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Die Praxis des organischen Chemikers - mdma

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Gattermann • Wieland<strong>Die</strong> <strong>Praxis</strong> <strong>des</strong><strong>organischen</strong> <strong>Chemikers</strong>neu bearbeitet vonTheodor Wieland und Wolfgang Sucrow43. AuflageWDEGWalter de GruyterBerlin • New York 1982


VIVorwortMichael-Addition, einige moderne Oxidationsverfahren, wie z.B. mit Pyridiniumchlorchromat,die Birch-Reduktion, die Hydrierung mit löslichem Katalysator.<strong>Die</strong> Einarbeitung spektroskopischer Methoden haben wir aus Platzgründen zunächstzurückgestellt und an den erforderlichen Stellen auf die vorhandene, kompetenteLiteratur hingewiesen.Jedem Kapitel ist eine Aufstellung wichtiger, zusammenfassender Übersichtsartikelangefügt, die das vertiefte Studium der einzelnen Themenkreise erleichtern sollen.Ein Praktikumsbuch kann kein Lehrbuch ersetzen, besonders heute, wo die Fülle<strong>des</strong> Stoffs alle Maße sprengt. Dennoch haben wir versucht zu gewährleisten, daß derStudent seine Grundkenntnisse fürs Examen aus dem Gatt ermann-Wieland beziehenkann. Das sprichwörtlich Kleingedruckte der alten Ausgaben hat dazu einem übersichtlichergeordneten Text Platz gemacht, in dem das Experimentelle wie früher mitder zugrunde liegenden allgemeinen Theorie verknüpft wird. <strong>Die</strong> Versuche und Präparateillustrieren wie in einer Experiment al\ o riesung den Gang durch das Gebäude derOrganischen Chemie; so oft wie möglich wird der Blick auf einschlägige biochemischeBezüge gelenkt. Entgegen dem Trend zu allzu großer Versachlichung haben wir zurBelebung <strong>des</strong> Interesses und auch zur Stützung <strong>des</strong> Gedächtnisses viele Namen vonChemikern erwähnt, manchmal auch dazugehörige Jahreszahlen.An der Bearbeitung der neuen Auflage war zu Anfang auch Prof. Rolf Huisgenbeteiligt, dem wir Entwürfe für einen Teil der Kapitel und zahlreiche präparativeAusarbeitungen verdanken. Herr Garsten Mayer hat sich durch intensive Arbeit imLabor und am Schreibtisch besonders um die Allgemeinen Arbeitsanweisungen verdientgemacht, weitere wertvolle Beiträge leisteten die Kollegen Walter Ried (Frankfurta. M.) und Franz A. Neugebauer (Heidelberg); Frau Annemarie Seeliger und HerrHeinrich Trischmann haben im Heidelberger Institut zahlreiche Vorschriften geprüftund ausgearbeitet. Ihnen allen sei auch hier herzlich gedankt. Mit einbezogen seiauch der Verlag für seine unendliche Geduld und für die angenehme und vertrauensvolleZusammenarbeit.Theodor WielandWolfgang Sucrow


VorwortVIIAus dem Vorwort zur 1. AuflageDas vorliegende Buch ist in erster Linie einem privaten Bedürfnis <strong>des</strong>Verfassers entsprungen. Wenn man gleichzeitig eine größere Anzahl vonStudierenden in das organische Arbeiten einzuführen hat, dann ist es oftbeim besten Willen nicht möglich, jeden einzelnen auf die kleinen Kunstgriffe,deren es beim <strong>organischen</strong> Arbeiten so viele gibt, aufmerksam zumachen. Damit nun der Studierende sich auch in Abwesenheit <strong>des</strong>Lehrers bei der Ausführung allgemeiner Operationen Rat erholen kann,ist den speziellen Vorschriften für Präparate ein allgemeiner Teil vorausgeschickt,welcher die Kristallisation, Destillation, das Trocknen, dieanalytischen Operationen u. a. behandelt. Bei der Abfassung diesesTeiles wurde weniger Wert darauf gelegt, die zahlreichen Modifikationender einzelnen Operationen möglichst vollständig aufzuzählen, als vielmehrdarauf, die wichtigsten Operationen derart zu beschreiben, daß derAnfänger auch in Abwesenheit <strong>des</strong> Assistenten dieselben danach selbständigausführen kann.Im zweiten speziellen Teile wurden jedem einzelnen Präparate allgemeineBetrachtungen angefügt, welche sich auf das Wesen und dieallgemeine Bedeutung der ausgeführten Reaktionen beziehen und denZweck verfolgen, daß der Studierende sich schon beim praktischenArbeiten auch möglichst vielseitige theoretische Kenntnisse aneignet,welche, unter diesen Umständen erworben, bekanntlich fester haften, alswenn sie ausschließlich an Hand eines rein theoretischen Buches gewonnensind. Und so hofft denn der Verfasser, daß sein Buch neben dentrefflichen Anleitungen von E.Fischer und Levy sich hier und daeinige Freunde erwerben möge.Heidelberg, August 1894L. GattermannVorwort zur 19. AuflageVor etwas mehr als dreißig Jahren hat Ludwig Gattermann dieerste Auflage seiner Anleitung für das organ.-chemische Praktikum demDruck übergeben. 'Das System, die präparativen Vorschriften mit theoretischenErläuterungen zu versehen, hat sich zweifellos bewährt. Dafürspricht schon die große Verbreitung <strong>des</strong> Buches; es hat 18 Auflagen erlebt.— <strong>Die</strong> Erlernung der methodischen Technik ist gewiß das Hauptziel<strong>des</strong> <strong>organischen</strong> Praktikums; als bloße Kochkunst und Laborantenfertigkeitausgeübt, leistet sie jedoch zu wenig. <strong>Die</strong> Methodik beherrschenheißt vor allem auch, den Sinn ihrer Anwendung verstehen, ihre vielfaltigenAusdrucksformen am richtigen Platz handhaben. Es ist auchhier der Geist, der sich den Körper baut. Wir verlangen, daß der Praktikantmit den Umwandlungen, die er präparativ betreibt, theoretischvertraut sei. Der den einzelnen Präparaten angefügte Kommentar sollden Überblick über das gerade bearbeitete Gebiet erleichtern und zumGebrauch der Lehrbücher und der Originalliteratur, zum Nachschürfen


VorwortDCSelbstverständlich ist bei der Wiedergabe der Formeln die anschaulichealte Ausdrucksweise der chemischen Bindung durch Bin<strong>des</strong>trichebeibehalten worden.Für ihre hingebende Unterstützung bei der Neubearbeitung <strong>des</strong> Bucheshabe ich den Kollegen Prof. R. Huisgen, F. Lynen und Th. Wielandwärmstens zu danken.Starnberg, September 1952Heinrich WielandVorwort zur 37. AuflageEinem Vorschlag von Heinrich Wie l and folgend hat mich der Verlaggebeten, von nun an die weitere Bearbeitung <strong>des</strong> „Gattermann-Wieland"zu besorgen. <strong>Die</strong> jetzt vorliegende neue Auflage, die wieder inkurzer Folge nötig geworden ist, trägt in ihrem Aufbau und Inhalt weiterhindas Charakteristische <strong>des</strong> Handbuchs an sich, wie es sich in 30Jahren und 18 Auflagen nach seiner völligen Umgestaltung durch H.Wieland entwickelt hat. Vor vier Jahren wurde dem Praktikum eineEinführung in die Elektronentheorie der <strong>organischen</strong> Verbindungen undin die Mesomerielehre aus der Feder R. Huisgen s angefügt und in dentheoretischen Erläuterungen der Versuche auf dieses Kapitel mehrfachverwiesen. In der Zwischenzeit dürfte an den deutschen Hochschulendie moderne Betrachtungsweise auch in den Anfängerunterricht soweiteingedrungen sein, daß die prägnanten Begriffe der Heterolyse, Homolyse,nucleophilen und elektrophilen Substitutionsreaktion und der Mesomeriedas Verwirrende verloren haben und das Verständnis der <strong>organischen</strong>Reaktionen zu erleichtern beginnen. Man konnte es daher nunwagen, diese Sprache an zahlreichen Stellen <strong>des</strong> Textes einzuführen, ohnejedoch auf den theoretischen Anhang zu verzichten, <strong>des</strong>sen wiederholteLektüre dem Praktikanten eindringlich empfohlen sei. Herrn KollegenR. Huisgen habe ich für seine Unterstützung bei der Neubearbeitungherzlich zu danken.Frankfurt a. M., Frühjahr 1956Theodor WielandVorwort zur 39. AuflageFür die neue Auflage sind einige Vorschläge für kleinere Verbesserungenherangetragen worden. Nicht unwesentlich erscheint mir ein vonHerrn Kollegen A. Rieche gegebener Hinweis auf die Explosionsgefährlichkeitheißer Lösungen von Dibenzoylperoxyd. Ihm folgend wirdzur Reinigung der Substanz jetzt nur noch die Umfallung aus Chloroformmit Methanol herangezogen (S. 115). Sonst hat sich gegenüberder letzten Auflage nicht viel geändert; die Theorie ist in einigen Punktenan don neuesten Stand herangeführt, bei den Kohlehydraten sindsterisch eindeutige Formeln eingesetzt worden.Frankfurt a. M., Frühjahr 1959Theodor Wieland


VorwortVorwort zur 40. AuflageDer Aufmerksamkeit einiger kritischer Leser sind verschiedene DruckundSachfehler nicht entgangen, die sich bis in die letzte Auflage durchgeschleppthaben und jetzt, neben wenigen veralteten Stellen, korrigiertwerden konnten. Ihnen sei auch an dieser Stelle vielmals gedankt. ImStoff hat sich gegenüber der letzten Auflage nichts geändert.Frankfurt a. M., Januar 1961Theodor Wieland


InhaltsverzeichnisAllgemeine ArbeitsanweisungenGlas im Laboratorium; offene ReaktionsgefaßelHinweise zur GlasbearbeitunglOffene Reaktionsgefäße 2Einfachste geschlossene Reaktionsgefaße 3Verbindung der Apparaturteile 3Schliff-Rundkolben 5Rückflußkühler 6Befestigung der Apparaturen am Stativ 8Erhitzen 9Heizquellen 9Heizbäder 11Thermostaten 13Kühlen 15Homogenisieren 17Lösen 17Zerkleinern 18Rühren 18Magnetrühren 19Vibrieren 20Schütteln 20Reaktionsgefaße mit mehreren Aufsätzen. 21Tropftrichter 22Gasapparaturen (Gasstahlflaschen) 23Zugabe fester Stoffe 27Arbeiten mit Überdruck-Reaktionsgefaßen 27Einschmelzrohre >. 27Autoklaven 28Erzeugung und Messung von Unterdruck 30Wasserstrahlpumpen-Anlagen 30Hochvakuumpumpen-Anlagen 32Umgang mit Quecksilber 35Destillation 35Destillation bei Atmosphärendruck 35Destillation bei vermindertem Druck 39Destillation kleiner Mengen 45Kolonnen<strong>des</strong>tillation 46Destillation unter Mitwirkung eines Hilfsstoffs (Azeotrop- und Wasserdampf-Destillation) 51Sublimation und Gefriertrocknung 57Sublimation 57


XIIInhaltsverzeichnisGefriertrocknung 58Extraktion und Aussalzen 59Extraktion von Feststoffen 59Ausschütteln 61Perforation 64Multiplikative Verteilung (nach Craig) 65Dialyse 67Aussalzen 68Reinigung durch Kristallisation 68Auskristallisieren 69Filtrieren, Absaugen und Zentrifugieren 70Umkristallisieren 74Umfallen 76Entfarben und Klären von Lösungen 77Zonenschmelzen 78Chromatographie 78Adsorptionschromatographie 79Verteilungschromatographie 82lonenaustauschchromatographie 83Hohlraumdiffusion (Gelchromatographie) 85Säulenchromatographie 86Dünnschichtchromatographie 91Papierchromatographie 96Gaschromatographie 98Flüssigchromatographie 101Hochspannungs-Papierelektrophorese 102Trocknen 104Trocknen von Feststoffen 104Trocknen von Flüssigkeiten 106Trocknen von Gasen 107Trockenmittel 107Eigenschaften und Reinigung der wichtigsten Lösungsmittel 110Bestimmung <strong>des</strong> Schmelzpunkts : 117Bestimmung <strong>des</strong> Siedepunkts 120Bestimmung <strong>des</strong> Brechungsindexes (Refraktometrie) 122Bestimmung der optischen Aktivität (Polarimetrie) 123Qualitative chemische Elementaranalyse 124Nachweis von Kohlenstoff und Wasserstoff 124Natriumaufschluß 124Nachweis von Stickstoff nach Lassaigne 125Nachweis von Schwefel 126Nachweis von Halogen 126Nachweis anderer Elemente 127Abfassen <strong>des</strong> Arbeitsprotokolls 127Organisch-chemische Fachliteratur 128


InhaltsverzeichnisXIIIErste Laborausrüstung 130Sicherheit im chemischen Labor 133Allgemeine Sicherheitsvorkehrungen 133Sicherheit vor Bränden 134Sicherheit vor Implosionen und Explosionen 135Sicherheit im Umgang mit Apparaturen 135Sicherheit im Umgang mit Chemikalien 136Erste Hilfe 137Kapitel I. Aliphatische Substitution<strong>Die</strong> kovalente Bindung 141Aliphatische Halogenide 142Nitrile und Ether 150Amine, Thiole, Onium- und Nitroverbindungen 156Mechanismen der nucleophilen Substitution am gesättigten Kohlenstoffatom 166Radikalische Substitution 173Weiterführende Literatur zu Kapitel I 178Kapitel IL Eliminierung und AdditionEliminierungsreaktionen, Bildung der Alkene 183Additionsreaktionen 190Allgemeines 190Cyclooligomerisierung von 1,3-Butadien 196Allylbromierung. 196Cycloadditionen 198Zur Photochemie der Alkene 208Polymerisation der Alkene 208Terpene 213Alkine 215Weiterführende Literatur zu Kapitel II 218Kapitel III. Aromatische Substitution, IDer aromatische Zustand 223Halogenierung der Aromaten 227Nitrierung und Nitrosierung 234Sulfonierung 244Weiterführende Literatur zu Kapitel III 255Kapitel IV. Aromatische Substitution, IIAcylierung und Alkylierung nach Friedel-Crafts und ähnliche Reaktionen 259Biologische Oxidation von aromatischen Verbindungen 275Nucleophile aromatische Substitution und ähnliche Reaktionen 276<strong>Die</strong> Hammett-Beziehung 283Weiterführende Literatur zu Kapitel IV 286


XIVInhaltsverzeichnisKapitel V. Reaktionen der CarboxylgruppeSäure-Base-Begriff 291Carbonsäuren 293Carbonsäureester 296Veresterung 296Andere Methoden zur Herstellung von Estern 298Esterhydrolyse (Verseifung) und Umesterung 299Carbonsäurechloride und Säureanhydride 303Carbonsäureamide 312Allgemeines 312Aminosäuren 315Peptidsynthese 317Peptide und Proteine 318Abbau der Carbonsäuren zu den nächst niederen Aminen 321Nitrile 324Cyanat-Isocyanat 327Ketone aus Carbonsäuren 331Weiterführende Literatur zu Kapitel V 332Kapitel VI. Reaktionen der Carbonylgruppe, IEinige einfache Additionen an die Carbonylgruppe 337Einwirkung von Aminen auf Carbonylverbindungen 343Semicarbazone, Hydrazone, Oxime 347Mannich-Reaktion 353Strecker-Synthese 354Leuckart-Reaktion 356Optische Aktivität, Cahn-Ingold-Prelog-Regel 358Aldolverknüpfung 361Weiterführende Literatur zu Kapitel VI 366Kapitel VII. Reaktionen der Carbonylgruppe, IIEinige aldolartige Kondensationen 371Acyloine 379Photoreaktion von Ketonen 385Pinakolumlagerungen 386Kohlenhydrate 386Eigenschaften der Zucker 386Mutarotation 389Reaktivität der glykosidischen Hydroxylgruppe 390Disaccharide, Polysaccharide 392Weiterführende Literatur zu Kapitel VII 397Kapitel VIU. Synthesen mit Estern<strong>Die</strong> Esterkondensation 401Herstellung von /?-Dicarbonylverbindungen 401über Keto-Enol-Tautomerie 409


XVIInhaltsverzeichnisReaktionen der chinoiden Doppelbindungen 569Chinoide Farbstoffe 575Triphenylmethanfarbstoffe 580Basische Triphenylmethanfarbstoffe 580Saure Triphenylmethanfarbstoffe 583Organische Radikale 587Weiterführende Literatur zu KapitelXII 596Kapitel XIII. Herstellung und Reaktionen der DiazoverbindungenAromatische Reihe 600Herstellung von Diazoniumsalzen 600Reaktionsfähigkeit der Diazoniumsalze 600Elektrophile Reaktionen <strong>des</strong> Diazoniumions 601Azofarbstoffe 601Kupplung mit einfachen Anionen 610Reaktionen unter Stickstoffabgabe 613Reduktion <strong>des</strong> Diazoniumions 620Aliphatische Reihe 624Bildung der Diazoalkane 624Reaktionen <strong>des</strong> Diazomethans 628Herstellung <strong>des</strong> Diazoessigesters 634Einige Reaktionen <strong>des</strong> Diazoessigesters 637Weiterführende Literatur zu Kapitel XIII 639Kapitel XIV. Synthesen und Reaktionen der Heterocyclen mit 5-gliedrigem RingWeiterführende Literatur zu Kapitel XIV 663Kapitel XV. Synthesen und Reaktionen der Heterocyclen mit 6-gliedrigen und mehreren RingenSysteme mit einem heterocyclischen Sechsring 667Systeme mit mehreren heterocyclischen Ringen 689Weiterführende Literatur zu Kapitel XV 695Kapitel XVI. Qualitative AnalyseTrennen eines Stoffgemisches 697Literatur zu Trennproblemen 699Erkennen von funktioneilen Gruppen 701Literatur zu spektroskopischen Methoden 701Charakterisierung organischer Verbindungen durch Derivat-BildungKohlenwasserstoffe 702Alkohole 703Aldehyde und Ketone 705Carbonsäuren 706Carbonsäureester 707


InhaltsverzeichnisXVIILactone 708Phenole 708Ether 709Amine 710Aminosäuren 711Carbonsäureamide 712Nitrile 712Sulfonsäuren 712Nitroverbindungen 713Halogenverbindungen 713Weiterführende Literatur zu KapitelXVI 715Anhang 716Mixotrope Reihe der Lösungsmittel 716Siedepunkt unter vermindertem Druck 716Konzentration handelsüblicher Säuren 717Dichte von Ammoniaklösungen 718Herstellung von Mischungen bestimmter Konzentration 718Phosphatpuffer nach Sörensen '. 718Säure-Base-Indikatoren 719Häufig gebrauchte Atommassen 719Liste der gebräuchlichsten Abkürzungen 721Sach- und Namenregister 723Autoren der Übersichtsartikel 757


Allgemeine ArbeitsanweisungenGlas im Laboratorium; offene ReaktionsgefäßeAls Material für Gefäße und Apparaturen im chemischen Labor ist Glas am weitestenverbreitet. Es ist durchsichtig, vielseitig verformbar, resistent gegen fast alle Chemikalien,porenfrei und relativ temperaturbeständig. Sein Nachteil liegt in der geringenBruchfestigkeit gegen Stöße oder starke Temperaturschwankungen.Der Gefahr <strong>des</strong> Zerspringens bei örtlichen Temperaturdifferenzen begegnet mandadurch, daß man alle Geräte, die erwärmt werden sollen, dünnwandig herstellt undaußerdem Glassorten verwendet, die einen geringen thermischen Ausdehnungskoeffizientenhaben und zudem noch besonders widerstandsfähig gegen Chemikaliensind. Solche Gläser, die sich unter anderem durch einen relativ hohen Borsäuregehaltauszeichnen, sind zum Beispiel „Geräteglas 20" (hohe chemische Resistenz),„Duranglas" (noch größere Temperaturwechselbeständigkeit) und „Supremaxglas" 1(für höhere Temperaturen) oder „Pyrexglas" 2 (dem Duranglas ähnlich).Aus Sicherheitsgründen sollten im chemischen Labor zumin<strong>des</strong>t alle dünnwandigen,also erhitzbaren Glasgeräte aus derartigen Spezialgläsern bestehen. Auch beidiesen ist Sorgfalt geboten; plötzliches Abkühlen, das Zugspannungen verursacht,ist gefährlicher als zu rasches Erwärmen, das zu Druckspannungen führt. Chemischwird das Glas besonders von heißen konzentrierten Laugen angegriffen.Einige spezielle Apparaturteile bestehen aus reinem Quarz, der gegenüber anderenGläsern die Eigenschaften hat, UV-Licht besser durchzulassen, höhere Temperaturenund sehr starke Temperaturwechsel auszuhalten. Quarzgeräte sind (wegen der hohenVerarbeitungskosten) sehr teuer. Man beachte, daß Quarz viel leichter bricht als Glasund von Alkalilaugen noch stärker angegriffen wird!Hinweise zur Glasbearbeitung<strong>Die</strong> meisten Arbeiten am Glas wird der Chemiker dem gelernten Glasbläser überlassen,einige wenige einfachere muß er jedoch an Ort und Stelle im Labor selbst ausführenkönnen. Dazu gehört vor allem das Durchtrennen, das Ausziehen und dasBiegen dünnerer Glasrohre und -Stäbe.Durchtrennen lassen sich Rohre und Stäbe bis zu etwa 8 mm Durchmesser in folgenderWeise: Man ritzt das Glas mit einem speziellen Glasschneider oder einerbilligeren Ampullenfeile durch einmaliges Kratzen auf ein Viertel bis ein Drittelseines Umfangs an, befeuchtet diese Stelle mit Wasser, faßt das Glas so, daß beideDaumen rechts und links unterhalb <strong>des</strong> Risses liegen, und bricht dann, indem man1 Firma Schott & Gen.2 Firma Corning Glass Works.


2 Allgemeine Arbeitsanweisungenso tut, als wollte man durch Ziehen und ganz leichtes Biegen den eingeritzten Spaltverbreitern.Rohre, deren Durchmesser größer als etwa 8 mm ist, müssen rundherum angeritztwerden. Sehr dicke Rohre, die sich nicht mehr brechen lassen, muß man sprengen.Man erhitzt dazu das Ende eines dünnen Glasstabs zur Rotglut und drückt es aufeinen Punkt <strong>des</strong> eingeritzten Rings, bis das Glas ein Stück eingesprungen ist, undwiederholt diesen Vorgang jeweils kurz hinter dem Ende <strong>des</strong> Sprungs.Zur Verformung erweicht man das Glas mit einem Teklubrenner (oder besser miteinem Gebläse). Damit es dabei nicht springt, muß man langsam in der leuchtendenFlamme anheizen. Im allgemeinen kann man die Luftzufuhr <strong>des</strong> Brenners öffnen,wenn die Flamme sich (durch das Natrium <strong>des</strong> Glases) gelb gefärbt hat. Es ist praktisch,den Brenner durch Unterlegen von Klötzen möglichst schräg, mit der Mündungvom Körper weg, aufzustellen.Um Hände, Gummischläuche und Stopfen vor Verletzungen zu schützen, solltendie scharfen Bruchränder der Glasrohre und -stäbe rund geschmolzen werden. Mandreht sie dazu (am besten möglichst senkrecht) so lange in der Flamme, bis die Kantenetwas zusammengeflossen sind.Für das Ausziehen der Glasrohre zu Spitzen und das Biegen von Winkeln ist esbesonders wichtig, die betreffenden Stellen rundherum gleichmäßig zu erwärmen.Man erreicht das, indem man das Rohr, ohne es zu verkanten oder zu verdrillen, mitbeiden Händen dauernd dreht.Das fachgerechte Biegen von Glasrohren erfordert Glasblasen und dieses wiederumErhitzen mit einem Gebläse. Um ohne diese Hilfsmittel provisorisch Winkel ohneverengte Knickstelle herzustellen, erwärmt man eine breitere Zone <strong>des</strong> Rohrs undbiegt diese — eventuell stufenweise - zu einem größeren Bogen.Zum Ausziehen von Spitzen hält man das genügend erhitzte Glasrohr außerhalbder Flamme senkrecht, zieht es bis zur gewünschten Verjüngung auseinander undschneidet es nach dem Erkalten an der Verengung durch. <strong>Die</strong> so gewonnene Spitzeist natürlich dünnwandiger und bricht leicht ab. Gleiche Wandstärke erreicht man,indem man das Rohr vorher - immer unter Drehen - etwas länger erhitzt und dabeileicht staucht, so daß sich eine Innenwulst bildet. - Das Ausziehen zu feinen Kapillarenist auf S. 41 beschrieben.Nach der Bearbeitung ist das erwärmte Glas in der Flamme Schritt für Schrittlangsam wieder abzukühlen. Läßt man zu rasch erkalten, bleiben starke Spannungenim Material zurück.Das bei tieferen Temperaturen erweichende „Thüringer Normalglas" läßt sich erheblichleichter verarbeiten als die thermoresistenten Spezialgläser.Offene ReaktionsgefäßeDas einfachste, älteste und unentbehrlichste Reaktionsgefaß ist das Reagenzglas. Anjedem Laborplatz sollten min<strong>des</strong>tens zehn größere (160 x 16 mm) und zehn kleinere


Reaktionsgefäße 3(ca. 100 x 11 mm) saubere, trockene Reagenzgläser für schnelle Handversuche griffbereitsein. Bei der Benutzung halte man Reagenzgläser immer so, daß eventuell herausspritzendeChemikalien weder den Körper <strong>des</strong> Nachbarn noch den eigenen treffenkönnen!Für größere Volumina verwendet man den Erlenmeyerkolben oder das Becherglas.Ein sehr brauchbares Mittelding aus beiden ist der Weithals-Erlenmeyerkolben.Standkolben (Rundkolben mit flachem Boden) sind weniger praktisch und fast immerzu entbehren. Für Arbeiten im Litermaßstab benutzt man zuweilen besser dickwandigereWeithals-Rundkolben oder Stutzen. Beide sollen ebenfalls aus thermoresistentemGlas bestehen, aber trotzdem nur mit Vorsicht (im Wasserbad) erwärmtwerden. Gegossene Stutzen aus Normalglas dürfen nicht erhitzt oder mit warmemWasser gespült werden.Als flache offene Gefäße werden vorwiegend Abdampfschalen verschiedener Größeaus Porzellan verwendet. Man darf in ihnen auch feste Substanzen direkt über derfreien Bunsenbrennerflamme erhitzen. Porzellankasserollen sind etwas höher undhaben einen Griff. Uhr g läser dienen für Versuche im Kleinmaßstab; häufiger zumAbdecken anderer Gefäße. - Es erleichtert die Arbeiten sehr, wenn man auf diesenflachen Gefäßen von vornherein die Tara vermerkt.Einfachste geschlossene ReaktionsgefäßeIn der <strong>organischen</strong> Chemie führt man die meisten Umsetzungen in sogenannten „geschlossenen"Apparaturen aus. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, die später nochbeschrieben werden, dürfen diese Apparaturen natürlich nie völlig abgeschlossensein! - Im einfachsten Fall besteht die geschlossene Apparatur aus einem Rundkolbenmit aufgesetztem Rückflußkühler; Abbildung 4a-f (S. 7).Verbindung der ApparaturteileAlle Apparaturen werden aus einzelnen Bauelementen zusammengesetzt, wobei ineinandersteckbareSchliffe, durchbohrte Kork- beziehungsweise Gummistopfen oderSchläuche die Verbindungen herstellen.Heute benutzt man dort, wo es möglich ist, fast nur noch Kegelschliff-Verbindungen,bei denen ein „Kern"-Stück in ein entsprechen<strong>des</strong> „Hülsen"-Stück geschoben wird;Abbild Ia-c. Im Handel sind alle gebräuchlichen Apparaturteilstücke mit verschiedengroßen, genormten Schliffansätzen erhältlich. Man beschränke sich im Praktikumauf die Größen NS 29 für normale und NS 14,5 für kleine Apparaturen. (<strong>Die</strong>Normzahlen geben den größten Durchmesser <strong>des</strong> Schliffs in Millimetern an.) ÜbergangsstückeNS 29-NS 14,5 erhöhen die Zahl der Kombinationsmöglichkeiten; Abbildungl g, h. - Vor dem Zusammenstecken ist der Kernschliff sparsam mit einem


4 Allgemeine ArbeitsanweisungenadfAbb. l a) Kern; b) Hülse; c) Kegelschliffverbindung NS 29; d) Kugel; e) Schale; O KugelschliffverbindungKS 35; g), h) Übergangsstücke NS 29-NS 14,5geeigneten Schmiermittel - wie zum Beispiel Vaseline oder Silicon — einzureihen. Einegute Schliffverbindung soll klar durchsichtig und vakuumdicht sein. Durch kleineZugfedern, die, wie Abbildung Ic zeigt, in angeschmolzene Glashäkchen beziehungsweisean Metallmanschetten gehängt werden, oder durch geeignete Drahtbügel, wieauf Abbildung 33, lassen sich die Verbindungsstellen gegebenenfalls zusammenhalten.- Wenn die Apparaturen erwärmt oder stark abgekühlt werden sollen, müssenKern und Hülse aus Glassorten mit möglichst gleichen Ausdehnungskoeffizientenbestehen! Längere Einwirkung von Alkalien, Wasserdampf oder Phosphorsäurebringt die Schliffflächen zum Quellen, so daß sie miteinander verbacken.Festsitzende Schliffe lockert man, indem man sie kräftig auseinanderzieht und dabeivorsichtig ruckweise zu kanten versucht (nicht drehen) oder sie mit einem Holzstabklopft oder sie im Heizschrank auf 100 bis 15O 0 C erwärmt oder schließlich die Hülsein einer halbleuchtenden Bunsenbrennerflamme rasch unter Drehen erhitzt, so daßsie sich stärker ausdehnt als der Kern. Speziell bei Gefäßen mit brennbarem Inhaltlegt man ein Stück Schnur als Schlaufe um die Hülse und zieht zur Erzeugung vonReibungswärme an den Enden heftig hin und her.Vielfach nützt ein Herauslösen der kittenden Chemikalienreste durch Einsickernlasseneines geeigneten Lösungsmittels. (Bewährt hat sich eine Gemisch aus gleichenTeilen Ether, Alkohol und Milchsäure.)Festgebackene massive (!) Glasstopfen von Chemikalienflaschen löst man, indemman die Flasche zur Sicherheit in einen Emaillekochtopf stellt, am Stopfen ein weniganhebt und mit einem Metallstab (Stativklemme) vorsichtig von der Seite rund heruman den Stopfen schlägt.Kegelschliffverbindungen sind völlig starr, was bei Apparaturen stört, die aus sehrvielen Bauelementen zusammengesetzt sind. Wie Kugelgelenke drehbar sind dagegendie - allerdings teueren - Kugelschliffe', Abbildung Id-f. Sie müssen, wie AbbildungIf zeigt, durch gabelförmig übergreifende Klammern zusammengehaltenwerden. Auch sie sind vakuumdicht.Kork- und Gummistopfen-Verbindungen sind trotz vieler Vorzüge der Normschliffekeinesfalls ganz zu entbehren. Gummi wird vor allem von aromatischen Kohlenwasserstoffenaufgequollen und zersetzt. Kork ist beständiger, läßt sich jedoch nurschwer abdichten.


Schliffkolben 5Korkstopfen lassen sich mit Korkbohrern - das sind kurze Metallrohre mit geschärftemRand - folgendermaßen durchbohren: Man stellt den Stopfen mit dergrößeren Fläche auf eine dickere Pappunterlage und drückt den mit Glycerin geschmiertenKorkbohrer unter dauerndem Hin- und Herdrehen durch ihn hindurch. -Gummistopfen kann man schon gelocht kaufen. Will man sie nachträglich gerade undglatt durchbohren, muß man den Korkbohrer in eine feststehende Bohrmaschineeinspannen.Schliff-Rundkolben<strong>Die</strong> in zusammengesetzten Apparaturen benutzten größeren Schliffkolben (NS 29)sind üblicherweise kugelrund; Abbildung 2a. Als kleinere Schliffkolben haben sichdaneben Spitzkolben besonders bewährt, da sich in ihnen kleinste Flüssigkeitsrückständeauf engem Raum sammeln; Abbildung 2e. Sollen mehrere Schliffaufsätzedirekt mit einem Kolben verbunden werden, verwendet man Zweihals- oder Dreihalskolben.Bei den Typen b und c der Abbildung 2 mit parallelen Hälsen läßt sich dieApparatur leichter am Stativ befestigen; in die schräg angesetzten Hälse <strong>des</strong> Typs dkann man gerade Schliffeinsätze tief in den Kolben einführen. <strong>Die</strong> Tuben kleinerDreihalskolben sollen nicht parallel stehen, weil sonst der Platz für die aufzusetzendenZusatzgeräte zu eng wird. Einen größeren speziellen Vierhalskolben, den sogenanntenNitrierkolben (Sulfierkolben), zeigt Abbildung 18 (S. 24). - Standfest werdenRund- und Spitzkolben durch Einstellen in Korkringe (deren nicht abgeschrägteUnterseite meist besseren Halt gibt). - Man mache es sich zur Gewohnheit, bei jedemneuen Kolben sofort die Tara mit einem Bleistift auf dem geätzten Feld zu vermerken.(Nicht einkratzen!)IUUlAbb. 2 a-c) l-Liter-Rundkolben mit NS 29; d) 500-ml-Rundkolben mit NS 29 und NS 14,5; e) 100-ml-Spitzkolben mit NS 14,5Jeder Kolbenhals läßt sich durch Aufstecken eines Verzweigungsstücks verdoppeln.Den hierfür geschaffenen Anschützaufsatz gibt es mit senkrechtem oder auchschrägem zweiten Tubus; Abbildung 3a-b. (Beim Typ a soll der Abstand zwischenden beiden übereinanderliegenden Schliffen möglichst klein sein und der Zwischenrauminnerhalb der beiden oberen Schliffe etwa 3 cm betragen!) <strong>Die</strong>se Aufsätze er-


6 Allgemeine Arbeitsanweisungenübrigen die Anschaffung vieler teurer Mehrhalskolben verschiedener Größe. Aufsätzemit drei Abzweigungen sind kaum im Gebrauch; Abbildung 3c.a b cAbb. 3 a, b) Anschützaufsatz NS 29; c) DreifachaufsatzRückflußkühler<strong>Die</strong> einfachste geschlossene Reaktionsapparatur besteht aus einem Kolben mit Rückflußkühler.Im Kühler kondensiert sich die verdampfte Flüssigkeit und fließt dannwieder in den Kolben zurück.Abbildung 4 zeigt eine Auswahl von Rückflußkühlern für verschiedene Verwendungszwecke.Der einfachste Typ ist das Steigrohr (a in Abbildung 4), bei dem nur dieumgebende Luft als Kühlmittel dient. Besser führt der Liebigkühler (b) mit wasserdurchströmtemMantel die Wärme ab. Beim Kugelkühler (c) ist das Innenrohr zusätzlichdurch Ausbuchtungen vergrößert. Noch effektvoller arbeiten der Schlangenkühler(d) mit spiralförmigem Innenrohr und der Dimrothkühler (e) mit eingesetzter,wasserdurchströmter Glaswendel. Am wirksamsten ist der - allerdings recht teureund sehr schwere - Intensivkühler (f); hier findet sich das Prinzip <strong>des</strong> Liebigkühlersmit dem <strong>des</strong> Dimrothkühlers kombiniert.<strong>Die</strong> Wahl <strong>des</strong> Rückflußkühlers richtet sich nach folgenden Gesichtspunkten: FürFlüssigkeiten, deren Siedepunkt oberhalb 14O 0 C liegt, ist das Steigrohr zu benutzen.Ein wassergespeister Kühler könnte bei noch höherer Temperaturdifferenz springen;ein Mantelkühler ohne Kühlwasser ist ebenfalls ungeeignet. Im Siedebereich zwischen35 und 140 0 C nimmt man den Dimrothkühler oder eventuell den Kugelkühler. Dabeiläßt man zur Schonung <strong>des</strong> Glases zwischen 100 und 14O 0 C das Kühlwasser entsprechendlangsam fließen oder schließlich stagnieren. Unterhalb etwa 35 0 C sieden<strong>des</strong>owie bei stark exothermen Reaktionen oder in einem aufsteigenden Gasstrom(siehe ,Arbeiten unter Schutzgas"; S. 23) kochende Flüssigkeiten kann man nur imIntensivkühler vollständig kondensieren. Eine Verstärkung der Kühlung erreichtman dadurch, daß man den Zuleitungsschlauch nicht mit der Wasserleitung verbindet,sondern in einen Eimer mit Eiswasser eintaucht und am Ableitungsschlauch ganzlangsam mit der Wasserstrahlpumpe saugt. Da sich im engen Schlangenkühler daszurückfließende Kondensat leicht staut, darf dieser nur für Reaktionsansätze benutztwerden, die keinesfalls bis zum Sieden kommen. Der Liebigkühler ist als Rückflußkühlernur ein Notbehelf. <strong>Die</strong> beiden letzten sind an sich für absteigende Destillation


Rückflußkühlera b c d e fAbb. 4 1-Liter-Kolben mit a) Steigrohr (natürliche Länge etwa l Meter); b) Liebig-Kühler (natürlicheLänge min<strong>des</strong>tens 40 cm); c) Kugelkühler; d) Schlangenkühler; e) Dimrothkühler; f) Intensivkühler undTrockenrohrkonstruiert - Gegenüber dem Dimrothkühler haben alle anderen Typen den Nachteil,daß sich auf ihren Mänteln außen die Luftfeuchtigkeit stark niederschlägt unddas Kondenswasser in den Schliff beziehungsweise das Öl- oder Metallbad fließt.<strong>Die</strong> Kühlwasser-Schlauchverbindungen sind mit Sorgfalt herzustellen. Ein Abspringenkann nicht nur Wasserschäden, sondern auch - wegen <strong>des</strong> Ausfalls derKühlung - Brände und Explosionen verursachen! Damit sich die Schläuche leichterauf die Anschlußrohre der Apparatur („Oliven") und Wasserleitung schieben lassen,befeuchte man sie innen mit Wasser. (Kein Gleitmittel verwenden!) <strong>Die</strong> Wasserableitungensollen - zweckmäßig mit einem Stück Glasrohr beschwert - tief in das Ausgußlochgesteckt werden. Schlauchanschlüsse, die unbeaufsichtigt (zum Beispiel überNacht) in Betrieb sind, müssen durch Schlauchschellen gesichert sein. Man verwendeniemals alte, schon brüchige Gummischläuche und achte speziell darauf, daß dieEnden nicht eingerissen sind. Nach längerer Zeit festklebende Schlauchanschlüssesollte man lieber mit einer Rasierklinge wegschneiden, statt durch zu kräftiges Ziehendie Glasoliven zu gefährden.-Kunststoffschläuche (zum Beispiel aus Polyvinylchlorid)sind gut für fest montierte Apparaturen geeignet. Sonst sind sie zu starr. Um sie überRohranschlüsse schieben zu können, taucht man ihre Enden einige Zeit in kochen<strong>des</strong>Wasser.Muß die Luftfeuchtigkeit vom Reaktionsgut ferngehalten werden, setzt man ein


