze).<br />

11.4.1 Trocknen mit Alum<strong>in</strong>iumoxid<br />

E<strong>in</strong>e elegante Methode ist die Entfernung von Restwasser aus vorgetrockneten, destillierten<br />

Lösungsmitteln durch dynamische Adsorption an Alum<strong>in</strong>iumoxid <strong>der</strong> Aktivitätsstufe I (Abb.<br />

11.2). Saure Verunre<strong>in</strong>igungen können mit basischem Alum<strong>in</strong>iumoxid (Akt.-Stufe I) ebenfalls<br />

entfernt werden.<br />

Abb. 11.2: Dynamische Trocknung mit<br />

Alum<strong>in</strong>iumoxid.<br />

Hierzu füllt man e<strong>in</strong>e Chromatographiesäule<br />

(Ø 10–20 mm, Höhe 30–50 cm) trocken mit<br />

etwa 150 g basischem Al 2 O 3 (Akt.-Stufe I)<br />

pro Liter Solvens und lässt das zu trocknende<br />

Lösungsmittel durch die Säule laufen. Dazu<br />

legt man das Solvens am besten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

Reservoirbehälter (2) vor, alternativ kann<br />

auch e<strong>in</strong> Tropftrichter verwendet werden<br />

(siehe Kap. 9, Abb. 9.14). Das getrocknete<br />

Solvens wird <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Schliffkolben mit<br />

seitlichem Kapillarhahn (Schlenkkolben), auf<br />

den e<strong>in</strong> Trockenrohr aufgesetzt wird, aufgefangen.<br />

Durch die freiwerdende Adsorptionswärme<br />

erwärmt sich die Säule beim Durchlaufen des<br />

Lösungsmittels anfangs sehr stark, dadurch<br />

geht die Trockenwirkung zunächst verloren.<br />

Deshalb ist es ratsam, die ersten 100 ml des<br />

Eluats entwe<strong>der</strong> zu verwerfen o<strong>der</strong> erneut<br />

durch die Säule laufen zu lassen.<br />

248


11.4 Re<strong>in</strong>igung und Trocknen von Lösungsmitteln<br />

Der Nachteil dieser Methode ist <strong>der</strong> relativ hohe Preis des Alum<strong>in</strong>iumoxids, was die Durchführung<br />

auf e<strong>in</strong>ige wenige, spezielle Fälle und kle<strong>in</strong>e Volum<strong>in</strong>a beschränkt.<br />

Das verbrauchte Alum<strong>in</strong>iumoxid wird im Abzug aus <strong>der</strong> Säule ausgestoßen (evtl. mit Hilfe<br />

e<strong>in</strong>es Handgebläses) und erst nach vollständigem Trocknen entsprechend den jeweils gültigen<br />

Abfallvorschriften entsorgt. Von <strong>der</strong> Regenerierung muss wegen möglicherweise anhaftenden<br />

Peroxidspuren pr<strong>in</strong>zipiell abgeraten werden!<br />

11.4.2 Trocknen mit Molekularsieben<br />

Molekularsiebe s<strong>in</strong>d synthetische, kristall<strong>in</strong>e Alum<strong>in</strong>iumsilikate mit Hohlräumen, die durch<br />

Poren mit def<strong>in</strong>iertem Porendurchmesser (3–10 Å) verbunden s<strong>in</strong>d; handelsüblich s<strong>in</strong>d kle<strong>in</strong>e<br />

Kugeln o<strong>der</strong> Zyl<strong>in</strong><strong>der</strong>. Bei e<strong>in</strong>em Molekularsieb mit 3 Å Porendurchmesser kann z.B. nur<br />

Wasser (Moleküldurchmesser 2.6 Å), sowie Ammoniak durch die Poren des Silikats <strong>in</strong> den<br />

Hohlraum e<strong>in</strong>dr<strong>in</strong>gen und adsorbiert werden, während die üblichen organische Solventien<br />

nicht e<strong>in</strong>dr<strong>in</strong>gen können.<br />

Die Kapazität <strong>der</strong> Molekularsiebe beträgt etwa 20 Gewichtsprozent, sie können aber beliebig<br />

oft regeneriert werden: Das verbrauchte Molekularsieb wird zunächst abfiltriert, im Abzug<br />

getrocknet und danach gründlich mit Wasser gewaschen. Zur Aktivierung wird das Silikat erst<br />

bei 150 °C im Trockenschrank, danach 12 h bei 200 °C im Fe<strong>in</strong>vakuum getrocknet. Der<br />

Restwassergehalt ist dann < 0.5%.<br />

Zu etwa 1 l des zu trocknenden Lösungsmittels werden 100 g Molekularsieb gegeben und<br />

unter gelegentlichem Umschwenken mehrere Tage stehen gelassen (statische Trocknung).<br />

Am besten hat sich die dynamische Trocknung bewährt: Hierbei wird das vorgere<strong>in</strong>igte und<br />

vorgetrocknete Lösungsmittel durch e<strong>in</strong>e mit Molekularsieb beschickte Chromatographiesäule<br />

filtriert. Mit 250 g Molekularsieb lassen sich so etwa 10 Liter <strong>der</strong> nachstehend aufgeführten<br />

Lösungsmittel bis auf e<strong>in</strong>en Wassergehalt von 0.002% (20 ppm) trocknen (Säule 2.5 x 60 cm,<br />

Durchlaufgeschw<strong>in</strong>digkeit ca. 3 l/h). Der Aufbau entspricht Abb. 11.2.<br />

• Molekularsieb 3 Å: Trocknen von Acetonitril, Methanol, Ethanol und 2-Propanol.<br />

• Molekularsieb 4 Å: Trocknen von Benzol, Chloroform, Cyclohexan, Ethylacetat, Methylacetat,<br />

Methylenchlorid, Tetrachlorkohlenstoff, Tetrahydrofuran, Toluol. Dieses Molekularsieb<br />

b<strong>in</strong>det außer Wasser auch folgende Verunre<strong>in</strong>igungen: Acetaldehyd, Acetonitril,<br />

nie<strong>der</strong>e Alkohole (Methanol, Ethanol, n-Propanol, n-Butanol), Methylam<strong>in</strong> sowie weitere<br />

kle<strong>in</strong>e Moleküle, die jedoch als Verunre<strong>in</strong>igungen <strong>in</strong> Lösungsmitteln ke<strong>in</strong>e größere Rolle<br />

spielen.<br />

249


11. Trocknen von Feststoffen, Lösungen und Lösungsmitteln<br />

11.4.3 Trocknen mit Alkalimetallen und Metallhydriden<br />

Alkalimetalle und Metallhydride werden vor allem zum Trocknen von Kohlenwasserstoffen<br />

und Ethern verwendet. Bei nicht zu hoch siedenden Lösungsmitteln lassen sich auch die<br />

käuflichen Dispersionen von Natriumhydrid <strong>in</strong> Weißöl (Paraff<strong>in</strong>öl) o<strong>der</strong> Calciumhydrid e<strong>in</strong>setzen,<br />

die wegen <strong>der</strong> fe<strong>in</strong>en Verteilung sehr rasch und effizient reagieren.<br />

Zunächst muss das zu trocknende Lösungsmittel mit CaCl 2 o<strong>der</strong> Na 2 SO 4 ‚vorgetrocknet‘ werden.<br />

Dadurch wird e<strong>in</strong> großer Teil des <strong>in</strong> technischen Lösungsmitteln enthaltenen Wassers<br />

bereits entfernt. Zum Fe<strong>in</strong>trocknen wird Natrium (Schmp. 97.7 °C) mit e<strong>in</strong>er Natriumpresse<br />

als Draht <strong>in</strong> das Solvens e<strong>in</strong>gepresst.<br />

Das Trocknen mit metallischen Lithium ist nicht s<strong>in</strong>nvoll, da das harte Metall (Schmp.<br />

179 °C) nur mit geheizten Düsen zu Drähten gepresst werden kann.<br />

Das Arbeiten mit metallischem Kalium (Schmp. 63.5 °C) ist beson<strong>der</strong>s problematisch. Es ist<br />

außerordentlich empf<strong>in</strong>dlich gegenüber Luftsauerstoff und reagiert mit Wasser und nie<strong>der</strong>en<br />

Alkoholen explosionsartig unter Selbstentzündung.<br />

Der niedrige Schmelzpunkt führt dazu, dass das Kalium z. B. <strong>in</strong> siedendem Tetrahydrofuran<br />

als Schmelze vorliegt. Die sich ständig erneuernde Metalloberfläche führt zu e<strong>in</strong>er beson<strong>der</strong>s<br />

effektiven Trocknung. Diese Tatsache ist <strong>der</strong> Grund, dass Kalium – trotz se<strong>in</strong>er Gefährlichkeit<br />

– beim Trocknen gegenüber Lithium und Natrium häufig bevorzugt wird. Das weiche Kalium<br />

muss unter dem Schutz e<strong>in</strong>es trockenen, höhersiedenden Solvens (z. B. Petrolether, Sdp. ><br />

100 °C) geschnitten werden. Zur Herstellung von ‚supertrockenen’ niedrig siedenden Lösungsmitteln<br />

wie Diethylether wird aus demselben Grund auch Kalium/Natrium-Legierung<br />

(Schmp. des Eutektikums: –12 °C) verwendet.<br />

In allen Fällen muss <strong>der</strong> Umgang mit den Alkalimetallen wegen <strong>der</strong> Entzündbarkeit mit<br />

beson<strong>der</strong>er Sorgfalt erfolgen:<br />

• Nur mit trockenen Geräten und vorgetrockneten Solventien arbeiten!<br />

• Schützen <strong>der</strong> Reaktionsapparatur vor Luftfeuchtigkeit durch Trockenrohre (CaCl 2 o<strong>der</strong><br />

Kieselgel) auf <strong>der</strong> Schlifföffnung des Rückflusskühlers. Beim Arbeiten unter Schutzgas<br />

wird e<strong>in</strong> Hg-Ventil o<strong>der</strong> e<strong>in</strong> Überdruckventil nach Stutz aufgesetzt (siehe Kapitel 10.3).<br />

• Beim Kochen unter Rückfluss unbed<strong>in</strong>gt e<strong>in</strong>en Metallkühler verwenden!<br />

• Das Solvens nie bis zur Trockene abdestillieren!<br />

250


11.4 Re<strong>in</strong>igung und Trocknen von Lösungsmitteln<br />

Vernichtung von Alkalimetall-Rückständen<br />

Wenn mit Alkalimetallen getrocknet wurde, müssen die nach dem Abdestillieren des Solvens<br />

zurückbleibenden Alkalimetallreste mit großer Sorgfalt vernichtet werden.<br />

Die erkalteten Lithium- und Natriumrückstände werden zunächst vorsichtig unter Rühren<br />

o<strong>der</strong> Umschwenken mit 2-Propanol versetzt, wenn die Reaktion zu heftig wird, wird e<strong>in</strong><br />

Rückflusskühler aufgesetzt. Unter häufigem Umschwenken lässt man 1–2 h stehen, bis ke<strong>in</strong>e<br />

Metallrückstände mehr zu beobachten s<strong>in</strong>d, dann gibt man wässriges Ethanol (Ethanol/ Wasser,<br />

v/v = 10/2) und schließlich Wasser zu. Nach Neutralisation mit Salzsäure gibt man zum<br />

wässrig-organischen Son<strong>der</strong>abfall.<br />

Die Vernichtung von Kaliumrückständen bedarf beson<strong>der</strong>er Vorsicht. Bei aufgesetztem<br />

Rückflusskühler gibt man trockenes tert-Butanol zu und erhitzt nach dem Abkl<strong>in</strong>gen <strong>der</strong> Reaktion<br />

nach 30 M<strong>in</strong>uten zum Sieden. Dieses Vorgehen ist erfor<strong>der</strong>lich, da auch kle<strong>in</strong>e Kaliummengen<br />

<strong>in</strong> den festen Rückständen mit wässrigem Alkohol noch explosionsartig reagieren.<br />

Anschließend wird wie oben weiter aufgearbeitet.<br />

Häufig genutzte, trockene Solventien können <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er sog. Umlaufapparatur kont<strong>in</strong>uierlich<br />

getrocknet werden (Abb. 11.3). Das zu trocknende Lösungsmittel liegt zusammen mit dem<br />

Trockenmittel (z.B. Natrium, Kalium, CaH 2 , LiAlH 4 ) im Destillationskolben (1) vor. Beim<br />

Erhitzen steigt <strong>der</strong> Dampf über das Steigrohr (2) zum Metallkühler (3) auf und wird dort kondensiert.<br />

Bei geöffnetem Hahn Rücklaufhahn (6) (Hahn (5) geschlossen!) wird das Solvens<br />

kont<strong>in</strong>uierlich im Kreis geführt.<br />

Zur Entnahme wird Hahn (6) geschlossen, das kondensierte Solvens sammelt sich im<br />

Sammelgefäß (4) und wird durch Öffnen des Hahns (5) <strong>in</strong> die Vorlage (7) im Inertgas-Gegenstrom<br />

abgelassen. Der Vorlagekolben (7) wird noch im Inertgas-Gegenstrom abgenommen<br />

und dicht verschlossen.<br />

In Umlaufapparaturen sollten nur bereits absolutierte Solventien e<strong>in</strong>gefüllt werden, <strong>der</strong> Zustand<br />

des Trocknungsmittels muss regelmäßig kontrolliert werden. Alle Umfülloperationen<br />

müssen im Inertgas-Gegenstrom durchgeführt werden.<br />

251


11. Trocknen von Feststoffen, Lösungen und Lösungsmitteln<br />

Abb. 11.3: Umlaufapparatur nach Bösherz zur kont<strong>in</strong>uierlichen Trocknung von Lösungsmitteln<br />

[2].<br />

1 Destillationskolben mit Lösungsmittel und<br />

Trockenmittel<br />

2 Steigrohr<br />

3 Rückflusskühler mit Metallkühlwendel<br />

4 Sammelgefäß<br />

5 Ablasshahn für Lösungsmittelentnahme<br />

6 Rücklaufhahn zum Ablassen des Lösungsmittels<br />

<strong>in</strong> den Destillationskolben<br />

7 Kolben mit seitlichem Hahn (Schlenk-Kolben)<br />

8 Druckausgleichöffnung<br />

9 Überdruckventil nach Stutz mit E<strong>in</strong>lasshahn für<br />

Inertgas<br />

11.5 Spezielle Re<strong>in</strong>igung und Trocknung häufig verwendeter Solventien<br />

Stand <strong>der</strong> angegebenen Gefahrenh<strong>in</strong>weise (Gefahrensymbole, R- und S-Sätze) ist die EG-<br />

Richtl<strong>in</strong>ie 2004/73/EG (29. Anpassung) vom 31. Oktober 2005.<br />

Die folgenden Vorschriften zur Re<strong>in</strong>igung von Lösungsmittel s<strong>in</strong>d für den präparativen<br />

E<strong>in</strong>satz geeignet. Für beson<strong>der</strong>e Anfor<strong>der</strong>ungen an die Re<strong>in</strong>heit (z.B. Lösungsmittel für die<br />

Spektroskopie o<strong>der</strong> Elektrochemie) sowie für weitere Lösungsmittel wird auf die Literatur [1,<br />

3–4] verwiesen.<br />

Seit e<strong>in</strong>igen Jahren s<strong>in</strong>d die gebräuchlichsten Lösungsmittel auch <strong>in</strong> ‚wasserfreier‘ Qualität<br />

kommerziell im Handel erhältlich.<br />

252


11.5 Spezielle Re<strong>in</strong>igung und Trocknung häufig verwendeter Solventien<br />

11.5.1 Kohlenwasserstoffe<br />

n-Pentan<br />

Sdp. 36.1 °C, Schmp. –129.7 °C, d = 0.63 g/ml,<br />

Dampfdruck 573 hPa (20 °C), Flammpunkt –49 °C<br />

Löslichkeit <strong>in</strong> Wasser: 0.36 g/l<br />

Löslichkeit von Wasser <strong>in</strong> n-Pentan: 0.012%<br />

Azetrop mit Wasser: Sdp. 34.6 °C (1.4% H 2 O)<br />

R 12-51/53-65-66-67<br />

S 9-16-29-33-61-62<br />

Verunre<strong>in</strong>igungen: Je nach Spezifikation Isomere und Verunre<strong>in</strong>igungen durch Alkene und<br />

höhersiedende Kohlenwasserstoffe.<br />

Vortrocknen: M<strong>in</strong>destens 24 h über CaCl 2 o<strong>der</strong> Na 2 SO 4 , anschließend vom Trockenmittel<br />

abdekantieren.<br />

Trocknen: Destillation über ca. 1 g/l NaH-Dispersion <strong>in</strong> Weißöl.<br />

Lagerung: Das getrocknete n-Pentan wird über e<strong>in</strong>gepresstem Natriumdraht o<strong>der</strong> Molekularsieb<br />

(4 Å) <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er verschlossenen Flasche aufbewahrt.<br />

n-Hexan<br />

Sdp. 69 °C, Schmp. –94.3 °C, d = 0.66 g/ml,<br />

Dampfdruck 160 hPa (20 °C), Flammpunkt –22 °C<br />

Löslichkeit <strong>in</strong> Wasser: 0.0095 g/l<br />

Löslichkeit von Wasser <strong>in</strong> n-Hexan: 0.011%<br />

Azetrop mit Wasser: Sdp. 61.6 °C (3.6% H 2 O)<br />

R 11-38-48/20-51/53-62-66-67<br />

S 9-16-29-33-36/37-61-62<br />

n-Hexan ist neurotoxisch und sollte nach Möglichkeit durch an<strong>der</strong>e Kohlenwasserstoffe ersetzt<br />

werden.<br />

Verunre<strong>in</strong>igungen: Je nach Spezifikation Isomere und Verunre<strong>in</strong>igungen durch Alkene und<br />

höhersiedende Kohlenwasserstoffe.<br />

Re<strong>in</strong>igung: Für spektroskopische Zwecke müssen die olef<strong>in</strong>ischen Verunre<strong>in</strong>igungen entfernt<br />

werden (Arbeiten im Abzug!):<br />

100 ml n-Hexan werden mehrere Stunden mit ca. 200 ml/l Chlorsulfonsäure zum Sieden<br />

erhitzt. Die erkaltete Reaktionsmischung wird nach dem Abtrennen <strong>der</strong> Chlorsulfonsäure<br />

mit Wasser, verd. Natronlauge und nochmals mit Wasser gewaschen.<br />

Vortrocknen: Wie bei n-Pentan beschrieben über CaCl 2 o<strong>der</strong> Na 2 SO 4<br />

Trocknen: Wie bei n-Pentan beschrieben über NaH-Dispersion o<strong>der</strong> Natriumdraht destillieren.<br />

Für kle<strong>in</strong>ere Mengen ist auch die Filtration über Al 2 O 3 (Akt.-Stufe I) geeignet. Die Re<strong>in</strong>heit<br />

kann über die Durchlässigkeit im UV kontrolliert werden.<br />

Lagerung: Das getrocknete n-Hexan wird über e<strong>in</strong>gepresstem Natriumdraht o<strong>der</strong> Molekularsieb<br />

(4 Å) <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er verschlossenen Flasche aufbewahrt.<br />

253


11. Trocknen von Feststoffen, Lösungen und Lösungsmitteln<br />

n-Heptan<br />

Sdp. 98.4 °C, Schmp. –90.6 °C, d = 0.68 g/ml,<br />

Dampfdruck 48 hPa (20 °C), Flammpunkt –4 °C<br />

Löslichkeit <strong>in</strong> Wasser: praktisch unlöslich<br />

Löslichkeit von Wasser <strong>in</strong> n-Heptan:0.009%<br />

Azetrop mit Wasser: Sdp. 79.2 °C (12.9% H 2 O)<br />

R 11-38-50/53-65-67<br />

S 9-16-29-33-60-61-62<br />

Verunre<strong>in</strong>igungen: Je nach Spezifikation Isomere und Verunre<strong>in</strong>igungen durch Alkene und<br />

höhersiedende Kohlenwasserstoffe.<br />

Re<strong>in</strong>igung, Trocknung und Aufbewahrung: siehe n-Hexan.<br />

Petrolether (Petroleumbenz<strong>in</strong>)<br />

Kohlenwasserstoff-Gemische mit unterschiedlichen Siedebereichen.<br />

Üblich s<strong>in</strong>d 40–60 °C, 60–80 und 80–100 °C.<br />

Es sollte auf e<strong>in</strong>en möglichst niedrigen Gehalt von n-Hexan<br />

geachtet werden.<br />

R 11-51/53-65-66-67<br />

S 9-16-23-24-33-60-61-62<br />

Trocknung und Aufbewahrung: siehe n-Hexan.<br />

Cyclohexan<br />

Sdp. 81 °C, Schmp. 6 °C, d = 0.78 g/ml,<br />

Dampfdruck 103 hPa (20 °C), Flammpunkt –18 °C<br />

Löslichkeit <strong>in</strong> Wasser: 0.055 g/l<br />

Löslichkeit von Wasser <strong>in</strong> Cyclohexan: 0.005%<br />

Azetrop mit Wasser: Sdp. 68.9 °C (9% H 2 O)<br />

R 11-38-50/53-65-67<br />

S 9-16-33-60-61-62<br />

Verunre<strong>in</strong>igungen: Je nach Spezifikation Benzol, Alkene und schwerflüchtige Verb<strong>in</strong>dungen.<br />

Re<strong>in</strong>igung: Für spektroskopische Zwecke müssen die olef<strong>in</strong>ischen Verunre<strong>in</strong>igungen entfernt<br />

werden (Arbeiten im Abzug!):<br />

Im Abzug wird 1 l Cyclohexan bei 50–60 °C mehrere Stunden mit e<strong>in</strong>er Mischung aus<br />

125 ml konz. Schwefelsäure und 100 ml konz. Salpetersäure gerührt (Achtung: Man<br />

versetzt die Salpetersäure vorsichtig portionsweise mit <strong>der</strong> Schwefelsäure!). Nach <strong>der</strong><br />

Abtrennung <strong>der</strong> Nitriersäure im Scheidetrichter wird das gebildete Nitrobenzol mehrmals<br />

mit je 50 ml konz. Schwefelsäure ausgeschüttelt, die organische Phase danach mit<br />

Wasser, verd. Natronlauge und nochmals mit Wasser gewaschen.<br />

Vortrocknen, Trocknen, Lagerung: Wie bei n-Pentan beschrieben.<br />

254


11.5 Spezielle Re<strong>in</strong>igung und Trocknung häufig verwendeter Solventien<br />

Methylcyclohexan<br />

Sdp. 101 °C, Schmp. –126 °C, d = 0.77 g/ml,<br />

Dampfdruck 48 hPa (20 °C), Flammpunkt –4 °C<br />

Löslichkeit <strong>in</strong> Wasser: 0.014 g/l<br />

Löslichkeit von Wasser <strong>in</strong> Methylcyclohexan: 0.012%<br />

Azetrop mit Wasser: Sdp. 80 °C (24.1% H 2 O)<br />

R 11-38-51/53-66-67<br />

S 9-16-33-61-62<br />

Verunre<strong>in</strong>igungen: Je nach Spezifikation Toluol, Alkene und schwerflüchtige Verb<strong>in</strong>dungen.<br />

Re<strong>in</strong>igung, Vortrocknen, Trocknen, Lagerung: Wie bei Cyclohexan beschrieben.<br />

Benzol (Benzen)<br />

Sdp. 80.1 °C, Schmp. 5.5 °C, d = 0.88 g/ml,<br />

Dampfdruck 101 hPa (20 °C), Flammpunkt –11 °C<br />

Löslichkeit <strong>in</strong> Wasser: 1.77 g/l<br />

Löslichkeit von Wasser <strong>in</strong> Benzol: 0.064%<br />

Azetrop mit Wasser: Sdp. 69.3 °C (8.8% H 2 O)<br />

R 45-11-E48/23/24/25<br />

S 53-45<br />

Benzol ist krebserregend und sollte nicht mehr als Lösungsmittel verwendet werden. Als<br />

Ersatz haben sich Toluol und Cyclohexan bewährt. Ist ke<strong>in</strong> Ersatz möglich, darf nur unter<br />

dem Abzug gearbeitet werden, jeglicher Hautkontakt ist zu vermeiden.<br />

Verunre<strong>in</strong>igungen: Je nach Spezifikation an<strong>der</strong>e Kohlenwasserstoffe und Thiophen.<br />

Re<strong>in</strong>igung: Entfernung von Thiophen:<br />

Im Abzug wird zur Entfernung von Thiophen zweimal mit je 50 ml/l konz. Schwefelsäure<br />

ausgeschüttelt, dann mit Wasser, verd. Natronlauge und nochmals mit Wasser<br />

gewaschen.<br />

Vortrocknen: M<strong>in</strong>destens 24 h über CaCl 2 , anschließend vom Trockenmittel abdekantieren.<br />

Größere Mengen sollten durch azeotrope Destillation vorgetrocknet werden (10 % des<br />

Destillats als Vorlauf wegnehmen).<br />

Trocknen: Es stehen mehrere gleichwertige Methoden zur Auswahl:<br />

• Mit ca. 2 g/l CaH 2 o<strong>der</strong> 3 g/l NaH-Dispersion 6 Stunden unter Rückfluss erhitzen und<br />

dann abdestillieren.<br />

• Molekularsieb 4 Å.<br />

• Filtration über Al 2 O 3 . Die Säulenfüllung reicht zur Vortrocknung von weiteren 2 l Benzol<br />

(siehe Abschnitt 11.4.1).<br />

Lagerung: Das getrocknete Benzol wird über e<strong>in</strong>gepresstem Natriumdraht o<strong>der</strong> Molekularsieb<br />

(4 Å) <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er verschlossenen Flasche aufbewahrt.<br />

255


11. Trocknen von Feststoffen, Lösungen und Lösungsmitteln<br />

Toluol (Toluen)<br />

Sdp. 110.6 °C, Schmp. –95 °C, d = 0.87 g/ml,<br />

Dampfdruck 29 hPa (20 °C), Flammpunkt 4 °C<br />

Löslichkeit <strong>in</strong> Wasser: 0.52 g/l<br />

Löslichkeit von Wasser <strong>in</strong> Toluol: 0.033%<br />

Azetrop mit Wasser: Sdp. 85 °C (10.2% H 2 O)<br />

R 11-20<br />

S 16-25-29-33<br />

Verunre<strong>in</strong>igungen: Je nach Spezifikation an<strong>der</strong>e Kohlenwasserstoffe und Methylthiophen.<br />

Re<strong>in</strong>igung: Re<strong>in</strong>igung: Handelsübliches Toluol muss für den praktischen Laborgebrauch <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Regel nicht gere<strong>in</strong>igt werden. Falls schwefelhaltige Verunre<strong>in</strong>igungen (Methylthiophene)<br />

stören, kann wie bei Benzol beschrieben verfahren werden.<br />

Vortrocknen: M<strong>in</strong>destens 24 h über CaCl 2 , anschließend vom Trockenmittel abdekantieren.<br />

Größere Mengen sollten durch azeotrope Destillation vorgetrocknet werden (5 % des Destillats<br />

als Vorlauf wegnehmen).<br />

Trocknen: In vielen Fällen ist die azeotrope Destillation ausreichend, für höhere Ansprüche<br />

siehe unter Benzol.<br />

Lagerung: Das getrocknete Toluol wird über e<strong>in</strong>gepressten Natriumdraht o<strong>der</strong> Molekularsieb<br />

(4 Å) <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er verschlossenen Flasche aufbewahrt.<br />

Xylol (Xylen), Isomerengemisch<br />

Sdp. 137–143 °C, Schmp. >–34 °C, d = 0.86 g/ml,<br />

Dampfdruck 10 hPa (20 °C), Flammpunkt 25 °C<br />

Löslichkeit <strong>in</strong> Wasser: 0.2 g/l R 10-20/21-38<br />

S 25<br />

Verunre<strong>in</strong>igungen: Je nach Spezifikation an<strong>der</strong>e Kohlenwasserstoffe und Methylthiophen.<br />

Re<strong>in</strong>igung: Für den praktischen Laborgebrauch ist die Re<strong>in</strong>igung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel nicht nötig.<br />

Vortrocknen: M<strong>in</strong>destens 24 h über CaCl 2 , anschließend vom Trockenmittel abdekantieren.<br />

Größere Mengen sollten durch azeotrope Destillation vorgetrocknet werden (5 % des Destillats<br />

als Vorlauf wegnehmen).<br />

Trocknen: In vielen Fällen ist die azeotrope Destillation ausreichend, für höhere Ansprüche<br />

siehe unter Benzol.<br />

Lagerung: Das getrocknete Xylol wird über e<strong>in</strong>gepressten Natriumdraht o<strong>der</strong> Molekularsieb<br />

(4 Å) <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er verschlossenen Flasche aufbewahrt.<br />

256


11.5 Spezielle Re<strong>in</strong>igung und Trocknung häufig verwendeter Solventien<br />

11.5.2 Chlorierte Kohlenwasserstoffe<br />

Achtung! Chlorierte Kohlenwasserstoffe dürfen unter ke<strong>in</strong>en Umständen mit Natrium o<strong>der</strong><br />

Kalium getrocknet o<strong>der</strong> über Natriumdraht aufbewahrt werden! Es besteht Explosionsgefahr!<br />

Dichlormethan (Methylenchlorid)<br />

Sdp. 40 °C, Schmp. –95 °C, d = 1.33 g/ml,<br />

Dampfdruck 475 hPa (20 °C), Flammpunkt ---<br />

Löslichkeit <strong>in</strong> Wasser: 20 g/l<br />

Löslichkeit von Wasser <strong>in</strong> Dichlormethan: 0.2%<br />

Azetrop mit Wasser: Sdp. 38.1 °C (1.5% H 2 O)<br />

R 40<br />

S 23-24/25-36/37<br />

Für Dichlormethan besteht <strong>der</strong> Verdacht auf krebserzeugende Wirkung. Es darf nur unter<br />

dem Abzug gearbeitet werden, jeglicher Hautkontakt ist zu vermeiden.<br />

Verunre<strong>in</strong>igungen: Je nach Spezifikation ist Dichlormethan mit 2-Methyl-2-buten, Methanol<br />

o<strong>der</strong> Ethanol stabilisiert.<br />

Re<strong>in</strong>igung: Mit Wasser, verdünnter Natronlauge und nochmals mit Wasser waschen..<br />

Vortrocknen: M<strong>in</strong>destens 24 h über CaCl 2 , anschließend vom Trockenmittel abdekantieren.<br />

In vielen Fällen liefert diese Methode ausreichend trockenes Dichlormethan.<br />

Trocknen: Mit ca. 5–10 g/l P 2 O 5 2 Stunden zum Sieden erhitzen, danach abdestillieren. Diese<br />

Methode liefert ‚supertrockenes‘ Dichlormethan (Wassergehalt < 1 ppm), hier erübrigt sich<br />

das vorherige Waschen mit Wasser.<br />

Für spektroskopische Zwecke wird Dichlormethan über basischem Al 2 O 3 (Akt.-Stufe I) filtriert<br />

(50 g Al 2 O 3 für ca. 70–100 ml Dichlormethan).<br />

Lagerung: Das getrocknete Dichlormethan wird <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er dicht verschlossenen dunklen Flasche<br />

über Molekularsieb (4 Å) aufbewahrt, am besten unter N 2 -Atmosphäre. Wenn Säurespuren<br />

vermieden werden müssen, kann statt Molekularsieb auch basisches Alum<strong>in</strong>iumoxid<br />

(Akt.-Stufe I) verwendet werden.<br />

Chloroform (Trichlormethan)<br />

Sdp. 61 °C, Schmp. –63 °C, d = 1.48 g/ml,<br />

Dampfdruck 211 hPa (20 °C), Flammpunkt ---<br />

Löslichkeit <strong>in</strong> Wasser: 8 g/l<br />

Löslichkeit von Wasser <strong>in</strong> Chloroform: 0.09%<br />

Azetrop mit Wasser: Sdp. 56.1 °C (2.2% H 2 O)<br />

R 22-38-40-48/20/22<br />

S 36/37<br />

Bei Chloroform besteht <strong>der</strong> Verdacht auf krebserzeugende Wirkung. Es darf nur unter dem<br />

Abzug gearbeitet werden, jeglicher Hautkontakt ist zu vermeiden.<br />

257


11. Trocknen von Feststoffen, Lösungen und Lösungsmitteln<br />

Verunre<strong>in</strong>igungen: Chloroform wird durch Sauerstoff unter Lichte<strong>in</strong>fluss photochemisch<br />

zersetzt, dabei entsteht Phosgen, Chlor und Chlorwasserstoff. Je nach Spezifikation ist Dichlormethan<br />

mit 2-Methyl-2-buten, Methanol o<strong>der</strong> Ethanol stabiliert.<br />

Re<strong>in</strong>igung, Trocknung und Lagerung: Siehe Dichlormethan.<br />

Tetrachlorkohlenstoff (Tetrachlormethan)<br />

Sdp. 76.7 °C, Schmp. –23 °C, d = 1.59 g/ml,<br />

Dampfdruck 121 hPa (20 °C), Flammpunkt ---<br />

Löslichkeit <strong>in</strong> Wasser: 0.8 g/l<br />

Löslichkeit von Wasser <strong>in</strong> Tetrachlormethan: 0.014%<br />

Azetrop mit Wasser: Sdp. 66 °C (4.1% H 2 O)<br />

R 23/24/25-40-48/23-52/53-59<br />

S 23-36/37-45-59-61<br />

Für Tetrachlorkohlenstoff besteht <strong>der</strong> Verdacht auf krebserzeugende Wirkung. Es darf nur<br />

unter dem Abzug gearbeitet werden, jeglicher Hautkontakt ist zu vermeiden.<br />

Nach <strong>der</strong> deutschen FCKW-Halon-Verbotsverordnung besteht e<strong>in</strong>e Anwendungsbeschränkung.<br />

Gefahr <strong>der</strong> Hautresorption!<br />

Verunre<strong>in</strong>igungen: Tetrachlorkohlenstoff zersetzt sich unter Lichte<strong>in</strong>fluss <strong>in</strong> Gegenwart von<br />

Feuchtigkeit langsam zu Chloroform und Chlorwasserstoff.<br />

Re<strong>in</strong>igung, Trocknung und Lagerung: Siehe Dichlormethan.<br />

11.5.3 Ether<br />

Die als Lösungsmittel häufig benutzten Ether wie Diethylether, Dioxan, Tetrahydrofuran,<br />

Ethylenglykoldimethylether, Diethylenglykoldimethylether, (nicht tert-Butylmethylether)<br />

bilden mit Luftsauerstoff bei Lichte<strong>in</strong>wirkung Peroxide, die bei Anreicherung – zum Beispiel<br />

im Destillationsrückstand – explosionsartig zerfallen können. Peroxidhaltige Ether dürfen<br />

deshalb auf ke<strong>in</strong>en Fall bis zur Trockne abdestilliert werden. Peroxide müssen vor Destillationen<br />

entfernt werden!<br />

Nachweis von Peroxiden:<br />

• 10 ml des Ethers werden im Scheidetrichter mit e<strong>in</strong>er frisch hergestellten, wässrigen,<br />

angesäuerten Kaliumiodid-Lösung geschüttelt. Peroxide setzen Jod frei, das sich <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Etherphase mit brauner Farbe löst (die Nachweisempf<strong>in</strong>dlichkeit lässt sich durch die Iod-<br />

Stärkereaktion erhöhen).<br />

• 0.3 g N,N-Dimethylam<strong>in</strong>-p-phenylendiam<strong>in</strong>-sulfat werden <strong>in</strong> 10 ml Wasser gelöst und<br />

mit Methanol auf 100 ml aufgefüllt. 2 ml dieser Reagenslösung werden mit 1–5 ml Ether<br />

versetzt. Bei Anwesenheit von Peroxiden färbt sich die Lösung <strong>in</strong>nerhalb von 5 M<strong>in</strong>uten<br />

tiefblau.<br />

• Käufliche Indikatorstäbchen zeigen Peroxide e<strong>in</strong>fach durch E<strong>in</strong>tauchen <strong>in</strong> das Lösungsmittel<br />

an.<br />

258


11.5 Spezielle Re<strong>in</strong>igung und Trocknung häufig verwendeter Solventien<br />

Handelsübliche Ether s<strong>in</strong>d heute <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel stabilisiert (H<strong>in</strong>weis auf dem Etikett) und<br />

neigen dadurch kaum zur Peroxidbildung. Durch übermäßig lange Lagerung, Destillation o<strong>der</strong><br />

auch Chromatographie werden die Stabilisatoren jedoch unwirksam bzw. abgetrennt, <strong>in</strong> diesem<br />

Fall bilden sich Peroxide.<br />

Zur Entfernung <strong>der</strong> Peroxide können käufliche Reagenzien verwendet werden (z.B. Perex-<br />

Kit ® <strong>der</strong> Firma Merck). Wenn <strong>der</strong> Ether ohneh<strong>in</strong> absolutiert wird, erfolgt die Zerstörung <strong>der</strong><br />

Peroxide bei <strong>der</strong> Re<strong>in</strong>igung und Trocknung.<br />

Gere<strong>in</strong>igte Ether müssen <strong>in</strong> braunen Flaschen aufbewahrt werden, um durch Lichtausschluss<br />

die Neubildung von Peroxiden zu verzögern. Nach längerem Aufbewahren muss unbed<strong>in</strong>gt<br />

erneut auf Peroxide geprüft werden!<br />

Der Zusatz von etwa 0.05% Diethyl-dithio-natriumcarbamat (‚Cupral‘) 1 als Stabilisator<br />

verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t die Neubildung von Peroxiden und Aldehyden über Jahre h<strong>in</strong>weg. Wenn <strong>der</strong> Stabilisator<br />

<strong>in</strong> den Reaktionen nicht stört ist die Stabilisierung <strong>der</strong> Ether unbed<strong>in</strong>gt zu empfehlen!<br />

Handelsüblicher Diethylether wird auch oft mit 2,6-Di-tert-butyl-4-methylphenol (BHT) 2<br />

stabilisiert. Auch dieser Zusatz (ca. 10 ppm) verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t die Neubildung von Peroxiden zuverlässig.<br />

OH<br />

S<br />

N(C 2<br />

H 5<br />

) 2<br />

SNa<br />

Me 3<br />

C CMe 3<br />

1 Me 2<br />

Diethylether<br />

Sdp. 34.6 °C, Schmp. –116.3 °C, d = 0.71 g/ml,<br />

Dampfdruck 587 hPa (20 °C), Flammpunkt –40 °C<br />

Löslichkeit <strong>in</strong> Wasser: 69 g/l<br />

Löslichkeit von Wasser <strong>in</strong> Diethylether: 1.5%<br />

Azetrop mit Wasser: Sdp. 34.2 °C (1.3% H 2 O)<br />

R 12-19-22-66-67<br />

S 9-16-29-33<br />

Verunre<strong>in</strong>igungen: Peroxide, Ethanol, Acetaldehyd und je nach Spezifikation verschiedene<br />

Stabilisatoren<br />

Re<strong>in</strong>igung: Zum Enfernen von Peroxiden wird Diethylether mehrmals mit jeweils 10 ml/l<br />

e<strong>in</strong>er Lösung von 6 g FeSO 4 und 5 ml H 2 SO 4 <strong>in</strong> 110 ml Wasser ausgeschüttelt, danach mit<br />

Wasser gewaschen.<br />

Vortrocknen: Mehrere Tage über fe<strong>in</strong>gekörntem CaCl 2 <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er dunklen Flasche stehen lassen,<br />

anschließend vom Trockenmittel abdekantieren.<br />

259


11. Trocknen von Feststoffen, Lösungen und Lösungsmitteln<br />

Trocknen: Es stehen mehrere Methoden zur Verfügung:<br />

• E<strong>in</strong>pressen von ca. 5 g/l Natriumdraht, e<strong>in</strong>ige Tage stehen lassen und danach über frischem<br />

Natriumdraht abdestillieren. Die Na-Behandlung entfernt Peroxide, Alkohole, Aldehyde<br />

und Wasser, das vorherige Ausschütteln mit FeSO 4 ist dann nicht erfor<strong>der</strong>lich!<br />

• Mit ca. 4 g/l Natriumhydriddispersion 2–3 Stunden unter Rückfluss erhitzen, danach<br />

abdestillieren. Dieses Verfahren entfernt ebenfalls Peroxide und alle übrigen Verunre<strong>in</strong>igungen.<br />

• Durch etwa 100 g/l basisches Al 2 O 3 filtrieren. Achtung: Das Alum<strong>in</strong>iumoxid kann nicht<br />

regeneriert werden, da die Peroxide adsorbiert, aber nicht zerstört werden!<br />

Lagerung: Absoluter Diethylether wird am besten <strong>in</strong> dunklen Flaschen über Molekularsieb<br />

4 Å o<strong>der</strong> Natriumdraht aufbewahrt, am besten unter Schutzgas (N 2 o<strong>der</strong> Ar).<br />

tert-Butylmethylether (MTBE)<br />

Sdp. 55.3 °C, Schmp. –108.6 °C, d = 0.74 g/ml,<br />

Dampfdruck 268 hPa (20 °C), Flammpunkt –28 °C<br />

Löslichkeit <strong>in</strong> Wasser: 26 g/l R 11-66<br />

S 16-23-29-33<br />

tert-Butylmethylether bildet praktisch ke<strong>in</strong>e Peroxide und kann Diethylether weitgehend ersetzen.<br />

Bei Reaktionen mit starken Säuren muss mit Spaltung <strong>in</strong> Isobuten und Methanol gerechnet<br />

werden. Mit wässrigen Säuren kann MTBE aber ausgeschüttelt werden.<br />

Verunre<strong>in</strong>igungen: Methanol, tert-Butanol, Kohlenwasserstoffe.<br />

Re<strong>in</strong>igung: E<strong>in</strong>e Re<strong>in</strong>igung ist für den normalen Laborgebrauch nicht nötig.<br />

Vortrocknen: Mehrere Tage über fe<strong>in</strong>gekörntem CaCl 2 stehen lassen, anschließend vom<br />

Trockenmittel abdekantieren.<br />

Trocknen: Mit etwa 3 g/l Natriumhydrid-dispersion o<strong>der</strong> 6 g/l Calciumhydrid 6 h unter<br />

Rückfluss erhitzen, anschließend wird abdestilliert.<br />

Lagerung: Absoluter MTBE wird am besten <strong>in</strong> dunklen Flaschen über Molekularsieb 4 Å<br />

o<strong>der</strong> Natriumdraht aufbewahrt.<br />

Tetrahydrofuran (THF)<br />

Sdp. 66 °C, Schmp. –108.5 °C, d = 0.89 g/ml,<br />

Dampfdruck 173 hPa (20 °C), Flammpunkt –20 °C<br />

Unbegrenzt mischbar mit Wasser, ke<strong>in</strong> Azeotrop mit Wasser<br />

Handelsüblicher Wassergehalt: < 0.1%<br />

R 11-19-36/37<br />

S 16-29-33<br />

Verunre<strong>in</strong>igungen: Tetrahydrofuran bildet ebenso wie Diethylether äußerst leicht explosive<br />

Peroxide. Handelsübliches THF enthält deshalb Stabilisatoren.<br />

Re<strong>in</strong>igung und Vortrocknung: THF wird zur Entfernung von Peroxiden 2 h über CuCl (5<br />

g/l) gerührt, anschließend 4 h unter Rückfluss erhitzt und abdestilliert (nicht bis zur Trockne<br />

destillieren!). Danach wird mit KOH (10 g/l) und 0.1 g/l CuCl 4 h unter Rückfluss erhitzt und<br />

260


11.5 Spezielle Re<strong>in</strong>igung und Trocknung häufig verwendeter Solventien<br />

wie<strong>der</strong> abdestilliert. Achtung: Durch die Destillation werden auch die Stablilisatoren entfernt.<br />

Bei <strong>der</strong> Zugabe von KOH zu peroxidhaltigem THF wurden Explosionen beschrieben, die<br />

vorherige Zerstörung <strong>der</strong> Peroxide ist dr<strong>in</strong>gend zu empfehlen! Siehe Lit. [5,6]<br />

Trocknen: Das vorgetrocknete THF wir 4 h über Natriumdraht unter Rückfluss erhitzt, danach<br />

abdestilliert. Falls <strong>der</strong> Natriumdraht stark verkrustet ist wird die Prozedur wie<strong>der</strong>holt.<br />

Lagerung: In dunklen Flaschen über Natriumdraht unter Inertgas (N 2 o<strong>der</strong> Ar).<br />

Wird beson<strong>der</strong>s wasserfreies THF (<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e für metallorganische Arbeiten) benötigt,<br />

wird das THF <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Umlaufapparatur über 5 g/l Kalium unter Schutzgasatmosphäre (N 2<br />

o<strong>der</strong> Argon) aufbewahrt. Vor je<strong>der</strong> Entnahme wird e<strong>in</strong>ige Zeit unter Rückfluss erhitzt, danach<br />

die benötigte Menge im Auffangbehälter <strong>der</strong> Umlaufapparatur gesammelt und erst unmittelbar<br />

vor Gebrauch entnommen.<br />

Die Wasserfreiheit wird folgen<strong>der</strong>maßen überprüft: Zum frisch entnommenen Solvens wird<br />

e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>es Stück Natrium und etwas Benzophenon gegeben. Die sofortige Blaufärbung (Bildung<br />

von Diketylnatrium Ph 2 C • −ONa) zeigt die absolute Wasserfreiheit von THF an.<br />

1,4-Dioxan<br />

Sdp. 101.5°C, Schmp. 12 °C, d = 1.03 g/ml,<br />

Dampfdruck 173 hPa (20 °C), Flammpunkt 11 °C<br />

Unbegrenzt mischbar mit Wasser<br />

Azetrop mit Wasser: Sdp. 87.8 °C (18% H 2 O)<br />

Handelsüblicher Wassergehalt: < 0.2%<br />

R 11-19-36/37-40-66<br />

S 9-16-36/37-46<br />

Für Dioxan besteht <strong>der</strong> Verdacht auf krebserzeugende Wirkung. Es darf nur unter dem<br />

Abzug gearbeitet werden, jeglicher Hautkontakt ist zu vermeiden.<br />

Verunre<strong>in</strong>igungen: Dioxan bildet wie Diethylether Peroxide, außerdem kann handelsübliches<br />

Dioxan mit Essigsäure, 2-Ethyl-1,3-dioxolan, Acetaldehyd und Wasser verunre<strong>in</strong>igt<br />

se<strong>in</strong>.<br />

Entfernung <strong>der</strong> Peroxide und Vortrocknen: Dioxan wird mit festem KOH geschüttelt o<strong>der</strong><br />

mehrere Tage stehen gelassen. Nach Abdekantieren vom festen KOH wird mit 4 g/l NaBH 4<br />

mehrere Stunden unter Rückfluss erhitzt, danach abdestilliert. Kle<strong>in</strong>ere Mengen können auch<br />

durch Filtration durch basisches Alum<strong>in</strong>iumoxid (Akt.-Stufe I, 80 g/100–200 ml Dioxan) gere<strong>in</strong>igt<br />

werden. Beide Methoden entfernen Peroxide und weitgehend auch Aldehyde. Das so<br />

behandelte Dioxan kann direkt weiter getrocknet werden.<br />

Trocknen: Das gere<strong>in</strong>igte, peroxidfreie Dioxan wird mit Natrium (5 g/l) e<strong>in</strong>ige Stunden unter<br />

Rückfluss erhitzt, danach abdestilliert.<br />

Lagerung: In dunklen Flaschen über Natriumdraht unter Inertgas (N 2 o<strong>der</strong> Ar).<br />

261


11. Trocknen von Feststoffen, Lösungen und Lösungsmitteln<br />

Ethylenglycoldimethylether (1,2-Dimethoxyethan,<br />

Monoglyme, DME)<br />

Sdp. 84.5 °C, Schmp. –69 °C, d = 0.87 g/ml,<br />

Dampfdruck 67 hPa (20 °C), Flammpunkt –6 °C<br />

Unbegrenzt mischbar mit Wasser<br />

Azeotrop mit Wasser: Sdp. 77.4 °C (10.1% H 2 O)<br />

Handelsüblicher Wassergehalt: < 0.2%<br />

R 60-61-11-19-E20<br />

S 53-16-24/25-37-45<br />

Ethylenglycoldimethylether ist Fortpflanzungsgefährdend. Er bildet beim längeren Stehen<br />

an <strong>der</strong> Luft unter Lichte<strong>in</strong>wirkung Peroxide, die sich im Destillationsrückstand konzentrieren<br />

und sich dann unter Umständen explosionsartig zersetzen können. Deshalb darf Ethylenglycoldimethylether<br />

niemals vollständig bis zur Trockne abdestilliert werden.<br />

Re<strong>in</strong>igung und Trocknen: Siehe THF!<br />

Lagerung: In dunklen Flaschen über Natriumdraht unter Inertgas (N 2 o<strong>der</strong> Ar).<br />

Diethylenglycoldimethylether (Diglyme)<br />

Sdp. 162 °C, Schmp. –64 °C, d = 0.94 g/ml,<br />

Dampfdruck 2 hPa (20 °C), Flammpunkt 51 °C<br />

Unbegrenzt mischbar mit Wasser<br />

Azeotrop mit Wasser: Sdp. 99.8 °C (75% H 2 O)<br />

Handelsüblicher Wassergehalt: < 0.2%<br />

R 60-61-10-19<br />

S 53-45<br />

Diethylenglycoldimethylether ist Fortpflanzungsgefährdend. Er bildet beim längeren Stehen<br />

an <strong>der</strong> Luft unter Lichte<strong>in</strong>wirkung Peroxide, die sich im Destillationsrückstand anreichern und<br />

dann unter Umständen explosionsartig zersetzen können. Deshalb darf Diethylenglycoldimethylether<br />

niemals vollständig bis zur Trockne abdestilliert werden.<br />

Verunre<strong>in</strong>igungen: Dimethoxyethan, Peroxide<br />

Re<strong>in</strong>igung und Trocknen: Wie bei THF, Verunre<strong>in</strong>igungen mit Dimethoxyethan werden<br />

durch Destillation über e<strong>in</strong>e Kolonne abgetrennt.<br />

Lagerung: In dunklen Flaschen über Natriumdraht unter Inertgas (N 2 o<strong>der</strong> Ar).<br />

262


11.5 Spezielle Re<strong>in</strong>igung und Trocknung häufig verwendeter Solventien<br />

11.5.4 Ester<br />

Ameisensäureethylester (Ethylformiat)<br />

Sdp. 54.3 °C, Schmp. –81 bis –79 °C, d = 0.92 g/ml,<br />

Dampfdruck 256 hPa (20 °C), Flammpunkt –20 °C<br />

Löslichkeit <strong>in</strong> Wasser: 105 g/l<br />

Löslichkeit von Wasser <strong>in</strong> Ethylformiat: 17%<br />

Azeotrop mit Wasser: Sdp. 52.6 °C (5% H 2 O)<br />

Verunre<strong>in</strong>igungen: Ameisensäure, Ethanol (aus Esterspaltung)<br />

R 11-20/22-36/37<br />

S 9-16-24-26-33<br />

Vortrocknen: Über K 2 CO 3 stehen lassen, dabei gelegentlich schütteln, danach abdekantieren.<br />

Dabei wird auch Ameisensäure entfernt. CaCl 2 ist zum Vortrocknen ungeeignet, da es e<strong>in</strong>e<br />

Additionsverb<strong>in</strong>dung mit Ameisensäureethylester e<strong>in</strong>geht.<br />

Trocknen: Destillation über ca. 10 g/l P 2 O 5<br />

Lagerung: In dicht verschlossenen Flaschen über Molekularsieb 4 Å.<br />

Essigsäuremethylester (Methylacetat)<br />

Sdp. 56.9 °C, Schmp. –98 °C, d = 0.93 g/ml,<br />

Dampfdruck 217 hPa (20 °C), Flammpunkt –13 °C<br />

Löslichkeit <strong>in</strong> Wasser: 250 g/l<br />

Löslichkeit von Wasser <strong>in</strong> Methylacetat: 24.5%<br />

Azeotrop mit Wasser: Sdp. 56.4 °C (3.5% H 2 O)<br />

Verunre<strong>in</strong>igungen: Essigsäure, Methanol (aus Esterspaltung)<br />

R 11-36-66-67<br />

S 16-26-33<br />

Vortrocknen, Trocknen, Lagerung: Wie bei Ameisensäureethylester beschrieben.<br />

Essigsäureethylester (Ethylacetat)<br />

Sdp. 77 °C, Schmp. –83 °C, d = 0.90 g/ml,<br />

Dampfdruck 97 hPa (20 °C), Flammpunkt –4 °C<br />

Löslichkeit <strong>in</strong> Wasser: 85.3 g/l<br />

Löslichkeit von Wasser <strong>in</strong> Ethylacetat: 2.94%<br />

Azeotrop mit Wasser: Sdp. 70.4 °C (8.5% H 2 O)<br />

Verunre<strong>in</strong>igungen: Essigsäure, Ethanol (aus Esterspaltung)<br />

R 11-36-66-67<br />

S 16-26-33<br />

Vortrocknen, Trocknen, Lagerung: Wie bei Ameisensäureethylester beschrieben.<br />

263


11. Trocknen von Feststoffen, Lösungen und Lösungsmitteln<br />

11.5.5 Aprotische, dipolare Lösungsmittel<br />

Aceton (2-Propanon)<br />

Sdp. 56.2 °C, Schmp. –95.4°C, d = 0.79 g/ml,<br />

Dampfdruck 233 hPa (20 °C), Flammpunkt < –20 °C<br />

Aceton ist unbegrenzt mischbar mit Wasser und bildet ke<strong>in</strong><br />

Azeotrop mit Wasser.<br />

Handelsüblicher Wassergehalt: < 1%, je nach Spezifikation<br />

R 11-36-66-67<br />

S 16-26-33<br />

Verunre<strong>in</strong>igungen:2-Propanol, daneben auch Methanol, Ethanol und Aldehyde<br />

Vortrocknen: Alle üblichen Trocknungsmittel bewirken aldolartige Kondensationsreaktionen,<br />

die e<strong>in</strong>e sorgfältige fraktionierende Destillation erfor<strong>der</strong>n. Bei Beachtung dieser Tatsache<br />

kann Aceton mit wasserfreiem CaSO 4 o<strong>der</strong> K 2 CO 3 (Trockenzeit max. 6 h) getrocknet<br />

werden, danach abdekantieren. CaCl 2 ist zum Vortrocknen ungeeignet, da es e<strong>in</strong>e Additionsverb<strong>in</strong>dung<br />

mit Aceton e<strong>in</strong>geht.<br />

Trocknen: Sorgfältige Kolonnendestillation über ca. 10 g/l wasserfeiem CaSO 4 . Am besten<br />

geeignet ist die Trocknung über Molekularsieb 3 Å (bei statischer Trocknung: 100g Molekularsieb<br />

auf 1 l Aceton, bei dynamischer Trocknung 100 g Molekularsieb auf 5 l), gefolgt von<br />

e<strong>in</strong>er Destillation.<br />

Lagerung: In dicht verschlossenen Flaschen über Molekularsieb 3 Å.<br />

Acetonitril<br />

Sdp. 81.6 °C, Schmp. –45.7 °C, d = 0.786 g/ml,<br />

Dampfdruck 97 hPa (20 °C), Flammpunkt 2 °C<br />

Acetonitril ist unbegrenzt mischbar mit Wasser.<br />

Azeotrop mit Wasser: Sdp. 76.7 °C (15.8% H 2 O)<br />

Handelsüblicher Wassergehalt: < 0.5%, je nach Spezifikation<br />

R 11-20/21/22-36<br />

S 16-36/37<br />

Verunre<strong>in</strong>igungen: Acetamid,, Ammoniumacetat, evtl. auch Acrylnitril, Allylalkohol, Aceton<br />

und Benzol.<br />

Vortrocknen: Die meisten üblichen Trocknungsmittel s<strong>in</strong>d wenig effizient. Bei e<strong>in</strong>em Wassergehalt<br />

> 0.5% wird am besten mit Molekularsieb 3 Å vorgetrocknet.<br />

Trocknen: Acetonitril wird mit 1 g/l Natriumhydrid-Dispersion o<strong>der</strong> 2 g/l gepulvertem CaH 2<br />

10 M<strong>in</strong>uten unter Rückfluss erhitzt und danach rasch abdestilliert. Das Destillat wird mit 2 g/l<br />

P 2 O 5 versetzt, nochmals 10 M<strong>in</strong>uten unter Rückfluss erhitzt und wie<strong>der</strong> rasch abdestilliert.<br />

E<strong>in</strong> Überschuss an P 2 O 5 sollte vermieden werden (Bildung e<strong>in</strong>es orangen Polymers). Mit dieser<br />

Prozedur ist e<strong>in</strong> Wassergehalt von etwa 10 –3 % erreichbar.<br />

Stören Säurespuren, kann nochmals über CaH 2 abdestilliert werden.<br />

Lagerung: In dicht verschlossenen, dunklen Flaschen über Molekularsieb 3 Å.<br />

264


11.5 Spezielle Re<strong>in</strong>igung und Trocknung häufig verwendeter Solventien<br />

N,N-Dimethylformamid (DMF)<br />

Sdp. 153 °C, Schmp. –61 °C, d = 0.94 g/ml,<br />

Dampfdruck 3.8 hPa (20 °C), Flammpunkt 58 °C<br />

DMF ist unbegrenzt mischbar mit Wasser und bildet ke<strong>in</strong><br />

Azeotrop mit Wasser.<br />

Handelsüblicher Wassergehalt: < 0.1%, je nach Spezifikation<br />

R 61-E20/21-36<br />

S 53-45<br />

DMF ist fruchtschädigend, mit DMF darf nur unter dem Abzug gearbeitet werden. Jeglicher<br />

Hautkontakt ist zu vermeiden. Es zersetzt sich a) langsam unter Lichte<strong>in</strong>wirkung und b) am<br />

Siedepunkt unter Normaldruck zu Dimethylam<strong>in</strong> und CO, die Zersetzung ist säure- und<br />

basenkatalysiert. Mehrstündiges Stehen über festem KOH o<strong>der</strong> NaOH führt bereits bei<br />

Raumtemperatur zu Zersetzung.<br />

Verunre<strong>in</strong>igungen: Dimethylam<strong>in</strong>, Ammoniak<br />

Vortrocknen: Bei handelsüblichen Wassergehalt < 0.1% muss nicht vorgetrocknet werden.<br />

Ansonsten eignet sich CaSO 4 , MgSO 4 o<strong>der</strong> Molekularsieb 4 Å.<br />

Trocknen: DMF wird mit 5 g/l CaH 2 über Nacht gerührt, danach abdekantiert und im<br />

Vakuum bei etwa 20 mbar destilliert.<br />

Lagerung: In dunklen, dicht verschlossenen Flaschen über Molekularsieb 3 Å.<br />

N-Methylpyrrolidon (1-Methyl-2-pyrrolidon, NMP)<br />

Sdp. 202 °C, Schmp. –24 °C, d = 1.03 g/ml,<br />

Dampfdruck 0.32 hPa (20 °C), Flammpunkt 91 °C<br />

NMP ist unbegrenzt mischbar mit Wasser.<br />

Handelsüblicher Wassergehalt: < 0.1%, je nach Spezifikation<br />

Verunre<strong>in</strong>igungen: Methylam<strong>in</strong>, Butyrolacton<br />

Trocknen: Es stehen 2 Methoden zur Wahl:<br />

R 36/38<br />

S 41<br />

• NMP wird zunächst mit 10 g/l P 2 O 5 , besser noch mit 5 g/l CaH 2 versetzt und etwa 6 Stunden<br />

mit e<strong>in</strong>em KPG-Rührer gerührt. Nach dem Abdekantieren wird unter verm<strong>in</strong><strong>der</strong>tem<br />

Druck fraktionierend destilliert, Sdp. 94–96°C/26 hPa, 78–79 °C/16 hPa.<br />

• NMP wird mit etwa 1.5 Gewichts-% Natriummethanolat versetzt und über Nacht stehen<br />

lassen. Anschließend wird bei verm<strong>in</strong><strong>der</strong>tem Druck destilliert (zunächst langsam, um<br />

Methylam<strong>in</strong> zu entfernen!).<br />

Lagerung: In dunklen, dicht verschlossenen Flaschen über Molekularsieb 4 Å.<br />

265


11. Trocknen von Feststoffen, Lösungen und Lösungsmitteln<br />

Dimethylsulfoxid (DMSO)<br />

Sdp. 189 °C, Schmp. 18.5 °C, d = 1.10 g/ml,<br />

Dampfdruck 0.6 hPa (20 °C), Flammpunkt 95 °C<br />

DMSO ist unbegrenzt mischbar mit Wasser und bildet ke<strong>in</strong><br />

Azeotrop mit Wasser.<br />

Handelsüblicher Wassergehalt: < 0.2%, je nach Spezifikation<br />

Nach <strong>der</strong> GefStoffV nicht<br />

als Gefahrstoff e<strong>in</strong>gestuft.<br />

DMSO ist sehr hygroskopisch! Es ist selbst nur sehr wenig toxisch, kann aber als Carrier die<br />

Hautresorption an<strong>der</strong>er Substanzen steigern.<br />

Verunre<strong>in</strong>igungen: Dimethylsulfon<br />

Vortrocknen: Über Nacht über wasserfreiem CaSO 4 o<strong>der</strong> gepulvertem BaO stehen lassen,<br />

dann abdekantieren.<br />

Trocknen: Destillation mit 10 g/l Calciumhydrid bei verm<strong>in</strong><strong>der</strong>tem Druck (Sdp. 75.6–75.8/16<br />

hPa)<br />

Lagerung: In dunklen, dicht verschlossenen Flaschen über Molekularsieb 4 Å.<br />

Nitromethan<br />

Sdp. 101.2 °C, Schmp. –29 °C, d = 1.14 g/ml,<br />

Dampfdruck 36.4 hPa (20 °C), Flammpunkt 35.6 °C<br />

Löslichkeit <strong>in</strong> Wasser: 105 g/l<br />

Löslichkeit von Wasser <strong>in</strong> Nitomethan: 2.1%<br />

Azeotrop mit Wasser: Sdp. 83.6 °C (23.6% H 2 O)<br />

R 5-10-22<br />

S 41<br />

Verunre<strong>in</strong>igungen: Formaldehyd, Acetaldehyd, Methanol und Ethanol<br />

Vortrocknen: M<strong>in</strong>destens e<strong>in</strong>en Tag über CaCl 2 unter gelegentlichem Schütteln stehen lassen,<br />

danach abdekantieren.<br />

Trocknen: Das vorgetrocknete Nitromethan wird durch sorgfältige fraktionierende Destillation<br />

weiter gere<strong>in</strong>igt und getrocknet.<br />

Lagerung: In dunklen, dicht verschlossenen Flaschen über Molekularsieb 3 Å.<br />

11.5.6 Am<strong>in</strong>e<br />

Vor allem wasserlösliche Am<strong>in</strong>e s<strong>in</strong>d schwer zu trocknen und überdies stark hygroskopisch.<br />

Es hat sich gezeigt, dass nach geeigneter Vortrocknung die Aufbewahrung über Molekularsieb<br />

am wirksamsten ist (vgl. D. R. Burfield, R. H. Smithers und A. S. Ch. Tan, J. Org. Chem.<br />

1978, 43, 3967). Gebrauchte Molekularsiebe aus <strong>der</strong> Trocknung von Am<strong>in</strong>en enthalten oft<br />

Verunre<strong>in</strong>igungen, die sich auch nach gründlichem Wässern und Ausheizen nicht vollständig<br />

entfernen lassen. Die Wie<strong>der</strong>verwendung wird deshalb nicht empfohlen.<br />

266


11.5 Spezielle Re<strong>in</strong>igung und Trocknung häufig verwendeter Solventien<br />

Am<strong>in</strong>e reagieren mit CO 2 aus <strong>der</strong> Luft. Alle Re<strong>in</strong>igungsschritte sollten deshalb – ebenso wie<br />

die Lagerung – unter Inertgas erfolgen.<br />

Diisopropylam<strong>in</strong> (DIPA)<br />

Sdp. 83.6 °C, Schmp. –96 °C, d = 0.72 g/ml,<br />

Dampfdruck 93 hPa (20 °C), Flammpunkt –17 °C<br />

Löslichkeit <strong>in</strong> Wasser: 150 g/l<br />

Löslichkeit von Wasser <strong>in</strong> Diisopropylam<strong>in</strong>: 40%<br />

Azeotrop mit Wasser: Sdp. 74.1 °C (9.2% H 2 O)<br />

Handelsüblicher Wassergehalt 0.5%) wird solange mit KOH-Plätzchen versetzt,<br />

bis sich auch beim Rückflusskochen ke<strong>in</strong> weiteres KOH mehr löst. Dann lässt man abkühlen,<br />

dekantiert ab, gibt 50 g/l frische KOH-Plätzchen zu und erhitzt erneut e<strong>in</strong>e Stunde unter<br />

Rückfluss. Nach erneutem Dekantieren wird destilliert.<br />

Trocknen: Zur Trocknung wird DIPA e<strong>in</strong>e Woche unter Schutzgas (N 2 ) über ca. 10 g/l gepulvertem<br />

CaH 2 unter Rückfluss erhitzt und anschließend direkt abdestilliert.<br />

Lagerung: DIPA wird <strong>in</strong> dunklen Flaschen über Molekularsieb 4 Å und unter Inertgas (N 2 )<br />

aufbewahrt.<br />

Triethylam<strong>in</strong><br />

Sdp. 90 °C, Schmp. –115 °C, d = 0.73 g/ml,<br />

Dampfdruck 69 hPa (20 °C), Flammpunkt –11 °C<br />

Löslichkeit <strong>in</strong> Wasser: 133 g/l<br />

Löslichkeit von Wasser <strong>in</strong> Triethylam<strong>in</strong>: 4.6%<br />

Azeotrop mit Wasser: Sdp. 75 °C (10% H 2 O)<br />

Handelsüblicher Wassergehalt < 0.2 % je nach Spezifikation.<br />

Verunre<strong>in</strong>igungen: Bis zu 2% an<strong>der</strong>e Am<strong>in</strong>e<br />

R 11-20/21/22-35<br />

S 3-16-26-29-36/37/39-45<br />

Vortrocknen: Handelsübliches Triethylam<strong>in</strong> wird solange mit KOH-Plätzchen versetzt, bis<br />

sich auch beim Rückflusskochen ke<strong>in</strong> weiteres KOH mehr löst. Dann lässt man abkühlen,<br />

dekantiert ab, gibt 50 g/l frische KOH-Plätzchen zu und erhitzt unter Schutzgas erneut e<strong>in</strong>e<br />

Stunde unter Rückfluss. Nach erneutem Dekantieren wird destilliert.<br />

Trocknen: Das vorgetrocknete Triethylam<strong>in</strong> wird unter Schutzgas 2–3 Stunden über frischem<br />

CaH 2 unter Rückfluss erhitzt und erneut abdestilliert.<br />

Für höhere Ansprüche ist es empfehlenswert, das so gere<strong>in</strong>igte Triethylam<strong>in</strong> unmittelbar vor<br />

Gebrauch über LiAlH 4 o<strong>der</strong> NaH-Dispersion abzudestillieren.<br />

Lagerung: Triethylam<strong>in</strong> wird <strong>in</strong> dunklen Flaschen über Molekularsieb 4 Å und unter Inertgas<br />

(N 2 ) aufbewahrt.<br />

267


11. Trocknen von Feststoffen, Lösungen und Lösungsmitteln<br />

N-Ethyl-diisopropylam<strong>in</strong><br />

Sdp. 127 °C, d = 0.76 g/ml,<br />

Dampfdruck 16 hPa (20 °C), Flammpunkt 9.5 °C<br />

Löslichkeit <strong>in</strong> Wasser: 3.9 g/l<br />

Handelsüblicher Wassergehalt


11.5 Spezielle Re<strong>in</strong>igung und Trocknung häufig verwendeter Solventien<br />

11.5.7 Alkohole<br />

Methanol<br />

Sdp. 64.5 °C, Schmp. –98 °C, d = 0.79 g/ml,<br />

Dampfdruck 128 hPa (20 °C), Flammpunkt 11 °C<br />

Unbegrenzt mischbar mit Wasser, ke<strong>in</strong> Azeotrop mit Wasser<br />

Handelsüblicher Wassergehalt < 1% je nach Spezifikation.<br />

Verunre<strong>in</strong>igungen: Aceton, Formaldehyd, Methylformiat, Ethanol<br />

R 11-23/24/25-39/23/24/25<br />

S 7-16-36/37-45<br />

Vortrocknen: Größere Wassermengen lassen sich durch fraktionierende Destillation über<br />

e<strong>in</strong>e Kolonne abtrennen, das so destillierte Methanol ist etwa 99.8-%ig.<br />

Trocknen: Absolutierung mit Magnesiumspänen (<strong>der</strong> Wassergehalt muss dafür bereits < 1 %<br />

se<strong>in</strong>!): In e<strong>in</strong>em 1-l-Rundkolben mit Rückflusskühler werden etwa 8 g Magnesiumspäne und<br />

0.5 g Jod vorgelegt. 100 ml Methanol werden durch den Rückflusskühler zugegeben und solange<br />

erwärmt, bis e<strong>in</strong>e stürmische Reaktion unter Wasserstoffentwicklung e<strong>in</strong>setzt (die Jodfarbe<br />

verschw<strong>in</strong>det). Falls nötig wird nochmals mit <strong>der</strong> gleichen Menge Jod versetzt und erwärmt,<br />

bis alles Magnesium umgesetzt ist. Jetzt werden etwa 600 ml Methanol durch den<br />

Rückflusskühler zugegeben, 2 Stunden unter Rückfluss erhitzt und dann abdestilliert.<br />

Lagerung: In dicht verschlossenen Flaschen über Molekularsieb 3 Å.<br />

Ethanol<br />

Sdp. 78.3 °C, Schmp. –114.5 °C, d = 0.79 g/ml,<br />

Dampfdruck 59 hPa (20 °C), Flammpunkt 12 °C<br />

Unbegrenzt mischbar mit Wasser<br />

Azeotrop mit Wasser: Sdp. 78.2 °C (4% H 2 O)<br />

Handelsüblicher Wassergehalt < 1% o<strong>der</strong> 4%, je nach<br />

Spezifikation.<br />

R 11<br />

S 7-16<br />

Verunre<strong>in</strong>igungen: Je nach Herstellungsprozess: Aus Fermentierung gewonnenes Ethanol<br />

enthält höhere Alkohole (hauptsächlich Pentanole, Aldehyde, Ester und Ketone), synthetisch<br />

hergestelltes Ethanol Aldehyde, aliphatische Ester, Aceton und Diethylether. Ethanol mit<br />

niedrigem Wassergehalt kann Spuren von Benzol enthalten (aus <strong>der</strong> azeotropen Trocknung).<br />

Re<strong>in</strong>es (unvergälltes) Ethanol unterliegt <strong>in</strong> Deutschland <strong>der</strong> Branntwe<strong>in</strong>steuer. Unversteuertem<br />

Ethanol werden Verb<strong>in</strong>dungen zugemischt, die sich nur schwer entfernen lassen (vergällt<br />

o<strong>der</strong> denaturiert). Üblich s<strong>in</strong>d unter an<strong>der</strong>em 2-Propanol, Cyclohexan, Toluol und Ethylmethylketon.<br />

Je nach Verwendungszweck muss auf die Spezifizierung geachtet werden.<br />

Vortrocknen: Ist nicht nötig, da Ethanol mit Wassergehalten < 1% kommerziell erhältlich ist.<br />

Trocknen: Zur Re<strong>in</strong>igung und Trocknung wird das Ethanol (Wassergehalt < 1%) <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

Apparatur mit 3-Halskolben, KPG-Rührer und Rückflusskühler (mit Metallwendel!) vorgelegt<br />

und ca. 7–10 g Natriumschnitzel/l portionsweise zugegeben.<br />

269


11. Trocknen von Feststoffen, Lösungen und Lösungsmitteln<br />

Anschließend wird solange erhitzt, bis alles Natrium unter Bildung von Natriumethanolat <strong>in</strong><br />

Lösung gegangen ist. Nun werden ca. 30 g/l Phthalsäurediethylester zugegeben, nochmals 3<br />

Stunden unter Rückfluss erhitzt und danach abdestilliert<br />

Lagerung: In dicht verschlossenen Flaschen über Molekularsieb 3 Å.<br />

1-Propanol (n-Propanol)<br />

Sdp. 97.2 °C, Schmp. –127 °C, d = 0.80 g/ml,<br />

Dampfdruck 19 hPa (20 °C), Flammpunkt 15 °C<br />

Unbegrenzt mischbar mit Wasser<br />

Azeotrop mit Wasser: Sdp. 87.6 °C (28.3% H 2 O)<br />

Handelsüblicher Wassergehalt < 0.2%, je nach Spezifikation.<br />

Verunre<strong>in</strong>igungen: 2-Propanol<br />

Vortrocknen: Falls nötig durch azeotrope Destillation.<br />

R 11-36-67<br />

S 7-16-24-26<br />

Trocknen: Die Trocknung erfolgt wie bei Ethanol, jedoch unter Zusatz von Phthalsäure- o<strong>der</strong><br />

Benzoesäure-n-propylester.<br />

Lagerung: In dicht verschlossenen Flaschen über Molekularsieb 3 Å.<br />

2-Propanol (‚Isopropanol‘)<br />

Sdp. 82.2 °C, Schmp. –89 °C, d = 0.78 g/ml,<br />

Dampfdruck 59 hPa (20 °C), Flammpunkt 12 °C<br />

Unbegrenzt mischbar mit Wasser<br />

Azeotrop mit Wasser: Sdp. 80.1 °C (12% H 2 O)<br />

Handelsüblicher Wassergehalt < 0.2%, je nach Spezifikation.<br />

Verunre<strong>in</strong>igungen: Aceton sowie niedrigere Alkohole und Aldehyde<br />

R 11-36-67<br />

S 7-16-24-26<br />

Vortrocknen: Falls nötig 12-stündiges Vortrocknen mit etwa 200 g/l Calciumsulfat-semihydrat<br />

(SIKKON®), danach wird vom Trockenmittel abdekantiert.<br />

Trocknen: In e<strong>in</strong>er Apparatur mit 3-Halskolben, KPG-Rührer und Rückflusskühler (mit<br />

Metallwendel!) wird das vorgetrocknete 2-Propanol vorgelegt und mit ca. 7–10 g Natriumschnitzel/l<br />

portionsweise versetzt. Anschließend wird solange erhitzt, bis alles Natrium unter<br />

Bildung von Natriumisopropanolat <strong>in</strong> Lösung gegangen ist. Nun wird mit ca. 35 ml/l Benzoesäureisopropylester<br />

versetzt, nochmals 3 Stunden unter Rückfluss erhitzt und danach abdestilliert.<br />

Lagerung: In dicht verschlossenen Flaschen über Molekularsieb 3 Å.<br />

270


11.5 Spezielle Re<strong>in</strong>igung und Trocknung häufig verwendeter Solventien<br />

1-Butanol (n-Butanol)<br />

Sdp. 117.7 °C, Schmp. –89.5 °C, d = 0.81 g/ml,<br />

Dampfdruck 6.7 hPa (20 °C), Flammpunkt 30 °C<br />

Löslichkeit <strong>in</strong> Wasser: 79 g/l<br />

Löslichkeit von Wasser <strong>in</strong> 1-Butanol: 20.5%<br />

Azeotrop mit Wasser: Sdp. 92.7 °C (42.5% H 2 O)<br />

Handelsüblicher Wassergehalt < 0.2%, je nach Spezifikation.<br />

R 10-22-37/38-41-67<br />

S 7/9-13-26-37/39-46<br />

Trocknen: 1-Butanol wird mit Natrium und Phthalsäuredibutylester – analog wie bei Ethanol<br />

beschrieben – getrocknet.<br />

Lagerung: In dicht verschlossenen Flaschen über Molekularsieb 3 Å.<br />

tert-Butanol (2-Methyl-2-propanol)<br />

Sdp. 82.3 °C, Schmp. 25.3 °C,<br />

Dampfdruck 40.7 hPa (20 °C), Flammpunkt 14 °C<br />

Unbegrenzt löslich <strong>in</strong> Wasser<br />

Azeotrop mit Wasser: Sdp. 79.9 °C (11.8% H 2 O)<br />

Handelsüblicher Wassergehalt < 0.2%, je nach Spezifikation.<br />

R 11-20<br />

S 9-16<br />

Trocknen: Zur Trocknung wird tert-Butanol mit ca. 10 g/l Calciumhydrid 24 Stunden zum<br />

Sieden erhitzt (Vorsicht, das Trockenmittel kann heftiges ‚Stoßen‘ verursachen, Apparatur gut<br />

sichern!) und danach abdestilliert. Das Destillat wird dann mit ca. 8–10 g Natriumschnitzel<br />

solange erhitzt, bis sich alles Natrium umgesetzt hat, hierauf wird abdestilliert. Re<strong>in</strong>es tert-<br />

Butanol kristallisiert bei Raumtemperatur aus! Deshalb muss das Kühlwasser bei <strong>der</strong> Destillation<br />

auf 26–30 °C gehalten werden!<br />

Lagerung: In dicht verschlossenen Flaschen über Molekularsieb 3 Å. Vor <strong>der</strong> Entnahme<br />

Flasche im Wasserbad erwärmen.<br />

11.5.8 Carbonsäuren und Derivate<br />

Ameisensäure<br />

Sdp. 100.6 °C, Schmp. 8 °C, d = 1.22 g/ml,<br />

Dampfdruck 42 hPa (20 °C), Flammpunkt 48 °C<br />

Unbegrenzt mischbar mit Wasser<br />

Azeotrop mit Wasser: Sdp. 107.6°C (25.5% H 2 O)<br />

Handelsüblicher Wassergehalt < 2 % je nach Spezifikation.<br />

R 35<br />

S 23-26-45<br />

Bei Raumtemperatur zersetzt sich Ameisensäure langsam zu CO und Wasser. Die Vorratsgefäße<br />

können dadurch unter Druck stehen, deshalb vorsichtig öffnen!<br />

Verunre<strong>in</strong>igungen: Natriumformiat, Essigsäure.<br />

271


11. Trocknen von Feststoffen, Lösungen und Lösungsmitteln<br />

Re<strong>in</strong>igung, Trocknen: Sorgfältige fraktionierende Destillation bei verm<strong>in</strong><strong>der</strong>tem Druck (16<br />

hPa), die Vorlage muss im Eisbad gekühlt werden. Zur Re<strong>in</strong>igung wurde auch die Destillation<br />

über Borsäureanhydrid o<strong>der</strong> wasserfreiem CuSO 4 vorgeschlagen.<br />

Lagerung: In dicht verschlossenen Flaschen, am besten im Kühlschrank..<br />

Essigsäure (100%ige Essigsäure ≡ Eisessig)<br />

Sdp. 118 °C, Schmp. 17 °C, d = 1.05 g/ml,<br />

Dampfdruck 15.4 hPa (20 °C), Flammpunkt 39 °C<br />

Unbegrenzt mischbar mit Wasser, ke<strong>in</strong> Azeotrop mit Wasser<br />

Handelsüblicher Wassergehalt < 2 % je nach Spezifikation.<br />

Verunre<strong>in</strong>igungen: Acetaldehyd<br />

R 10-35<br />

S 23-26-45<br />

Re<strong>in</strong>igung und Trocknen: Eisessig wird mit ca. 20 g/l wasserfreiem CuSO 4 o<strong>der</strong> P 2 O 5 zwei<br />

Stunden unter Rückfluss erhitzt, danach sorgfältig fraktionierend destilliert (das dabei <strong>in</strong> kle<strong>in</strong>en<br />

Mengen gebildete Acetanhydrid siedet bei 140 °C).<br />

Lagerung: In dicht verschlossenen Flaschen über Molekularsieb 4 Å.<br />

Essigsäureanhydrid (Acetanhydrid)<br />

Sdp. 140 °C, Schmp. –73 °C, d = 1.08 g/ml,<br />

Dampfdruck 4 hPa (20 °C), Flammpunkt 49 °C<br />

Reagiert mit Wasser heftig unter Hydrolyse zu Essigsäure. R 10-20/22-34<br />

S 26-36/37/39-45<br />

Verunre<strong>in</strong>igungen: Essigsäure<br />

Re<strong>in</strong>igung und Trocknen: Eisessig wird mit ca. 20 g/l wasserfreiem CuSO 4 o<strong>der</strong> P 2 O 5 zwei<br />

Stunden unter Rückfluss erhitzt, danach sorgfältig fraktionierend destilliert.<br />

Re<strong>in</strong>igung und Trocknen: Essigsäureanhydrid wird mit ca. 20 g/l P 2 O 5 zwei Stunden unter<br />

Rückfluss erhitzt, danach fraktionierend destilliert.<br />

272


11.5 Spezielle Re<strong>in</strong>igung und Trocknung häufig verwendeter Solventien<br />

Literaturverzeichnis<br />

[1] W.L.F. Armarego, C.V.L. Chai, Purification of Laboratory Chemicals, 5 th edition,<br />

Butterworth-He<strong>in</strong>emann, 2003<br />

[2] NORMAG Labor- und Prozesstechnik GmbH, D-98693 Ilmenau, http://www.normagglas.de<br />

[3] J.A. Riddick, Organic Solvents: Physical Properties and Methods of Purification,<br />

Techniques of Chemistry, Vol. II, Wiley-Interscience, New York 1980.<br />

[4] J.F. Coetzee, Recommended Methods for Purification of Solvents and Tests for<br />

Impurities, Pergamon Press, Oxford, 1982.<br />

[5] C. Weygand, G. Hilgetag, Organisch-chemische Experimentierkunst, 4. überarb. Auflage,<br />

Barth-Verlag, Leipzig 1970.<br />

[6] Org. Synthesis, Coll. Vol. 5, 976.<br />

Für sehr detaillierte und nützliche Informationen zu Lösungsmitteln und Lösungsmitteleffekten<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Organischen</strong> <strong>Chemie</strong>, die weit über das Re<strong>in</strong>igen <strong>der</strong> Solventien h<strong>in</strong>ausgehen, siehe:<br />

[7] C. Reichard, Solvents and Solvent Effects <strong>in</strong> Organic Chemistry, 3rd updated and<br />

enlarged edition, Wiley-VCH, We<strong>in</strong>heim 2002.<br />

273


11. Trocknen von Feststoffen, Lösungen und Lösungsmitteln<br />

274


Kapitel 12<br />

Chemische Analytik organischer Verb<strong>in</strong>dungen<br />

12.1 Nachweise von Heteroelementen<br />

12.2 Trennungsgang für Produktgemische<br />

12.3 Nachweis funktioneller Gruppen<br />

Literaturverzeichnis<br />

275


12. Chemische Analytik<br />

Chemische Analytik organischer Verb<strong>in</strong>dungen<br />

Bei vielen organisch-chemischen Reaktionen entstehen Produktgemische, die zur Isolierung<br />

des gewünschten Reaktionsprodukts getrennt werden müssen. Auch bei <strong>der</strong> Isolierung von<br />

Naturstoffen aus pflanzlichen o<strong>der</strong> tierischen Materialien ist e<strong>in</strong>e Trennung <strong>der</strong> zum Teil recht<br />

komplexen Substanzmischungen notwendig.<br />

In den letzten Jahrzehnten hat die Chromatographie als universelle Trennmethode immer<br />

mehr an Bedeutung gewonnen. Ihre Nachteile liegen jedoch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Beschränkung auf relativ<br />

ger<strong>in</strong>ge Mengen und im hohen Preis. Die ‚klassischen‘ Trennmethoden <strong>der</strong> organischen<br />

<strong>Chemie</strong> wie Extraktion und Destillation werden deshalb auch heute noch <strong>in</strong> vielen Bereichen<br />

e<strong>in</strong>gesetzt und s<strong>in</strong>d speziell <strong>in</strong> <strong>der</strong> präparativen organischen <strong>Chemie</strong> und bei <strong>der</strong> Naturstoffisolierung<br />

von Bedeutung.<br />

Dieser Abschnitt soll im Wesentlichen die wichtigsten <strong>Arbeitsmethoden</strong> und –schritte aufzeigen,<br />

die <strong>in</strong> <strong>der</strong> Praxis häufig jedoch für das jeweilige Problem modifiziert werden müssen.<br />

Die Analyse organischer Produktgemische beg<strong>in</strong>nt im Allgeme<strong>in</strong>en mit <strong>der</strong> Auftrennung des<br />

Gemisches <strong>in</strong> Substanzklassen durch den Trennungsgang.<br />

Daran schließt sich die Re<strong>in</strong>heitskontrolle <strong>der</strong> isolierten Verb<strong>in</strong>dungen an und schließlich<br />

die Identifizierung <strong>der</strong> Verb<strong>in</strong>dungen.<br />

Nachdem sichergestellt ist, dass re<strong>in</strong>e, durch physikalische Konstanten def<strong>in</strong>ierte Verb<strong>in</strong>dungen<br />

vorliegen, beg<strong>in</strong>nt die Analyse, die schließlich zu <strong>der</strong>en Identifizierung führt. Die Analyse<br />

wird meistens <strong>in</strong> folgen<strong>der</strong> Reihenfolge durchgeführt:<br />

1. Nachweis von Heteroelementen<br />

2. Nachweis funktioneller Gruppen durch spektroskopische Methoden<br />

3. Identifizierung von Verb<strong>in</strong>dungen mit funktionellen Gruppen durch Derivatisierung.<br />

276


12.1 Nachweis von Heteroelementen<br />

12.1 Nachweis von Heteroelementen<br />

Nachweis von Halogen (Beilste<strong>in</strong>-Probe)<br />

Organische Halogenverb<strong>in</strong>dung<br />

CuO<br />

Pyrolyse<br />

Kupferhalogenide<br />

E<strong>in</strong> Kupferdraht (∅ ca. 1 mm, 10–15 cm lang, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Korkstopfen) wird im Abzug <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

entleuchteten Flamme des Bunsenbrenners am vor<strong>der</strong>en Ende ausgeglüht, bis ke<strong>in</strong>e Flammenfärbung<br />

mehr erkennbar ist. Dann wird <strong>der</strong> weitgehend abgekühlte Draht mit etwas Substanz<br />

benetzt und langsam seitlich an den Flammenrand geführt. E<strong>in</strong>e grüne bis blaugrüne Flammenfärbung<br />

durch flüchtige Kupferhalogenide zeigt bei dieser sehr empf<strong>in</strong>dlichen Probe die<br />

Anwesenheit von Halogen.<br />

Achtung: Bei <strong>der</strong> Beilste<strong>in</strong>probe können Diox<strong>in</strong>e entstehen! Der Nachweis darf nur im<br />

Abzug durchgeführt werden.<br />

Nachweis von Schwefel, Halogen, Stickstoff und Phosphor (Lassaigne-Probe)<br />

Der reduzierende Aufschluss organischer Substanzen mit Natrium erlaubt den Nachweis von<br />

Schwefel, Halogen und Stickstoff <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Substanzprobe.<br />

(C, H, O, N, S, Hal)<br />

Na<br />

Rotglut<br />

NaCN, Na 2<br />

S, NaCNS, NaHal<br />

Achtung: Natrium reagiert mit Tetrachlormethan und an<strong>der</strong>en polyhalogenierten Verb<strong>in</strong>dungen<br />

sowie mit organischen Aziden, Diazoester, Diazoniumverb<strong>in</strong>dungen, Nitromethan und<br />

e<strong>in</strong>igen an<strong>der</strong>en Nitroverb<strong>in</strong>dungen sehr heftig, zum Teil explosionsartig! Vergewissern Sie<br />

sich, dass <strong>der</strong>artige Verb<strong>in</strong>dungen nicht vorliegen! Arbeiten Sie beim Aufschluss unbed<strong>in</strong>gt<br />

mit Schutzbrille sehr vorsichtig im Abzug mit heruntergezogenem Frontschieber.<br />

Aufschluss: In e<strong>in</strong>em kle<strong>in</strong>en Reagenzglas (10x60 mm) wird zu 1–2 Spatelspitzen bzw. 1–2<br />

Tropfen Substanz e<strong>in</strong> erbsengroßes, frisch geschnittenes Stückchen Natrium gegeben und <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Sparflamme des Bunsenbrenners vorsichtig erhitzt, bis das Metall zu e<strong>in</strong>er Kugel<br />

schmilzt. Durch Schütteln wird e<strong>in</strong> möglichst <strong>in</strong>niger Kontakt zwischen Natrium und Substanz<br />

erreicht. Siedet die Substanz, erhitzt man so, dass <strong>der</strong> Rückfluss <strong>der</strong> Substanz von <strong>der</strong><br />

Reagenzglaswand immer wie<strong>der</strong> auf die geschmolzene Metalloberfläche trifft. Vorsicht: Das<br />

Reagenzglas wird sehr heiß, benutzen Sie e<strong>in</strong>en Reagenzglashalter!<br />

Es kommt zur Rauchentwicklung, flüchtige Reaktionsprodukte können sich entzünden (die<br />

Reagenzglasöffnung immer vom Körper weghalten!). Wenn die heftige Reaktion beendet ist,<br />

erhitzt man noch etwa 1–2 M<strong>in</strong>uten zur Rotglut und lässt das Reagenzglas <strong>in</strong> e<strong>in</strong> mit etwa<br />

20 ml destilliertem Wasser gefülltes 100 ml-Becherglas fallen. Das Reagenzglas zerspr<strong>in</strong>gt,<br />

277


12. Chemische Analytik<br />

restliches Natrium kann sich entzünden. Nun wird noch 1–2 M<strong>in</strong>uten aufgekocht und von den<br />

Rückständen abfiltriert.<br />

Nachweis von Schwefel<br />

3–5 ml des Filtrats werden mit e<strong>in</strong>igen Tropfen Eisessig angesäuert und mit wenig 1 M Bleiacetatlösung<br />

versetzt. E<strong>in</strong> schwarzbrauner Nie<strong>der</strong>schlag o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e entsprechende schwarze<br />

E<strong>in</strong>trübung zeigt Schwefel an. Bei zu hohem Schwefelgehalt kann diese Probe versagen.<br />

Nachweis von Halogen<br />

3–5 ml des Filtrats werden mit 2 M HNO 3 angesäuert und mit 1-proz. AgNO 3 -Lösung versetzt.<br />

Die Silberhalogenid-Fällung o<strong>der</strong> Trübung zeigt Halogen an.<br />

Bei Anwesenheit von Schwefel o<strong>der</strong> Stickstoff kann das Filtrat nicht direkt mit Ag + auf Halogen<br />

geprüft werden. In diesem Fall versetzt man das Filtrat mit 1–2 Tropfen 5-proz.<br />

Ni(NO 3 ) 2 -Lösung um Cyanid und Sulfid zu entfernen, schüttelt gut durch und filtriert von den<br />

Nie<strong>der</strong>schlägen ab. Das Filtrat wird dann mit 2 M HNO 3 angesäuert und mit 1-proz. AgNO 3 -<br />

Lösung versetzt.<br />

Nachweis von Stickstoff<br />

3–5 ml des Filtrats werden mit e<strong>in</strong>em Körnchen Fe(NH 4 ) 2 (SO 4 ) 2 ⋅6H 2 O und 2–3 Tropfen<br />

FeCl 3 -Lösung versetzt und – falls nötig – mit wenig Lauge alkalisch gemacht. Es wird noch<br />

etwa e<strong>in</strong>e M<strong>in</strong>ute zum Sieden erhitzt, danach wird die abgekühlte Lösung mit 2 M Salzsäure<br />

angesäuert. E<strong>in</strong> blauer Nie<strong>der</strong>schlag (‚Berl<strong>in</strong>er Blau‘) o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e entsprechende Färbung zeigt<br />

Stickstoff an.<br />

Nachweis von Phosphor<br />

3–5 ml <strong>der</strong> wässrigen Lösung werden mit 0.5 ml konz. HNO 3 versetzt, anschließend wird<br />