8 Allgemeine ArbeitsanweisungenTrockenrohr (Calciumchloridrohr) auf den Kühler. Es ist, wie Abbildung 4f erkennenläßt, mit gekörntem Trockenmittel (meist Calciumchlorid; siehe S. 107), das auf beidenSeiten durch etwas Glaswolle gehalten wird, gefüllt und mit einem durchbohrtenGummistopfen verschlossen. Vor jeder Benutzung überzeuge man sich von derDurchlässigkeit <strong>des</strong> Trockenrohrs, indem man hindurchbläst. Verklebte Trockenrohrebedeuten Unfallgefahr! - Calciumchloridrohre mit Schliff-, Gummistopfen- oderSchlauchverbindungen werden auch an anderen Stellen häufig als Feuchtigkeitsfiltergebraucht. Füllt man sie mit Natronkalk, halten sie Kohlendioxid zurück.Befestigung der Apparaturen am StativZur Halterung der Glasapparatur dienen Stative, an denen mit Hilfe von Muffen geeigneteKlemmen und Ringe befestigt werden, die ihrerseits die Apparaturen tragen.<strong>Die</strong> Zeit, die man für den sorgfaltigen Aufbau der Apparatur verwendet, ist nie vergeudet;Improvisation ist hier gefährlich und teuer! Am besten geht man so vor:Zuerst befestigt man den Arbeitskolben mit einer passenden Klemme und einerMuffe in der richtigen Höhe am Stativ (so daß - nach den entsprechenden Erfordernissen- zum Beispiel ein Heiz- oder Kühlbad darunter paßt). Dabei schließt man dieKlemme vorsichtig so weit, daß der Kolben gerade nicht mehr gedreht werden kann.Dann steckt man den Aufsatz, beispielsweise einen Rückflußkühler, auf; er soll genaulotrecht stehen. Nun klammert man eine zweite Klemme etwas lockerer als die erstean das obere Drittel <strong>des</strong> Kühlers, bringt die zweite dazugehörige Kreuzmuffe in dierichtige Lage, zieht deren zum Stativ führende Schraube bis auf etwa einen MillimeterSpielraum an, dreht erst die Schraube zur Klemme und schließlich die zumStativ ganz fest. Auf diese Weise vermeidet man ein Verkanten, das zu Spannungen<strong>des</strong> Glases führt. Hat die Apparatur mehrere Aufsätze, geht man Schritt für Schritt inderselben Weise weiter vor. Rundbackenklemmen sind - wenn sie gut passen! - denFlachbackenklemmen vorzuziehen; Abbildung 5a, b. Bei beiden muß die Innenseiteder Backen mit Kork belegt sein. Gefäße und Rohre, deren Durchmesser größer alsetwa 8 cm ist (zum Beispiel Bechergläser), spannt man in der Bandklemme mit einemLederriemen (Abbildung 5c) beziehungsweise mit einer Kette fest. (<strong>Die</strong> Kette soll zurSchonung <strong>des</strong> Glases mit einem aufgeschnittenen Gummischlauch überzogen werden.)aAbb. 5 a) Flachbackenklemme; b) Rund backenklemme; c) Bandklemmeb


Heizquellen 9Stativringe dienen ebenso wie Dreifüße als Stützen für Heiz- und Kühlbäder oder —zusammen mit dem Asbestdrahtnetz - zum Erhitzen von Bechergläsern oder Erlenmeyerkolben.Erhitzen<strong>Die</strong> Reaktionsgeschwindigkeitskonstanten wachsen exponentiell mit steigender Temperatur(Arrhenius-G\eichung). Man erhöht die Reaktionstemperatur meist in derWeise, daß man die Lösungen der Ausgangsstoffe in der geschlossenen Apparatur„unter Rückfluß" kocht. <strong>Die</strong>s ermöglicht sowohl das Konstanthalten der Reaktionstemperaturals auch eine gefahrlose Ableitung der Reaktionswärme.Flüssigkeiten neigen dazu, sich beim Erwärmen über ihren Siedepunkt aufzuheizenund dann plötzlich mit großer Heftigkeit aufzuwallen, zu „stoßen": Sie schießen ausdem Gefäß oder sprengen unter Umständen die Glasapparatur. Man kann diesenSiedeverzug - eine ernste Gefahrenquelle und häufige Brandursache - weitgehend ausschalten,indem man vor jedem Erhitzen zwei, drei ,JSie<strong>des</strong>teinchen" (kleine poröseBimsstein- oder Tontellerstückchen) in die Flüssigkeit wirft. Nach Unterbrechung<strong>des</strong> Siedens ist meist erneute Zugabe nötig. Auf keinen Fall darf man Sie<strong>des</strong>teinchenzu schon überhitzten Flüssigkeiten geben! - Zur weiteren Vorsicht sollen Siedekolbenim allgemeinen höchstens bis zu zwei Dritteln gefüllt werden! - Flüssigkeiten,die besonders stark zum Siedeverzug neigen, wie zum Beispiel Zweiphasensystemeoder stark alkalische Lösungen, müssen außerdem kräftig gerührt werden. UngleichmäßigesHeizen begünstigt das Stoßen.Reagenzgläser dürfen höchstens zu einem Viertel gefüllt sein und müssen schräggeneigt über einer kleinen Flamme dauernd geschüttelt werden. Das Stoßen verhindertman hier in der Weise, daß man zunächst nur den oberen Teil der Flüssigkeitzum Sieden bringt und dann erst den unteren erhitzt. Zum Schutz der Hand benutztman einen Reagenzglashalter oder längs aufgeschnittene Gummischlauchstücke, dieüber die Fingerspitzen geklemmt werden.Heizquellen<strong>Die</strong> universalste Heizquelle ist der einfache Bunsenbrenner beziehungsweise seineheizstärkere Abart, der Teclubrenner, deren Handhabung bekannt sein dürfte. <strong>Die</strong>Luftzufuhr darf nur so weit geöffnet werden, daß der Brenner nicht „durchschlägt"(Brandgefahr wegen Überhitzung und Verschmoren <strong>des</strong> Gasschlauchs).Nichtbrennbare Flüssigkeiten können in offenen Bechergläsern oder Erlenmeyerkolbenauf einem Drahtnetz mit Asbesteinsatz über der Bunsenflamme erwärmt werden.Für Rundkolben ist ein passender Babo-Trichter zu benutzen, der als offenesLuftbad angesehen werden kann; Abbildung 6a. Er ist ein Kegelstumpf aus Eisen-


10 Allgemeine Arbeitsanweisungenblech, <strong>des</strong>sen kleinere Öffnung teilweise durch eine Metallscheibe verschlossen und<strong>des</strong>sen Innenwand mit Asbeststreifen belegt ist. Der Kolben darf nur auf diesenStreifen aufliegen, die Scheibe also nicht berühren. (Verlorengegangene Asbeststreifenmüssen unbedingt ersetzt werden.) <strong>Die</strong> mit dem Bunsenbrenner erhitzteMetallscheibe verteilt die aufsteigende Wärme über die ganze untere Hälfte <strong>des</strong> eingestelltenKolbens. - Ein in kurzem Abstand unter dem Rundkolben befestigtesDrahtnetz mit Asbesteinsatz ist kein Ersatz für den Babo-Trichter (Überhitzung <strong>des</strong>Kolbenbodens).abAbb. 61-Liter-Kolben mit Kühler in a) BABO-Trichter; b) HeizhaubeDem Geübten sollte es vorbehalten sein, den Kolben direkt mit freier Flamme zuerhitzen, wenn nicht oder nur wenig feuergefahrliche Substanzen zum Beispiel geschmolzenoder rasch <strong>des</strong>tilliert werden sollen. Man führt dabei mit der eben entleuchtetenBunsenbrennerflamme (die leuchtende Flamme wird leicht weggewehtund rußt) eine kreisende Bewegung unter dem Kolbenboden aus, damit dieser möglichstgleichmäßig erwärmt wird. Will man schwächer heizen, ist es besonders fürgrößere Kolben besser, den Brenner tiefer zu halten, als die Gaszufuhr zu drosseln.Bei brennbaren Substanzen soll zur Sicherheit eine genügend große Metallschaleunter den Kolben gestellt werden. - An Stelle <strong>des</strong> Bunsenbrenners kann in vielenFällen auch ein elektrischer Infrarotstrahler verwendet werden.In den letzten Jahren setzt sich die elektrische Wider Standsheizung immer mehrdurch. Gegenüber der Gasheizung hat sie den Nachteil größerer Trägheit, aber denVorteil größerer Betriebssicherheit. Man bedenke jedoch, daß sich an nicht vollkommenabgekapselten Heizspiralen (und Schaltern) brennbare Dämpfe ebensoentzünden können wie an der freien Flamme. (Speziell Kochplatten verleiten hier zuSorglosigkeit.) Bei Tauchsiedern (nur für Bäder; nicht zur Direktheizung!) und eingebautenHeizrohren ist besonders darauf zu achten, daß diese stets genügend hochmit Flüssigkeit bedeckt sind. - Eine recht gleichmäßige Erwärmung von Rundkolbengewährleisten die sehr handlichen, am Kolben anliegenden elektrischen Heizhauben,


Heizbäder 11in denen die Heizwicklung mit Asbest verkleidet ist; Abbildung 6b. Sie können mitHilfe eines Stativrings bequem unter dem Kolben befestigt werden; die größerenHeizhauben sind mit eigenem Dreifuß ausgestattet. Ihre Heizkraft kann stufenweise -bei Zwischenschaltung eines Relais in sehr kleinen Intervallen - variiert werden. Beider Benutzung der Heizhauben richte man sich genau nach den Angaben der vomHersteller beigefügten Gebrauchsanweisung. — Für sehr kleine Proben ist schließlichoft ein Heißluft-Haartrockner („Fön") die bequemste Heizquelle.HeizbäderHeizbäder sind Gefäße mit wärmeübertragenden Stoffen, die mit dem Bunsenbrenneroder elektrisch geheizt werden (ausgenommen das Dampfbad) und dann ihreWärme gleichmäßig an die eingehängten Reaktionsgefäße weitergeben. Sie ermöglicheneine genaue Einstellung und Kontrolle der Heiztemperatur (vermindern alsoauch die Gefahren!) und sind <strong>des</strong>halb einer direkten Heizung fast immer vorzuziehen.<strong>Die</strong> größte Sicherheit gegen Unfälle bietet das Dampfbad, das allerdings eine Dampfanlagevoraussetzt und keine Variation der Temperatur zuläßt.a b cAbb. 7l-Liter-Kolben mit Kühler in a) Patent-Wasserbad; b) Ölbad; c) geschlossenem LuftbadSteht eine Dampfleitung nicht zur Verfügung, benutzt man zum „Erhitzen aw/demsiedenden Wasserbad" das in Abbildung 7a gezeigte Gerät. <strong>Die</strong>ses Patent-Wasserbadläßt sich durch konzentrische Ringe der Kolbengröße entsprechend abdeckenund hat seitlich ein an Wasserleitung und Abfluß angeschlossenes Überlaufsystem,welches den Wasserstand konstant hält. Während <strong>des</strong> Gebrauchs soll das Leitungswasserin ganz dünnem Strahl durch den Wasserstandsregler fließen. Das Dampfbadreicht aus, Lösungsmittel wie Ethanol, Benzol, Benzin, Chloroform und Essigesternoch verhältnismäßig schnell zum Sieden zu bringen. Geheizt wird mit dem Bunsen-


12 Allgemeine Arbeitsanweisungenbrenner oder eventuell (bei anderen Typen) elektrisch. Um die Anheizzeiten klein zuhalten, empfiehlt es sich, das Wasserniveau so niedrig einzustellen, wie es Abbildung7a zeigt.Zur Erzeugung bestimmter Temperaturen zwischen Raumtemperatur und 10O 0 Cwird das Wasserbad benutzt. Es besteht aus einem wassergefüllten Kochtopf oderBecherglas (nur für sehr kleine Bäder statthaft) mit eingehängtem Thermometer undwird mit dem Bunsenbrenner, der elektrischen Kochplatte oder dem Tauchsieder erhitzt.Man achte darauf, daß das Niveau <strong>des</strong> Reaktionsguts etwas über dem <strong>des</strong>Wassers liegt. Bequem in der Handhabung, aber teuer sind elektrisch beheizte Wasserbädermit eingebautem Thermostat.Für Temperaturen zwischen 100 und 25O 0 C benutzt man Ölbäder; Abbildung 7b.Ihr Füllmaterial soll bis in einen hohen Temperaturbereich geringen Dampfdruckhaben, weitgehend thermostabil sein und möglichst bei Raumtemperatur nochflüssig bleiben. Siliconöle können je nach Sorte noch oberhalb 30O 0 C verwendet werden;sie haben große thermische Ausdehnungskoeffizienten; nachteilig ist der hohePreis. Billiger sind hochsiedene Mineralöle, insbesondere das „Heißdampfzylinderöl".Höhere Polyglykole sind bis etwa 25O 0 C empfehlenswert. Schwefelsäure darfnicht benutzt werden. - Als Behälter dienen halbkugelförmige Metallschalen, eventuellauch Kochtöpfe, die (wenn kleiner) auf Stativringen oder (wenn größer) aufstabilen Dreifüßen stehen. - Ölbäder sind sehr träge. Sie kühlen sich, wenn sie zuheiß geworden sind, nur langsam wieder ab und sollten <strong>des</strong>halb stets so aufgebautwerden, daß sie notfalls rasch unterm Kolben weggenommen werden können (Dreifüßeauf Holzplatten stellen). Für die Füllhöhe <strong>des</strong> Öls ist <strong>des</strong>sen Wärmeausdehnungzu berücksichtigen. Der Reaktionskolben soll nur so tief in das Bad eintauchen, daßdas Niveau <strong>des</strong> Reaktionsguts noch deutlich über dem <strong>des</strong> Öls steht. - Zu jedemÖlbad gehört ein Kontrollthermometer. Kolben und Thermometer dürfen das Metallgefaßselbst natürlich nicht berühren. - Zur Heizung benutzt man gewöhnlich denBunsenbrenner. Wegen der Temperaturträgheit muß das Hochheizen zum Schlußsehr behutsam geschehen; viskosere Öle sind während dieser Phase ab und zu vorsichtigumzurühren. Zur Erreichung einer bestimmten Temperatur im Reaktionskolbenmuß das Bad oft erheblich höher erwärmt werden. Da die Aufrechterhaltungder einmal eingestellten Arbeitstemperatur meist nur geringe Energiezufuhr erfordert,empfiehlt es sich, hierfür den Schornstein <strong>des</strong> Brenners abzuschrauben und das Gasdirekt über der Düse brennen zu lassen; das erleichtert die Feinregulierung derFlamme. Ist die Reaktion beendet, hebt man den Kolben am besten sofort aus demnoch heißen Bad und unterstützt das Abtropfen <strong>des</strong> Öls durch Schaben mit einerSpielkarte. Man hüte sich vor einer Überhitzung der Badflüssigkeit (Brandgefahr!);beginnen<strong>des</strong> Rauchen ist ein Warnzeichen. Einfallende Wassertropfen oder andereVerunreinigungen lassen das heiße Öl heftig herumspritzen, dabei mitgerissene 01-dämpfe können sich entzünden! Um zu verhindern, daß Kondenswasser vom Kühlertropft, befestige man um <strong>des</strong>sen unteres Ende ein Filterpapierröllchen (zum Beispielmit einer Wäscheklammer). Soweit möglich, ist das Ölbad im Abzug aufzubauen. -Nichtbenutzte Ölbäder sind mit einem Deckel vor Verunreinigung zu schützen.


Thermostaten 13Für das Erhitzen kleiner Versuchsansätze (auch) auf Temperaturen über 20O 0 Ceignen sich am besten Metallbäder, das heißt Metalltiegel oder -halbkugelschalenmit besonders niedrigschmelzenden Metallmischungen. Brauchbare Legierungensind die nach Wood (Bi, Pb, Sn, Cd; Schmp. etwa 7O 0 C) oder nach Rose (Bi, Sn, Pb;Schmp. 94 0 C). - Man versäume nicht, Kontrollthermometer und Reaktionsgefaß vordem Wiedererstarren <strong>des</strong> Metalls aus dem Bad zu nehmen. (Durch Anrußen läßt sichdas Haftenbleiben <strong>des</strong> Metalls am Glas verhindern.) Im übrigen gelten hier sinngemäßdie gleichen Richtlinien, die im vorigen Absatz für das Arbeiten mit Ölbäderngegeben wurden. - Metallbäder sind aufgrund ihrer Nichtbrennbarkeit, Geruchlosigkeitund sehr guten Wärmeleitfähigkeit, also geringen Trägheit, Ölbädern besondersbei der Destillation kleinerer Mengen überlegen.Praktisch jede geforderte Temperatur erreicht man mit dem Sandbad, das manfolgendermaßen herstellt: Man befestigt eine nicht zu große eiserne Halbkugelschaleso unter dem Rundkolben, daß ein Zwischenraum von etwa 10 mm frei bleibt. <strong>Die</strong>senfüllt man mit sauberem, gesiebtem Seesand. - Wegen ihrer geringen Wärmeleitfähigkeitist die Temperatur in Sandbädern nur schwer einzustellen und zu kontrollieren.Eine weitere Möglichkeit, sehr hohe Temperaturen zu erreichen, bietet das geschlosseneLuftbad. Man braucht dazu einen dünnwandigen, thermoresistenten Glaszylinder(vom Glasbläser oben und unten glatt abgeschnittenes großes Becherglas).<strong>Die</strong>sen stellt man auf ein entsprechend großes Drahtnetz mit Asbesteinsatz und bedecktihn mit einer Asbestplatte, in die zwei passende Löcher für den Hals <strong>des</strong> Reaktionskolbensund das Kontrollthermometer geschnitten sind; siehe maßstabgerechtAbbildung Ic. Das Asbestnetz wird durch einen Teklubrenner kräftig erhitzt. - Dergrößte Vorteil <strong>des</strong> Luftbads besteht - neben der guten Beobachtungsmöglichkeit -darin, daß der eingehängte Kolben bis zum Hals geheizt wird (anders als beim Babo-Trichter, Metall- oder Sandbad, bei denen der größte Teil der Wärme nach oben wegströmt),was besonders für Hochtemperatur-Destillationen wichtig ist. - Ist das zuerhitzende Gut feuergefahrlich, sind selbstverständlich auch hier besondere Vorsichtsmaßnahmenzu treffen.ThermostatenExakt läßt sich eine bestimmte Temperatur über längere Zeit nur im Thermostatkonstant halten. Man kann eine solche Einrichtung in zahlreichen Varianten kaufen,aber auch ohne Mühe nach Abbildung 8 selbst zusammenstellen. Sie besteht auseinem größeren Gefäß (zum Beispiel Kochtopf) mit Wasser- oder eventuell Ölfüllung,in welche ein Kontaktthermometer (K; Erklärung folgt), ein mit diesem über einenRelaisschalter (R) verbundener Tauchsieder (T) sowie ein mechanischer Rührer eintauchen.Um die Heizstöße klein zu halten, darf der Tauchsieder keine zu hohe Leistunghaben. Wird Wasser als Badfüllung benutzt, soll dieses möglichst entsalzt sein.(Für längere Benutzungszeiten kann man sein Verdunsten durch Zugabe von etwas


14 Allgemeine ArbeitsanweisungenAbb. 8 Thermostat, bestehend aus Wasserbad,Kontaktthermometer K, Relaisschalter R, TauchsiederT, Metallrührer und 500-ml-KolbenHartparaffin verhindern. <strong>Die</strong>ses schmilzt und bildet auf der Wasseroberfläche einendünnen Film.) - Versieht man das Bad zusätzlich mit einer kühlwasserdurchströmtenWendel, lassen sich auch Temperaturen zwischen 15 und 25 0 C einstellen. - FertigeThermostaten haben zum Teil Schlauchanschlüsse, über die man daS temperierteWasser durch eine angeschlossene Apparatur leiten kann.Das Kontaktthermometer sei anhand der Abbildung 9 erläutert: In die - nach obenverlängerte und erweiterte - Quecksilberkapillare ragt ein feiner Metalldraht, der aneiner Mutter hängt. <strong>Die</strong>se Mutter wird von einem Gewin<strong>des</strong>tab gehalten, der sichdurch die Glashülle <strong>des</strong> Thermometers von außen her mit Hilfe eines aufgesetztenHufeisenmagneten drehen läßt. Zum Einstellen einer bestimmten Temperatur wirdder Stab so lange gedreht, also die Mutter gehoben oder gesenkt, bis sich das untereEnde <strong>des</strong> Drahts auf der gewünschten Höhe der Temperaturskala befindet. <strong>Die</strong>seEinstellung ist bequemer auf einer zweiten oberen Skala an der Stellung der Mutterabzulesen. Um eine Dejustierung durch äußere Erschütterungen zu verhindern, arretiertman den Magneten, indem man die beiden seitlichen Feststellschrauben anzieht. -Erwärmt sich das Bad, steigt die Quecksilbersäule <strong>des</strong> Thermometers, bis sie denKontaktdraht berührt. Dadurch wird über zwei mit dem Quecksilber und dem Kontaktdrahtverbundene Leitungen ein zum Relais führender Stromkreis geschlossenund damit die Widerstandsheizung abgeschaltet. Sinkt der Quecksilberfaden, öffnetsich der Kontaktstromkreis und stellt so die Heizung wieder an.


Kühlen 15MAbb. 9Kontaktthermometermit Mutter M,Hufeisenmagnet H,unterer U und obererTemperaturskalaKühlenVielfach ist es nötig, das Reaktionsgut zu kühlen, zum Beispiel um die bei exothermenUmsetzungen frei werdende Wärme abzuführen, eine Kristallisation zu fördern oderempfindliche Produkte vor der Zersetzung zu bewahren. Man beachte, daß das Volumenvon Gefäßen im Quadrat zur (wärmeabgebenden) Oberfläche wächst unddaher Reaktionen, die im Reagenzglas-Vorversuch völlig harmlos ablaufen, im Hundertgramm-Maßstabaußer Kontrolle geraten können!Leitungswasser für 8 bis 14 0 CFür Temperaturtiefen bis zu — 50 0 C verwendet man als Kühlbad Kunststoffschüsseln(am besten sind die hervorragend isolierenden mikroporösen Polystyrol-Gefäße geeignet)mit einem der folgenden


16 Allgemeine ArbeitsanweisungenKühlmittel:Eiswasser (Wasser mit zerkleinertem Eis)Eis-Kochsalz-Mischung (gut durchmischtesGemenge aus etwa zwei Teilen Eisgrieß undeinem Teil Viehsalz)Eis-Calciumchlorid-Mischung (6 oder 7 TeileEisgrieß plus 10 Teile CaCl 2 • 6H 2 O)fürfür bis zufürO 0 C-2O 0 C-40 oder -55 0 CMan gewöhne sich von vornherein an, das Kältebad unter fest montierten Apparaturenso aufzustellen, daß es im Bedarfsfall leicht entfernt werden kann (Holzklötzeunterlegen). Kräftiges Umschwenken <strong>des</strong> Kühlbads und <strong>des</strong> zu kühlenden Gefäßesoder Rühren <strong>des</strong> Gefäßinhalts beschleunigt die Wärmeableitung. Dort, wo eine Zugabevon Leitungswasser nicht stört, sollte man das Eis direkt in das Reaktionsguteinführen oder - zur besonders raschen Abkühlung - die Reaktionsmischung auf dasEis gießen.Temperaturen bis zu — 78 0 C erreicht man durch festes Kohlendioxid („Trockeneis")in Methylenchlorid, Methanol, Ethanol oder einem anderen Lösungsmittel mitentsprechend tiefem Schmelzpunkt. Zur Herstellung solcher Kühlbäder wickelt maneinen Brocken Trockeneis in ein festes Tuch und zerschlägt ihn mit einem Hammer.<strong>Die</strong> kleinen Stückchen trägt man mit einem Löffel langsam in das Lösungsmittel ein,das sich in einem Dewar-Gefäß befindet. Anfangs bringt die (wärmere) Flüssigkeit dasTrockeneis sofort zum Verdampfen und starken Aufbrausen!Dewar-Gefäße sind Glasbehälter mit doppelter, innen verspiegelter (auf unter10~ 5 Torr) luftleer gepumpter Glaswandung; Abbildung 10. Sie isolieren hervorragenddie Wärme. Ihre Handhabung erfordert die gleichen Vorsichtsmaßnahmen, wiesie bei anderen evakuierten Gefäßen nötig sind (Schutzbrille aufsetzen). Man verwendenur Dewar-Gefaße, die durch einen stabilen Blechmantel geschützt sind!Muß noch stärker gekühlt werden, nimmt manflüssigen Stickstoff, der bei —196 0 Csiedet (nicht flüssige Luft, deren Sauerstoff sich beim Verdampfen anreichert und mitAbb. 10 Dewar-Gefäß


Homogenisieren und Lösen 17Lösungsmitteldämpfen hochexplosive Gemische bildet!). Man informiere sich im Bedarfsfallin der Spezialliteratur 1 !Ähnlich den Thermostaten (siehe S. 13) gibt es Kryostaten mit Wasser-Methanol-Gemischen als Badflüssigkeit und einem Kühlaggregat (an Stelle der Heizung), zurErzeugung konstanter Temperaturen zwischen O und -4O 0 C. <strong>Die</strong> Kühlflüssigkeitkann über Schlauchanschlüsse durch eine angeschlossene Apparatur gedrückt werden.Im Kühlschrank oder in der Tiefkühltruhe werden zersetzliche Substanzen aufbewahrt.Der Kühlschrank soll, damit wässerige Lösungen nicht erstarren, auf +2 0 Ceingestellt sein. In der Tiefkühltruhe erreicht man Temperaturen von -3O 0 C. Alleeingestellten Gefäße müssen, damit sich keine entzündlichen Dämpfe im Kühlraumansammeln, gut verschlossen sein und Etiketten mit der Substanzbezeichnung unddem Namen <strong>des</strong> Eigentümers tragen.HomogenisierenVon Ausnahmen abgesehen, ist der Chemiker stets bestrebt, die Reaktionspartner invöllig homogener Phase, also als Lösung, umzusetzen. Ist das nicht möglich, versuchter, durch Zerkleinern der Feststoffe und kräftiges Rühren, Vibrieren oderSchütteln möglichst feindisperse Suspensionen beziehungsweise Emulsionen herzustellen.- Dauern<strong>des</strong> Mischen <strong>des</strong> Reaktionsansatzes ist auch nötig, um eine zutropfendeKomponente rasch zu verteilen und entstehende Reaktionswärme schnellerabzuführen.LösenBei weitem die meisten aller chemischen Operationen können nur unter Zuhilfenahmevon Lösungsmitteln durchgeführt werden.<strong>Die</strong> Wahl <strong>des</strong> Lösungsmittels ist für das Gelingen sowohl der eigentlichen Umsetzung alsauch der anschließenden Aufarbeitung von ausschlaggebender Bedeutung.Zu den wesentlichen Eigenschaften eines Lösungsmittels gehören (neben seinemchemischen Verhalten) der Siedepunkt sowie vor allem der mehr oder weniger polareCharakter. Der Siedepunkt ist wichtig zur Einstellung der Arbeitstemperatur beimKochen unter Rückfluß und für die <strong>des</strong>tillative Entfernung <strong>des</strong> Lösungsmittels nachder Umsetzung. <strong>Die</strong> Polarität (zahlenmäßig erfaßt durch die <strong>Die</strong>lektrizitätskonstante)bezeihungsweise Polarisierbarkeit bestimmen die Lösungseigenschaften (Hydrophilieoder Lipophilie).Für chemische Umsetzungen ist im allgemeinen das Lösungsmittel ideal, das alle1 Zum Beispiel H. Kienitz, Methoden der <strong>organischen</strong> Chemie, (Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl., Bd.//2,S. 662, Thieme, Stuttgart 1959.


18 Allgemeine ArbeitsanweisungenAusgangsstoffe leicht, das Endprodukt jedoch nicht löst. Wenn keine besonderen Forderungen(wie Auffangen der Reaktionswärme oder unimolekularer Umsatz) einengrößeren Überschuß nötig machen, nehme man nur wenig mehr Lösungsmittel, alszum Lösen der Reaktionskomponenten nötig ist!Näheres über die meist benutzten Lösungsmittel siehe S. 110.ZerkleinernFeststoffe können in einer Reibschale mit dem Pistill fein pulverisiert werden. (SchmierigeSubstanzen lassen sich nach Zugabe von sauberem Seesand oder Kieselgur zubröckeliger Konsistenz verreiben.) Für sehr harte Stoffe benutzt man besser einemechanische Kugelmühle mit umlaufenden Porzellankugeln. - Größere Brockenkann man zuvor in einem Metallmörser mit dem Stößel grob zerschlagen.In vielen Fällen läßt sich die Arbeit <strong>des</strong> Pulverisierens dadurch erleichtern, daßman zwischendurch die größeren Partikel mit Hilfe eines einfachen Kaffeesiebsabtrennt.RührenZum Umrühren im Reagenzglas und anderen offenen Gefäßen sollten an jedemLaborplatz stets mehrere an den Enden rundgeschmolzenen Glasstäbe verschiedenerGröße bereit liegen!Für längeres, intensiveres Rühren stehen stufenlos regulierbare elektrische Rührmotoren(mit Bohrfutter) zur Verfügung. Sie müssen, ihrem Gewicht entsprechend,an besonders stabilen Stativen befestigt werden. - Man beachte, daß die Kollektorfunkenbrennbare Gase entzünden!Dazugehörige Glasrühr er gibt es in verschiedenen Ausführungen; einige davonzeigt Abbildung 11. Das Modell a kann man sich aus einem erhitzten Glasstab mit


Rühren 19Hilfe einer Flachzange leicht selbst herstellen. Wirksamer ist der Propellerrührer b.Der drehbare Flügel von c läßt sich hochgeklappt in einen NS 29-Tubus einführen;während der Rotation stellt er sich waagrecht. - Für zähes Reaktionsgut verwendetman Rührer aus V2A-Stahl.Um den Turbulenzeffekt beim Rühren zu erhöhen, kann man die Kanten gläsernerRührblätter mit einer Feile aufrauhen. <strong>Die</strong> Durchmischung von flüssigen Zweiphasensystemenist am wirksamsten, wenn sich das Rührblatt an der Grenzfläche derbeiden Phasen dreht. - Der Rührer darf nicht so schnell rotieren, daß es in der Flüssigkeitzur Ausbildung eines tiefen Trichters kommt, weil dann der Mischeffekt geringist. Aus ähnlichem Grund ist es besser, den Rührer in offenen Gefäßen etwas außerhalbder Gefäßmittelachse laufen zu lassen.Nur kurze, genau zentrierte Rührer darf man direkt in das Bohrfutter einspannen.In der Regel muß ein etwa 5 cm langer Stab (Bleistiftstück) und ein 6 bis 10 cm langesStück Vakuumschlauch als elastisches Bindeglied zwischengeschaltet werden undder Rührer in einer eigenen Führung laufen; Abbildung 12. <strong>Die</strong>se Führung kann, wennlediglich in offenen Gefäßen gerührt werden soll, einfach aus einem am Stativ befestigten,etwa 10 cm langen, knapp passenden Stück Glasrohr bestehen; Abbildung12a. Als Schmiermittel verwendet man hier für wässeriges Rührgut ebenfalls Wasser.Soll in der geschlossenen Reaktionsapparatur gerührt werden, benutzt man densogenannten KPG-Rührverschluß\ Abbildung 12b. <strong>Die</strong>ser besteht aus einem NS 29-Kern, der in ein 10 cm langes Rohr mit genormtem Präzisions-Zylinderschliff übergeht,und einem Rührer, <strong>des</strong>sen Schaft exakt dazu passend geschliffen ist. (Es gibtauch Hülsen aus Teflon.) Apparaturen mit KPG-Rührern sind besonders sorgfältigaufzubauen. Motor- und Rührerachse müssen genau auf einer Linie liegen. <strong>Die</strong> Verschluß-Hülseist, damit sie sich nicht mitdreht, an ihrem oberen Wulst anzuklammern.Um zu verhindern, daß der Rührer während der Montage nach unten rutscht und denKolbenboden zerschlägt, sichert man ihn durch Überziehen eines schmalen StücksGummischlauch. Der Zylinderschliff ist mit dünnflüssigem öl, zum Beispiel Silicon(nicht Vaseline oder Glycerin) zu schmieren. - Tourenzahlen über etwa 600 verlangenKPG-Rührer mit eingebauter Wasserkühlung; Abbildung 12c.Für geringere Ansprüche genügt eine einfache Gummischlauch-Rührdichtung, dieman sich nach Abbildung 12d aus einem zum Rohr verjüngten Kernschliff mit übergezogenemGummischlauch sowie einem Glasstabrührer selbst zusammenstellenkann. Das sehr kurze Schlauchende, das den Rührerschaft umschließt, wird inneneingefettet. <strong>Die</strong>se Dichtung zieht sich, wenn im Kolben ein Unterdruck entsteht,automatisch zusammen und ist daher bedingt vakuumfest. Sie hat den Nachteil, daßbei längerem Gebrauch Gummiteilchen abgetrieben werden.MagnetrührenWenig viskose Flüssigkeit kann man eleganter mit dem Magnetrührer mischen; Abbildung13a. <strong>Die</strong>ser besteht aus einem regelbaren Motor, auf <strong>des</strong>sen senkrecht stehen-


20 Allgemeine Arbeitsanweisungender Achse oben ein Permanentmagnet montiert ist. Über dem Magneten befindet sicheine Platte, auf die man das Rührgefäß stellt. Als Rührer fungiert ein am Boden <strong>des</strong>Gefäßes liegen<strong>des</strong>, durch Teflon-Überzug geschütztes Stück Magnetstab. - Erlenmeyerkolbenund Bechergläser mit flachem Boden eignen sich am besten als Rührgefäße.Mit entsprechend kurzen Rührstäbchen oder spindelförmigen Rührkörpern(Abbildung 13b) kann man auch gut in kleineren Rundkolben arbeiten. - Magnetrührermit stufenweis regulierbarer elektrischer Heizung sind besonders praktisch.(Mit zwei Rührstäbchen lassen sich ein kleines Heizbad aus Glas und das Reaktionsgefäßgleichzeitig rühren.)Abb. 13 a) Magnetrührer und 500-ml-Erlenmeyerkolben mitRührmagnet; b) 100-ml-Kolben mit spindelförmigem RührmagnetAbb. 14 1-Liter-Weithalskolbenmit Vibromischer-WerkzeugVibrierenEine besonders intensive Durchmischung dünnflüssiger Systeme erreicht man mitdem „Vibro-Mischer", <strong>des</strong>sen Kupplung nicht rotiert, sondern mit der Frequenz <strong>des</strong>Wechselstroms auf- und abschwingt. Das Arbeitswerkzeug besteht aus einem Stab,der in einer waagrechten Platte mit mehreren konischen Löchern endet; siehe Abbildung14. Vibriert diese Platte, wird die umgebende Flüssigkeit nicht nur mit inSchwingungen versetzt, sondern gleichzeitig in einer Richtung durch die Löcher befördert,also umgewälzt. Zur Abdichtung gibt es Kernschliffe mit gelochter Gummischeibe.- Durch Werkzeuge, deren Schaft hohl ist, können Gase unterhalb der Platteeingeleitet und zu sehr kleinen Bläschen zerschlagen werden.SchüttelnSehr schwere Bodenkörper oder Unterphasen lassen sich durch Rühren kaum aufwirbeln.Hier muß man das ganze Gefäß kräftig schütteln. - Bei einfachen Rückflußapparaturenerhält man dazu genügend Spielraum, wenn man lediglich den Kühleran seinem oberen Ende in einer nur halb geschlossenen Klemme hält und den Kolben


Schüttelmaschinen, Reaktionsgefaße mit mehreren Aufsätzen 21auf einen Korkring oder die Einsätze <strong>des</strong> Patent-Wasserbads setzt. Apparaturen mitmehreren Aufsätzen muß man zusammen mit dem Stativ umschwenken (vorher Befestigungender Apparaturteile überprüfen).Zum intensiven Schütteln über längere Zeit gibt es zahlreiche verschiedenartigemotorgetriebene Schüttelmaschinen, wie Schüttelstative, deren Stab sich um seineAchse hin- und herdreht, Holz- oder Metalltröge, die pendeln (für größere geschlosseneFlaschen), und schließlich Modelle, in denen Schüttelgefaße komplizierterenSchlingerbewegungen ausgesetzt sind.Folgende Punkte sind bei der Benutzung von Schüttelmaschinen besonders zu beachten:Nur solche Gemenge dürfen (in geschlossenen Gefäßen) geschüttelt werden, diekeinen Überdruck (durch Gasentwicklung oder exotherme Reaktion) entstehenlassen.<strong>Die</strong> Schüttelgefäße sind sorgfältig zu befestigen.Man verwende starkwandige Chemikalienflaschen, entweder mit Schraubdeckeloder mit durch Einbinden eines Stücks Vakuumschlauch elastisch verdrahtetemStopfen; siehe Abbildung 15a, b.Größere Schüttelmaschinen müssen, damit sie nicht wandern können, fixiertwerden.abAbb. 15 a, b) Elastisches Absichern eines Schliffstopfens (Maßstab l: 4)Reaktionsgefäße mit mehreren AufsätzenAuf den Abbildungen 16 bis 20 sind die wichtigsten, in dieser oder ähnlicher Formimmer wiederkehrenden Reaktionsapparaturen zusammengestellt. Es handelt sichdabei um Mehrhalskolben beziehungsweise solche mit Anschützaufsatz, die nebendem Rückflußkühler noch folgende Teilstücke tragen: Rührer, Tropfrichter, Gaszuleitungund -ableitung, Tauchthermometer.Abbildung 16 stellt eine einfache Rührapparatur dar. Alle anderen zeigen zusätzlichEinrichtungen für die dosierte Zugabe flüssiger oder gasförmiger Substanzen. Einesolche Dosierung einer Reaktionskomponente ist wichtig: zur Steuerung exothermerUmsetzungen, zur Schonung solcher Ausgangsstoffe, die sich unter den Reaktionsbedingungen(Temperatur, pH, Gegenwart von Katalysatoren) leicht zersetzen und


22 Allgemeine Arbeitsanweisungenschließlich zur Zurückdrängung unerwünschter Nebenprodukte, die dadurch entstehen,daß sich der zweite Reaktionspartner mit dem ersten mehrfach umsetzt.Abb. 16 1-Liter-Kolben mit Anschütz-Aufsatz,Rückflußkühler und RührerTropftrichterSoll eine flüssige Reaktionskomponente zum Kolbeninhalt gegeben werden, benutztman einen Tropftrichter, <strong>des</strong>sen Grund typ Abbildungen 17a und 18 zeigen. Zur leichterenEinregulierung kleiner Tropfgeschwindigkeiten empfiehlt es sich, das Hahnkükenso, wie es die Abbildung 24 K verdeutlicht, mit der Kante einer Feile anzuritzen.Wesentlich leichter läßt sich der Zulauf am Dosiertrichter einstellen und konstanthalten; Abbildung 17b. <strong>Die</strong>ser hat an Stelle <strong>des</strong> Glashahns eine Spindelschraubeund außerdem ein Mariotte'sches Rohr, das die Ausflußgeschwindigkeit von derHöhe der überstehenden Flüssigkeitssäule unabhängig macht. Eine Variante <strong>des</strong>Grundmodells ist schließlich der Tropftrichter mit Druckausgleich', Abbildung 17c.Er kann bei Gebrauch fest verschlossen bleiben, ist also besonders für leicht flüchtige,giftige oder luftempfindliche Flüssigkeiten geeignet. (Beim Grundmodell schützt manfeuchtigkeitsempfindliche Flüssigkeiten durch Aufsetzen eines Trockenrohrs.)Um Bruchgefahr zu vermeiden, sollen die Tropftrichter am Stativ festgeklemmtwerden; das gilt besonders bei Füllung mit spezifisch schweren Flüssigkeiten (zumBeispiel konz. Schwefelsäure, Brom) und dann, wenn durch einen Rührmotor Schwin-


Tropftrichter und Gasapparaturen 23Abb. 17 a) l-Liter-Kolben mit einfachem Tropftrichter; b) 2-Liter-Kolben mit Dosiertrichter; c) Tropftrichtermit Gasausgleichgungen entstehen können. <strong>Die</strong> Hahnküken sind (zumin<strong>des</strong>t durch einen Gummiring)gegen Herausrutschen zu sichern.Portionsweises Eingießen direkt durch den Rückflußkühler ist nur in seltenen Fällenratsam. (Großen Trichter benutzen; Flammen löschen; darauf achten, daß nichts insHeizbad fließt I)Auf Abbildung 18 ist ein sogenannter Nitrierkolben (Sulfierkolben) dargestellt Derartigekonische Kolben benutzt man, wenn mehr als drei Hälse nötig sind. Der großezentrale Tubus (mit Übergangsstück) macht die Verwendung eines breiten feststehendenRührers möglich. - Ein schliffloses Tauchthermometer kann in der beim Gaseinleitungsrohrgeschilderten Weise (siehe Abbildung 20) eingesetzt werden.Gasapparaturen (Gasstahlflaschen)Sollen Gase lediglich über das Reaktionsgut geleitet werden, genügt ein zum Rohrverjüngter Kernschliff; siehe Abbildung 19, rechter Tubus. Eine solche Apparatur benutztman speziell dann, wenn bei sehr luft-(feuchtigkeits-)empfindlichen Stoffen unterSchutzgas (Stickstoff, eventuell Kohlendioxid) gearbeitet werden muß.


24 Allgemeine ArbeitsanweisungenAbb. 18 3-Liter-Vierhalskolben(Nitrierkolben) mit Rückflußkühler,Rührer, Tropftrichter, Tauchthermometerund GasableitungAbb. 19 1-Liter-Kolbenmit Schlauchansätzenzum Überleitenvon (Schutz-)GasenAbb. 20 Apparatur zum Einleiten von Gasen, bestehend ausl-Liter-Kolben mit Gaseinleitungsrohr E, 1-Liter-SicherheitsgefäßSl, Waschflasche W und Sicherheits-Waschflasche S 2


Gaseinleitung 25Sollen Gase durch das Reaktionsgut perlen, verwendet man nach Abbildung 2OEeinen zum Rohr verjüngten Kernschliff mit knapp passendem Innenrohr undSchlauchdichtung oder ein entsprechen<strong>des</strong> fertiges Einleitungsrohr mit Schliff. Willman das Gas sehr fein verteilen, läßt man es durch eine Tauchfritte (vergleiche Abbildung2Ib) oder durch den hohen Schaft eines Vibro-Mischers (siehe S. 20) einströmen.Besteht die Gefahr, daß ausfallende Feststoffe das Einleitungsrohr verstopfen,ersetzt man dieses durch ein solches, <strong>des</strong>sen Mündungsende stark ausgeweitetist, zum Beispiel ein gera<strong>des</strong> Calciumchloridrohr ohne Schliff.Entweichen können Gase durch den Rückflußkühler. Giftige Gase leitet man überden Schlauchansatz-Kernschliff und einen Kunststoffschlauch direkt in den Abzugschacht;Abbildung 18 und 19.Das wichtigste Zusatzgerät zum Gas-Reaktionskolben ist die Waschflasche, einZylinder mit zwei oberen Schlauchanschlüssen, deren einer bis zum Boden verlängertist; Abbildung 20 W und S2. Sie dient — knapp zur Hälfte mit einer entsprechendenFlüssigkeit gefüllt - zur Reinigung (siehe S. 107) der Gase (W) oder (meist mit einemgrößeren Kolben an Stelle <strong>des</strong> Zylinders) in der Gegenrichtung durchströmt alsSicherheitsflasche (Sl und S2). Eine solche Sicherheitsflasche, die groß genug ist, dasgesamte eventuell zurücksteigende Flüssigkeitsvolumen aufzunehmen, muß jedemGefäß mit Tauchrohr - also auch den gefüllten Waschflaschen - vorgeschaltet sein!Es ist bei allen Waschflaschen und Sicherheitsflaschen darauf zu achten, daß sie richtigherum eingesetzt werden. - Waschflaschen sind als sogenannte Blasenzähler auchzur (meist notwendigen) Überwachung der Strömungsgeschwindigkeit nützlich. Abbildung2Ia zeigt einen kleineren Blasenzähler mit dazugehöriger Sicherheitsflasche.- <strong>Die</strong> auf Abbildung 20 zusammengestellte einfachste Gaseinleitungsapparatur bildetden Grundstock für alle Anlagen dieser Art.a b c d e fAbb. 21 a) Blasenzähler (mit Sicherheitsgefäß); b) Waschflasche mit Glasfritte; c) Trocken türm; d) Bunsenventil;e) Tauchrohr-Ventil; O StrömungsmesserEinige weitere, in den Gasstrom einzuschaltende Hilfsmittel sind auf Abbildung21b-f aufgeführt: <strong>Die</strong> Waschflasche mit Glasfritte (b) bewirkt eine feinere Verteilung


26 Allgemeine Arbeitsanweisungen<strong>des</strong> Gases. - Der Trockenturm (c) wird zur Aufnahme körniger Trockenmittel (zumBeispiel Calciumchlorid) verwendet. (Das einfachere Trockenrohr hat zu geringeKapazität und würde <strong>des</strong>halb bald verbacken.) - Das Bunsenventil (d) sichert dieApparatur gegen Überdruck. Es besteht aus einem T-Rohr mit einem kurzen, amEnde verschlossenen Stück Vakuumschlauch, das man mit einer scharfen Rasierklinge2 bis 3 cm längs aufgeschnitten hat. <strong>Die</strong>ser Spalt öffnet sich beim Überdruckund zieht sich bei Unterdruck zusammen. Für Wasserstoff ist das Bunsenventil nichtgeeignet, da dieser durch den Spalt diffundiert. - Das Tauchrohr-Ventil (e), ein T-Rohr,<strong>des</strong>sen einer verlängerter Schenkel in Wasser, Quecksilber (beachte die Hinweise aufS. 35 !), Alkylhalogenide (für Chlorwasserstoff) oder eine andere Sperrflüssigkeit eintaucht,sorgt für konstanten Überdruck. Zur Einstellung läßt man das Gas so starkdurch das T-Stück strömen, daß ein Teil unten entweicht, und stellt dann den gewünschtenDruck durch Änderung der Eintauchtiefe (in Abhängigkeit von der Dichteder Flüssigkeit) ein. - Beim Strömungsmesser (f) ist eine Kapillare als Drossel zwischendie Schenkel eines Wassermanometers eingebaut. Das Gerät muß für jede Gasartspeziell geeicht werden. Genauer, aber teurer sind die käuflichen Rotameter.Sicherheitsflaschen, Waschflaschen, Trockenturm und Tauchrohrventil sind anStative anzuklammern, Trockenturm und Trockenrohre auf gute Durchlässigkeit zuprüfen. <strong>Die</strong> Schlauchverbindungen sollen bei aggressiven Gasen aus Kunststoff bestehen.Vor Anschluß der Gasquelle überzeuge man sich noch einmal, ob alle Teilerichtig (herum) eingebaut sind!<strong>Die</strong> meisten der im Laboratorium gebrauchten Gase werden von der Industrie inStahlflaschen geliefert. In diesen Hochdruckbehältern liegen die Gase -je nach ihrenkritischen Daten 1 - entweder gasförmig, auf bis zu 200 bar komprimiert oder, beientsprechend geringerem Druck, verflüssigt vor. Jede Gasflasche ist mit einem Hauptventilverschlossen, an das zur Benutzung stets noch ein Reduzierventil angeschraubtsein muß, zumin<strong>des</strong>t ein einfaches Kegel-Reduzierventil <strong>Die</strong>sem vorzuziehen, besondersfür Permanentgase, ist das Druckminderventil, das automatisch den Druckabfallin der Flasche ausgleicht. Es hat unten eine Einstellspindel, die eine sehr feineRegulierung der Strömungsgeschwindigkeit zuläßt. Dreht man diese Spindel im Uhrzeigersinn,wird ein Verschlußkonus gegen den Eigendruck <strong>des</strong> Flascheninhalts angehobenund das Ventil geöffnet. Direkt vor dem Gasaustritt befindet sich ein weiteresAbsperrventil zur Unterbrechung <strong>des</strong> verminderten Gasstroms. Zwei Manometerzeigen den Fülldruck und den reduzierten Druck an. Das Niederdruckmanometerdarf nie unter dem vollen Druck der Flasche stehen. - Bei Nichtbenutzung mußdas Hauptventil geschlossen sein (ohne daß das Reduzierventil belastet ist).Um Verwechslungen zu vermeiden, ist die Gasart nicht nur mit Namen am Flaschenhalseingeschlagen, sondern auch noch durch einen speziellen Farbanstrichgekennzeichnet. <strong>Die</strong>ser ist zum Beispiel für brennbare Gase rot. Außerdem sind dieSchraubgewinde zu den Reduzierventilen unterschiedlich dimensioniert. Flaschenmit brennbaren Gasen haben Linksgewinde. Acetylen wird in besonderen, gelb ange-1 Siehe Lehrbücher der physikalischen Chemie.


Arbeiten unter Druck 27strichenen Flaschen aufbewahrt, die Kieselgur enthalten und deren Ventile nicht angeschraubt,sondern festgeklammert sind. Das Gas selbst ist in Aceton gelöst. - <strong>Die</strong>Ventile von Sauerstoffflaschen dürfen nie gefettet werden; Explosionsgefahr durchAutoxidation! Alle stehenden Gasflaschen müssen durch eine Kette gegen Umfallengesichert sein! Außerdem sind die Flaschen möglichst vor Wärme zu schützen!Zugabe fester StoffeDas Einbringen fester Substanzen in die geschlossene Reaktionsapparatur bereiteteinige Schwierigkeiten. Man sollte daher nach Möglichkeit versuchen, die Feststoffevorher in Lösung zu bringen oder im Kolben vorzulegen. Geht das nicht, schüttet mansie durch einen Pulvertrichter in den jeweils kurz geöffneten Tubus. (Vorsicht; Flammenlöschen; Abzug benutzen!) Muß unter Luft-(feuchtigkeits-)ausschluß gearbeitetwerden, verbindet man den freien Tubus <strong>des</strong> Mehrhalskolbens über ein entsprechendweites, nach unten abgeknicktes Schlauchstück mit einem kleinen Erlenmeyerkolben,der die feste Substanz enthält.Arbeiten mit Überdruck-ReaktionsgefäßenIn den bisher geschilderten Apparaturen ist die Reaktionstemperatur nach obennaturgemäß durch die Siedepunkte der Reaktionskomponenten beziehungsweiseLösungsmittel begrenzt. Sind höhere Temperaturen erforderlich, muß in völlig abgeschlossenendruckfesten Gefäßen gearbeitet werden. - Bei Umsetzungen, an denengasförmige Partner beteiligt sind, können Reaktionsgeschwindigkeit und Ausbeutevielfach durch Arbeiten unter erhöhtem Druck gesteigert werden.Bei jeglichem Umgang mit Druckgefäßen ist besondere Vorsicht geboten! <strong>Die</strong> speziellenSchutzvorschriften sind genau zu beachten! Stets ist die Schutzbrille zu tragen! Vorjedem Versuch vergewissere man sich gewissenhaft über den bei der Umsetzung zuerwartenden Druck und informiere sich genau, welche Belastung der zu verwendendenApparatur zugemutet werden darf!EinschmelzrohreWill man kleinere Versuchsansätze bis zu etwa 20 ml auf Temperaturen erhitzen, beidenen keine sehr großen Überdrucke zu erwarten sind, kann man Einschmelzrohre(„Bombenrohre") verwenden. <strong>Die</strong>se sind aus einer speziellen Glassorte hergestellt,haben etwa eine Länge von bis zu 50 cm, Weite von 18 mm, Wandstärke von 3 mmund halten etwa 25 bar bei maximal 400 0 C mit einiger Sicherheit aus.<strong>Die</strong> Einschmelzrohre werden durch einen Trichter, <strong>des</strong>sen langes Rohr bis zum Bo-


28 Allgemeine Arbeitsanweisungenden reicht, höchstens zu einem Viertel mit Substanz gefüllt und dann vom Glasbläsermit dem Sauerstoffgebläse zu einer dickwandigen Kapillare ausgezogen und zugeschmolzen(tiefsiedende Flüssigkeiten sind dabei in einem Bad zu kühlen); Abbildung22. <strong>Die</strong> Schmelzstelle soll langsam wieder abkühlen. Danach steckt man das Rohr sotief in den zugehörigen Stahlschutzmantel, daß seine Spitze noch etwa l bis 2 cm herausragt.(Gegebenenfalls muß dazu der Mantel entsprechend mit Sand aufgefülltwerden.)Abb. 22 Einschmelzrohr mit Stahl-SchutzmantelDas Erhitzen der so vorbereiteten Rohre in den „Bombenöfen" darf nur innerhalb<strong>des</strong> dafür vorgesehenen Raums hinter Splitterschutzwänden vorgenommen werden.<strong>Die</strong> Öfen sind derart aufzustellen, daß ihr offenes Ende und damit die Spitze <strong>des</strong> Einschmelzrohrsetwas erhöht ist und zur Wand zeigt. So kann allmählich bis auf diegewünschte Temperatur angeheizt werden. Während <strong>des</strong> Betriebs kontrolliere manständig die Temperatur. (Auf richtigen Sitz <strong>des</strong> Thermometers achten!)Ist die Reaktion beendet, läßt man langsam völlig abkühlen. Erst dann erhitzt mandie abgeschmolzene Rohrspitze mit der Sauerstoff-Gebläseflamme (Mantelöffnungweiterhin zur Wand gerichtet lassen!), bis das Glas so stark erweicht, daß das unterDruck stehende Gas im Inneren die heiße Stelle aufbläst und ausströmt. Vorher darfdas Einschmelzrohr unter keinen Umständen weder aus dem Schutzmantel nochaus dem Schutzraum entfernt werden! Zur Entleerung wird der obere Teil <strong>des</strong> Rohrs,wie auf S. l beschrieben, abgesprengt. Das Rohr kann erneut benutzt werden.Es gibt auch Stahlschutzrohre, die mit einer gelochten Gewindekappe verschlossenwerden und so bei Explosion die Splitter abfangen.AutoklavenSicherer für kleinere Ansätze, unumgänglich für größere sind Stahl-Autoklaven, diein zahlreichen Ausführungen von der Industrie angeboten werden. Abbildung 23zeigt einen l-Liter-Rührautoklaven (für maximal 325 bar und 35O 0 C) aus einem dickwandigenUnterteil und einem fest verschraubten Deckel mit Thermometer-Innenrohr,Rührachse, Absperrventil, Sicherheitsventil und Manometer. Durch das Absperrventilkann über eine angeschraubte Stahlkapillare Wasserstoffoder ein anderesReaktionsgas eingedrückt werden. Geheizt wird von außen durch eine elektrischeAnlage mit automatischer Temperaturregelung. - Andere Modelle haben an Stelle<strong>des</strong> Rührers periodisch fallende Siebplatten, wieder andere rotieren um ihre schrägeLängsachse.<strong>Die</strong> Autoklaven dürfen nur zur Hälfte ihres Volumens gefüllt werden! <strong>Die</strong> Dich-


Autoklaven 29Abb. 23 Rührautoklav mit Thermometerrohr, Absperrventil, Sicherheitsventil und Manometertungsränder sind sorgsam gegen jede Beschädigung zu schützen und vor dem Zusammenbringenpeinlich zu säubern. Zum Verschließen setzt man den Deckel behutsammit einem Differential-Flaschenzug auf und zieht dann die Bolzenschrauben kreuzweisenacheinander in immer kleiner werdenden Stufen so stark an, wie es die auf denMuttern eingeschlagenen Markierungen verlangen. Alle Autoklaven dürfen nurinnerhalb besonders dafür angelegter Schutzräume in Betrieb genommen werden!Das Anheizen hat langsam zu erfolgen. Während der Umsetzung sind der Druckund die Temperatur laufend zu kontrollieren. Zum Schluß läßt man den Autoklavenerst völlig erkalten (keinesfalls zusätzlich von außen kühlen!) und beseitigt dann denÜberdruck langsam durch vorsichtiges Öffnen <strong>des</strong> Ventils. Vorher dürfen die Verschlußschraubennicht gelockert werden! Zur Entleerung hebt man den Deckel amFlaschenzug ab, spült das Reaktionsgemisch mit einem geeigneten Lösungsmittelzusammen und saugt den Inhalt dann am besten in einen Kolben mit aufgesetztemGaswaschflaschenkopf (Abbildung 20, Sl), <strong>des</strong>sen kurzes Rohr an eine Wasserstrahlpumpeangeschlossen ist.Da es sehr unterschiedliche Autoklaventypen gibt, deren Handhabung hier natürlichnicht im einzelnen beschrieben werden kann, sei nachdrücklich auf die von denHerstellern mitgelieferten Bedienungsvorschriften hingewiesen. Dort finden sichauch Angaben über die zulässigen Höchstdrucke und -temperaturen sowie die Korrosionsbeständigkeit<strong>des</strong> verwendeten Materials. Ist der Praktikant mit dem Umgangeines Autoklaven (und seiner Heizung) noch nicht vertraut, hat er einen Fachmannzur Einweisung und Überwachung hinzuzuziehen. <strong>Die</strong>s gilt besonders für die zu-


30 Allgemeine Arbeitsanweisungensätzlichen Schutzmaßnahmen, die beim Eindrücken von Gasen erforderlich sind,wenn zum Beispiel geringere Füllhöhe und Vorspülen mit einem Intergas beim Arbeitenmit Wasserstoff vorgeschrieben sind.Erzeugung und Messung von UnterdruckBei allen Arbeiten mit evakuierten Apparaturen ist eine Schutzbrille zu tragen!Abgesehen von wenigen speziell dafür hergestellten dickwandigen Gefäßen (wie zumBeispiel Saugflaschen und Exsikkatoren) dürfen nie Kolben oder andere Gefäße mitflachem Boden evakuiert werden, sondern nur Rund- oder Spitzkolben mit angeschlossenenrunden Apparaturteilen! Auch Reagenzgläser sind nicht vakuumfest.Zur Erzeugung von Unterdruck steht eine Reihe von Pumpen zur Verfügung, diesich in ihrer Leistung - also dem erreichbaren Endvakuum und der Sauggeschwindigkeit- voneinander unterscheiden.Wasserstrahlpumpen-AnlagenFür die meisten der im Labor vorkommenden Arbeiten, die Unterdruck erfordern(Absaugen, Destillieren, Trocknen) reichen etwa 12 Torr, die man bequem mit dereinfachen Wasserstrahlpumpe aus Glas erreicht, völlig aus. <strong>Die</strong>se wird durch einkurzes Stück Druckschlauch, das durch Metallmanschetten gesichert ist, direkt anden Wasserhahn angeschlossen; Abbildung 24, W. (Das störende Rauschen läßt sichdadurch herabmindern, daß man den Zwischenraum zum Abflußkanal locker miteinem Kunststoffschwamm ausfüllt.)Als kurzfristiger Schutz gegen ein Zurücksteigen <strong>des</strong> Wassers in die angeschlosseneApparatur (bei Nachlassen <strong>des</strong> Wasserdrucks) und als Druckpolster ist jeder Wasserstrahlpumpeeine l l fassende Sicherheitsflasche vorzuschalten. <strong>Die</strong>se kann man sichleicht nach Abbildung 24, S aus einer dickwandigen Woulfe'sehen Flasche, zweiGlasrohrwinkeln und einem Glashahn aufbauen. (<strong>Die</strong> Gummistopfenverbindungenbekommt man dadurch vakuumdicht, daß man zuerst die Stopfen fest in den Tubusdrückt und dann das Rohr in die mit Glycerin befeuchtete Bohrung schiebt.) DerGlashahn auf dem mittleren Tubus dient zum Belüften. <strong>Die</strong> Verbindung zwischenPumpe, Sicherheitsflasche und weiter zur Apparatur wird durch dickwandige, möglichstkurze Vakuumschläuche hergestellt. (Ein Tropfen Glycerin erleichtert auch hierdas Aufschieben auf die Glasrohre.)Das mit der Wasserstrahlpumpe erreichbare Vakuum wird vom Dampfdruck <strong>des</strong>Wassers begrenzt und liegt bei 9 bis 12 Torr. Um ein Zurücksteigen <strong>des</strong> Wassers indie angeschlossene Anlage bei Druckschwankungen zu vermeiden, muß der Wasserhahnstets ganz geöffnet sein. Soll das Vakuum wieder aufgehoben werden, ist unbedingterst durch den Hahn H (Abbildung 24) langsam zu belüften, ehe das Wasser


Arbeiten im Wasserstrahlvakuum 31Abb. 24 Wasserstrahlpumpe-Anlage mit Wasserstrahlpumpe W,Sicherheitsflasche S, Belüftungshahn H und <strong>des</strong>sen eingeritztemKüken K sowie abgekürztem Quecksilbermanometer M(Maßstab für Hahnküken K l: 2)Abb. 25Quecksilber-Manostatmit Hähnen 1-3abgestellt werden darf. Vorsicht, erhitzte Reaktionsansätze können sich bei plötzlicherLuftzufuhr heftig zersetzen! - An Orten mit starken Wasserdruckschwankungenempfiehlt sich der Einbau eines Rückschlagventils aus Glas; seine Funktion ist vonZeit zu Zeit zu prüfen.Drucke zwischen 10 und 760 Torr kann man grob durch teilweises Öffnen <strong>des</strong> Hahnsauf der Sicherheitsflasche einstellen. Ein angeschlossenes kleines Nadelventil odereine (mit der Dreikantfeile eingeritzte) feine Kerbe im Küken erleichtern die Regulierung;Abbildung 24 K. - Viel zuverlässiger ist die Druckregelung durch einen zwischengeschaltetenManostat. Das einfache Modell mit Quecksilber-Ventil der Abbildung25 wird folgendermaßen bedient: Zur Einstellung evakuiert man bei geöffnentenHähnen l bis 3. Ist der gewünschte Unterdruck fast erreicht, schließt manzunächst l, dann 2. <strong>Die</strong> weitere Druckverminderung im linken Schenkel hebt dasQuecksilber-Niveau, bis es die Glasfritte berührt und damit verschließt. Erst wennder Druck in der angeschlossenen Apparatur steigt, gibt der fallende Quecksilberspiegeldie Pumpenleitung wieder frei. Der Druck schwankt somit innerhalb wenigerTorr um einen Mittelwert. Nach Beendigung <strong>des</strong> Versuchs schließt man Hahn 3,öffnet l und läßt langsam Luft einströmen.Zur Messung <strong>des</strong> mit der Wasserstrahlpumpe erzeugten Unterdrucks reicht einabgekürztes Quecksilbermanometer völlig aus; Abbildung 24, M. Es hat eine Schenkellängevon 20 cm, gestattet also, Drucke zwischen l und 200 Torr abzulesen, und zwar,wenn das Quecksilber sehr rein ist, auf ein Torr genau. Damit möglichst wenigChemikaliendämpfe zum Quecksilber gelangen können, soll der Glashahn am Manometernur für die Dauer einer kurzen Ablesung geöffnet werden. - Will man prüfen,ob das Manometer noch in Ordnung ist, evakuiert man es am besten mit einer Öl-Drehschieberpumpe (siehe nächsten Abschnitt), die ein Vakuum von min<strong>des</strong>tens0,1 Torr herstellt. <strong>Die</strong> beiden Quecksilbermenisken müssen dann genau gleich hochstehen. Manometer mit verschmutztem Quecksilber zeigen hierbei „negativen" Druck


32 Allgemeine Arbeitsanweisungenan und müssen mit gereinigtem Quecksilber (vom Glasbläser) neu gefüllt werden. -Evakuierte Manometer dürfen nur sehr langsam und vorsichtig belüftet werden, dasschwere Quecksilber würde sonst hochschießen und das Rohr zerschlagen!Hochvakuumpumpen-AnlagenIn diesem Kapitel werden Anlagen mit Drehschieber- und Diffusionspumpen beschrieben,mit denen man Unterdrucke bis zu weniger als 10 ~ 4 Torr erzeugen kann.(Der Ausdruck „Hochvakuum" hat sich im chemischen Labor allgemein eingebürgert;er müßte korrekterweise für Drucke zwischen l und 0,001 Torr durch „Feinvakuum"ersetzt werden.)Reicht das Wasserstrahlvakuum nicht aus, zieht man für den Bereich bis zu etwa0,1 Torr eine Öl-Drehschieberpumpe heran; schematische Abbildung 26 P. Bei ihrdrehen sich in einem exzentrisch gelagerten Rotor zwei Schieber. Sie werden dabei(zentrifugal) an das umgebende Gehäuse gedrückt und saugen durch Vergrößerneiner Kammer auf der einen (hier rechten) Seite Gas an und schieben es auf der anderenSeite hinaus. Zur Dichtung läuft der Rotor in Öl. Speziell für das chemischeLaboratorium geschaffene Modelle haben eine (abschaltbare) Gasballast-Emrichtung(nicht mitgezeichnet). <strong>Die</strong>se führt den abgesaugten Restdämpfen während <strong>des</strong> KomprimierensLuft zu und erschwert dadurch deren Kondensation im Pumpenöl (verschlechternallerdings auch das Vakuum).Ein Endvakuum von 10 ~ 4 Torr und besser liefert die Quecksilber-Diffusionspumpemit vorgeschalteter Wasserstrahlpumpe. Modelle aus Duranglas mit elektrischerInnenheizung haben sich besonders bewährt; Abbildung 27 P. Bei ihnen wird ineinem Kolben Quecksilber zum Sieden gebracht. Der Dampf strömt durch ein Systemvon Düsen (hier drei) und saugt dabei (analog der Wasserstrahlpumpe) Fremdgasean. Nach Kondensation im Kühler fließt das Quecksilber wieder in den Kolbenzurück. Der Gasaustritt (Pfeil) ist über eine absteigende Leitung mit einem Wasserstrahl-Vorvakuumverbunden.Außer der Pumpe gehören zu jeder Fein- beziehungsweise Hochvakuumanlage -Abbildung 26 und 27 — tiefgekühlte Kondensfallen zum Abfangen schädlicherDämpfe (K), Manometer (sind nicht mitgezeichnet, werden auf M gesteckt), Vakuumhähne(H) und eventuell ein Druckausgleichsgefäß (A).- Um den durch Reibung bedingtenDruckanstieg zwischen Pumpe und Apparatur niedrig zu halten, sollen alleVerbindungsrohre möglichst weitlumig, kurz und geradlinig sein.Hochvakuumschliffe dichtet man, indem man sie erst peinlich von Staub reinigt,dann den Kern hauchdünn mit Spezial-Vakuumfett bestreicht, ihn einmal raschdurch die leuchtende Flamme schwenkt und in die Hülse fest eindreht. (Schliffe niemalsohne Fett ineinander stecken.) - Vakuumhähne besitzen Hohlküken, die beiUnterdruck in die Hülsen gesaugt werden.Zur Messung von Drucken unter einem Torr benutzt man meist Kompressionsmanometer,die nach dem Prinzip von H. McLeod ein relativ großes Volumen <strong>des</strong> Meß-


Arbeiten im Hochvakuum 33Abb. 26 (oben): Öl-Drehschieberpumpen-Anlage und Abb. 27 (unten): Quecksilber-Diffusionspumpen-Anlage mit Pumpe P, Kondensfallen in Dewar-Gefäßen K, Anschluß für McLeod-Manometer (NS 14,5in Aufsicht) M, Vakuumhähnen H und Druckausgleichsgefäß Agases mit Hilfe von Quecksilber komprimieren und dadurch <strong>des</strong>sen Druck entsprechendvervielfachen. Das Kompressionsverhältnis und die Höhe der drückendenQuecksilbersäule ergeben den Ausgangsdruck. - Das einfachste Gerät dieser Art istdas Vakuskop nach Gaede\ Abbildung 28a. Es hat in der Mitte einen Kernschliff (inder Aufsicht der Abbildung als Doppelkreis zu sehen), um den es aus der Ausgangsstellung(Abbildung) links- und rechtsherum gedreht werden kann. Im ersten Falldient es als einfaches abgekürztes Manometer (allerdings nur für Druckänderungenwährend einer Meßperiode), im zweiten als Kompressionsmanometer mit geeichterSkala für Drucke bis etwa 0,02 Torr. Nach der Messung dreht man wieder in die


34 Allgemeine ArbeitsanweisungenRuhestellung zurück. - Das Vakuummeter nach Brunner zeigt noch Drucke zwischenl und 0,001 Torr an; Abbildung 28b. Es wird zur Messung aus der Ruhestellung(Abbildung) langsam um den waagrechten Kernschliff gegen den Uhrzeigersinn gedreht,bis die unterteilte Kapillare senkrecht steht und das Quecksilber die Markierungim parallelen Rohr erreicht hat. Nach der Ablesung dreht man wieder in dieRuhestellung zurück. - Alle Kompressionsmanometer zeigen nur den Druck idealerGase exakt an; Dämpfe, die sich bei der Kompression kondensieren, verfälschen dasMeßergebnis besonders stark. Weiterhin kann der Druckanstieg zwischen Meßstelleund Apparatur je nach Länge, Weite und Biegung der Verbindungsrohre recht erheblichsein. McLeod-Manometer verlangen sehr reines Quecksilber! - Zur Kontrolle<strong>des</strong> Bereichs höher als l Torr verbindet man mit Hahn Hl der Abbildungen26-27 zusätzlich ein abgekürztes Quecksilbermanometer (siehe Abbildung 24 M).Inbetriebnahme der Pumpen:Abb. 28 a) Vakuskop nach Gaede;b) Vakuummeter nach Brunner;beide in RuhestellungBevor man eine Apparatur an das Fein- oder Hochvakuum anschließt, müssen alleflüchtigen Chemikalien mit der Wasserstrahlpumpe abgesaugt werden.Zur Benutzung der Drehschieberpumpe (Abbildung 26) füllt man die Dewar-Gefäßeunter den Kühlfallen mit Methylenchlorid und Trockeneis (beachte Angaben auf S. 16)und schaltet dann direkt den Pumpenmotor an. (McLeod-Manometer in Ruhestellung!)Deutliches Klappen der Ventile macht hörbar, daß das Endvakuum erreichtist. Vor oder kurz nach dem Wiederabschalten <strong>des</strong> Motors belüftet man, damit dasÖl nicht zurücksteigt, durch den Hahn Hl.<strong>Die</strong> Dewar-Gefäße der Diffusionspumpen-Anlage (Abbildung 27) werden mit flüssigemStickstoff gefüllt. Dann verfährt man in dieser Reihenfolge weiter: Bei offenemH2-Hahn Hl zur Diffusionspumpe hin schließen. Angeschlossene Apparatur miteiner separaten Wasserstrahlpumpe evakuieren. An Diffusionspumpe Kühlwasserund Vorvakuum-Wasserstrahlpumpe anstellen. Nach kurzer Wartezeit Heizung einschalten.Wenn das Endvakuum erreicht ist, durch vorsichtiges Drehen von H l vorevakuierteApparatur mit Hochvakuum verbinden (McLeod-Manometer in Ruhestellung!).- Nach der Benutzung Hahn H 2 schließen, Anlage über Hl belüften,Heizung abschalten. Erst nach völligem Erkalten der Quecksilberpumpe H l öffnenund Wasserstrahlpumpe abstellen.Man beachte, daß bei plötzlichem Belüften der evakuierten Apparatur heiße Substanzenim Reaktionskolben sich autoxidativ (eventuell sogar explosionsartig) zersetzenkönnen. Deshalb ist auf jeden Fall das Reaktionsgefaß vorher abzukühlen und


Destillation bei Normaldruck 35möglichst zuerst Stickstoff einzusaugen (aus gefülltem Ballon wie auf S. 42 beschrieben).Umgang mit QuecksilberQuecksilber läßt sich wegen seiner hohen Dichte und seiner großen Oberflächenspannungnicht leicht gießen. Verschüttete Tropfen zerplatzen auf dem Boden undrollen dann als kleinste Kügelchen in alle Ecken und Ritzen, um dort ganz langsamzu verdampfen. <strong>Die</strong>se Quecksilberdämpfe verursachen, über längere Zeit eingeatmet,Gesundheitsschäden (wie Zahnlockerung, Kopfschmerzen, Händezittern und Gedächtnisschwäche).Aus diesen Gründen ist beim Umgießen von Quecksilber stets behutsam vorzugehen,ein Trichter zu benutzen und eine Schale mit hohem Rand unterzustellen!Manometer und Manostat sind mit Sorgfalt zu bedienen und bei Nichtgebrauch miteinem Stopfen verschlossen auf weicher Unterlage in einem Kästchen aufzubewahren.- Verschüttetes Quecksilber bestreut man (zur Verfestigung; Schmp. -38 0 C)vor dem Zusammenfegen mit pulverisiertem Trockeneis. Reste, die sich so nicht beseitigenlassen, versuche man mit Schwefelblume, frischem Zinkstaub, Kupferpulveroder lodkohle, so gut es geht, unschädlich zu machen.DestillationDas Destillieren dient zur Abtrennung von Lösungsmitteln und zur Reinigung vonFlüssigkeiten aufgrund ihrer charakteristischen Siedepunkte.Destillation bei AtmosphärendruckEine einfache Destillationsapparatur (NS 29) besteht aus einem Destillationskolben(„Blase") mit aufgesetztem Kniestück, schräg absteigendem Liebigkühler mit sogenanntemVakuumvorstoß sowie einem zweiten Kolben als Vorlage; Abbildung 29. ImKniestück steckt ein geeichtes Siedepunkt-Thermometer; beide sollen so aufeinanderabgestimmt sein, daß sich die Quecksilberkugel (wie die Abbildung zeigt) geradeunterhalb der Abzweigung befindet, also von den Dämpfen <strong>des</strong> Destillats ganz umspültwird. - Siedekolben und Kühler werden an zwei Stativen befestigt (die nichtgegeneinander wackeln dürfen); der Vorlage-Rundkolben soll im Korkring auf einemDreifuß mit Drahtnetz oder ähnlichem, stabilem Unterbau stehen.Der Destillierkolben darf höchstens zu zwei Dritteln mit flüssigem Substanzgemischgefüllt werden. Sein flüchtigster Anteil wird verdampft, im Kühler wieder kondensiertund gelangt so als abgetrenntes Destillat in die Vorlage.


36 Allgemeine ArbeitsanweisungenAbb. 29 1-Liter-Standard-DestillationsapparaturDer Liebigkühler ist für Siedetemperaturen zwischen etwa 60 und 14O 0 C angebracht(Kühlwasserzulauf ab 10O 0 C zunehmend drosseln). Höher siedende Stoffekondensiert man in einem längeren Glasrohr ohne Mantel (Luftkühler), das direkt anein Kniestück angeschmolzen ist; Abbildung 30. Hier kann man den Kühleffekt verstärken,indem man über den unteren kälteren Teil <strong>des</strong> Rohrs ein Stück Filterpapierlegt und dieses durch vorsichtiges Auftropfen von Wasser dauernd feucht hält. Dasich die meisten <strong>organischen</strong> Substanzen oberhalb 15O 0 C merklich zersetzen, sindDestillationen bei derart hohen Temperaturen allerdings Ausnahmen.Abb. 30l-Liter-Kolben mit absteigendem Luftkühler


Destillationsapparaturen 37Für Flüssigkeiten, die unterhalb etwa 6O 0 C sieden, läßt sich der Intensivkühler(S. 6) verwenden. Ähnlich wirksam ist die auf Abbildung 31 dargestellte, auch für dasArbeiten im Vakuum eingerichtete Apparatur mit Destillierbrücke, Schlangenkühlerund geradem Vakuumvorstoß. <strong>Die</strong>se Destilliereinrichtung ist sehr geeignet zum Abdampfenvon Lösungsmitteln (natürlich auch solchen, die oberhalb 6O 0 C sieden). —Bei Flüssigkeiten, deren Siedepunkt unter 35 0 C liegt, kühlt man mit eiskaltem Wasserund stellt die Vorlage in ein Kältebad. Nähere Angaben hierzu sowie über das Kühlenbei höheren Temperaturen und Anbringen der Wasserschläuche stehen auf S. 7.Besonders bei Destillationstemperaturen über etwa 12O 0 C ist es zweckmäßig, zurWärmeisolierung das Rohrstück zwischen Destillierkolben und Kühler mit Aluminiumfolie(oder Asbestschnur) zu umwickeln, um unnötiges Überhitzen der Substanzen(und ungleichmäßiges Sieden bei Zugluft) zu verhindern.Abb. 31 l-Liter-Destillationsapparaturzum Verdampfen von Lösungsmitteln im Vakuummit Brücke und SchlangenkühlerPrinzipiell lassen sich alle für die Vakuum<strong>des</strong>tillation eingerichteten Apparaturen -von denen die Abbildungen 31, 32 und 34-37 einige zeigen - auch bei Normaldruck


38 Allgemeine Arbeitsanweisungenverwenden; man braucht nur die Kapillare durch einen Stopfen zu ersetzen. <strong>Die</strong>Temperaturmessung ist in solchen Claisenkolben sogar noch zuverlässiger.Als Heizquellen dienen Heizbäder. Sie müssen im mittleren Temperaturbereich10 bis 3O 0 C über den Siedepunkt <strong>des</strong> Destillationsguts erwärmt werden. Sie<strong>des</strong>teinenicht vergessen! (siehe S. 9). Verursachen ausfallende Feststoffe trotzdem Siedeverzug,muß unterbrochen und abfiltriert werden.Bei feuergefährlichen Substanzen verwende man - soweit möglich - keine Gasbrenner!Vor dem Öffnen <strong>des</strong> noch warmen Destillierkolbens sind unbedingt alleFlammen in der Umgebung zu löschen!Besondere Vorsicht ist beim Destillieren von Ether geboten! Es ist unbedingt eineSchliffapparatur mit Vakuumvorstoß zu verwenden und an das offene Rohr <strong>des</strong> Vorstoßesein längerer Schlauch anzuschließen, <strong>des</strong>sen freies Ende tief in einen Abzugsschachtoder zumin<strong>des</strong>t bis auf den Fußboden führt! Größere Mengen Ether <strong>des</strong>tilliertman in den mit Dampfbädern ausgerüsteten feuersicher installierten Etherräumen.- Wegen der Gefährlichkeit von Etherperoxiden sind die Hinweise auf S. 113zu beachten!Das Ab<strong>des</strong>tillieren von Lösungsmitteln zur Isolierung gelöster, schwerflüchtigerStoffe gehört zu den häufigsten Tätigkeiten im <strong>organischen</strong> Labor. Der Siedekolbenist in diesem Fall dem zu gewinnenden Rückstand anzupassen. Stark verdünnte Lösungenfüllt man mehrfach nach, entweder mit einem längeren Trichter durch denThermometertubus (Heizung ausschalten!) oder mit einem Tropftrichter, der aufeinem zweiten Tubus sitzt. Oft ist es außerdem zweckmäßig, gegen Ende der Destillationin einen kleineren Siedekolben umzufüllen. - Letzte Lösungsmittelreste sindselbst bei Temperaturen, die weit über deren Siedepunkt liegen, nicht mehr vollständigabzudampfen. Hier hilft nur Evakuieren (siehe Vakuum<strong>des</strong>tillation) oderTrocknen im Exsikkator (siehe S. 104). - Eine verwandte Methode, wässerige Lösungenbesonders schonend einzudampfen, die „Gefriertrocknung", ist auf S. 58 beschrieben.<strong>Die</strong> Abtrennung einer Flüssigkeit von ebenfalls flüchtigen Verunreinigungen verlangteine fraktionierende Destillation, das heißt ein getrenntes Auffangen <strong>des</strong> niedrigersiedenden „Vor lauf s", der Hauptfraktion und <strong>des</strong> höher siedenden „Nachlaufs". Imallgemeinen soll das gewünschte Produkt innerhalb eines Intervalls von höchstensdrei Grad C abgenommen werden. Dabei kann die abgelesene Siedetemperatur umein, zwei Grad C vom authentischen Siedepunkt abweichen. Vorlauf und Nachlaufkönnen noch erhebliche Anteile <strong>des</strong> Hauptprodukts enthalten. Vielfach lohnt es sich,beide zu vereinigen und aus kleinerem Kolben erneut zu fraktionieren.Liegen komplexe Gemische vor oder sind die Siedepunkte unbekannt, wechseltman die Vorlagen häufiger und registriert laufend Zeit, Badtemperatur, Siedetemperatur,gegebenenfalls Unterdruck, Vorlagenwechsel sowie Destillatmenge. EinZeit-Siedetemperatur-Diagramm erleichtert dabei die Übersicht. Für den lernendenPraktikanten gehören diese Aufzeichnungen zum Arbeitsprotokoll jeder fraktionierendenDestillation.Bei stufenlosem Ansteigen der Siedetemperatur liegt ein Gemisch mehrerer Stoffe


fraktionierende Destillation 39mit ähnlichen Siedepunkten vor. Sind die Siedepunktdifferenzen kleiner als etwa 60bis 8O 0 C, lassen sich die Komponenten nur noch über eine Kolonne befriedigendtrennen (siehe S. 46).Eine fraktionierende Destillation erfordert Geduld. <strong>Die</strong> Temperatur der Heizbädermuß sorgfältig eingestellt werden, und zwar so, daß konstant pro Sekunde etwa zweiTropfen in die Vorlage fallen. <strong>Die</strong> Destillationsgeschwindigkeit ist nur dann ohneEinfluß auf den Trenneffekt, wenn die zurückbleibende Komponente praktisch keinenDampfdruck hat. - Wird zu kräftig geheizt, läuft also die Destillation zu schnell,dann hat der Dampf nicht genügend Zeit, sich ins Gleichgewicht zu setzen, undströmt überhitzt in den Kühler: <strong>Die</strong> Temperatur am Siedethermometer steigt überden Siedepunkt; die Trennung ist unvollkommen. Wird zu schwach geheizt, kondensiertsich das Destillat schon vor Erreichen <strong>des</strong> Kühlers: <strong>Die</strong> Temperatur fallt ab.Plötzlicher Temperaturabfall bei gleichzeitiger Bildung von Rauch läßt erkennen,daß sich das Destillationsgut zersetzt. In diesem Fall sofort abbrechen und versuchen,durch Vakuum<strong>des</strong>tillation zum Ziel zu kommen. Ist die Temperaturbeständigkeit derSubstanz nicht bekannt, sollte man auf jeden Fall vor der Destillation eine kleineProbe auf Zersetzung prüfen.Nicht immer läßt sich das Erscheinen eines neuen Stoffs am plötzlich rascheren Anstieg<strong>des</strong> Siedethermometers erkennen. Weitere deutliche Hinweise zum Wechsel derVorlage sind: Nebelbildung in der Nähe der Thermometerkugel (hervorgerufen durchdie Differenz der Verdampfungswärmen) oder Schlierenbildung in der Vorlage.Hygroskopische Substanzen schützt man, indem man ein Trockenrohr an denVakuumvorstoß hängt.Destillation bei vermindertem DruckDer Dampfdruck von Flüssigkeiten ist eine reziproke Funktion der Siedetemperatur.Schon der Unterdruck der Wasserstrahlpumpe reicht aus, den Siedepunkt von Verbindungen,die bei Normaldruck zwischen 100 und 40O 0 C <strong>des</strong>tillieren, um 100 bis16O 0 C zu senken. Den quantitativen Zusammenhang liefert die Gleichung vonClausius-Clapeyron 1 :In p = Konst. -RTIn erster Näherung ist die absolute Siedetemperatur der Verdampfungsenthalpie L vproportional. Das bedeutet: Trägt man In p gegen l/T auf, ergeben sich für Verbindungenmit gleichen Siedepunkten identische Geraden. Zahlenwerte der Geraden füreinige Flüssigkeiten sind im Anhang zusammengestellt (siehe S. 716). Sie gestatten es,ungefähr abzuschätzen, wann eine Verbindung, deren Siedepunkt bei 760 Torr manSiehe Lehrbücher der physikalischen Chemie.