1 ml e<strong>in</strong>er 5-proz. wässrigen Lösung von Ammoniummolybdat zugegeben. Man erhitzt e<strong>in</strong>ige<br />

M<strong>in</strong>uten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em siedenden Wasserbad. Wenn die Probe Phosphor enthielt, färbt sich die<br />

Lösung gelb und es scheidet sich schließlich e<strong>in</strong> gelber Nie<strong>der</strong>schlag ab. Im Zweifelsfall kann<br />

die Nie<strong>der</strong>schlagsbildung durch Anreiben <strong>der</strong> gelben Lösung mit e<strong>in</strong>em Glasstab <strong>in</strong>duziert<br />

werden.<br />

278


12.2 Trennungsgang für Produktgemische<br />

12.2 Trennungsgang für Produktgemische<br />

Im Wesentlichen bestehen Produktgemische (aus Reaktionen o<strong>der</strong> aus <strong>der</strong> Aufarbeitung von<br />

Biomaterialien) aus e<strong>in</strong>er o<strong>der</strong> mehreren <strong>der</strong> nachfolgend aufgelisteten Verb<strong>in</strong>dungsklassen:<br />

Verb<strong>in</strong>dungsklassen ohne Salzcharakter mit Salzcharakter<br />

Saure Verb<strong>in</strong>dungen Carbonsäuren<br />

Phenole<br />

Säureanhydride (saure Reaktion<br />

nach Hydrolyse)<br />

Basische Verb<strong>in</strong>dungen<br />

Neutrale Verb<strong>in</strong>dungen<br />

Primäre Am<strong>in</strong>e<br />

Sekundäre Am<strong>in</strong>e<br />

Tertiäre Am<strong>in</strong>e<br />

Aliphatische und aromatische<br />

Kohlenwasserstoffe, Alkene und<br />

Alk<strong>in</strong>e<br />

Alkohole<br />

Alkyl- und Arylhalogenide<br />

Nitrile<br />

Ether<br />

Aldehyde und Ketone<br />

Acetale und Ketale<br />

Carbonsäureester<br />

Carbonsäureamide<br />

Salze primärer, sekundärer und<br />

tertiärer Am<strong>in</strong>e<br />

Salze von Carbonsäuren<br />

Quartäre Ammoniumsalze<br />

Salze von Sulfonsäuren<br />

Am<strong>in</strong>osäuren als Beta<strong>in</strong>e<br />

E<strong>in</strong>ige Phospholipide als Beta<strong>in</strong>e<br />

Die Gemische <strong>der</strong> verschiedenen organischen Verb<strong>in</strong>dungen können se<strong>in</strong>:<br />

• Flüssigkeiten (leicht- und schwerflüchtig)<br />

• Flüssigkeiten und Festsubstanzen<br />

• Festsubstanzen<br />

Der Trennungsgang muss entsprechend variiert werden.<br />

12.2.1 Abtrennung leicht flüchtiger Verb<strong>in</strong>dungen von höher siedenden Flüssigkeiten<br />

und Feststoffen<br />

Zur Abtrennung und Isolierung leichtflüchtiger Verb<strong>in</strong>dungen (Siedepunkte bis etwa 100 °C<br />

bei Normaldruck) destilliert man aus dem Gemisch zunächst über e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e Vigreux-Kolonne<br />

(ca. 10 cm) alle bis zu e<strong>in</strong>er Badtemperatur von etwa 110–115 °C übergehende Verb<strong>in</strong>dungen<br />

ab. Der Temperaturverlauf bei <strong>der</strong> Destillation gibt bereits darüber Aufschluss, ob es<br />

sich um e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>heitliches Produkt handelt o<strong>der</strong> um e<strong>in</strong> Gemisch, das weiter aufgetrennt werden<br />

muss (Destillationsprotokoll!).<br />

Von den oben aufgeführten Verb<strong>in</strong>dungsklassen können im Destillat entsprechend den Siedepunkten<br />

enthalten se<strong>in</strong>:<br />

• Aliphatische und aromatische Kohlenwasserstoffe, Alkene und Alk<strong>in</strong>e<br />

• Carbonsäuren bis C 2<br />

• Essigsäurechlorid<br />

• Primäre aliphatische Am<strong>in</strong>e bis C 4<br />

279


12. Chemische Analytik<br />

• Sekundäre aliphatische Am<strong>in</strong>e bis C 2<br />

• Tertiäre Am<strong>in</strong>e bis C 2 (z. B. Triethylam<strong>in</strong>)<br />

• Alkohole bis C 4<br />

• Alkylhalogenide bis C 5<br />

• Nitrile bis C 3 (z. B. Propionitril)<br />

• Ether bis C 6 (z. B. Diethylether)<br />

• Aldehyde bis C 5<br />

• Ketone bis C 3<br />

• Ester bis C 3 (z. B. Methylacetat)<br />

Es ist zu beachten, dass zu dem genannten Siedebereich auch die gebräuchlichen Lösungsmittel<br />

gehören (Diethylether, Ethylacetat).<br />

Die gleichzeitige Anwesenheit von mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> reagierenden Verb<strong>in</strong>dungen im Destillat ist<br />

natürlich nicht möglich. Dazu gehören z. B. folgende Komb<strong>in</strong>ationen:<br />

Carbonsäuren und Am<strong>in</strong>e:<br />

Carbonsäurechloride o<strong>der</strong><br />

–anhydride und Am<strong>in</strong>e<br />

o<strong>der</strong> Alkohole<br />

Alkylhalogenide und Am<strong>in</strong>e<br />

Bildung von Salzen, die im Destillationsrückstand bleiben.<br />

Aus den Salzen können Säuren und Am<strong>in</strong>e zurückgewonnen<br />

werden.<br />

Reaktion zu Carbonsäureestern o<strong>der</strong> Carbonsäureamiden.<br />

Die Edukte können nicht mehr nachgewiesen werden.<br />

Reaktionen zu Alkylammoniumsalzen s<strong>in</strong>d möglich.<br />

Vorproben<br />

Prüfung auf Wasserlöslichkeit<br />

In e<strong>in</strong>em Halbmikroreagenzglas wird e<strong>in</strong>e Probe des Destillats (ca. 1 cm) mit <strong>der</strong> gleichen<br />

Menge Wasser kräftig geschüttelt. Wenn das Volumen <strong>der</strong> organischen Phase stark abnimmt<br />

o<strong>der</strong> völlig verschw<strong>in</strong>det, ist die Substanz gut bis sehr gut wasserlöslich bzw. mit Wasser<br />

mischbar. In ersterem Fall kann auch e<strong>in</strong>e wasserlösliche und e<strong>in</strong>e wasserunlösliche Komponente<br />

vorliegen:<br />

Erfolgt e<strong>in</strong>e Reaktion mit Wasser?<br />

Tritt beim Versetzen <strong>der</strong> organischen Phase mit Wasser e<strong>in</strong>e Wärmetönung auf, reagiert die<br />

o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e <strong>der</strong> Verb<strong>in</strong>dungen mit Wasser. Dies spricht dafür, dass e<strong>in</strong>e <strong>der</strong> folgenden Verb<strong>in</strong>dungsklassen<br />

vorliegt:<br />

• Carbonsäurehalogenide<br />

• Carbonsäureanhydride<br />

280


12.2 Trennungsgang für Produktgemische<br />

Trennung <strong>der</strong> leichtflüchtigen Verb<strong>in</strong>dungen durch fraktionierende Destillation<br />

Aus dem Siedeverhalten und den durchgeführten Vorproben lässt sich bereits abschätzen, ob<br />

e<strong>in</strong> Substanzgemisch o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>heitliche Verb<strong>in</strong>dung vorliegt. Bei Gemischen wird nun<br />

versucht, durch fraktionierende Destillation e<strong>in</strong>e weitere Auftrennung zu erreichen. Die Brechungs<strong>in</strong>dices<br />

<strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen Fraktionen lassen weitere Rückschlüsse auf die E<strong>in</strong>heitlichkeit<br />

<strong>der</strong> Probe zu.<br />

Wenn re<strong>in</strong>e Substanzen vorliegen, schließt sich <strong>der</strong> Nachweis von funktionellen Gruppen und<br />

die endgültige Identifizierung an.<br />

Trennung von höhersiedenden Flüssigkeiten und Festsubstanzen<br />

Der nach <strong>der</strong> destillativen Abtrennung <strong>der</strong> leichtflüchtigen Verb<strong>in</strong>dungen verbleibende Rückstand<br />

wird weiter untersucht. In dieser Gruppe können sich Vertreter aller Verb<strong>in</strong>dungsgruppen<br />

mit Ausnahme <strong>der</strong> bereits abgetrennten leichtflüchtigen Verb<strong>in</strong>dungen bef<strong>in</strong>den.<br />

Vorproben<br />

Prüfung auf Wasserlöslichkeit:<br />

Wie bereits oben beschrieben, wird <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Halbmikroreagenzglas etwa 1 g o<strong>der</strong> ml <strong>der</strong> Substanzprobe<br />

mit 2 ml Wasser kräftig durchgeschüttelt, evtl. zusätzlich noch erwärmt.<br />

Wasserlösliche Verb<strong>in</strong>dungen können se<strong>in</strong>: Carbonsäuren, Salze von Carbonsäuren, Phenole,<br />

Ammoniumsalze, Am<strong>in</strong>osäuren, Zucker.<br />

Erfolgt e<strong>in</strong>e Reaktion mit Wasser? Siehe oben!<br />

Freie Carbonsäuren, Phenole, aromatische und aliphatische Am<strong>in</strong>e lösen sich <strong>in</strong> den meisten<br />

Fällen <strong>in</strong> unpolaren o<strong>der</strong> wenig polaren Solventien, z. B. Diethylether, Cyclohexan, Petrolether,<br />

Ethylacetat gut. In Wasser s<strong>in</strong>d sie mit Ausnahme <strong>der</strong> nie<strong>der</strong>molekularen Vertreter wenig<br />

bzw. gar nicht löslich.<br />

Die Salze <strong>der</strong> Carbonsäuren, Phenole und Am<strong>in</strong>e lösen sich sehr gut <strong>in</strong> Wasser, sie s<strong>in</strong>d unlöslich<br />

<strong>in</strong> unpolaren Solventien wie Diethylether. Um Carbonsäuren, Phenole bzw. Am<strong>in</strong>e<br />

quantitativ aus <strong>der</strong> organischen Phase <strong>in</strong> die Wasserphase zu überführen, muss bei pH-Werten<br />

extrahiert werden, die etwa 4 E<strong>in</strong>heiten über den pK s -Werten <strong>der</strong> Säuren bzw. unter den pK s -<br />

Werten <strong>der</strong> Basen liegen (siehe Tab. 12.1).<br />

281


12. Chemische Analytik<br />

R<br />

CO 2<br />

H<br />

H 2<br />

O<br />

NR 3<br />

H 2<br />

O<br />

pH > 8<br />

Ar OH<br />

H 2<br />

O<br />

pH ~ 7<br />

Lösungen <strong>in</strong> unpolaren<br />

organischen Solventien<br />

pH < 2<br />

R CO 2<br />

Ar O<br />

H-NR 3<br />

Lösungen <strong>in</strong> Wasser<br />

Tab. 12.1: pK s -Werte von Säuren und Basen und erfor<strong>der</strong>liche pH-Werte für ihre quant. Überführung<br />

als Salze <strong>in</strong> die wässrige Phase<br />

Verb<strong>in</strong>dung pK s Quant. Salzbildung<br />

bei<br />

Säuren und Basen zur pH-E<strong>in</strong>stellung<br />

Aromatische Carbonsäuren ≈ 4 pH ≥ 8 1 M Na 2 CO 3 (106 g/l) *<br />

Aliphatische Carbonsäuren ≈ 5 pH ≥ 9 1 M Na 2 CO 3<br />

Phenole, Enole ≈ 10 pH ≈ 14 2 M NaOH (80 g/l)<br />

Aromatische Am<strong>in</strong>e und Pyrid<strong>in</strong>e ≈ 5-6 pH ≤ 1-2 2 M HCl (200 ml konz. HCl/l)<br />

Aliphatische Am<strong>in</strong>e ≈ 11 pH ≤ 6 2 M Essigsäure (114 ml/l) o<strong>der</strong> 2 M HCl<br />

*) Lösung von 106 g Na 2 CO 3 <strong>in</strong> 1 Liter Wasser<br />

12.2.2 Trennung von Gemischen verschiedener Verb<strong>in</strong>dungen durch fraktionierende<br />

Extraktion<br />

Gemische verschiedener Verb<strong>in</strong>dungen werden nache<strong>in</strong>an<strong>der</strong> bei verschiedenen pH-Werten<br />

extrahiert:<br />

• Enthält das Gemisch leicht wasserlösliche Substanzen (Vorproben!), werden diese mit<br />

Wasser extrahiert. Dazu wird die Probe <strong>in</strong> Wasser suspendiert und etwa 30 M<strong>in</strong>uten gerührt.<br />

Wenn <strong>der</strong> wasserunlösliche Rückstand flüssig ist, werden die Phasen im Scheidetrichter<br />

getrennt, von festen Rückständen wird abgesaugt.<br />

• Der unlösliche Rückstand wird <strong>in</strong> Ether aufgenommen; von unlöslichen Produkten wird<br />

erneut abgesaugt.<br />

• Aus <strong>der</strong> etherischen Lösung werden basische Bestandteile durch Extraktion mit 2 M Salzsäure<br />

abgetrennt. Durch nachfolgendes Ausschütteln mit 1 M Na 2 CO 3 -Lösung werden die<br />

aliphatischen und aromatischen Carbonsäuren, mit 2 M NaOH phenolische Bestandteile<br />

sowie Enole ausgeschüttelt. Das Schema <strong>in</strong> Abb. 12.1 skizziert diesen Trennungsgang.<br />

282


12.2 Trennungsgang für Produktgemische<br />

Erläuterungen zum Trennungsgang:<br />

Wasserlösliche Produkte<br />

Es können vorliegen:<br />

• Alkalisalze von Carbonsäuren und Phenolen<br />

• Salze von primären, sekundären und tertiären Am<strong>in</strong>e<br />

• Quartäre Ammoniumsalze<br />

• Am<strong>in</strong>osäuren<br />

• Zucker<br />

Zur Isolierung engt man die wässrige Lösung im Vakuum zur Trockene e<strong>in</strong>, bei empf<strong>in</strong>dlichen<br />

Substanzen (Naturstoffen) empfiehlt sich die Gefriertrocknung.<br />

• Die <strong>in</strong> Wasser unlöslichen Produkte werden <strong>in</strong> Ether aufgenommen<br />

• In Ether unlösliche Produkte werden abgesaugt bzw. abgetrennt und geson<strong>der</strong>t untersucht<br />

(z. B. Schmelzpunkt, IR-Spektrum (funktionelle Gruppen), Löslichkeit <strong>in</strong> an<strong>der</strong>en<br />

organischen Solventien, Umkristallisation).<br />

Aus den <strong>in</strong> Ether löslichen Verb<strong>in</strong>dungen werden zunächst durch Extraktion mit 2 M<br />

HCl abgetrennt:<br />

• Am<strong>in</strong>e als Hydrochloride <strong>in</strong> <strong>der</strong> Wasserphase. Zur Isolierung <strong>der</strong> freien Am<strong>in</strong>e wird die<br />

Wasserphase mit 2 M NaOH alkalisch gestellt und dann mit Ether extrahiert. Nach dem<br />

Trocknen wird <strong>der</strong> Ether abgezogen und <strong>der</strong> Rückstand identifiziert (Re<strong>in</strong>substanz, Gemisch,<br />

Schmp., IR-Spektrum usw.)<br />

Durch Extraktion <strong>der</strong> Etherlösung mit 2 M Na 2 CO 3 werden<br />

• Carbonsäuren als Na-Salze <strong>in</strong> die Wasserphase überführt. Beim Ansäuern mit wenig<br />

konz. Salzsäure scheiden sich die freien Carbonsäuren ab. Kristall<strong>in</strong>e Carbonsäuren werden<br />

abgesaugt, an<strong>der</strong>enfalls wird <strong>in</strong> Ether aufgenommen und wie oben aufgearbeitet.<br />

Schließlich werden durch Extraktion <strong>der</strong> Etherlösung mit 2 M NaOH <strong>in</strong> die Wasserphase<br />

überführt:<br />

• Phenole als Na-Salze. Die freien Phenole werden – wie bei den Carbonsäuren beschrieben<br />

– durch Ansäuern erhalten und isoliert.<br />

In <strong>der</strong> verbliebenen Etherlösung bef<strong>in</strong>den sich nun die<br />

• Neutralverb<strong>in</strong>dungen<br />

283


12. Chemische Analytik<br />

Abb. 12.1: Trennungsgang für Gemische organischer Verb<strong>in</strong>dungen<br />

H<strong>in</strong>weise:<br />

• Um die bei <strong>der</strong> Extraktion <strong>der</strong> Etherlösung mit 2 M HCl, 2 M Na 2 CO 3 und 2 M NaOH<br />

möglicherweise auftretenden Wärmetönungen zu vermeiden und damit e<strong>in</strong> Aufsieden des<br />

Ethers zu verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n, wird zuvor etwas fe<strong>in</strong> gestoßenes Eis zugegeben.<br />

• Beim Ausschütteln von Carbonsäuren mit Natriumcarbonat- o<strong>der</strong> Natriumhydrogencarbonat-Lösung<br />

wird CO 2 freigesetzt. Da durch das starke Aufschäumen Etherlösung aus dem<br />

Scheidetrichter herausgedrückt werden kann (Überdruck!), muss anfangs beson<strong>der</strong>s vorsichtig<br />

geschüttelt und <strong>der</strong> Scheidetrichter öfters über das Hahnküken belüftet werden.<br />

• Mit gesättigter NaHCO 3 -Lösung lassen sich auch mäßig wasserlösliche Carbonsäuren<br />

noch gut extrahieren. Schwerlösliche langkettige Carbonsäuren reagieren zu langsam, hier<br />

284


12.3 Nachweis funktioneller Gruppen<br />

muss mit Na 2 CO 3 -Lösung extrahiert werden. Hierbei besteht allerd<strong>in</strong>gs durch Seifenbildung<br />

die Gefahr, dass relativ stabile Emulsionen entstehen!<br />

Re<strong>in</strong>heitskontrolle <strong>der</strong> isolierten Verb<strong>in</strong>dungen<br />

Nachstehend s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>ige gängige Methoden zusammengestellt, mit <strong>der</strong>en Hilfe die Re<strong>in</strong>heit<br />

e<strong>in</strong>er Verb<strong>in</strong>dung festgestellt werden kann. Bei allen spektroskopischen Methoden muss beachtet<br />

werden, dass ger<strong>in</strong>ge Verunre<strong>in</strong>igungen (typischerweise bis 5 %) nicht o<strong>der</strong> nur schwer<br />

erkennbar s<strong>in</strong>d!<br />

Zur Re<strong>in</strong>heitskontrolle wird geprüft:<br />

• Schmelzpunkt (Schmp.): Schmelz<strong>in</strong>tervall max. 1 °C.<br />

• Siedepunkt (Sdp.): Siede<strong>in</strong>tervall max. 2 °C.<br />

• Brechungs<strong>in</strong>dex: Übere<strong>in</strong>stimmung m<strong>in</strong>destens bis zu 3 Dezimalstellen!<br />

• Chromatographie: Dünnschichtchromatographie (DC), Gaschromatographie (GC) o<strong>der</strong><br />

High Performance-Flüssigkeitschromatographie (HPLC).<br />

12.3 Nachweis funktioneller Gruppen<br />

Spektroskopischer Nachweis<br />

Viele funktionelle Gruppen lassen sich an ihren charakteristischen IR-Absorptionen erkennen.<br />

E<strong>in</strong>ige Verb<strong>in</strong>dungsklassen wie Aldehyde, Carbonsäuren o<strong>der</strong> Aromaten lassen sich auch im<br />

1 H-NMR-Spektrum aufgrund <strong>der</strong> Tieffeldverschiebung <strong>der</strong> Signale <strong>der</strong> H-Atome (CHO,<br />

COOH) charakterisieren. In Son<strong>der</strong>fällen können auch UV- und Massenspektren zum Nachweis<br />

funktioneller Gruppen herangezogen werden. An dieser Stelle sei auf die e<strong>in</strong>schlägige<br />

Literatur bzw. auf die Tabellen zur IR- und NMR-Spektroskopie im Kap. 13 verwiesen.<br />

12.3.1 Chemischer Nachweis funktioneller Gruppen<br />

Nachweis von Säuren und Basen<br />

• Verb<strong>in</strong>dungen, <strong>der</strong>en Acidität m<strong>in</strong>destens <strong>der</strong> von Carbonsäuren entspricht (pK S ≤ 5) o<strong>der</strong><br />

<strong>der</strong>en Basizität m<strong>in</strong>destens <strong>der</strong> von aliphatischen Am<strong>in</strong>en entspricht (pK B ≤ 5) verfärben<br />

Universal<strong>in</strong>dikatorpapier deutlich. Man br<strong>in</strong>gt e<strong>in</strong>ige Kriställchen o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>en Mikrotropfen<br />

auf das (eventuell mit 50-proz. Alkohol) angefeuchtete Indikatorpapier.<br />

• Zum Nachweis von Carbonsäuren (pK S < 6) gibt man zu e<strong>in</strong>er gesättigten NaHCO 3 -Lösung<br />

auf e<strong>in</strong>em Uhrglas e<strong>in</strong> Kriställchen <strong>der</strong> Verb<strong>in</strong>dung. Durch den Rückstoß <strong>der</strong> CO 2 -<br />

Entwicklung fährt <strong>der</strong> Kristall ‚Schiffchen‘!<br />

285


12. Chemische Analytik<br />

Tab. 12.2: pK S und pK B -Werte von sauren und basischen Verb<strong>in</strong>dungsklassen<br />

Säuren pK S Basen pK B<br />

Carbonsäuren 3–5 Carboxylat-Ionen 11–9<br />

Phenole 6–10 Phenolat-Ionen 8–4<br />

aromatische Ammonium-Ionen 1–5 aromatische Am<strong>in</strong>e 13–9<br />

aliphatische Ammonium-Ionen 9–11 aliphatische Am<strong>in</strong>e 5–3<br />

Sulfonsäuren ≈ –5 Sulfonat-Ionen ≈ 21<br />

Nachweis von Alkenen mit Brom<br />

Br 2<br />

Br<br />

Br<br />

Klassische Reagenzlösung: 2-proz. Lösung von Brom <strong>in</strong> Tetrachlorkohlenstoff<br />

Brom: [T+, C, N], R 26-35-50, S 7/9-26-45-61, Sdp. 59 °C.<br />

Tetrachlorkohlenstoff: [T, N], R 23/24/25-40-48/23-52/53-59, S 23-36/37-40-59-61, Sdp. 77 °C<br />

Alternative Reagenzlösung: 2-proz. Lösung von Brom <strong>in</strong> Eisessig<br />

Brom: [T+, C, N], R 26-35-50, S 7/9-26-45-61, Sdp. 59 °C.<br />

Eisessig: [C], R 10-35, S 23-45, Sdp. 118 °C<br />

Brom und Tetrachlorkohlenstoff s<strong>in</strong>d sehr giftig, bei CCl 4 besteht zudem <strong>der</strong> Verdacht<br />

auf krebserzeugende Wirkung beim Menschen. Der Nachweis darf nur unter dem Abzug<br />

und mit Schutzhandschuhen durchgeführt werden. Nach Möglichkeit sollte die alternative<br />

Reagenzlösung bevorzugt werden.<br />

E<strong>in</strong>e Lösung von etwa 50 mg o<strong>der</strong> 2 Tropfen <strong>der</strong> Probe <strong>in</strong> etwa 1 ml Lösungsmittel (Tetrachlorkohlenstoff<br />

bei <strong>der</strong> klassischen Reagenzlösung, ansonsten Cyclohexan o<strong>der</strong> Eisessig)<br />

wird tropfenweise mit <strong>der</strong> Bromlösung versetzt bis die Färbung bestehen bleibt. Die Beobachtung<br />

(rasche, langsame o<strong>der</strong> gar ke<strong>in</strong>e Entfärbung) wird protokolliert, <strong>in</strong> Zweifelsfällen<br />

sollte e<strong>in</strong>e Bl<strong>in</strong>dprobe durchgeführt werden. Wenn mehr als 2–3 Tropfen Bromlösung verbraucht<br />

werden, um die Bromfarbe etwa e<strong>in</strong>e M<strong>in</strong>ute lang zu erhalten, f<strong>in</strong>det wahrsche<strong>in</strong>lich<br />

e<strong>in</strong>e Substitution (C–H → C–Br) statt, die sich bei Verwendung <strong>der</strong> klassischen Reagenzlösung<br />

auch an entweichendem Bromwasserstoff erkennen lässt (Gasbläschen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lösung,<br />

e<strong>in</strong> angefeuchtetes Indikatorpapier im Dampfraum zeigt Säure an). Die alternative Reagenzlösung<br />

erlaubt den Nachweis von HBr nicht.<br />

Diese Störung des Alkennachweises durch Substitution wird hauptsächliche durch aromatische<br />

Am<strong>in</strong>e und Phenole mit freier o- o<strong>der</strong> p-Stellung sowie durch e<strong>in</strong>ige Carbonylverb<strong>in</strong>dungen<br />

verursacht.<br />

286


12.3 Nachweis funktioneller Gruppen<br />

Nachweis von Alkenen mit Permanganatlösung (Baeyersche Probe)<br />

KMnO 4<br />

H 2<br />

O<br />

HO<br />

OH<br />

+ MnO 2<br />

+ KOH<br />

Reagenzlösung: 2-proz. wässrige Kaliumpermanganatlösung<br />

Kaliumpermanganat: [O, Xn, N], R 8-22-50/53, S 60/61<br />

E<strong>in</strong>e Lösung von etwa 50 mg o<strong>der</strong> 2 Tropfen <strong>der</strong> Probe <strong>in</strong> etwa 2 ml 95-proz. Aceton wird<br />

tropfenweise mit <strong>der</strong> Permanganatlösung versetzt, bis die Färbung bestehen bleibt. Die Beobachtung<br />

(rasche, langsame o<strong>der</strong> gar ke<strong>in</strong>e Entfärbung) wird protokolliert, <strong>in</strong> Zweifelsfällen<br />

sollte e<strong>in</strong>e Bl<strong>in</strong>dprobe durchgeführt werden. Wenn mehr als e<strong>in</strong> Tropfen Reagenzlösung verbraucht<br />

wird, ist <strong>der</strong> Test positiv. Die Lösung färbt sich schließlich braun durch gebildetes<br />

MnO 2 .<br />

Substanzen wie Aldehyde, Ameisensäure, mehrwertige Phenole, Am<strong>in</strong>ophenole und Endiole<br />

aus α-Hydroxycarbonylverb<strong>in</strong>dungen werden ebenfalls von Permanganat oxidiert. Diese stark<br />

reduzierenden Verb<strong>in</strong>dungen reagieren – im Gegensatz zu Alkenen – mit dem Tollens-Reagenz<br />

(siehe Nachweis von Aldehyden).<br />

12.3.2 Identifizierung von Verb<strong>in</strong>dungen mit funktionellen Gruppen durch die Darstellung<br />

von Derivaten.<br />

Für den Nachweis müssen Derivate gewählt werden, die spezifisch für die jeweilige funktionelle<br />

Gruppe s<strong>in</strong>d. Zur Identifizierung e<strong>in</strong>er Verb<strong>in</strong>dung s<strong>in</strong>d nur solche Reagenzien brauchbar,<br />

die zu e<strong>in</strong>em kristall<strong>in</strong>en Derivat mit def<strong>in</strong>iertem Schmelzpunkt führen.<br />

Identifizierung von Alkoholen als Phenylurethane<br />

O<br />

C<br />

N<br />

O<br />

R<br />

OH<br />

R<br />

O<br />

N<br />

H<br />

Reagenzlösung: 10-proz. Lösung von Phenylisocyanat <strong>in</strong> abs. Petrolether (80–100)<br />

Phenylisocyanat: [T+], R 10-22-26-34-42/43, S 23-26-36/37/39-45, Sdp. 165 °C.<br />

Petrolether (80–100): [F, Xn, N], R 11-51/53-65, S 9-16-23-24-33-61-62, Sdp. 80–100 °C<br />

Phenylisocyanat ist sehr giftig. Sensibilisierung ist durch E<strong>in</strong>atmen o<strong>der</strong> Hautkontakt<br />

möglich. Der Nachweis darf nur unter dem Abzug und mit Schutzhandschuhen durchgeführt<br />

werden.<br />

287


12. Chemische Analytik<br />

Etwa 0.5 g des trockenen Alkohols werden <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em trockenen 10 ml Rundkolben NS 14 mit<br />

aufgesetztem Rückflusskühler und Trockenrohr mit 3 ml <strong>der</strong> Phenylisocyanat-Lösung versetzt<br />

und vorsichtig <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em heißen Wasser- o<strong>der</strong> Ölbad (Siedeste<strong>in</strong>chen) erwärmt. Primäre Alkohole<br />

reagieren meist <strong>in</strong>nerhalb weniger M<strong>in</strong>uten, während die Reaktion sekundärer Alkohole<br />

1 Stunde und länger benötigt.<br />

Nach dem Abkühlen saugt man den kristall<strong>in</strong>en Nie<strong>der</strong>schlag ab und wäscht mit Petrolether<br />

nach. Wenn die Reaktion zu träge verläuft, gibt man e<strong>in</strong>ige Tropfen e<strong>in</strong>es trockenen tertiären<br />

Am<strong>in</strong>s zu (am e<strong>in</strong>fachsten DABCO) und erhitzt erneut.<br />

Wenn das Produkt ölig ausfällt, versucht man durch Reiben mit dem Glasstab Kristalle zu<br />

erzeugen. Man kann auch vorsichtig das Solvens abgießen und den öligen Rückstand mit<br />

Petrolether behandeln.<br />

Zum Umkristallisieren prüfe man Petrolether, Essigester o<strong>der</strong> Ethanol. Eventuell muss die<br />

heiße Lösung von schwer löslichen Kristallen (Diphenylharnstoff) abfiltriert werden.<br />

H<strong>in</strong>weis: Phenylisocyanat reagiert mit Wasser zu schwer löslichem Diphenylharnstoff<br />

(Schmp. 241–243 °C).<br />

O<br />

2 Ph N C O + H 2<br />

O Ph<br />

Ph + CO 2<br />

N N<br />

H H<br />

Tertiäre Alkohole und an<strong>der</strong>e Alkohole mit sterisch geh<strong>in</strong><strong>der</strong>ter OH-Gruppe setzt man besser<br />

mit dem viel reaktiveren Benzolsulfonylisocyanat um.<br />

Identifizierung von Alkoholen als p-Nitrobenzoesäureester o<strong>der</strong> 3,5-D<strong>in</strong>itrobenzoesäureester<br />

O<br />

NO 2<br />

Cl<br />

O<br />

R<br />

O<br />

NO 2<br />

R<br />

OH<br />

O<br />

Cl<br />

NO 2<br />

NO 2<br />

O<br />

R NO<br />

O<br />

2<br />

Reagenzien:<br />

p-Nitrobenzoylchlorid: [C], R 34, S 26-26/37/39-45, Schmp. 75 °C<br />

3,5-D<strong>in</strong>itrobenzoylchlorid: [C], R 34, S 26-26/37/39-45, Schmp. 74 °C<br />

Pyrid<strong>in</strong>: [F, Xn], R 11, 20/21/22, S 26-28, Sdp. 115 °C<br />

NO 2<br />

288


12.3 Nachweis funktioneller Gruppen<br />

Der Nachweis sollte nur unter dem Abzug und mit Schutzhandschuhen durchgeführt<br />

werden. Die hydrolyseempf<strong>in</strong>dlichen Säurechloride müssen schmelzpunktre<strong>in</strong> e<strong>in</strong>gesetzt<br />

werden!<br />

In e<strong>in</strong>em 10 ml Rundkolben NS 14 mit aufgesetztem Rückflusskühler und Trockenrohr werden<br />

1.00 g p-Nitrobenzoylchlorid bzw. 1.30 g 3,5-D<strong>in</strong>itrobenzoylchlorid zusammen mit etwa<br />

0.5 g Alkohol <strong>in</strong> 5 ml wasserfreiem Pyrid<strong>in</strong> gelöst. Nach 30-m<strong>in</strong>ütigem Refluxieren wird <strong>in</strong><br />

40 ml 2 M HCl e<strong>in</strong>gegossen. Das aufgefallene Festprodukt wird mit 10 ml 1 M Na 2 CO 3 -Lösung<br />

10 M<strong>in</strong>uten gerührt und erneut abgesaugt. Nach dem Trocknen wird aus Ethanol,<br />

EtOH/H 2 O o<strong>der</strong> Petrolether (60–90 °C) umkristallisiert.<br />

Identifizierung von Phenolen als 3,5-D<strong>in</strong>itrobenzoate<br />

O<br />

NO 2<br />

Ar<br />

OH<br />

Cl<br />

NO 2<br />

O<br />

Ar NO<br />

O<br />

2<br />

NO 2<br />

Reagenzien:<br />

3,5-D<strong>in</strong>itrobenzoylchlorid: [C], R 34, S 26-26/37/39-45, Schmp. 74 °C<br />

Pyrid<strong>in</strong>: [F, Xn], R 11, 20/21/22, S 26-28, Sdp. 115 °C<br />

Der Nachweis sollte nur unter dem Abzug und mit Schutzhandschuhen durchgeführt<br />

werden. Die hydrolyseempf<strong>in</strong>dlichen Säurechloride müssen schmelzpunktre<strong>in</strong> e<strong>in</strong>gesetzt<br />

werden!<br />

Etwa 0.50 g <strong>der</strong> phenolischen Verb<strong>in</strong>dung werden <strong>in</strong> 5 ml Pyrid<strong>in</strong> gelöst und mit 1.30 g D<strong>in</strong>itrobenzoylchlorid<br />

versetzt. Nach 30-m<strong>in</strong>ütigem Erhitzen unter Rückfluss wird <strong>in</strong> 40 ml 2 M<br />

Salzsäure gegossen und <strong>der</strong> feste Nie<strong>der</strong>schlag abgesaugt. Der Nie<strong>der</strong>schlag wird anschließend<br />

mit 10 ml 1 M Sodalösung gerührt und erneut abgesaugt. Nach dem Trocknen werden<br />

Ethanol, Ethanol/Wasser und Petrolether (60–80 °C) für die Umkristallisation geprüft.<br />

Nachweis von Phenolen und Enolen mit Eisen[III)-Chlorid<br />

1 Tropfen (Mikrospatelspitze) <strong>der</strong> Substanz wird <strong>in</strong> 3 ml Ethanol und 2 ml Wasser gelöst und<br />

mit 1–2 Tropfen 2.5-proz. Eisen(III)-chlorid-Lösung versetzt. E<strong>in</strong>e violette bis blaue Färbung,<br />

die verblassen kann, zeigt e<strong>in</strong> Phenol an. Enole geben meist e<strong>in</strong>e blutrote Färbung, transfixierte<br />

Enole zeigen diese Farbreaktion nicht.<br />

289


12. Chemische Analytik<br />

Tabelle 12.3: Schmelzpunkte von Derivaten e<strong>in</strong>iger Alkohole und Phenole<br />

Alkohol<br />

Schmelzpunkt <strong>der</strong> Derivate<br />

Phenylurethan p-Nitrobenzoat 3,5-D<strong>in</strong>itrobenzoat<br />

Methanol 47 °C 96 °C 109 °C<br />

Ethanol 52 °C 56 °C 94 °C<br />

1-Propanol 52 °C 35 °C 74 °C<br />

1-Butanol 63 °C 35 °C 64 °C<br />

1-Pentanol 138 °C Öl 46 °C<br />

2-Pentanol 17 °C 61 °C<br />

2-Butanol 64 °C 25 °C 76 °C<br />

t-Butanol 136 °C 116 °C 142 °C<br />

Benzylalkohol 77 °C 85 °C 113 °C<br />

Stearylalkohol 80 °C 64 °C 74 °C<br />

Phenol 146 °C<br />

2-Methylphenol 138 °C<br />

4-Methylphenol 188 °C<br />

2,6-Dimethylphenol 159 °C<br />

1-Naphthol 217 °C<br />

2-Naphthol 210 °C<br />

Identifizierung von primären und sekundären Am<strong>in</strong>en als Benzamide und p-Nitrobenzamide<br />

O<br />

R<br />

1<br />

R<br />

Cl<br />

N H<br />

R2<br />

Pyrid<strong>in</strong><br />

O<br />

1<br />

R<br />

N<br />

R2<br />

R<br />

R = H, NO 2<br />

Reagenzien:<br />

Benzoylchlorid: [C], R 34, S 26-45, Sdp. 197 °C<br />

p-Nitrobenzoylchlorid: [C], R 34, S 26-36/37/39-45, Schmp. 75 °C<br />

Pyrid<strong>in</strong>: [F, Xn], R 11, 20/21/22, S 26-28, Sdp. 115 °C<br />

290<br />

Der Nachweis sollte nur unter dem Abzug und mit Schutzhandschuhen durchgeführt<br />

werden.<br />

Etwa 0.5 g Am<strong>in</strong> und 1 g Benzoylchlorid bzw. p-Nitrobenzoylchlorid werden <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em 25 ml<br />

Rundkolben mit Rückflusskühler und Trockenrohr mit ca. 10 ml wasserfreiem Pyrid<strong>in</strong> versetzt<br />

und 30 M<strong>in</strong>uten im Ölbad auf 60-100 °C erwärmt.<br />

Nach dem Abkühlen <strong>der</strong> Reaktionsmischung wird sie <strong>in</strong> 50 ml 2 M Salzsäure gegossen und<br />

solange umgeschwenkt, bis sich das Amid als Feststoff abscheidet. Der Nie<strong>der</strong>schlag wird<br />

abfiltriert, mit ca. 20 ml Wasser, danach mit 20 ml 2 M Natronlauge und nochmals mit 20 ml<br />

Wasser nachgewaschen und im Exsikkator getrocknet. Zur Umkristallisation prüfe man Ethanol,<br />

Ethanol/Wasser, Ethylacetat o<strong>der</strong> Acetonitril.


12.3 Nachweis funktioneller Gruppen<br />

Identifizierung von primären und sekundären Am<strong>in</strong>en als 2,4-D<strong>in</strong>itrophenyl<strong>der</strong>ivate<br />

Reagenzien:<br />

R<br />

1<br />

N<br />

R2<br />

H<br />

Cl<br />

O 2<br />

N<br />

NO 2<br />

R1 N R 2<br />

NO 2<br />

NO 2<br />

2,4-D<strong>in</strong>itrochlorbenzol: [T, N], R 23/24/25-33-50/53, S 28-36/37-45-60-61, Schmp. 186 °C<br />

Natriumacetat, wasserfrei<br />

2,4-D<strong>in</strong>itrochlorbenzol ist giftig und kann allergische Hautentzündungen verursachen.<br />

Der Nachweis darf nur unter dem Abzug und mit Schutzhandschuhen durchgeführt werden.<br />

Etwa 0.5 g primäres o<strong>der</strong> sekundäres Am<strong>in</strong> werden mit e<strong>in</strong>er äquimolaren Menge 2,4-D<strong>in</strong>itrochlorbenzol<br />

und 1.00 g wasserfreiem Natriumacetat 30 M<strong>in</strong>uten im siedenden Wasserbad<br />

mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> umgesetzt. Zur erkalteten Reaktionsmischung gibt man 3–4 ml Ethanol, arbeitet<br />

mit dem Spatel gründlich durch und saugt ab. Umkristallisation aus Ethanol.<br />

Identifizierung von tertiären Am<strong>in</strong>en als quartäre Ammoniumiodide<br />

R1<br />

N<br />

R2<br />

R3<br />

Me<br />

I<br />

Me<br />

1 N<br />

R R3 I<br />

R2<br />

Reagenz:<br />

Methyliodid (Iodmethan): [T], R 21-23/25-37/38-40, S 36/37-38-45, Sdp. 42 °C<br />

Methyliodid ist giftig und sehr leicht flüchtig. Zudem besteht <strong>der</strong> Verdacht auf krebserzeugende<br />

Wirkung. Der Nachweis darf nur unter dem Abzug und mit Schutzhandschuhen<br />

durchgeführt werden.<br />

Im Abzug werden etwa 1.00 g tertiäres Am<strong>in</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em 10 ml NS14-Kölbchen mit aufgesetztem<br />

Rückflusskühler mit etwa 1 g Methyliodid versetzt und vorsichtig im Wasser- o<strong>der</strong> Ölbad<br />

unter Rückfluss erhitzt. Nach zehn M<strong>in</strong>uten wird im Eisbad abgekühlt. Man versetzt mit 5 ml<br />

Ethylacetat und arbeitet den Nie<strong>der</strong>schlag bis zur vollen Kristallisation mit e<strong>in</strong>em Glasstab<br />

durch. Die Kristalle werden abgesaugt und mit Ethylacetat nachgewaschen.<br />

Zur Umkristallisation prüfe man Wasser, Ethanol, Ethanol/Ether, Ethylacetat o<strong>der</strong> Acetonitril.<br />

291


12. Chemische Analytik<br />

Tabelle 12.4: Derivate e<strong>in</strong>iger Am<strong>in</strong>e und ihre Schmelzpunkte<br />

Am<strong>in</strong><br />

Schmelzpunkt <strong>der</strong> Derivate<br />

Benzamid 2,4-D<strong>in</strong>itrophenylam<strong>in</strong> Methylammoniumiodid<br />

Methylam<strong>in</strong> 80 °C 178 °C<br />

Dimethylam<strong>in</strong> 42 °C 87 °C<br />

Ethylam<strong>in</strong> 69 °C 113 °C<br />

Diethylam<strong>in</strong> 42 °C 80 °C<br />

Propylam<strong>in</strong> 85 °C 97 °C<br />

t-Butylam<strong>in</strong> 134 °C<br />

Anil<strong>in</strong> 163 °C 156 °C<br />

Diphenylam<strong>in</strong> 180 °C<br />

p-Toluid<strong>in</strong> 158 °C 136 °C<br />

Trimethylam<strong>in</strong> 230 °C<br />

Triethylam<strong>in</strong> 280 °C<br />

Tributylam<strong>in</strong> 180 °C<br />

Pyrid<strong>in</strong> 117 °C<br />

2-Methylpyrid<strong>in</strong> 230 °C<br />

Nachweis von Aldehyden mit ammoniakalischer Silbernitratlösung (Tollens Reagenz)<br />

Aldehyde unterscheiden sich von Ketonen durch ihre Reduktionswirkung, z. B. gegenüber<br />

ammoniakalischer Silbersalzlösung.<br />

O<br />

+1 +3 O<br />

R C + H 2<br />

O R C + 2 e + 2 H<br />

H<br />

OH<br />

2 Ag + 2 e 2 Ag<br />

R<br />

O<br />

C<br />

H<br />

O<br />

+ 2 Ag + H 2<br />

O R C + 2 Ag + 2 H<br />

OH<br />

Reagenzlösung: 5-proz. wässrige Silbernitratlösung<br />

Silbernitrat: [C, N], R 34-50/53, S 26-45-60-61<br />

In e<strong>in</strong>em sauberen Reagenzglas werden 2 ml 5-proz. AgNO 3 -Lösung vorgelegt und mit e<strong>in</strong>em<br />

Tropfen 2 M NaOH versetzt. Durch vorsichtiges Zutropfen von 2 M Ammoniaklösung wird<br />

<strong>der</strong> Nie<strong>der</strong>schlag gerade wie<strong>der</strong> aufgelöst. Zu dieser Reagenzlösung wird etwa 1 ml e<strong>in</strong>er Lösung<br />

des Aldehyds (ca. 0.05–0.10 g) <strong>in</strong> Methanol o<strong>der</strong> Ethanol (aldehydfrei, Bl<strong>in</strong>dprobe!)<br />

gegeben. Wenn e<strong>in</strong> Aldehyd vorliegt, bildet sich beim vorsichtigen Erwärmen an <strong>der</strong> Reagenzglas-Innenseite<br />

e<strong>in</strong> glänzen<strong>der</strong> Silberspiegel.<br />

Um sowohl Aldehyde als auch Ketone zu erfassen, eignet sich am besten die Bildung <strong>der</strong><br />

schwer löslichen 2,4-D<strong>in</strong>itrophenylhydrazone. Hier reichen zum Nachweis Proben von 5-<br />

10 mg.<br />

292


12.3 Nachweis funktioneller Gruppen<br />

Identifizierung von Aldehyden und Ketonen als 2,4-D<strong>in</strong>itrophenylhydrazone<br />

O 2<br />

N<br />

R<br />

1<br />

C<br />

R2<br />

O<br />

H 2<br />

N N<br />

NO 2<br />

H<br />

1<br />

R<br />

C<br />

2<br />

R<br />

O 2<br />

N<br />

N N<br />

NO 2<br />

H<br />

Reagenzien:<br />

2,4-D<strong>in</strong>itrophenylhydraz<strong>in</strong>: [E, Xn], R 2-22-36/38, S 35, Schmp. 198-201 °C (Zers.)<br />

Schwefelsäure, konz.: [C], R 35, S 26-30-45<br />

2,4-D<strong>in</strong>itrophenylhydraz<strong>in</strong> ist im trockenem Zustand explosionsgefährlich und wird<br />

deshalb immer als Suspension <strong>in</strong> Wasser verwendet (Wassergehalt ca. 33–50%).<br />

1.00 g 2,4-D<strong>in</strong>itrophenylhydraz<strong>in</strong> (als Suspension <strong>in</strong> Wasser) werden <strong>in</strong> 5 ml konz. Schwefelsäure<br />

gelöst und dann unter Schütteln tropfenweise mit 7 ml H 2 O versetzt. Zur noch warmen<br />