40 Allgemeine Arbeitsanweisungenkennt, bei Unterdruck siedet. - Danach gilt in grober Annäherung: Verminderung <strong>des</strong>Drucks auf den halben Torr-Wert senkt den Siedepunkt um /5 0 C.Prinzipiell vermindert man den Druck:beim Ab<strong>des</strong>tillieren von Lösungsmitteln, wenn die gelösten Substanzen wenig flüchtigsind und die Siedepunkte dieser Lösungsmittel über 80 0 C liegen (Wasserstrahlpumpen-Vakuum);Vorteile: Es kann ein Dampf- oder Wasserbad benutzt werden; derDestillationsrückstand wird geschont;oder beim Destillieren von Flüssigkeiten, deren Siedepunkt höher als etwa 15O 0 Cliegt. Hohe Temperaturen bedeuten größere Feuer- und Unfallgefahr;oder beim Destillieren thermolabiler Stoffe.Das Erzeugen und Messen von Unterdruck sowie der Umgang mit evakuiertenApparaturen wurde schon im Kapitel 9 ausführlich behandelt. Hier sei nur nocheinmal auf den Schutz der Augen hingewiesen!Um den Druckabfall zwischen Manometer und Siedekolben klein zu halten, solldie Vakuumschlauch-Verbindung möglichst kurz und gerade sein.In den meisten Fällen reicht die Wasserstrahlpumpe aus. Ihr muß hier unbedingteine Sicherheitsflasche vorgeschaltet sein! Will man Substanzen reinigen, die sich bei12 Torr nicht mehr vollständig kondensieren (Sdp. kleiner als 40 bis 5O 0 C), schaltetman einen Manostaten (S. 31) oder ein T-Stück mit Nadelventil (siehe S. 132) zwischenPumpe und Apparatur. — Für sehr hoch (über 25O 0 C) siedende oder sehr leichtzersetzliche Verbindungen ist die Drehschieber- oder eventuell die Diffusionspumpeheranzuziehen.Auf Abbildung 32 und 34 sind zwei typische Vakuum-Destillationsapparaturen zusammengestellt.Sie unterscheiden sich von den Geräten, die zur Destillation unter Normaldruckverwendet werden, nur dadurch, daß sie an Stelle <strong>des</strong> einfachen KniestücksAbb. 32l-Liter-Vakuum<strong>des</strong>tillationsapparatur


Vakuum<strong>des</strong>tillation 41einen sogenannten Claisenaufsatz mit zwei Hälsen haben, <strong>des</strong>sen zentraler eine Siedekapillareträgt. Claisenaufsatz und Liebigkühler bestehen oft aus einem Stück. Beikleineren Apparaturen mit NS 14,5 Schliffen sollten nur Spitzkolben verwendetwerden. - <strong>Die</strong> Anschlüsse der Vakuumvorstöße werden mit der Pumpenanlage verbunden.Je geringer der Druck, <strong>des</strong>to stärker die Neigung zum Siedeverzug. Ihm zu begegnenist die Aufgabe der Siedekapillare, durch die bei Unterdruck eine Kette kleinster Luftbläschenin das Destilliergut perlt, um dort als Keime für das Entstehen der Dampfblasenzu wirken.<strong>Die</strong> Siedekapillare zieht man sich aus einem Einleitungsrohr mit NS 14,5 Schliff:Neue Rohre werden in der Flamme zuerst zu einem verjüngten Rohr (Steg) von l bis2 mm Durchmesser ausgezogen. Anschließend bringt man den Steg an einer passendenStelle in der Lockflamme <strong>des</strong> Bunsenbrenners unter Drehen zum Schmelzen undzieht dann die Schmelzstelle außerhalb der Flamme rasch um etwa einen Meter auseinander.Nach dem Erkalten bricht man in der richtigen Länge ab. <strong>Die</strong> Kapillaremuß bis zur tiefsten Stelle <strong>des</strong> Destillierkolbens reichen. Ihre Durchlässigkeit prüftman, indem man sie in ein Reagenzglas mit etwas Ethanol taucht und am oberen Endemit dem Mund kräftig bläst. Es sollen dann nur langsam winzige Bläschen austreten. -Statt <strong>des</strong> Einleitungsrohrs mit angeschmolzenem Schliff kann natürlich auch einsolches verwendet werden, das man sich aus einem Kernschliff, einem Normalglas-Rohr und einer Gummischlauchmanschette selbst zusammengesetzt hat; vergleicheAbbildung 2OE (S. 24). - Um Stauungen der <strong>des</strong>tillierenden Flüssigkeit zu vermeiden,soll wie Abbildung 34a zeigt, bei kleineren Apparaturen der dickere Rohrteiloberhalb der Siedekapillare höchstens bis zur Verzweigungsstelle <strong>des</strong> Claisenaufsatzesreichen.Der Destillierkolben darf nur gut zur Hälfte gefüllt werden.Zu Beginn der Destillation stellt man die Pumpe an und überprüft, ob Luft aus derKapillare perlt. Man muß unbedingt erst warten, bis sich der gewünschte Unterdrückeingestellt hat, bevor man mit dem Heizen beginnt! Bei umgekehrter Reihenfolge würdedie über den Vakuum-Siedepunkt erhitzte Flüssigkeit beim Evakuieren heftig stoßen.Nach Beendigung der Destillation läßt man erst erkalten (eventuell zusätzlich vonaußen kühlen), bevor man langsam - an der Sicherheitsflasche! - den Unterdruckaufhebt. Heiße organische Substanzen können sich beim Belüften zersetzen.Ist ein Gemisch mit sehr breitem Siedebereich zu trennen, geht man Schritt fürSchritt vor: Zuerst werden die flüchtigen Anteile (meist Lösungsmittelreste) an derWasserstrahlpumpe entfernt. Dann wird die Drehschieberpumpe und anschließenddie Diffusionspumpe benutzt. Man beachte, daß sich der entsprechende Unterdruckerst dann völlig einstellen kann, wenn alle tiefer siedenden (Lösungsmittel-)Rückständeweggedampft sind!Destillationsapparaturen für Hochvakuum unterscheiden sich prinzipiell nicht vonnormalen Vakuumapparaturen. Lediglich die Siedekapillare muß feiner sein, damitder stets vorhandene Druckabfall zum Manometer nicht zu groß wird. - Bei Druckenunter etwa 0,1 Torr ist die Siedekapillare (dann, wenn alle tiefersiedenden Gasreste


42 Allgemeine Arbeitsanweisungenaus dem Destilliergut ab<strong>des</strong>tilliert sind!) nicht mehr nötig: <strong>Die</strong> Flüssigkeiten verdampfenim Hochvakuum, ohne Gasblasen zu bilden, von der Oberfläche her. Unterdiesen Umständen sind die vom Siedepunkt angezeigten Werte sehr unzuverlässig.Der Erfolg einer Trennung hängt hier ganz wesentlich von der sorgfältigen Einregulierungund Konstanthaltung der Badtemperatur ab!Viele Anfänger haben einen ungerechtfertigten Horror vor der Hoch Vakuum<strong>des</strong>tillation.Hat man sich vorher mit der Bedienung der Pumpenanlage vertraut gemacht,ist sie nicht schwieriger als jede andere Destillation.Stark autoxidable Stoffe müssen unter einem Schutzgas (meist Stickstoff) <strong>des</strong>tilliertwerden. Man füllt dazu eine Luftballonhülle oder Fußballblase mit Gas und verbindetdiese mit der Kapillare. Bei hygroskopischen Substanzen schaltet man sowohl zwischenApparatur und Wasserstrahlpumpe als auch vor die Kapillare ein Trockenrohr.Will man lediglich Lösungsmittel von Feststoffen ab<strong>des</strong>tillier en, kann man auf dasThermometer verzichten. Der Claisenaufsatz sollte trotzdem benutzt werden; er istein wirksamer Spritzschutz. <strong>Die</strong> beim Abdampfen ausfallenden Feststoffe können dieKapillare verstopfen. Man filtriert in diesem Falle ab oder verwendet an Stelle derKapillare ein Glasrohr, <strong>des</strong>sen oberes Ende durch ein Vakuumschlauchstück mitNadelventil fast geschlossen ist.Wässerige Lösungen, die oberflächenaktive Stoffe enthalten, schäumen beim Einengenim Vakuum. Zusatz weniger Tropfen Octylalkohol oder Silicon-Entschäumerbeseitigt meist dieses Übel. Weiterhin besteht die Möglichkeit, eine zweite kurzeKapillare in den Thermometertubus zu stecken, und so die Blasen, die übersteigenkönnten, durch den feinen Luftstrom zum Platzen zu bringen. Nützt bei<strong>des</strong> nichtgenug, muß ein übergroßer Siedekolben genommen werden.Zum Ab<strong>des</strong>tillieren von Lösungsmitteln ist, wie bereits erwähnt, eine Apparaturmit Schlangenkühler gut geeignet (Abbildung 31). Sehr viel wirksamer, allerdingsauch erheblich teurer, ist der Rotationsverdampfer, von dem Abbildung 33 einen bewährtenTyp zeigt 1 . Er hat einen regelbaren Elektromotor, der den evakuierten Destillationskolbenin einem Wasserbad um seine schräg liegende Achse dreht. Dabei wälztsich die Lösung dauernd um und überzieht die obere Kolbenwand ständig mit einemdünnen Film. <strong>Die</strong> Flüssigkeit verdampft rasch, ohne daß sie zum Sieden kommt.Kapillare und Sie<strong>des</strong>teine sind nicht nötig.Bei stark flüchtigen Lösungsmitteln ist die Vorlage mit Eiswasser zu kühlen. Jebesser die Kühlung, <strong>des</strong>to rascher geht die Flüssigkeit über. Deshalb ist auch von derBenutzung improvisierter Apparaturen, bei denen Kühler und Vorlagen fehlen, abzuraten,zumal es verboten ist, größere Mengen leichtentzündlicher Stoffe ins Abflußwasserzu saugen.Für die fraktionierende Vakuum<strong>des</strong>tillation ersetzt man meistens den einfachen Vakuumvorstoßdurch eine sogenannte „Spinne" oder einen Anschütz-Thiele-Vorstoß;Abbildung 34a und b. Beide gestatten den Wechsel der Vorlagen ohne Zwischenbelüftung.1 FirmaW.Büchi.


Vorstöße für die Vakuum<strong>des</strong>tillation 43Abb. 33 Rotationsverdampfer zum Ab<strong>des</strong>tillieren von LösungsmittelnAbb. 34 a) lOO-ml-Vakuum<strong>des</strong>tillationsapparatur NS 14,5 mit Bredt-Vorstoß (Spinne); b) Anschütz-Thiele-Vorstoß mit den Hähnen 1-3<strong>Die</strong> Spinne („Euter", eigentlich Bredt-Vorstoß, Abbildung 34a) hat einen drehbarenVerteiler mit drei bis vier Ansätzen, aufweiche die Vorlagekölbchen gesteckt werden.Drehen um 120 beziehungsweise 90° um eine senkrechte Achse bringt jeweils dennächsten Kolben unter das innere Ablaufrohr. (Siehe auch Abbildung 37.) - Der Drehschliffist gut zu fetten. <strong>Die</strong> Vorlagekölbchen müssen in jeder Stellung fixiert werden.Der Anschütz-Thiele-Vorstoß hat zwei einfache Hähne (l und 2 auf Abbildung 34b)


44 Allgemeine Arbeitsanweisungenund einen doppelt durchbohrten (3). Während der Destillation steht Hahn 3 so, daßdie Pumpe mit der Apparatur verbunden ist; 2 ist offen. Hahn l macht es möglich, dasDestillat vorläufig abzufangen und sein Volumen zu messen. Zum Vorlagewechselwird l geschlossen und 3 um 180° gedreht. Der belüftete Kolben kann nun ausgetauschtwerden. Anschließend wird 2 geschlossen und 3 erneut um 180° gedreht. Istder neue Kolben evakuiert, werden 2 und l wieder geöffnet. <strong>Die</strong> Zahl der Vorlagenist hier nicht begrenzt. - Für kleine Mengen oder sehr viskose Stoffe ist der Anschütz-Thiele-Vorstoß ungeeignet. Im Hochvakuum sind die Hähne nicht mehr dicht genug.In diesen Fällen nehme man die Spinne.Besteht die Gefahr, daß auskristallisierende Destillate die Apparatur verstopfen,benutzt man an Stelle <strong>des</strong> Kühlers eine Destillierbrücke und als Vakuumvorlage einenZweihalskolben; siehe Abbildung 35. <strong>Die</strong>se Anordnung macht es leicht möglich,erstarrte Substanzen von außen vorsichtig mit fächelnder Flamme oder einem Heißluft-Haartrockner(„Fön") wieder zu schmelzen. <strong>Die</strong> Spinne auf Abbildung 34a läßtebenfalls ein solches Erwärmen von außen zu.Abb. 35 500-ml-Vakuum<strong>des</strong>tillationsapparaturfür feste DestillateAbb. 36 250-ml-Kolben mit Vakuum-SäbelaufsatzVon vorneherein/este Substanzen <strong>des</strong>tilliert man in einem Kolben mit Säbelaufsatz(Schwertaufsatz); Abbildung 36. Wegen der meist hohen Siedepunkte wird fast ausschließlichbei Unterdruck gearbeitet Ist das Material sehr locker und feinkörnig,schüttet man es vorsichtig durch den Thermometertubus zur Siedekapillare in denKolben; anderenfalls muß man es erst schmelzen, bevor man die Kapillare einführenkann. Da das Destillat nicht abtropft und da der Säbel - besonders dann, wenn erschon teilweise mit heißer Substanz gefüllt ist - nur geringe Kühlwirkung hat, erfordertdas Heizen viel Fingerspitzengefühl. Wenn die Feststoffe nicht zur Zersetzungneigen, kann man vorsichtig mit der Bunsenbrennerflamme um den Kolbenbodenkreisen. Zu Beginn, bis alles geschmolzen ist, darf nur behutsam erwärmt werden.Liegt der Siedepunkt unter 15O 0 C, kann man durch Umwickeln <strong>des</strong> Säbels mit einemfeuchten Tuch die Kühlung verstärken. Das längere Verbindungsrohr zum Vakuumschlauchsoll nichtkondensierte Reste abfangen. Es läßt auch erkennen, ob die Gefahr


Destillation kleiner Mengen 45besteht, daß sich der Schlauch verstopft. Zum Schluß wird das Destillat durch vorsichtigesSchaben mit einem Spatel oder erneutes Schmelzen herausgeholt <strong>Die</strong>letzten Reste spült man mit Lösungsmittel ab.Noch schonender als im Hochvakuum können temperaturempfindliche, hochsiedendeFlüssigkeiten (mit Molekulargewichten zwischen etwa 250 und 1200) durchKurzweg- oder Molekular<strong>des</strong>tillation getrennt werden. Das Wesen dieser Verfahrenbesteht darin, daß die Substanzen bei Drucken von weniger als 10" 3 Torr und Temperaturenweit unterhalb ihrer Siedepunkte (etwa 20O 0 C tiefer) aus einer geheiztenFlüssigkeitsschicht an eine nur l bis 2 cm entfernte, gekühlte Kondensationsflächediffundieren. Da der Weg, den die Moleküle zurücklegen, kleiner ist, als ihre mittlerefreie Weglänge 1 , hängt hier die Destillationsgeschwindigkeit — und damit Trennung -nicht nur von den Dampfdrucken, sondern auch von den Molekulargewichten ab.Hinsichtlich modernerer Apparaturen und ihrer Anwendung sei auf die Fachliteraturverwiesen.Destillation kleiner MengenFür Volumina zwischen 2 und 5 ml ist die auf Abbildung 37 dargestellte Mikro<strong>des</strong>tillationsapparaturmit NS 10 und NS 14,5 Schliffen geeignet. Sie besteht aus einem 10-ml-Zweihals<strong>des</strong>tillierkolben, <strong>des</strong>sen 15 cm langer, 7 mm weiter Luft- oder auch Liebigkühlerabgeknickt ist, um als Spritzschutz zu wirken und ein tiefes Einhängen <strong>des</strong>Kolbens ins Heizbad zu ermöglichen. (Für hochsiedende Substanzen soll das Kühlrohrtief, für tiefsiedende hoch am Kolbenhals angesetzt sein.) Zur Vakuumfraktionierungkann über einen geraden Vorstoß ein Rezipient angeschlossen werden, derdrei bis vier kleine, durch Drehen auswechselbare Vorlageröhrchen enthält. Zur Vermeidungvon Siedeverzügen stopft man in und über das Trenngut so viele Glaswolle,daß der ganze Destillierkolben locker damit gefüllt ist. <strong>Die</strong> Destilliergeschwindigkeitenwählt man bei so geringen Mengen kleiner als üblich. Da dann die Ablesung amSiedethermometer unzuverlässig wird, registriert man ersatzweise meist besser dieBadtemperatur.Noch kleinere Mengen zwischen 0,5 und 3 ml lassen sich - auch bei Unterdruck -im Kugelrohr <strong>des</strong>tillieren oder grob fraktionieren. <strong>Die</strong>ses, jeweils nur einmal zu benutzendeGerät stellt der Glasbläser nach Abbildung 38 her, indem er ein 7 mm weitesGlasrohr am Ende zu einer 2,5 bis 3 cm dicken Kugel und dann im Abstand von jeweilsetwa 7 cm zu 2 bis 3 weiteren 2 bis 2,5 cm dicken Kugeln aufbläst. Zur Apparaturgehört als spezielle Luftbad-Heizung ein rechteckiger, etwa 20 mal 10 mal 10 cmgroßer Blechkasten mit großen Marienglas-Fenstern an Vorder- und Rückwand undvertikalem, bis zur Hälfte der Höhe eingeschnittenem, 8 mm breitem Schlitz in einerSeitenwand. Er hat einen Deckel mit eingesetztem Thermometer und ist etwa 5 mmhoch mit Sand gefüllt. Hinter dem Rückfenster kann eine kleine Lampe befestigt1 Siehe Lehrbücher der physikalischen Chemie.


46 Allgemeine ArbeitsanweisungenAbb. 37 10-ml-Mikro<strong>des</strong>tillations-Apparatur NS 10 (mittellang) und NS 14,5für Vakuum mit WechselvorstoßAbb. 38 a) Kugelrohr-Vakuum<strong>des</strong>tillationsapparaturmit Luftbadb) kommerzielle Apparaturwerden. - Das Destilliergut wird mit einer lang ausgezogenen Hütchenpipette in die- als Siedekolben dienende - Endkugel eingespritzt. Dazu kommt ein Sie<strong>des</strong>tein oderbesser etwas zerstoßende Glaswolle. Eventuell vorhandene Lösungsmittelanteile(vom Nachspülen) entfernt man durch Evakuieren und senkrechtes Einhängen in einWasserbad. Zur Destillation befestigt man das Rohr derart waagrecht am Ofen, daßnur die äußerste Kugel aus dem Schlitz herausragt, erhitzt so lange, bis sich in ihr dieerste Fraktion angesammelt hat, und rückt dann, zum Auffangen weiterer Fraktionen,jeweils die nächste Kugel aus dem Ofen heraus. Dabei werden die Destillate durchAufstecken eines geschlitzten Stücks dicker Asbestpappe auf das Rohr vor der Strahlungswärme<strong>des</strong> Ofens geschützt. Bei Vakuum<strong>des</strong>tillationen kann zusätzlich durchauftropfen<strong>des</strong> Wasser gekühlt werden (siehe Abbildung). Ist die Destillation beendet,ritzt man die Zwischenrohre rundherum an und sprengt dort die Kugeln durch Aufdrückeneines glühenden Glasstabes auseinander (siehe S. 1). Als Ersatz für diedirekte Kontrolle der Siedetemperatur muß man eventuell anschließend von jederFraktion eine Siedepunktbestimmung machen.Höheren Ansprüchen genügen Kugelrohre mit Schliffverbindungen zwischen Destillationskolbenund erster Kugel oder sogar zwischen den einzelnen Kugeln. <strong>Die</strong>Destillationen verlaufen viel glatter, wenn sich das Kugelrohr dreht. In einem kommerziellerhältlichen Gerät 1 rotiert das evakuierte Kugelrohr in einem durchsichtigenHeizofen aus Quarzglas; Abbildung 38b.Kolonnen<strong>des</strong>tillationEine einmalige einfache Destillation ist nur dann ausreichend, wenn sich die Siedepunkte<strong>des</strong> Vor- und Nachlaufs min<strong>des</strong>tens um 80 0 C von dem der Hauptfraktionunterscheiden und die Anforderungen an Reinheit und Ausbeute den durchschnittlichenRahmen präparativen Arbeitens nicht überschreiten (siehe Tabelle S. 48). <strong>Die</strong>1 FirmaW.Büchi


Wirkungsweise der Destillationskolonne 47DAMPFSdpBSdpAFLÜSSIGKEIT100% AZusammensetzungAbb. 39 Zustandsdiagramm eines idealen Zweistoffgemisches100% BAbb. 40Schematische Darstellungeiner Bodenkolonne(Ausschnitt)Trennwirkung läßt sich jedoch dadurch potenzieren, daß man die Kondensate erneut<strong>des</strong>tilliert.<strong>Die</strong>se Tatsache soll anhand <strong>des</strong> Zustandsdiagramms eines idealen binären Flüssigkeitsgemischsveranschaulicht werden 1 : Auf Abbildung 39 sind die prozentualen Konzentrationender beiden Komponenten A und B gegen die Temperatur aufgetragen.<strong>Die</strong> eingezeichnete Siedekurve liefert die Zusammensetzung der flüssigen Phase, dieKondensationskurve die der korrespondierenden Dampfphase. Mit dem siedendenGemisch X 3 steht die Gasmischung X 2 im Gleichgewicht. Kondensiert man X 2 undverdampft es dann wieder, gelangt man (über eine Treppenstufe) zu X 1 und so fort.Mit zunehmender Zahl von Verdampfungs- und Kondensationsschritten reichertsich also die flüchtigere Substanz A im Dampfraum immer mehr an. - <strong>Die</strong> starke Abhängigkeit<strong>des</strong> absoluten Trenneffekts vom Konzentrationsverhältnis sowie dietheoretische Unmöglichkeit, den einen Stoff vom anderen völlig abzutrennen, sinddeutlich zu erkennen.Sehr viel einfacher, als durch mehrfaches Destillieren erreicht man das gleiche Zielmit Hilfe einer zwischen Siedekolben und Kühler eingebauten Kolonne, das heißtdurch „Rektifizieren". <strong>Die</strong> Wirkungsweise eines solchen Trennrohrs läßt sich ambesten an einer Bodenkolonne erklären: Wie aus Abbildung 40 ersichtlich, muß hierder aufsteigende Dampf auf jedem Boden durch eine Schicht seines eigenen Kondensatsströmen. Dabei stellt sich je<strong>des</strong>mal erneut ein offenes Verdampfungs-Kondensations-Gleichgewichtein. <strong>Die</strong> Kondensate fließen im Gegenstrom nach unten. DemTemperaturgefälle zwischen (kälterem) Kolonnenkopf und (heißerem) Destillier-1 Siehe Lehrbücher der physikalischen Chemie.


48 Allgemeine Arbeitsanweisungenkolben entspricht also ein Konzentrationsgefälle zwischen flüchtigeren und wenigerflüchtigen Anteilen. - <strong>Die</strong> Trennwirkung, die ein sogenannter theoretischer Boden erreicht,das heißt ein solcher, bei dem sich das thermodynamische Gleichgewicht völligeinstellen würde, läßt sich als theoretische Trennstufe zum Beispiel graphisch auseinem idealen Siedediagramm (siehe Abbildung 39) ermitteln 1 . Beide (identischen)Begriffe werden allgemein zur Charakterisierung von Trennleistungen benutzt. Eineabgeleitete Maßeinheit, die der Trennstufenhöhe, gibt an, welche Höhendifferenz (inZentimetern) eines Kolonnentyps einem theoretischen Boden entspricht.<strong>Die</strong> folgende Aufstellung gibt einen Anhalt über die für verschiedene Destillat-Reinheitsgradeerforderliche Min<strong>des</strong>tzahl theoretischer Trennstufen:Reinheit90%99%99,9%Siedepunktsdifferenz8O 0 C 6O 0 C 4O 0 C 2O 0 C 1O 0 C 4 0 C 1,O 0 C1231,32,5424648128162420406080160240<strong>Die</strong>se Angaben gelten nur für ideale Zweistoffgemische, zu denen jedoch nebenallen homologen auch viele ähnliche Verbindungen gerechnet werden können. Beinichtidealen Systemen ist die Trennung schwieriger, wenn nicht unmöglich (sieheS. 52). Bodenkolonnen sind hauptsächlich für technische Ansätze geeignet. Im Laborverwendet man vorwiegend Konstruktionen, bei denen sich das Kondensat als dünnerFilm niederschlägt. Je größer die Austauschfläsche, <strong>des</strong>to kleiner die Trennstufenhöhe.Abbildung 41a zeigt eine Vigreux-Kolonne\ bei ihr ist die Rohrwandung durchdornenartige Einbuchtungen erweitert. <strong>Die</strong> Jantzen-Kolonne gleicht einem langenSchlangenkühler, <strong>des</strong>sen Mantel evakuiert ist. Auf Abbildung 41 b ist ein Modell dargestellt,bei dem der Weg in ähnlicher Weise durch eine dicht anliegende Widmer-Spirale verlängert ist. <strong>Die</strong> Ringspaltkolonne hat im Inneren eine genau eingepaßteWalze, die nur noch einen millimeterbreiten zylindrischen Raum frei läßt. — Weitausgrößer ist die Austauschfläche bei Füllkörper-Kolonnen', Abbildung 4Ic. Das sindGlasrohre mit Siebboden, welche kleine Partikelchen enthalten. Zunehmende Wirksamkeitals Füllkörper haben: gläserne Raschig-Ringe; Glaskugeln; Berl-Sättel ausPorzellan; Glas- oder V2A-Wendeln. - Prinzipiell anders arbeitet die Drehband-Kolonne. Sie hat ein sehr schnell (2000 U/min) rotieren<strong>des</strong>, durch das ganze Rohr gespanntesKunstoff- oder Metallband, das den Rücklauf gegen die Wand schleudertund dabei zu winzigen Tröpfchen versprüht.1 <strong>Die</strong> Theorie der Rektifikation kann im Rahmen dieses Buchs nicht behandelt werden; über die Technikkann nur ein Überblick gegeben werden. Genauere Informationen bieten: K. Sigwart, Methoden der <strong>organischen</strong>Chemie, (Houben-Weyl-Müller), 4.AufL, Bd. ///, S. 777, Thieme, Stuttgart 1958; A. und E.Rose, in A. Weissberger, Technique of Organic Chemistry, Bd. IV, Interscience Publ., New York 1965;E. Krell, Handbuch der Laboratoriums<strong>des</strong>tillation, 3. Aufl., A.Hüthig Verlag, Heidelberg, Basel, Mainz1976; E. Kirchbaum, Destillier- und Rektifiziertechnik, 4.Aufl., Springer Verlag, Berlin, Heidelberg,New York 1969.


Destillationskolonnen 49Abb. 41 a) Vigreux-Kolonne; b) Widmer-Kolonne; c) Füllkörperkolonne mit Vakuummantel (natürlicheLänge etwa l Meter)Für die Beurteilung einer Kolonne sind Trennstufenhöhe, Betriebsinhalt (Substanzmenge,welche die Kolonne als Flüssigkeit und Dampf aufnimmt) sowie Strömungswiderstand(Maß für den Druckanstieg zum Siedekolben bei Vakuum<strong>des</strong>tillationen)wichtige Kenngrößen. Dabei ist die Trennstufenhöhe mehr oder weniger stark vonder Belastung (,Aufkochrate" = ml Destilliergut pro Stunde) abhängig; das heißt vonder Stärke der Dampferzeugung im Destillierkolben.Leeres Rohr: Geringste Wirksamkeit. Eine normale Destillationsapparatur ohneKolonne hat etwa l bis 1,5 theoretische Böden.Jantzen-Kolonne: Bei 4 bis 6 mm Durchmesser für das Innenrohr der üblichenAusführung und 50 bis 200 ml pro Stunde Belastung Trennstufenhöhe etwa 5 cm.Geringer Betriebsinhalt. Gut geeignet für Vakuum<strong>des</strong>tillationen.Vigreux-Kolonne: Bei 24 mm Durchmesser und 300 bis 500 ml pro Stunde BelastungTrennstufenhöhe etwa 10 cm. Sehr geringer Betriebsinhalt. Sehr gut geeignetfür Vakuum<strong>des</strong>tillationen. Am häufigsten im Praktikum benutzte Kolonne.Füllkörperkolonnen: Alle haben großen Betriebsinhalt. Trennstufenhöhe bei24 mm Durchmesser und 400 ml pro Stunde Belastung für 4,5 mal 4,5 mm Raschig-Ringe etwa 7,5 cm; für 3 mm Glaskugeln etwa 6 cm; für 4 mal 4 mm Berl-Sättel etwa5,5 cm; für 2 mal 2 mm Wendeln etwa 2 cm und für 4 mal 4 mm Wendeln etwa 3 cm. -Glaskugeln und Berl-Sättel haben hohe, Wendeln geringe Belastbarkeit.Drehbandkolonne: Bei 4 mm Durchmesser und 60 bis 180 ml pro Stunde Belastung


50 Allgemeine ArbeitsanweisungenTrennstufenhöhe 2,5 bis 5 cm. Sehr geringer Betriebsinhalt. Sehr gut geeignet fürVakuum<strong>des</strong>tillationen.Optimale Trennung erreicht man nur dann, wenn das fließende Austausch-Gleichgewichtzwischen Siedekolben und Kühler so wenig wie möglich gestört wird. Dazuist erstens nötig, daß die Kolonne weitgehend adiabatisch arbeitet, also nach außenwärmeisoliert ist, und zweitens, daß nur ein Bruchteil <strong>des</strong> Dampfs aus dem Gleichgewichtentnommen wird.<strong>Die</strong> Wärmeisolierung ist <strong>des</strong>to sorgfältiger auszuführen, je schwieriger die Trennung,je höher die Siedetemperatur und je dünner und länger die Kolonne ist. Im einfachstenFall genügt ein überzogenes mit Korkstopfen gehaltenes Glasrohr; Abbildung41a-b. Bedeutend effektvoller sind hoch evakuierte Glasmäntel, sie haben Bälge,die die Temperaturspannungen auffangen; Abbildung 4Ic. Sehr gute Reflexion derWärmestrahlung gewährleistet Aluminiumfolie. Man kann sie in mehreren Lagendirekt um das Rohr wickeln oder in den Glasmantel einlegen. <strong>Die</strong> evakuierten Mäntelsind meistens verspiegelt. Asbestschnur hat nur dann Wert, wenn sie mehrere Zentimeterdick aufgewickelt wird. Man vergesse nicht, auch den Oberteil <strong>des</strong> Siedekolbenszu isolieren! - Hochwertige Kolonnen besitzen (besonders für höhere Destillationstemperaturennützliche) elektrische Außenheizungen. <strong>Die</strong>se müssen den gleichenTemperaturgradienten haben wie das Kolonneninnere.<strong>Die</strong> dosierte Destillat-Entnahme geschieht meist mit einem Kolonnenkopf, der denDampf vollständig kondensiert und das Kondensat teilweise der Vorlage zuführt -teilweise als Rücklauf in die Kolonne zurücktropfen läßt. Abbildung 42 zeigt eineneinfachen Rücklaufregler mit Siedethermometer und Rückflußkühler. Er hat einenHahn (mit Einkerbung zur Feinregulierung, siehe Abbildung 24 K), über den das vorbeifließendeKondensat abgezapft wird. Dort und an dem zur Tülle auslaufendenunteren Kernschliff können die Tropfgeschwindigkeiten zum Vergleich gemessenwerden. - Für Vakuum-Rektifikationen kann man an diesen Rücklaufregler einenAnschütz-Thiele-Vorstoß anschließen (siehe Beschreibung S. 42). <strong>Die</strong> Vakuumpumpemuß dann über ein T-Stück sowohl mit dem Vorstoß als auch mit dem oberenEnde <strong>des</strong> Rückflußkühlers verbunden werden. - Besser ist das auf Abbildung 43 dargestellteModell 1 , das über die Schlaucholive Vl ans Vakuum anzuschließen ist. DerRücklauf wird hier mit dem Feineinstellhahn H l reguliert. Zum Vorlagewechselschließt man H2 und belüftet die bei K angehängte Vorlage durch Drehen <strong>des</strong> HohlhahnsH 3 um 180°. Nach Austausch der Kolben kann man bei H4 schließen und zurEvakuierung <strong>des</strong> Vorlageteils Hahn H 3 zurückdrehen. Anschließend werden H4und nach einiger Zeit H 2 wieder geöffnet. Günstiger ist es, die neue Vorlage mit einerzweiten Pumpe durch V 2 zu entlüften. <strong>Die</strong> für den Rücklauf wichtige Feineinstellungund Fixierung <strong>des</strong> Hahns H l läßt sich dadurch erleichtern, daß man einen Reagenzglashalterüber das Griffstück <strong>des</strong> Hahnkükens klemmt und sein Ende auf eine amStativ befestigte Muffe legt.1 Otto Fritz GmbH (Normag).


Durchführung der Kolonnen<strong>des</strong>tillation 51H4Abb. 42 Einfacher RücklaufreglerAbb. 43 Vakuumkolonnenkopf mitHähnen H 1-H 4, VakuumanschlüssenV l und V 2 undVorlageanschluß KK<strong>Die</strong> praktische Durchführung einer Kolonnen<strong>des</strong>tillation läuft folgendermaßen ab:Man baut an einem großen, schweren Stativ Heizbad, Siedekolben, Kolonne undKolonnenkopf übereinander auf. Das Heizbad sollte zumin<strong>des</strong>t bei schwierigenTrennungen als Thermostat eingerichtet sein. Der Siedekolben muß für Vakuum<strong>des</strong>tillationeneinen zweiten schrägen Tubus mit Siedekapillare haben. <strong>Die</strong> Kolonneist exakt senkrecht zu richten (eventuell unter Benutzung eines Lotes). Siedekolbenoberteilund Kolonne werden wärmeisoliert. - <strong>Die</strong> Heizung ist sorgfaltig einzuregulieren.<strong>Die</strong> Aufkochrate soll während der gesamten Trennung möglichst konstantgehalten werden sowie weiterhin höchstens so hoch sein, daß insgesamt fünf Tropfenpro Sekunde im Kolonnenkopf kondensieren und sich auf keinen Fall der Rückflußin der Kolonne staut. Hat die Kondensationsfront den Kühler erreicht, läßt maneinige Zeit zur Einstellung <strong>des</strong> Gleichgewichtszustands unter totalem Rückfluß siedenund reguliert dann den Destillatabfluß ein. Man wählt dabei das Rücklaufverhältnis(Rücklaufgeschwindigkeit dividiert durch Ablaufgeschwindigkeit) nach allgemeinenFaustregeln für die Hauptfraktion l- bis V 2 HIaI, für den Vorlauf und denÜbergang zum Nachlauf etwa 2mal so groß wie die Trennstufenzahl.Wenn nicht mehr als 4 bis 5 Trennstufen gefordert werden, kann der Kolonnenkopfeventuell wegfallen, also durch einen einfachen absteigenden Kühler ersetztwerden. Das Kniestück wird dann nicht wärmeisoliert; es soll als Luftkühler füreinen gewissen Rücklauf sorgen.Destillation unter Mitwirkung eines Hilfsstoffs(Azeotrop- und Wasserdampf-Destillation)Nichtideale Zweistoffgemische:Bei unidealen Zweistoffsystemen sind im Zustandsdiagramm Kondensations- undSiedekurve nicht mehr symmetrisch zueinander. Eine der beiden ist mehr oder weni-


52 Allgemeine Arbeitsanweisungenger stark zur anderen hin eingebuchtet. <strong>Die</strong> <strong>des</strong>tillative Trennung der zwei Komponentenist entsprechend erschwert. Berühren sich die Kurven, ist eine Trennung ganzunmöglich; Flüssigkeits- und Dampfgemisch haben am Berührungspunkt die gleicheZusammensetzung; Abbildung 44. Es liegt ein Azeotrop vor.Verursacht wird das geschilderte nichtideale Verhalten durch zwischenmolekulareWechselwirkungen. Sind die Anziehungskräfte zwischen den fremden Molekülen vielkleiner als zwischen den artgleichen, bildet sich ein Minimum-Azeotrop (Abbildung44); im viel selteneren umgekehrten Fall tritt ein Maximum-Azeotrop auf (entsprechendnach oben durchgebogenes Kurvenpaar).Ein anderer Extremfall unidealer binärer Systeme liegt vor, wenn sich die Partnernicht ineinander lösen. Wie das Zustandsdiagramm erkennen läßt, ist dann die Siedetemperaturfast über den ganzen Konzentrationsbereich konstant; Abbildung 45.Eine fraktionierende Destillation solcher Zweiphasensysteme (die bequem im Scheidetrichtergetrennt werden können) wäre natürlich von vornherein unsinnig. Interessantist jedoch die starke Siedepunktsdepression. Sie ermöglicht die Wasserdampf<strong>des</strong>tillation.SdpBSdpASdpA/B100% A100% BZusammensetzungAbb. 44 Zustandsdiagramm eines nichtidealen Zweistoffgemisches mit AzeotropAzeotrope Destillation:<strong>Die</strong> Tendenz zahlreicher Zwei- beziehungsweise Mehrkomponentensysteme, Azeotropezu bilden, schränkt die Anwendung der Destillation stark ein. Sie bietet jedochandererseits die Möglichkeit, Verbindungen, nach Zusatz ihrer azeotropen Partner,<strong>des</strong>tillativ aus einem Gemisch herauszuschleppen.Beispielsweise läßt sich Ethanol auch mit einer Kolonne nicht völlig entwässern. Es<strong>des</strong>tilliert mit 4,4 Gewichtsprozenten Wasser azeotrop über. Setzt man dem 96proz.


azeotrope Destillation 53SdpBSdpA100% A 100% BZusammensetzungAbb. 45 Zustandsdiagramm zweier nicht-mischbarer StoffeEthanol jedoch Benzol zu, bildet sich ein ternäres Azeotrop, das schon bei 65 0 Csiedet. Auf diese Weise gelingt die Trocknung.Häufiger wird das Abschleppen dazu benutzt, während einer Umsetzung ein Produkt- fast immer Wasser - kontinuierlich aus dem Reaktionsgleichgewicht zu entfernen.Man wählt dabei einen „Schlepper", der sich möglichst nicht in Wasser (beziehungsweiseeiner anderen abzutrennenden Verbindung) löst, und sorgt dafür, daßdieser nach Abscheidung <strong>des</strong> Wassers laufend in den Reaktionsansatz zurückfließt.Als Schlepper für Wasser sind geeignet: Benzol, Toluol, Xylol - Chloroform, Tetrachlorkohlenstoff.Für die ersten drei - spezifisch leichteren - läßt sich der einfacheWasserabscheider mit graduiertem Sammelrohr der Abbildung 46 benutzen (im Bedarfsfallkann eine Kolonne zwischen Destillierkolben und Wasserabscheider geschaltetwerden). Aus dem Volumen <strong>des</strong> abgeschiedenen Wassers läßt sich Fortgangund Ende der Umsetzung berechnen. <strong>Die</strong> Wasserabscheidung mit Hilfe spezifischschwererer Schlepper ist apparativ umständlicher und <strong>des</strong>halb möglichst zu umgehen.Wasserdampf<strong>des</strong>tillation:Nichtmischbare Flüssigkeiten sieden dann (gemeinsam), wenn die Summe ihrerEinzeldampfdrucke gleich dem Außendruck ist (Raoult'sches Gesetz). Ihre Siedepunkteliegen also stets tiefer als die der einzelnen Komponenten. Es ist daher möglich,Substanzen nach Zusatz eines nichtlöslichen Hilfsstoffs - man verwendet fast immerWasser — weit unterhalb ihres Siedepunkts abzu<strong>des</strong>tillieren.<strong>Die</strong> Dampfdruckkurven der Abbildung 47 machen diese Verhältnisse am BeispielBrombenzol-Wasser klar. Brombenzol, das bei 155 0 C einen Dampfdruck von 760 Torrhat, erreicht diesen Normal-Atmosphärendruck zusammen mit Wasser schon bei95,5 0 C. Da das Verhältnis der Partialdrucke dem der Molekülzahlen entspricht(Avogadro-Satz), werden sich bei dieser Temperatur nach Abbildung 47 (639 Torr/


54 Allgemeine ArbeitsanweisungenAbb. 46l-Liter-Kolben mit Wasserabscheider für spezifisch leichtere Lösungsmittel90 95 100Temperatur *•Abb. 47 Siedekurven von Brombenzol, Wasser und dem Gemisch aus beiden121 Torr) 5,3 mal mehr Wassermoleküle in der Gasphase befinden als solche <strong>des</strong>Brombenzols. Zur Destillation von 100 g Brombenzol sind also theoretisch etwa60 g Wasser erforderlich. Tatsächlich braucht man erheblich mehr, weil erstens dieVerdampfungsgeschwindigkeit der <strong>organischen</strong> Substanzen limitierend wirkt, zweitensvöllige gegenseitige Unlöslichkeit ein kaum je verwirklichtes Ideal ist, sowiedrittens die Siedepunktsdifferenzen zwischen Gemisch und Wasser nur gering sind.Da die Dampfdruckdepression die Siedepunkte der <strong>organischen</strong> Substanzen starkzusammenrücken läßt, ist die Trennkraft der Wasserdampf<strong>des</strong>tillation nur gering.


Wasserdampf-Destillation 55Trotzdem kann dieses Verfahren vor allem dann ein wertvolles Hilfsmittel sein, wennwasserunlösliche höhersiedende flüssige oder feste Verbindungen (mit Siedepunktenbis zu etwa 300 0 C) bei weniger als 100 0 C von zähen Schmieren befreit werden müssenoder aus festem Rohmaterial isoliert werden sollen (also in solchen Fällen, wo diesonst übliche Vakuum<strong>des</strong>tillation versagt). - Der Trägerdampf sorgt nebenbei nichtnur für eine besonders starke Durchmischung <strong>des</strong> Trennmaterials, sondern verhindertauch das lästige Schäumen und wirkt bei autoxidablen Stoffen gleichzeitig alsSchutzgas.Abbildung 48 zeigt eine Wasser dampf-Destillationsapparatur. Ihr Destillationskolbenist mit einem Gummistopfen verschlossen, durch den zwei Glasrohre führen.Eines ist mit der Dampfleitung verbunden und reicht fast bis zum tiefsten Punkt <strong>des</strong>Kolbens, das zweite stellt über einen weiteren Gummistopfen die Verbindung zumKühler her. (Schliffverbindungen backen im Wasserdampf leicht zusammen!) Dereinströmende Dampf läßt den Kolbeninhalt stark herumspritzen; <strong>des</strong>halb soll derKolben einen langen Hals haben, etwas geneigt sein und nur zu etwa einem Drittelgefüllt werden. (Er muß also fast das Zehnfache der zu trennenden Substanzen fassen!)Wegen der hohen Destillationsgeschwindigkeit und der großen Kondensationswärme<strong>des</strong> Wassers ist ein möglichst langer Liebigkühler oder ein Intensivkühler zubenutzen. <strong>Die</strong> Kühlung läßt sich dadurch verstärken, daß man den absteigendenKühler über einen Vakuumvorstoß (<strong>des</strong>sen Schlauchanschluß verschlossen ist) miteinem Zweihalskolben verbindet, in <strong>des</strong>sen zweitem Tubus ein Rückflußkühlersteckt. Der Vorlagekolben kann noch zusätzlich in Eiswasser gestellt werden. Einsolcher Aufbau ist speziell für die Wasserdampf<strong>des</strong>tillation fester Substanzen angebracht,weil hier, zur Vermeidung einer Verstopfung <strong>des</strong> absteigenden Kühlers durchvorzeitige Kristallisation, <strong>des</strong>sen Kühlwasserzufuhr gedrosselt werden muß. - Behelfsmäßigläßt sich statt der auf Abbildung 48 gezeigten Apparatur auch eine Claisenapparatur(Abbildung 32, S. 40) verwenden, bei der die Kapillare durch ein Einleitungsrohrersetzt ist.Abb. 48 Wasserdampf<strong>des</strong>tillationsapparatur mit 2-Liter-Langhalskolben auf Babo-Trichter mit Dampfeinleitungsrohr,Liebigkühler und Vorlage


56 Allgemeine ArbeitsanweisungenAbb. 493-Liter-DampfkanneSteht keine fest montierte Dampfleitung zur Verfügung, erzeugt man sich denDampf in einer Dampfkanne aus Blech, deren Form Abbildung 49 erkennen läßt. Siehat einen Wasserstandsanzeiger und ein etwa einen Meter langes Steigrohr aus Glas,das zum Boden der Kanne führt und als Überdruckventil dient. Das mit Wasser gefüllteGefäß wird kräftig mit dem Bunsenbrenner erhitzt. Für kleinere Ansätze genügtein entsprechend eingerichteter Erlenmeyerkolben. - Der zur Apparatur führendeSchlauch soll möglichst kurz sein!In der <strong>Praxis</strong> versetzt man das zu reinigende - wenn fest, grob zerkleinerte - Materialim Destillierkolben mit etwa der doppelten Menge Wasser, dreht die Kühlungso weit wie möglich auf und leitet dann einen kräftigen Dampfstrom ein. (Bei niedrigschmelzendenDestillaten muß die Kühlwasserzufuhr so reguliert werden, daß es geradenoch nicht zur Kristallabscheidung im Kühler kommt.) Eine zu starke Vergrößerung<strong>des</strong> Flüssigkeitsvolumens während der Destillation verhindert man durchzusätzliches Heizen <strong>des</strong> Kolbens auf einem Dampfbad oder Babo-Trichter. Soll dieOperation abgebrochen werden, muß zuerst die Schlauchverbindung zur Dampfquellegelöst werden; anderenfalls würde der Kolbeninhalt zurücksteigen. Bei Substanzen,die sich mit Wasser überhaupt nicht mischen, kann man die Destillation dannbeenden, wenn einige Zeit lang nur noch völlig ungetrübtes Wasser in die Vorlagegetropft ist. Das Destillat wird hier im Scheidetrichter getrennt. — Bei Substanzen, diesich teilweise in Wasser lösen, ist das Ende nur durch einen speziellen Test festzustellen.In diesem Fall muß auch die wässerige Phase aufgearbeitet werden (Ausschütteln,Aussalzen).Einfaches Kochen <strong>des</strong> Trennmaterials mit viel Wasser - ohne Dampfzufuhr vonaußen - ist nur bei Mengen von wenigen Grammen leicht wasserdampfflüchtiger Stoffeerfolgreich. (Vorsicht, Zweiphasensysteme stoßen stark!)Reicht die Temperatur von etwa 10O 0 C zum Übertreiben schwerflüchtiger Ver-


Sublimation 57bindungen nicht aus, kann man einen Dampfüberhitzer in die Schlauchleitung zumKolben einbauen. <strong>Die</strong>se Überhitzer bestehen aus konischen Kupferrohrspiralen oderflachen Metalltafeln mit zickzackförmigen Rohrsystemen; sie werden mit einemBunsenbrenner kräftig geheizt. (Sie sollen, damit die Schläuche nicht verschmoren,lange Schlauchanschlüsse haben.) Der Destillierkolben mit der trockenen Substanzmuß hier in einem Ölbad von etwa 15O 0 C stehen (erhöhte Gefahr, daß Wasser insÖl spritzt; Abzug, Brille und Handschuhe benutzen!). Es empfiehlt sich, zur Kontrolleder Dampftemperatur ein Einleitungsrohr zu verwenden, das oben T-förmigverzweigt ist und ein Thermometer trägt.Zur Prüfung auf Wasserdampfflüchtigkeit kocht man eine kleine Substanzprobe imReagenzglas mit 2 ml Wasser, hält ein zweites, schmaleres, mit Wasser und Eis gefülltesReagenzglas in den Dampfraum und beobachtet, ob der sich kondensierendeWassertropfen trüb ist.Sublimation und GefriertrocknungSublimationUnter Sublimation versteht man die Überführung einer festen Substanz (fast immerohne intermediäres Schmelzen) in den gasförmigen Aggregatzustand und aus diesemdirekt wieder in den festen - also Phasenumwandlungen unterhalb <strong>des</strong> Tripelpunkts.Ihre Bedeutung ist vergleichsweise gering, da einerseits nur relativ wenige Feststoffeeinen entsprechend hohen Dampfdruck haben und andererseits nur solche Verunreinigungenerfolgreich abgetrennt werden können, die selbst praktisch nicht flüchtigsind. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, erhält man allerdings sehr saubere Produkte.Mit laborüblichen Mitteln sind lediglich Sublimationen kleinerer Chargenvon wenigen Grammen möglich, auch diese erfordern einige Geduld. Zur Erhöhungder Verdampfungsgeschwindigkeit ist das Substrat vorher fein zu pulversisieren. Essoll noch unterhalb seines eigentlichen Sublimationspunkts ausschließlich von derOberfläche her verdampfen (größere Kristalle zerplatzen und versprühen).Am einfachsten erwärmt man die Substanz auf dem Sandbad in einer Porzellanschaleüber die man einen etwas kleineren Glastrichter umgekehrt aufgestülpt hat DasSublimat schlägt sich im kälteren Trichter nieder. Um zu verhindern, daß es zurückfällt,kann man ein vielfach durchstochenes Rundfilter zwischen Schale und Trichterlegen.Schwerer flüchtige Stoffe sublimiert man unter vermindertem Druck zum Beispielin der - auch für Sublimation bei Normaldruck geeigneten - Apparatur der Abbildung50, die man sich mit durchbohrten Gummistopfen aus zwei Saugrohren zusammensetzt.<strong>Die</strong> Substanz verdampft hier vom Boden <strong>des</strong> evakuierten, im Ölbaderwärmten Außenrohrs. Je geringer die Sublimationsgeschwindigkeit, <strong>des</strong>to kleinerist der Abstand zwischen den Böden beider Rohre zu wählen (im Durchschnitt be-


58 Allgemeine Arbeitsanweisungenträgt er etwa l cm). Jede Einzelcharge soll nur so groß sein, daß ihr Sublimat anschließendden unteren Bodenteil <strong>des</strong> Kühlfingers höchstens l mm dick bedeckt. Belüftendarf man erst nach dem völligen Erkalten. Zum Öffnen der benutzten Apparaturspannt man den größeren Stopfen fest ein und dreht dann das äußere Rohr vorsichtigab; so läßt sich ein Abfallen <strong>des</strong> Sublimats verhindern. — Größere Geräte dieserArt haben flachere Böden und sind zur Aufnahme eines gelochten Filters oder einerPorzellansiebplatte eingerichtet.Abb. 50 Vakuumsublimationsapparatur aus zwei SaugrohrenHorizontale Anordnungen können aus einseitig zugeschmolzenen Glasrohren bestehen,die in thermoregulierbaren Metallblöcken mit waagrechten Bohrungen verschiedenerDurchmesser erhitzt werden; das Luftbad der Abbildung 38 ist ebenfallsgut als Heizquelle geeignet. <strong>Die</strong> Substanz wird durch einen Trichter, der bis zumBoden <strong>des</strong> Rohrs reicht, eingefüllt und dann zum Schutz gegen eventuelles Versprühenlocker mit einem Glaswollebausch abgedeckt. Das luftgekühlte (nötigenfallsetwas erweiterte) offene Rohrende kann über einen Gummistopfen ans Vakuum angeschlossenwerden. Im Hochvakuum (Quecksilberdiffusionspumpe) bestimmt nichtmehr die Diffusion der Substanzmoleküle durch die Luft, sondern fast nur noch derbloße Sublimationsvorgang die Umsatzgeschwindigkeit. - Eine ähnliche Beschleunigungläßt sich auch mit Hilfe eines strömenden Schutzgases, das den Transport zurKühlfläche unterstützt, erreichen 1 .<strong>Die</strong> Sublimationsfähigkeit unbekannter Substanzen kann im Schmelzpunktsapparatmit Kapillarröhrchen ermittelt werden (siehe S. 117).GefriertrocknungDas schonendste Verfahren, in Wasser gelöste feste Stoffe bis zur Trockne zu bringen,ist die Gefriertrocknung (Lyophilisation). Bei ihr sind die Temperaturen nie höher alsnull Grad. Das Prinzip beruht darauf, daß die eingefrorene Lösung im Hochvakuumverdampft, wobei die große Sublimationswärme auch ohne weitere Kühlung einSchmelzen <strong>des</strong> Eises verhindert. Der Wasserdampf wird von einem Trockenmitteloder in Kühlfallen abgefangen (siehe S. 32).1 T. Davies, Sublimation, Verlag McMillan, New York.


Gefriertrocknung und Extraktion 59Kleinere Volumina bis zu etwa 10 ml sehr verdünnter wässeriger Lösungen kannman durch Aufbewahren in der Tiefkühltruhe einfrieren. Man benutzt dazu PetrioderKristallisierschälchen, die höchstens bis zu zwei Dritteln gefüllt werden dürfen.Ist die Lösung völlig (!) durchgefroren, bringt man das Schälchen rasch in einen nichtzu kleinen Vakuumexsikkator, <strong>des</strong>sen Unterteil mehrere durch Korkstopfen auf Abstandgebrachte große Petrischalen mit Blaugel oder auf Träger aufgezogene Schwefelsäurebeziehungsweise magnetgerührte konz. Schwefelsäure plus Kaliumhydroxid-Schälchen enthält (siehe S. 108), evakuiert sofort auf min<strong>des</strong>tens 10" * Torr, stellt diePumpe ab und wartet, bis das Eis innerhalb von mehreren Stunden völlig verschwundenist.Pur größere Volumina (als etwa 10 ml) oder konzentriertere wässerige Lösungen benutztman Schliffrundkolben mit Gummistopfen, füllt sie zu etwa einem Drittel unddreht sie möglichst schräg geneigt in einem Kohlendioxid-Kältebad, bis der Inhaltganz durchgefroren ist. (Beim Einfrieren mehrerer Kolben empfiehlt sich die Verwendungeines langsam laufenden Rührmotors mit einer Kupplung aus durchbohrtemGummistopfen und Schlauchstück, das durch einen eingeschobenen Glasstabgerade gehalten wird.) - Je größer die Eisoberfläche, <strong>des</strong>to rascher ist die anschließendeSublimation. Tiefe Temperatur, also schnelles Gefrieren verhindert, daß sich die gelöstenSubstanzen im abnehmenden Flüssigkeitsrest konzentrieren. - <strong>Die</strong> Kolbenkönnen direkt an die Drehschieberpumpen-Anlage angehängt werden. <strong>Die</strong> beidenmit Trockeneis gekühlten Kondensfallen fangen den Wasserdampf ab (siehe S. 33).Man evakuiert so lange, bis das Eis innerhalb von mehreren Stunden völlig verdampftist. Am besten benutzt man eine der im Handel befindlichen Apparaturen, bei denendie Pumpe abgestellt wird, sobald das Hochvakuum erreicht ist.<strong>Die</strong> Gefriertrocknung ist besonders zur Isolierung empfindlicher Naturstoffe auswässerigen Lösungen sehr nützlich. - <strong>Die</strong> zurückbleibenden Feststoffe sind schwammiglocker und daher sehr leicht wieder in Lösung zu bringen.Extraktion und AussalzenUnter Extraktion versteht man das Herauslösen bestimmter Stoffe aus festen,flüssigen (oder gasförmigen) Gemischen mit Hilfe geeigneter Lösungsmittel.Extraktion von FeststoffenSind die zu extrahierenden Komponenten leicht löslich, genügt es oft, das feinpulverisierteFeststoffgemisch mehrfach mit dem ausgesuchten Lösungsmittel entwedergründlich auszukochen oder bei Raumtemperatur längere Zeit intensiv durchzumischen(schmierige Materialien in einer sehr großen Reibschale) und abzufiltrieren.(Vorwiegend in der älteren Literatur wird das erste Verfahren meist als „Digerieren",das zweite manchmal als „Mazerieren" bezeichnet.)


60 Allgemeine ArbeitsanweisungenAbb. 51 a) l-Liter-Kolben mit Heißextraktor; b) l-Liter-Kolben mit Soxhlet-Aufsatz; beide mit PapphülseSollen schwerer lösliche Bestandteile von unlöslichen Feststoffen abgetrennt werden,benutzt man Extraktionsapparate, die den Lösungsmittelbedarf, durch dauern<strong>des</strong>Eindampfen der Extrakte, auf einen Bruchteil reduzieren. Abbildung 51 zeigtzwei derartige Geräte, die aus Siedekolben, Extraktionsaufsatz mit eingestellter Papphülsezur Aufnahme <strong>des</strong> Trennguts und Rückflußkühler bestehen. Eines ist für Extraktionenbei höherer (a), eines für solche bei mittlerer (b) Temperatur. Beim Heißextraktor(a) strömt das im Kolben verdampfte Lösungsmittel an der gefüllten Hülsedirekt vorbei zum Kühler, tropft von dort aus in das - vom aufsteigenden Dampf erwärmte- Trenngut und daraus wieder in den Kolben zurück. Beim Soxhlet-Apparat(b) ist dagegen der Extraktionsraum nach unten abgeschlossen. Der Dampf wird hier- ohne das Trenngut in der Hülse wesentlich zu erwärmen - durch ein seitliches Rohrzum Kühler geführt. Außerdem fließen die Extrakte nicht kontinuierlich, sondernperiodisch in den Kolben zurück (immer dann, wenn ihr Niveau den höchsten Punkt<strong>des</strong> als Heber wirkenden dünneren U-Rohrs erreicht hat). Das Dampfrohr sollte mitMetallfolie isoliert werden. - Es gibt auch Aufsätze mit Mänteln zur zusätzlichenKühlung (oder Heizung) <strong>des</strong> Extraktionsraums.Das Extraktionsgut muß vor dem Einfüllen in die Papphülse (passend zur Apparaturzu kaufen) gleichmäßig zerkleinert werden, nicht zu fein, da sonst das Lösungsmittelzu langsam durchsickert. Klebrige Materialien und solche, die bei der Extraktionzusammenbacken, verreibt man am besten mit der doppelten Menge reinemSeesand. <strong>Die</strong> gefüllte Hülse wird mit einem lockeren Glaswattebausch abgedeckt.<strong>Die</strong>se Vorbereitungen sind für Durchflußextraktionen (Abbildung 5Ia), bei denen


Ausschütteln 61immer die Gefahr besteht, daß sich das Lösungsmittel einzelne Kanäle durch dasExtraktionsgut bahnt, besonders wichtig. Bei der Soxhlet-Apparatur ist darauf zuachten, daß die Hülse nicht den Auslauf verdeckt (nötigenfalls Glasrohrröllchen unterlegen).- Zur Auswahl <strong>des</strong> Lösungsmittels siehe S. 110 und 134. - <strong>Die</strong> im Kolbenausfallenden extrahierten Stoffe verursachten leicht Siedeverzug. Deshalb und zurVermeidung unnötiger Temperaturbelastungen filtriert man zwischendurch ab.Soxhlet-Apparaturen neigen, da die schubweise abfließenden Eluate je<strong>des</strong>mal denSiedevorgang unterbrechen, zum „Stoßen". Daher soll bei ihnen die Lösungsmittelmengemin<strong>des</strong>tens das Doppelte <strong>des</strong>sen betragen, was der Extraktionsraum faßt.Sammelt sich das gewünschte Hauptprodukt im Extrakt an, darf - speziell dann,wenn sich dieses als Kruste absetzt - nicht mit einer Heizhaube erwärmt werden. <strong>Die</strong>mehrere Stunden bis einige Tage dauernde Extraktion wird abgebrochen, wenn ineiner der Hülse entnommenen Probe keine eluierbare Substanz mehr nachweisbar ist.AusschüttelnBeim Ausschütteln handelt es sich um das Verteilen einer oder mehrerer Substanzenzwischen zwei Lösungsmittelphasen', einer hydrophilen, fast immer wässerigen undeiner lipophilen, also <strong>organischen</strong>. Dabei reichern sich die gelösten Substanzen entsprechendihrem eigenen hydrophilen oder lipophilen Charakter (also ihrer Polaritätund Polarisierbarkeit) vorwiegend in der gleichartigen Phase an. Kräftiges Schüttelnbeschleunigt den Prozeß.Ziel <strong>des</strong> Ausschütteins ist es, bestimmte Substanzen möglichst vollständig in dieeine Phase zu überführen. Das ist mit einem Bruchteil der Lösungsmittelmenge zu erreichen,wenn man die Gegenphase mehrfach mit kleinen Portionen behandelt, statteinmal ein großes Volumen einzusetzen!Nach Nernst gilt (unter gewissen Voraussetzungen) für die Verteilung einer Substanzzwischen Oberphase (Index O) und Unterphase (Index U):K=^0-und: K = m ° ' YUCum u ' 0(K = Verteilungskoeffizient; c = Konzentration; m = Masse; V = Volumen).Danach muß man, um eine Substanz mit dem Verteilungskoeffizient 5 auf einmalzu 97% in die Oberphase zu bringen, die Unterphase mit der 6,5fachen Menge Oberphaseausschütteln:m 0 V 0 = 97 6,5In 0 K V 1 ; 3-5 lSchüttelt man dagegen fünfmal aus, braucht man für den gleichen Trenneffekt insgesamtnur die einfache Menge; denn nach jedem Ausschütteln mit jeweils einem Fünftelder Menge Oberphase verbleibt die Substanz zur Hälfte in der Unterphase.


62 Allgemeine ArbeitsanweisungenK • V 0 = m 0 = 5 • l = lV 11 " m v " 5 ~ TNach fünfmaliger Wiederholung enthält die Unterphase dann noch: (^2) 5 = 3% derSubstanz.Im allgemeinen extrahiert man wässerige Lösungen oder Emulsionen beim erstenMal mit etwa einem Drittel, dann jeweils mit etwa einem Fünftel bis einem Viertel <strong>des</strong>Volumens an organischem Lösungsmittel - und zwar so oft, bis in einer Probe derExtraktionsphase (eventuell nach Eindampfen auf einem Uhrglas) keine Substanzmehr nachzuweisen ist. (Beim Auswaschen organischer Lösungen mit Wasser kannnatürlich mit größeren Portionen ausgeschüttelt werden.)Eine zweite Möglichkeit, das Ausschütteln effektiver zu gestalten, besteht darin,geeignete Verbindungen in gut wasserlösliche Salze zu verwandeln, also statt mitWasser beispielsweise: Säuren mit Natriumcarbonat- oder -hydrogencarbonatlösung,Phenole mit verd. Alkalilösungen, Amine mit verd. Mineralsäure oder Aldehydemit Natriumhydrogensulfitlösung auszuziehen.Geeignete lipophile Extraktionsmittel sind zum Beispiel: Ether (,Ausethern"),Petrolether, Benzol, Essigester (spezifisch leichter) sowie Methylenchlorid, Chloroform(spezifisch schwerer als Wasser); siehe S. 110.Abb. 52 a) 500-ml-Schütteltrichternach Squibb, NS 29; b) 1-Liter-HüttentrichterabDer Schütteltrichter muß einen gut passenden Glashahn und Glasstopfen haben(das Dichtungsfett wird meist rasch herausgelöst); Abbildung 52. Für mittlere Voluminahat sich die gestreckt-konische Form nach Squibb (a) am besten bewährt; ersatzweisesind jedoch auch Tropftrichter (Abbildung 17a) gut geeignet. Ab einem Fassungsvermögenvon einem Liter dürfen nur dickwandige, gegossene „Hüttentrichter"verwendet werden; Abbildung 52b. Zum Ausschütteln von Volumina unter 5 mlnimmt man ein Reagenz- oder Zentrifugenglas und gewinnt die Phase mit einer sehrlang ausgezogenen Saugball-Pipette. (Wässerige Oberphasen, die nicht weiter gebrauchtwerden, kann man auch mit einem Filterpapierröllchen aufsaugen.)Der Schütteltrichter ist so groß zu wählen, daß etwa die Hälfte seines Inhalts leer


Phasentrennung 63bleibt. Er wird in einen stabilen Stativring oder Dreifuß (über deren Innenkante dreilängs aufgeschnittene Gummischlauchröllchen gezogen sind) eingehängt. Unter denTrichterauslauf stelle man stets einen größeren Stutzen als Sicherheitsauffanggefäß.Man gießt die Flüssigkeiten durch einen Trichter ein, verschließt den Tubus und faßtden Schütteltrichter so, daß gleichzeitig Stopfen und Hahnküken von beiden Händenin ihrer Lage fixiert werden. Flüchtige Lösungsmittel entwickeln beim Mischen einenerheblichen Überdruck. Man hält <strong>des</strong>halb den Schütteltrichter zum Ausschütteln anfangsmit dem Hahn nach oben, lüftet, schwenkt kurz um, lüftet wieder und fährt sofort, bis nach stärkerem Schütteln der Druckausgleich erreicht ist. Entsteht durchSchütteln von Carbonaten mit Säuren Kohlendioxid, ist erhöhte Vorsicht geboten!Da beim Belüften stets Flüssigkeitsreste mit ausgepritzt werden, ist das Auslaufrohrvom Körper weg zu halten und bei aggressiven Substanzen eine Schutzbrille zu tragen! Es wird etwa eine Minute lang abwechselnd kräftig durchgeschüttelt und belüftet.Dann hängt man den Trichter in den Ring zurück, wartet, bis sich die Phasenklar getrennt haben, entfernt den Stopfen, läßt die schwerere Phase langsam auslaufenund gießt - wenn nötig - die leichtere durch den Tubus aus.Der oft langwierige Prozeß der Phasentrennung sowie die Loslösung einzelner im„falschen" Bereich an der Wand haftender Flüssigkeitstropfen können dadurch beschleunigtwerden, daß man die Unterphase, soweit sie klar ist, abläßt und dann denTrichter ruckweise um seine Längsachse dreht.Hartnäckige Emulsionen versuche man durch folgende Maßnahmen zu brechen:Zugabe weniger Prozente Ethanol (dieses muß vor dem Trocknen der <strong>organischen</strong>Phase mit Calciumchlorid wieder ausgewaschen werden) oder einiger Tropfen Octanol;Filtrieren (eventuell nach Zugabe von Kieselgur); teilweise oder völliges Sättigen<strong>des</strong> wässerigen Anteils mit Natriumchlorid.Sicheren Erfolg bietet nur eine gute Zentrifuge. -Am besten ist es, die Emulsionsbildung- die sich leicht in einem Reagenzglasvorversuch erkennen läßt - von vornehereindadurch zu vermeiden, daß man ein anderes organisches Extraktionsmittelwählt oder die Phasen statt durch Schütteln durch längeres vorsichtiges Umschwenkenin Kontakt bringt. Wird die Trennung durch zu geringe Dichteunterschiede erschwert,verdünnt man die Oberphase.Macht man die zu extrahierende Lösung zur Oberphase, kann man sie bei mehrfachemAusschütteln immer im Schütteltrichter lassen. Man beachte, daß spezifischleichtere Lösungsmittel durch starke Substanzaufnahme zur Unterphase werden können!(In fraglichen Fällen schaffen einige Tropfen Wasser Klarheit.) Durch Zugabevon Salz zur wässerigen Phase läßt sich sowohl die Extraktion organischer Stoffe erleichternals auch die Löslichkeit von Ether und anderen <strong>organischen</strong> Flüssigkeitenin der wässerigen Phase verringern.Organische Lösungen, die mit Salz-, Säure- oder Base-Lösungen ausgeschütteltwurden, muß man mit etwas Wasser nachwaschen. Mineralsäuren lassen sich ausEther nur durch Carbonatlösungen ganz entfernen! (Ein- bis zweimal mit verdünnterSodalösung schütteln; dann mit Wasser waschen.) Vor dem Eindampfen bindet mandas restliche Wasser mit einem Trockenmittel (siehe S. 107).


64 Allgemeine ArbeitsanweisungenBeim Ausschütteln brennbarer Lösungsmittel sind selbstverständlich alle Flammenin der Nähe zu löschen! <strong>Die</strong> (zu 7%) mit Ether gesättigten wässerigen Phasen sindebenfalls eine Gefahrenquelle!PerforationDer Begriff Perforation kennzeichnet die kontinuierliche Extraktion von Lösungen.Perforation wird immer dann angewandt, wenn Substanzen extrahiert werden sollen,die wegen zu geringer Löslichkeit im Extraktionsmittel (Verteilungskoeffizient wesentlichkleiner als 1) nur unter sehr hohem Lösungsmittel- und Arbeitsaufwand ausgeschütteltwerden könnten. -Auch hier handelt es sich um den Stoffaustausch zwischenzwei nicht mischbaren Flüssigkeiten (wie beim Ausschütteln), wobei jedoch dieeine, das Extraktionsmittel, analog der automatischen Feststoffextraktion im Umlaufmehrfach einwirkt.Abbildung 53 zeigt einen Perforator für spezifisch leichtere Extraktionsmittel. <strong>Die</strong>zylindrische Austauschkammer wird zu vier Fünfteln ihres Fassungsvermögens mitExtraktionsgut gefüllt (so daß noch Platz zur Volumenvermehrung durch teilweisesLösen der Gegenphase und Wärmeausdehnung bleibt). Im seitlichen Siedekolbenwird ein Vielfaches dieser Menge Extraktionsmittel kräftig gekocht. Der Dampf ge-Abb. 53 1-Liter-Kolben mit Kutscher-Steudel-Perforator für spezifisch leichtere Extraktionsmittel


Craig-Verteilung 65langt zum Kühler; sein Kondensat tropft von dort in den langen Trichter, tritt untenaus <strong>des</strong>sen Sinterglasfritte fein verteilt aus, perlt durch das Extraktionsgut nach obenund fließt schließlich mit Substanz beladen in den Siedekolben zurück. Um ein unnötigesÜberhitzen <strong>des</strong> Extrakts zu vermeiden, ist der Apparaturteil, durch den derDampf aufsteigt, gut mit Metallfolie zu isolieren. Das Ende der (in jedem Fall mehrereStunden dauernden) Perforation läßt sich durch periodische Untersuchung <strong>des</strong> Überlaufsoder <strong>des</strong> Extraktionsguts bestimmen. - Für die Wahl <strong>des</strong> Extraktionsmittelsund die weitere Aufarbeitung <strong>des</strong> Extrakts gelten die im Kapitel ,Ausschütteln" gemachtenAngaben (siehe S. 61).Neben dem hier vorgestellten Perforator von Kutscher und Steudel gibt es andere,nach gleichem Prinzip arbeitende Konstruktionen. Geräte für spezifisch schwerereExtraktionsmittel sind prinzipiell nicht so funktionstüchtig und daher weniger zuempfehlen.Multiplikative Verteilung (nach Craig)<strong>Die</strong> multiplikative Verteilung macht durch eine Vielzahl von Verteilungen zwischenzwei nicht mischbaren Lösungsmitteln auch eine Trennung solcher Stoffe möglich,deren Verteilungskoeffizienten sich nur sehr wenig voneinander unterscheiden. Beiihr wird in einer ganzen Reihe von Trenngefäßen jeweils eine Serie von Ober- undUnterphasen miteinander geschüttelt und dann um einen Schritt gegeneinander verschoben(„Gegenstromverteilung"). Dabei wandert jede einzelne gelöste Substanz -als Ober- oder Unterphase - in einen bestimmten, ihrem Verteilungskoeffizientenentsprechenden Bereich innerhalb der Trichterreihe. <strong>Die</strong> Stoffgemische sind hier alsoim Endeffekt nicht zwischen zwei Phasen, sondern zwischen verschiedenen Trichternaufgeteilt.Das Verteilungsschema der Abbildung 54 zeigt diesen Vorgang vereinfacht für nursieben Schütteltrichter (nebeneinander), gleichviel Verteilungsschritte (untereinanderdargestellt) an 128 g einer Substanz mit dem Verteilungskoeffizient K=I.Alle Trichter sind von Anfang an zur Hälfte mit schwerem Lösungsmittel gefüllt.Jedem Schütteln aller Trichter folgt ein Verschieben aller Oberphasen nach rechts(symbolisiert durch gebogenen Pfeil) und ein Auffüllen <strong>des</strong> ersten Trichters mit frischemleichteren Lösungsmittel.Auf Abbildung 55 sind die Konzentrationsverteilungen für Substanzen mit verschiedenenK-Werten dargestellt: <strong>Die</strong> Verteilungskurven machen deutlich, daß z. B.zwei Substanzen mit den K-Werten 3,0 und 0,33 mit vierundzwanzig Verteilungsschritten(und also auch vierundzwanzig Verteilungsgefäßen) vollständig voneinandergetrennt werden können (soweit die Substanzen selbst die K-Werte nicht beeinflussen);bei K-Werten von 3,0 und 1,0 reichen 24 Schritte dagegen nicht aus.Je stärker sich die K-Werte der Einzelstoffe voneinander unterscheiden und jelänger die Schütteltrichterkette, <strong>des</strong>to schärfer ist die Trennung.Für die <strong>Praxis</strong> wurden Geräte entwickelt, bei denen die Phasen in bis zu über hun-


66 Allgemeine Arbeitsanweisungen1 2 3Nummer der Verteilungsgefäße »Abb. 54 Schema einer multiplikativen Verteilung in sieben Schüttelgefäßen für 128 g einer Substanz mitK = 1dert Schüttelelementen auf einer gemeinsamen Drehachse gleichzeitig geschüttelt unddann weitertransportiert werden können. Hierüber sowie über Varianten <strong>des</strong> geschildertenVerteilungsprinzips (wiederholte Substanzaufgabe am Anfang oder in derMitte der Batterie; ein-, doppel- oder wechselphasige Fraktionsabnahme) gibt dieFachliteratur Auskunft 1 .1 E. Hecker, Verteilungsverfahren im Laboratorium, Verlag Chemie GmbH, Weinheim/Bergstr. 1955.


Dialyse 6750l•K = 304030h IK = IOI/ \£ 2OH \ \ K = 3.0 K = 0.335 i ! \ /->v> / t ' /! / l / \ A / \s M H A I [ I */ • \ \ X / V /öl10l •/\ /•x v / \ v / \\i _ i _ i6 12 18 24Nummer <strong>des</strong> VerteilungsgefaßesAbb. 55 Ideale Verteilungskurven für Substanzen mit unterschiedlichen K-Werten (bei einmaliger Substanzaufgabeam Anfang)DialyseTrennt man eine wässerige Lösung und reines Wasser durch eine semipermeableMembran (Diaphragma), diffundieren diejenigen gelösten Ionen und Moleküle, dieklein genug sind, durch die Poren der Membran ins reine Wasser; es findet eine Dialysestatt. Im Labor benutzt man als Diaphragmen meist Schläuche aus regenerierterCellulose - also z.B. Zellglas („Cellophan" *), die Teilchen mit einem Molekulargewichtvon mehr als 3000 bis 5000 zurückhält und weniger als etwa 500 frei durchläßt.(Das Molekulargewicht kann nur mit Einschränkung ein Maß für die Molekülgrößesein.)Man klebt ein solches Stück Cellonphanschlauch (je kleiner <strong>des</strong>sen Durchmesser,<strong>des</strong>to rascher die Diffusion) an einem Ende mit ,Alleskleber" sorgfältig unter Umfallenzu (auf Dichtigkeit prüfen), läßt es vier Stunden in <strong>des</strong>tilliertem Wasser quellenund spült es längere Zeit innen aus (Cellophan enthält den Weichmacher GlycerinFirma Kalle & Co. AG.


68 Allgemeine Arbeitsanweisungenoder Polyglykol), füllt die Lösung (beziehungsweise kolloidale Lösung) ein, bindetoben vorsichtig mit Schnur ab und hängt den gefüllten Teil in einen passenden Standzylinder,durch den - über ein zum Zylinderboden reichen<strong>des</strong> Glasrohr - dauerndfrisches Leitungswasser fließt (und überläuft). Das für Ungeübte etwas heikle Klebenläßt sich umgehen, indem man ein doppeltlanges Schlauchstück an beiden Enden zubindetund so in das Gefäß mit fließendem Wasser hängt, daß diese Enden herausragen.(Unterteil eventuell mit U-förmigem Glasstab beschweren.) Eine Dialysedauert mehrere Stunden oder sogar Tage; sie ist beendet, wenn im Waschwasser keineSubstanzen mehr nachzuweisen sind. - Häufigste Anwendungsform: Abtrennung vonSalzen, Säuren und Basen aus Lösungen hochmolekularer Natur- oder Kunststoffe.Wenn gegen entsalztes Wasser dialysiert werden soll oder die durchdiffundiertenkleineren Moleküle gebraucht werden, spannt man den gefüllten Dialyseschlauchüber einen schmalen, rechteckigen Glasstabrahmen, verbindet diesen mit einemRührmotor und läßt ihn langsam in einem Zylinder mit Wasser rotieren. Das Wassermuß mehrfach erneuert werden.AussalzenIn Wasser oder anderen hydrophilen Flüssigkeiten gelöste Substanzen lassen sichdurch Zugabe anorganischer Salze aus ihrem Lösungsmittel verdrängen und zur Ausscheidungbringen: <strong>Die</strong> in Lösung gehenden Salzionen bauen sich selbst Solvathüllenauf und dabei diejenigen der bereits gelösten Moleküle ab.Um ein Abscheiden der Substanz auf den Salzkristallen zu verhindern, erwärmtman die Lösungen (wässerig auf etwa 8O 0 C), rührt sie kräftig mit einem Motor und löstdas vorher fein pulverisierte Salz darin in kleinen Portionen auf. <strong>Die</strong> Gesamtmengean Salz soll in der Regel etwa 80% <strong>des</strong>sen betragen, was zur Sättigung bei Raumtemperaturnötig wäre. Nach der Zugabe wird noch einige Zeit bei der erhöhten Temperaturund dann bis zum Abkühlen auf Raumtemperatur weiter gerührt. - <strong>Die</strong> ausgeschiedenenStoffe sind meist erheblich mit Fällungsmittel verunreinigt.Als Salz wird vorwiegend Natriumchlorid (36) oder auch Kaliumcarbonat (111)verwendet. Für gelöste organische Basen ist Natriumhydroxid (107) besser geeignet.(Jeweils in Klammern: Löslichkeit in g pro 100 ml Wasser bei 2O 0 C). Zum Aussalzenvon Proteinen wird unter Kühlung Ammonsulfat (76) benutzt.Reinigung durch KristallisationKristalline Syntheseprodukte bieten gegenüber nichtkristallinen sehr wesentlicheVorteile: Sie liegen meist in definierter Form vor und sind durch den Schmelzpunktleicht zu charakterisieren. <strong>Die</strong> Vorzüge sind so groß, daß der Chemiker speziell fürbestimmte analytische Zwecke oder zur Reinigung häufig flüssige Substanzen durcheinfache Reaktionen in leicht kristallisierende feste Derivate überführt.