Lösung gibt man 25 ml Ethanol.<br />

Zu etwa 0.10 g <strong>der</strong> Carbonylverb<strong>in</strong>dung, gelöst <strong>in</strong> etwas Ethanol o<strong>der</strong>, falls nötig, Glykolmonomethylether<br />

gibt man <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em kle<strong>in</strong>en Erlenmeyer-Kolben 15 ml Reagenzlösung. Das 2,4-<br />

D<strong>in</strong>itrophenylhydrazon fällt meist nach 5–10 M<strong>in</strong>uten aus. Falls sich ke<strong>in</strong> Nie<strong>der</strong>schlag bildet,<br />

wird vorsichtig solange tropfenweise Wasser zugesetzt, bis das Hydrazon ausfällt. Der<br />

fe<strong>in</strong>kristall<strong>in</strong>e Nie<strong>der</strong>schlag wird abgesaugt, mit Ethanol gewaschen und trocken gesaugt.<br />

In den meisten Fällen liegt bereits e<strong>in</strong> re<strong>in</strong>es Produkt vor, das <strong>in</strong>nerhalb von 1 °C schmilzt. Es<br />

kann aus Ethanol, Glykolmonomethylether o<strong>der</strong> Diethylenglykoldimethylether umkristallisiert<br />

werden.<br />

Tabelle 12.5: Derivate e<strong>in</strong>iger Aldehyde und Ketone und ihre Schmelzpunkte<br />

Aldehyd / Keton<br />

Schmelzpunkt <strong>der</strong> Derivate<br />

2,4-D<strong>in</strong>itrophenylhydrazon<br />

Semicarbazon<br />

Formaldehyd 167 °C 169 °C<br />

Acetaldehyd 168 °C 163 °C<br />

Propionaldehyd 155 °C 154 °C<br />

Acrole<strong>in</strong> 166 °C 171 °C<br />

Pivalaldehyd 209 °C 190 °C<br />

Furfural 202 °C 203 °C<br />

Benzaldehyd 237 °C 222 °C<br />

Zimtaldehyd 255 °C 215 °C<br />

Aceton 126 °C 192 °C<br />

Ethylmethylketon 117 °C 143 °C<br />

Cyclohexanon 162 °C 166 °C<br />

Acetophenon 248 °C 199 °C<br />

Benzophenon 232 °C 168 °C<br />

Fluorenon 300 °C 245 °C<br />

293


12. Chemische Analytik<br />

Identifizierung von Aldehyden und Ketonen als Semicarbazone<br />

R<br />

1<br />

C<br />

R2<br />

O<br />

O<br />

H 2<br />

N<br />

O<br />

N NH 2<br />

1<br />

H<br />

R N<br />

C N NH<br />

H<br />

2<br />

R<br />

2<br />

Reagenzien:<br />

Semicarbazid-hydrochlorid: [T], R 25-36/38, S 22-37-45, Schmp. 174–178 °C (Zers.)<br />

Natriumacetat Trihydrat<br />

Semicarbazid-hydrochlorid ist giftig. Der Nachweis darf nur unter dem Abzug und mit<br />

Schutzhandschuhen durchgeführt werden.<br />

In e<strong>in</strong>em kle<strong>in</strong>en Erlenmeyerkolben werden etwa 0.50 g Semicarbazid-Hydrochlorid und<br />

1.00 g Natriumacetat <strong>in</strong> 3 ml Wasser aufgelöst. zu dieser Lösung werden etwa 0.20 g <strong>der</strong> Carbonylverb<strong>in</strong>dung<br />

(gelöst <strong>in</strong> 2–3 ml Ethanol) unter magnetischem Rühren allmählich zugesetzt.<br />

Falls die Kristallisation des entstehenden Nie<strong>der</strong>schlags verzögert ist, lässt man noch<br />

weitere 5–10 M<strong>in</strong>uten im heißen Wasserbad reagieren und reibt mit dem Glasstab an. Nach<br />

dem Abkühlen wird das Rohprodukt abgesaugt und mit etwas 20-proz. Ethanol nachgewaschen.<br />

Zur Umkristallisieren prüfe man Wasser, Ethanol o<strong>der</strong> Toluol.<br />

Bestimmung des Äquivalentgewichts von Carbonsäuren<br />

E<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>gewogene Probe wird <strong>in</strong> wenig Methanol gelöst und mit carbonatfreier 0.1 M NaOH<br />

gegen Phenolphthale<strong>in</strong> titriert.<br />

M<br />

E<br />

=<br />

V⋅<br />

f<br />

M: Äquivalentgewicht;<br />

E: E<strong>in</strong>waage (<strong>in</strong> mg);<br />

V: Volumen (<strong>in</strong> ml) <strong>der</strong> verbrauchten 0.1 M NaOH-Maßlösung;<br />

f: Faktor <strong>der</strong> Maßlösung<br />

Zur Identifizierung von Carbonsäuren und ihren Salzen als Amide und Anilide ist die Umwandlung<br />

<strong>in</strong> die Säurechloride erfor<strong>der</strong>lich.<br />

294


12.3 Nachweis funktioneller Gruppen<br />

Überführung von Carbonsäuren <strong>in</strong> Carbonsäurechloride<br />

R<br />

O<br />

C<br />

OH<br />

SOCl 2<br />

O<br />

R C + SO 2<br />

+ HCl 2<br />

Cl<br />

Reagenzien:<br />

Thionylchlorid: [C], R 14-20/22-29-35, S 26-36/37/39-45, Sdp. 76 °C<br />

Dimethylformamid (DMF): [T], R 61-20/21-36, S 53-45, Sdp. 153 °C<br />

Thionylchlorid reagiert sehr heftig mit Wasser unter Bildung von HCl. DMF ist fruchtschädigend.<br />

Bei <strong>der</strong> Reaktion wird das giftige Schwefeldioxid frei. Die Umsetzung darf<br />

nur unter dem Abzug und mit Schutzhandschuhen durchgeführt werden.<br />

0.50–1.00 g <strong>der</strong> Säure o<strong>der</strong> ihres Salzes werden <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em kle<strong>in</strong>en Schliffkolben mit 2 ml Thionylchlorid<br />

und 2 Tropfen Dimethylformamid versetzt und 30 M<strong>in</strong>uten unter Rückfluss erhitzt<br />

(Abzug!). Das Säurechlorid kann ohne weitere Re<strong>in</strong>igung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>es <strong>der</strong> untenstehenden Derivate<br />

überführt werden.<br />

Identifizierung <strong>der</strong> Carbonsäuren als Amide<br />

R<br />

O<br />

C<br />

Cl<br />

NH 3<br />

R<br />

O<br />

C<br />

NH 2<br />

Reagenz:<br />

Konz. wässrige Ammoniaklösung: [C, N], R 34-50, S 26-36/37/39-45-61<br />

Die Umsetzung sollte nur unter dem Abzug und mit Schutzhandschuhen durchgeführt<br />

werden.<br />

Das Carbonsäurechlorid wird vorsichtig <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em 100 ml Erlenmeyerkolben zu 15 ml eisgekühlter<br />

konz. Ammoniaklösung gegeben. Falls die Reaktion nur langsam e<strong>in</strong>setzt, lässt man<br />

auf Raumtemperatur kommen. Der gebildete Nie<strong>der</strong>schlag wird nach etwa 30 M<strong>in</strong>uten abgesaugt<br />

und mit wenig Wasser nachgewaschen.<br />

Zum Umkristallisieren prüfe man Toluol, Ethanol und Wasser.<br />

295


12. Chemische Analytik<br />

Identifizierung von Carbonsäuren als Anilide<br />

R<br />

O<br />

C<br />

Cl<br />

Ph<br />

NH 2<br />

R<br />

O<br />

C<br />

N<br />

H<br />

Ph<br />

Reagenz:<br />

Anil<strong>in</strong>: [T, N], R 23/24/25-40-41-43-48/23/24/25-68-50, S 26-27-36/37/39-45-46-61-63,<br />

Schmp. –6 °C, Sdp. 184 °C<br />

Anil<strong>in</strong> ist giftig, es besteht <strong>der</strong> Verdacht auf krebserzeugende Wirkung, möglicherweise<br />

besitzt Anil<strong>in</strong> auch e<strong>in</strong>e erbgutverän<strong>der</strong>nde Wirkung. Die Umsetzung darf nur unter dem<br />

Abzug und mit Schutzhandschuhen durchgeführt werden. Nach Möglichkeit sollte e<strong>in</strong><br />

an<strong>der</strong>es Derivat hergestellt werden.<br />

Etwa 1.00 g re<strong>in</strong>es Anil<strong>in</strong> wird <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em kle<strong>in</strong>en Erlenmeyerkolben <strong>in</strong> 10 ml 1 M Natronlauge<br />

mit dem Magnetrührer suspendiert und das Carbonsäurechlorid unter kräftigem Rühren portionsweise<br />

e<strong>in</strong>getragen. Es wird noch 10 M<strong>in</strong>uten weitergerührt, danach abgesaugt. Der Nie<strong>der</strong>schlag<br />

wird nun mit ca. 10 ml 2 M Salzsäure, dann mit ca. 20 ml Wasser nachgewaschen,<br />

scharf trockengesaugt und im Exsikkator getrocknet. Zur Umkristallisation prüfe man Wasser,<br />

Wasser/Ethanol o<strong>der</strong> Toluol/Petrolether (40–60 °C).<br />

Säureamide und –anilide lassen sich ähnlich auch aus den Säureanhydriden darstellen.<br />

Tabelle 12.6: Derivate e<strong>in</strong>iger Carbonsäuren und ihre Schmelzpunkte<br />

Carbonsäure<br />

Schmelzpunkt <strong>der</strong> Derivate<br />

Säureamid<br />

Säureanilid<br />

Essigsäure 82 °C 114 °C<br />

Propionsäure 81 °C 106 °C<br />

Pivalsäure 155 °C 132 °C<br />

Benzoesäure 128 °C 163 °C<br />

Zimtsäure 147 °C 151 °C<br />

Male<strong>in</strong>säure 266 °C 187 °C<br />

Fumarsäure 267 °C 314 °C<br />

Sicherung <strong>der</strong> Identifizierung organischer Verb<strong>in</strong>dungen durch Bildung von Derivaten<br />

Die zuverlässige Identifizierung e<strong>in</strong>er organischen Verb<strong>in</strong>dung durch die Darstellung nur<br />

e<strong>in</strong>es Derivats ist <strong>in</strong> den meisten Fällen nicht möglich. So s<strong>in</strong>d die Schmelzpunkte <strong>der</strong> 3,5-<br />

D<strong>in</strong>itrobenzoate von 1-Butanol (64 °C) und 2-Pentanol (62 °C) so nahe beie<strong>in</strong>an<strong>der</strong> liegend,<br />

dass e<strong>in</strong>e Zuordnung nicht möglich ist. Erst die Darstellung e<strong>in</strong>es zweiten Derivats kann e<strong>in</strong>e<br />

Entscheidung herbeiführen.<br />

296


12.3 Nachweis funktioneller Gruppen<br />

Die Schmelzpunkte <strong>der</strong> p-Nitrobenzoate: 1-Butanol (35 °C) und 2-Pentanol (17 °C) erlauben<br />

die endgültige Zuordnung.<br />

• Konsequenz:<br />

Für e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>deutige Identifizierung bekannter organischer Verb<strong>in</strong>dungen müssen<br />

zwei Derivate dargestellt werden.<br />

297


12. Chemische Analytik<br />

Literaturverzeichnis<br />

Monographien mit Nachschlagetabellen für die Identifizierung organischer Verb<strong>in</strong>dungen:<br />

W. J. Criddle, G. P. Ellis, Spectral and Chemical Characterization of Organic Compounds –<br />

A Laboratory Handbook, Second Edition, John Wiley & Sons, New York 1980.<br />

R. L. Shr<strong>in</strong>er, R. C. Fuson, D. Y. Curt<strong>in</strong>, T. C. Morill (Ed.), The Systematic Identification of<br />

Organic Coumpounds, a Laboratory Manual, 6 th ed., John Wiley & Sons, New York 1980.<br />

J. B. Entrik<strong>in</strong>, N. D. Cheronis, E. M. Hodnett, Semimicro Qualitative Organic Analysis, Third<br />

Edition, Interscience Publisher, New York 1965.<br />

N. D. Cheronis, J. B. Entrik<strong>in</strong>, Identification of Organic Compounds, Interscience Publishers,<br />

New York 1963.<br />

Siehe auch:<br />

H. Laatsch, Die Technik <strong>der</strong> <strong>Organischen</strong> Trennungsanalyse. E<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>führung, Georg Thieme<br />

Verlag, Stuttgart 1988.<br />

298


Kapitel 13<br />

Molekülspektroskopie<br />

13.1 Physikalische Grundlagen<br />

13.2 UV/VIS/NIR-Spektroskopie<br />

13.3 IR-Spektroskopie<br />

13.4 NMR-Spektroskopie<br />

13.4 Massenspektrometrie<br />

Literaturverzeichnis<br />

Der hier vorliegende Text bietet nur e<strong>in</strong>en groben Überblick, es empfiehlt sich e<strong>in</strong> gründlicheres<br />

Studium e<strong>in</strong>schlägiger Monographien, die im Literaturverzeichnis aufgeführt s<strong>in</strong>d.<br />

Die Tabellen 13.2, 13.3, 13.6 und 13.11 wurden mit freundlicher Genehmigung übernommen<br />

aus: M. Hesse, H. Meier, B. Zeeh, Spektroskopische Methoden <strong>in</strong> <strong>der</strong> organischen <strong>Chemie</strong>,<br />

7. Auflage, Georg Thieme Verlag, Stuttgart, New York, 2005.<br />

299


13. Molekülspektroskopie<br />

13.1 Physikalische Grundlagen<br />

Materie kann mit elektromagnetischen Wellen (= Strahlung) <strong>in</strong> Wechselwirkung treten und<br />

dabei entwe<strong>der</strong> Energie aufnehmen (absorbieren) o<strong>der</strong> abgeben (emittieren). Dieses Phänomen<br />

wird von <strong>der</strong> Spektroskopie genutzt, um Eigenschaften <strong>der</strong> Materie zu bestimmen und zu<br />

charakterisieren. In <strong>der</strong> organischen <strong>Chemie</strong> s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e diejenigen spektroskopischen<br />

Methoden von Bedeutung, mit <strong>der</strong>en Hilfe sich Moleküle und Strukture<strong>in</strong>heiten identifizieren<br />

lassen. In diesem Abschnitt kann natürlich nur e<strong>in</strong> grober Überblick über e<strong>in</strong>ige wichtige<br />

spektroskopische Methoden gegeben werden, e<strong>in</strong> Lehrbuch <strong>der</strong> Spektroskopie kann und soll<br />

nicht ersetzt werden.<br />

Elektromagnetische Wellen breiten sich mit Lichtgeschw<strong>in</strong>digkeit c aus, ihre Wellenlänge<br />

und Frequenz ist durch folgende Gleichung für jedes Medium exakt festgelegt:<br />

c = λ ⋅ ν<br />

c : Lichtgeschw<strong>in</strong>digkeit (2.998 ⋅ 10 10 cm ⋅ s –1 im Vakuum)<br />

λ : Wellenlänge<br />

ν : Frequenz<br />

E<strong>in</strong> Lichtquant <strong>der</strong> Frequenz ν besitzt die Energie:<br />

E = h ⋅ν =<br />

h ⋅c<br />

λ<br />

= h ⋅ c ⋅ ν ~ h : Plank’sches Wirkungsquantum (h = 6.626 ⋅ 10 –34 Js)<br />

ν ~ : Wellenzahl<br />

Es wird deutlich, dass <strong>der</strong> Energie<strong>in</strong>halt <strong>der</strong> Welle proportional ihrer Frequenz und umgekehrt<br />

proportional ihrer Wellenlänge ist.<br />

Die Wellenlänge wurde zunächst <strong>in</strong> Angström (Å) angegeben, heute verwendet man meist<br />

Nanometer. An Stelle <strong>der</strong> Frequenz wird meist die Wellenzahl ν ~ <strong>in</strong> cm -1 angegeben.<br />

1 nm = 10 –7 cm; 1 Å = 10 –8 cm; 1 nm = 10 Å<br />

~ 1 ν<br />

ν = =<br />

λ c<br />

Die Wellenzahl ist also <strong>der</strong> reziproke Wert <strong>der</strong> Wellenlänge, z. B.<br />

λ = 10 nm = 10 ⋅ 10 –7 cm, ν ~ =<br />

1<br />

1⋅10<br />

−6<br />

cm<br />

= 10 6 cm -1<br />

Die Energie e<strong>in</strong>es Lichtquants ist direkt proportional zur Frequenz bzw. <strong>der</strong> Wellenzahl. Sie<br />

wird <strong>in</strong> <strong>der</strong> E<strong>in</strong>heit 1 eV (Elektronenvolt) angegeben:<br />

E = hν = hν ~ ⋅ c<br />

Die Energie von 6.02 · 10 23 (= 1 mol) Lichtquanten wird <strong>in</strong> kJ/mol o<strong>der</strong> kcal/mol angegeben,<br />

häufig f<strong>in</strong>det man auch die Angaben kJ/E<strong>in</strong>ste<strong>in</strong> o<strong>der</strong> kcal/E<strong>in</strong>ste<strong>in</strong>. (1 E<strong>in</strong>ste<strong>in</strong> = 1/6.02 · 10 23<br />

als dimensionslose Größe).<br />

300


13.1 Physikalische Grundlagen<br />

Tab. 13.1: Strahlungsenergie verschiedener Wellenlängen<br />

λ [nm] E [kJ/mol] E [kcal/mol]<br />

10 11970 2859<br />

200 598.7 143<br />

400 299.4 71.5<br />

750 } sichtbarer Bereich 159.1 38<br />

Abb. 13.1: Ausschnitt aus dem elektromagnetischen Spektrum mit UV/Vis/NIR-Bereich:<br />

Das Verhältnis <strong>der</strong> durch e<strong>in</strong>e Substanzprobe durchgelassenen Strahlung mit <strong>der</strong> Intensität I<br />

zur e<strong>in</strong>getretenen Strahlung <strong>der</strong> Intensität I 0 wird durch das Lambert-Beer’sche Gesetz beschrieben:<br />

I<br />

D = I<br />

E<br />

0<br />

I<br />

log<br />

I<br />

=<br />

0<br />

= 10 ⋅<br />

− ε ⋅ c d<br />

= ε ⋅ c ⋅ d<br />

D : Durchlässigkeit<br />

E : Ext<strong>in</strong>ktion<br />

ε : molarer Ext<strong>in</strong>ktionskoeffizient <strong>in</strong> cm 2 /mmol<br />

c : Konzentration<br />

d : Schichtdicke<br />

Die Durchlässigkeit (o<strong>der</strong> Transmission) und die Absorption werden <strong>in</strong> Prozent angegeben:<br />

100 % Durchlässigkeit: D = 1.00; E = 0<br />

10 % Durchlässigkeit: D = 0.10; E = 1<br />

1 % Durchlässigkeit: D = 0.01; E = 2<br />

Aus <strong>der</strong> Quantentheorie folgt, dass Moleküle Strahlungsenergie nur ‚gequantelt‘ aufnehmen<br />

(und natürlich auch wie<strong>der</strong> abgeben) können. In <strong>der</strong> Spektroskopie wird die ‚Menge‘ <strong>der</strong> aufgenommenen<br />

Energie gemessen.<br />

Durch die Aufnahme (Absorption) elektromagnetischer Strahlung werden Moleküle aus ihrem<br />

Energie-Grundzustand <strong>in</strong> energetisch höhere, so genannte angeregte Zustände, überführt.<br />

Je nach Energiebereich <strong>der</strong> Strahlung kann es zu völlig verschiedenen Anregungszuständen<br />

kommen:<br />

301


13. Molekülspektroskopie<br />

Elektronenanregungsspektroskopie – UV/Vis/NIR-Spektroskopie<br />

Elektromagnetische Strahlung im Bereich<br />

• nahes UV (200–400 nm, E = 600–300 kJ/mol)<br />

• sichtbares Licht (400–750 nm, E = 300–160 kJ/mol)<br />

• nahes Infrarot, NIR (750–1000 nm, E = 160–120 kJ/mol)<br />

besitzt h<strong>in</strong>reichend Energie, um Elektronen aus b<strong>in</strong>denden Molekülorbitalen (σ, π) und aus<br />

besetzten, nichtb<strong>in</strong>denden n-Orbitalen <strong>in</strong> elektronisch angeregte Zustände zu heben. Diese<br />

Übergänge erfolgen zwischen besetzten und unbesetzten Orbitalen e<strong>in</strong>es Moleküls.<br />

Elektromagnetische Strahlung im <strong>in</strong>fraroten Bereich kann Moleküle vom Schw<strong>in</strong>gungsgrundzustand<br />

<strong>in</strong> angeregte Schw<strong>in</strong>gungszustände überführen. Für organische Verb<strong>in</strong>dungen ist <strong>der</strong><br />

mittlere Infrarot-Bereich (λ = 2500–25000 nm, E = 48–4.8 kJ/mol) von beson<strong>der</strong>er Bedeutung<br />

(siehe Abschnitt 13.3, Infrarotspektroskopie).<br />

13.2 UV/Vis/NIR/Spektroskopie [1–5, 6]<br />

Elektromagnetische Strahlung im Bereich von 200–1000 nm (nahes ultraviolettes bis nahes<br />

Infrarot-Licht besitzt h<strong>in</strong>reichend Energie (E = 600–120 kJ/mol), um Elektronen aus b<strong>in</strong>denden<br />

Molekülorbitalen (σ, π) und aus besetzten nichtb<strong>in</strong>denden n-Orbitalen <strong>in</strong> elektronisch<br />

angeregte Zustände zu heben. Diese Übergänge erfolgen zwischen besetzten und unbesetzten<br />

Orbitalen e<strong>in</strong>es Moleküls. Die Anregungsenergie schließt auch den Bereich des sichtbaren<br />

Lichtes e<strong>in</strong> (λ = 400 bis ca. 750 nm), d. h., diese elektronischen Übergänge s<strong>in</strong>d für die<br />

Farbigkeit von Verb<strong>in</strong>dungen verantwortlich.<br />

Die Absorption <strong>der</strong> e<strong>in</strong>fallenden Strahlung gehorcht dem Lambert-Beer’schen Gesetz, d. h.,<br />

die Absorption ist abhängig von <strong>der</strong> Konzentration, <strong>der</strong> Schichtdicke und dem molaren Ext<strong>in</strong>ktionskoeffizient.<br />

Der molare Ext<strong>in</strong>ktionskoeffizient ε ist e<strong>in</strong> Maß für die Übergangswahrsche<strong>in</strong>lichkeit e<strong>in</strong>es<br />

Anregungsprozesses. Übergänge mit kle<strong>in</strong>em ε (1000) s<strong>in</strong>d ‚erlaubt‘.<br />

13.2.1 Auswahlregeln<br />

Ob e<strong>in</strong> Übergang erlaubt o<strong>der</strong> verboten ist, wird durch aus <strong>der</strong> Quantenmechanik abgeleitete<br />

Auswahlregeln bestimmt:<br />

• Der Gesamtsp<strong>in</strong> S bzw. die Multiplizität M = 2 S + 1 darf sich während e<strong>in</strong>es Übergangs<br />

nicht än<strong>der</strong>n (Sp<strong>in</strong>-Verbot), d. h., S<strong>in</strong>gulett-Zustände können zwar durch Absorption o<strong>der</strong><br />

302


13.2 UV/Vis/NIR/Spektroskopie<br />

Emission <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en an<strong>der</strong>en S<strong>in</strong>gulett-Zustand übergehen, nicht aber <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Triplett-Zustand.<br />

• Elektronenübergänge zwischen zwei Orbitalen s<strong>in</strong>d nur dann erlaubt, wenn sich die Orbitale<br />

<strong>in</strong> ihrer Parität unterscheiden (Paritätsverbot o<strong>der</strong> Regel von Lapporte).<br />

• Elektronenübergänge s<strong>in</strong>d nur dann erlaubt, wenn sich die beiden beteiligten Orbitale<br />

räumlich überlappen (Überlappungsverbot).<br />

Unter Beachtung dieser Auswahlregeln s<strong>in</strong>d die meisten denkbaren Elektronenübergänge<br />

zwischen zwei Orbitalen verboten. In <strong>der</strong> Praxis können jedoch auch verbotene Übergänge<br />

beobachtet werden, hier s<strong>in</strong>d die ε-Werte aber relativ kle<strong>in</strong>. Selbst das Sp<strong>in</strong>-Verbot kann<br />

durch e<strong>in</strong>e wirksame Sp<strong>in</strong>-Bahn-Kopplung bei Anwesenheit schwerer Atome gebrochen werden.<br />

13.2.2 Energieniveauschema<br />

E<strong>in</strong>e wichtige Klassifizierung <strong>der</strong> Übergänge erfolgt nach Art <strong>der</strong> beteiligten Orbitale. Abb.<br />

13.2 zeigt e<strong>in</strong> qualitatives Energieniveauschema für die Elektronenanregung.<br />

Aus diesem e<strong>in</strong>fachen Schema wird ersichtlich, dass σ → σ*-Übergänge die höchsten Anregungsenergien<br />

erfor<strong>der</strong>n, sie liegen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em sehr kurzwelligen Bereich von etwa 120–190 nm<br />

(Vakuum-UV) und können nur mit erheblichem experimentellen Aufwand gemessen werden.<br />

Für die Analytik organischer Moleküle s<strong>in</strong>d vor allem Übergänge von Interesse, die das π-<br />

Elektronensystem o<strong>der</strong> nichtb<strong>in</strong>dende Orbitale betreffen. Alle wichtigen funktionellen Gruppen<br />

besitzen solche π- o<strong>der</strong> n-Orbitale und s<strong>in</strong>d damit <strong>der</strong> UV-Spektroskopie zugänglich.<br />

Abb. 13.2: Elektronenübergänge zwischen Orbitalen<br />

1: σ σ*-Übergang<br />

2: π σ*-Übergang<br />

3: π π*-Übergang<br />

4: n π*-Übergang<br />

5: n σ*-Übergang<br />

Es wird pr<strong>in</strong>zipiell zwischen <strong>der</strong> Anregung von b<strong>in</strong>denden π-Elektronen <strong>in</strong> antib<strong>in</strong>dende π*-<br />

Niveaus und Anregung nichtb<strong>in</strong>den<strong>der</strong> n-Elektronen <strong>in</strong> antib<strong>in</strong>dende π*-Niveaus unterschieden.<br />

303


13. Molekülspektroskopie<br />

Im Allgeme<strong>in</strong>en s<strong>in</strong>d n → π*-Überänge leichter anzuregen, d. h., ihre Absorptionsmaxima<br />

liegen längerwelliger als π → π*-Übergänge. An<strong>der</strong>erseits s<strong>in</strong>d die n → π*-Übergänge im allgeme<strong>in</strong>en<br />

verboten, d. h., ihre ε-Werte liegen etwa 2–3 Zehnerpotenzen niedriger als die erlaubten<br />

π → π*-Übergänge.<br />

Tab. 13.2: Beispiele für die Übergänge zwischen b<strong>in</strong>denden und nichtb<strong>in</strong>denden Orbitalen<br />

(aus Lit. [1]).<br />

Übergang Chromophor Verb<strong>in</strong>dung λ max [nm] ε max<br />

σ σ* C H CH 4 122 <strong>in</strong>tensiv<br />

C C H 3<br />

C CH 3 135 <strong>in</strong>tensiv<br />

n σ*<br />

O<br />

H 3<br />

C OH 183 200<br />

H 5<br />

C 2<br />

O C 2<br />

H 5 189 2000<br />

n σ*<br />

Hal<br />

H 3<br />

C Cl 173 200<br />

H 3<br />

C Br 204 260<br />

H 3<br />

C I 258 380<br />

π π*<br />

H 2<br />

C CH 2 165 16000<br />

C C<br />

H 3<br />

C (HC CH) 1<br />

CH 3 174 24000<br />

(all-trans) H 3<br />

C (HC CH) 2<br />

CH 3 227 24000<br />

H 3<br />

C (HC CH) 4<br />

CH 3 310 76500<br />

H 3<br />

C (HC CH) 6<br />

CH 3 380 146500<br />

π π*<br />

O<br />

C O<br />

CH 3<br />

CCH 3<br />

O<br />

PhCPh<br />

187<br />

253<br />

950<br />

17600<br />

n π*<br />

O<br />

C O<br />

CH 3<br />

CH<br />

O<br />

CH 3<br />

CCH 3<br />

293<br />

273<br />

12<br />

14<br />

n π* N N H 3<br />

C N N CH 3<br />

343 25<br />

N O (CH 3<br />

) 3<br />

C N O<br />

665 20<br />

Diejenigen Teile o<strong>der</strong> funktionelle Gruppen e<strong>in</strong>es Moleküls, <strong>der</strong>en Elektronen für e<strong>in</strong>e entsprechende<br />

Lichtabsorption verantwortlich s<strong>in</strong>d, werden als Chromophore bezeichnet. Zwei<br />

mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> konjugierte Chromophore absorbieren langwelliger als die beiden isolierten<br />

Chromophore; man spricht von e<strong>in</strong>er bathochromen Verschiebung. Die Übergänge e<strong>in</strong>iger<br />

wichtigen Chromophore s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> Tab. 13.2 aufgeführt.<br />

Beim Übergang vom unpolaren Solvens Cyclohexan zum polaren Ethanol wird <strong>der</strong> π → π*-<br />

Übergang langwellig – bathochrom – <strong>der</strong> n → π*-Übergang kurzwellig – hypsochrom –<br />

verschoben (Abb. 13.3).<br />

304


13.2 UV/Vis/NIR/Spektroskopie<br />

Abb. 13.3: UV-Spektrum von Benzophenon <strong>in</strong> Cyclohexan und <strong>in</strong> Ethanol<br />

13.2.3 Inkrementsysteme<br />

Es hat sich gezeigt, dass sich die Lichtabsorption konjugierter Systeme mit e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>fachen,<br />

empirisch ermittelten Inkrementsystem <strong>in</strong> zufriedenstellen<strong>der</strong> Übere<strong>in</strong>stimmung mit den experimentellen<br />

Werten abschätzen lässt. Tab. 13.3 zeigt e<strong>in</strong> solches Inkrementsystem für α,βungesättigte<br />

Ketone (<strong>in</strong> MeOH, EtOH).<br />

Tab. 13.3: Inkrementsystem für α,β-ungesättigte Ketone (aus Lit. [1]).<br />

δ<br />

δ<br />

γ<br />

β<br />

α<br />

C C C C C<br />

Basiswert: X = H 207 nm<br />

O X = Alkyl<br />

215 nm<br />

C C C X = OH, OAlkyl<br />

193 nm<br />

X<br />

Inkremente: für jede weitere konjugierte Doppelb<strong>in</strong>dung: + 30 nm<br />

für jede weitere exocyclische Doppelb<strong>in</strong>dung:<br />

+ 5 nm<br />

für homoannulare Dien-Komponente:<br />

+ 39 nm<br />

Korrektur:<br />

für jeden Substituent <strong>in</strong> Stellung<br />

α β γ δ und höher<br />

Alkyl 10 12 18 18<br />

Cl 15 12 - -<br />

Br 25 30 - -<br />

OH 35 30 - 50<br />

OAlkyl 35 30 17 31<br />

OAcyl 6 6 6 6<br />

Beim Übergang von Ethanol zu an<strong>der</strong>en Solventien<br />

Wasser<br />

CHCl 3<br />

Dioxan<br />

Ether<br />

Hexan<br />

Cyclohexan<br />

O<br />

X<br />

+ 8 nm<br />

– 1 nm<br />

– 5 nm<br />

– 7 nm<br />

– 11 nm<br />

– 11 nm<br />

305


13. Molekülspektroskopie<br />

Beispiele:<br />

H 3<br />

C H O<br />

β C C C<br />

α<br />

C<br />

H<br />

H 3<br />

Basiswert<br />

2-mal Alkyl <strong>in</strong> β-Stellung<br />

Berechnet:<br />

Gefunden:<br />

207 nm<br />

+ 2⋅12 nm<br />

231 nm<br />

235 nm<br />

O<br />

α β γ<br />

δ<br />

R<br />

Basiswert<br />

2-mal C=C<br />

1-mal C=C exocyclisch<br />

homoannulares Dien<br />

Alkyl <strong>in</strong> β<br />

Alkyl <strong>in</strong> δ<br />

2-mal Alkyl höher δ<br />

Berechnet:<br />

Gefunden:<br />

215 nm<br />

+ 2⋅30 nm<br />

+ 5 nm<br />

+ 39 nm<br />

+ 12 nm<br />

+ 18 nm<br />

+ 2⋅18 nm<br />

385 nm<br />

388 nm<br />

Inkrementsysteme lassen sich auch für die langwelligen Absorptionsmaxima von Dienen und<br />

Trienen (acyclisch, homo- bzw. heteroannular) angeben.<br />

13.2.4 Aromatische Systeme<br />

Aromatische Systeme, wie z. B. Benzol (Abb. 13.4), zeigen typische UV-Spektren. Generell<br />

s<strong>in</strong>d für l<strong>in</strong>ear kondensierte aromatische Kohlenwasserstoffe (Naphthal<strong>in</strong>, Anthracen, Tetracen,<br />

Abb. 13.5) neben e<strong>in</strong>em <strong>in</strong>tensiven kurzwelligen Übergang noch weitere symmetrieverbotene<br />

langwellige Absorptionen zu beobachten, die oft e<strong>in</strong>e starke Fe<strong>in</strong>struktur aufweisen.<br />

Durch Substitution wird die Symmetrie des Systems erniedrigt, dadurch nimmt die Intensität<br />

des verbotenen langwelligen Übergangs zu.<br />

Abb. 13.4: UV-Spektrum von Benzol <strong>in</strong><br />

Hexan<br />

306


13.2 UV/Vis/NIR/Spektroskopie<br />

Abb. 13.5: UV/VIS-Spektren von l<strong>in</strong>ear kondensierten aromatischen Kohlenwasserstoffen<br />

Farbe <strong>der</strong> l<strong>in</strong>ear kondensierten aromatischen Kohlenwasserstoffe:<br />

Benzol, Naphthal<strong>in</strong>, Anthracen: farblos<br />

Tetracen:<br />

orangegelb<br />

Pentacen:<br />

blauviolett<br />

Hexacen:<br />

dunkelgrün<br />

13.2.5 Aufnahme von UV/VIS-Spektren – Lösungsmittel für die UV-Spektroskopie<br />

• UV/VIS-Spektren werden <strong>in</strong> Standardgeräten im Bereich von 200–900 nm und mit Ext<strong>in</strong>ktionswerten<br />

bis E = 2 <strong>in</strong> Zweistrahl-Spektrophotometern gemessen. Zum Aufbau und<br />

zur Funktion von Zweistrahl-Spektrometern <strong>in</strong>formiere man sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>schlägigen<br />

Monographien [1].<br />

• Die Spektren werden <strong>in</strong> Lösung aufgenommen. Die Probenlösungen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> Glas- o<strong>der</strong><br />

Quartz-Küvetten von 1 bzw. 10 mm Schichtdicke, <strong>in</strong> den zweiten Strahlengang wird e<strong>in</strong>e<br />

identische Küvette mit dem re<strong>in</strong>en Solvens e<strong>in</strong>gebracht. Die e<strong>in</strong>gesetzten Lösungsmittel<br />

müssen <strong>in</strong> dem Bereich, <strong>in</strong> dem die Absorptionsbanden <strong>der</strong> untersuchten Verb<strong>in</strong>dung<br />

erwartet werden, optisch leer se<strong>in</strong>, d. h., sie dürfen <strong>in</strong> diesem Bereich ke<strong>in</strong>e<br />

Eigenabsorption besitzen.<br />

• In Tab. 13.4 werden die ‚Durchlässigkeit‘ <strong>der</strong> gebräuchlichsten Solventien für die UV-<br />

Spektroskopie angegeben.<br />

Tab. 13.4: Durchlässigkeit organischer Lösungsmittel im UV-Bereich. Der weiße Bereich ist<br />

UV-Durchlässig.<br />

307


13. Molekülspektroskopie<br />

• Küvetten aus optischem Spezialglas s<strong>in</strong>d ab 320 nm durchlässig, Küvetten aus Quarzglas<br />

s<strong>in</strong>d im gesamten nahen UV-Bereich (200–400 nm) optisch durchlässig.<br />

• Die ε-Werte (molare Ext<strong>in</strong>ktionen, die E<strong>in</strong>heit 1000 cm 2 /mol bzw. cm 2 /mmol wird <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Regel nicht angegeben) umfassen e<strong>in</strong>en Bereich von 6 Zehnerpotenzen, allerd<strong>in</strong>gs s<strong>in</strong>d<br />

<strong>der</strong> Empf<strong>in</strong>dlichkeit des Detektors Grenzen gesetzt. Der ε-Wert stellt neben <strong>der</strong> Wellenlänge<br />

e<strong>in</strong>e wichtige Kenngröße dar: Er erlaubt z. B. die Zuordnung <strong>der</strong> Übergänge zu verbotenen<br />

und erlaubten Übergängen. Das bedeutet, dass die Konzentrationen <strong>der</strong> Messlösungen<br />

genau bekannt se<strong>in</strong> müssen, <strong>in</strong> Son<strong>der</strong>fällen müssen mehrere Messungen mit<br />

verschiedenen Konzentrationen durchgeführt werden, um alle Übergänge zu erfassen.<br />

• Im H<strong>in</strong>blick auf die ε-Werte von 10–100000 werden die UV/VIS-Spektren im<br />

Konzentrationsbereich von 10 –4 bis 10 –5 <strong>in</strong> 1 mm o<strong>der</strong> 10 mm-Küvetten aufgenommen.<br />

Da n→π*-Übergänge nur ε-Werte von 10–100 besitzen, muss unter Umständen das<br />

Spektrum zusätzlich mit 10-facher Konzentration gemessen werden.<br />

• Die Messlösungen werden <strong>in</strong> 10–100 ml Messkolben mit <strong>der</strong> Konzentration von 10 –4 bis<br />

10 –5 mol/l hergestellt.<br />

Beispiel: Molekulargewicht <strong>der</strong> UV-aktiven Verb<strong>in</strong>dung: 500 g/mol, 10 –4 mol/l: 50.0 mg/l:<br />

5.00 mg/100 ml. Mit dieser Lösung wird die Küvette beschickt.<br />

Berechnung des ε-Wertes e<strong>in</strong>er Verb<strong>in</strong>dung.<br />

Gemessener E-Wert: 1.86<br />

Konzentration <strong>der</strong> Lösung: c = 5⋅10 –5 mol/l, Schichtdicke: d = 10 mm = 1 cm<br />

Lambert-Beersches Gesetz:<br />

log<br />

I<br />

I<br />

0<br />

E<br />

= ε ⋅c<br />

⋅ d = E;<br />

ε =<br />

c ⋅ d<br />

5 2<br />

1.86 1.86 ⋅10<br />

cm<br />

ε = =<br />

= 37200<br />

−5 5⋅10<br />

mol / l ⋅1 cm 5 mol<br />

• Das Lösungsmittel muss gegenüber <strong>der</strong> Probensubstanz <strong>in</strong>ert se<strong>in</strong>, d. h., es darf ke<strong>in</strong>e<br />

Reaktionen e<strong>in</strong>gehen (wie z. B. Säurechlorid <strong>in</strong> Ethanol).<br />

• Viele Absorptionen s<strong>in</strong>d mehr o<strong>der</strong> weniger stark abhängig von <strong>der</strong> Polarität des Lösungsmittels<br />

(z. B. n→π*-Übergänge <strong>in</strong> Carbonylverb<strong>in</strong>dungen).<br />

• Bei Konzentrationsangaben reaktiver Verb<strong>in</strong>dungen und den daraus berechneten Werten<br />

ist beson<strong>der</strong>e Vorsicht nötig, wenn die Verb<strong>in</strong>dungen dimerisieren, dissoziieren etc. In<br />

diesem Fall muss die Konzentration <strong>der</strong> Spezies <strong>in</strong> <strong>der</strong> Messlösung e<strong>in</strong>gesetzt werden.<br />

Küvetten<br />

Die <strong>in</strong> <strong>der</strong> UV-Spektroskopie verwendeten Küvetten s<strong>in</strong>d optische Präzisionsgeräte. Sie bestehen<br />

im Normalfall aus sehr empf<strong>in</strong>dlichem Quarzglas o<strong>der</strong> optischem Spezialglas. Durch<br />

unsachgemäße Handhabung können sie unbrauchbar werden.<br />

• Die Küvetten sollen nicht über längere Zeit mit Lösungsmittel gefüllt bleiben; dadurch<br />

können die präzisionspolierten Fenster angeätzt werden.<br />

• Zur Re<strong>in</strong>igung dürfen nur re<strong>in</strong>e Lösungsmittel verwendet werden, auf ke<strong>in</strong>en Fall normales<br />

Spülaceton. Es besteht die Gefahr, dass sich Verunre<strong>in</strong>igungen <strong>der</strong> Lösungsmittel <strong>in</strong><br />

den Küvetten ansammeln und nachfolgende Messungen verfälschen.<br />

308


13.3 Infrarotspektroskopie<br />

• Küvetten dürfen auf ke<strong>in</strong>en Fall mit alkalischen Re<strong>in</strong>igungsbä<strong>der</strong>n behandelt werden, um<br />

Anätzungen <strong>der</strong> Fensterfläche zu vermeiden.<br />

• Die Küvetten dürfen nicht an den polierten Festern angefasst werden, son<strong>der</strong>n nur an <strong>der</strong><br />

geriffelten o<strong>der</strong> angerauten ‚Griffseite‘.<br />

• Selbstverständlich müssen alle Kratzer <strong>in</strong> <strong>der</strong> Fensteroberfläche vermieden werden, d. h.,<br />

beim Füllen mit Pipetten o<strong>der</strong> Spritzen und beim E<strong>in</strong>setzen <strong>in</strong> den Küvettenhalter ist Vorsicht<br />

geboten.<br />

• Die Teflon-Verschlussstopfen <strong>der</strong> Küvetten dürfen nicht mit ‚Nachdruck‘ e<strong>in</strong>gesteckt werden:<br />

Bei vollständig gefüllten Küvetten kann das zur Sprengung <strong>der</strong> Küvette durch<br />

Überdruck führen.<br />

• Große Temperatursprünge können bei Glasküvetten zu Spannungen und zum Bruch <strong>der</strong><br />

Küvette führen.<br />

13.3 Infrarotspektroskopie (IR-Spektroskopie) [1–5, 7]<br />

13.3.1 Physikalische Grundlagen<br />

Elektromagnetische Strahlung im Infrarot-Bereich kann Molekülschw<strong>in</strong>gungen anregen. Bei<br />

Raumtemperatur bef<strong>in</strong>den sich die Moleküle im Normalfall <strong>in</strong> ihrem Schw<strong>in</strong>gungsgrundzustand<br />

(S 0 ), durch die Absorption gehen sie <strong>in</strong> den ersten angeregten Schw<strong>in</strong>gungszustand<br />

(S 1 ) über. Die für organische Moleküle wichtigen Schw<strong>in</strong>gungen liegen im mittleren Infrarot<br />

(λ = 2500–25000 nm o<strong>der</strong> 4000–400 cm –1 )<br />

Molekülschw<strong>in</strong>gungen s<strong>in</strong>d Bewegungen <strong>der</strong> Atome e<strong>in</strong>es Moleküls. Jedes Atom kann sich<br />

im Raum <strong>in</strong> drei l<strong>in</strong>ear unabhängige Richtungen bewegen, man spricht von drei Freiheitsgraden.<br />

E<strong>in</strong> Molekül mit N Atomen hat demnach genau drei N Freiheitsgrade, wobei sich zeigen<br />

lässt, dass drei Freiheitsgrade zu e<strong>in</strong>er Translation des gesamten Moleküls im Raum führen<br />

und weitere drei Freiheitsgrade e<strong>in</strong>e Rotation des gesamten Moleküls um se<strong>in</strong>e Hauptträgheitsachsen<br />

ergeben (für l<strong>in</strong>eare Moleküle s<strong>in</strong>d nur zwei Freiheitsgrade <strong>der</strong> Rotation möglich).<br />

Es bleiben also genau<br />

3 N – 5 Freiheitsgrade für l<strong>in</strong>eare Moleküle bzw.<br />

3 N – 6 Freiheitsgrade für nichtl<strong>in</strong>eare Moleküle<br />

für die eigentlichen Molekülschw<strong>in</strong>gungen (Normalschw<strong>in</strong>gungen) übrig. Es lässt sich<br />

zeigen, dass jede beliebige Schw<strong>in</strong>gungsbewegung des Moleküls sich auf e<strong>in</strong>e L<strong>in</strong>earkomb<strong>in</strong>ation<br />

dieser Normalschw<strong>in</strong>gungen zurückführen lässt.<br />

Zweckmäßiger Weise wählt man zur Beschreibung dieser Schw<strong>in</strong>gungen ke<strong>in</strong>e kartesischen<br />

Koord<strong>in</strong>aten, son<strong>der</strong>n <strong>in</strong>terne Koord<strong>in</strong>aten, die Verän<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> B<strong>in</strong>dungslängen<br />

(Streckschw<strong>in</strong>gungen o<strong>der</strong> Valenzschw<strong>in</strong>gungen) o<strong>der</strong> B<strong>in</strong>dungsw<strong>in</strong>kel (Deformationsschw<strong>in</strong>gungen)<br />

beschreiben.<br />

309


13. Molekülspektroskopie<br />

Die Frequenz <strong>der</strong> Streckschw<strong>in</strong>gung 2-atomiger Moleküle mit den Massen m 1 und m 2 lässt<br />

sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> klassischen Näherung mit dem harmonischen Oszillator beschreiben:<br />

1 k<br />

ν = bzw.<br />

2π<br />

μ<br />

~ 1<br />

ν = 2 π ⋅ c<br />

k<br />

μ<br />

mit<br />

μ =<br />

m1<br />

⋅ m2<br />

m + m<br />

1<br />

2<br />

, k: Kraftkonstante<br />

Die Kraftkonstante k kann vere<strong>in</strong>facht als ‚B<strong>in</strong>dungsstärke‘ <strong>in</strong>terpretiert werden. Diese Näherung<br />

kann auch zur qualitativen Beschreibung <strong>der</strong> Lage von Valenzschw<strong>in</strong>gungen von Strukturelementen<br />

<strong>in</strong> größeren Molekülen herangezogen werden. Dazu wird <strong>der</strong> Rest des Moleküls<br />

als starre, große Masse angenommen. Es ergeben sich zwei Faustregeln:<br />

• Mit zunehmen<strong>der</strong> B<strong>in</strong>dungsenergie (BE) zwischen den Atomen nimmt die Valenzschw<strong>in</strong>gungsfrequenz<br />

zu.<br />

B<strong>in</strong>dung BE [kJ/mol] ν ~ [cm –1 ] k [N/m]<br />

C C 837 2000 1500<br />

C C 611 1600 1000<br />

C C 348 1000 500<br />

• Mit steigen<strong>der</strong> Atommasse nimmt die Wellenzahl <strong>der</strong> Valenzschw<strong>in</strong>gungsfrequenz ab:<br />

R X<br />

~<br />

ν [cm –1 ]<br />

C F<br />

1365 – 1120<br />

Zunahme <strong>der</strong><br />

Atommasse<br />

von X<br />

C Cl<br />

C Br<br />

830 – 560<br />

680 – 515<br />

C<br />

I<br />

610 – 485<br />

Aus diesen Fakten wird <strong>der</strong> qualitative Zusammenhang von B<strong>in</strong>dungstyp und Lage <strong>der</strong> Valenzschw<strong>in</strong>gungsfrequenz<br />

verständlich. In <strong>der</strong> Tat ist das Auftreten bestimmter Absorptionsbanden<br />

im IR-Spektrum für die Anwesenheit bestimmter Atomgruppen o<strong>der</strong> funktioneller<br />

Gruppen im Molekül charakteristisch, das IR-Spektrum kann also erste H<strong>in</strong>weise auf die<br />

Struktur e<strong>in</strong>er Verb<strong>in</strong>dung liefern. (Tab. 13.5).<br />

310


13.3 Infrarotspektroskopie<br />

Tab. 13.5: Charakteristische IR-Absorptionen<br />

4000 3500 3000 2500 2000 1500 1000 500 cm -1<br />

C H C C C C<br />

O<br />

N<br />

H<br />

H<br />

C C C<br />

C<br />

N<br />

C<br />

O<br />

C O C Hal<br />

Verschiedene Normalschw<strong>in</strong>gungen können unter bestimmten Voraussetzungen mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong><br />

koppeln, d. h., die Anregungsfrequenzen dieser Schw<strong>in</strong>gungen können nicht isoliert betrachtet<br />

werden, son<strong>der</strong>n hängen vone<strong>in</strong>an<strong>der</strong> ab. Dieser Effekt wird häufig dann beobachtet,<br />

wenn die Oszillatoren ähnliche Frequenzen besitzen und räumlich nahe beie<strong>in</strong>an<strong>der</strong> liegen.<br />

Für organische Moleküle trifft dies im Wesentlichen auf C–C-E<strong>in</strong>fachb<strong>in</strong>dungen zu. Das C–<br />

C-B<strong>in</strong>dungsgerüst liefert zusammen mit C–O- und C–N-E<strong>in</strong>fachb<strong>in</strong>dungen e<strong>in</strong> komplexes<br />

System von Absorptionsbanden, die nicht mehr e<strong>in</strong>zeln <strong>in</strong>terpretiert werden können, jedoch<br />

e<strong>in</strong> sehr charakteristisches Absorptionsmuster zeigen. Wird nur e<strong>in</strong> Atom <strong>in</strong> diesem Gerüst<br />

verän<strong>der</strong>t, entsteht e<strong>in</strong> völlig neues Bandenmuster. Dieser Bereich von etwa 1400 cm –1 bis<br />

600 cm –1 eignet sich deshalb hervorragend zur Identifizierung von Substanzen, er ist sozusagen<br />

e<strong>in</strong> spektroskopischer F<strong>in</strong>gerabdruck des Moleküls und wird deshalb auch ‚F<strong>in</strong>gerpr<strong>in</strong>t-Bereich‘<br />

bezeichnet.<br />

Infrarotstrahlung wird nur dann absorbiert, wenn das Dipolmoment des Moleküls mit dem<br />

elektrischen Vektor <strong>der</strong> Strahlung <strong>in</strong> Wechselwirkung tritt. Dazu muss sich das Dipolmoment<br />

des Moleküls während <strong>der</strong> Schw<strong>in</strong>gung än<strong>der</strong>n. Schw<strong>in</strong>gungen, die symmetrisch zum Symmetriezentrum<br />

des Moleküls erfolgen, führen zu ke<strong>in</strong>er Än<strong>der</strong>ung des Dipolmoments, sie<br />

können nicht beobachtet werden (sie s<strong>in</strong>d verboten bzw. IR-<strong>in</strong>aktiv).<br />

13.3.2 Aufnahme von IR-Spektren<br />

In e<strong>in</strong>fachen Zweistrahl-IR-Spektrometern wird die Infrarot-Strahlung geteilt; e<strong>in</strong> Strahl<br />

durchdr<strong>in</strong>gt die Probe, <strong>der</strong> zweite Strahl (Vergleichs- o<strong>der</strong> Referenz-Strahl) durchläuft e<strong>in</strong>e<br />

identische Weglänge (<strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel durch Luft) und wird zusammen mit dem Messstrahl über<br />

Spiegel zusammengeführt. Beide Strahlen treffen alternierend auf den Monochromator. Hier<br />

werden die Strahlen nach Wellenlängen getrennt und auf e<strong>in</strong>en Detektor gelenkt. Die Intensität<br />

des Messstrahls wird mit <strong>der</strong> Intensität des Referenzstrahls verglichen und <strong>in</strong> Abhängigkeit<br />

von <strong>der</strong> Wellenlänge mit dem Schreiber registriert.<br />

Üblich ist e<strong>in</strong> Messbereich von 4000 bis 600 cm -1 , <strong>der</strong> Bereich von 4000 bis 2000 cm -1 wird<br />

häufig um den Faktor 2 gestaucht. Die Ord<strong>in</strong>ate zeigt die Durchlässigkeit D (o<strong>der</strong> Transmission<br />

T) bzw. die Absorption A <strong>in</strong> Prozent (% D = 100 – % A). Abb. 13.6 zeigt e<strong>in</strong> typisches<br />

IR-Spektrum<br />

311


13. Molekülspektroskopie<br />

Abb. 13.6: Typisches IR-Spektrum<br />

F<strong>in</strong>gerpr<strong>in</strong>t-Bereich<br />

13.3.3 Probenbereitung<br />

Flüssigkeiten<br />

Für unverdünnte Substanzen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> <strong>der</strong> IR-Spektroskopie Schichtdicken von 0.01 bis 0.05<br />

mm ausreichend. Bei e<strong>in</strong>er Probenfläche von etwa 80 mm 2 ist also e<strong>in</strong>e Substanzmenge von<br />

etwa 2 mg erfor<strong>der</strong>lich.<br />

Die Aufnahme von IR-Spektren flüssiger o<strong>der</strong> mäßig flüchtiger Substanzen ist arbeitstechnisch<br />

e<strong>in</strong>fach:<br />

Die Substanz wird als dünner Flüssigkeitsfilm zwischen zwei ‚Fenster‘ aufgetragen und so <strong>in</strong><br />

den Strahlengang e<strong>in</strong>gebracht. Als Fenster dienen klare Scheiben aus NaCl-E<strong>in</strong>kristallen, die<br />

im Bereich von 4000–400 cm -1 ke<strong>in</strong>e Eigenabsorption besitzen.<br />

Am besten br<strong>in</strong>gt man mit e<strong>in</strong>em Glasstab vorsichtig e<strong>in</strong>en Tropfen <strong>der</strong> Substanz auf die<br />

NaCl-Platte (Kochsalzplatten), deckt mit <strong>der</strong> zweiten Platte ab und spannt diese vorsichtig <strong>in</strong><br />

den ‚Plattenhalter‘ e<strong>in</strong> (Abb. 13.7). Die Fixierschreiben dürfen dabei nicht zu fest angezogen<br />

werden, sonst besteht die Gefahr, dass die Platten brechen.<br />

Die Schichtdicke <strong>der</strong> Probe sollte so se<strong>in</strong>, dass die Grundl<strong>in</strong>ie des Spektrums zwischen 80 und<br />

95 % Durchlässigkeit liegt, das <strong>in</strong>tensivste Signal e<strong>in</strong>e Durchlässigkeit von 5–10 % aufweist.<br />

Sitzen die <strong>in</strong>tensivsten Banden auf (‚Plattfuß‘), muss die Schichtdicke etwas verr<strong>in</strong>gert werden.<br />

Am e<strong>in</strong>fachsten geschieht dies durch Abwischen e<strong>in</strong>er NaCl-Platte und nochmaliges<br />

E<strong>in</strong>spannen. Reicht die Intensität <strong>der</strong> Banden nicht aus, wird e<strong>in</strong>fach etwas mehr Substanz<br />

aufgetragen (siehe unten).<br />

Abb. 13.7: Vorbereitung <strong>der</strong> Kochsalzplatten für die Messungen<br />

312


13.3 Infrarotspektroskopie<br />

Re<strong>in</strong>igung: Die Kochsalzplatten dürfen auf ke<strong>in</strong>en Fall mit Wasser o<strong>der</strong> feuchten organischen<br />

Lösungsmitteln (z. B. Alkohole, nie<strong>der</strong>e Carbonsäuren) <strong>in</strong> Berührung kommen; die<br />

Platten werden angelöst und damit unbrauchbar. NaCl-Platten müssen unbed<strong>in</strong>gt im Exsikkator<br />

über Kieselgel aufbewahrt werden.<br />

Zur Re<strong>in</strong>igung werden die Platten mit trockenem Petrolether o<strong>der</strong> CHCl 3 gespült und danach<br />

mit e<strong>in</strong>em weichen Papiertuch getrocknet. Auf ke<strong>in</strong>en Fall dürfen die Platten mit e<strong>in</strong>em harten<br />

Gegenstand (Spatel) behandelt werden, da sie sehr empf<strong>in</strong>dlich gegenüber Kratzer s<strong>in</strong>d. Der<br />

hohe Preis <strong>der</strong> Platten rechtfertigt den sorgfältigen Umgang!<br />

Feste Substanzen – Nujol-Technik<br />

Die e<strong>in</strong>fachste Aufnahmetechnik für feste Substanzen ist die Suspendierung dieser Stoffe <strong>in</strong><br />

Paraff<strong>in</strong>öl (= Nujol), seltener auch <strong>in</strong> Perfluorkeros<strong>in</strong> ( = Fluorolube).<br />

Dazu werden etwa 5–7 mg <strong>der</strong> Substanzprobe zuerst trocken zwischen zwei mattierten Glasplatten<br />

durch drehende Bewegungen fe<strong>in</strong> verrieben, danach wird e<strong>in</strong> Tropfen Nujol zugefügt<br />

und solange gründlich weiter verrieben, bis e<strong>in</strong>e klare Suspension entsteht. Die Suspension<br />

wird auf <strong>der</strong> Glasplatte zusammen geschoben und vorsichtig auf die NaCl-Platte übertragen.<br />

Die zweite Platte wird dann mit drehenden Bewegungen vorsichtig aufgedrückt, nach dem<br />

E<strong>in</strong>spannen <strong>in</strong> den Plattenhalter ist die Probe zur Messung bereit.<br />

Nujol besitzt im Wellenzahlenbereich von 4000–400 cm -1 nur drei, allerd<strong>in</strong>gs sehr starke Absorptionsbanden<br />

bei etwa 3900, 1450 und 1350 cm -1 , die natürlich Absorptionen <strong>der</strong> Substanzprobe<br />

überdecken.<br />

E<strong>in</strong> häufiger Fehler dieser Technik ist e<strong>in</strong>e zu ger<strong>in</strong>ge Probenkonzentration: die Absorptionen<br />

<strong>der</strong> Substanz verschw<strong>in</strong>den dann praktisch im Nujol-Untergrund.<br />

Feste Substanzen – Pressl<strong>in</strong>g-Technik<br />

KBr ist ähnlich wie NaCl im IR-Bereich vollständig durchlässig und besitzt unter hohem<br />

Druck die Eigenschaft des ‚kalten Flusses‘; das KBr wird zähflüssig und umschließt die Probensubstanz-Teilchen<br />

vollständig.<br />

In <strong>der</strong> Praxis werden etwa 1–2 mg <strong>der</strong> Substanz mit etwa 300 mg wasserfreiem KBr <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

Achatmörser gründlich (ca. 5 M<strong>in</strong>uten) verrieben. Diese Mischung wird nun <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Pressform<br />

(Abb. 13.8) gegeben und unter Anlegen von Vakuum <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er hydraulischen Presse bei<br />

ca. 7500 bar etwa 2 M<strong>in</strong>uten gepresst. Anschließend wird <strong>der</strong> Druck vorsichtig abgelassen,<br />

die Pressform zerlegt und <strong>der</strong> klare Pressl<strong>in</strong>g (e<strong>in</strong>e Tablette von ca. 1 mm Dicke und meist<br />

13 mm Durchmesser) vorsichtig herausgedrückt und <strong>in</strong> die spezielle Halterung e<strong>in</strong>gesetzt. Die<br />

Probe ist messbereit.<br />

313


13. Molekülspektroskopie<br />

Abb. 13.8: Schematischer Aufbau e<strong>in</strong>er KBr-Pressform<br />

Der Pressstempel wird am besten vorsichtig mit dem Handrad <strong>der</strong> hydraulischen Presse unter<br />

Zuhilfenahme e<strong>in</strong>es Plastikr<strong>in</strong>gs herausgedrückt. Jede Gewaltanwendung führt unweigerlich<br />

zum Verkanten des Stempels, das Presswerkzeug (Preis ca. € 900) wird unbrauchbar!<br />

Ebenso muss <strong>der</strong> auf <strong>der</strong> Presse angegebene Druckbereich unbed<strong>in</strong>gt e<strong>in</strong>gehalten werden. Bei<br />

höheren Drucken kann das Presswerkzeug verformt werden.<br />

Fehlerquellen:<br />

• Der Pressl<strong>in</strong>g ist zu dünn und bricht beim Herausnehmen. In diesem Fall mit etwas mehr<br />

KBr nochmals verreiben und erneut pressen.<br />

• KBr ist hygroskopisch. Bei zu langsamem Verreiben wird so viel Feuchtigkeit aufgenommen,<br />

dass im Spektrum zwei breite, <strong>in</strong>tensive Wasserbanden bei 3450 und 1640 cm -1 auftreten.<br />

• Wird die Substanz/KBr-Mischung nicht genügend fe<strong>in</strong> verrieben, kommt es zu Streueffekten<br />

(Christiansen-Effekt). Die Grundl<strong>in</strong>ie fällt <strong>in</strong> Richtung kle<strong>in</strong>erer Wellenzahlen stark<br />

ab (Abb. 13.9a).<br />

• Trübe Pressl<strong>in</strong>ge mit ger<strong>in</strong>ger Durchlässigkeit treten auf, wenn die Probe nicht ausreichend<br />

ges<strong>in</strong>tert ist (zu niedriger Pressdruck o<strong>der</strong> zu kurze Presszeit, Abb. 13.9b).<br />

• Bei zu hohen Substanzkonzentrationen im Pressl<strong>in</strong>g (‚Plattfüße‘, Abb. 13.9c) empfiehlt es<br />

sich, die Tablette zu halbieren und erneut mit KBr zu verreiben.<br />

314


13.3 Infrarotspektroskopie<br />

Abb. 13.9: Fehlerhafte IR-Spektren (KBr <strong>in</strong> Transmission):<br />

a) Stark driftende Grundl<strong>in</strong>ie<br />

(Christiansen-Effekt)<br />

b) Zu ger<strong>in</strong>ge Durchlässigkeit<br />

c) Zu viel Substanz, Banden<br />

sitzen auf<br />

d) Zu wenig Substanz<br />

e) E<strong>in</strong>wandfreies IR-<br />

Spektrum<br />

315


13. Molekülspektroskopie<br />

13.3.4 Interpretation von IR-Spektren<br />

IR-Spektren werden ausgewertet durch Angabe <strong>der</strong> charakteristischen Absorptionen mit<br />

Wellenzahl (cm –1 ), Intensität <strong>der</strong> Bande (vs (very strong), s (strong), m (medium), w<br />

(weak)) und <strong>der</strong> Zuordnung zu Molekülschw<strong>in</strong>gungen. Vor allem bei <strong>der</strong> Zuordnung ist<br />

größte Vorsicht geboten, beson<strong>der</strong>s im Bereich unterhalb etwa 1400 cm -1 . Die e<strong>in</strong>deutige Zuordnung<br />

ist im F<strong>in</strong>gerpr<strong>in</strong>tbereich nur mit großem Aufwand und ausschließlich bei kle<strong>in</strong>en<br />

Molekülen möglich. Der Anfänger neigt hier gerne zur ‚Über<strong>in</strong>terpretation‘ <strong>der</strong> Spektren.<br />

Im Allgeme<strong>in</strong>en ist <strong>in</strong> <strong>der</strong> IR-Spektroskopie häufig die Abwesenheit e<strong>in</strong>er Bande aussagekräftiger<br />

als die Beobachtung e<strong>in</strong>er Bande im problematischen Bereich.<br />

Tab. 13.6: Lage charakteristischer IR-Absorptionen (Intensitäten: s = stark, m = mittel, w =<br />

schwach, v = variabel) (aus Lit. [1]).<br />

a) C-H, N-H, OH, P-H und S-H-Valenzschw<strong>in</strong>gungen<br />

3600 3400 3200 3000 2800 2600 2400 cm–1<br />

s<br />

CH 3<br />

C H 2<br />

w<br />

CH<br />

w<br />

w<br />

O<br />

H<br />

H<br />

CHO<br />

H<br />

H<br />

C H 2 X<br />

m<br />

OC H 3<br />

m<br />

m<br />

O C H 2 O<br />

N C H 3<br />

s<br />

C C H<br />

m<br />

H<br />

C C H<br />

m<br />

C C H<br />

freie<br />

OH<br />

assoziiert<br />

m<br />

w<br />

assoziiert, "Chelat"-Typ<br />

Ar H<br />

O H<br />

NH 2<br />

N H<br />

m<br />

m<br />

assoziiert<br />

w<br />

—CONH 2 <strong>in</strong> Lösung<br />

m<br />

2 Banden<br />

—CONH 2<br />

im festen Zustand<br />

m<br />

2 Banden wenn acyclisch<br />

m 2 o<strong>der</strong> 3 Banden wenn acyclisch<br />

m<br />

m<br />

—CONH— <strong>in</strong> Lösung<br />

—CONH— im festen Zustand<br />

+<br />

NH 3<br />

+ + +<br />

NH 2<br />

N H N H<br />

w<br />

S<br />

H<br />

m<br />

m<br />

P<br />

H<br />

P O H<br />

O<br />

316


13.3 Infrarotspektroskopie<br />

b) Valenzschw<strong>in</strong>gungen von Dreifachb<strong>in</strong>dungen und kumulierten Doppelb<strong>in</strong>dungen<br />

w<br />

C<br />

CH<br />

v<br />

C<br />

C<br />

v<br />

C<br />

N<br />

s<br />

2400 2300 2200 2100 2000 1900 cm –1 + –<br />

+<br />

N N<br />

s<br />

S<br />

C<br />

N<br />

s<br />

O<br />

C O<br />

s<br />

N<br />

C O<br />

s<br />

s<br />

N<br />

N<br />

N N<br />

C N<br />

s<br />

C<br />

C O<br />

s<br />

s<br />

s<br />

N C S<br />

– +<br />

C N N<br />

C C N<br />

m<br />

C C C<br />

c) Valenzschw<strong>in</strong>gungen von Doppelb<strong>in</strong>dungen (C=O siehe 13.6d!)<br />

1800 1700 1600 1500 1400 cm –1<br />

v<br />

C N<br />

v<br />

C C C N<br />

v<br />

C N<br />

cyclisch konjugiert<br />

m-w<br />

v<br />

v<br />

N N<br />

- O<br />

+<br />

N N<br />

C C<br />

m<br />

C C<br />

Aryl konjugiert<br />

s<br />

s<br />

C C<br />

<strong>in</strong> Dienen, Trienen etc.<br />

s<br />

s<br />

C C<br />

C C N<br />

<strong>in</strong> V<strong>in</strong>ylketonen<br />

C C O<br />

m<br />

m<br />

Benzole, Pyrid<strong>in</strong>e etc.<br />

s<br />

C NO 2<br />

s<br />

O NO 2<br />

s<br />

N NO 2<br />

s<br />

C N O<br />

s<br />

s<br />

O N O<br />

N N O<br />

317


13. Molekülspektroskopie<br />

d) Valenzschw<strong>in</strong>gungen <strong>der</strong> C=O-Gruppe<br />

1900 1800 1700 1600 1500 cm –1<br />

2 Banden<br />

s<br />

Carbonsäureanhydride<br />

s<br />

Carbonsäurechloride<br />

s<br />

Persäuren<br />

s<br />

gesättigte Ester<br />

s<br />

Aryl- und α,β-ungesättigte Ester<br />

s<br />

—CO—O—C=C<br />

s<br />

α-Halogen- α-Ketoester<br />

s<br />

5-R<strong>in</strong>g-Lactone<br />

s<br />

α,β-ungesättigte 5-R<strong>in</strong>g-Lactone<br />

s<br />

β,γ-ungesättigte 5-R<strong>in</strong>g-Lactone<br />

s<br />

s<br />

s<br />

4-R<strong>in</strong>g-Lactone<br />

Aldehyde, Ketone, Ester<br />

mit <strong>in</strong>tramolekularen H-Brücken<br />

gesättigte Aldehyde<br />

s<br />

Aryl- und ungesättigte Aldehyde<br />

s<br />

gesättigte Ketone<br />

s<br />

Aryl- und α,β-ungesättigte Ketone<br />

s<br />

s<br />

α,β- und α',β'-ungesättigte Ketone,<br />

Ch<strong>in</strong>one<br />

5-R<strong>in</strong>g-Ketone<br />

s<br />

4-R<strong>in</strong>g-Ketone<br />

s<br />

α-Halogen- und α,α'-Dihalogen-Ketone<br />

s<br />

1,2-Diketone<br />

s<br />

gesättigte Carbonsäuren<br />

s<br />

s<br />

Aryl- und α,β-ungesättigte<br />

Carbonsäuren<br />

α-Halogen-Carbonsäuren<br />

s<br />

Carboxylat-Ionen<br />

s<br />

s<br />

primäre Amide, <strong>in</strong> Lösung<br />

2 Banden<br />

s<br />

primäre Amide, im festen Zustand<br />

s<br />

s<br />

s<br />

s<br />

s<br />

N-monosubstituierte Amide, <strong>in</strong> Lösung<br />

N-monosubstituierte Amide,<br />

im festen Zustand<br />

N,N-disubstituierte Amide<br />

s<br />

Lactame (4-R<strong>in</strong>g)<br />

s<br />

Lactame (5-R<strong>in</strong>g)<br />

s<br />

2 Banden<br />

Imide<br />

s<br />

Urethane<br />

s<br />

Thioester (R—CO—S—R')<br />

318


13.3 Infrarotspektroskopie<br />

e) charakteristische Absorptionen im F<strong>in</strong>gerpr<strong>in</strong>t-Bereich<br />

1400 1200 1000 800<br />

m<br />

m<br />

s<br />

w<br />

Alkane<br />

O<br />

C CH 3<br />

1500 1300 1100 900 700 cm –1 (Doppelbande)<br />

O<br />

O C CH 3<br />

m<br />

s<br />

C(CH 3<br />

) 3<br />

s<br />

C(CH 3<br />

) 2<br />

s<br />

CH<br />

CH<br />

trans-Alkene<br />

s/m<br />

CH<br />

Alkene<br />

s<br />

O<br />

H<br />

s<br />

C<br />

O<br />

s<br />

s<br />

5 benachbarte aromatische C–H<br />

4 benachbarte aromatische C–H<br />

s<br />

3 benachbarte aromatische C–H<br />

s<br />

2 benachbarte aromatische C–H<br />

w<br />

1 isoliertes aromatisches C–H<br />

s<br />

C NO 2<br />

s<br />

s<br />

O NO 2<br />

N NO 2<br />

s<br />

N N O<br />

s<br />

s<br />

+ –<br />

N O<br />

s<br />

s<br />

C S<br />

S<br />

C NH<br />

s<br />

SO<br />

s<br />

SO 2<br />

s<br />

s<br />

SO 2<br />

N<br />

s<br />

s<br />

SO 2<br />

O<br />

s<br />

s<br />

P O Alkyl<br />

s<br />

P O Aryl<br />

s<br />

P O<br />

s<br />

P O OH<br />

s<br />

C F<br />

s<br />

s<br />

C Cl<br />

319


13. Molekülspektroskopie<br />

13.4 NMR-Spektroskopie [1–5, 8, 9]<br />

13.4.1 Physikalische Grundlagen<br />

E<strong>in</strong> Atomkern ist aus positiv geladenen Protonen und aus Neutronen aufgebaut. Diese<br />

Nukleonen besitzen Eigendrehimpulse, die sich zum Gesamtdrehimpuls p des Kerns<br />

(= Kernsp<strong>in</strong>) aufaddieren. Für Kerne mit e<strong>in</strong>er ungeraden Protonen- o<strong>der</strong> Neutronenzahl<br />

ergibt sich daraus e<strong>in</strong> magnetisches Moment μ, sie verhalten sich wie kle<strong>in</strong>e Stabmagneten.<br />

μ = γ ⋅ p<br />

γ : Gyromagnetisches Verhältnis, e<strong>in</strong>e für die Kernart<br />

charakteristische Größe ( 1 H: 26,752 [10 7 rad/T·s])<br />

Nach <strong>der</strong> Quantentheorie kann <strong>der</strong> Kerndrehimpuls p nur bestimmte Werte annehmen, die<br />

durch die Kerndrehimpuls- o<strong>der</strong> Kernsp<strong>in</strong>-Quantenzahl I bestimmt werden. I ist ganzo<strong>der</strong><br />

halbzahlig (0, 1/2, 1, 3/2,..) und für den jeweiligen Atomkern charakteristisch:<br />

p =<br />

h<br />

I(<br />

I + 1) ⋅ und<br />

2π<br />

μ = γ ⋅<br />

h<br />

I(<br />

I + 1) ⋅<br />

2π<br />

Beim Anlegen e<strong>in</strong>es äußeren, homogenen, statischen Magnetfelds B 0 nimmt <strong>der</strong> Drehimpuls<br />

p nur bestimmte ausgewählte Orientierungen zum B 0 -Vektor e<strong>in</strong> (Richtungsquantelung).<br />

Die möglichen Orientierungen werden durch die magnetische Quantenzahl m beschrieben, m<br />

geht von +I bis –I (I, I–1, ... –I+1, –I). Im Koord<strong>in</strong>atensystem wählt man für die z-Achse die<br />

Richtung des statischen Magnetfeldes:<br />

I = ½ I = 1<br />

Die Komponente von p <strong>in</strong> Feldrichtung beträgt p z , die Energie <strong>der</strong> Zustände E m :<br />

p<br />

z<br />

h<br />

h<br />

= mz<br />

⋅<br />

Em<br />

= mz<br />

⋅γ<br />

⋅ ⋅ B0<br />

2π<br />

2π<br />

Für Kerne mit <strong>der</strong> Kernsp<strong>in</strong>-Quantenzahl I = 1/2 s<strong>in</strong>d genau zwei Orientierungen möglich.<br />

Die parallele Ausrichtung von p z zu B 0 (m = –1/2) ist die energieärmere, sie wird als α-Zustand<br />

bezeichnet. Der β-Zustand (m = +1/2, p z antiparallel zu B 0 ) besitzt die höhere Energie.<br />

Die Energiedifferenz ΔE zwischen den beiden Zuständen ist abhängig vom äußeren Magnetfeld<br />

B 0 und vom gyromagnetischen Verhältnis γ des Kerns:<br />

320


13.4 NMR-Spektroskopie<br />

Die Energiedifferenz zwischen beiden Zuständen kann auch mit <strong>der</strong> Kreisfrequenz ω<br />

(Lamor-Frequenz) beschrieben werden, mit <strong>der</strong> <strong>der</strong> Drehimpuls-Vektor um die z-Achse rotiert<br />

(vergleichbar mit e<strong>in</strong>em Kreisel):<br />

h h<br />

Δ E = γ ⋅ B0<br />

⋅ = ω0<br />

⋅ = hν<br />

0<br />

2π<br />

2π<br />

Elektromagnetische Strahlung mit <strong>der</strong> Frequenz ν 0 (Resonanzfrequenz) kann die Inversion<br />

des Sp<strong>in</strong>s vom energieärmeren α-Zustand <strong>in</strong> den β-Zustand bewirken. Für Protonen ( 1 H-<br />

Kerne) liegt die Resonanzfrequenz für e<strong>in</strong> Magnetfeld B 0 = 2.35 T bei 100 MHz, das entspricht<br />

e<strong>in</strong>er Radiowelle von λ = 3 m o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>er Energie von 4 ⋅ 10 –5 kJ/mol.<br />

Die Energiemenge, die absorbiert werden kann, ist abhängig von <strong>der</strong> unterschiedlichen Besetzung<br />

<strong>der</strong> beiden Zustände α und β. Der Besetzungsunterschied kann aus <strong>der</strong> Boltzmann-<br />

Verteilung berechnet werden:<br />

ΔE<br />

nα kT<br />

= e ≈ 1.000016 (für ν 0 = 100 MHz, T = 298 K)<br />

n<br />

β<br />

Der ger<strong>in</strong>ge Besetzungsunterschied erfor<strong>der</strong>t sehr empf<strong>in</strong>dliche Spektrometer, außerdem wird<br />

durch Absorption sehr rasch Sättigung auftreten, d.h. <strong>der</strong> Besetzungsunterschied wird aufgehoben.<br />

Es könnte ke<strong>in</strong>e weitere Energie absorbiert werden, wenn nicht gleichzeitig <strong>der</strong> umgekehrte<br />

Prozess, sie sog. Relaxation stattfände.<br />

Die beim Übergang e<strong>in</strong>es Kerns von e<strong>in</strong>em höheren <strong>in</strong> e<strong>in</strong> nie<strong>der</strong>es Niveau freiwerdende<br />

Energie kann als Wärme an die Umgebung abgegeben werden: Sp<strong>in</strong>-Gitter-Relaxation. Die<br />

Kernmomente können mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> wechselwirken (Sp<strong>in</strong>-Sp<strong>in</strong>-Relaxation) und dadurch <strong>in</strong><br />

niedrigere Niveaus übergehen.<br />

Für die NMR-Spektroskopie ist es wichtig, dass die Sp<strong>in</strong>quantenzahl <strong>der</strong> Atomkerne I = 1/2<br />

ist. Kerne mit größerer Sp<strong>in</strong>-Quantenzahl besitzen zusätzlich e<strong>in</strong> Kern-Quadrupolmoment,<br />

das die NMR-Spektren durch e<strong>in</strong>e Signalverbreiterung stört.<br />

321


13. Molekülspektroskopie<br />

In <strong>der</strong> organischen <strong>Chemie</strong> s<strong>in</strong>d die Kerne mit <strong>der</strong> Sp<strong>in</strong>quantenzahl I = 1/2: 1 H, 13 C, 15 N, 19 F,<br />

20 Si, 31 P und 77 Se wichtig. Die Atome 7 Li, 11 B, 17 O und 33 S mit I = 3/2 bzw. 5/2 ( 17 O) s<strong>in</strong>d nur<br />

bed<strong>in</strong>gt für die NMR-Spektroskopie brauchbar. 13 C, 15 N, 29 Si und 77 Se führen wegen <strong>der</strong> ger<strong>in</strong>gen<br />

natürlichen Häufigkeit (0.356–7.6 %) zu zusätzlichen messtechnischen Problemen.<br />

Messpr<strong>in</strong>zip<br />

NMR-Spektren werden <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel <strong>in</strong> Lösung gemessen. Um die Signale des Lösungsmittels<br />

zu unterdrücken, verwendet man für 1 H-NMR-Spektren deuterierte Lösungsmittel (die Wasserstoffatome<br />

s<strong>in</strong>d hier weitgehend durch das Isotop 2 H Deuterium ersetzt). Der Substanzbedarf<br />

für Rout<strong>in</strong>espektren ist etwa 0.03 mmol <strong>in</strong> 0.8 ml Lösung für 1 H-Spektren bzw. 0.1<br />

mmol für 13 C-Spektren.<br />

Das Röhrchen mit <strong>der</strong> Messlösung wird <strong>in</strong> das Magnetfeld e<strong>in</strong>gebracht und rotiert um se<strong>in</strong>e<br />

Längsachse, um Inhomogenitäten des Magnetfeldes auszumitteln. Senkrecht zum Magnetfeld<br />

ist die Sen<strong>der</strong>spule für die Anregung (Sp<strong>in</strong><strong>in</strong>version) angeordnet.<br />

Alle mo<strong>der</strong>nen NMR-Spektrometer arbeiten heute nach <strong>der</strong> Puls-Fourier-Transformations-<br />

Technik (PFT-NMR o<strong>der</strong> kurz FT-NMR): Wie bereits oben beschrieben, bef<strong>in</strong>den sich <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>em äußerem Magnetfeld mehr Kerne im α-Zustand als im β-Zustand. Daraus ergibt sich<br />

für die Vektorsumme <strong>der</strong> magnetischen Momente e<strong>in</strong>e Gesamtmagnetisierung <strong>in</strong> Richtung<br />

des angelegten Magnetfeldes (longitud<strong>in</strong>ale Magnetisierung). Die Anregung erfolgt als kurzer<br />

Hochfrequenz-Impuls, dadurch wird <strong>der</strong> Vektor <strong>der</strong> Gesamtmagnetisierung um den Pulsw<strong>in</strong>kel<br />

α ausgelenkt (Quermagnetisierung o<strong>der</strong> transversale Magnetisierung). Gemessen wird das<br />

Verschw<strong>in</strong>den dieser Quermagnetisierung durch die Relaxation gegen die Zeit (FID, free<br />

<strong>in</strong>duction decay). Um ‚normale‘ Spektren zu erhalten wird <strong>der</strong> FID (entsprechend dem Spektrum<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Zeitdomäne) durch e<strong>in</strong>e Fourier-Transformation <strong>in</strong> die Frequenzdomäne überführt.<br />

Die Puls-Fourier-Transformations-Technik bietet gegenüber <strong>der</strong> früher üblichen analogen<br />

Messung viele Vorteile:<br />

Der Zeitaufwand für e<strong>in</strong>e Messung ist ger<strong>in</strong>g, es können auch im Rout<strong>in</strong>ebetrieb mehrere<br />

Spektren nache<strong>in</strong>an<strong>der</strong> aufgenommen und die erhaltenen FID's aufaddiert (akkumuliert) werden.<br />

Dadurch wird e<strong>in</strong>e höhere Empf<strong>in</strong>dlichkeit erreicht.<br />

Durch komplexe Pulsfolgen können zusätzliche Informationen erhalten o<strong>der</strong> komplexe Spektren<br />

vere<strong>in</strong>facht werden.<br />

Zur Theorie dieser Pulsfolgen und den dadurch erhaltenen Spektren wird auf die Literatur<br />

verwiesen [Lit. 1, 8 und 9].<br />

13.4.2 Die chemische Verschiebung<br />

Die äußere Magnetfeldstärke B 0 wird <strong>in</strong> charakteristischer Weise von <strong>der</strong> elektronischen Umgebung<br />

des betrachteten Atomkerns bee<strong>in</strong>flusst. Die effektive Magnetfeldstärke wird durch<br />

e<strong>in</strong> <strong>in</strong>duziertes Feld σ ⋅B 0 modifiziert.<br />

322


13.4 NMR-Spektroskopie<br />

B eff = B 0 - σ⋅B 0<br />

γ<br />

ν = B (1 −<br />

2π<br />

0<br />

σ )<br />

σ ≡ Abschirmungskonstante, dimensionslos<br />

Je stärker e<strong>in</strong> Kern abgeschirmt ist, desto größer ist σ, B eff wird kle<strong>in</strong>er.<br />

Bei konstantem ν muss B 0 größer werden um die Resonanzbed<strong>in</strong>gung zu erfüllen. Bei konstanten<br />

B 0 muss umgekehrt ν mit zunehmen<strong>der</strong> Abschirmung abnehmen.<br />

Wegen ν = f (B 0 ) lässt sich die Lage des Resonanzsignale nicht durch e<strong>in</strong>e absolute Skala von<br />

ν bzw. B angeben. Die Signallage wird bei <strong>der</strong> 1 H- und 13 C-NMR-Spektroskopie auf Tetramethylsilan<br />

Si(CH 3 ) 4 (TMS) bezogen. Bei <strong>der</strong> Messfrequenz ν wird die Differenz <strong>der</strong> Signallagen<br />

vom untersuchten Kern X ( 1 H, 13 C) und TMS bestimmt.<br />

γ<br />

ΔB = B(X) – B(TMS) Δν = ν (X) – ν (TMS) = ⋅ ΔB<br />

2π<br />

Als chemische Verschiebung (chemical shift) δ von 1 H bzw. 13 C wird def<strong>in</strong>iert:<br />

δ (X) = 10 6<br />

Δν<br />

ν<br />

mit δ (TMS) = 0<br />

Da Δν im Vergleich zu ν sehr kle<strong>in</strong> ist (siehe unten) wird <strong>der</strong> Faktor 10 6 e<strong>in</strong>geführt, d. h., δ<br />

wird <strong>in</strong> parts per million (ppm) angegeben.<br />

13.4.3 Intensität <strong>der</strong> Signale<br />

Die Integration <strong>der</strong> Signale liefert e<strong>in</strong> Maß für die Intensität des Übergangs. Sie ist direkt proportional<br />

zum Besetzungsunterschied <strong>der</strong> am Übergang beteiligten Energiezustände und damit<br />

abhängig von den Relaxationszeiten <strong>der</strong> Kerne. Für Protonen s<strong>in</strong>d die Relaxationszeiten <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Regel kle<strong>in</strong>, die Integrale <strong>der</strong> Signale <strong>in</strong> 1 H-NMR-Spekren entsprechen <strong>der</strong> Anzahl <strong>der</strong><br />

beteiligten Protonen.<br />

13 C-Kerne besitzen deutlich längere Relaxationszeiten, die sich außerdem – abhängig von den<br />

Substituenten – stark unterscheiden. Deshalb erlauben die Integrale <strong>in</strong> Rout<strong>in</strong>e- 13 C-NMR-<br />

Spektren ke<strong>in</strong>e quantitativen Aussagen.<br />

323


13. Molekülspektroskopie<br />

13.4.4 1 H-NMR-Spektroskopie<br />

Die δ-Skala <strong>der</strong> H-Atome (Protonen) liegt im Bereich von –1 bis +13 ppm. In beson<strong>der</strong>en<br />

Verb<strong>in</strong>dungen (z. B. Annulenen) erstrecken sich die δ-Werte über 40 ppm.<br />

Abb. 13.10 zeigt das 1 H-NMR-Spektrum von CH 3 COOH.<br />

Das 1 H-Signal <strong>der</strong> CH 3 -Gruppe <strong>in</strong> Abb. 13.10 liegt bei e<strong>in</strong>er Messfrequenz von 300 MHz<br />

(3·10 8 Hz) um 630 Hz gegenüber TMS tieffeldverschoben.<br />

δ<br />

630<br />

300 ⋅10<br />

6<br />

H<br />

( CH<br />

3<br />

) = 10 ⋅ =<br />

6<br />

2.10 ppm<br />

Die positive δ-Skala liegt bei zunehmenden Resonanzfrequenzen.<br />

Die nachfolgende Tabelle 13.7 zeigt die chemischen Verschiebungen von CH 3 -, -CH 2 - und<br />

CH-Protonen <strong>in</strong> charakteristischen Verb<strong>in</strong>dungsklassen.<br />

324


13.4 NMR-Spektroskopie<br />

Tab. 13.7: Charakteristische Bereiche von chemischen Verschiebungen δ ( 1 Η)<br />

13 12 11 10 9 8 7 6 5 4 3 2 1 0<br />

Cyclopropyl<br />

CH 3<br />

(aliphatisch)<br />

CH 2<br />

(aliphatisch)<br />

NH 2<br />

(aliphatisch)<br />

SH (aliphatisch)<br />

OH (aliphatisch)<br />

H 3<br />

C<br />

C O<br />

C<br />

C<br />

C<br />

H 3<br />

C<br />

CH 3<br />

am aromatischen System<br />

H<br />

C<br />

CH 2<br />

O<br />

(Oxiran)<br />

H 3<br />

C<br />

O<br />

NH 2<br />

(aromatisch)<br />

OH (aromatisch)<br />

H 2<br />

C<br />

CH<br />

H 2<br />

N<br />

CH<br />

CHO<br />

C<br />

C<br />

CO<br />

C<br />

(aromatisch)<br />

COOH<br />

Sp<strong>in</strong>-Sp<strong>in</strong>-Kopplung<br />

Viele H-Atome <strong>in</strong> entsprechen<strong>der</strong> chemischer Umgebung zeigen <strong>in</strong> den höher aufgelösten 1 H-<br />

NMR-Spektren e<strong>in</strong>e Fe<strong>in</strong>struktur (Abb. 13.11).<br />

Diese Fe<strong>in</strong>struktur ist das Ergebnis e<strong>in</strong>er Wechselwirkung <strong>der</strong> Kerne mit an<strong>der</strong>en magnetischen<br />

Atomen <strong>in</strong> <strong>der</strong> nahen Umgebung, die im wesentlichem über die B<strong>in</strong>dungselektronen<br />

vermittelt wird (Sp<strong>in</strong>-Sp<strong>in</strong>-Kopplung). Jedes magnetische Moment μ e<strong>in</strong>es Kerns bewirkt<br />

durch se<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>stellung <strong>in</strong> bzw. gegen das äußere Magnetfeld B 0 e<strong>in</strong>e Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> magnetischen<br />

Feldstärke, die auf die Kerne <strong>der</strong> Umgebung wirkt.<br />

325


13. Molekülspektroskopie<br />

Abb. 13.11: a) Nie<strong>der</strong>aufgelöstes und b) hochaufgelöstes 1 H-NMR-Spektrum von Ethanol <strong>in</strong><br />

CDCl 3 .<br />

a)<br />

b)<br />

Diese Fe<strong>in</strong>struktur ist das Ergebnis e<strong>in</strong>er Wechselwirkung <strong>der</strong> Kerne mit an<strong>der</strong>en magnetischen<br />

Atomen <strong>in</strong> <strong>der</strong> nahen Umgebung, die im wesentlichem über die B<strong>in</strong>dungselektronen<br />

vermittelt wird (Sp<strong>in</strong>-Sp<strong>in</strong>-Kopplung). Jedes magnetische Moment μ e<strong>in</strong>es Kerns bewirkt<br />

durch se<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>stellung <strong>in</strong> bzw. gegen das äußere Magnetfeld B 0 e<strong>in</strong>e Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> magnetischen<br />

Feldstärke, die auf die Kerne <strong>der</strong> Umgebung wirkt.<br />

In e<strong>in</strong>em 2-Sp<strong>in</strong>-System AX (die Kerne A und X besitzen beide I = 1/2, aber unterschiedliche<br />

chemische Verschiebungen δ) s<strong>in</strong>d 4 Komb<strong>in</strong>ationen <strong>der</strong> Sp<strong>in</strong>zustände mit jeweils unterschiedlichen<br />

Energie möglich: αα, αβ, βα und ββ. Ohne Sp<strong>in</strong>-Sp<strong>in</strong>-Kopplung s<strong>in</strong>d die Energiedifferenzen<br />

für die beiden Übergänge von Kern A (αα βα und αβ ββ) identisch,<br />

ebenso für den Kern X (αα αβ und βα ββ), im NMR-Spektrum ersche<strong>in</strong>en nur 2 Signale<br />

δ(A) und δ(X).<br />

Durch die Sp<strong>in</strong>-Sp<strong>in</strong>-Kopplung werden die Energien <strong>der</strong> Sp<strong>in</strong>zustände mit parallelen Sp<strong>in</strong>s<br />

angehoben (destabilisiert), die Zustände mit antiparallelen Sp<strong>in</strong>s energetisch abgesenkt (stabilisiert),<br />

<strong>der</strong> Betrag <strong>der</strong> Stabilisierung bzw. Destabilisierung ist 1/2J. Dadurch wird die Entartung<br />

<strong>der</strong> Übergänge aufgehoben, im NMR-Spektrum s<strong>in</strong>d 2 Signalpaare (2 Dubletts) mit<br />

δ(A)–1/2J und δ(A)+1/2J bzw. δ(X)–1/2J und δ(X)+1/2J zu beobachten (Abb. 13.12).<br />

326


13.4 NMR-Spektroskopie<br />

Abb. 13.12: Energienivaues und resultierende Spektren e<strong>in</strong>es 2-Sp<strong>in</strong>-Systems A–X mit Sp<strong>in</strong>-<br />

Sp<strong>in</strong>-Kopplung.<br />

Die Kopplungskonstante n J ist unabhängig vom Magnetfeld H, sie wird <strong>in</strong> Hz angegeben.<br />

Die Zahl <strong>der</strong> B<strong>in</strong>dungen wird mit dem hochgestelltem Präfix n angegeben. Die Kopplung ist<br />

am größten zwischen benachbarten Atomen ( 1 J), sie nimmt mit zunehmen<strong>der</strong> Zahl an<br />

dazwischen liegen<strong>der</strong> B<strong>in</strong>dungen rasch ab.<br />

Wenn e<strong>in</strong> Kern mehrere magnetische Nachbaratome hat, treten mehrere L<strong>in</strong>ien auf. Am e<strong>in</strong>fachsten<br />

s<strong>in</strong>d die Aufspaltungen bei gleichen Nachbaratomen mit gleichen δ-Werten, z. B.<br />