Kristallisation 69Das vorliegende Kapitel befaßt sich mit der Herstellung, Isolierung und Reinigungkristalliner Produkte.AuskristallisierenObwohl in jedem Fall der höchstgeordnete kristalline Zustand der stabilste ist, bedarfes oft einiger Kunstgriffe und vieler Geduld, organische Verbindungen aus übersättigtenLösungen oder metastabilen Schmelzen zur Kristallisation zu bringen.Am einfachsten ist es, Kristallkeime als Impfkristalle - das heißt Kriställchen dergleichen Verbindung - direkt einzurühren. Man mache es sich daher zur Regel, vonjedem kristallinen Produkt, das aufgelöst und später wieder kristallisiert werden soll,eine Spur Impfmaterial zurückzubehalten! Sollten sich die Impfkristalle in der Lösunglösen, ist diese etwas einzuengen und erneut anzuimpfen.Stehen keine Impfkristalle zur Verfügung, versucht man, die Kristallkeimbildung inhartnäckig übersättigten Lösungen und Schmelzen durch eine Reihe von Hilfsmaßnahmenanzuregen. <strong>Die</strong>se sollten, da es genügt, eine Spur Impfmaterial zu gewinnenund die Kristallisationsbedingungen zu erfahren, lediglich mit jeweils einigen Tropfender Gesamtmenge in kleinen Reagenzgläsern durchgeführt werden: Kratzen, Glasauf Glas, in der Probe, mit einem Rührstab, ist das bewährteste Mittel. Es sollte,soweit möglich, bei allen anderen Maßnahmen mit angewandt werden. Man beachte,daß abgeschabte Glassplitterchen leicht Kristalle vortäuschen.Große Bedeutung hat die Temperatur. <strong>Die</strong> Kristallisation wird sowohl durch Erniedrigungder Löslichkeit, also Abkühlen, als auch durch Erniedrigung der Viskosität,also Erwärmen, begünstigt. Es gibt daher für jeden Stoff einen Temperaturbereichoptimaler Keimbildungstendenz. <strong>Die</strong>ser liegt für unterkühlte Schmelzen 70 bis12O 0 C unter dem Schmelzpunkt. Ist der Schmelzpunkt unbekannt, hebt man mehrereProben bei verschiedenen Temperaturen auf oder läßt die gekühlte Substanz sich sehrlangsam erwärmen. -Lösungen sind, soweit es der Schmelzpunkt <strong>des</strong> Lösungsmittelserlaubt, prinzipiell bei tieferen Temperaturen aufzubewahren.Weiterhin versuche man, durch Änderung der Konzentration zum Ziel zu kommen,Auch hier ist positiv wirkende Konzentrationserhöhung mit negativ wirkender Viskositätserhöhunggekoppelt. Harzige oder dickflüssige Schmelzen müssen mit Lösungsmittelnverdünnt werden. Lösungen sind - schon um mit Sicherheit Übersättigungzu gewährleisten - einzuengen.In Zahlreichen Fällen führt ein Wechsel <strong>des</strong> Lösungsmittels zu spontaner Keimbildung.Bringen diese Maßnahmen keinen Erfolg, ist eine weitere Reinigung der Substanznötig. Impfkristalle erhält man in vielen Fällen z. B. dadurch, daß man einige Tropfender konzentrierten Lösung mit verschiedenen nicht mischbaren Lösungsmitteln imReagenzglas verreibt, also auswäscht, oder mit einem mischbaren schlechten Lösungsmittelportionsweise ausfällt und vom Niederschlag jeweils abgießt, oder durchDünnschichtchromatographie (siehe S. 91; der Substanzfleck kann ohne Elution zu-


70 Allgemeine Arbeitsanweisungensammen mit dem abgeschabten Trägermaterial zu einer Reagenzglasprobe gegebenwerden). - Sehr kristallisationshemmend sind Schliff-Schmiermittel. Schon <strong>des</strong>halbsollte man Schliffverbindungen nur sparsam damit einreiben (eventuell das untereViertel ganz frei lassen) und außerdem Flüssigkeiten nicht über noch geschmierteSchliffe ausgießen.Schließlich gibt es Verbindungen, die trotz Anwendung aller Tricks erst nach wochenlangemWarten auskristallisieren.Amorphe Festkörper müssen zum Kristallisieren übersättigt gelöst werden. - Dadie Kristallisation aus der Schmelze meist zu sehr unsauberen Substanzen führt, sindauch ölige Produkte möglichst vorher in Lösung zu bringen.Das Wachstum der Kristallkeime hat in unterkühlten Schmelzen ein Maximumzwischen 30 und 5O 0 C unterhalb <strong>des</strong> Schmelzpunkts.Filtrieren, Absaugen und ZentrifugierenGrobkörnige, schwere Niederschläge lassen sich am einfachsten durch Dekantieren,das heißt Abgießen, mehr oder weniger unvollkommen von überstehender Flüssigkeitbefreien. Zweckmäßig stellt man dafür das Gefäß schon zur Sedimentation möglichstschräg geneigt in einen Korkring.Für die Anwendung der drei weiteren Trennungsmöglichkeiten fester von flüssigenSubstanzen gelten ganz allgemein folgende Richtlinien:Filtrieren dann, wenn es auf die flüssige Phase ankommt. (Waschen größerer Rückständedirekt im Trichter ist kaum möglich.)Absaugen, wenn es auf die feste Phase ankommt. (Waschen größerer Rückständedirekt im Trichter ist gut möglich.)Zentrifugieren, wenn der Niederschlag sehr fein dispers ist oder die Mengen sehrklein sind. (Waschen der Rückstände ist sehr gut möglich.)Filtrieren:Zum Filtrieren werden in der organisch-präparativen Chemie fast ausnahmslos weicheFiltrierpapiere verwendet. <strong>Die</strong> Rundfilter sind nach dem Einlegen in den Glastrichtermit dem auch im Filtriergut vorhandenen Lösungsmittel anzufeuchten und am oberenRand fest anzudrücken. (Trichter zur Vermeidung der Krustenbildung am Filterrandso groß wählen, daß oberhalb <strong>des</strong> Filters noch l bis 2cm frei bleiben.) Sollte dasFiltrat anfangs trüb ablaufen und erst später, nachdem sich die größten Papierporenverstopft haben, klar werden, gießt man den unsauberen Anteil noch einmal aufsselbe Filter.Einige Probleme können beim Filtrieren heiß gesättigter Lösungen durch im Trichterauskristallisierende Feststoffe entstehen. Sie lassen sich weitgehend ausschalten,wenn man stets folgende Hinweise beachtet: Trichter mit sehr kurzem, nicht zu engemAuslaufrohr verwenden. Trichter bis zum letzten Moment vor seiner Benutzung imTrockenschrank vorwärmen. (Es gibt auch spezielle Dampf- und Heißwasserhei-


Absaugen 71zungen.) Filtriergut bis unmittelbar vor dem Aufgießen kräftig sieden lassen (dannunbedingt erst Flamme löschen!) und zwischendurch immer wieder ins heiße Bad(ohne Flamme!) stellen. (Griffige Wärmeschutz-Handschuhe anziehen.)Filtriergut im Trichter zur Einschränkung der Verdampfung mit Uhrglas abdecken.Verstopfen auskristallisierende Substanzen trotzdem das Filter, muß es mit frischemLösungsmittel ausgekocht werden.Größere Volumina können rascher durch Faltenfilter filtriert werden.Wenige, auf wässeriger Phase schwimmende, ölige Flüssigkeitstropfen lassen sichbei einiger Vorsicht in wasserdurchtränkten Filtern zurückhalten.Absaugen:Das Absaugen ist in der <strong>organischen</strong> Chemie das bevorzugte Trenn verfahren. Manbenutzt dazu im Normalfall die auf Abbildung 56 a gezeigte Apparatur aus Porzellannutsche(Saugtrichter) mit eingelegtem Rundfilter, Gummidichtung und dickwandiger,an die Wasserstrahlpumpen-Anlage angeschlossener Saugflasche. Das Rundfilter sollin der Regel auch hier aus weichem Papier bestehen.<strong>Die</strong> Nutsche gibt es in verschiedenen Ausführungen. Neben dem meist üblichenzylindrischen Büchner-Trichter (Abbildung 56 a) verwendet man zur Isolierung geringerMengen fester Stoffe (unter etwa 3 g) aus viel Flüssigkeit ebenfalls aus Porzellangefertigte konische Hirsch-Trichter (Abbildung 56 c). Nutschen aus Glas lassen sichleichter auf Sauberkeit kontrollieren. Für Substanzen, die das Filtrierpapier angreifen(z.B. starke Säuren und Laugen) muß eine Glasfilternutsche mit fein porösem Sinterglasboden(sogenannter „Fritte"; Abbildung 56b) benutzt werden. (Porenweite G 3 !ist für die meisten Zwecke richtig.) Auch Glasfritten werden von heißer konzentrierterNatronlauge oder Phosphorsäure angegriffen. Ihre Reinigung kann Schwierigkeitenbereiten. (Als letztes Mittel führt oft konz. Schwefelsäure mit ganz wenig Natriumperoxidzum Erfolg.)Abb. 56 a) 200-ml-Saugflasche mit Gummimanschette und Porzellannutsche; b) Glasnutsche mit Fritte;c) 10-ml-Saugrohr mit eingestellter Vorlage, Gummistopfen und Porzellannutsche; d) Porzellannutschemit Gummimanschette und geradem VakuumvorstoßTypenbezeichnung der Firma Schott & Gen.


72 Allgemeine Arbeitsanweisungen<strong>Die</strong> Saugflasche soll, damit nicht Teile <strong>des</strong> Filtrats direkt in die Pumpenanlage gesaugtwerden können, den Vakuumanschluß möglichst hoch angesetzt haben. Fürkleinere Mengen ist das Saugrohr (Saugreagenzglas, Saugfinger) am Platz, in dasman, falls das Filtrat weiterverarbeitet werden soll, zweckmäßigerweise ein Reagenzglasstellt; Abbildung 56c. (Zu kurze Auffanggläser sind durch ein passen<strong>des</strong> Korkstückanzuheben.) An Stelle der Nutsche kann hier ein Glastrichter mit passendemgelochtem Porzellanplättchen als Filterauflage benutzt werden. Wenn die Aufarbeitung<strong>des</strong> Filtrats geplant ist, eignet sich besonders die Kombination einer Nutschemit dem geraden Vakuumvorstoß gemäß Abbildung 56 d.Als Dichtung sind gut passende konische Gummimanschetten (s. Abbildung 56 a, d)den dicken gelochten Gummischeiben vorzuziehen.Das Absaugen geht so vor sich: Man setzt die Apparatur zusammen, legt ein passen<strong>des</strong>Filter ein, stellt die Wasserstrahlpumpe an, befeuchtet das Filter und drücktes glatt, bis es völlig dicht aufliegt. Nun öffnet man den Hahn der Sicherheitsflascheweitgehend. (Der Unterdruck soll - speziell bei feinkörnigem Material - nur geringsein, damit es weder zum Aufsieden <strong>des</strong> Filtrats im Sauggefäß, noch zur Verstopfung<strong>des</strong> Filters durch ausfallende Substanzen kommt.) <strong>Die</strong> Suspension wird - anfangs aufdie Mitte <strong>des</strong> Filters - aufgegossen. Oft muß man dann die Nutsche erst in die Saugflaschedrücken, bevor sie sich selbst festsaugt. Stört ein Verdünnen mit Lösungsmittel,spült man die Reste im Vorratsgefaß mit bereits durchgelaufenem Filtrat aufsFilter. (Während der Substanzaufgabe soll der Rückstand nicht trockengesaugt werden.)Ist zum Schluß die Hauptmenge der Flüssigkeit abgesaugt, preßt man den halbtrockenenFiltrierkuchen zur Entfernung weiterer Flüssigkeitsreste mit einem Spateloder umgekehrten Glasstopfen in der Nutsche fest. Vor allem müssen entstehendeRisse sofort zugedrückt werden. - Es ist nicht ratsam, so lange Luft durch den Rückstandzu saugen, bis dieser völlig trocken ist, da dann die Verunreinigungen ebenfallsausfallen, sich Staub ablagert und die Autooxidation gefördert wird. Wo es die Löslichkeitsverhältnisseerlauben, kann man noch anhaftende schwerflüchtige Lösungsmitteldurch leichtflüchtige verdrängen (beispielsweise höhere Homologe durchniedere, Wasser durch Methanol, Alkohole durch Ether).In den weitaus meisten Fällen ist ein Waschen <strong>des</strong> Rückstands nötig. Man stellt dazudie Wasserstrahlpumpe ab, schabt nötigenfalls die noch feuchte Kristallmasse Schichtfür Schicht vorsichtig, ohne das Filter zu verletzen, auf, teigt sie in der Nutsche mit dereben nötigen Flüssigkeitsmenge zu einem dicken Brei an und saugt dann die Waschlösungscharf ab. Feste Kristallklumpen und grobe Kristalle, die Verunreinigungeneinschließen, werden in der Reibschale zerkleinert und angeteigt. Als Waschflüssigkeitnimmt man im allgemeinen das gleiche Lösungsmittel, das schon im Filtrat vorliegt.Sollte sich in diesem das Produkt zu leicht lösen, kühlt man es vorher (z. B. im Eis-Kochsalz-Bad). — Sorgfältiges, eventuell ein- bis dreimal wiederholtes Waschen hateinen hohen Reinigungseffekt, der nicht selten sogar ein weiteres Umkristallisierenerspart! <strong>Die</strong> Unsitte, gleichzeitig zu saugen und Waschflüssigkeit aufzugießen, vermindertmeistens nur die Ausbeute.Anschließend wird der Filterkuchen sofort auf ein Uhrglas gestürzt und das feuchte


Zentrifugieren 73Filter abgezogen. Würde man das Filter antrocknen lassen, ließe sich eine Verunreinigungdurch Papierfasern nicht vermeiden.Heiße Lösungen, die nur ganz wenig feste Verunreinigungen enthalten, lassen sichmit einiger Vorsicht sehr schnell mit der Nutsche klären. Man braucht dazu eine Saugflasche,die min<strong>des</strong>tens das Doppelte <strong>des</strong> Filtrats faßt, und einen sehr großenBüchner-Trichter. <strong>Die</strong> Saugflasche muß aus thermoresistentem Glas bestehen undauf eine wärmeisolierende Unterlage (z. B. Holz) gestellt werden. <strong>Die</strong> Nutsche ist imTrockenschrank vorzuwärmen. - Man gießt die kochendheiße Lösung (nach demLöschen aller Flammen!) bei ausnahmsweise vollem Wasserstrahlvakuum derart aufdie Mitte der Nutsche, daß das Filter zum Teil frei bleibt, also ständig Luft mit durchgesaugtwird.Muß unterhalb der Raumtemperatur abgesaugt werden, kühlt man die Nutsche inder Tiefkühltruhe oder - geschützt durch einen eng anliegenden Kunststoffbeutel -im Kältebad vor.Für besondere Fälle stehen Heiznutschen zur Verfügung, durch deren hohle Wandungensowohl heißes Wasser als auch Kühlsole langsam durchgedrückt oder durchgesaugtwerden kann.Zentrifugieren:Beim Zentrifugieren werden suspendierte Feststoffe nicht durch Filter, sondern alleinaufgrund ihrer höheren Dichte abgetrennt. <strong>Die</strong>ses Verfahren ist immer dann am Platz,wenn die festen Teilchen sehr fein dispers sind oder sehr kleine Mengen quantitativabgeschieden und gewaschen werden sollen (oder das Filtriergut das Filter beziehungsweisedie Glasfritte zersetzt).JAbb. 57 Spitzes 15-ml-Zentrifugenglas<strong>Die</strong> Suspensionen kommen in spezielle, für geringe Feststoffmengen unten spitzzulaufende (siehe Abbildung 57) Zentrifugengläser, die ihrerseits in den Rotor derZentrifuge eingesteckt werden. (Reagenzgläser sind nicht geeignet!) Um schwereUnfälle und Beschädigungen <strong>des</strong> Lagers auszuschalten, muß man die jeweils gegenüberliegendenGläser - bei den üblichen Laborzentrifugen auf weniger als ein Grammgenau - gegeneinander austarieren \ Läuft die Zentrifuge ungleichmäßig, ist sofort abzuschalten.Man läßt so lange rotieren, bis sich die Feststoffe als kompakter Kuchen abgesetzthaben und die überstehende Flüssigkeit völlig klar ist. Es ist falsch, den Rotor zurVerkürzung der Auslaufzeit zum Schluß zu bremsen, weil dadurch sowohl das Drehlagergefährdet, als auch die abgeschiedene Substanz wieder aufgewirbelt werdenkann.


74 Allgemeine ArbeitsanweisungenAnschließend wird die Flüssigkeit abgegossen; letzte Reste kann man mit einemFiltrierpapierröllchen wegsaugen. Zum Waschen braucht der Rückstand nicht ausdem Zentrifugenglas genommen zu werden.Für die üblichen Arbeiten im Praktikum reicht in den meisten Fällen eine einfacheHandzentrifuge aus.In Ultrazentrifugen lassen sich bei mehreren zehntausend Umdrehungen pro Minutesogar echt gelöste Makromoleküle abscheiden. Der zeitliche Ablauf <strong>des</strong> Sedimentationsvorgangskann in seinen einzelnen Phasen photographiert und zur Reinheitsprüfungoder Molekulargewichtsbestimmung ausgenutzt werden.UmkristallisierenDas Umkristallisieren, manchmal auch als Umlösen bezeichnet, ist das wichtigsteReinigungsverfahren für Feststoffe. Es beruht darauf, daß unsaubere Substanz ineinem siedenden Lösungsmittel gelöst wird und daraus in der Kälte gereinigt wiederauskristallisiert, während die beigemengten Verunreinigungen entweder in der Mutterlaugegelöst bleiben oder auch in der Siedehitze unlöslich sind, also vor dem Auskristallisierenabfiltriert werden können.Der Erfolg dieser Operation ist allein von der Auswahl <strong>des</strong> Lösungsmittels abhängig,für die hier folgende Richtlinien gelten:<strong>Die</strong> Substanz soll sich in der Kälte möglichst wenig, in der Siedehitze dagegen gutlösen. <strong>Die</strong> störenden Begleitstoffe sollen entweder in der Kälte gut löslich sein oderauch in der Wärme ungelöst bleiben. Das Lösungsmittel soll einen günstigen Siedepunkthaben. Tiefe Siedepunkte (E t her, Methylenchlorid, Aceton) verringern dienutzbare Temperatur spanne; hohe (Dimethylformamid, Essigsäure, Toluol) erhöhensie, verlangen jedoch entsprechend temperaturstabile Verbindungen und erschwerendas spätere Ab<strong>des</strong>tillieren. Wenn möglich, soll der Siedepunkt nicht höher liegen, alsder Schmelzpunkt der Substanz, da sich diese sonst beim Abkühlen ölig ausscheidet,Kristallisationen aus der Schmelze aber nur zu sehr unreinen Produkten führen.Wegen <strong>des</strong> besonders steilen Anstiegs der Löslichkeit/Temperatur-Kurven naheam Siedepunkt erhitzt man beim Umkristallisieren immer bis zum Sieden.Unter diesen Gesichtspunkten ist das Lösungsmittel durch Vorversuche zu ermitteln.Dabei sollte man prinzipiell halbquantitativ arbeiten. Das heißt, man übergießtin großen Reagenzgläsern jeweils ungefähr die gleiche Menge gut zerkleinertes Rohproduktmit einem abpipettierten Volumen Lösungsmittel - im Normalfall eine halbeSpatelspitze (etwa 25 mg) mit einem Milliliter - und schüttelt einige Minuten. Löstsich die Substanz nicht oder fast nicht, gibt man ein kleines Sie<strong>des</strong>teinchen zu undkocht kurze Zeit gelinde im Wasserbad beziehungsweise höher siedende Lösungsmittelmit der nötigen Vorsicht über einer winzigen Bunsenflamme (langes Reagenzglasbenutzen). Geht die Probe dabei in Lösung, untersucht man, wieviel weitereSpatelspitzen unter ganz schwachem Sieden noch gelöst werden können. - Hinweise


Umkristallisieren 75über eine gezielte Auswahl der Lösungsmittel liefert die mixotrope Reihe S .716. Ambesten probiert man zuerst nur die am häufigsten verwendeten aus, nämlich:Wasser, Ethanol, Essigester, Toluol, Benzinund geht dann folgerichtig zu den Zwischengliedern der mixotropen Reihe über. -Nur wenn sich auch unter diesen kein geeignetes Lösungsmittel finden läßt, sollteman versuchen, mit einem Lösungsmittelgemisch zum Ziel zu kommen. Das richtigeMischungsverhältnis bekommt man, indem man entweder den Feststoff im besserenLösungsmittel löst und in der Siedehitze so viel von dem schlechteren zutropft, wieohne Ausfallung möglich ist - oder umgekehrt die im schlechteren Lösungsmittelsuspendierte Substanz in der Siedehitze durch geduldiges schrittweises Zusetzen <strong>des</strong>besseren gerade eben zur Auflösung bringt. Man beachte, daß der Solvatationscharaktereines Lösungsmittelgemisches durchaus nicht immer zwischen dem derreinen Einzelkomponenten zu liegen braucht. <strong>Die</strong> im Vorversuch benutzte Substanzwird von den Lösungsmitteln befreit und zur Hauptmenge zurückgegeben.Für das eigentliche Umkristallisieren versetzt man die Rohsubstanz - nachdemman einige Impfkristalle zurückbehalten hat! - in einer passenden Rückflußapparatur(Größe nach Vorversuch abschätzen; eher zu groß als zu klein wählen) zuerst nur miteinem deutlichen Unterschuß an Lösungsmittel, kocht einige Minuten, unterbricht,gibt weiteres Lösungsmittel durch den Kühler zu (bei brennbaren FlüssigkeitenFlamme löschen; Trichter benutzen, damit nichts ins Bad fließt; neue Sie<strong>des</strong>teine einwerfen!), kocht erneut und wiederholt diesen Vorgang so oft, bis sich die Substanz ineinem geringen Überschuß gelöst hat. Für Analysenpräparate empfiehlt sich einestärkere Verdünnung; man erhält dann reinere Produkte. Große Kristalle (die sichnur sehr langsam lösen) oder unlösliche Rückstände können dazu verleiten, weitauszu viel Lösungsmittel einzugießen. Im Zweifelsfalle dekantiere man ab und verbuche,den Rest getrennt in Lösung zu bringen.Durch unerwünschte Begleitstoffe gelb bis braun gefärbte oder getrübte Lösungensind an dieser Stelle mit Hilfe von Adsorbenzien zu entfärben beziehungsweise zuklären; siehe speziellen Abschnitt S. 77. - In der Siedehitze unlösliche Verunreinigungenwerden abfiltriert. Dann läßt man die Lösung am besten unbehelligt abkühlenund in Gegenwart einer Spur der anfangs zurückbehaltenen Impfkristalledie gereinigte Substanz sich kristallin ausscheiden. Anschließen<strong>des</strong> Einstellen in denKühlschrank, die Tiefkühltruhe oder ein Kältebad vergrößert den Ertrag (aber auchdie Gefahr, daß unerwünschte Begleitstoffe mit ausfallen).Man beachte den Kristallisationsvorgang: Scheiden sich anfangs gefärbte, unsaubereKristalle ab, dekantiert man die überstehende Mutterlauge zur weiterenreineren Kristallisation in ein zweites Gefäß. Fallen tiefschmelzende Verbindungenals Tröpfchen aus, kocht man - notfalls nach Zusatz von weiterem Lösungsmittel -erneut auf und sorgt dann durch Umwickeln <strong>des</strong> Gefäßes mit Tüchern oder besserEinstellen in ein großes Bad mit heißem Wasser für sehr langsame Abkühlung. <strong>Die</strong>Impfkristalle müssen in diesem Fall so oft zugegeben werden, bis sie gerade nichtmehr schmelzen oder in Lösung gehen.


76 Allgemeine ArbeitsanweisungenIst die Kristallisation (manchmal erst nach mehreren Tagen) beendet, wird mit derNutsche getrennt und der Rückstand gewaschen.An den Kristallen zäh haftende ölige Verunreinigungen können auf einem unglasiertenTonteller entfernt werden. Man breitet dazu die Substanz mehrmals hintereinanderüber den Teller aus, ohne sie dabei zu zerdrücken oder fest anzupressen!und wartet, bis der kapillaraktive Ton alle zähflüssigen Bestandteile abgesaugt hat.Einige Lagen glattes Filtrierpapier leisten ähnliche <strong>Die</strong>nste. (Aufpassen, daß nichtSchmutz, Wachs oder Farbe vom Labortisch durchs Papier schlägt.) Der Tontellerwird auch oft dafür verwandt, kleine Substanzmengen zur Schmelzpunktbestimmungrasch von restlicher Mutterlauge zu befreien und dann durch Auftropfen von frischemLösungsmittel direkt auf dem Teller zu waschen (siehe S. 117).Mutterlauge und Waschflüssigkeiten dürfen, da sie noch erhebliche Anteile dergewünschten Verbindung enthalten können, in der Regel nieht weggegossen werden,sondern sind zu vereinigen, wiederum zu einer annähernd heiß gesättigten Lösungeinzudampfen und zur Kristallisation abkühlen zu lassen. <strong>Die</strong> so gewonnenen weiterenKristallfraktionen sind meist weniger rein, können also nicht ohne weiteres mitdem primären Kristallisat vereinigt werden.In Ausnahmefällen gelingt es, durch mehrfaches Umkristallisieren aus der von Malzu Mal weiter eingeengten Mutterlauge neben der ersten noch eine zweite Verbindungrein zu erhalten. Durch die sogenannte ,fraktionierte Kristallisation"'' werdenmehrere nach diesem Prinzip gewonnene Kristallfraktionen zur weiteren Trennungerneut umkristallisiert und zwar unter Benutzung jeweils der Mutterlauge der vorhergehendenFraktion als Lösungsmittel für die darauffolgende.Verbindungen, die sich in allen Lösungsmitteln auch bei deren Siedetemperaturnur ungenügend lösen und längeres Erhitzen unbeschadet vertragen, können im Heißextraktor(siehe S. 59) umkristallisiert werden. Sie fallen dabei aus der heiß gesättigtenLösung im Siedekolben aus.Das Umkristallisieren ist so oft zu wiederholen, bis der geforderte, anhand <strong>des</strong>Schmelzpunkts (siehe Kapitel 18) leicht nachzuprüfende Reinheitsgrad erreicht ist.Abschließend sollten die gereinigten Kristalle zur Kontrolle und zur Beschreibungihrer Struktur für das Arbeitsprotokoll möglichst unter dem Mikroskop oder einerstärkeren Lupe betrachtet werden.UmfallenVerbindungen, die nicht umkristallisiert werden können, weil sie sich in der Wärmezersetzen oder weil ihre Löslichkeit nicht mit der Temperatur zunimmt, lassen sichmanchmal durch Umfallen reinigen.Man versetzt dazu die kalte Lösung <strong>des</strong> Stoffs behutsam so lange mit einem zweitenmischbaren schlechteren Lösungsmittel, bis gerade eine erste Trübung zu erkennenist. Es scheiden sich dann nach einiger Zeit (manchmal nach mehreren Stunden)Kristalle aus. <strong>Die</strong>se sind auf jeden Fall erst abzutrennen, bevor man durch Wieder-


Entfärben und Klären von Lösungen 77holung der Prozedur versucht, weitere (häufig stark verunreinigte) Kristallfraktionenzu gewinnen.Beispiele für geeignete Lösungsmittelpaare sind (siehe S. 110):Methanol, Ethanol oder Aceton plus Wasser;Aceton, Essigester, Ether oder Chloroform plus Methanol oder Petrolether.Entfärben und Klären von LösungenOrganische Zersetzungsprodukte, die als gelbe bis braune Verfärbungen oder nichtabfiltrierbare kolloide Trübungen zu erkennen sind, können (wegen ihrer Neigung,sich an die aktiven Kristallzentren anzulagern) die Kristallisation aus Lösungen erheblichstören. Da es sich bei diesen Verunreinigungen fast ausschließlich um Polymerehandelt, die aufgrund ihrer Größe besonders adsorptionsaktiv sind, bietet derZusatz von Adsorbenzien meist ein bequemes Mittel zu ihrer Beseitigung.Wegen der sehr guten Adsorptionseigenschaften und chemischen Indifferenz wirdzum Entfärben fast ausschließlich Aktivkohle benutzt. Ihre Wirksamkeit ist in polarenLösungsmitteln am größten und nimmt in der Reihenfolge:Wasser > Methanol > Ethanol > Aceton > Chloroformab.Zur Beseitigung selbst feinster Trübungen hat sich neben Aktivkohle Kieselgur(Diatomeenerde, „Celite") besonders bewährt. Daneben ist für die gleichen Zweckeauch Filterschnitzelbrei (in der Reibschale lösungsmittelfeucht zerfasertes Filtrierpapier)geeignet.Im allgemeinen werden diese Hilfsstoffe den zu reinigenden Lösungen in der Hitzezugesetzt, min<strong>des</strong>tens 10 bis 15 min mitgekocht und dann heiß abfiltriert.Man darf jedoch Adsorbenzien nie zu überhitzten Lösungen geben; sie heben Siedeverzügefast explosionsartig auf! Aus Aktivkohle werden außerdem in der Wärmegrößere Mengen Luft freigesetzt, die die Flüssigkeit heftig aufschäumen lassen! Manläßt <strong>des</strong>halb kochende Lösungen erst etwas abkühlen, schüttet dann das Adsorbensin kleinen (!) Anteilen unter Umschwenken ein und erhitzt nun erneut etwa drei min(nur hochviskose Systeme brauchen mehr Zeit) zum Sieden. <strong>Die</strong> oberflächenreichenAdsorbenzien fördern die Zersetzung, unnötig längeres Kochen sollte daher vermiedenwerden. Um unerwünschte Oxidationen zu verhindern, ist die Kohle bei Behandlungleicht oxidabler Verbindungen vorher durch Kochen mit wenig reinemLösungsmittel zu entlüften. Falls beim anschließenden Heißfiltrieren die feinpulverisierteKohle teilweise durchs Filter läuft, gibt man zusätzlich etwas Kieselgur oderFilterschnitzelbrei in die Lösung.Der gleiche Reinigungseffekt läßt sich erzielen, wenn man die Adsorbenzien ohnezu erwärmen bei Raumtemperatur einrührt; nur dauert es dann lange, bis sich dasAdsorptionsgleichgewicht eingestellt hat.


78 Allgemeine ArbeitsanweisungenZur Beseitigung leichter Trübungen oder schwacher Verfärbungen reicht meist eineSpatelspitze Kohle pro 100 ml Lösung aus. Als Tröpfchen ausfallende ölige Schmierenerfordern wesentlich mehr. Nimmt man zu viel, besteht die Gefahr, daß erheblicheAnteile <strong>des</strong> Hauptprodukts mit adsorbiert werden, deren Rückgewinnung (durchDesorption mit möglichst unpolaren Lösungsmitteln) Schwierigkeiten bereitet.ZonenschmelzenDas Zonenschmelzen * basiert auf der Tatsache, daß unreine Feststoffe tiefer schmelzenals reine. (Bildung von Eutektika.)In der <strong>Praxis</strong> füllt man die zu reinigende Substanz in ein dünnes, langes Rohr undzieht dieses ganz langsam nach unten durch einen kleinen elektrischen Ringofen miteiner oder mehreren übereinander liegenden schmalen Heizzonen, deren Temperaturden Feststoff gerade eben zum Schmelzen bringt. Dabei reichern sich die Verunreinigungenvorzugsweise in den flüssigen Bereichen an und wandern mit diesen zumoberen Rohrende.<strong>Die</strong> Anwendung dieses Verfahrens beschränkt sich auf kleine Mengen entsprechendthermostabiler Verbindungen mit nur geringen Anteilen an Fremdstoffen, führt dannjedoch zu sehr reinen Produkten.ChromatographieAllen chromatographischen Verfahren ist gemeinsam, daß das aufzutrennende Substanzgemischmit speziellen Lösungsmitteln oder in Gasform als „mobile Phase" übereine aus oberflächenreichen Feststoffen bestehende »stationäre Phase" hinwegströmtund dabei aufgrund unterschiedlicher Affinitäten zu den beiden Phasen in seineKomponenten zerlegt wird. 2Je nach den praktischen Anwendungsformen unterscheidet man zwischen:Säulenchromatographie,Dünnschichtchromatographie,Papierchromatographie,Gaschromatographie undFlüssigchromatographie.1 H.Schüdknecht, Zonenschmelzen, Verlag Chemie GmbH, Weinheim/Bergstr. 1964; G.Hesse und H.Schildknecht, Angew. Chem. 68, 64 (1956).2 G. Hesse, in Methoden der Analyse in der Chemie, Band 6, Academische Verlagsanstalt, Frankfurt amMain.E. Heftmann, Chromatographie, Reinhold Publ. Corp., New York.


Arten der Chromatographie 79In der Säulenchromatographie fließt die mobile Phase durch senkrecht stehende,mit fein- bis grobkörnigen Feststoffen gefüllte Glasrohre. Schichtchromatographie(mit flächenartig auf Platten fixierter stationärer Phase) und Papierchromatographie(mit speziellem Filtrierpapier als festem Träger) sind sogenannte „offene Systeme"bei denen das Lösungsmittel durch Kapillarkräfte über die vorher aufgetragenen Substanzgemischehinweggezogen wird. Bei der apparativ anspruchsvolleren Gaschromatographiewerden die Stoffgemische gasförmig von einem Trägergas rasch durchlängere dünne Rohre transportiert. Der analoge Vorgang mit flüssigen Phasen wirdals Flüssigchromatographie bezeichnet.<strong>Die</strong> physikalisch-chemischen Phänomene, die diesen Anwendungstechniken zugrundeliegen, sind:Adsorption,Verteilung,lonenaustausch undHohlraumdiffusion (Gelchromatographie).Das Adsorptionsverfahren wird meistens zur Isolierung lipophiler Substanzen eingesetzt.Dem Verteilungsverfahren sind vorwiegend Gemische polarer, also wenigerlipophiler Stoffe zugänglich. Beim lonenaustausch verfahren werden elektrisch geladeneTeilchen nach Maßgabe ihrer Ladungsmenge voneinander getrennt. DasHohlraumdiffusionsverfahren macht Trennungen aufgrund unterschiedlicher Molekülgrößemöglich. - <strong>Die</strong>se vier Prinzipien treten nie völlig rein in Erscheinung, je<strong>des</strong>wird stets mehr oder weniger stark von den übrigen überlagert.Wesentliches Merkmal der Chromatographie ist, daß bei ihr (durch Anwendungeiner sehr oberflächenreichen stationären Phase) die Zahl der offenen Gleichgewichtsschritteund damit der Wirkungsgrad außerordentlich hoch ist.AdsorptionschromatographieBei der Adsorptionschromatographie 1 besteht die stationäre Phase aus fein gepulverten,standardisierten Adsorptionsmitteln. <strong>Die</strong>se halten während <strong>des</strong> Chromatographievorgangsdie im Lösungsmittel vorbeiströmenden Substanzen entsprechendderen Verhalten im Adsorptionsgleichgewicht verschieden stark zurück. Unterscheidensich die Einzelkomponenten genügend in ihren Affinitäten zum Adsorbens,kommt es dabei zur Ausbildung diskreter Substanzzonen, welche sich im Laufe ihrerWanderung immer weiter voneinander entfernen.Abbildung 58 läßt die Ausbreitung zweier verschieden stark adsorbierter Substanzzonenim Chromatographierohr erkennen. Im Idealfall (a) würden die einzelnen Zo-1 G.Hesse, Methoden der Organischen Chemie, (Houben-Weyl-Müller), 4.Aufl., Bd. ///, S. 465, Thieme,Stuttgart 1958.


80 Allgemeine ArbeitsanweisungenLaufrichtung *•Abb. 58 Ausbreitung zweier Substanzzonen bei der Adsorptionschromatographie; a) im Idealfall, b)unter Berücksichtigung von Diffusion und unvollständiger Gleichgewichtseinstellung; c) im Realfall(rechts stärker, links weniger stark adsorbierte Substanz)nen mit einheitlicher Konzentrationsverteilung und konstanter Breite - die um sogrößer ist, je geringer die Substanz festgehalten wird - durch die ganze Säule wandern.Tatsächlich lassen Diffusion (abnehmend) und unvollständige Gleichgewichtseinstellung(zunehmend mit wachsender Chromatographiegeschwindigkeit) diese rechteckigenKonzentrationsprofile glockenförmige Gestalt (Gauß-Verteilung) annehmen(b). Da die meisten Substanzen keine linearen, sondern gekrümmte Adsorptionsisothermehaben, das heißt in verdünntem Zustand relativ stärker festgehalten werden,ziehen sie einen (während der Wanderung immer länger werdenden) Schwanzhinter sich her (c).Von einigen Ausnahmen abgesehen werden für die Adsorptionschromatographienur polare (oxidische) Adsorbenzien verwandt. An diesen haften die Adsorbate naturgemäßum so stärker, je polarer oder polarisierbarer sie sind. Gesättigte Kohlenwasserstoffewerden praktisch nicht festgehalten. <strong>Die</strong> Wirkung funktioneller Gruppen- die etwa in der Reihenfolge:-Hal


Adsorptionschromatographie, eluotrope Reihe 81gestatten ein Ausweichen, wenn saure oder basische Trennsubstanzen vom amphoterenneutralen Aluminiumoxid zu fest als Salze gebunden würden. (Schüttdichte ca.l ml/g.) - <strong>Die</strong> hohe Adsorptionskraft der scharf getrockneten Aluminiumoxide kanndurch Belegen der aktivsten Stellen mit Wasser in gewünschtem Umfang herabgemindertwerden. Nach einer Standardisierung unterscheidet man folgende Aktivitätsstufen:Aktivitätsstufe I II III IV VProzent Wasser 0 3 6 9 18Zur gezielten Desaktivierung verteilt man die nötige Menge Wasser durch Umschwenkenauf der Innenfläche einer Pulverflasche, gibt das Aluminiumoxid derAktivitätsstufe I zu, verschließt die Flasche, schüttelt bis der Inhalt homogen fließtund wartet mehrere Stunden.Kieselgel (Silikagel) ist ebenfalls ein kräftiges Adsorptionsmittel; seine Aktivitätkann je nach Herstellerfirma stark schwanken. Wässerige Aufschlämmungen reagierenschwach sauer. (Schüttdichte ca, 2 ml/g.) - <strong>Die</strong> seltener verwendeten Kieselgure(Diatomeenerde; „Celite") adsorbieren nur schwach.Zur Erhaltung ihrer Aktivität sind diese Adsorbenzien sorgfältig vor Luftfeuchtigkeitzu schützen.<strong>Die</strong> auf S. 85 beschriebenen Dextrangele sind ebenfalls als Adsorbenzien geeignet.Das die mobile Phase bildende „Fließmitter übt einen zweifachen Einfluß auf dieTrennung aus: Erstens - und hauptsächlich - tritt es als Konkurrent um die aktivenAdsorptionsstellen auf, zweitens zieht es aufgrund seines Solvatisierungsbestrebensdie Substanzen an sich. Für seine Auswahl leistet die empirisch ermittelte eluotropeReihe gute Hilfe. In ihr sind die Lösungsmittel nach zunehmender Adsorptionstendenz(Eluierkraft) an polaren Adsorbenzien - also nach wachsender Polarität - angeordnet.Vergleiche mixotrope Reihe auf S.716.Petrolether < Cyclohexan (2,0) < Tetrachlorkohlenstoff (2,3) < Trichlorethylen(2,1) < Toluol (2,3) < Benzol (2,2) < Methylenchlorid (8,4) < Chloroform (5,1)


82 Allgemeine Arbeitsanweisungentivitätsskala) und Alkohole lassen sich am einfachsten durch Filtration über einetrockene Aluminiumoxid-Säule entfernen (siehe S. 108). Man beachte, daß handelsüblichesreines Chloroform 0,5 bis 1% Stabilisierungs-Alkohol enthält. Bei niedrigsiedendenLösungsmitteln (Ether, Methylenchlorid, Petrolether) macht sich oft einteilweises Verdampfen während <strong>des</strong> Chromatographierens störend bemerkbar.Aceton neigt in Gegenwart von Aluminiumoxid zur Eigenkondensation (Diacetonalkohol,Mesityloxid).Zusammenfassend gilt:Je polarer (polarisierbarer) die zu trennenden Substanzen, <strong>des</strong>to polarer (polarisierbarer)soll das Fließmittel und <strong>des</strong>to weniger aktiv das Adsorbens gewählt werden.Verteilungschromatographie<strong>Die</strong> Verteilungschromatographie 1 hat sich besonders zur Trennung hydrophilerSubstanzen bewährt. Sie bietet daher eine wertvolle Ergänzung zur Adsorptionschromatographie.Ihre Wirkung beruht auf einer Verteilung der Substanzen zwischenzwei flüssigen Phasen, von denen die eine an einem fein verteilten festen Träger fixiertist und die andere an dieser vorbeiströmt. Im Gegensatz zur Adsorptionschromatographieist hier das Fließmittel also immer ein Lösungsmittelgemisch. Eine mittelgroßeChromatographiesäule hat über 10000 „theoretische Böden". - <strong>Die</strong> physikalischenGrundlagen sind prinzipiell die gleichen wie bei der - bereits oben behandelten- multiplikativen Verteilung. Für die Konzentrationsverteilungen innerhalbder einzelnen Substanzen gilt die Kurve b der Abbildung 58 (Abweichungen zurKurve c deuten auf Mitwirkung von Adsorption hin).Als Träger für die stationäre Phase werden benutzt:Spezielle Sorten Filtrierpapier.Cellulosepulver. (<strong>Die</strong>ses ist besonders geeignet zur Übertragung papierchromatographischgewonnener Ergebnisse auf die Säulenchromatographie.)Silicagel und Kieselgur.Dextrangel (siehe S. 85).<strong>Die</strong> Lösungsmittelgemische bestehen aus einem weniger polaren <strong>organischen</strong> Anteil,in dem ein stark polarer — fast immer wässeriger — gelöst ist. Der Trägerstoff zieht ausdieser Mischung bevorzugt die polare Komponente an sich, so daß diese in der stationärenPhase angereichert ist und die mobile Phase lipophileren Charakter hat.Aus der Fülle der ausprobierten seien hier einige besonders in der Papier- undDünnschichtchromatographie altbewährte Lösungsmittelsysteme zusammengestellt:n-Butanol/Eisessig/Wasser (60:15:25; wegen Veresterung nicht lange haltbar)Phenol/Wasser (80:20; Vorsicht; ätzt sehr stark!)n-Propanol/Essigester/Wasser (60:10:30)Isopropanol/konz. Ammoniak/Wasser (60:30:10).1 Siehe Literaturzitate 2 aus S. 78 und * aus S. 91.


Verteilungs- und lonenaustauschchromatographie 83Mit diesen Systemen können nur solche Verbindungen getrennt werden, die sich inder polaren stationären Phase wesentlich leichter lösen als in der mobilen. Dabei sindfür stark polare Substanzen (z. B. Zucker) Lösungsmittelgemische mit stärker polarem,organischem Anteil zu benutzen. Um Gleichgewichtsverschiebungen zu unterdrücken,werden Säuren und saure Salze in sauren, Basen und basische Salze in neutralenoder schwach basischen Lösungsmitteln entwickelt. Im allgemeinen ist manbei der Wahl <strong>des</strong> geeigneten Mischungssystems auf die zahlreichen Literaturangaben 1oder auf Vorversuche (z.B. mit Dünnschichtchromatographie; siehe S. 91) angewiesen.<strong>Die</strong> Trennung hydrophober Substanzgemische durch Verteilungschromatographieist kaum üblich. Sie verlangt „umgekehrte Phasen" ("reversed phases"), das heißtSysteme mit lipophiler stationärer und hydrophiler mobiler Phase. Das Trägermaterialmuß zu diesem Zweck z. B. durch Imprägnieren mit Silicon- oder Paraffinöl oderdurch partielles Acetylieren der Hydroxylgruppen <strong>des</strong> Papiers beziehungsweise <strong>des</strong>Cellulosepulvers hydrophobiert werden. Beim Fließmittel muß der wässerige Anteilüberwiegen.lonenaustauschchromatographieBei der lonenaustauschchromatographie 2 treten die Trennsubstanzen durch Ionen-Beziehungen mit der stationären Phase in Wechselwirkung. <strong>Die</strong> feste Phase bestehthier aus gekörnten (am besten perlförmigen) Kunstharzen vom Polystyrol-, PoIyvinyl-oder Bakelit-Typ mit sauren beziehungsweise basischen Substituenten oderaus Cellulose - einschließlich Filterpapier - und Dextrangelen (siehe S. 91), derenHydroxylgruppen teilweise mit Säuren beziehungsweise Basen verethert sind. Saureund basische Aluminiumoxide haben ebenfalls Austauschereigenschaften.Kationenaustauscher enthalten stark saure Sulfonsäuregruppen, Carboxylgruppenoder (sehr selten) schwach saure phenolische Hydroxylgruppen, die sie zur Salzbildungmit Kationen befähigen:PoIy-SO 3 - X + PoIy-COs X + Poly-arora-O' X +1 Siehe Literaturzitate 2 aus S. 78 und 1 aus S. 91.2 K. Dorfner, lonenaustausch-Chromatographie, 3. Aufl., Walter de Gruyter & Co, Berlin 1970; R. Grießbachund G.Naumann, Methoden der Organischen Chemie, (Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl., Bd. ///,S. 521, Thieme, Stuttgart 1958.


84 Allgemeine ArbeitsanweisungenBeispiele:stark [-SO 3 H]maxtpHmval/gAmberlite IR 120Dowex 50Lewatit S 100120 C150 C120 C1-141-141-144,25,44,8schwach [— COOH]Amberlite IRC— 50Duolite CS 100120 C100 C5-145-141010,2(max t = höchst zulässige Arbeitstemperatur; pH = zulässiger pH-Bereich; mval/g = Austausch-Kapazität)Anionenaustauscher enthalten stark basische quartäre Ammoniumgruppen oderschwach basische Aminogruppen, die Anionen festhalten:PoIy-N(R) 3 Y-PoIy-N(R) 2 HY-Beispiele:sehr stark [-N(CH 3 J 3 ]maxtpHmval/gAmberlite IRA-400Dowex 1Lewatit M 50075 0 C15O 0 C7O 0 C1-141-141-143,33,64,0stark [— N(Alkyl) 2 Alkylol]Amberlite IRA-410Dowex 2Lewatit M 6005O 0 C15O 0 C4O 0 C1-121-141-143,13,73,7schwach [-N(R) 2 ]Amberlite IR-45Dowex 3Lewatit MP 6010O 0 C65 0 C10O 0 C1-91-91-95,05,56,3Als Fließmittel, zur schrittweisen Elution der in lonenform gebundenen Substanzen,werden Säuren, Basen, Puffer oder Salze in wässerigen Lösungen benutzt, derenlonenkonzentrationen während <strong>des</strong> Entwickeins stufenweise oder besser kontinuierlicherhöht werden muß; siehe „Gradiententwicklung" S. 89. - <strong>Die</strong> lonenaustauschchromatographieist hervorragend geeignet zur Trennung von Aminosäuren, Peptiden,Proteinen oder Nucleotiden.Alle Austauschharze haben Gelcharakter (mit zwei- bis dreifachem Quellvolumenje nach Vernetzungsgrad). Man beachte, daß sich ihre Volumina beim Austauschvorgangändern können. - <strong>Die</strong> gequollenen Harze sind vor der ersten Benutzungunter Aufschlämmen in Wasser von kleinen Schwebeteilchen zu befreien sowie durchwiederholtes Umladen (zwischen „H-Form" beziehungsweise „OH-Form" und „Salzform")mit verdünnten Säuren und Basen oder Salzlösungen, am besten in einem


Ionenaustauscher, Gelchromatographie 85Chromatographierohr, zu aktivieren und in die gewünschte Anwendungsform zubringen. <strong>Die</strong> Vorschriften hierfür sind je nach Harztyp verschieden; man halte sich andie Anweisungen der Herstellerfirmen. Gebrauchte Austauscher sind nach entsprechendemUmladen sofort wieder verwendungsfähig. Ihre Haltbarkeit ist (solangeman sie feucht hält) praktisch unbegrenzt.<strong>Die</strong> Austauscherharze können auch außerhalb der Chromatographie eingesetztwerden:zur Entsalzung in Chromatographiesäulen („entsalztes Wasser") oder in Schüttelkolben(„batchwise")oder als heterogene saure beziehungsweise basische Katalysatoren.Eine Sonderstellung zwischen den Adsorbenzien und Ionenaustauschern nehmensynthetische Polyamide * (Nylon, Perlon) ein. Sie halten H + -Donatoren wie vor allemPhenole durch Wasserstojförückenbindung zurück. Entwickelt wird hier mit wässerigenLösungen von Alkohol < Aceton < Formamid < Dimethylformamid (steigendeElutionskraft), die als Konkurrenz-Akzeptoren wirken.Hohlraumdiffusion (Gelchromatographie)Eine chromatographische Trennung allein nach der Molekülgröße ist mit Hilfe poröserTrägermaterialien möglich 2 . In der <strong>Praxis</strong> benutzt man Dextrane (1,6-Polyglucosen),die durch Quervernetzung der Hydroxylgruppen (über Etherbrücken) in wasserunlösliche,aber quellbare Gele mit unterschiedlichen Porengrößen umgewandeltworden sind. Solche Dextrangele werden (zu ziemlich hohem Preis) gestaffelt nachVernetzungsgrad in Form kleiner Perlen oder Körner unter dem Markennamen„Sephadex" 3 angeboten. - Daneben sind auch mit N,]V'-Methylendiacrylamid vernetztePolyacrylamidgele 4 im Gebrauch.Das in Wasser gequollene Gel bildet die stationäre Phase, Wasser selbst die mobile.Während <strong>des</strong> Chromatographierens strömen die größeren Substanzmoleküle, welcheoberhalb einer vom Vernetzungsgrad abhängigen ,Ausschlußgrenze", keine passendenPoren finden, ungehindert am Gel vorbei. <strong>Die</strong> kleineren finden dagegen auf ihremWeg mit abnehmender Größe zunehmend mehr Zugang zu dem im Gelkorn befindlichenWasser; ihnen steht neben dem „äußeren" auch noch ein „inneres Flüssigkeitsvolumen"zur Verfügung. Sie passieren die stationäre Phase also entsprechend langsamerals die größeren („Molekularsieb"-Wirkung). - Auch im <strong>organischen</strong> Lösungsmittelzu verwenden ist „Sephadex LH".<strong>Die</strong> Säulen-Gelchromatographie erfordert sehr lange Rohre (siehe S. 86). Über1 H. Endres und H. Hörmann, Angew. Chem. 75, 288 (1963).2 H. Determann, Gelchromatography, 2.Aufl„ Springer Verlag, Berlin, Heidelberg, New York 1969.3 Firma Pharmacia, Uppsala, Schweden; deutsche Vertretung in Frankfurt am Main.4 „Bio-Gel" der Firma: Bio-Rad Laboratories, Richmond/USA.


86 Allgemeine Arbeitsanweisungendie Vorbehandlung (Quellen) und Anwendung der verschiedenen Gelsorten unterrichtetman sich am besten aus den ausführlichen Firmenprospekten.Eingesetzt wird die Gelchromatographie vorwiegend zur Trennung mono-, oligoundpolymerer Syntheseprodukte oder Naturstoffe voneinander sowie zum Entsalzenhydrophiler Verbindungen. Mit Hilfe entsprechender bekannter Vergleichssubstanzenist auch eine Molekularmassebestimmung von Makromolekülen möglich.Säulenchromatographie<strong>Die</strong> Säulenchromatographie wird vor allem zur Trennung größerer Chargen herangezogen.Ihr wesentlichster apparativer Teil, die Säule, besteht aus einem unten ver-Abb. 59 a) Chromatographiesäulemit aufgesetztem Tropftrichter;b) mit Mariottescher Flasche


Säulenchromatographie 87jungten Glasrohr mit eingelegter Siebplatte, eingeschmolzener Sinterglasscheibe oder(für enge Rohre besser und einfacher) einem Glaswattepfropfen als Boden; siehe Abbildung59. Der tote Raum zwischen Boden und Auslaufrohr soll möglichst kleinsein, das Auslaufrohr selbst nur einen Millimeter lichte Weite haben.<strong>Die</strong> Abmessungen dieser Säulen können, der Vielfalt ihrer Einsatzmöglichkeitenangepaßt, sehr unterschiedlich sein. Im Labor finden sowohl kurze Tropfpipetten alsauch 20 cm dicke oder mehrere Meter lange Rohre Verwendung. <strong>Die</strong> jeweils optimaleGröße kann nur durch Vorversuche (in verkleinertem Maßstab) ermittelt werden. —Im allgemeinen liegt das günstigste Verhältnis von Säulendurchmesser zu Säulenlängezwischen l: 10 und l: 20 (für Gelchromatographie l: 100).<strong>Die</strong> Säulen sind exakt senkrecht aufzubauen, längere unter Benutzung eines Lotes.Sehr wichtig für den Erfolg der Chromatographie ist die völlig gleichmäßige Verteilung<strong>des</strong> Füllkörpers. Inhomogene stationäre Phasen lassen die Substanzen nicht alswaagerechte Banden, sondern als gezackte, sich überlappende Zonen durchlaufen.Vor dem Füllen der Säule deckt man die Bodenplatte mit einem Rundfilter ab, beziehungsweiseverschließt man den Auslauf mit einem kleinen Watte- oder Glaswattebauschin der Weise, daß man die Glaswatte mit dem Fließmittel zum Boden spült,den Auslauf schließt, etwas Fließmittel nachgießt und die Glaswatte dann mit einemStab oder Schlauch blasenfrei waagerecht glatt drückt; siehe Abbildung 59. Es empfiehltsich, darüber eine 2 cm hohe Schicht Seesand zu füllen.Für die Verteilungs-, die Ionen- und die Gelchromatographie wird das feste Füllmaterialstets naß m die Säule eingeschlämmt. Dazu stellt man sich mit Hilfe <strong>des</strong> späterzu benutzenden Lösungsmittels eine gerade noch gut gießbare, klumpen- und blasenfreieSuspension her und schüttet diese an der Säuleninnenwand entlang so langsamein, daß der Teil <strong>des</strong> Lösungsmittels, der den Brei zum Überlaufen bringen würde,zwischendurch unten abtropfen kann. (Eventuell klaren Überstand absaugen.) Wichtigist, daß während <strong>des</strong> Füllens immer drei Schichten nebeneinander bestehen, nämlichabgesetztes Material, sich absetzende Dispersion und reines Lösungsmittel. Solltedie mittlere Dispersionszone fehlen, muß die Füllmaterialoberfläche vor weitererZugabe erst wieder mit einem Stab aufgewirbelt werden. - Ist die Durchflußgeschwindigkeitderart hergestellter Säulen zu klein, füllt man bei geschlossenem Auslauf undsaugt den Lösungsmittelüberschuß von oben mit einem Saugball oder einer Wasserstrahlpumpeweg. <strong>Die</strong> langsamere Sedimentation führt zu weniger kompakten Füllungen.Adsorbenzien können im allgemeinen auf die gleiche Weise eingefüllt werden. Nurwenn sich aufgrund zu hoher Dichteunterschiede keine breiige Suspension herstellenläßt, sollte man die Adsorbenzien trocken durch einen Trichter Stück für Stück jeweilseinen Zentimeter hoch in die Säule rieseln lassen und danach je<strong>des</strong>mal mit einemkolbenförmigen Stößel sorgfältig waagrecht feststampfen. Zum Schluß läßt man dasLösungsmittel durchsickern.<strong>Die</strong> Chromatographierrohre dürften nur so weit gefüllt werden, daß je nach Größenoch 5 bis 20 cm frei bleiben. (Bei Ionenaustauschern Volumenänderung einkalkulieren.)<strong>Die</strong> stationäre Phase muß für alle weiteren Operationen stets mit Lösungs-


88 Allgemeine Arbeitsanweisungenmittet bedeckt sein! Teilweise „trockengelaufene" Säulen sind unbrauchbar und müssenneu gefüllt werden.Für die Verteilungschromatographie ist die Säule nach dem Füllen zu äquilibrieren,das heißt, bis zur Gleichgewichts-Sättigung mit Lösungsmittel zu beladen. Der Füllkörperreichert sich zunächst mit Wasser an. Man läßt dazu das zur Trennung vorgeseheneLösungsmittel so lange durchlaufen, bis der Ablauf die Zusammensetzung <strong>des</strong>ursprünglichen Gemischs aufweist, was am einfachsten durch Vergleich der Brechungsindices(siehe S. 122) kontrolliert werden kann.Nachdem sich die Füllmaterialien abgesetzt haben, bedeckt man sie, um ein Aufwirbelnzu verhindern, mit einem passenden Filterpapier.<strong>Die</strong> auf diese Weise zur Trennung vorbereiteten Säulen müssen völlig homogen aussehen,dürfen also keine Flecke, Risse oder Luftbläschen zeigen. Der Versuch, diesedurch Rühren oder Stochern mit einem langen Glasstab zu entfernen, führt nur seltenzum Erfolg.Zur Substanzaufgabe läßt man den Flüssigkeitsspiegel (ausnahmsweise!) kurzfristigwenige Millimeter in die Füllung absinken und trägt dann das im gleichen Lösungsmittel(oder einem schwächer eluierenden) möglichst konzentriert gelöste Trenngemischvorsichtig mit einer Pipette so auf, daß es über die ganze Oberfläche gleichmäßigverteilt einsickert. (Am besten wenig geöffnete Pipette kreisend an der Rohrinnenwandentlang führen.) - Nun überschichtet man vorsichtig mit etwas Lösungsmittel,läßt den Spiegel durch kurzes Öffnen <strong>des</strong> Auslaufs gerade eben einsickern undgibt erneut etwas Lösungsmittel auf.<strong>Die</strong> Kapazität der Füllstoffe hängt weitgehend vom Trennproblem ab. Als Anhaltspunktekann für die Adsorption etwa l: 100 (lonenaustausch l: < 100), für die Verteilungetwa l: 1000 als günstigstes Gewichtsverhältnis zwischen Substanzgemisch undtrockenem Füllmaterial angenommen werden. Sind nur geringe Mengen einer sehrschnell oder sehr langsam wandernden Verunreinigung (z. B. hochpolymerer Harze)abzutrennen, ist die Kapazität natürlich sehr viel höher. - Viele Mißerfolge rührendaher, daß die Säule mit zu viel Substanz beladen wurde!Unmittelbar nach dem Aufbringen der Substanzen beginnt man mit dem „Entwickeln"(„Eluieren"), das heißt, man läßt so lange Lösungsmittel durchlaufen, bis(nach einigen Stunden) die Trennung erreicht ist. Dabei sorgt ein - möglichst mitdurchbohrtem Stopfen luftdicht aufgesetzter — Tropftrichter (siehe Abbildung 59 a)oder besser eine Mariottesche Flasche (siehe Abbildung 59 b) für konstanten Zulauf.<strong>Die</strong> Durchflußgeschwindigkeit soll im allgemeinen möglichst l bis 5 ccm pro cm 2Rohrquerschnitt pro Stunde betragen. Abweichungen vom Optimum führen zur Verbreiterungder Substanzzonen (siehe S. 80).Ist die Durchflußgeschwindigkeit zu groß, kann man den Ablauf mit einerSchlauch-Schraubklemme drosseln oder mit Hilfe eines längeren möglichst engenSchlauchs höher legen.Ist sie zu klein, kann man das Vorratsgefäß für den Zulauf höher legen. Am Auslaufbei geöffnetem Hahn der Sicherheitsflasche schwach zu saugen, birgt die Gefahr, daßsich in der Säule Lösungsmitteldampf- oder Luftblasen bilden.


Füllstoffe 89Um das Absetzen von Bläschen in der Säule zu verhindern, sollte man Wasser vorherz.B. an der Wasserstrahlpumpe entlüften.Bei dicken Säulen kann die Sorptionswärme das Innere der Füllung stärker erwärmen,so daß dort die Substanzen rascher wandern; ist das der Fall, muß die Durchflußgeschwindigkeitverringert werden.<strong>Die</strong> Durchflußgeschwindigkeit ist weitgehend von der Korngröße der Rohrfüllungabhängig. <strong>Die</strong>se Korngröße wird oft in „mesh" angegeben, was Anzahl Maschen proZoll eines genormten Siebgewebes bedeutet.Beispiele zum Vergleich zwischen mesh-Zahl (USA-Standard) und lichter Maschenweite:mesh-Zahlfinch- 1 ] 400 200 100 60 40 20 12Maschenweite [mm] 0,037 0,074 0,15 0,25 0,42 0,84 1,68<strong>Die</strong> Säulen sind vor direktem Sonnenlicht und stärkerer Wärmestrahlung zu schützen.Beide können asymmetrische Wanderung sowie Blasenbildung oder Entmischungder Fließmittel verursachen und begünstigen die Zersetzung der in adsorbiertem(also polarisiertem) Zustand besonders reaktiven Substanzen.Zur (nicht unbedingt nötigen) direkten Beobachtung <strong>des</strong> Trennvorgangs bei farblosenVerbindungen bieten sich folgende Hilfen an: Beleuchten fluoreszierender Stoffemit der UV-Handlampe; Verwendung von mit Fluoreszenzfarben belegten Adsorbenzien,deren Fluoreszenz im UV-Licht von den Adsorbaten geschwächt wird; Beladender Adsorbenzien mit speziellen Indikatoren.Im allgemeinen entwickelt man so lange, bis die gewünschten Substanzen nacheinanderam Rohrende austreten, und fangt sie getrennt auf (Durchlaufverfahren). <strong>Die</strong>klassische Methode - nur bis zur Auftrennung innerhalb der Säule zu entwickeln,dann das Lösungsmittel abzusaugen, die gesamte Füllung als „Wurst" aus dem Rohrzu stoßen, in entsprechende Teile zu schneiden und diese getrennt zu eluieren (Zonenverfahren)- wird heute fast nur noch in einer modifizierten, anwendungstechnischmehr zur Schichtchromatographie gehörenden Form angewandt (siehe S .96).Unterscheiden sich in der Adsorptionschromatographie die Substanzen sehr starkin ihrer Haftfähigkeit, erfordert das Durchlaufverfahren sehr große Lösungsmittelmengen.Man begegnet diesem Nachteil, indem man die Polarität <strong>des</strong> Elutionsmittelsstufenweise oder besser kontinuierlich erhöht. Bei der lonenaustauschchromatographieist eine solche sukzessive Veränderung der Konzentration oder/und <strong>des</strong> p H -Wertsder Elektrolytlösung meist unumgänglich. Für die kontinuierliche „Gradientenentwicklung"benötigt man ein Mischgefäß mit Rührer, an das in Art der Abbildungen 60und 61 ein zweites Vorratsgefäß angeschlossen ist. In das Mischgefäß kommt Fließmittelmit geringerer, in das Vorratsgefäß solches mit stärkerer Elutionskraft. Schaltetman zwei zylindrische Gefäße parallel (kommunizierend), wächst die lonenstärkelinear (mit einer Steilheit, die vom Verhältnis der Gefäßquerschnitte abhängt); Abbildung6Oa und b. Schaltet man zwei Gefäße hintereinander, wächst die lonenstärkelogarithmisch; Abbildung 61 a und b. Einen ähnlich progressiven Anstieg erhält man,wenn man im System der Abbildung 6Oa die Zulaufflasche durch einen (konischen)


90 Allgemeine ArbeitsanweisungenAusflußmengebAbb. 60 Lineare Gradientenentwicklung;a) Mischgefäß mit Magnetrührer undZulaufgefäß parallel geschaltet;b) dazugehöriges lonenstärke-DiagrammAusflußmengeAbb. 61 Logarithmische Gradientenentwicklung;a) Mischgefäß mit Magnetrührer undZulaufgefaß hintereinander geschaltet;b) dazugehöriges lonenstärke-Diagramm;c) konisches ZulaufgefaßErlenmeyerkolben ersetzt; Abbildung 61c. Tauscht man das Mischgefäß der Abbildung6Oa gegen einen Erlenmeyerkolben, wächst der Gradient zunehmend langsamer(logarithmische Kurve konvex).Zum Auffangen der Eluat-Fraktionen gibt es mechanische Fraktionssammler, die,auf bestimmte Zeitintervalle, Tropfenzahlen oder Volumina eingestellt, bis zu mehrerehundert Proben automatisch abfüllen. Sie können an einen Detektor mit Schreibergekoppelt werden, der laufend z.B. die Intensität einer UV-Absorptionsbande oder


Dünnschichtchromatographie 91auch <strong>des</strong> Brechungsindex parallel zur Fraktionsnummer registriert. Mit Hilfe solcherFraktionssammler und einer Mariotteschen Flasche für den Zulauf lassen sich chromatographischeTrennungen wartungsfrei über Nacht ausführen. (Vorsicht bei brennbarenFließmitteln!)Dünnschichtchromatographie<strong>Die</strong> Dünnschichtchromatographie 1 (DC) dient vorwiegend analytischen Zwecken.Sie unterscheidet sich im wesentlichen dadurch von der Säulentechnik, daß bei ihrdas feste Trägermaterial nicht in Rohre gefüllt ist, sondern flächig auf rechteckigenPlatten haftet. Je nach Schichtmaterial und vor allem Fließmittel (ohne oder mithydrophilem Anteil) ist sowohl Adsorptions- (und lonenaustausch-) als auch Verteilungschromatographiemöglich. <strong>Die</strong> Trennleistung der Platten übertrifft die derSäulen (hauptsächlich wegen <strong>des</strong> wesentlich größeren Verhältnisses Adsorbens/Substanz).Als Schichtmaterial hat sich bisher Kieselgel am besten eingeführt. Alle Trägerstoffezeichnen sich durch besondere Feinkörnigkeit aus. Sie können 5 bis 15% Gips oderetwas Stärke als Bindemittel enthalten. <strong>Die</strong> dadurch erreichte höhere Festigkeit derSchichten muß allerdings manchmal mit erheblich schlechterer Trennleistung erkauftwerden. Anderen Sorten sind, zur leichteren Erkennung der aufgetrennten Substanzen,Fluoreszenz-Indikatoren zugesetzt, die meist dunkle Flecke in hell fluoreszierenderUmgebung erkennen lassen (Fluoreszenzlöschung).<strong>Die</strong> Dicke der Trägerschicht beträgt in der Dünnschichtchromatographie im allgemeinen0,1 bis 3 mm. Wichtig ist, daß sie vor allem in der späteren Laufrichtung einheitlichist. Obwohl man beschichtete Chromatographieplatten von hoher Qualitätaus Glas, Aluminiumfolie oder Kunststoff kaufen kann (DC-Fertigplatten), stelltman sie sich aus Ersparnis- und Variationsgründen oft selbst her.Man verwendet dafür im allgemeinen Glasplatten mit standardisierten Abmessungenvon 20 cm Länge und 5, 10, 20 oder mehr Zentimetern Breite. (<strong>Die</strong> Laufrichtungist immer der 20-cm-Kante parallel.) Für einfachere Untersuchungen sind selbst mikroskopischeObjektträger noch groß genug. Damit die Schichten später haften, müssendie Glasscheiben auf der Oberseite mit einem Haushaltsscheuermittel oder z. B.Chromschwefelsäure sehr sorgfältig gereinigt, mit entsalztem Wasser nachgespült undgetrocknet werden (Organische Lösungsmittel können einen Film zurücklassen.) Siesollen dann völlig fettfrei sein; die zu beschichtende Fläche darf also nicht mit denFingern berührt werden.Zum Auftragen auf die frisch gereinigten Platten stellt man sich zuerst aus dem feinpulvrigenSchichtmaterial mit Hilfe von Wasser (oder manchmal anderen Lösungsmitteln)durch längeres kräftiges Schütteln einen dickflüssigen Brei her. Cellulose-1 E.Stahl, Dünnschichtchromatrographie, 2.Aufl., Springer Verlag, Berlin, Heidelberg, New York 1967;K.Randerath, Dünnschicht-Chromatographie, 2. Aufl., Verlag Chemie GmbH, Weinheim/Bergstr. 1965.


92 Allgemeine Arbeitsanweisungenpulver muß in einem Küchen-Mixgerät angeteigt werden. Genauere Anweisungen fürdie Zubereitung der Suspensionen, insbesondere für die je nach Material unterschiedlichenFlüssigkeitsmengen und die bei gipshaltigen Sorten einzuhaltenden Arbeitszeiten,werden von den Herstellerfirmen zur Verfügung gestellt.Dünnschichten werden meist aufgestrichen. Hierfür liefert die Industrie Streichgeräte,bei denen der Brei aus einem in gewünschter Höhe über die Glasscheiben bewegtenSchlitz ausfließt. - Einzelne Platten kann man sich mit einfachsten Mittelnfolgendermaßen herstellen: Man legt auf einer ebenen Unterlage drei gleich starkeChromatographieplatten z. B. der Größe 20 • 5 cm parallel dicht nebeneinander undschiebt unter die beiden äußeren eine Lage Spielkarten, so daß die mittlere etwa0,3 mm tiefer zu liegen kommt. Dann gießt man die Schichtkörpersuspension alsStreifen quer auf das äußerste Ende der mittleren Platte und streicht sie mit der geschliffenenLängskante einer weiteren Glasscheibe - unter Benutzung der beidenSeitenplatten als Auflageschienen - in einem Zuge gleichmäßig aus.Mit einer speziellen Spritzpistole, bei der die Suspension im Vorratsgefäß dauernddurch einen Luftstrom aufgewirbelt wird, lassen sich die Dünnschichten auch aufspritzen.(Abzug benutzen!)Schließlich kann man die Schichten mit einiger Übung auch gießen. Man schütteltdazu die Essigester- oder Ethanolsuspension auf die Mitte der Platte und verteilt sierasch durch leichtes Kanten und Rucken zu einem gleichmäßigen Film.<strong>Die</strong> frisch beschichteten Platten lassen sich durch leichtes Klopfen gegen dieschmale Längskante zusätzlich glätten. Danach sollten sie min<strong>des</strong>tens so lange anOrt und Stelle liegen bleiben, bis die Oberfläche nicht mehr glänzt. Am besten läßtman sie (über Nacht) ganz an der Luft trocknen. Adsorptionsschichten werden nötigenfallsanschließend im Heizschrank auf die gewünschte Stufe aktiviert (siehe S. 81).Im allgemeinen bewahrt man dazu die völlig lufttrockenen Platten 30 Minuten langbei etwa 13O 0 C auf und läßt sie dann im Exsikkator kalt werden. Es ist zu beachten,daß hochaktive Adsorbenzien nur so kurz wie möglich der Luft(-feuchtigkeit) ausgesetztwerden dürfen. - <strong>Die</strong> getrockneten Platten hebt man am günstigsten in einemStapelgestell im Exsikkator auf.Für analytische Untersuchungen führt man die chromatographische Trennung folgendermaßenaus: Zuerst markiert man auf der trockenen Platte im gleichmäßigenAbstand von etwa 2 cm zum unteren Plattenrand (rechtwinklig zu den 20-cm-Seiten)mit einer Nadel eben sichtbar die Startpunkte. <strong>Die</strong> Zwischenräume zwischen denPunkten und die Abstände zu den seitlichen Plattenrändera sollen min<strong>des</strong>tens l cmbetragen. — Nun werden die vorher gelösten Untersuchungssubstanzen (etwa 0,5 bis5proz. je Einzelkomponente - möglichst unpolares Lösungsmittel verwenden) mitfeinen Kapillarpipetten (z. B. ausgezogenen Schmelzpunktröhrchen) vorsichtig untermöglicher Schonung der Schicht aufgetragen. Man stellt dazu die vorher durch einfachesEintauchen gefüllte Pipette senkrecht auf den Startpunkt und wartet, bis sichdort ein Fleck von 3, höchstens 5 mm Durchmesser ausgebildet hat; Abbildung 62.Nach jeweiligem Trocknen - eventuell mit einem Kaltluft-Fön - können zu starkverdünnte Lösungen beliebig oft übereinander aufgetragen werden. Eine Plexiglas-


Entwickeln <strong>des</strong> Dünnschichtchromatogramms 93O• • • • • ft• ••• «|• • • • • fAbb. 62 Chromatographietrog mitDünnschichtplatte 20 x 20 cmSchablone erleichtert diese Arbeiten. Um Verwechslungen auszuschalten, notiert mansich die Reihenfolge der Substanzen auf einem Zettel oder kennzeichnet sie amoberen Rand der Platte.Für analytische Auftrennungen sind nicht mehr als einige Mikrogramm pro Untersuchungssubstanznötig! (<strong>Die</strong> Minimalmengen entsprechen den Nachweisgrenzen.)Zu hohe Konzentrationen verursachen kometenartige Schweifbildung der wanderndenSubstanzen; siehe Abbildung 62 rechts. Starke Verunreinigungen durch anorganischeSalze stören ebenfalls.Zur Entwicklung stellt man die vorbereiteten Platten annähernd senkrecht, mit derStartkante nach unten, in ein passen<strong>des</strong>, gut verschließbares Glasgefäß („Chromatographiekammer"),<strong>des</strong>sen Boden l cm hoch mit dem entsprechenden Fließmittel bedecktist und <strong>des</strong>sen Luftraum weitgehend mit den Dämpfen dieses Fließmittels gesättigtist; Abbildung 62. <strong>Die</strong> Kapillarkräfte der Schicht saugen das Lösungsmittelüber die Substanzflecken hinweg und lassen sie als Teil der mobilen Phase nach obenwandern.Um die Kammeratmosphäre mit Lösungsmitteldämpfen zu sättigen, stellt man einStück Chromatographiepapier, das Rück- und Seiten wände bedeckt, ein und befeuchtetes mit Fließmittel. Dann schüttelt man - anfangs unter häufigem Lüften —einige Zeit kräftig um. Zum Einstellen der Platten soll die Kammer nicht länger alsnotwendig geöffnet werden. Ungenügende Sättigung <strong>des</strong> Luftraums bewirkt eine erheblicheVerlangsamung <strong>des</strong> Chromatographievorgangs und führt insbesondere beiGemischen aus sehr unterschiedlichen Lösungsmitteln dazu, daß die Substanzen amPlattenrand schneller laufen als in der Mitte.Während der Entwicklung sind die Chromatogramme vor direkter Sonnen- undWärmestrahlung zu schützen. Eine optimale Trennung ist auf Dünnschichtplatten inder Regel dann erreicht, wenn das Fließmittel 10 bis höchstens 15cm gestiegen ist.Man nimmt dann die Platte heraus und läßt sie, nachdem man rasch die Lösungsmittelfronteingekratzt hat, liegend an der Luft trocknen.Nicht gefärbte Substanzen muß man anschließend sichtbar machen. Eine Reihe vonVerbindungen fluoresziert im kurz- oder langweiligen UV-Licht oder läßt sich daranerkennen, daß sie die Fluoreszenzstrahlung der von vornherein oder nachträglich(siehe unten) mit Leuchtstoff versetzten Schicht auslöscht. - Außerdem gibt es dieMöglichkeit, die Substanzen durch mehr oder weniger spezifische Farbreagenzien


94 Allgemeine Arbeitsanweisungensichtbar zu machen. <strong>Die</strong>se Reagenzien werden als Lösungen mit Hilfe von Flaschenaufsätzen,die nach dem Prinzip der Parfümzerstäuber funktionieren, oder aus Spraydosenaufgesprüht. (Dazu ist der Abzug zu benutzen und sind alle Flammen in derNähe zu löschen; bei stärker giftigen oder aggressiveren Lösungen darf nicht mit demMund geblasen werden, letztere verlangen den Schutz der Augen!) Man sprüht solange, mit feinsten Tröpfchen, bis die ganze Schicht gleichmäßig angefeuchtet ist,sich aber noch keine naßglänzenden Stellen zeigen (also die Gefahr besteht, daß dieSubstanzen weggeschwemmt werden). Das richtige Maß läßt sich am besten imGegenlicht erkennen; es ist erreicht, wenn die Schicht eben Transparenz zeigt.Aus der großen Fülle brauchbarer Nachweisreagenzien seien hier nur einige wenigeaufgeführt: Fluoreszein oder Eosin zur Erzeugung von Fluoreszenz im UV-Licht;Kaliumpermanganat für reduzierende Verbindungen; Indikatoren für Säuren undBasen; Anilinphthalat für reduzierende Zucker; Ninhydrin für Aminosäuren undPeptide; Dragendorff-Reagenz für Alkaloide; Paulys Reagenz für kupplungsfähigeAmine und Phenole; Eisen(III)-chlorid für Phenole und Enole. Ziemlich universellist die „Jodkammer", ein Chromatographiegefaß mit einigen Körnchen Jod, in dasman die Platten wenige Minuten einstellt. Von radioaktiv markierten Stoffen läßtsich durch Auflegen eines photographischen Paipers ein ,Autoradiogramm" anfertigen.Anweisungen zur Benutzung dieser und der vielen anderen Nachweisreagenzienentnehme man der Spezialliteratur 1 . - Da die entwickelten Farbflecke oft nicht beständigsind, umreißt man sie sofort mit einer Nadel.Zur Dokumentation der gewonnenen Ergebnisse paust man die Flecken auf Transparentpapierab.<strong>Die</strong> Wanderungsstrecken der chromatographierten Verbindungen haben wegen derSchwierigkeit, die Versuchsbedingungen bei der DC exakt zu standardisieren, meistnicht sehr großen exemplarischen Wert. Man gibt sie als absolute Größen, sogenannte„R F -Werte", an, deren Bestimmung im Kapitel Papierchromatographie beschriebenist; siehe S. 97. Zur Identifizierung unbekannter Stoffe ist es daher unerläßlich,authentische Vergleichssubstanzen auf derselben Platte mitlaufen zu lassen. Um dieWirkung störender Verunreinigungen zu erkennen, trägt man am besten gleich diefragliche Substanz beziehungsweise Mischung X sowie die Vergleichssubstanz Anebeneinander auf und zwischen beiden auf ein und demselben Punkt aufeinanderA und X.Läßt sich ein komplexes Gemisch mit einem Fließmittel allein nicht völlig aufteilen,hilft oft die zweidimensionale Chromatographie weiter. Man trägt dafür dieSubstanzmischung in der Ecke einer quadratischen Platte je 2 cm von den Kantenentfernt auf, entwickelt erst mit einem Fließmittel, trocknet an der Luft und entwickeltdann im rechten Winkel zur ersten Laufrichtung mit einem anderen Fließmittel.Bei der Mehrfachtechnik chromatographiert man nach jeweiligem Trocknen mehrfachhintereinander in der gleichen Richtung mit dem gleichen Lösungsmittel und1 Siehe Literaturzitate auf S. 78 und 91.


Spezielle Methoden der Schichtchromatographie 95erreicht so eine bessere Auftrennung der langsamwandernden Verbindungen. - Beider Stufentechnik entwickelt man auf einer Adsorptionsschicht zuerst mit stärkerpolarem Lösungsmittel, zur Trennung der polaren Komponenten und dann, nachZwischentrocknen über die erste Lösungsmittelfront hinaus mit einem weniger polarenLösungsmittel, zur Trennung der unpolaren Komponenten.Bei der S- Technik („Sand wich-Technik") wird eine zweite gleich große Glasscheibe,der an drei Kanten 2 mm dicke Abstandsstreifen aufgeklebt sind, mit der beschichtetenPlatte zusammengeklammert. <strong>Die</strong> offene Seite wird in den Schlitz eines Fließmitteltanksgesteckt. Wegen <strong>des</strong> sehr geringen Kammervolumens entfällt hier dasSättigungsproblem.<strong>Die</strong> bisher aufgeführten „aufsteigenden Entwicklungsverfahren" sind in der Schichtchromatographiebei weitem am gebräuchlichsten. ,Absteigende Entwicklung" erforderteine Kammer, in die oben eine Rinne eingebaut ist. Das Lösungsmittel wirdhier über einen breiten Filtrierpapierstreifen aus der Rinne zur Oberkante der eingestelltenDünnschichtplatte gesaugt. Auf diese Weise kann man das Fließmittel imDurchlaufverfahren - zur Trennung langsam wandernder Verbindungen - beliebiglange über die Platte sickern lassen.<strong>Die</strong> Mikrozirkulartechnik ist für zeit- und materialsparende Vorproben besondersgut geeignet. Man testet Lösungsmittel und Schicht, indem man genau in der Mitteder punktförmig aufgetragenen Substanzmischung senkrecht eine Kapillarpipette mitdem fraglichen Fließmittel aufsetzt und dieses langsam zu einem runden Fleck vonetwa 1,5 cm Durchmesser ausfließen läßt. Trennt sich dabei das Gemisch in ringförmigeSubstanzzonen, ist das Fließmittel zur Chromatographie geeignet.Zur präparativen Trennung 1 kleinerer Mengen trägt man die Substanzlösung alsdurchlaufenden Strich oder als Kette sich berührender Punkte über die ganze Breiteder Dünnschichtplatten auf. <strong>Die</strong> Pipette ist dabei so locker zu führen, daß die Schichtnicht durchgekratzt wird. Durch Benutzung unpolarer Fließmittel und Anwendungder Mehrfachtechnik läßt sich die Kapazität von Adsorptionsschichten bei unverminderterTrennleistung auf etwa 50 mg Substanz pro 20 • 20 • 0,2 bis 0,3-cm-Schichtsteigern. Farblose Verbindungen, die UV-Licht absorbieren, chromatographiert manauf Leuchtstoff-Schichten. Andere kann man nach Trennung dadurch lokalisieren,daß man sich mit schmalen selbsthaftenden Klebstreifen (z. B. „Tesafilm") einen Abzugvon der Schichtoberfläche macht und diesen mit einem geeigneten Sprühreagenzanfärbt. <strong>Die</strong> Zonen, die die gewünschten Verbindungen enthalten, werden abgeschabtund mit geeigneten polaren Lösungsmitteln (z. B. Methanol) in einer Glasfrittennutscheeluiert.Entsprechend größere Chargen lassen sich auf den 5 bis 10 mm starken KieselgeloderAlumimumoxid-Dickschichten trennen 1 . <strong>Die</strong>se müssen gegossen werden. Manlegt dazu die Platten in genau passende oben offene Kunststoffkästen, in deren Boden- zum Herausdrücken der fertigen Platten - einige Löcher gebohrt sind. Sie müssenexakt waagerecht aufgestellt werden (Wasserwaage). Ausreichende Stabilität läßt sich1H. Halpaap, Chem.-Ztg. 89, 835 (1965).