CH 3 . Bei n gleichen Nachbarn beobachtet man (n+1)-Signale, <strong>der</strong>en Intensitäten sich wie die<br />

n-ten B<strong>in</strong>om<strong>in</strong>alkoeffizienten verhalten (Tab. 13.8).<br />

Tab. 13.8: Zahl <strong>der</strong> Kopplungspartner und Aufspaltungsmuster sowie relative Intensitäten <strong>der</strong><br />

L<strong>in</strong>ien.<br />

Zahl <strong>der</strong> Kopplungspartner<br />

Aufspaltungsmuster und relative Intensitäten Bezeichnung<br />

mit Sp<strong>in</strong> J=1/2<br />

0 1 S<strong>in</strong>gulett (s)<br />

1 1 1 Dublett (d)<br />

2 1 2 1 Triplett (t)<br />

3 1 3 3 1 Quartett (q)<br />

4 1 4 6 4 1 Qu<strong>in</strong>tett (qu<strong>in</strong>t)<br />

5 1 5 10 10 5 1 Sextett (sext)<br />

6 1 6 15 20 15 6 1 Septett (sept)<br />

Das Aufspaltungsmuster von Ethanol im 1 H-NMR (Abb.13.11b) zeigt für die Methylgruppe<br />

e<strong>in</strong> Triplett (Intensität 1:2:1, 2 benachbarte Protonen) und für die Methylengruppe e<strong>in</strong> Quartett<br />

(Intensität 1:3:3:1, 3 benachbarte Protonen). Die Protonen <strong>der</strong> OH-Gruppe tauschen<br />

untere<strong>in</strong>an<strong>der</strong> sehr schnell aus, deswegen s<strong>in</strong>d ke<strong>in</strong>e Kopplungen mit den benachbarten Protonen<br />

und nur e<strong>in</strong> relativ breites Mittelungssignal zu beobachten.<br />

327


13. Molekülspektroskopie<br />

Für Diisopropylether zeigt das 1 H-NMR-Spektrum für das Signal <strong>der</strong> CH 3 -Gruppen e<strong>in</strong><br />

Dublett durch Kopplung mit dem Meth<strong>in</strong>-H, das Meth<strong>in</strong>-H koppelt mit den 6 H-Atomen <strong>der</strong><br />

Methylgruppen zum Septett mit <strong>der</strong> Intensität 1:6:15:20:15:6:1 (Abb. 13.13).<br />

Abb. 13.13: 1 H-NMR-Spektrum (300 MHz, CDCl 3 ) von Diisopropylether<br />

(H 3 C) 2 CH–O–CH(CH 3 ) 2 .<br />

13.4.5 13 C-NMR-Spektroskopie<br />

Da die natürliche Häufigkeit des 13 C-Isotops nur 1.10 % beträgt ( 1 H: 99.985 %) und auch das<br />

magnetogyrische Verhältnis γ wesentlich kle<strong>in</strong>er ist als bei 1 H ( 13 C: γ = 26.752) stehen bei<br />

gleichen Konzentrationen von C und H die Intensitäten des 13 C- und des H-Signals im Verhältnis<br />

1:6000.<br />

Um mit dem natürlichen C-Isotopenverhältnis trotzdem 13 C-NMR-Spektren wie 1 H-NMR-<br />

Spektren aufnehmen zu können, s<strong>in</strong>d beson<strong>der</strong>e messtechnische Voraussetzungen notwendig.<br />

Auf die diesbezüglichen Techniken – Impulstechnik, Fourier-Transformation, Summation<br />

e<strong>in</strong>er großen Zahl von Spektren und Protonen-Breitbandentkopplung – muss auf die Spezialliteratur<br />

verwiesen werden.<br />

Die 13 C-Spektren erstrecken sich über e<strong>in</strong>en wesentlich größeren δ-Bereich (250 ppm) als die<br />

1 H-NMR-Spektren. Wegen <strong>der</strong> ger<strong>in</strong>gen Isotopenhäufigkeit von 13 C kommen praktisch nie<br />

zwei 13 C-Atome im gleichen Molekül vor; 13 C/ 13 C-Kopplungen spielen deshalb, im Gegensatz<br />

zu 1 H/ 1 H-Kopplungen, ke<strong>in</strong>e Rolle.<br />

13 C/ 1 H-Kopplungen im Molekül bewirken aber e<strong>in</strong>e Aufspaltung zu komplexen Multipletts,<br />

die schwer <strong>in</strong>terpretierbar s<strong>in</strong>d (Abb. 13.14a). Diese Kopplungen lassen sich durch e<strong>in</strong>e spezielle<br />

Aufnahmetechnik (Breitbandentkopplung) aufheben. In breitbandentkoppelten 13 C-<br />

Spektren s<strong>in</strong>d alle Signale S<strong>in</strong>guletts, das Signal/Rausch-Verhältnis wird gleichzeitig verbessert<br />

(Abb. 13.14b). Gleichzeitig gehen aber auch Informationen über die direkte chemische<br />

Umgebung (z.B. Anzahl <strong>der</strong> direkt gebundenen Wasserstoffatome) verloren. Durch spezielle<br />

Puls-Techniken können diese Informationen wie<strong>der</strong> gewonnen werden: <strong>in</strong> DEPT135-Spektren<br />

(Abb. 13.14c) bleiben alle Signale S<strong>in</strong>guletts, CH 3 und CH-Gruppen liefern positive Signale,<br />

CH 2 -Gruppen negative, Signale quartärer Kohlenstoffatome verschw<strong>in</strong>den ganz. In DEPT90-<br />

328


13.4 NMR-Spektroskopie<br />

Spektren werden nur noch Signale <strong>der</strong> CH-Gruppen beobachtet, alle an<strong>der</strong>en Signale s<strong>in</strong>d<br />

unterdrückt (Abb. 13.14d).<br />

Abb. 13.14: 13 C-NMR-Spektren von Ethylbenzol.<br />

a)<br />

13 C-NMR ( 1 H-gekoppelt)<br />

b)<br />

13 C{ 1 H }-NMR ( 1 H-vollentkoppelt)<br />

c) DEPT135- 13 C-NMR<br />

(CH 3 - und CH-Signale positiv,<br />

CH 2 -Signale negativ)<br />

d) DEPT90- 13 C-NMR<br />

(nur CH-Signale)<br />

Die Kopplungskonstanten 1 J von 13 C/ 1 H erlauben wichtige Rückschlüsse auf die B<strong>in</strong>dungsverhältnisse,<br />

da sie Aufschluss über den s-Charakter des C-Atoms (CH 4 , sp 3 ; =CH 2 , sp 2 ; ≡CH,<br />

sp) geben (Tab. 13.9).<br />

Tab. 13.9: Typische Kopplungskonstanten 1 J( 1 H/ 13 C) für verschiedene Gruppen <strong>in</strong> organischen<br />

Verb<strong>in</strong>dungen.<br />

Verb<strong>in</strong>dung<br />

1 J( 1 H/ 13 C) Hybridisierung Verb<strong>in</strong>dung<br />

1 J( 1 H/ 13 C)<br />

H 3 C–CH 3 125 sp 3 H 3 C–NH 2 133<br />

H 2 C=CH 2 156 sp 2 H 2 C=NH 175<br />

C 6 H 6 158 sp 2<br />

HC≡CH 249 sp HC≡NH + 320<br />

H 3 C–O–CH 3 140 CH 3 F 149<br />

H 2 C=O 172 CH 2 F 2 185<br />

HCOO − 195 CHF 3 239<br />

HCOOH 222 CH 3 Cl 150<br />

CH 2 Cl 2 178<br />

CHCl 3 211<br />

Die 1 J(C/H)-Werte <strong>in</strong>dizieren e<strong>in</strong>deutig sp 3 -Hybridisierungen (25 % s-Charakter), sp 2 - (33 %<br />

s-Charakter) und sp-Hybridisierung (50 % s-Charakter).<br />

329


13. Molekülspektroskopie<br />

Tab. 13.10: Typische 13 C-Verschiebungen für verschiedene Verb<strong>in</strong>dungsgruppen.<br />

250 200 150 100 50<br />

0 δ ( 13 C) -50<br />

CH 3<br />

CH 2<br />

CH<br />

CH 2<br />

CH<br />

C H<br />

O<br />

H 3<br />

C<br />

H 3<br />

C O<br />

CH O<br />

C O<br />

CHO<br />

C O<br />

COOR<br />

COOH<br />

CH 2<br />

F<br />

CH 2<br />

Cl<br />

CH 2<br />

Br<br />

CH 2<br />

I<br />

CH<br />

CH<br />

CH<br />

F<br />

Cl<br />

Br<br />

CH<br />

I<br />

O<br />

C Cl<br />

CCl<br />

C Cl<br />

13.4.6 Inkrement-Systeme zur Abschätzung chemischer Verschiebungen <strong>in</strong> 1 H- und 13 C-<br />

NMR-Spektren<br />

Für e<strong>in</strong>ige Substanzklassen lassen sich die Substituentene<strong>in</strong>flüsse auf die chemische Verschiebung<br />

durch e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>faches Inkrementsystem abschätzen. Vorausgesetzt wird e<strong>in</strong> additives<br />

Verhalten <strong>der</strong> Substituentene<strong>in</strong>flüsse, was bei starken sterischen Wechselwirkungen nicht<br />

mehr gegeben ist. Dennoch s<strong>in</strong>d die berechneten chemischen Verschiebungen aus dem Inkrementsystem<br />

e<strong>in</strong>e wertvolle Hilfe für die Zuordnung <strong>der</strong> Signale.<br />

Tabelle 13.11 zeigt exemplarisch e<strong>in</strong> solches Inkrementsystem für die chemischen Verschiebungen<br />

von Aromaten <strong>in</strong> 1 H- und 13 C-NMR-Spektren. Weitere Inkrementtabellen können <strong>der</strong><br />

Literatur entnommen werden (z.B. [1]).<br />

330


13.4 NMR-Spektroskopie<br />

Tab. 13.11: Inkrementsystem für die chemischen Verschiebungen von Aromaten <strong>in</strong> 1 H- und<br />

13 C-NMR-Spektren (aus Lit. [1]).<br />

H<br />

R<br />

R<br />

ipso<br />

C<br />

R<br />

δ( 1 H) = 7.26 + Σ I δ( 13 C) = 128.5 + Σ I<br />

Inkremente I für δ( 1 H) Inkremente I für δ( 13 C)<br />

Substituent para meta para ipso ortho meta para<br />

–H 0.00 0.00 0.00 0.0 0.0 0.0 0.0<br />

–CH 3 –0.18 –0.10 –0.20 9.3 0.6 0.0 –3.1<br />

–C 2 H 5 –0.15 –0.06 –0.18 15.7 –0.6 –0.1 –2.8<br />

–CH(CH 3 ) 2 –0.13 –0.08 –0.18 20.1 –2.0 0.0 –2.5<br />

–C(CH 3 ) 3 0.02 –0.09 –0.22 22.1 –3.4 –0.4 –3.1<br />

–CH=CH 2 0.06 –0.03 –0.10 7.6 –1.8 –1.8 –3.5<br />

–C≡CH 0.15 –0.02 –0.01 –6.1 3.8 0.4 –0.2<br />

–Ph 0.30 0.12 0.10 13.0 –1.1 0.5 –1.0<br />

–CH 2 Cl 0.00 0.01 0.00 9.1 0.0 0.2 –0.2<br />

–CH 2 OH –0.07 –0.07 –0.07 12.4 –1.2 0.2 –1.1<br />

–CH=O 0.56 0.22 0.29 7.5 0.7 –0.5 5.4<br />

–CO–CH 3 0.62 0.14 0.21 9.3 0.2 0.2 4.2<br />

–COOH 0.85 0.18 0.25 2.4 1.6 –0.1 4.8<br />

–COOCH 3 0.71 0.11 0.21 2.0 1.0 0.0 4.5<br />

–CONH 2 0.61 0.10 0.17 5.5 –0.5 –1.0 5.0<br />

–COCl 0.84 0.20 0.36 4.6 2.9 0.6 7.0<br />

–C≡N 0.36 0.18 0.28 –16.0 3.5 0.7 4.3<br />

–NH 2 –0.75 –0.25 –0.65 19.2 –12.4 1.3 –9.5<br />

–NHCH 3 –0.80 –0.22 –0.68 21,7 –16,2 0.7 –11.8<br />

–N(CH 3 ) 2 –0.66 –0.18 –0.67 22,1 –15,9 0.5 –11.9<br />

–NH–COCH 3 0.12 –0.07 –0.28 11.1 –9.9 0.2 –5.6<br />

–NO 2 0.95 0.26 0.38 19.6 –5.3 0.8 6.0<br />

–OH –0.56 –0.12 –0.45 26,9 –12.6 1.6 –7.6<br />

–OCH 3 –0.48 –0.09 –0.44 31.3 –15.0 0.9 –8.1<br />

–OPh –0.29 –0.05 –0.23 29.1 –9.5 0.3 –5.3<br />

–OCOCH 3 –0.25 0.03 –0.13 23.0 –6.0 1.0 –2.0<br />

–F –0.26 0.00 –0.20 35.1 –14.3 0.9 –4.4<br />

–Cl 0.03 –0.02 –0.09 6.4 0.2 1.0 –2.0<br />

–Br 0.18 –0.08 .0.04 –5.4 3.3 2.2 –1.0<br />

–I 0.39 –0.21 –0.03 –32.3 9.9 2.6 –0.4<br />

331


13. Molekülspektroskopie<br />

Beispiel:<br />

Berechnung <strong>der</strong> chemischen Verschiebungen<br />

für 4-Nitrophenol<br />

2 3<br />

1 4<br />

HO<br />

NO 2<br />

Chemischen Verschiebungen δ ( 1 H):<br />

δ (C 2 -H) = δ (C 6 -H)<br />

δ (C 3 -H) = δ (C 5 -H)<br />

Chemischen Verschiebungen δ ( 13 C):<br />

δ (C 1 ) =<br />

δ (C 2 ) = δ (C 6 )<br />

δ (C 3 ) = δ (C 5 )<br />

δ (C 4 ) =<br />

= 7.26 + I ortho-OH + I ortho-H + I meta-Nitro + I meta-H + I para-H<br />

= 7.26 + (–0.56) + 0.00 + 0.26 + 0.00 + 0.00<br />

= 6.96 ppm (gemessen: 6.90 ppm)<br />

= 7.26 + I ortho-Nitro + I ortho-H + I meta-OH + I meta-H + I para-H<br />

= 7.26 + 0.95 + 0.00 + (–0.12) + 0.00 + 0.00<br />

= 8.09 ppm (gemessen: 8.08 ppm)<br />

= 128.5 + I ipso-OH + 2 x I ortho-H + 2 x I meta-H + I para-Nitro<br />

= 128.5 + 26.9 + 2 x 0.0 + 2 x 0.0 + 6.0<br />

= 161.4 ppm (gemessen: 163.9 ppm)<br />

= 128.5 + I ipso-H + I ortho-OH + I ortho-H + I meta-Nitro + I meta-H + I para-H<br />

= 128.5 + 0.0 + (–12.6) + 0.0 + 0.8 + 0.0 + 0.0<br />

= 116.7 ppm (gemessen: 115.6 ppm)<br />

= 128.5 + I ipso-H + I ortho-Nitro + I ortho-H + I meta-OH + I meta-H + I para-H<br />

= 128.5 + 0.0 + (–5.3) + 0.0 + 1.6 + 0.0 + 0.0<br />

= 124.8 ppm (gemessen: 125.8 ppm)<br />

= 128.5 + I ipso-Nitro + 2 x I ortho-H + 2 x I meta-H + I para-OH<br />

= 128.5 + 19.6 + 2 x 0.0 + 2 x 0.0 + (–7.6)<br />

= 140.5 ppm (gemessen: 139.7 ppm)<br />

6<br />

5<br />

332


13.5 Massenspektrometrie<br />

13.5 Massenspektrometrie [1–5, 11, 12]<br />

In <strong>der</strong> Massenspektrometrie werden im allgeme<strong>in</strong>en neutrale Moleküle im Gaszustand durch<br />

den Entzug von Elektronen zu Kationen ionisiert, die gebildeten Ionen und ihre daraus durch<br />

Zerfall entstehenden Fragmente werden entsprechend dem Massen/Ladungs-Verhältnis (m/z)<br />

detektiert und registriert. Da <strong>in</strong> den meisten Fällen z = 1 ist, liefern die gebildeten Radikalkationen<br />

(Entzug e<strong>in</strong>es Elektrons) den m/z-Wert <strong>der</strong> Masse des Ions und se<strong>in</strong>er Fragmente<br />

(Abb. 13.15):<br />

Abb. 13.15: Fragmentierung von Ethylbenzol im Massenspektrum<br />

Aus dem Fragmentierungsmuster lassen sich wichtige Rückschlüsse auf die Struktur <strong>der</strong><br />

untersuchten Substanzen ziehen.<br />

E<strong>in</strong> Massenspektrum setzt hiernach folgende E<strong>in</strong>zelschritte voraus:<br />

• Überführung <strong>der</strong> zu untersuchenden Substanz <strong>in</strong> den Gasraum<br />

• Ionisierung <strong>der</strong> neutralen Moleküle <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gasphase<br />

• Auftrennung <strong>der</strong> Ionen entsprechend ihrem m/z-Verhältnis<br />

• Detektion <strong>der</strong> Ionen und Dokumentation im Massenspektrum<br />

333


13. Molekülspektroskopie<br />

Die Massenspektren s<strong>in</strong>d Strichspektren. Abb. 13.16 zeigt das Spektrum des oben beispielhaft<br />

aufgeführten Ethylbenzols.<br />

Abb. 13.16: Massenspektrum (EI, 70 eV) von Ethylbenzol:<br />

In <strong>der</strong> UV-, IR-, NMR- und ESR-Spektroskopie werden Anregungsenergien bestimmt, die für<br />

den Übergang e<strong>in</strong>es Moleküls <strong>in</strong> höhere Energieniveaus notwendig s<strong>in</strong>d. Im Gegensatz hierzu<br />

werden <strong>in</strong> <strong>der</strong> Massenspektrometrie die Massen (m/z) <strong>der</strong> Molekülionen und ihrer Fragmentierungsprodukte<br />

gemessen, es ist also ke<strong>in</strong>e spektroskopische Methode per Def<strong>in</strong>ition.<br />

13.5.1 Bildung von Molekülionen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gasphase<br />

Die zwei gängigsten Methoden zur Erzeugung von Ionen aus thermisch verdampften Verb<strong>in</strong>dungen<br />

s<strong>in</strong>d die<br />

• Elektronenstoß-Ionisation (electron impact: EI)<br />

und die<br />

• Chemische Ionisation (chemical ionization: CI)<br />

Da die gebildeten Ionen im Massenspektrometer im Normalfall e<strong>in</strong>e Distanz im Meter-Bereich<br />

ohne Kollisionen zurücklegen müssen, muss bei e<strong>in</strong>em stark verm<strong>in</strong><strong>der</strong>ten Druck p ≤<br />

10 −6 mbar (≤10 −4 Pa) gearbeitet werden. Mit den Messproben muss dieses Vakuum erreicht<br />

werden.<br />

Die meisten neutralen organischen Moleküle können ohne Zersetzung auf 200–300 °C erhitzt<br />

werden. Sie gehen dabei bis zu e<strong>in</strong>em Molekülgewicht von 1000 Dalton <strong>in</strong> die Gasphase über.<br />

Destillierbare und leicht sublimierbare Verb<strong>in</strong>dungen werden bei <strong>der</strong> <strong>in</strong>direkten Probenzuführung<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong> evakuiertes Vorratsgefäß (p ≈ 10 −3 mbar) verdampft. Über e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e Öffnung<br />

(leak) strömt aus dem Vorratsgefäß <strong>der</strong> Proben-Molekularstrahl <strong>in</strong> die Ionisationskammer<br />

(Druck p ≈ 10 −6 mbar) (Abb. 13.17), wo er im rechten W<strong>in</strong>kel auf den Elektronenstrahl<br />

trifft. Dadurch wird <strong>der</strong> Ionisationsprozess auslöst.<br />

334


13.5 Massenspektrometrie<br />

Abb. 13.17: Schematischer Aufbau e<strong>in</strong>es Massenspektrometers mit Elektronenstoß-Ionisation<br />

1 E<strong>in</strong>trittsspalt<br />

2 Glühkathode<br />

3 Anode<br />

4,5 Beschleunigungsblenden<br />

6 Magnetfeld<br />

7 Kollektorspalt<br />

Der Elektronenstrahl wird von e<strong>in</strong>er Glühkathode (Wolfram o<strong>der</strong> Rhenium) emittiert. Die<br />

Energie des Elektronenstrahls kann durch Variation <strong>der</strong> elektrischen Spannung zwischen <strong>der</strong><br />

Glühkathode und <strong>der</strong> Anode zwischen 0 und 300 eV gesteuert werden. Rout<strong>in</strong>emäßig arbeitet<br />

man bei e<strong>in</strong>er Potentialdifferenz von 70 V (MS: EI 70 eV). Die Ionisation mit 12–15 eV<br />

liefert e<strong>in</strong> Massenspektrum mit ger<strong>in</strong>gerer Fragmentierung (Niedrigvolt-Spektren).<br />

Bei 1 eV ≈ 96.5 kJ mol −1 hat e<strong>in</strong> 70 eV-Elektron genügend Energie, um e<strong>in</strong> organisches Molekül<br />

zu ionisieren (erfor<strong>der</strong>liche Energie 7–14 eV) und zu fragmentieren (max. E<strong>in</strong>fachb<strong>in</strong>dungsenergie<br />

~ 4 eV).<br />

Durch den Elektronenstrahl wird e<strong>in</strong> Elektron aus dem höchsten MO (1. Ionisierungsenergie)<br />

aus dem Molekülion herausgeschlagen unter Bildung von Radikalkationen.<br />

M + e − → M •+ + 2e −<br />

Die benötigte Probenmenge bei <strong>der</strong> <strong>in</strong>direkten Probenzufuhr beträgt 0.1–1.0 mg, bei <strong>der</strong><br />

direkten Probenzugabe 0.005–0.1 mg. Der tatsächliche Substanzverbrauch beträgt nur 10 −13<br />

gs −1 .<br />

335


13. Molekülspektroskopie<br />

13.5.2 Massentrennung<br />

Um die gebildeten Ionen (Radikalionen) trennen und registrieren zu können, müssen sie aus<br />

<strong>der</strong> Ionisierungskammer beför<strong>der</strong>t werden. Hierzu werden die Ionen durch e<strong>in</strong> Abstoßungspotential<br />

zwischen (1) und (4) aus <strong>der</strong> Kammer ausgestoßen. E<strong>in</strong> durch elektrische Spannung<br />

erzeugtes Potentialgefälle U zwischen den Blenden (4) und (5) beschleunigt die Ionen auf<br />

hohe Geschw<strong>in</strong>digkeiten. Mit dieser Geschw<strong>in</strong>digkeit treten sie dann <strong>in</strong> den Analysatorteil<br />

des Massenspektrometers e<strong>in</strong>.<br />

Alle Ionen mit <strong>der</strong> Elementarladung z besitzen an <strong>der</strong> Austrittsblende (5) die k<strong>in</strong>etische<br />

Energie.<br />

E k<strong>in</strong><br />

=<br />

2<br />

m ⋅v<br />

2<br />

= z ⋅U<br />

m : Ionenmasse<br />

v : Ionengeschw<strong>in</strong>digkeit<br />

Hieraus ergibt sich für die Geschw<strong>in</strong>digkeit v e<strong>in</strong>es Ions <strong>der</strong> Masse m:<br />

v = 2⋅e⋅U<br />

m<br />

Die Ionentrennung erfolgt mittels e<strong>in</strong>es magnetischen Sektorfeldes (Abb. 13.17), die magnetischen<br />

Feldl<strong>in</strong>ien verlaufen senkrecht zur Flugrichtung <strong>der</strong> Ionen.<br />

Durch die magnetische Feldstärke B (etwa 1 T) werden die Ionen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Kreisbahn mit dem<br />

Radius r gelenkt. Beim Flug durch das Magnetfeld stehen die magnetische Kraft und die<br />

Zentrifugalkraft des Ions im Gleichgewicht.<br />

2<br />

mv<br />

B ⋅e⋅r<br />

B ⋅ e⋅v = o<strong>der</strong> v =<br />

r<br />

m<br />

Durch Zusammenfassung von Gleichung (1) und (3) erhält man:<br />

2 ⋅ e ⋅U<br />

m<br />

=<br />

B ⋅ e ⋅ r<br />

m<br />

o<strong>der</strong><br />

m<br />

e<br />

2 2<br />

B ⋅ r<br />

= 2 ⋅U<br />

Daraus folgt, dass e<strong>in</strong>fach geladene Ionen mit <strong>der</strong> Ladung e = 1 mit unterschiedlichen Massen<br />

m 1 , m 2 , m 3 ... durch das Magnetfeld auf unterschiedliche Kreisbahnen mit den Radien r 1 , r 2 , r 3<br />

abgelenkt werden.<br />

Aus <strong>der</strong> Abb. 13.17 ist ersichtlich, dass nur Ionen, die sich auf e<strong>in</strong>er bestimmten Kreisbahn<br />

bewegen, auf den Kollektor-Spalt treffen und registriert werden. Um Ionen unterschiedlicher<br />

Masse auf die zum Kollektor führende Kreisbahn zu br<strong>in</strong>gen, wird die Magnetfeldstärke<br />

variiert (magnetic scan). Voraussetzung für die massendispergierende und fokussierende Wirkung<br />

des Magnetfeldes ist, dass die mittlere freie Weglänge <strong>der</strong> Ionen größer ist als die Gerätedimension,<br />

d. h., dass im Hockvakuum (


13.5 Massenspektrometrie<br />

13.5.3 Massenspektrometrie von hochmolekularen Verb<strong>in</strong>dungen und Verb<strong>in</strong>dungen<br />

mit zahlreichen funktionellen Gruppen.<br />

Um hochmolekulare Verb<strong>in</strong>dungen (1000–100000 Dalton) o<strong>der</strong> nie<strong>der</strong>molekulare Verb<strong>in</strong>dungen<br />

(ca. 200 Dalton) mit vielen funktionellen Gruppen massenspektrometrisch untersuchen<br />

zu können, s<strong>in</strong>d spezielle Methoden zur Ionenerzeugung erfor<strong>der</strong>lich, die hier nur<br />

erwähnt werden können. Im Literaturverzeichnis werden Monographien [1, 11, 12] angegeben,<br />

die das Studium dieser Methoden erlauben.<br />

Spezielle Methoden<br />

• Chemische Ionisation (chemical ionization: CI)<br />

• Felddesorption (FD)<br />

• Laserdesorption (LD)<br />

• Matrix-assisted laser desorption (MALDI)<br />

• Fast atom bombardment (FAB)<br />

• Secondary ion mass spectroscopy (SIMS)<br />

• Electrospray ionization (ESI)<br />

13.5.4 Elektronenstoß-<strong>in</strong>duzierte Bruchstückbildung - Fragmentierungen<br />

Nach <strong>der</strong> Ionisation halten sich die Molekülionen (Radikalkationen) noch e<strong>in</strong>e bestimmte Zeit<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Ionenquelle auf. Wenn es <strong>in</strong>nerhalb von 10 −6 s zu Abbaureaktionen kommt, werden<br />

nicht die Molekülionen son<strong>der</strong>n Fragmentionen niedrigerer Massen beschleunigt und registriert.<br />

Die Fragmentierungen s<strong>in</strong>d monomolekulare, endotherme Prozesse, die durch die relativen<br />

B<strong>in</strong>dungsstärken, sterische Faktoren und von Stabilität <strong>der</strong> Fragmente gesteuert werden.<br />

Unabhängig von <strong>der</strong> elektronischen Anregung entstehen nur Molekülionen, die <strong>der</strong> nie<strong>der</strong>sten<br />

Ionisierungsenergie entsprechen. Es erfolgt e<strong>in</strong>e Umwandlung elektronischer Energie aus den<br />

höheren elektronischen Anregungszuständen <strong>in</strong> Schw<strong>in</strong>gungsenergie, die zur B<strong>in</strong>dungsspaltung<br />

führt. Viele <strong>der</strong> Fragmentierungsprozesse s<strong>in</strong>d strukturspezifisch. Nachfolgend werden<br />

e<strong>in</strong>ige wichtige Zerfallsreaktionen behandelt.<br />

E<strong>in</strong>fache B<strong>in</strong>dungsspaltung<br />

In Alkanen löst die Ionisierung e<strong>in</strong> Elektron aus e<strong>in</strong>er σ-B<strong>in</strong>dung heraus. Die gebildete E<strong>in</strong>elektronenb<strong>in</strong>dung<br />

begünstigt e<strong>in</strong>en B<strong>in</strong>dungsbruch.<br />

337


13. Molekülspektroskopie<br />

Bei n-Alkanen werden – mit Ausnahme <strong>der</strong> endständigen – alle C–C-σ-B<strong>in</strong>dungen mit gleicher<br />

Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit gespalten, es bildet sich e<strong>in</strong>e Ionenserie C n H 2n+1 + . Wegen <strong>der</strong> nachfolgenden<br />

Fragmentierungen treten die nie<strong>der</strong>molekularen Bruchstücke mit höherer rel. Intensität<br />

auf (Abb. 13.18).<br />

Abb. 13.18: Massenspektrum (EI, 70 eV) von n-Tetradecan (C 14 H 30 ).<br />

In Verb<strong>in</strong>dungen mit Heteroatomen bzw. π-B<strong>in</strong>dungen werden Elektronen bevorzugt aus<br />

e<strong>in</strong>em nichtb<strong>in</strong>denden Orbital am Heteroatom bzw. <strong>der</strong> π-B<strong>in</strong>dung herausgeschlagen. In diesen<br />

Fällen erfolgt e<strong>in</strong>e bevorzugte Spaltung <strong>der</strong> zum Heteroatom übernächsten B<strong>in</strong>dung, man<br />

bezeichnet diesen Vorgang als α-Spaltung.<br />

Bei Verb<strong>in</strong>dungen mit R'' = Alkyl (Ether, Thioether, sek., tert. Am<strong>in</strong>e) können die durch α-<br />

Spaltung gebildeten Ionen durch C-Heteroatom-Bruch und H-Übertragung weiter gespalten<br />

werden (Onium-Spaltung) .<br />

Fragment-Ionen durch α -Spaltung:<br />

Weitere e<strong>in</strong>fache B<strong>in</strong>dungsspaltungen s<strong>in</strong>d <strong>der</strong> angegebenen Spezialliteratur zu entnehmen.<br />

338


13.5 Massenspektrometrie<br />

Bildung von Fragmenten unter H-Verschiebung<br />

Das bekannteste Beispiel für diese Fragmentierung ist die sog. McLafferty-Umlagerung. Hierbei<br />

wird im ersten Schritt über e<strong>in</strong>en energetisch günstigen 6-gliedrigen Übergangszustand e<strong>in</strong><br />

γ-ständiges H-Atom auf das Radikalkation <strong>der</strong> Carbonylgruppe übertragen worauf sich e<strong>in</strong>e<br />

α-Spaltung anschließt.<br />

Wichtige Fragment-Ionen durch McLafferty-Umlagerung:<br />

R = H (Aldehyde) m/z = 44<br />

R = CH 3 (Methylketone) m/z = 58<br />

R = OH (Carbonsäuren) m/z = 60<br />

R = OCH 3 (Methylester) m/z = 74<br />

R = NH 2 (Amide) m/z = 59<br />

Organische Verb<strong>in</strong>dungen können unter den Standardbed<strong>in</strong>gungen <strong>der</strong> EI-Ionisation (70 eV)<br />

auf verschiedene Arten fragmentieren. Das Massenspektrum erlaubt über das Fragmentierungsschema<br />

Rückschlüsse auf die Struktur <strong>der</strong> Verb<strong>in</strong>dung (Abb. 13.19 und 13.20).<br />

Abb. 13.19: Massenspektrum (EI, 70 eV) von Buttersäureethylester.<br />

339


13. Molekülspektroskopie<br />

Abb. 13.20: Fragmentierungsschema von Buttersäureethylester.<br />

340


13.5 Massenspektrometrie<br />

Literaturverzeichnis<br />

[1] M. Hesse, H. Meier, B. Zeeh, Spektroskopische Methoden <strong>in</strong> <strong>der</strong> organischen <strong>Chemie</strong>,<br />

7. Auflage, Georg Thieme Verlag, Stuttgart, New York, 2005.<br />

[2] D.H. Williams, J. Flem<strong>in</strong>g, Spectroscopic methods <strong>in</strong> organic chemistry, 5. ed.,<br />

McGraw-Hill Book Company, London 1995.<br />

[3] S.B. Duckett, B.C. Gilbert, Foundation of Spectroscopy, Oxford University Press Inc.,<br />

Oxford 2000.<br />

[4] H. Naumer, M. Adelhelm, Untersuchungsmethoden <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Chemie</strong> – E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> die<br />

mo<strong>der</strong>ne Analytik, Georg Thieme Verlag, Stuttgart, New York, 1997.<br />

[5] G. Gauglitz, T. Vo-D<strong>in</strong>h, Handbook of Spectroscopy, Wiley-VCH, We<strong>in</strong>heim 2003.<br />

[6] W. Schmidt, Optical Spectroscopy <strong>in</strong> Chemistry and Life Sciences – An Introduction,<br />

Wiley-VCH, We<strong>in</strong>heim 2005; W. Schmidt, Optische Spektroskopie – E<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>führung,<br />

Wiley-VCH, We<strong>in</strong>heim 2000.<br />

[7] H. Günzler, H.-U. Gremlich, IR-Spektroskopie – E<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>führung, 4. Auflage, Wiley-<br />

VCH, We<strong>in</strong>heim 2003.<br />

[8] H. Friebol<strong>in</strong>, Basic One- and Two-Dimensional NMR Spectroscopy, 4. Auflage, Wiley-<br />

VCH, We<strong>in</strong>heim 2004; H. Friebol<strong>in</strong>, E<strong>in</strong>- und zweidimensionale NMR-Spektroskopie –<br />

E<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>führung, 3. Auflage, Wiley-VCH, We<strong>in</strong>heim 1999.<br />

[9] H. Günther, NMR-Spektroskopie, 3. Auflage, Georg Thieme Verlag, Stuttgart, New<br />

York, 1992.<br />

[9] T.D.W. Claridge, High-resolution NMR techniques <strong>in</strong> organic chemistry, Pergamon,<br />

Amsterdam 1999.<br />

[10] J.H. Gross, Mass Spectrometry – A Textbook, Spr<strong>in</strong>ger Verlag, Berl<strong>in</strong>, Heidelberg, New<br />

York 2004.<br />

[11] H. Budzikiewicz, M. Schäfer, Massenspektrometrie – E<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>führung, 5. Auflage,<br />

Wiley-VCH, We<strong>in</strong>heim 2005.<br />

[12] E. Pretsch, Spektroskopische Daten zur Strukturaufklärung organischer Verb<strong>in</strong>dungen,<br />

4., vollst. überarbeitete Auflage, Spr<strong>in</strong>ger, Berl<strong>in</strong> 2001.<br />

[13]<br />

E<strong>in</strong>e ausführliche Auflistung <strong>der</strong> chemischen Verschiebungen von Lösungsmittelresten <strong>in</strong> 1 H-<br />

und 13 C-NMR-Spektren ist zu f<strong>in</strong>den bei:<br />

H.E. Gottlieb, V. Kotlyar, A. Nudelman, NMR Chemical Shifts of Common Laboratory<br />

Solvents as Trace Impurities, J. Org. Chem. 1997, 62, 7512-7515<br />

341


13. Molekülspektroskopie<br />

342


Kapitel 14<br />

Dokumentation – Literatur – Literaturrecherche<br />

14.1 Dokumentation<br />

14.2 Chemische Fachliteratur<br />

14.3 Literaturrecherche<br />

14.4 Informationsquellen im Internet<br />

343


14. Dokumentation – Literatur – Literaturrecherche<br />

14.1 Dokumentation<br />

Jedes chemische Experiment muss durch e<strong>in</strong> Versuchsprotokoll <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Laborjournal<br />

(Laborbuch) dokumentiert werden. Das Protokoll dient auch als Arbeitsvorschrift, nach <strong>der</strong><br />

sich das Experiment auch von Dritten problemlos nacharbeiten lässt.<br />

Das Protokoll muss folgende Informationen enthalten:<br />

• E<strong>in</strong>deutige, fortlaufende Bezeichnung (Versuchsnummer)<br />

• Datum<br />

• Überschrift<br />

• Literaturangabe<br />

• Reaktionsgleichung mit Summenformel und Molmassen<br />

• E<strong>in</strong>gesetze Edukte mit genauen Mengenangaben <strong>in</strong> mol und g bzw. ml.<br />

• Falls erfor<strong>der</strong>lich Angaben zur Re<strong>in</strong>heit <strong>der</strong> e<strong>in</strong>gesetzten Chemikalien (z.B. frisch<br />

destilliert, absolutiert usw.)<br />

• Verwendete Apparaturen (bei komplizierten Apparaturen mit Skizze)<br />

• Beschreibung <strong>der</strong> Reaktionsdurchführung und –bed<strong>in</strong>gungen (Schutzgas,<br />

Temperaturen, Zutropfzeiten, Reaktionszeiten, Farbän<strong>der</strong>ungen und sonstige<br />

Beobachtungen)<br />

• Reaktionskontrolle (Angabe <strong>der</strong> Methode, z.B. DC, GC, 1 H-NMR und Ergebnisse)<br />

• Beschreibung <strong>der</strong> Aufarbeitung<br />

• Re<strong>in</strong>igung <strong>der</strong> Produkte (Destillationsprotokoll, Umkristallisation mit Angabe <strong>der</strong><br />

benötigten Solvensmenge und Kristallisationsbed<strong>in</strong>gungen)<br />

• Identifizierung und Charakterisierung <strong>der</strong> Produkte (Schmelzpunkt, Siedepunkt,<br />

Spektren mit Auswertung usw.)<br />

• Massenbilanz (Rohausbeute, Re<strong>in</strong>ausbeute, zurück gewonnene Edukte)<br />

E<strong>in</strong> Musterprotokoll, das alle diese Daten enthält, steht im Vorspann des I.O.C.-Praktikums<br />

(http://www.ioc-praktikum.de).<br />

Alle erhaltenen analytischen und spektroskopischen Daten müssen vollständig und dauerhaft<br />

dokumentiert werden. Im Protokoll muss e<strong>in</strong> Verweis auf die Orig<strong>in</strong>aldaten e<strong>in</strong>gefügt<br />

werden. Messdaten <strong>in</strong> elektronischer Form müssen vollständig und dauerhaft gespeichert<br />

werden, z.B. auf CD.<br />

344


14.1 Dokumentation<br />

Laborjournal<br />

Für die offizielle Zuerkennung e<strong>in</strong>er wissenschaftlichen Entdeckung o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>es Patents<br />

müssen beson<strong>der</strong>e Regeln beachtet werden. E<strong>in</strong>e exakte Dokumentation aller Experimente ist<br />

notwendig, für die Führung des Laborjournals gilt:<br />

• Das Laborjournal muss fest gebunden se<strong>in</strong> mit durchnummerierten Seiten. Es muss e<strong>in</strong>e<br />

chronologische Dokumentation <strong>der</strong> wissenschaftlichen Arbeit se<strong>in</strong>.<br />

• Die E<strong>in</strong>tragungen müssen mit dokumentenechter T<strong>in</strong>te vorgenommen werden. Die Aufzeichnungen<br />

müssen so detailliert se<strong>in</strong>, dass sie für e<strong>in</strong>e Person mit Fachwissen nachvollziehbar<br />

s<strong>in</strong>d und gegebenenfalls wie<strong>der</strong>holt werden können.<br />

• Jede Seite ist mit Überschriften (mit Versuchs- o<strong>der</strong> Projektnummer) und Datum zu<br />

versehen und vom Experimentator zu unterschreiben. E<strong>in</strong> unabhängiger Zeuge bekundet<br />

mit se<strong>in</strong>er Unterschrift, dass die Aufzeichnungen nachvollziehbar und vollständig s<strong>in</strong>d.<br />

Wird e<strong>in</strong>e Seite nicht vollständig beschrieben, ist <strong>der</strong> nicht benutzte Seitenrest diagonal<br />

durchzustreichen.<br />

• Das Laborjournal sollte während o<strong>der</strong> im unmittelbaren Anschluss des Versuchs<br />

geschrieben werden, damit wichtige Details und Beobachtungen nicht vergessen werden.<br />

• Messwerte und Rechnungen sollten direkt im Laborjournal notiert werden.<br />

• Sofern möglich, sollten Rohdaten (z.B. DC’s bei Reaktionskontrolle) <strong>in</strong> das Laborjournal<br />

e<strong>in</strong>geklebt werden. Elektronische Daten o<strong>der</strong> Orig<strong>in</strong>alspektren werden getrennt archiviert<br />

und mit e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>deutigen Verweis versehen.<br />

• Schreib- und Rechenfehler werden durchgestrichen und nicht mit TippEx entfernt. Entdeckt<br />

man e<strong>in</strong>en Fehler auf e<strong>in</strong>er weiter zurückliegenden Seite, darf man diesen nicht dort<br />

korrigieren, son<strong>der</strong>n muss auf <strong>der</strong> aktuellen Seite e<strong>in</strong>en Verweis machen; gegebenenfalls<br />

muss man ausführen, welche Konsequenzen dieser Fehler für die nachfolgende Arbeit<br />

hat.<br />

• Ist e<strong>in</strong> Laborjournal voll geschrieben, sollte e<strong>in</strong> Inhaltsverzeichnis angelegt werden. Beim<br />

späteren Nachschlagen sieht man dann sofort, an welchen Projekten während <strong>der</strong> Laufzeit<br />

des Journals gearbeitet wurde und wo die E<strong>in</strong>zelbeiträge zu den Projekten zu f<strong>in</strong>den s<strong>in</strong>d.<br />

Laborjournale können mittlerweile auch computergestützt geführt werden (elektronische Laborjournale).<br />

Die Software übernimmt dabei die Archivierung, Indizierung und Verknüpfung<br />

mit elektronisch vorliegenden Messdaten. Die fälschungssichere Ablage mit elektronischer<br />

Signatur vergrößert die Erfolgsaussichten bei Patentstreitigkeiten.<br />

345


14. Dokumentation – Literatur – Literaturrecherche<br />

14.2 Chemische Fachliteratur<br />

Neue Verb<strong>in</strong>dungen werden erst dann von <strong>der</strong> ‚chemical community‘ registriert und anerkannt,<br />

wenn sie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er wissenschaftlichen Zeitschrift veröffentlicht (publiziert) wurden.<br />

Mit den Autoren <strong>der</strong> Publikation wird gleichzeitig die Urheberschaft <strong>der</strong> erstmals dargestellten<br />

Substanzen dokumentiert. Neue Verb<strong>in</strong>dungen, die von wirtschaftlichem Interesse s<strong>in</strong>d,<br />

werden häufig nicht publiziert, son<strong>der</strong>n <strong>in</strong> Patentschriften, welche die Urheberschaft<br />

schützen, nie<strong>der</strong>gelegt.<br />

14.2.1 Primärliteratur<br />

In <strong>der</strong> <strong>Chemie</strong> werden wissenschaftliche Befunde, die meist die Summe von E<strong>in</strong>zelergebnissen<br />

s<strong>in</strong>d, seit über 100 Jahren als Orig<strong>in</strong>alarbeiten <strong>in</strong> Fachzeitschriften vieler Län<strong>der</strong> <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> jeweiligen Landessprache veröffentlicht. Inzwischen ist Englisch als Wissenschaftssprache<br />

weltweit anerkannt, so dass die meisten Journale nur noch englisch verfasste Beiträge<br />

akzeptieren.<br />

Orig<strong>in</strong>alarbeiten (full paper) sollten e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> die Thematik, e<strong>in</strong>en theoretischen<br />

und e<strong>in</strong>en experimentellen Teil sowie e<strong>in</strong>e Zusammenfassung (summary) be<strong>in</strong>halten. Die<br />

Arbeitsvorschriften im experimentellen Teil müssen so verfasst se<strong>in</strong>, dass sie problemlos<br />

nachgearbeitet werden können.<br />

Von mehreren tausend chemischen Journalen s<strong>in</strong>d weltweit nur etwa 50 für die organische<br />

<strong>Chemie</strong> relevant, die wichtigsten werden <strong>in</strong> Tab. 14.1 aufgelistet. In Kursivschreibweise stehen<br />

die von <strong>der</strong> International Union of Pure and Applied Chemistry (IUPAC) festgelegten<br />

Kürzel für die Journale, mit denen sie <strong>in</strong> <strong>der</strong> Literatur zitiert werden müssen.<br />

Vom Zeitpunkt des E<strong>in</strong>reichens e<strong>in</strong>er Orig<strong>in</strong>alpublikation bis zur Veröffentlichung vergehen<br />

meist mehrere Monate. Um wichtige Ergebnisse so schnell wie möglich zu sichern, ist <strong>der</strong>en<br />

Veröffentlichung <strong>in</strong> Form von Kurzmitteilungen möglich. ‚Notes‘ s<strong>in</strong>d meist kurze Orig<strong>in</strong>alarbeiten,<br />

häufig ohne experimentellen Teil.<br />

‚Communications‘ (‚Letters‘) unterscheiden sich von Orig<strong>in</strong>alarbeiten durch e<strong>in</strong>en stark<br />

komprimierten Text (z. T. mit experimentellem Teil). Communications sollten später durch<br />

entsprechende Orig<strong>in</strong>alarbeiten ergänzt werden. Die Tetrahedron Letters (Erstersche<strong>in</strong>ungsjahr<br />

1959) s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> Beispiel für Communications, <strong>der</strong>en Umfang auf 4 Seiten beschränkt ist.<br />

In den Tabelle 14.1 und 14.2 s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>ige wichtige Zeitschriften für organische und allgeme<strong>in</strong>e<br />

<strong>Chemie</strong> aufgeführt. Organe, die nur ‚full papers‘ publizieren, werden dar<strong>in</strong> mit P, Organe für<br />

Communications mit C <strong>in</strong>diziert.<br />

In den letzten Jahren wurden traditionsreiche Zeitschriften verschiedener europäischer chemischer<br />

Gesellschaften e<strong>in</strong>gestellt zugunsten von neuen, geme<strong>in</strong>samen Zeitschriften o<strong>der</strong> sie<br />

wurden umbenannt (Tab. 14.2).<br />

346


14.2 Chemische Fachliteratur<br />

Tab. 14.1: Wichtige Zeitschriften für die organische <strong>Chemie</strong><br />

Titel Abkürzung Jahr <strong>der</strong> Erstersche<strong>in</strong>ung<br />

Bände<br />

pro Jahr<br />

Advanced Synthesis & Catalysis Adv. Synth. Catal. 2001 15 P<br />

Angewandte <strong>Chemie</strong> Angew. Chem. 1888 24 C<br />

Angewandte <strong>Chemie</strong> International Edition Angew. Chem.<br />

1962 24 C<br />

Int. Ed. Engl.<br />

Australian Journal of Chemistry Austr. J. Chem. 1948 12 P<br />

Bioorganic Chemistry Bioorg. Chem. 1971 4 P<br />

Bullet<strong>in</strong> of the Chemical Society of Japan Bull. Chem. Soc. Jpn. 1926 12 P<br />

Canadian Journal of Chemistry Can. J. Chem. 1929 12 P, C<br />

Chemical Communications Chem. Commun. 1965 24 C<br />

Chemistry – A European Journal Chem. Eur. J. 1998 12 P<br />

Chemistry Letters Chem. Lett. 1972 12 C<br />

Chimia Chimia 1947 12 C<br />

Collection of Czechoslovak Chemical<br />

Communications<br />

Collect. Czech. Chem.<br />

Commun.<br />

1929 12 P<br />

European Journal of Organic Chemistry Eur. J. Org. Chem. 1998 12 P<br />

Helvetica Chimica Acta Helv. Chim. Acta 1918 8 P<br />

Heterocycles Heterocycles 1973 12 C<br />

Israel Journal of Chemistry Isr. J. Chem. 1963 4 P<br />

Journal of Chemical Research J. Chem. Res. 1977 12 P<br />

Journal of Computational Chemistry J. Comput. Chem. 1979 16 P<br />

Journal of Heterocyclic Chemistry J. Heterocycl. Chem. 1964 12 P, C<br />

Journal of Medic<strong>in</strong>al Chemistry J. Med. Chem. 1958 12 P, C<br />

Journal of Organic Chemistry J. Org. Chem. 1936 26 P, C<br />

Journal of Organometallic Chemistry J. Organomet. Chem. 1963 48 P, C<br />

Journal of Physical Organic Chemistry J. Phys. Org. Chem. 1988 12 P<br />

Journal of the American Chemical Society J. Am. Chem. Soc. 1879 52 P, C<br />

Journal of the Indian Chemical Society J. Indian Soc. 1924 12 P<br />

Mendeleev Communications Mendeleev Commun. 1991 8 C<br />

Monatshefte <strong>der</strong> <strong>Chemie</strong> Monatsh. Chem. 1870 12 P<br />

New Journal of Chemistry New J. Chem. 1977 11 P<br />

Organic & Biomolecular Chemistry Org. Biomol. Chem: 2003 24 P, C<br />

Organic Letters Org. Lett. 1999 12 C<br />

Organometallics Organometallics 1982 12 P, C<br />

Polish Journal of Chemistry Pol. J. Chem. 1921 12 P, C<br />

Pure and Applied Chemistry Pure Appl. Chem. 1960 12<br />

Sulfur Letters Sulf. Lett. 1982 6 C<br />

Synlett Synlett 1989 12 C<br />

Synthesis Synthesis 1969 12 P<br />

Synthetic Communications Synth. Commun. 1971 22 C<br />

Tetrahedron Tetrahedron 1958 52 P<br />

Tetrahedron Letters Tetrahedron Lett. 1959 52 C<br />

Tetrahedron: Asymmetry Tetrahedron: Asymmetry 1990 12 P, C<br />

Art<br />

347


14. Dokumentation – Literatur – Literaturrecherche<br />

Tab. 14.2: Nicht mehr ersche<strong>in</strong>ende Zeitschriften<br />

Titel Abkürzung Ersche<strong>in</strong>ungs<br />

-jahr<br />

1998 aufgegangen <strong>in</strong> European Journal of Organic Chemistry:<br />

Bände<br />

pro Jahr<br />

Art<br />

Bullet<strong>in</strong> des Sociétés Chimique<br />

Belges<br />

Bullet<strong>in</strong> des Sociétés Chimique de<br />

France<br />

Chemische Berichte<br />

(vor 1947: Berichte <strong>der</strong> Deutschen<br />

Chemischen Gesellschaft)<br />

Bull. Soc. Chim. Bel. 1887 12 P<br />

Bull. Soc. Chim. Fr. 1858 6 P<br />

Chem. Ber. 1868 12 P<br />

Gazetta Chimica Italiana Gazz. Chim. Ital. 1871 12 P<br />

Liebigs Annalen <strong>der</strong> <strong>Chemie</strong> Liebigs Ann. Chem. 1832 12 P<br />

Recueil des travaux chimiques des<br />

Pays-Bas<br />

Rec.Trav.Chim.Pays Bas 1882 12 P,C<br />

2001 aufgegangen <strong>in</strong> Organic & Biomolecular Chemistry:<br />

Acta Chemica Scand<strong>in</strong>avia Act. Chem. Scand. 1947 10 P<br />

Journal of the Chemical Society,<br />

Perk<strong>in</strong> Transactions 1: Organicand<br />

Bio-Organic Chemistry<br />

J. Chem. Soc. Perk<strong>in</strong> Trans. 1 1841 12 P,C<br />

Journal of the Chemical Society,<br />

Perk<strong>in</strong> Transactions 2: Pysical<br />

Organic Chemistry<br />

20001 umbenannt <strong>in</strong>: Advanced Synthesis & Catalysis:<br />

J. Chem. Soc. Perk<strong>in</strong> Trans. 2 1841 12 P,C<br />

Journal für Praktische <strong>Chemie</strong> J. Prakt. <strong>Chemie</strong> 1834 6 P<br />

Seit 1962 ersche<strong>in</strong>t die ‚Angewandte <strong>Chemie</strong>‘ auch als englische Version ‚Angewandte<br />

<strong>Chemie</strong>, International Edition‘.<br />

Das Journal of Organic Chemistry publiziert seit 1999 ke<strong>in</strong>e Communications mehr, sie ersche<strong>in</strong>en<br />

<strong>in</strong> Organic Letters.<br />

In Pure and Applied Chemistry werden Empfehlungen <strong>der</strong> IUPAC, technische Berichte und<br />

Tagungsberichte veröffentlicht.<br />

Für die jüngeren Ausgaben e<strong>in</strong>iger Zeitschriften <strong>in</strong> russischer Sprache s<strong>in</strong>d englische Übersetzungen<br />

(zum Teil nur auszugsweise) verfügbar:<br />

Doklady Akademii Nauk SSSR (Dokl. Akad. Nauk SSSR): Doklady chemistry: Proceed<strong>in</strong>gs of<br />

the Academy of Sciences, chemistry section; A translation of Doklady Akademii Nauk.<br />

Zhurnal Obshchei Khimii (Zh. Obshch. Khim.): Russian journal of general chemistry: A<br />

translation of Zhurnal obshchei khimii / Russian Academy of Sciences<br />

Izvestija Akademii Nauk, Serija chimiceskaja (Izv. Akad. Nauk SSSR, Ser. Khim.): Russian<br />

Chemical Bullet<strong>in</strong><br />

348


14.2 Chemische Fachliteratur<br />

Über die Annahme von Orig<strong>in</strong>alarbeiten entscheiden bei nahezu allen Journalen Gutachter,<br />

die <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em, für die Autoren anonymen, Verfahren die Qualität <strong>der</strong> Arbeiten beurteilen und<br />

Än<strong>der</strong>ungen und Korrekturen vorschlagen (‚peer review system‘).<br />

Die meisten wichtigen Zeitschriften ersche<strong>in</strong>en <strong>in</strong>zwischen – neben <strong>der</strong> gedruckten Fassung –<br />

auch <strong>in</strong> elektronischer Form. Die Elektronische Zeitschriftenbibliothek (EZB,<br />

http://rzblx1.uni-regensburg.de/ezeit/) bietet e<strong>in</strong>en schnellen und e<strong>in</strong>fachen Zugriff auf mehr<br />

als 24000 wissenschaftliche Zeitschriften, geordnet nach Fächern. Für die abonnierten Titel<br />

<strong>der</strong> teilnehmenden Bibliotheken ist <strong>der</strong> direkte Volltext-Zugriff möglich.<br />

Patentliteratur<br />

Patentiert werden neue Verb<strong>in</strong>dungen o<strong>der</strong> neue Synthesemethoden. Patente s<strong>in</strong>d Teil <strong>der</strong><br />

chemischen Literatur, sie werden <strong>in</strong> ‚Chemical Abstracts‘ (siehe unten) referiert. Patentschriften<br />

s<strong>in</strong>d für das Nacharbeiten im Labor nur von begrenztem Wert, da die experimentellen<br />

Angaben – zum Schutz vor <strong>der</strong> Konkurrenz – häufig unvollständig s<strong>in</strong>d und man bei<br />

den Synthesemethoden oft versucht, auch ohne experimentelle Überprüfung, möglichst große<br />

Bereiche abzudecken, so dass ‚Scope and Limitation‘ des patentierten Verfahrens nicht abschätzbar<br />

s<strong>in</strong>d. Für die Abfassung von Patenten zeichnen spezialisierte Patentanwälte verantwortlich.<br />

Orig<strong>in</strong>alarbeiten, Letters, Communications und Patentschriften repräsentieren die sog.<br />

Primärliteratur.<br />

14.2.2 Sekundärliteratur<br />

Die Fülle <strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> chemischen Literatur publizierten Ergebnisse wäre nicht mehr überschaubar<br />

ohne ihre Zusammenfassung <strong>in</strong> Abstracts, Reviewartikeln und Indexes.<br />

Zwei Publikationen, die die Primärliteratur nach ‚Titeln‘ sortieren, s<strong>in</strong>d die seit 1961 ersche<strong>in</strong>enden<br />

‚Chemical Titels‘ des Chemical Abstracts Service, die 700 ausschließlich chemische<br />

Journale abdecken und die 1967 etablierten ‚Current contents‘ Physical, Chemical & Earth<br />

Sciences, die etwa 800 Journale <strong>der</strong> <strong>Chemie</strong>, Physik, Erdwissenschaften und Mathematik<br />

registrieren.<br />

‚Chemical Titles‘ gibt alle Begriffe des Publikationstitels (‚key words‘) <strong>in</strong> alphabethischer<br />

Reihenfolge wie<strong>der</strong>, e<strong>in</strong> Titel mit 5 key words wird also 5-mal zitiert. In e<strong>in</strong>em zweiten Abschnitt<br />

(Bibliographie) werden dann die kompletten Titel und alle Autoren aufgeführt.<br />

‚Current Contents‘ liefert e<strong>in</strong>en Index wichtiger ‚key words‘ und e<strong>in</strong>en Index des an erster<br />

Stelle genannten Autors. ‚Current contents‘ s<strong>in</strong>d auch elektronisch auf CD verfügbar.<br />

349


14. Dokumentation – Literatur – Literaturrecherche<br />

Chemical Abstracts (C.A.)<br />

‚Chemical titles‘ und ‚Current contents‘ machen ke<strong>in</strong>e Aussagen über die Inhalte <strong>der</strong> aufgeführten<br />

Arbeiten. Der Chemical Abstracts Service (CAS) <strong>der</strong> American Chemical Society<br />

liefert mit den C.A. <strong>in</strong> abstrahierter Form Informationen über den Inhalt <strong>der</strong> Publikationen.<br />

C.A. ersche<strong>in</strong>t wöchentlich, ca. 18.000 Journale (<strong>in</strong> allen Sprachen) werden <strong>in</strong> Englisch referiert.<br />

Die Patentliteratur von 18 Län<strong>der</strong>n wird erfasst.<br />

CAS vergibt für alle erfassten Substanzen e<strong>in</strong>deutige Registrier-Nummern (CA Registry<br />

Number, CA RN), die als Referenzen <strong>in</strong> vielen Datenbanken o<strong>der</strong> Stofflisten verwendet werden.<br />

Derzeit s<strong>in</strong>d über 26 Millionen organische und anorganische Verb<strong>in</strong>dungen und mehr als<br />

56 Millionen Sequenzen erfasst.<br />

C.A. glie<strong>der</strong>t sich <strong>in</strong> 80 Sektionen, die Sektionen 21–34 behandeln die organische <strong>Chemie</strong><br />

(z. B. Heterocyclen, Alicyclische Systeme, Carbonsäuren usw.).<br />

Jedes Abstract ist wie folgt geglie<strong>der</strong>t:<br />

• Abstractnummer<br />

• Titel <strong>der</strong> Arbeit<br />

• Namen <strong>der</strong> Autoren<br />

• Adressen <strong>der</strong> Autoren<br />

• Kürzel des Journals (z. B. J. Am. Chem. Soc.)<br />

• Jahrgang, Bandnummer und Seitenzahl (z. B. 1999, 100, 2421–2430)<br />

• Sprache <strong>der</strong> Publikation<br />

Das Abstract liefert dann e<strong>in</strong>e präzise, kurze Zusammenfassung über den Inhalt <strong>der</strong> Arbeit<br />

(häufig wird das Summary des Autors verwendet).<br />

C.A. hat exzellente Indexes, die schnell zu den gewünschten Informationen führen. Von<br />

1907–1961 wurden die Indexe jährlich, seit 1962 halbjährlich mit separatem Index-Band<br />

publiziert.<br />

Die Indexes s<strong>in</strong>d geglie<strong>der</strong>t <strong>in</strong>:<br />

• Subjekt-Index<br />

• Autoren-Index<br />

• Formel-Index<br />

• Patentnummern<br />

Seit 1992 wird <strong>der</strong> Subject-Index <strong>in</strong> zwei Teilen publiziert:<br />

• Chemical Substance Index<br />

• General Subject Index<br />

350


14.2 Chemische Fachliteratur<br />

Collective Indexes erschienen zunächst alle 10 Jahre, seit 1957 alle 5 Jahre:<br />

Index-Nr.<br />

Zeitraum<br />

10 1977 – 1981<br />

11 1982 – 1986<br />

12 1987 – 1991<br />

13 1992 – 1996<br />

14 1997 – 2001<br />

15 2002 – 2006<br />

Seit 1967 publiziert C.A. e<strong>in</strong>en Index-Guide mit Strukturformeln und alternativen Nomenklaturen.<br />

Je<strong>der</strong> kollektive Index enthält e<strong>in</strong>en Index-Guide. E<strong>in</strong> neuer Index-Guide wird alle<br />

18 Monate publiziert.<br />

Beilste<strong>in</strong><br />

Das Beilste<strong>in</strong> ‚Handbuch <strong>der</strong> <strong>Organischen</strong> <strong>Chemie</strong>‘, kurz <strong>der</strong> ‚Beilste<strong>in</strong>‘, ist nach wie vor<br />

das wichtigste gedruckte Nachschlagewerk für alle <strong>in</strong> <strong>der</strong> Literatur beschriebenen organischen<br />

Verb<strong>in</strong>dungen.<br />

Die Verb<strong>in</strong>dungen werden mit folgenden Angaben (und den entspr. Literaturzitaten) beschrieben:<br />

• Nomenklatur, Trivialnomenklatur<br />

• Summenformel<br />

• Strukturformel<br />

• Physikalische Konstanten<br />

• Darstellungsverfahren<br />

• Chemische Eigenschaften, Reaktionen<br />

• Derivate<br />

• Analytische Daten<br />

• Spezielle, für die Verb<strong>in</strong>dung angegebene zusätzliche Information<br />

Das aus 27 Bänden bestehende Hauptwerk von 1909 beschreibt alle bis dah<strong>in</strong> bekannten Verb<strong>in</strong>dungen,<br />

die <strong>in</strong> drei Gebiete (‚Divisions‘) geglie<strong>der</strong>t und weiter <strong>in</strong> Systeme unterglie<strong>der</strong>t<br />

werden.<br />

Bände (‚Volumes‘) Systemnummer<br />

Acyclische Verb<strong>in</strong>dungen 1 – 4 1 – 449<br />

Carbocyclische Verb<strong>in</strong>dungen 5 – 16 450 – 2359<br />

Heterocyclische Verb<strong>in</strong>dungen 17 – 27 2360 – 4720<br />

Die Verb<strong>in</strong>dungen nach 1909 werden <strong>in</strong> Ergänzungsbänden abgehandelt, <strong>der</strong>en Glie<strong>der</strong>ung<br />

identisch mit dem Hauptwerk ist.<br />

Ergänzungswerk I: 1910 – 1919<br />

Ergänzungswerk II: 1920 – 1929<br />

Ergänzungswerk III: 1930 – 1949<br />

Ergänzungswerk IV: 1950 – 1959<br />

Ergänzungswerk V: 1960 – 1979 <strong>in</strong> Englisch<br />

351


14. Dokumentation – Literatur – Literaturrecherche<br />

Jedes Ergänzungswerk ist analog <strong>in</strong> die Bände 1–27 mit den gleichen Systemnummern geglie<strong>der</strong>t.<br />

Darüber h<strong>in</strong>aus werden die Seitenzahlen aufgeführt, auf denen die Verb<strong>in</strong>dungen im<br />

Hauptwerk bzw. <strong>in</strong> den vorangegangenen Ergänzungsbänden zu f<strong>in</strong>den ist. Die Bände<br />

(Volumes) 28 und 29 s<strong>in</strong>d jeweils Subject- und Formula-Indexe.<br />

Beispiel: Ergänzungsband IV, Volume 6, S. 554: Phenetol, im Hauptwerk und den vorangehenden<br />

Ergänzungsbänden : H 140, E I 80, E II 142, E III 545.<br />

Mit dem Ersche<strong>in</strong>en des V. Ergänzungswerkes wurde die gedruckte Ausgabe e<strong>in</strong>gestellt. Der<br />

Beilste<strong>in</strong> wird als Datenbank fortgesetzt, die auch die Daten des gedruckten Werks mit e<strong>in</strong>schließt.<br />

Der Zugang erfolgt z.B. mit ‚Crossfire‘ (siehe unten).<br />

Reviews und Fortschrittsberichte (‚Advances‘)<br />

Review-Artikel s<strong>in</strong>d komprimierte Überblicke über spezielle Forschungsgebiete. Sie s<strong>in</strong>d für<br />

Wissenschaftler extrem wichtig, da sie über aktuelle Publikationen e<strong>in</strong>es bestimmten Gebietes<br />

kont<strong>in</strong>uierlich berichten.<br />

Nachstehend werden Journale aufgeführt, die häufig o<strong>der</strong> ausschließlich Reviews publizieren<br />

(Erstersche<strong>in</strong>ungsjahr <strong>in</strong> Klammern):<br />

• Accounts of Chemical Research (1969)<br />

• Aldrichimica Acta (1968)<br />

• Angewandte <strong>Chemie</strong> (1888) und<br />

Angewandte <strong>Chemie</strong> International Edition English (1962)<br />

• Annual Reports on the Progress of Chemistry, Section B: Organic Chemistry (1904)<br />

• Chemical Reviews (1924)<br />

• Chem. Society Reviews (1947)<br />

• Heterocycles (1973)<br />

• Synlett (1989)<br />

• Synthesis (1969)<br />

• Tetrahedron (1958)<br />

• Topics <strong>in</strong> Current Chemistry (1949)<br />

• Russian Chemical Reviews (1963)<br />

J. Org. Chem. publiziert seit 1978 vierteljährlich Übersichten über die <strong>in</strong> diesem Zeitraum –<br />

auch <strong>in</strong> Monographien – erschienenen Review-Artikel.<br />

Zahlreiche, <strong>in</strong> unregelmäßigen Abständen ersche<strong>in</strong>ende ‚Advances‘, ‚Progresses‘ und<br />

‚Topics‘ behandeln Teilgebiete <strong>der</strong> <strong>Organischen</strong> <strong>Chemie</strong>, z. B.<br />

• Advances <strong>in</strong> Cycloaddition,<br />

• Advances <strong>in</strong> Photochemistry<br />

• Progress <strong>in</strong> Heterocyclic Chemistry<br />

• Topics <strong>in</strong> Stereochemistry<br />

352


14.2 Chemische Fachliteratur<br />

Die Serie ‚Organic Reactions‘ (Verlag John Wiley & Sons, New York) br<strong>in</strong>gt Review-<br />

Artikel über alle synthetisch präparativen Gebiete.<br />

‚Annual Reports on the Progress of Chemistry, Section B: Organic Chemistry‘ (RSC<br />

Publish<strong>in</strong>g) geben e<strong>in</strong>en jährlichen, generellen Überblick über neue Entwicklungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> organischen<br />

<strong>Chemie</strong>.<br />

Speziell mit Synthesen und Reagenzien <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Organischen</strong> <strong>Chemie</strong> befassen sich:<br />

Theilheimer’s ‚Synthetic Methods <strong>in</strong> Organic Chemistry‘, A.F. F<strong>in</strong>ch, Verlag Karger,<br />

Basel, New York (seit 1946 s<strong>in</strong>d 64 Bände erschienen).<br />

‚Comprehensiv Organic Synthesis‘, B.M. Trost, Pergamon Press, Oxford, New York.<br />

Daneben gibt es e<strong>in</strong>e Reihe von vielbändigen Publikationen, die sich mit Labormethoden<br />

befassen. Hierher gehören:<br />

Houben-Weyl ‚Methoden <strong>der</strong> <strong>Organischen</strong> <strong>Chemie</strong>‘, Georg Thieme Verlag, Stuttgart. Die<br />

4. Auflage, beg<strong>in</strong>nend 1952, hat 16 Volumes, die z. T. aus mehreren Bänden bestehen. Ab<br />

1982 bis 2002 erschienen Ergänzungsbände, seit 1990 <strong>in</strong> Englisch.<br />

‚Science of Synthesis, Houben-Weyl Methods of Molecular Transformations‘, Georg<br />

Thieme Verlag, Stuttgart. Science of Synthesis ist das Nachfolgewerk des klassichen<br />

Houben-Weyl <strong>in</strong> englischer Sprache. Es ersche<strong>in</strong>t seit 2000 und wird bis 2008 e<strong>in</strong>en Umfang<br />

von 49 Volumes erreichen. Science of Synthesis ist auch <strong>in</strong> elektronischer Form verfügbar mit<br />

e<strong>in</strong>er umfangreichen Suchfunktion, die auch Struktur- und Reaktionssuchen erlaubt.<br />

‚Organic Synthesis‘, Wiley, New York, ist e<strong>in</strong>e Sammlung von Synthesevorschriften, die<br />

seit 1921 jährlich ersche<strong>in</strong>t. Die Jahresbände werden <strong>in</strong> 10-Jahresperioden als Collective<br />

Volumes angeboten. Die frei zugängliche Onl<strong>in</strong>e-Version (http://www.orgsyn.org) erlaubt<br />

auch die Suche nach Strukturen.<br />

Jahresbände Collective Volumes<br />

1 – 9 I<br />

: :<br />

50 – 59 VI<br />

: :<br />

65 – 69 VIII<br />

70 – 74 IX<br />

Der beson<strong>der</strong>e Wert von Organic Synthesis besteht dar<strong>in</strong>, dass alle Synthesevorschriften experimentell<br />

überprüft wurden.<br />

E<strong>in</strong>e wertvolle Hilfe für synthetisch arbeitende Chemiker s<strong>in</strong>d die seit 1967 von L. und M.<br />

Fieser im Verlag Wiley herausgegebenen ‚Reagents for Organic Synthesis‘. Hier werden<br />

tausende von Reagentien aus <strong>der</strong> zitierten aktuellen Literatur beschrieben.<br />

353


14. Dokumentation – Literatur – Literaturrecherche<br />

14.3 Literaturrecherche<br />

14.3.1 Literaturrecherche mit Hilfe <strong>der</strong> Pr<strong>in</strong>tmedien<br />

Ist e<strong>in</strong>e organische Verb<strong>in</strong>dung bekannt, <strong>in</strong> welchen Journalen wird sie zitiert? Wie wird die<br />

Verb<strong>in</strong>dung synthetisiert, welches s<strong>in</strong>d die physikalischen Konstanten und die spektroskopischen<br />

Daten?<br />

Die klassische Literatursuche geht aus vom Beilste<strong>in</strong>-Formel<strong>in</strong>dex (Vol. 29). Wenn die gesuchte<br />

Verb<strong>in</strong>dung z. B. im Formel<strong>in</strong>dex des 2. Ergänzungswerks erwähnt wird, heißt dies,<br />

dass die Verb<strong>in</strong>dung bereits vor 1929 beschrieben wurde. Auf <strong>der</strong> angegebenen Seite im Beilste<strong>in</strong><br />

werden die Synthesemethoden und die physikalischen Daten (mit Literaturzitaten) referiert.<br />

In den mit dem Hauptwerk korrespondierenden Ergänzungsbänden f<strong>in</strong>det man unter <strong>der</strong> gleichen<br />

Systemnummer die gesuchte Verb<strong>in</strong>dung (‚page head<strong>in</strong>g method‘). Wenn die Zahl <strong>der</strong><br />

unter <strong>der</strong> gleichen Systemnummer aufgeführten Verb<strong>in</strong>dungen sehr groß ist, liefert <strong>der</strong> am<br />

Bandende stehende Formel<strong>in</strong>dex mit <strong>der</strong> entsprechenden Seitenzahl die gesuchte Verb<strong>in</strong>dung<br />

(natürlich nur, wenn sie für den entsprechenden Zeitraum <strong>in</strong> <strong>der</strong> Literatur zitiert wird!).<br />

Abb. 14.1: Fließschema für die Literatursuche <strong>in</strong> Chemical Abstracts<br />

354


14.3 Literaturrecherche<br />

Ab 1979 muss die Suche <strong>in</strong> den kollektiven Formel<strong>in</strong>dizes (und letztlich <strong>in</strong> den halbjährigen<br />

Indizes) von C.A. fortgesetzt werden. Wenn die Zahl <strong>der</strong> Referenzen ger<strong>in</strong>g ist, werden die<br />

Seiten im C.A. direkt angegeben. An<strong>der</strong>nfalls wird auf den ‚General Subject Index‘ des gleichen<br />

Zeitraums verwiesen. Die Vorgehensweise wird durch das Fließschema <strong>in</strong> Abbildung<br />

14.1 deutlich.<br />

14.3.2 Literaturrecherche mit elektronischen Medien<br />

Mit <strong>der</strong> E<strong>in</strong>führung <strong>der</strong> elektronischen Medien wurde die Literatursuche nicht nur vere<strong>in</strong>facht<br />

son<strong>der</strong>n auch deutlich flexibler. Chemische Datenbanken erlauben nicht nur die Suche nach<br />

Stichworten (Substanznamen, Summenformeln, Autoren usw.) son<strong>der</strong>n auch nach chemischen<br />

Strukturen, Teilstrukturen (Substrukturen) und Reaktionen. Die wichtigsten Datenbanken<br />

für die organische <strong>Chemie</strong> s<strong>in</strong>d CAS und Beilste<strong>in</strong>, beide s<strong>in</strong>d kostenpflichtig.<br />

CAS-Onl<strong>in</strong>e (SciF<strong>in</strong><strong>der</strong>)<br />

Die Chemical Abstracts Datenbanken bestehen aus mehreren e<strong>in</strong>zelnen Datenbanken, die mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong><br />

verknüpft s<strong>in</strong>d:<br />

• CAPLUS ist e<strong>in</strong>e textbasierte Datenbank und be<strong>in</strong>haltet die chemische Fachliteratur<br />

(Journals, Patente, Konferenzberichte, Reviews, Monografien und Dissertationen) seit<br />

1907 vollständig, ältere Literatur teilweise.<br />

• MEDLINE umfasst die biomediz<strong>in</strong>ische Literatur seit 1950.<br />

• REGISTRY be<strong>in</strong>haltet die Strukturdaten chemischer Verb<strong>in</strong>dungen e<strong>in</strong>schließlich<br />

Koord<strong>in</strong>ationsverb<strong>in</strong>dungen, Legierungen, Polymere und biochemische Sequenzen seit<br />

1957 vollständig, e<strong>in</strong>ige Substanzklassen reichen zurück bis Anfang des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts.<br />

• CASREACT liefert e<strong>in</strong>- und mehrstufige Reaktionssequenzen seit 1907. Zur Zeit s<strong>in</strong>d 27<br />

Millionen organische und anorganische Substanzen und 57 Millionen Sequenzen erfasst,<br />

täglich kommen etwa 400 neue E<strong>in</strong>träge h<strong>in</strong>zu.<br />

• CHEMCAT enthält Bezugsquellen für kommerziell erhältliche Substanzen von mehr als<br />

750 Anbietern.<br />

• CHEMLIST liefert Informationen zu gesetzlichen E<strong>in</strong>stufungen und Regelungen von<br />

Substanzen.<br />

Für die Recherche <strong>in</strong> den CA-Datenbanken wird häufig das Programm SciF<strong>in</strong><strong>der</strong> e<strong>in</strong>gesetzt.<br />

Es erlaubt sowohl die Textsuche nach Stichworten, Substanznamen, Autoren usw. ebenso wie<br />

die Suche nach chemischen Strukturen o<strong>der</strong> Teilstrukturen und Reaktionen. E<strong>in</strong>e Beschreibung<br />

ist unter http://www.cas.org/SCIFINDER verfügbar.<br />

355


14. Dokumentation – Literatur – Literaturrecherche<br />

Beilste<strong>in</strong>-Onl<strong>in</strong>e (CrossFire)<br />

Die Beilste<strong>in</strong> Datenbank ist die größte Datenbank auf dem Gebiet <strong>der</strong> organischen <strong>Chemie</strong>.<br />

Sie enthält mehr als 9 Millionen Strukturen und umfasst die chemische Literatur seit 1771.<br />

Beson<strong>der</strong>s wertvoll ist <strong>der</strong> Zugriff auf chemische, physikalische, pharmakologische und physiologische<br />

Eigenschaften mit den Orig<strong>in</strong>alzitaten. Die Recherche erfolgt mit dem Programm<br />

CrossFire, die Suchoptionen s<strong>in</strong>d ähnlich wie bei SciF<strong>in</strong><strong>der</strong>, darüber h<strong>in</strong>aus s<strong>in</strong>d auch sehr<br />

komplexe Abfragen möglich. Informationen zu Crossfire s<strong>in</strong>d verfügbar unter<br />

http://www.mdl.com/products/knowledge/crossfire_beilste<strong>in</strong>/<strong>in</strong>dex.jsp<br />

Weitere Datenbanken<br />

E<strong>in</strong>er <strong>der</strong> wichtigsten Anbieter für naturwissenschaftliche Datenbanken ist STN-International<br />

(The Scientific & Technical Information Network, http://www.stn-<strong>in</strong>ternational.de). STN<br />

wird zusammen vom Chemical Abstracts Service (CAS), dem Fach<strong>in</strong>formationzentrum Karlsruhe<br />

(FIZ-K) und dem Japan Science and Technology Agency, Information Center for<br />

Science and Technology (JST) betrieben und bietet den Zugang zu e<strong>in</strong>er Vielzahl verschiedener<br />

Datenbanken, viele behandeln <strong>Chemie</strong> und <strong>Chemie</strong><strong>in</strong>genieurwesen, darunter auch die CAund<br />

Beilste<strong>in</strong>-Datenbanken.<br />

STN besitzt e<strong>in</strong>e für alle Datenbanken e<strong>in</strong>heitliche Kommandosprache, mit <strong>der</strong> die Suche <strong>in</strong><br />

verschiedenen Quellen gleichzeitig möglich ist. Der Zugriff auf die STN-Datenbanken ist<br />

gebührenpflichtig, die Höhe <strong>der</strong> Gebühren hängt ab vom Zeitbedarf und <strong>der</strong> Art <strong>der</strong> gewünschten<br />

Information. Für Schulungen s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>ige Datenbanken, allerd<strong>in</strong>gs mit stark e<strong>in</strong>geschränktem<br />

Inhalt, frei zugänglich.<br />

Die Literaturrecherche mit Internet-Suchmasch<strong>in</strong>en (Google, Yahoo, Altavista etc.) führt<br />

mittlerweile auch häufig zum Erfolg. Im Gegensatz zu chemischen Datenbanken ist die Suche<br />

nach Struktur<strong>in</strong>formationen nicht möglich. Die Volltextsuche liefert oft e<strong>in</strong>e unübersehbare<br />

Flut an Treffern, an<strong>der</strong>erseits werden viele potentielle Treffer nicht gefunden, wenn die falsche<br />

Schreibweise o<strong>der</strong> e<strong>in</strong> Synonym verwendet wird. Deshalb müssen die Suchbegriffe sehr<br />

sorgfältig gewählt werden. Da die meisten Informationen auf Englisch vorliegen, sollten auch<br />

die Suchbegriffe <strong>in</strong> englischer Sprache verwendet werden. Am Beispiel e<strong>in</strong>er Google-Suche<br />

wird das deutlich:<br />

Suchbegriff<br />

Treffer<br />

Aldolkondensation 880<br />

aldol+kondensation 597<br />

aldol+condensation > 100 000<br />

aldol+condensation+aceton 197<br />

aldol+condensation+acetone 30 400<br />

aldol+condensation+acetone+benzaldehyde 649<br />

356


14.3 Literaturrecherche<br />

Onl<strong>in</strong>e-Zeitschriften<br />

Die meisten wichtigen Zeitschriften werden <strong>in</strong>zwischen auch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Onl<strong>in</strong>e-Version im<br />

Internet publiziert, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel sogar e<strong>in</strong>ige Wochen früher als die Pr<strong>in</strong>t-Ausgabe. Die Onl<strong>in</strong>e-Artikel<br />

werden mit e<strong>in</strong>em zentral vergebenen, e<strong>in</strong>deutigen DOI (Document Object Identifier)<br />

verknüpft. Dadurch ist e<strong>in</strong> schneller Zugriff auf den Orig<strong>in</strong>al-Artikel möglich, z.B. bei<br />

Literaturverzeichnissen.<br />

Die Onl<strong>in</strong>e-Ausgaben <strong>der</strong> Zeitschriften s<strong>in</strong>d – bis auf wenige Ausnahmen – ebenso wie die<br />

Pr<strong>in</strong>t-Ausgaben nicht kostenlos. In <strong>der</strong> Regel erlauben die Anbieter den freien Zugang zu den<br />

Inhaltsverzeichnissen, manchmal mit Abstracts. Der Zugriff auf die Artikel erfor<strong>der</strong>t e<strong>in</strong>e<br />

persönliche o<strong>der</strong> <strong>in</strong>stitutionelle Subskription, daneben können Artikel auch e<strong>in</strong>zeln erworben<br />

werden (‚pay per view‘). E<strong>in</strong>ige Anbieter erlauben auch den freien Zugang zu älteren Jahrgängen.<br />

Die elektronische Zeitschriftenbibliothek (EZB, http://rzblx1.uni-regensburg.de/ezeit) ist<br />

e<strong>in</strong> geme<strong>in</strong>samer Service von mehreren hun<strong>der</strong>t Bibliotheken und bietet e<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>fachen und<br />

komfortablen Zugang zu elektronisch ersche<strong>in</strong>enden wissenschaftlichen Zeitschriften. Nach<br />

Auswahl des Fachgebiets erhält man e<strong>in</strong>e alphabetische Liste <strong>der</strong> Zeitschriften (mehr als 1000<br />

für das Fach <strong>Chemie</strong>) mit direktem Zugriff und aktuellem Status <strong>der</strong> Zugangsberechtigung.<br />

Patentrecherche<br />

Bei <strong>der</strong> Literaturrecherche f<strong>in</strong>det man häufig Verweise auf Patente, die Abstracts s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Regel wenig aussagekräftig. Die vollständigen Patentschriften (Offenlegungsschriften) können<br />

bei den zuständigen Patentämtern e<strong>in</strong>gesehen werden. Europäische Patentschriften können<br />

auf den Internet-Seiten des Europäischen Patentamts (http://ep.espacenet.com) gesucht<br />

werden, amerikanische Patente auf den Seiten des United States Patent and Trademark Office<br />

(http://www.uspto.gov).<br />

357


14. Dokumentation – Literatur – Literaturrecherche<br />

14.4 Informationsquellen im Internet<br />

Neben den oben erwähnten Quellen existieren im Internet viele Seiten mit nützlichen Informationen<br />

für die Arbeit im Labor. Die folgende Zusammenstellung ist e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e Auswahl<br />

von Internetseiten, die nützliche Informationen für den Bereich organische <strong>Chemie</strong> bieten.<br />

E<strong>in</strong>ige Seiten erfor<strong>der</strong>n e<strong>in</strong>e Registrierung, zum Teil werden auch kostenpflichtige Dienste<br />

aufgeführt, die aber oft e<strong>in</strong>en freien, zeitlich beschränkten Testzugang bieten.<br />

Chemikalien und Stoff<strong>in</strong>formationen<br />

Die meisten Hersteller bieten ihre Chemikalienkataloge onl<strong>in</strong>e an, e<strong>in</strong>ige erfor<strong>der</strong>n e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>malige,<br />

kostenlose Registrierung. Gesucht werden kann nach Namen, Summenformeln und<br />

CA-Registry Nummern, die meisten Kataloge erlauben auch die Suche nach Strukturen. Neben<br />

den Bestell<strong>in</strong>formationen zu den Produkten erhält man Auskunft über physikalische<br />

Daten, Gefahrstoffdaten und Sicherheitsdatenblätter, manchmal auch Literaturh<strong>in</strong>weise für<br />

den E<strong>in</strong>satz <strong>der</strong> Chemikalie. Viele Hersteller bieten auch über ihre Internetseiten <strong>in</strong>formative<br />

Broschüren zu speziellen Synthesemethoden o<strong>der</strong> Substanzklassen an.<br />

Acros (http://www.acros.be)<br />

Organische und bioorganische Laborchemikalien<br />

Alfa Aesar (http://www.alfa-chemcat.com)<br />

Produkte <strong>der</strong> Firmen Alfa Aesar, Avocado Organics und Lancaster Synthesis.<br />

Bachem (http://www.bachem.com)<br />

Am<strong>in</strong>osäuren, Peptide und Harze für die Festphasensynthese.<br />

Merck (http://chemdat.merck.de)<br />

Produkte von Merck und LabTools (Tabellen zu NMR-Verschiebungen, pH-Bereichen von<br />

Indikatoren, Umrechnungstabellen etc.).<br />

SIGMA-Aldrich (http://www.sigmaaldrich.com)<br />

Produkte <strong>der</strong> Firmen Aldrich, Fluka, SIGMA, Supelco und SAFC.<br />

CambridgeSoft Corporation (http://chemf<strong>in</strong><strong>der</strong>.com)<br />

Englischsprachiges Portal mit verschiedenen kostenpflichtigen Datenbanken: ChemF<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

liefert Stoff<strong>in</strong>formationen und 2D/3D-Strukturen (kostenfrei), ChemACX ist e<strong>in</strong>e Sammlung<br />

von Chemikalienkatalogen (zeitlich limitierter Testzugang).<br />

358


14.4 Informationsquellen im Internet<br />

Organische <strong>Chemie</strong> – Reaktionen und Syntheseplanung<br />

WebReactions (http://www.webreactions.net)<br />

WebReactions ist e<strong>in</strong>e freie Reaktionsdatenbank und e<strong>in</strong> ausgezeichnetes Hilfsmittel zur<br />

Syntheseplanung. Sie enthält fast 400 000 Reaktionen mit Literaturzitaten.<br />

Namensreaktionen (http://www.namensreaktionen.de)<br />

E<strong>in</strong>e Sammlung von Namensreaktionen <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Organischen</strong> <strong>Chemie</strong> mit Mechanismen.<br />

Vernetztes Studium <strong>Chemie</strong> (http://www.vs-c.de)<br />

Das Vernetzte Studium - <strong>Chemie</strong> bietet multimediales Lernmaterial aus allen Bereichen <strong>der</strong><br />

<strong>Chemie</strong> sowie verwandter Querschnittsfächer. Die Inhalte werden <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>teraktiven,<br />

chemiespezifischen Lernplattform präsentiert.<br />

Spektroskopie und Analytik<br />

Spectral Database for Organic Compounds (http://www.aist.go.jp/RIODB/SDBS)<br />

Die vom japanischem National Institute of Advanced Industrial Science and Technology<br />

(AIST) frei angebotene Datenbank enthält IR-, NMR, Raman- und Massenspektren für e<strong>in</strong>e<br />

große Anzahl organischer Verb<strong>in</strong>dungen.<br />

NIST Chemistry WebBook (http://webbook.nist.gov/chemistry)<br />

Die Standard Reference Database vom National Institute of Standards and Technology<br />

(NIST), USA, liefert IR-, UV- und Massenspektren sowie thermochemische Daten und<br />

Retentionszeiten für mehrere tausend Verb<strong>in</strong>dungen.<br />

SpectroscopyNow (http://www.spectroscopynow.com)<br />

E<strong>in</strong> Internetportal mit Feature-Artikeln, Skripten und L<strong>in</strong>ksammlung für spektroskopische<br />

Methoden.<br />

Allgeme<strong>in</strong>e Informationen, L<strong>in</strong>ksammlungen und Tools<br />

<strong>Chemie</strong>.de (http://www.chemie.de)<br />

Informationsservice für <strong>Chemie</strong> mit Tools (Akronym-F<strong>in</strong><strong>der</strong>, Periodensystem, E<strong>in</strong>heitenkonverter),<br />

Veranstaltungsh<strong>in</strong>weisen und Bezugsquellen.<br />

ChemL<strong>in</strong> (http://www.cheml<strong>in</strong>.de)<br />

E<strong>in</strong> Portal mit sehr umfangreicher L<strong>in</strong>ksammlung zu allen Themen <strong>der</strong> <strong>Chemie</strong>.<br />

Wikipedia <strong>Chemie</strong> (http://de.wikipedia.org/wiki/<strong>Chemie</strong>)<br />

E<strong>in</strong>e freie Enzyklopädie zur <strong>Chemie</strong>. Frei bedeutet hier, je<strong>der</strong> kann mitmachen, neue Artikel<br />

schreiben und an<strong>der</strong>e Artikel ergänzen o<strong>der</strong> verbessern.<br />

359


14. Dokumentation – Literatur – Literaturrecherche<br />

360


Anhang<br />

Liste <strong>der</strong> R- und S-Sätze<br />

Register<br />

361


Anhang<br />

Liste <strong>der</strong> R- und S-Sätze<br />

Die R- und S-Sätze werden oft nur als Kürzel angegeben (z.B. <strong>in</strong> Katalogen o<strong>der</strong> auf kle<strong>in</strong>en<br />

Geb<strong>in</strong>den). Die Angaben werden durch e<strong>in</strong>en B<strong>in</strong>destrich vone<strong>in</strong>an<strong>der</strong> getrennt. Zur besseren<br />

Verständlichkeit wurden für häufig vorkommende Komb<strong>in</strong>ationen die Komb<strong>in</strong>ationssätze<br />

e<strong>in</strong>geführt; die zugrunde liegenden R- bzw. S-Sätze werden dabei durch e<strong>in</strong>en Schrägstrich<br />

getrennt.<br />

Beispiel:<br />

n-Hexan ist mit den Kürzeln R 11-38-48/20-51/53-62-66-67 und S 9-16-29-33-36/37-61-62<br />

gekennzeichnet. Der vollständige Wortlaut <strong>der</strong> R-Sätze ist:<br />

Leichtentzündlich (R-Satz 11). Reizt die Haut (R-Satz 38). Gesundheitsschädlich: Gefahr<br />

ernster Gesundheitsschäden bei längerer Exposition durch E<strong>in</strong>atmen (Komb<strong>in</strong>ationssatz R<br />

48/20). Giftig für Wasserorganismen, kann <strong>in</strong> Gewässern längerfristig schädliche Wirkungen<br />

haben (Komb<strong>in</strong>ationssatz R 51/53). Kann möglicherweise die Fortpflanzungsfähigkeit bee<strong>in</strong>trächtigen<br />

(R-Satz 62). Wie<strong>der</strong>holter Kontakt kann zu sprö<strong>der</strong> o<strong>der</strong> rissiger Haut führen (R-<br />

Satz 66). Dämpfe können Schläfrigkeit und Benommenheit verursachen (R-Satz 67).<br />

Behälter an e<strong>in</strong>em gut gelüfteten Ort aufbewahren (S-Satz 9). Von Zündquellen fernhalten -<br />

Nicht rauchen (S-Satz 16). Nicht <strong>in</strong> die Kanalisation gelangen lassen (S-Satz 29). Maßnahmen<br />

gegen elektrostatische Aufladungen treffen (S-Satz 33). Bei <strong>der</strong> Arbeit geeignete Schutzhandschuhe<br />

und Schutzkleidung tragen (Komb<strong>in</strong>ationssatz S 36/37). Freisetzung <strong>in</strong> die Umwelt<br />

vermeiden. Beson<strong>der</strong>e Anweisungen e<strong>in</strong>holen / Sicherheitsdatenblatt zu Rate ziehen (S-Satz<br />

61). Bei Verschlucken ke<strong>in</strong> Erbrechen herbeiführen. Sofort ärztlichen Rat e<strong>in</strong>holen und Verpackung<br />

o<strong>der</strong> Etikett vorzeigen (S-Satz 62).<br />

Auflistung <strong>der</strong> R- und S-Sätze nach <strong>der</strong> EG-Richtl<strong>in</strong>ie 67/548/EWG, Anhang III bzw. IV,<br />

zuletzt geän<strong>der</strong>t durch die 28. Anpassungsrichtl<strong>in</strong>ie 2001/59/EG.<br />

R-Sätze<br />

R 1: In trockenem Zustand explosionsgefährlich.<br />

R 2: Durch Schlag, Reibung, Feuer o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Zündquellen explosionsgefährlich.<br />

R 3: Durch Schlag, Reibung, Feuer o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Zündquellen beson<strong>der</strong>s<br />

explosionsgefährlich.<br />

R 4: Bildet hochempf<strong>in</strong>dliche explosionsgefährliche Metallverb<strong>in</strong>dungen.<br />

R 5: Beim Erwärmen explosionsfähig.<br />

R 6: Mit und ohne Luft explosionsfähig.<br />

R 7: Kann Brand verursachen.<br />

R 8: Feuergefahr bei Berührung mit brennbaren Stoffen.<br />

R 9: Explosionsgefahr bei Mischung mit brennbaren Stoffen.<br />

R 10: Entzündlich.<br />

R 11: Leichtentzündlich.<br />

R 12: Hochentzündlich.<br />

R 14: Reagiert heftig mit Wasser.<br />

R 15: Reagiert mit Wasser unter Bildung hochentzündlicher Gase.<br />

R 16: Explosionsgefährlich <strong>in</strong> Mischung mit brandför<strong>der</strong>nden Stoffen.<br />

362


Liste <strong>der</strong> R- und S-Sätze<br />

R 17: Selbstentzündlich an <strong>der</strong> Luft.<br />

R 18: Bei Gebrauch Bildung explosiver/leicht entzündlicher Dampf-Luftgemische möglich.<br />

R 19: Kann explosionsfähige Peroxide bilden.<br />

R 20: Gesundheitsschädlich beim E<strong>in</strong>atmen.<br />

R 21: Gesundheitsschädlich bei Berührung mit <strong>der</strong> Haut.<br />

R 22: Gesundheitsschädlich beim Verschlucken.<br />

R 23: Giftig beim E<strong>in</strong>atmen.<br />

R 24: Giftig bei Berührung mit <strong>der</strong> Haut.<br />

R 25: Giftig beim Verschlucken.<br />

R 26: Sehr giftig beim E<strong>in</strong>atmen.<br />

R 27: Sehr giftig bei Berührung mit <strong>der</strong> Haut.<br />

R 28: Sehr giftig beim Verschlucken.<br />

R 29: Entwickelt bei Berührung mit Wasser giftige Gase.<br />

R 30: Kann bei Gebrauch leicht entzündlich werden.<br />

R 31: Entwickelt bei Berührung mit Säure giftige Gase.<br />

R 32: Entwickelt bei Berührung mit Säure sehr giftige Gase.<br />

R 33: Gefahr kumulativer Wirkungen.<br />

R 34: Verursacht Verätzungen.<br />

R 35: Verursacht schwere Verätzungen.<br />

R 36: Reizt die Augen.<br />

R 37: Reizt die Atmungsorgane.<br />

R 38: Reizt die Haut.<br />

R 39: Ernste Gefahr irreversiblen Schadens.<br />

R 40: Verdacht auf krebserzeugende Wirkung.<br />

R 41: Gefahr ernster Augenschäden.<br />

R 42: Sensibilisierung durch E<strong>in</strong>atmen möglich.<br />

R 43: Sensibilisierung durch Hautkontakt möglich.<br />

R 44: Explosionsgefahr bei Erhitzen unter E<strong>in</strong>schluss.<br />

R 45: Kann Krebs erzeugen.<br />

R 46: Kann vererbbare Schäden verursachen.<br />

R 48: Gefahr ernster Gesundheitsschäden bei längerer Exposition.<br />

R 49: Kann Krebs erzeugen beim E<strong>in</strong>atmen.<br />

R 50: Sehr giftig für Wasserorganismen.<br />

R 51: Giftig für Wasserorganismen.<br />

R 52: Schädlich für Wasserorganismen.<br />

R 53: Kann <strong>in</strong> Gewässern längerfristig schädliche Wirkungen haben.<br />

R 54: Giftig für Pflanzen.<br />

R 55: Giftig für Tiere.<br />

R 56: Giftig für Bodenorganismen.<br />

R 57: Giftig für Bienen.<br />

R 58: Kann längerfristig schädliche Wirkungen auf die Umwelt haben.<br />

R 59: Gefährlich für die Ozonschicht.<br />

R 60: Kann die Fortpflanzungsfähigkeit bee<strong>in</strong>trächtigen.<br />

R 61: Kann das K<strong>in</strong>d im Mutterleib schädigen.<br />

R 62: Kann möglicherweise die Fortpflanzungsfähigkeit bee<strong>in</strong>trächtigen.<br />

R 63: Kann das K<strong>in</strong>d im Mutterleib möglicherweise schädigen.<br />

R 64: Kann Säugl<strong>in</strong>ge über die Muttermilch schädigen.<br />

R 65: Gesundheitsschädlich: Kann beim Verschlucken Lungenschäden verursachen.<br />

R 66: Wie<strong>der</strong>holter Kontakt kann zu sprö<strong>der</strong> o<strong>der</strong> rissiger Haut führen.<br />

R 67: Dämpfe können Schläfrigkeit und Benommenheit verursachen.<br />

R 68: Irreversibler Schaden möglich.<br />

363


Anhang<br />

Komb<strong>in</strong>ation <strong>der</strong> R-Sätze:<br />

R 14/15: Reagiert heftig mit Wasser unter Bildung hochentzündlicher Gase.<br />

R 15/29: Reagiert mit Wasser unter Bildung giftiger und hochentzündlicher Gase.<br />

R 20/21: Gesundheitsschädlich beim E<strong>in</strong>atmen und bei Berührung mit <strong>der</strong> Haut.<br />

R 20/22: Gesundheitsschädlich beim E<strong>in</strong>atmen und Verschlucken.<br />

R 20/21/22: Gesundheitsschädlich beim E<strong>in</strong>atmen, Verschlucken und Berührung mit <strong>der</strong><br />

Haut.<br />

R 21/22: Gesundheitsschädlich bei Berührung mit <strong>der</strong> Haut und beim Verschlucken.<br />

R 23/24: Giftig beim E<strong>in</strong>atmen und bei Berührung mit <strong>der</strong> Haut.<br />

R 23/25: Giftig beim E<strong>in</strong>atmen und Verschlucken.<br />

R 23/24/25: Giftig beim E<strong>in</strong>atmen, Verschlucken und Berührung mit <strong>der</strong> Haut.<br />

R 24/25: Giftig bei Berührung mit <strong>der</strong> Haut und beim Verschlucken.<br />

R 26/27: Sehr giftig beim E<strong>in</strong>atmen und bei Berührung mit <strong>der</strong> Haut.<br />

R 26/28: Sehr giftig beim E<strong>in</strong>atmen und Verschlucken.<br />

R 26/27/28: Sehr giftig beim E<strong>in</strong>atmen, Verschlucken und Berührung mit <strong>der</strong> Haut.<br />

R 27/28: Sehr giftig bei Berührung mit <strong>der</strong> Haut und beim Verschlucken.<br />

R 36/37: Reizt die Augen und die Atmungsorgane.<br />

R 36/38: Reizt die Augen und die Haut.<br />

R 36/37/38: Reizt die Augen, Atmungsorgane und die Haut.<br />

R 37/38: Reizt die Atmungsorgane und die Haut.<br />

R 39/23: Giftig: ernste Gefahr irreversiblen Schadens durch E<strong>in</strong>atmen.<br />

R 39/24: Giftig: ernste Gefahr irreversiblen Schadens bei Berührung mit <strong>der</strong> Haut.<br />

R 39/25: Giftig: ernste Gefahr irreversiblen Schadens durch Verschlucken.<br />

R 39/23/24: Giftig: ernste Gefahr irreversiblen Schadens durch E<strong>in</strong>atmen und bei<br />

Berührung mit <strong>der</strong> Haut.<br />

R 39/23/25: Giftig: ernste Gefahr irreversiblen Schadens durch E<strong>in</strong>atmen und durch<br />

Verschlucken.<br />

R 39/24/25: Giftig: ernste Gefahr irreversiblen Schadens bei Berührung mit <strong>der</strong> Haut und<br />

durch Verschlucken.<br />

R 39/23/24/25: Giftig: ernste Gefahr irreversiblen Schadens durch E<strong>in</strong>atmen, Berührung mit<br />

<strong>der</strong> Haut und durch Verschlucken.<br />

R 39/26: Sehr giftig: ernste Gefahr irreversiblen Schadens durch E<strong>in</strong>atmen.<br />

R 39/27: Sehr giftig: ernste Gefahr irreversiblen Schadens bei Berührung mit <strong>der</strong><br />

Haut.<br />

R 39/28: Sehr giftig: ernste Gefahr irreversiblen Schadens durch Verschlucken.<br />

R 39/26/27: Sehr giftig: ernste Gefahr irreversiblen Schadens durch E<strong>in</strong>atmen und bei<br />

Berührung mit <strong>der</strong> Haut.<br />

R 39/26/28: Sehr giftig: ernste Gefahr irreversiblen Schadens durch E<strong>in</strong>atmen und durch<br />

Verschlucken.<br />

R 39/27/28: Sehr giftig: ernste Gefahr irreversiblen Schadens bei Berührung mit <strong>der</strong> Haut<br />

und durch Verschlucken.<br />

R 39/26/27/28: Sehr giftig: ernste Gefahr irreversiblen Schadens durch E<strong>in</strong>atmen, Berührung<br />

mit <strong>der</strong> Haut und durch Verschlucken.<br />

R 42/43: Sensibilisierung durch E<strong>in</strong>atmen und Hautkontakt möglich.<br />

R 48/20: Gesundheitsschädlich: Gefahr ernster Gesundheitsschäden bei längerer<br />

Exposition durch E<strong>in</strong>atmen.<br />

R 48/21: Gesundheitsschädlich: Gefahr ernster Gesundheitsschäden bei längerer<br />

Exposition durch Berührung mit <strong>der</strong> Haut.<br />

364


Liste <strong>der</strong> R- und S-Sätze<br />

R 48/22: Gesundheitsschädlich: Gefahr ernster Gesundheitsschäden bei längerer<br />

Exposition durch Verschlucken.<br />

R 48/20/21: Gesundheitsschädlich: Gefahr ernster Gesundheitsschäden bei längerer<br />

Exposition durch E<strong>in</strong>atmen und durch Berührung mit <strong>der</strong> Haut.<br />

R 48/20/22: Gesundheitsschädlich: Gefahr ernster Gesundheitsschäden bei längerer<br />

Exposition durch E<strong>in</strong>atmen und durch Verschlucken.<br />

R 48/21/22: Gesundheitsschädlich: Gefahr ernster Gesundheitsschäden bei längerer<br />

Exposition durch Berührung mit <strong>der</strong> Haut und durch Verschlucken.<br />

R 48/20/21/22: Gesundheitsschädlich: Gefahr ernster Gesundheitsschäden bei längerer<br />

Exposition durch E<strong>in</strong>atmen, Berührung mit <strong>der</strong> Haut und durch<br />

Verschlucken.<br />

R 48/23: Giftig: Gefahr ernster Gesundheitsschäden bei längerer Exposition durch<br />

E<strong>in</strong>atmen.<br />

R 48/24: Giftig: Gefahr ernster Gesundheitsschäden bei längerer Exposition durch<br />

Berührung mit <strong>der</strong> Haut.<br />

R 48/25: Giftig: Gefahr ernster Gesundheitsschäden bei längerer Exposition durch<br />

Verschlucken.<br />

R 48/23/24: Giftig: Gefahr ernster Gesundheitsschäden bei längerer Exposition durch<br />

E<strong>in</strong>atmen und durch Berührung mit <strong>der</strong> Haut.<br />

R 48/23/25: Giftig: Gefahr ernster Gesundheitsschäden bei längerer Exposition durch<br />

E<strong>in</strong>atmen und durch Verschlucken.<br />

R 48/24/25: Giftig: Gefahr ernster Gesundheitsschäden bei längerer Exposition durch<br />

Berührung mit <strong>der</strong> Haut und durch Verschlucken.<br />

R 48/23/24/25: Giftig: Gefahr ernster Gesundheitsschäden bei längerer Exposition durch<br />

E<strong>in</strong>atmen. Berührung mit <strong>der</strong> Haut und durch Verschlucken.<br />

R 50/53: Sehr giftig für Wasserorganismen, kann <strong>in</strong> Gewässern längerfristig<br />

schädliche Wirkungen haben.<br />

R 51/53: Giftig für Wasserorganismen, kann <strong>in</strong> Gewässern längerfristig schädliche<br />

Wirkungen haben.<br />

R 52/53: Schädlich für Wasserorganismen, kann <strong>in</strong> Gewässern längerfristig schädliche<br />

Wirkungen haben.<br />

R 68/20: Gesundheitsschädlich: Möglichkeit irreversiblen Schadens durch E<strong>in</strong>atmen.<br />

R 68/20/21: Gesundheitsschädlich: Möglichkeit irreversiblen Schadens durch E<strong>in</strong>atmen<br />

und bei Berührung mit <strong>der</strong> Haut.<br />

R 68/20/21/22: Gesundheitsschädlich: Möglichkeit irreversiblen Schadens durch E<strong>in</strong>atmen,<br />

Berührung mit <strong>der</strong> Haut und durch Verschlucken.<br />

R 68/20/22: Gesundheitsschädlich: Möglichkeit irreversiblen Schadens durch E<strong>in</strong>atmen<br />

und durch Verschlucken.<br />

R 68/21: Gesundheitsschädlich: Möglichkeit irreversiblen Schadens bei Berührung<br />

mit <strong>der</strong> Haut.<br />

R 68/21/22: Gesundheitsschädlich: Möglichkeit irreversiblen Schadens bei Berührung<br />

mit <strong>der</strong> Haut und durch Verschlucken.<br />

R 68/22: Gesundheitsschädlich: Möglichkeit irreversiblen Schadens durch<br />

Verschlucken.<br />

S-Sätze<br />

S 1:<br />

S 2:<br />

S 3:<br />

Unter Verschluss aufbewahren.<br />

Darf nicht <strong>in</strong> die Hände von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n gelangen.<br />

Kühl aufbewahren.<br />

365


Anhang<br />

S 4: Von Wohnplätzen fernhalten.<br />

S 5: Unter ... aufbewahren (geeignete Flüssigkeit vom Hersteller anzugeben).<br />

S 6: Unter ... aufbewahren (<strong>in</strong>ertes Gas vom Hersteller anzugeben).<br />

S 7: Behälter dicht geschlossen halten.<br />

S 8: Behälter trocken halten.<br />

S 9: Behälter an e<strong>in</strong>em gut gelüfteten Ort aufbewahren.<br />

S 12: Behälter nicht gasdicht verschließen.<br />

S 13: Von Nahrungsmitteln, Getränken und Futtermitteln fernhalten.<br />

S 14: Von ... fernhalten (<strong>in</strong>kompatible Substanzen s<strong>in</strong>d vom Hersteller anzugeben).<br />

S 15: Vor Hitze schützen.<br />

S 16: Von Zündquellen fernhalten - Nicht rauchen.<br />

S 17: Von brennbaren Stoffen fernhalten.<br />

S 18: Behälter mit Vorsicht öffnen und handhaben.<br />

S 20: Bei <strong>der</strong> Arbeit nicht essen und tr<strong>in</strong>ken.<br />

S 21: Bei <strong>der</strong> Arbeit nicht rauchen.<br />

S 22: Staub nicht e<strong>in</strong>atmen.<br />

S 23: Gas/Rauch/Dampf/Aerosol nicht e<strong>in</strong>atmen (Bezeichnung ist vom Hersteller<br />

anzugeben).<br />

S 24: Berührung mit <strong>der</strong> Haut vermeiden.<br />

S 25: Berührung mit den Augen vermeiden.<br />

S 26: Bei Berührung mit den Augen sofort gründlich mit Wasser abspülen und Arzt<br />

konsultieren.<br />

S 27: Beschmutzte, getränkte Kleidung sofort ausziehen.<br />

S 28: Bei Berührung mit <strong>der</strong> Haut sofort abwaschen mit viel ... (vom Hersteller anzugeben)<br />

S 29: Nicht <strong>in</strong> die Kanalisation gelangen lassen.<br />

S 30: Niemals Wasser h<strong>in</strong>zugießen.<br />

S 33: Maßnahmen gegen elektrostatische Aufladungen treffen.<br />

S 35: Abfälle und Behälter müssen <strong>in</strong> gesicherter Weise beseitigt werden.<br />

S 36: Bei <strong>der</strong> Arbeit geeignete Schutzkleidung tragen.<br />

S 37: Geeignete Schutzhandschuhe tragen.<br />

S 38: Bei unzureichen<strong>der</strong> Belüftung Atemschutzgerät anlegen.<br />

S 39: Schutzbrille/Gesichtsschutz tragen.<br />

S 40: Fußboden und verunre<strong>in</strong>igte Gegenstände mit ... re<strong>in</strong>igen (Material vom Hersteller<br />

anzugeben)<br />

S 41: Explosions- und Brandgase nicht e<strong>in</strong>atmen.<br />

S 42: Beim Räuchern/Versprühen geeignetes Atemschutzgerät anlegen (Bezeichnung vom<br />

Hersteller anzugeben).<br />

S 43: Zum Löschen ... verwenden (vom Hersteller anzugeben).<br />

S 45: Bei Unfall o<strong>der</strong> Unwohlse<strong>in</strong> sofort Arzt h<strong>in</strong>zuziehen (wenn möglich, dieses Etikett<br />

vorzeigen).<br />

S 46: Bei Verschlucken sofort ärztlichen Rat e<strong>in</strong>holen und Verpackung o<strong>der</strong> Etikett<br />

vorzeigen.<br />

S 47: Nicht bei Temperaturen über ...°C aufbewahren (vom Hersteller anzugeben).<br />

S 48: Feucht halten mit ... (vom Hersteller anzugeben).<br />

S 49: Nur im Orig<strong>in</strong>albehälter aufbewahren.<br />

S 50: Nicht mischen mit ... (vom Hersteller anzugeben).<br />

S 51: Nur <strong>in</strong> gut gelüfteten Bereichen verwenden.<br />

S 52: Nicht großflächig für Wohn- und Aufenthaltsräume zu verwenden.<br />

S 53: Exposition vermeiden - vor Gebrauch beson<strong>der</strong>e Anweisungen e<strong>in</strong>holen. - Nur für den<br />

berufsmäßigen Verwen<strong>der</strong> -.<br />

S 56: Diesen Stoff und se<strong>in</strong>en Behälter <strong>der</strong> Problemabfallentsorgung zuführen.<br />

366


Liste <strong>der</strong> R- und S-Sätze<br />

S 57: Zur Vermeidung e<strong>in</strong>er Kontam<strong>in</strong>ation <strong>der</strong> Umwelt geeigneten Behälter verwenden.<br />

S 59: Informationen zur Wie<strong>der</strong>verwendung/Wie<strong>der</strong>verwertung beim Hersteller/Lieferanten<br />

erfragen.<br />

S 60: Dieser Stoff und/o<strong>der</strong> se<strong>in</strong> Behälter s<strong>in</strong>d als gefährlicher Abfall zu entsorgen.<br />

S 61: Freisetzung <strong>in</strong> die Umwelt vermeiden. Beson<strong>der</strong>e Anweisungen e<strong>in</strong>holen /<br />

Sicherheitsdatenblatt zu Rate ziehen.<br />

S 62: Bei Verschlucken ke<strong>in</strong> Erbrechen herbeiführen. Sofort ärztlichen Rat e<strong>in</strong>holen und<br />

Verpackung o<strong>der</strong> Etikett vorzeigen.<br />

S 63: Bei Unfall durch E<strong>in</strong>atmen: Verunfallten an die frische Luft br<strong>in</strong>gen und ruhigstellen.<br />

S 64: Bei Verschlucken Mund mit Wasser ausspülen (nur wenn Verunfallter bei<br />

Bewusstse<strong>in</strong> ist).<br />

Komb<strong>in</strong>ation <strong>der</strong> S-Sätze:<br />

S 1/2: Unter Verschluss und für K<strong>in</strong><strong>der</strong> unzugänglich aufbewahren.<br />

S 3/7: Behälter dicht geschlossen halten und an e<strong>in</strong>em kühlen Ort aufbewahren.<br />

S 3/9/14: An e<strong>in</strong>em kühlen, gut gelüfteten Ort, entfernt von ... aufbewahren (<strong>in</strong>kompatible<br />

Substanzen s<strong>in</strong>d vom Hersteller anzugeben).<br />

S 3/9/14/49: Nur im Orig<strong>in</strong>albehälter an e<strong>in</strong>em kühlen, gut gelüfteten Ort, entfernt von ...<br />

aufbewahren (<strong>in</strong>kompatible Substanzen s<strong>in</strong>d vom Hersteller anzugeben).<br />

S 3/9/49: Nur im Orig<strong>in</strong>albehälter an e<strong>in</strong>em kühlen, gut gelüfteten Ort aufbewahren.<br />

S 3/14: An e<strong>in</strong>em kühlen, von ... entfernten Ort aufbewahren (<strong>in</strong>kompatible Substanzen<br />

s<strong>in</strong>d vom Hersteller anzugeben).<br />

S 7/8: Behälter trocken und dicht geschlossen halten.<br />

S 7/9: Behälter dicht geschlossen an e<strong>in</strong>em gut gelüfteten Ort aufbewahren.<br />

S 7/47: Behälter dicht geschlossen und nicht bei Temperaturen über ... °C aufbewahren<br />

(vom Hersteller anzugeben).<br />

S 20/21: Bei <strong>der</strong> Arbeit nicht essen, tr<strong>in</strong>ken, rauchen.<br />

S 24/25: Berührung mit den Augen und <strong>der</strong> Haut vermeiden.<br />

S 27/28: Bei Berührung mit <strong>der</strong> Haut beschmutzte Kleidung sofort ausziehen und sofort<br />

abwaschen mit viel ... (vom Hersteller anzugeben).<br />

S 29/35: Nicht <strong>in</strong> die Kanalisation gelangen lassen; Abfälle und Behälter müssen <strong>in</strong><br />

gesicherter Weise beseitigt werden.<br />

S 29/56: Nicht <strong>in</strong> die Kanalisation gelangen lassen und diesen Stoff und se<strong>in</strong>en Behälter<br />

<strong>der</strong> Problemabfallentsorgung zuführen.<br />

S 36/37: Bei <strong>der</strong> Arbeit geeignete Schutzhandschuhe und Schutzkleidung tragen.<br />

S 36/37/39: Bei <strong>der</strong> Arbeit geeignete Schutzkleidung, Schutzhandschuhe und<br />

Schutzbrille/Gesichtsschutz tragen.<br />

S 36/39: Bei <strong>der</strong> Arbeit geeignete Schutzkleidung und Schutzbrille/Gesichtsschutz tragen.<br />

S 37/39: Bei <strong>der</strong> Arbeit geeignete Schutzhandschuhe und Schutzbrille/Gesichtsschutz<br />

tragen.<br />

S 47/49: Nur im Orig<strong>in</strong>albehälter bei e<strong>in</strong>er Temperatur von nicht über ... °C aufbewahren<br />

(vom Hersteller anzugeben).<br />

367


Anhang<br />

368


Register<br />

Register<br />

Abbé-Refraktometer 73<br />

Abdekantieren 130<br />

Absaugflasche 132<br />

Abschirmungskonstante 323<br />

Adsorbentien 179<br />

Adsorption 178<br />

Aktivitätsstufe 179<br />

Aktivkohle 136<br />

Akut toxische Substanzen 17<br />

Akute Wirkung 17<br />

Allergien 22<br />

Allihn’sches Rohr 135, 143<br />

Allihn-Kühler 43<br />

Alum<strong>in</strong>iumoxid (Chromatographie) 179<br />

Animpfen 144<br />

Anreiben 144<br />

Anschütz-Aufsatz 45<br />

Äquivalentgewicht<br />

von Carbonsäuren 294<br />

Arbeitsdruck 117<br />

Arbeitsplatzgrenzwert 5<br />

Aromatische Systeme (UV/vis) 306<br />

Atemschutzmaske 226<br />

Ätzende Substanzen 19<br />

Aufbewahrung von Chemikalien 10<br />

Auflösung 193<br />

Aufspaltungsmuster 327<br />

Ausschuss für Gefahrstoffe (AGS) 20<br />

Ausschütteln 169<br />

Auswahlregel 302<br />

Avogadro’sche Hypothese 219<br />

Azeotrop 83<br />

Azeotrope Destillation 108<br />

Bathochrome Verschiebung 304<br />

Beilste<strong>in</strong> 351<br />

Beladung 195<br />

Betriebsanweisung 3<br />

B<strong>in</strong>dungsenergie 310<br />

Biologischer Grenzwert 6<br />

Blase 99<br />

Blasenzähler 46<br />

Böden 102<br />

Bogen 237<br />

Boltzmann-Verteilung 321<br />

Boyle-Mariott’sches Gesetz 219<br />

Brandför<strong>der</strong>nde Substanzen 15<br />

Braunschweiger Wendeln 100<br />

Brechungs<strong>in</strong>dex 72, 88<br />

BTS-Katalysator 229<br />

Büchner-Trichter 132, 144<br />

Cellite 136<br />

Chemical Abstracts 350<br />

Chemikaliengesetz 2<br />

Chemische Analytik 276<br />

Chemische Ionisation 334, 337<br />

Chemische Verschiebung 322<br />

Chromatographie 178<br />

-säule 198<br />

Chromophor 304<br />

Circulus-Rührstab 47<br />

Claisen-Brücke 57, 85<br />

Clausius-Clapeyron 78, 210<br />

Craig-Röhrchen 149<br />

Dampfdruck 78, 160<br />

- druckdiagramm 82<br />

- kurve 62, 79<br />

Dampfstrahlpumpe 123<br />

Dampfzusammensetzung 98<br />

Datenbanken 355<br />

DC 183<br />

Dean-Stark-Falle 109<br />

Deformationsschw<strong>in</strong>gung 309<br />

Derivate 64<br />

Desaktivierung von Chemikalien 29<br />

Destillation 78<br />

azeotroper Mischungen 106<br />

unbekannter Produktgemische 94<br />

Destillationsapparatur 57<br />

e<strong>in</strong>fache 85<br />

fraktionierende Destillation 89<br />

Destillationsaufsatz 115<br />

Destillationsgut 84<br />

Destillationskolonne 32<br />

369


Anhang<br />

Destillationskolonnen 99<br />

Destillationsprotokoll 88, 90<br />

Detektor 207, 211<br />

Dewar-Gefäß 49<br />

Dielektrizitätskonstante 151<br />

Diffusionspumpe 123<br />

Dimroth-Kühler 43<br />

Dokumentation 344<br />

Doppelnadel 236<br />

Drehschieberpumpe 120<br />

Dreieckschema nach Stahl 182<br />

Dreihalskolben 42<br />

Druck 116<br />

Drucke<strong>in</strong>heiten 117<br />

Druckfiltration 135<br />

Druckgasflaschen 221<br />

Druckmessung 124<br />

Druckm<strong>in</strong><strong>der</strong>ventil 222<br />

Drucksensor 95<br />

Dünnschichtchromatographie (DC) 183<br />

Duran 36<br />

Durchbruchzeit 212<br />

Durchflussgeschw<strong>in</strong>digkeit 195<br />

Durchlässigkeit 301<br />

Dynamische Trocknung 249<br />

E<strong>in</strong>stufendestillation 82, 84<br />

Anwendungsbereich 90<br />

bei verm<strong>in</strong><strong>der</strong>tem Druck 91<br />

E<strong>in</strong>weghahn 41<br />

Elektromagnetische Wellen 300<br />

Elektronenstoß-Ionisation 334, 337<br />

Elektronenübergänge 303<br />

Elektronische Thermometer 51<br />

Elektrostatische Aufladung 8, 14<br />

Eluent 181<br />

Elutionskraft 181<br />

Elutrope Reihe 181<br />

Emulsion 171<br />

Enddruck 117<br />

Energieniveauschema 303<br />

Entgasen von Lösungsmittel 235<br />

Entnahmedruck 223<br />

Entsorgung von Chemikalien 11, 29<br />

Entwicklung 201<br />

Entzündliche Substanzen 13<br />

Erbgutverän<strong>der</strong>nde Stoffe 20<br />

Erste Hilfe 25<br />

E T -Wert 151<br />

Eutektikum 64<br />

Eutektische Gemische 63<br />

Explosionsgefahr 16<br />

Explosionsgefährliche Substanzen 14<br />

Explosionsgrenzen 12<br />

Exsikkator 146, 245<br />

Ext<strong>in</strong>ktionskoeffizient 308<br />

Extraktion 168<br />

fest-flüssig 175<br />

flüssig-flüssig 169<br />

kont<strong>in</strong>uierliche 174<br />

Wahl des Solvens 173<br />

Extraktionsgut 175<br />

Extraktionshülse 175<br />

Fachliteratur 346<br />

Faltenfilter 131<br />

Fe<strong>der</strong>Vakuummeter 125<br />

Fest-flüssig-Extraktion 175<br />

Festsitzende Schliffe 38<br />

Feststoffdestillation 58, 96<br />

Feststofftrichter 56<br />

Feuchtigkeitsausschluss 53<br />

Feuerlöscher 24<br />

FID (Flammenionisationsdetektor) 212<br />

FID (free <strong>in</strong>duction decay) 322<br />

Filterkuchen 132<br />

Filtrat 131<br />

Filtration 130<br />

bei verm<strong>in</strong><strong>der</strong>ter Druck) 132<br />

durch Zentriguierne 137, 149<br />

e<strong>in</strong>fache 131<br />

unter Schutzgas 238<br />

unter Überdruck 135<br />

Filtrierhilfsmittel 136<br />

F<strong>in</strong>gerpr<strong>in</strong>t 311<br />

Flammpunkt 10<br />

Flanschverb<strong>in</strong>dung 37<br />

Flash-Chromatographie 196, 204<br />

Fließpunkt 62<br />

Fluoreszenz 185<br />

Fluoreszenzlöschung 185<br />

370


Register<br />

Fluorolube 313<br />

Flüssigextraktor<br />

e<strong>in</strong>facher 174<br />

nach Kutscher-Steudel 175<br />

Flüssig-Flüssig-Extraktion 169<br />

Fortpflanzungsgefährdend 21<br />

Fourier-Transformation 322<br />

Fragmentierung 333, 337<br />

Fraktionen 201<br />

Fraktionierende Destillation 88<br />

Freiheitsgrad 309<br />

Fritten 130<br />

Füllkörperkolonne 99, 103<br />

Funktionelle Gruppe (IR) 310<br />

Gasballast 122<br />

Gaschromatographie (GC) 208<br />

Gase 218<br />

E<strong>in</strong>leiten <strong>in</strong> Apparaturen 56, 225<br />

Re<strong>in</strong>igung von Schutzgas 228<br />

Sicheres Arbeiten 226<br />

Gasentwicklung 53<br />

Gay-Lussac’sches Gesetz 219<br />

Gefahrenbezeichnung 3<br />

Gefahrensymbole 3<br />

Gefahrstoffverordnung 2<br />

Gefriertrocknung 163<br />

Gegenstromdestillation 99<br />

Gegenstrompr<strong>in</strong>zip 44<br />

Gesamtdrehimpul 320<br />

Gesamtsp<strong>in</strong> 302<br />

Gesetzliche Vorschriften 2<br />

Gew<strong>in</strong>deschraubanschluss 40<br />

Gifnotrufzentralen 26<br />

Giftige Chemikalien 17<br />

Glasfilterfritte 134<br />

Glasfilternutsche 134, 144<br />

Gradienten-Trennung 207<br />

Grenzwerte 5<br />

Grenzw<strong>in</strong>kel 73<br />

Größenausschluss 178<br />

Guko-R<strong>in</strong>g 132, 144<br />

Gyromagnetisches Verhältnis 320<br />

Hagen-Poiseuille’sches Gesetz 118<br />

Halbmikro-Destillationsapparatu 112<br />

Handgebläse 135<br />

Handschuhe 9<br />

Hauptlauf 88<br />

Hautschutzplan 10<br />

Hebebühne 52<br />

Heißdampfextraktion 175<br />

Heißfiltration 133, 141, 143, 147<br />

Heizbad 48<br />

Heizhaube 49<br />

Heizmikroskop nach Kofler 69<br />

Heizpilz 49<br />

Heizplatte 48<br />

Hirschtrichter 133, 143<br />

Hochentzündliche Substanzen 13<br />

Hochvakuumpumpen 123<br />

HPLC 194, 205<br />

Hygiene 8<br />

Hypsochrome Verschiebung 304<br />

Ideale Gase 219<br />

Ideale Mischung 81<br />

Identifizierung durch Derivate 287<br />

Aldehyde und Ketone 293<br />

Alkohole 287<br />

Carbonsäuren 293<br />

Phenole 289<br />

prim.- und sek. Am<strong>in</strong>e 290<br />

tert. Am<strong>in</strong>e 291<br />

Inertgas 219<br />

Inkrementsysteme<br />

für NMR 330<br />

für UV 305<br />

Innenthermometer 55<br />

Intensivkühler 43<br />

Internet 358<br />

Interpretation von IR-Spektren 316<br />

IR-Spektroskopie 309<br />

IR-Spektrum 311<br />

Isomorphie 64<br />

Kältemischung 50<br />

Kältethermometer 51<br />

Kaltextraktion 176<br />

KBr-Pressl<strong>in</strong>g 313<br />

Kegelschliff 36<br />

Kennzeichnung von Chemikalien 10<br />

371


Anhang<br />

Kernsp<strong>in</strong> 320<br />

Kieselgel<br />

für Chromatographie 179<br />

modifiziertes 180<br />

als Trockenmittel 46, 242, 245<br />

Kieselgur 136<br />

Kolonnenkopf 99<br />

Kompressions-Vakuummeter 125<br />

Kondensieren 62<br />

Kont<strong>in</strong>uierliche Extraktion 174<br />

Kopplungskonstante 327<br />

KPG-Rührer 47, 54<br />

Kraftkonstante 310<br />

Krebserzeugende Stoffe 20<br />

Kristallisat 144<br />

Kristallisation 144<br />

Kristallisationsgeschw<strong>in</strong>digkeit 144<br />

Kristallisieren 63<br />

Kritischer punkt 62<br />

Krümmer 237<br />

Kugelkühler 43<br />

Kugelrohrdestillation 113<br />

Kugelschliff 37<br />

Kühlbad 49<br />

Kühler 42<br />

Kühlfalle 93, 122<br />

Kühlf<strong>in</strong>ger 163<br />

Küken 41<br />

Kupferblock 68<br />

Kurzwegdestillation 114<br />

Küvette 308<br />

Laborbrände 23<br />

Laborjournal 344<br />

Labormantel 8<br />

Laborordnung 2<br />

Laborunfälle 24<br />

Lambert-Beer’sches Gesetz 301<br />

Lapporte-Regel 303<br />

Laufmittel 181<br />

Rückgew<strong>in</strong>nung 202<br />

Lavaldüse 118, 123<br />

LC 50 17<br />

LD 50 17<br />

Leichtentzündliche Substanzen 13<br />

Liebig-Aufsatz 97<br />

Liebig-Kühler 43, 85<br />

Literatur 346<br />

Literaturrecherche 354<br />

Lobar-Fertigsäulen 196<br />

Lösungsmittel<br />

Mischbarkeit 152<br />

Polarität 151<br />

Re<strong>in</strong>igung und Trocknung 247<br />

Luftkühler 42<br />

Lyophilisierung 163<br />

Magnetfeld 320<br />

Magnetisches Moment 320<br />

Magnetrührer 46<br />

Magnetrührstab 46<br />

Magnetventil 95<br />

Manometer 124<br />

Massenspektrometrie 333<br />

Massentrennung 336<br />

McLafferty-Umlagerung 339<br />

Mechanischer Rührer 47<br />

Mehrfachextraktion 169<br />

Mehrstufendestillation 98<br />

Membranfilter 130<br />

Membran-Vakuummeter 125<br />

Mempranpumpe 119<br />

Metallbad 48<br />

Metallkühler 14, 43<br />

Mikrodestillation 115<br />

Mischkristallbildung 64<br />

Mischschmelzpunkt 64, 69<br />

Mobile Phase 178<br />

Molekülion 334<br />

Molekülschw<strong>in</strong>gung 309<br />

MPLC 194<br />

Multiplizität 302<br />

Mutterlauge 140, 145<br />

Nachlauf 88<br />

Nachweis funktioneller Gruppen 285<br />

Aldehyde 292<br />

Alkene) 286<br />

Säuren und Basen) 285<br />

spektroskopischer Nachweis 285<br />

Nachweis von Heteroelementen 277<br />

Halogene 276<br />

Phosphor 276<br />

372


Register<br />

Schwefel 276<br />

Stickstoff 276<br />

NaCl-Platte 312<br />

Nadelventil 41, 224<br />

Nebenschluss 126<br />

Nernst’scher Verteilungssatz 168, 178,<br />

210<br />

Nicht ideale Mischung 83<br />

NMR-Spektroskopie 320<br />

1 H-NMR 324<br />

13 C-NMR 328<br />

Nomogramm 79<br />

Normschliff 36<br />

Normschliff-Thermometer 51<br />

Nujol 313<br />

Ölbad 48<br />

Olive 40<br />

Ölpumpe 120<br />

Onl<strong>in</strong>e-Zeitschriften 357<br />

Oxidationsmittel 13<br />

Packungsmaterial 191<br />

Papierfilter 130<br />

Paritätsverbot 303<br />

Partialdruck 81<br />

Patente 349, 357<br />

Perforation 168, 174<br />

Peroxide 14, 16, 258<br />

Phasendiagramm 62<br />

Phasentrennung 171<br />

Planschliff 37<br />

Polarität 151, 182<br />

Polarimetrie 74<br />

Porosität 134<br />

Primärliteratur 346<br />

Pyrex 36<br />

Quecksilber 28<br />

Quecksilbermanometer 124<br />

Quickfit 40, 55<br />

Radikalkationen 333<br />

Raoult’sches Gesetz 64, 81<br />

Raschigr<strong>in</strong>ge 100<br />

Reaktionsapparatur 52<br />

Reaktionsgefäß 42<br />

Reaktive Chemikalien<br />

Gefahren 12<br />

Desaktivierung 29<br />

Recycl<strong>in</strong>g 31<br />

Reduzierventil 222<br />

Refraktometrie 72<br />

Regulierventil 224<br />

Re<strong>in</strong>igung von Lösungsmittel 247<br />

Alkohole 269<br />

Am<strong>in</strong>en 266<br />

aprotisch dipolare Lösungsmittel 264<br />

Carbonsäuren und Derivate 271<br />

chlorierten Kohlenwasserstoffe 257<br />

Ester 263<br />

Ether 258<br />

Kohlenwasserstoffe 253<br />

Reizende Substanzen 19<br />

Rektifikation 98<br />

Relaxation 321<br />

Reproduktionstoxische Stoffe 21<br />

Resonanzfrequenz 321<br />

Retentionsfaktor 187<br />

Retentionsmechanismus 178<br />

Retentionsvolumen 86, 103, 191<br />

Retentionszeit 191<br />

Reversed-Phase-Chromatographie 180<br />

R<strong>in</strong>gspaltkolonne 116<br />

Rohrverb<strong>in</strong>dung 39<br />

Rotationsverdampfer 31, 94<br />

R-Satz 3, 362<br />

Rückflusskühler 42<br />

Rücklaufverhältnis 100<br />

Rückschlagventil 119<br />

Rührhülse 48<br />

Rührverschluss 47<br />

Rührwelle 47<br />

Rundfilter 131<br />

Rundkolben 42<br />

Sättigung 321<br />

Saugvermögen 117<br />

Säulenchromatographie (SC) 190<br />

Scheidetrichter 169<br />

Schlauchschellen 41<br />

Schlauchverb<strong>in</strong>dung 39<br />

373


Anhang<br />

Schlenk-Kolben 97, 237<br />

Schlenkrohr 237<br />

Schlifffett 37<br />

Schliffhahn 41<br />

Schliffsicherung 38<br />

Schmelzbereich 64<br />

Schmelzdiagramm 64<br />

Schmelzdruckkurve 62<br />

Schmelzen 63<br />

Schmelz<strong>in</strong>tervall 64<br />

Schmelzpunkt 62<br />

Schmelzpunktapparatur<br />

nach Thiele 65<br />

nach Tottoli 67<br />

automatische 68<br />

Schmelzpunktdepression 63<br />

Schmelzpunktröhrchen 65<br />

Schnittverletzungen 23, 25<br />

Schraubverschluss 40<br />

Schutzgas 219, 227<br />

Ballontechnik 235<br />

<strong>in</strong> Reaktionsapparaturen 233<br />

Sekundärliteratur 349<br />

Sensibilisierende Stoffe 22<br />

Sicherheit im Labor 1<br />

Sicherheitsbelehrung 3<br />

Sicherheitse<strong>in</strong>richtungen 7<br />

Sicherheitsvorschriften 3<br />

Siedediagramm 82, 98<br />

Siedekapillare 92<br />

Siedepunkt 70, 78<br />

Siedepunktbestimmung 70<br />

im Makromaßstab 71<br />

nach Siwolobow 71<br />

Siedeste<strong>in</strong>e 86<br />

Son<strong>der</strong>abfallbehälter 29<br />

Soxleth-Extraktor 176<br />

Spektroskopie 300<br />

Spezifischer Drehwert 74<br />

Sp<strong>in</strong>delhahn 41<br />

Sp<strong>in</strong>ne 88<br />

Sp<strong>in</strong>-Sp<strong>in</strong>-Kopplung 325<br />

Spritzenfilter 136<br />

Sprühreagentien 185<br />

S-Satz 3, 362<br />

Standard-Reaktionsapparatur 52<br />

Stationäre Phase 178<br />

Stockthermometer 51<br />

Strömungswi<strong>der</strong>stand 118<br />

Strahlungsenergie 301<br />

Streckschw<strong>in</strong>gung 309<br />

Strömungsleitwert 118<br />

Sublimat 160<br />

Sublimation 158<br />

Apparaturen 161<br />

Vorproben 161<br />

Sublimationsdruckkurve 62, 158<br />

Tail<strong>in</strong>g 195<br />

Teflonhülsen 39<br />

Temperaturgradient 140<br />

Temperaturprogramm 208<br />

Thermometer 50<br />

Totaldruck 117<br />

Totalreflektion 73<br />

Totvolumen 191<br />

Totzeit 191, 212<br />

Trägergas 208<br />

Transmission siehe Durchlässigkeit<br />

Transport von Chemikalien 10<br />

Trennfaktor 192<br />

Trennleistung 102<br />

Trennsäule 191, 206, 209<br />

Trennstrecke 184<br />

Trennstufen 102<br />

Trennstufenhöhe 102, 195<br />

Trennstufenzahl 195<br />

Trennung von Produktgemischen 279<br />

durch Extraktion 282<br />

durch Destillation 279<br />

Trocknen von Feststoffen 146, 245<br />

Trocknen von Lösungen 246<br />

Trocken von Lösungsmitteln 247<br />

mit Alkalimetallen 250<br />

mit Alum<strong>in</strong>iumoxid 248<br />

mit Metallhydriden 250<br />

mit Molekularsieb 249<br />

von Alkoholen 269<br />

von Am<strong>in</strong>en 266<br />

von aprotisch dipolaren Lösungsmitteln<br />

264<br />

von Carbonsäuren und -<strong>der</strong>ivaten 271<br />

374


Register<br />

von chlorierten Kohlenwasserstoffen<br />

253<br />

von Estern 263<br />

von Ethern 258<br />

von Kohlenwasserstoffen 253<br />

Trockenmittel 45, 146, 240<br />

Trockenrohr 45<br />

Trockenturm 228<br />

Tropftrichter 44<br />

Turbomolekularpumpe 124<br />

Überdruck 53<br />

Überdruckventil 232<br />

nach Stutz 228, 232<br />

Überführungskanüle 236<br />

Übergangsstück 45<br />

Überkritische Gase 62<br />

Überlappungsverbot 303<br />

Umfüllen luft- und feuchtigkeitsempf<strong>in</strong>dlicher<br />

Substanzen 235<br />

Umkehrfritte 238<br />

Umkehrphasen-Chromatographie 180<br />

Umkristallisation 140<br />

Auswahl <strong>der</strong> Lösungsmittel 150<br />

im Halbmikromaßstab 147<br />

im Makromaßstab 141<br />

im Mikromaßstab 146<br />

von unbekannter Substanzen) 149<br />

Vorproben 149<br />

Umlaufapparatur 251<br />

Umwelt 22<br />

Unfallverhütungsvorschriften 2<br />

UV/vis-Spektroskopie 302<br />

UV/vis-Spektrum 307<br />

Verschüttete Chemikalien 28<br />

Verteilerrechen 231<br />

Verteilungskoeffizient 168<br />

Vigreux-Kolonne 58, 99, 102<br />

Vorlagekolben 85, 88<br />

Vorlauf 88<br />

Vorstoß<br />

e<strong>in</strong>facher 85<br />

nach Bredt 88<br />

Waschflasche 57<br />

Wasserabschei<strong>der</strong> 59, 108<br />

Wasserbad 48<br />

Wasserdampfdestillation 110<br />

Wassergefährdungsklassen 29<br />

Wasserstrahlpumpe 118<br />

Wasserwächter 44<br />

Wilsonspiralen 100<br />

Witt’scher Topf 134<br />

Wood’sche Legierung 48<br />

Woulff’sche Flasche 91,95<br />

Zeitschriften 346<br />

Zündtemperatur 12<br />

Zustandsdiagramm 62<br />

Zweihalskolben 42<br />

Zweiwegehahn 41<br />

Vakuskop nach Gaede 125<br />

Vakuumcontroller 95, 126<br />

Vakuumkonstanthalter 126<br />

Vakuumpumpe 91, 116<br />

Valenzschw<strong>in</strong>gung 309<br />

van-Deemter-Gleichung 195<br />

Verätzungen 25<br />

Verbrennungen 24<br />

Verdampfen 62<br />

Verdampfungsenthalpie 78<br />

Verletzungen 23, 25<br />

375

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