96 Allgemeine Arbeitsanweisungenhier nur mit Bindemittel-(Gips-)haltigem Schichtmaterial erreichen. - <strong>Die</strong> Substanzenwerden in eine 3 cm vom Plattenrand entfernte, etwa die Hälfte der Schichtstärketiefe, vorher eingeritzte Furche eingetragen. <strong>Die</strong> Auftrennung auf Dickschichtplattenist, trotz Anwendung der Mehrfachtechnik, erheblich weniger scharf als bei der Dünnschichtchromatographie.In manchen Fällen ist ein Hintereinanderschalten beiderVerfahren rationell.Annähernd gleich gut wie auf Dünnschichten lassen sich kleine Mengen durchTrockensäulen-Chromatographie 1 trennen. Man verwendet dazu feinkörniges Aluminiumoxidmit UV-Leuchtstoff, füllt dieses trocken in Nylonschläuche oder Glasrohrevon 10-50 mm Durchmesser, trägt die Substanzen am Säulenkopf auf undläßt dann das Lösungsmittel wie bei der Schichtchromatographie gerade eben durchdie ganze Länge der (trockenen!) Säule sickern. (Dauer etwa 15-30min). Zur Gewinnungder im UV-Licht markierten Substanzzonen werden die dünnwandigenSäulen einfach entsprechend durchgeschnitten.Papierchromatographie<strong>Die</strong> (historisch ältere) Papierchromatographie 2 (PC) kann als eine Variante der Dünnschicht-Verteilungschromatographieangesehen werden, bei der die beschichtetePlatte durch Filtrierpapier ersetzt ist.Als Träger der stationären Phase eignen sich nur gleichmäßige Spezialpapiere ausreiner Cellulose. <strong>Die</strong>se sind mit Sorgfalt zu behandeln, dürfen nicht geknickt undsollen möglichst wenig mit den Fingern berührt werden. Von zwingenden Ausnahmenabgesehen, wird immer rechtwinklig zur (herstellungsbedingten) Faserstruktur chromatographiert.(Test: Ein Tropfen Wasser breitet sich ellipsenförmig stärker in Faserrichtungaus.)Für die aufsteigende Entwicklung kann die Höhe <strong>des</strong> Papierbogens bis zu 30 cmbetragen. <strong>Die</strong> Breite schneidet man sich entsprechend der Probenzahl zurecht. <strong>Die</strong>Startpunkte der Substanzen markiert man im Abstand von 2-2,5 cm zueinander undzu den Seitenkanten mit einem weichen Bleistift auf einer 3 cm vom unteren Papierrandentfernten Linie. Auf sie werden die gelösten Untersuchungssubstanzen mitKapillarpipetten als 5 bis höchstens 8 mm breite runde Flecken aufgetragen. Amgünstigsten sind etwa 20 Mikrogramm je Einzelkomponente. Sind die Substanzenaufgetrocknet, rollt man den Papierbogen zu einem Rohr und heftet die sich geradeüberlappenden Seitenkanten oben durch eine Büroklammer zusammen. Zur Entwicklungwird diese Papierrolle — mit der Startlinie nach unten - in einen passenden Glas-1 B.Loev und M. Goodman, Chem. Ind. (London) 2026 (1967).2 F.Gramer, Papierchromatographie, 2.Aufl., Verlag Chemie GmbH, Weinheim/Bergstr. 1953; Th. Wielandund F.Turba, Methoden der Organischen Chemie, (Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl., Bd. 2, S. 882,Thieme, Stuttgart 1953; Umfangreiche Monographie: J.M.Hais und K.Macek, Handbuch der Papierchromatographie,G. Fischer Verlag, Jena 1958.


Papierchromatographie 97zylinder mit geschliffener Deckelscheibe, <strong>des</strong>sen Boden 1-2 cm hoch von Fließmittelbedeckt ist und der vorher - zur Sättigung <strong>des</strong> Luftraums mit Lösungsmitteldämpfen- kräftig umgeschüttelt wurde, eingestellt. Nachdem das Fließmittel (aufgrundder Saugwirkung <strong>des</strong> Papiers) fast bis zur Oberkante gestiegen ist, was 2-10 hdauern kann, nimmt man das Chromatogramm heraus, zeichnet sofort die Lösungsmittelfrontan und verdampft das Fließmittel im Ventilator-Trockenschrank.Schmale Chromatogramme (für höchstens drei Proben) können zur aufsteigendenEntwicklung mit einem Drahthaken an die paraffinierten Korkstopfen von Weithals-Erlenmeyerkolben, deren Boden mit Fließmittel bedeckt ist, gehängt werden.Für die absteigende Entwicklung benötigt man 60 cm hohe Chromatographiekammernmit oben eingebauten Rinnen. <strong>Die</strong> Substanzen werden etwa 6 cm unterhalb derPapieroberkante auf 60 cm lange Bogen aufgetragen. Man faltet das Papier 3 cmüber der Startlinie nach hinten, hängt es mit der abgeknickten Papierlasche ih eineder fließmittelgefüllten Rinnen und fixiert es dort z. B. durch Beschweren mit Glasstopfen.- <strong>Die</strong> Sättigung mit Fließmitteldämpfen läßt sich am einfachsten durch einenvorher eingehängten leeren Papierbogen erreichen.Bei der horizontalen Rundfilterchromatographie wird ein einzelnes Substanzgemischringförmig um ein wenige Millimeter großes Loch im Zentrum eines rundenChromatographiepapiers (von etwa 30cm Durchmesser) aufgetragen. Durch dasLoch wird ein aufgewickeltes Papierröllchen gesteckt und dann das Chromatogrammso zwischen Unterteil und Deckel eines Exsikkators geklemmt, daß das Röllchen alsDocht in eine untergestellte Fließmittelschale eintaucht. <strong>Die</strong> Substanzen trennen sichin konzentrische Ringe auf, die mit wachsender Größe immer schärfer werden.Aufsteigende Chromatographie ist nur bis zu einer Höhe von etwa 25 cm sinnvoll;darüber hinaus wandert das Fließmittel zu langsam. Absteigend kann man im Durchlaufverfahren„weit über die Papierlänge hinaus" laufen lassen. Wenn man dabei inden unteren Papierrand sägeförmige Zacken schneidet, tropft das Fließmittel gleichmäßigerab. Wie bei der Dünnschichttechnik (siehe S. 94) ist zweidimensionale Entwicklungmöglich.<strong>Die</strong> aufgetrennten Substanzen werden in der gleichen Weise wie bei der Dünnschichtchromatographiesichtbar gemacht; siehe S. 94.Bezüglich der Trennschärfe, der Entwicklungsgeschwindigkeit und der Handlichkeitwird die Papierchromatographie von der Dünnschichtchromatographie deutlichübertroffen. Überlegen ist sie ihr dagegen hinsichtlich der Dokumentation und vorallem der Reproduzierbarkeit der Trennergebnisse.Das Verhältnis der Wanderungsstrecke der Substanz (Fleckenmittelpunkt) zurWanderungsstrecke der Lösungsmittelfront (also eine Zahl < 1) ist eine - von derPapiersorte und dem Fließmittel abhängige - spezifische Substanzgröße, die man R F -Wert (Relation zur Front) nennt. Vorbedingungen für exakte Bestimmungen der R F -Werte sind: Salzfreiheit und nicht zu hohe Konzentration der Substanz; sehr reine,genau zusammengesetzte Lösungsmittel; Temperaturkonstanz während der Entwicklung.Der direkte Vergleich mit authentischen Substanzen (siehe S. 94) ist zurIdentifizierung stets vorzuziehen!


98 Allgemeine ArbeitsanweisungenFür präparative Trennungen kann die Substanz über die ganze Länge der Startlinieund auf kartonstarkes Papier aufgetragen werden. Ist der Nachweis der aufgetrenntenSubstanzzonen ohne Farbreagenzien nicht möglich, schneidet man in Laufrichtungzwei bis drei wenige Millimeter breite Streifen aus den Bögen und besprühtdiese. <strong>Die</strong> gewünschten Verbindungen werden aus den entsprechenden Papierabschnittenmit stark polaren Lösungsmitteln am besten nach Art der chromatographischenDurchlauftechnik eluiert.Gaschromatographie<strong>Die</strong> gebräuchliche Form der Gaschromatographie 1 (GC) beruht auf einer Verteilungzwischen gasförmigen mobilen und flüssigen stationären Phasen. (Adsorptions-Gaschromatographie,deren Anwendung weitgehend auf Permanentgase beschränkt ist,bleibt hier unberücksichtigt.) Gegenüber den bisher geschilderten chromatographischenTrennverfahren zeichnet sich das gaschromatographische durch besonderskurze Analysendauer, höchste Nachweisempfindlichkeit und breitesten Anwendungsbereichaus; es verlangt allerdings auch den größten apparativen Aufwand.<strong>Die</strong> Gaschromatographen bestehen, wie Abbildung 63 schematisch zeigt, in ihremKernstück aus dem meist mehrfach gewundenen, von einem regelbaren Heizthermostaten(H) umgebenen Trennrohr (T). <strong>Die</strong>ses ist an eine Gasstahlflasche (G) angeschlossen.In die Zuleitung sind Drosselventil (V), Manometer (M) und Strömungsmesser,z. B. ein Rotameter (R), sowie ein Probengeber (P) zur Substanzeingabe eingebaut.Ein- und Ausgang der Trennsäule führen durch den Detektor (D), der mitl T]PAbb. 63 Schematische Darstellung eines Gaschromatographen1 E.Bayer, Gaschromatographie, 2.Aufl., Springer Verlag, Berlin, Göttingen, 1962; R.Kaiser, Chromatographiein der Gasphase, Hochschultaschenbücher, Bibliographisches Institut, Mannheim 1962-1969:I Gaschromatographie, II Kapillarchromatographie, III Tabellen zur Gaschromatographie, IV QuantitativeAuswertung von Gaschromatogrammen.


Gaschromatographie 99einem Schreiber (S) gekoppelt ist. <strong>Die</strong> Gasableitung kann eventuell mit einer Ausfrierfalle(A) verbunden werden.Zur Chromatographie läßt man aus der Stahlflasche Trägergas durch die Apparaturströmen und gibt das Untersuchungsgemisch bei P ein. <strong>Die</strong> Substanzen trennen sichin der Säule auf und durchlaufen dann nacheinander die Registrierstelle.Der Thermostat läßt sich wahlweise auf Temperaturen bis über 30O 0 C einstellen.Damit sind der Gaschromatographie alle Verbindungen zugänglich, die in diesemBereich ohne Zersetzung verdampfen (oder definierte gasförmige Zersetzungsproduktebilden). Ihr eigentlicher Siedepunkt kann, wegen der Depression durch dasTrägergas, 50-10O 0 C höher liegen (vergleiche Wasserdampf<strong>des</strong>tillation, S. 51). Füranalytische Arbeiten sollte die Temperatur auf wenige Zehntelgrade konstant gehaltenwerden können. Um Vielkomponentengemische weiter Siedepunktsbereicheaufzutrennen, ohne zu lange Analysenzeiten in Kauf nehmen zu müssen, sind moderneGeräte mit einer Einrichtung zur Temperatur-Programmierung ausgestattet. <strong>Die</strong>seerlaubt es, die Thermostatentemperatur während <strong>des</strong> Ablaufs der Analyse zu steigern,so daß weder die leichtflüchtigen Komponenten zu rasch, noch die hochsiedenden zuspät und breitzonig eluiert werden.<strong>Die</strong> U-förmig gebogenen oder gewendelten Trennsäulen können aus Edelstahl,Kupfer, Glas sowie Kunststoff (z. B. Teflon) bestehen. Prinzipiell ist zwischen „gepacktenSäulen" und „Kapillarsäulen" zu unterscheiden.Gepackte Säulen sind sehr gleichmäßig mit feinkörnigen, porösen, aber adsorptionsinaktivemTrägermaterial gefüllt. Schamottemehl und Kieselgur sind besondersgut geeignet. <strong>Die</strong>ser Träger wird mit der eigentlichen Trennflüssigkeit „imprägniert",indem man ihn mit deren Lösung tränkt und das Lösungsmittel verdampft. Der Anteilder flüssigen Phase liegt zwischen 5 und 30 Gewichtsprozenten. Je größer er ist,um so höher die Belastbarkeit, um so geringer jedoch auch die Trennleistung derSäule. <strong>Die</strong> Trennflüssigkeit soll bei der Arbeitstemperatur möglichst niedrigenDampfdruck haben und gleichzeitig möglichst wenig viskos sein. Man verwendethauptsächlich Apiezonfett (= höhere Kohlenwasserstoffe), Siliconöle, Phthalsäureesterhöherer Alkohole oder Polyethylenglykole.<strong>Die</strong> Auswahl der richtigen Trennflüssigkeit ist von entscheidender Bedeutung. FürKohlenwasserstoffe und Alkylhalogenide ist beispielsweise Apiezonfett, für sauerstoffhaltigeVerbindungen ein Phthalsäureester oder Polyethylenglykol geeigneter. -Neben diesen Gesichtspunkten gilt (vor allem für weniger polare Substanzen) dieallgemeine Regel: Je höher der Siedepunkt, <strong>des</strong>to länger die Verweilzeit in der Säule.<strong>Die</strong> Länge der gepackten Säulen liegt gewöhnlich zwischen 2 und 4, kann aber auchbis zu 20 Meter betragen. Ihr Innendurchmesser schwankt zwischen 3 und 6 mm füranalytische Zwecke und 10-25 mm für präparative Zwecke.Kapillarsäulen haben 0,1-0,5 mm lichte Weite und sind bis zu 25 oder sogar100 Meter lang. Sie enthalten kein festes Trägermaterial; ihre Innenwände sind direktmit Trennflüssigkeit beladen. Erwartungsgemäß ist dementsprechend ihre Belastbarkeitgering, ihre Trennleistung dagegen sehr hoch.<strong>Die</strong> Belastbarkeit (das heißt die Menge je Komponente Analysensubstanz, mit der


100 Allgemeine Arbeitsanweisungensich noch 90% <strong>des</strong> maximalen Trennergebnisses erreichen läßt) beträgt für gefüllte,mit 5% Trägerflüssigkeit beladene Säulen im Mittel etwa 3 mg bei 6 mm Rohrdurchmesserund für 0,2 mm weite Kapillar Säulen etwa 10 ~ 4 mg.<strong>Die</strong> Auswahl <strong>des</strong> Trägergases (das geringe Viskosität haben soll) wird weitgehendvon der Art <strong>des</strong> Detektors bestimmt. Am häufigsten werden Wasserstoff, Stickstoffoder Helium benutzt. (Der brennbare Wasserstoff erfordert besondere Vorsichtsmaßnahmen!)<strong>Die</strong> Ausgangsdrucke liegen meist zwischen 1,5 und 3,5 bar.Das Untersuchungsgemisch kann am einfachsten mit Hilfe einer Präzisions-Injektionsspritzedurch die Gummimembrane <strong>des</strong> Probengebers in den Trägergasstromeingespritzt werden. <strong>Die</strong>ser Vorgang hat sehr rasch zu erfolgen. Um ein augenblicklichesVerdampfen der Substanzen zu gewährleisten, wird der Substanzeingabe-Block min<strong>des</strong>tens 30-5O 0 C über deren Siedetemperaturen aufgeheizt. Feststoffewerden vorher in einem geeigneten Lösungsmittel gelöst.Als Detektoren verwendet man z.B. kompensierende Wärmeleitfähigkeitszellen.<strong>Die</strong>se haben zwei Doppelkammern, in denen sich jeweils ein elektrisch geheizterWiderstandsdraht befindet. Durch das eine Paar strömt das Trägergas vor, durch dasandere nach Passieren der Trennsäule und kühlt dabei die Hitzedrähte ab. Da dieWärmeleitfähigkeit organischer Verbindungen etwa 6-10mal geringer ist als die <strong>des</strong>Wasserstoffs oder Heliums, steigt bei Verwendung dieser Trägergase die Temperatur<strong>des</strong> Hitzedrahts während <strong>des</strong> Vorbeiströmens organischer Dämpfe deutlich an. <strong>Die</strong>damit verbundene Änderung <strong>des</strong> elektrischen Widerstands im Draht wird vom Detektorgegen den Leerwert, den die Vergleichskammern liefern, gemessen. - Speziellfür die Kapillaranalyse reicht die Empfindlichkeit dieses Geräts nicht aus. Hier benutztman z. B. „Flammionisations-Detektoren", bei denen die Substanzen in einerWasserstoffflamme thermisch ionisiert werden und dann in einem Spannungsfeldeinen meßbaren lonenstrom erzeugen. - Außer diesen beiden sind noch zahlreicheandere Meßgeräte entwickelt worden.<strong>Die</strong> vom Detektor gemessenen Werte werden - in Abhängigkeit zur Zeit - direktvon einem „Schreiber" aufgezeichnet. Abbildung 64 zeigt ein so entstandenes Trennungsdiagramm.Bei einwandfreiem Arbeiten entsprechen die einzelnen Substanzbanden- „Peaks" - symmetrischen Gauß-Verteilungskurven. <strong>Die</strong> Inhalte der Kurvenflächen(in guter Näherung = Halbwertsbreite • Höhe) sind Maße für die Konzentrationen.In dieser quantitativen Aussagekraft liegt -z.B. für Reinheitskriterien - diewesentliche Stärke der Gaschromatographie. - Weil die meisten Detektoren die verschiedenenVerbindungen nicht mit der gleichen Intensität anzeigen, lassen sich dievom Schreiber aufgezeichneten Peaks allerdings nur selten unmittelbar miteinandervergleichen.Für die qualitative Bestimmung der Komponenten sind die Retentionszeiten beziehungsweise„Retentionsvolumina" (lat. retentio = Zurückhaltung) maßgebend;Abbildung 64. Man wählt oft den Peak als Nullpunkt, der durch kaum vermeidbareLuftspuren entsteht. Absolute Retentionszeiten können - wegen der Unmöglichkeit,exakt unter Standardbedingungen zu chromatographieren - nicht als allgemeineStoffkonstanten angesehen werden. (In der Literatur findet man häufig „relative


Interpretation der Gaschromatogramme 101C03Q-O)Xc


102 Allgemeine Arbeitsanweisungensollen. Außerdem ist sie nicht nur auf Verteilungschromatographie, sondern auchauf lonenaustausch-, Adsorptions- und Gelchromatographie anwendbar.(Gradientenelution ist ohne weiteres möglich.)<strong>Die</strong> Trennung erfolgt im Flüssigchromatographen bei Raumtemperatur in (l bis10 mm weiten, 1-4 Meter langen) Metallrohren zwischen einem feinkörnigen, meistmit Flüssigkeit imprägnierten Träger und einem Fließmittel, das mit etwa 40 bar(möglich sind mehrere Hundert bar) druckschwankungsfrei (!) durch die Säule gepumptwird. <strong>Die</strong> getrennten Substanzen werden wie bei der Säulenchromatographieanhand ihrer UV-Absorption oder ihrer Brechungsindices registriert.Hochspannungs-PapierelektrophoreseVerbindungen, die in neutraler, alkalischer oder saurer wässeriger Lösung zumin<strong>des</strong>tteilweise ionisiert vorliegen (also organische Säuren und Amine), können im elektrischenSpannungsfeld voneinander sowie von ungeladenen Substanzen getrenntwerden. Für analytische Zwecke benutzt man dazu meist die Hochspannungs-Elektrophorese*(griech. (psgsiv = tragen), bei der ein mit Elektrolytlösung getränkterFiltrierpapierbogen, an <strong>des</strong>sen Enden eine Gleichspannung von einigen tausend Voltangelegt wird, als Träger dient.<strong>Die</strong> hohen Feldstärken verlangen intensive Abführung der Jouleschen Wärme.<strong>Die</strong>ses Problem ist bei den im Handel angebotenen Elektrophorese-Apparaturen entwederdadurch gelöst, daß das Papier in einem von außen gekühlten <strong>organischen</strong>Lösungsmittel (wie z. B. Toluol) hängt oder - häufiger - daß es auf einer Glasplatteliegt, deren Unterseite mit einer Kältemaschine in Verbindung steht. - Es gibt auchkleinere 220-Volt-Elektrophoreseapparaturen, die mit LeitungsWasserkühlung auskommen.<strong>Die</strong> zu untersuchenden Substanzen werden als ungefähr Iproz. Lösungen in 3 bis5 cm langen Strichen mit dünnen Pipetten entlang der vorher markierten Startlinieauf das elektrolytfeuchte Elektrophoresepapier aufgetragen. - Das Entwickeln dauertetwa eine Stunde. In dieser Zeit wandern die Substanzen je nach LadungsVorzeichen,Ladungszahl, Dissoziations- beziehungsweise Assoziationsgrad, Größe und Gestaltmit unterschiedlichen Geschwindigkeiten zur Anode oder Kathode; Abbildung 65.Der Dissoziationsgrad organischer Säuren beziehungsweise Protonisationsgrad organischerBasen ist seinerseits vom pH-Wert der umgebenden Elektrolytlösung abhängig(neutrale Aminosäuren beispielsweise bleiben bei einem pH von 6,5 „isoelektrisch"am Start liegen, wandern in saurem Milieu zur Kathode, in basischem zurAnode; vergleiche Abbildung 65). Bewährte Elektrolytmischungen sind:R. Clotten und A. Clotten, Hochspannungselektrophorese, G. Thieme Verlag, Stuttgart; Th. Wieland undK. Dose, in W. G. Berl, Physical Methods in Chemical Analysis, Bd. 3, Academic Press Inc., New York1956.


für pH 1,9: Eisessig/Ameisensäure/Wasser (15:5:80 Vol.),für pH 6,5: Pyridin/Eisessig/Wasser (10: l: 89 Vol.),für pH 8,6: Borsäure/Borax/Wasser (2,3:4,4:1000 Gew.).Elektrophorese 103Im Boratpuffer können auch Polyole wie z. B. Kohlenhydrate als anionische Komplexegetrennt werden (S. 389).Zur Identifizierung läßt man neben dem zu prüfenden Gemisch authentische Vergleichssubstanzenmitlaufen. <strong>Die</strong> entwickelten Papierstreifen („Pherogramme") werdenim Trockenschrank getrocknet. Das Sichtbarmachen der Substanzen geschiehtin ganz gleicher Weise wie bei der Dünnschichtchromatographie (siehe S. 94). Abbildung65 zeigt die elektrophoretische Trennung verschiedener Aminosäuren.LysKATHODE ©GIyGI VSTART-LINIEGIuAspAs pANODE 0Abb. 65 Hochspannimgs-Pherogramm einer Trennung von Aminosäuren bei pH 6,5Statt der speziellen Filtrierpapiere können auch Kieselgel-, Stärke- oder z. B. PoIyacrylamidschichtenals Träger dienen. Zur zweidimensionalen Auftrennung ist dieKombination von Elektrophorese und Chromatographie besonders gut geeignet (vergleicheS. 96). Für präparative Zwecke kann man entweder kartonstarke Papierebenutzen oder auf speziellen Apparaturen kontinuierlich arbeiten.<strong>Die</strong> Flächenelektrophorese ergänzt die Flächenchromatographie (bei ionisierbarenVerbindungen) dort, wo eine Aussage über den Ladungscharakter gewünscht wird(einwandfreie Unterscheidung zwischen Basen, Säuren und Neutralstoffen), chemischsehr unterschiedliche Verbindungen getrennt werden sollen oder die Gemische stärkermit an<strong>organischen</strong> Salzen verunreinigt sind (da anorganische Ionen sehr vielschneller laufen, kann sie sogar zur Entsalzung eingesetzt werden). Sie hat sich daherbesonders in der Peptid- und Nucleotid-Chemie bewährt.<strong>Die</strong> für den Umgang mit Starkstrom üblichen Vorsichtsmaßnahmen sind bei .derBenutzung von Elektrophoreseapparaturen genau zu beachten!Bei der zur Trennung von Makromolekülen entwickelten Diskelektrophorese poly-


104 Allgemeine Arbeitsanweisungenmerisiert man innerhalb 7 cm langer, 0,5 cm weiter (Kunststoff- oder) GlasröhrchenAcrylamid mit Hilfe geeigneter bifunktioneller Vernetzer zu einem lockeren Gel undtrennt die Substanzgemische in diesem elektrophoretisch auf 1 .Trocknen<strong>Die</strong> häufigste Verunreinigung organischer Substanzen, speziell der Lösungsmittel, ist(schon wegen der allgegenwärtigen Luftfeuchtigkeit) das Wasser. Seine Beseitigung(und die der <strong>organischen</strong> Lösungsmittel) beschreibt das vorliegende Kapitel.Trocknen von FeststoffenIn vielen Fällen genügt es, die feste Substanz an der Luft stehen zu lassen, so daßdas restliche organische Lösungsmittel oder Wasser verdunstet. Ist die Verbindunggenügend stabil (!), darf sie bei höheren Temperaturen im Trockenschrank getrocknetwerden. - Weiterhin kann man die Feststoffe zum Trocknen auf einem Tonteller odermehreren Lagen Filterpapier ausbreiten; vergleiche S. 76. <strong>Die</strong>se Technik ist dannangebracht, wenn mit dem Lösungsmittel in ihm gelöste Verunreinigungen entferntwerden sollen.All diese Methoden sind Ausnahmen. In der Regel trocknet man Feststoffe imVakuumexsikkator. <strong>Die</strong>ser besteht, wie Abbildung 66 zeigt, aus einem dickwandigenGlastopf mit aufgeschliffenem Deckel und Glashahn. Er wird durch eine gelochtePorzellanplatte in zwei Etagen geteilt. <strong>Die</strong> untere nimmt ein Trockenmittel auf, dieobere die Substanz. Neuere Exsikkatoren sind im allgemeinen auf Vakuumfestigkeitgeprüft; trotzdem ist es ratsam, sie sicherheitshalber zum Splitterschutz mit einerselbstklebenden Klarsichtfolie zu überziehen. <strong>Die</strong> Schliffränder zwischen Topf undDeckel sind gleichmäßig einzufetten. <strong>Die</strong> Porzellanplatte kann durch drei längs aufgeschnittene,über den Rand geklemmte Schlauchstücke gegen Verrutschen gesichertwerden. Zur Benutzung <strong>des</strong> Exsikkators stellt man auf seinen Boden eine flache GlasoderPorzellanschale mit einem der unten aufgeführten Trockenmittel. (<strong>Die</strong>se solltenprinzipiell nicht direkt in den Exsikkator eingeführt werden.) Man deponiert die Substanzflach ausgebreitet in einer Abdampfschale oder auf einem Uhrglas auf der Porzellanplatteund evakuiert einige Zeit mit der Wasserstrahlpumpe (aufpassen, daßdas Wasser nicht zurücksteigt!) oder der Öl-Drehschieberpumpe (Gasballast einschalten!)bis zum Erreichen <strong>des</strong> Endvakuums. Dabei muß der gesamte Schliffrandklar werden. (Anderenfalls ist er zu reinigen und neu zu schmieren.) In der Regel solldie Substanz min<strong>des</strong>tens 24 h im Exsikkator trocknen. Beim anschließenden Belüftendarf, damit die Substanz nicht weggeblasen wird, der Hahn anfangs nur ganz1 Gute Arbeitsanleitung: R. Maurer, Disk-Electrophoresis, Walter de Gruyter & Co., Berlin 1971.


Trocknen von Feststoffen 105wenig geöffnet werden. Es empfiehlt sich, ein kleines Filtrierpapierblättchen an deräußeren Rohrmündung ansaugen zu lassen. Das innere Rohrende soll, zur Ablenkung<strong>des</strong> Luftstrahls, nach oben gebogen sein; siehe Abbildung 66. Bei hygroskopischenVerbindungen und solchen, die extrem trocken bleiben sollen, belüftet mandurch ein Calciumchloridrohr. Läßt sich der Exsikkator nach der Belüftung nichtöffnen, dreht man ihn mit der Stelle, an der der Deckel etwas übersteht, zum Körper,klemmt ein Holzbrettchen zwischen Brust und Deckelrand, umfaßt den Exsikkatorunterteilmit beiden Armen und zieht ihn zu sich, bis sich die Schliffe einige Millimetergegeneinander verschoben haben.Sind die Verbindungen flüchtig, darf der Exsikkator nicht evakuiert werden.Abb. 66 20-cm-Vakuum-ExsikkatorAbb. 67 Trockenpistole NS 29 mitTrockenmittel, Substanzröhrchen undHeizflüssigkeitUm kleinere Mengen bei höheren Temperaturen noch wirksamer zu trocknen, bedientman sich der Trockenpistole, bei der z. B. der Dampf eines unter Rückfluß siedendenLösungsmittels den Trockenraum heizt; siehe Abbildung 67. Je nach Wahl<strong>des</strong> Lösungsmittels (zwischen Aceton, Sdp. 56 0 C, und Xylol, Sdp. etwa 135 0 C) läßtsich die Temperatur variieren. Andere Geräte haben regulierbare Widerstandsheizung.<strong>Die</strong> Substanz liegt hier in einem Reagenzglas (Mündung von Belüftungshahnweggekehrt). Der „Pistolengriff" nimmt das Trockenmittel auf. Das Ganze wird aneiner Öldrehschieber- oder Quecksilberdiffusionspumpe evakuiert. - Derart extremeTrocknungsbedingungen werden für einige quantitative Bestimmungen, speziell Elementaranalysen,gefordert.Zum Schutz der getrockneten Feststoffe gegen Luftfeuchtigkeit bewahrt man dieseentweder weiterhin im Exsikkator auf oder in gutschließenden Schraubdeckelflaschenoder in kleineren Röhrchen (die dickwandiger sind als Reagenzgläser) mit Kunst-


106 Allgemeine Arbeitsanweisungenstoff- bzw. Gummistopfen (letzterer sollte durch dünne Kunststoffolie geschützt sein).<strong>Die</strong>se Gefäße dürfen bei hygroskopischen Substanzen zur Entnahme nur ganz kurzgeöffnet werden. - Sichersten Schutz gegen die Außenluft bieten Ampullen, die mansich am besten vom Glasbläser aus dickwandigeren Thüringer-Reagenzgläsern nachAbbildung 68 vorrichten läßt. Sie werden durch einen langen Trichter (ausgezogenesReagenzglas), der den Hals sauber hält, höchstens bis zur Hälfte gefüllt und dannüber einer kleinen Flamme zugeschmolzen.Abb. 68 Zur Ampulle vorbereitetes ReagenzglasAls Trockenmittel für Exsikkatoren verwendet man meist Blaugel, daneben auchCalciumchlorid, seltener Schwefelsäure, Phosphorpentoxid oder festes Kaliumhydroxidsowie zum Binden von lipophilen Lösungsmitteln Hartparaffin. Es empfiehltsich, neben die Substanzen ein Schälchen mit festem Natriumhydroxid zu stellen,das flüchtige Säuren bindet. Für Trockenpistolen wird fast ausschließlich Phosphorpentoxidbenutzt. Siehe S. 108.Trocknen von FlüssigkeitenLösungsmittel können wegen der Bildung von Azeotropen oder zu geringen Siedepunktsdifferenzenmeist nicht durch fraktionierende Destillation entwässert werden,sondern nur mit Hilfe eines Trockenmittels.Lösungen in <strong>organischen</strong> Lösungsmitteln, die bei der Extraktion (siehe S. 59) oderauf andere Weise während der Synthese erhalten wurden, müssen vor dem Eindampfengetrocknet werden.Flüssige Substanzen werden - um größere Verluste durch Adsorption oder Adhäsionam Trockenmittel zu vermeiden - nicht direkt, sondern nur in verdünnter Lösungentwässert.Aus dem gleichen Grund sollte nicht zu viel Trockenmittel verwendet werden. (Beieinigen der im letzten Abschnitt aufgeführten Trockenmittel erkennt man ihre Erschöpfungam beginnenden Zerfließen.) Stufenweises Trocknen mit mehreren kleinenTrockenmittelportionen ist viel wirksamer als einmalige Zugabe einer größerenMenge. Der Trocknungsprozeß dauert in der Regel mehrere Stunden. (Am besten benutztman dazu die Nacht.) Er kann durch gelegentliches Umschwenken beschleunigtwerden.Da die zugesetzten Trockenmittel ihr Wasser bei höherer Temperatur wieder ab-


Trocknen von Flüssigkeiten und Gasen 107geben (und eventuell mit der Substanz reagieren), muß man sie vor einer anschließendenDestillation abfiltrieren.Aufbewahrt werden trockene flüssige Verbindungen so, wie es am Ende <strong>des</strong> vorigenAbschnitts für Feststoffe beschrieben ist. Bei wasserfreien („absoluten") Lösungsmittelnist es ratsam, soweit möglich, wenig Trockenmittel (Natriumdraht, Aluminiumoxid,Molekularsieb) in die Vorratsflasche zu geben.Alle nachstehend aufgeführten Trockenmittel außer Blaugel sind für Flüssigkeitengeeignet. Zur Auswahl ist vor allem die chemische Verträglichkeit maßgebend.Trocknen von GasenGase werden —je nachdem, ob das Trockenmittel flüssig oder (grobkörnig-)fest ist -in Waschflaschen oder Trockentürmen getrocknet (und von anderen Fremdstoffengereinigt); beide Geräte sind auf S. 25 beschrieben.Als Trockenmittel verwendet man bei chemischer Verträglichkeit meist konz.Schwefelsäure (wirkt gleichzeitig als Blasenzähler), manchmal auch Calciumchlorid,festes Kaliumhydroxid, Phosphorpentoxid, Blaugel oder Molekularsiebe.TrockenmittelIn diesem Abschnitt sind die wichtigsten Trockenmittel für feste, flüssige (gelöste) undgasförmige Substanzen beschrieben. Hierbei sind die ersten acht (bis zum Phosphorpentoxid)nach steigender Wasseranziehungskraft (nicht Kapazität) angeordnet.Wasserfreies Natriumsulfat, möglichst frisch geglüht (aber nicht geschmolzen), hatnur geringe Wirkung. Es ist jedoch als einzig brauchbares, völlig neutrales Trockenmittelfür säure- und alkaliempfindliche oder unbekannte flüssige und gelöste Substanzenanwendbar.Wasserfreies Magnesiumsulfat verhält sich als Trockenmittel ähnlich wie Natriumsulfat.Calciumchlorid wird wegen <strong>des</strong> geringen Preises und der hohen Kapazität (bildetmit 90% Wasser Hexahydrat) am häufigsten zum Trocknen benutzt, und zwarsowohl für neutrale Gase und Chlorwasserstoff (übliches Füllmaterial für Trockenrohreund -türme) als auch für Lösungen (hauptsächlich nach dem ,Ausethern"; sieheS. 63) und einige Lösungsmittel (Vortrocknen von Ether) sowie schließlich für Feststoffeim Exsikkator (ist hier jedoch besser durch Blaugel zu ersetzen). Calciumchloridbindet auch prim. Alkohole, Ammoniak, Amine, Phenole; Lösungen dieser Verbindungenkönnen mit ihm also nicht getrocknet werden. Es enthält stets basische Verunreinigungen(Calciumoxid). Schwefelsäure setzt Chlorwasserstoff frei.Wasserfreies Kaliumcarbonat, möglichst frisch geglüht, wird wegen seiner schwachalkalischen Reaktion speziell zum Trocknen von empfindlichen Amin-Lösungen undfür das Lösungsmittel Aceton herangezogen. Es ist ungeeignet für alle aciden Verbindungen.


108 Allgemeine ArbeitsanweisungenSilikagelliekrt der Handel als perlförmiges „Blaugel" mit einem Zusatz von Kobalt(Il)-Salzen, die den Erschöpfungszustand anzeigen (dieses ist ohne Wasser blau, mitWasser rot). Es kann im Trockenschrank bei maximal 15O 0 C regeneriert werden.Silikagel ist das häufigste Exsikkator-Trockenmittel für Feststoffe und kann imTrockenturm für Gase benutzt werden. Es adsorbiert in geringerem Maße auch anderepolare Lösungsmitteldämpfe.Konz. Schwefelsäure ist das übliche Trockenmittel für säureunempfindliche Gase(also nicht Acetylen, Ammoniak, Amine, Schwefelwasserstoff, Jodwasserstoff undOlefine). Sie kann auch im Exsikkator eingesetzt werden; dann sollte jedoch ein Schälchenmit Natriumhydroxid-Plätzchen neben die Feststoffe gestellt werden. Schwefelsäurebindet auch viele organische Lösungsmittel. Wegen der geringen Diffusion sindhöhere Schwefelsäureschichten nur sinnvoll, wenn man von außen magnetrührt. Esgibt auch Präparate, bei denen die Schwefelsäure auf einem körnigen Träger aufgezogenist.Kaliumhydroxid-Plätzchen werden für basische Lösungsmittel (Pyridin), Lösungenund Gase (also Amine und Ammoniak) herangezogen oder dann, wenn alkaliunempfindlicheSubstanzen gleichzeitig von sauren Verunreinigungen befreit werden sollen.Natriumhydroxid ist wegen seiner viel geringeren Trockenwirkung nicht zu empfehlen.Phosphorpentoxid ist das stärkste Trockenmittel. Es dient vor allem zum Trocknender Feststoffe in der Trockenpistole oder (in einer Extraschale!) im Vakuumexsikkator.Es verbäckt bei der Wasseraufnahme oberflächlich zu einer Kruste, die von Zeitzu Zeit gewendet werden muß. <strong>Die</strong> mit Wasser entstehende sirupöse Polymetaphosphorsäureklebt hartnäckig an den Gefaßwandungen und löst sich nur sehr langsamin Wasser. Deswegen und weil das feine Pulver beim Belüften leicht auf die Substanzgeblasen wird, sind Präparate, bei denen das Phosphorpentoxid auf poröses Trägermaterialaufgezogen ist, dem reinen Trockenmittel vorzuziehen. Mit diesen körnigenPräparaten können auch säureunempfindliche Gase (also nicht Ammoniak, Amine,Olefine und auch nicht Chlorwasserstoff) entwässert werden.Basisches oder neutrales Aluminiumoxid der Aktivitätsstufe I, wie es auch zur Säulenchromatographiebenutzt wird, ist ein gutes Trockenmittel für einige Lösungsmittel.Man füllt es dazu trocken in ein Chromatographierohr, setzt einen Tropftrichter mitGummistopfen auf und läßt das Lösungsmittel (ohne daß die Säule zwischendurchtrocken läuft) durchsickern; Abbildung 59a, S. 86. <strong>Die</strong> ersten Anteile sind nicht genügendwasserfrei; sie können noch einmal aufgegeben werden. — Gleichzeitig mit demWasser werden andere polare Verunreinigungen wie Alkohole (siehe Chloroform,S. 113), Säuren und Peroxide (siehe Ether, S. 113) adsorptiv zurückgehalten.Anwendungsbeispiele jeweils mit den Angaben: Lösungsmittel, (% Wasser), Menge und Art Aluminiumoxid,(0 der Säule), aufgefangener Fraktionsbereich, (% Wasser):Benzol, wassergesättigt (0,07%), 25 g basisch (0 15 mm) 100-2500 ml (0,004%)Chloroform, wassergesättigt (0,09%), 25 g basisch (015mm) 50- 800 ml (0,005%)<strong>Die</strong>thylether, wassergesättigt (1,28%), 100 g basisch (0 22 mm) 200- 600 ml (0,01 %)Essigester, wassergesättigt (3,25%), 250 g neutral (0 37 mm) 150- 350 ml (0,01 %)Pyridin (0,65%), 30 g basisch (015mm) 20- 45ml (0,02%)


Trockenmittel 109Molekularsiebe sind synthetische Zeolithe, die beim Erhitzen ohne Zusammenbruch<strong>des</strong> Kristallgitters Wasser abgeben. Dabei entstehen Hohlräume mit Eingängeneinheitlicher Weite von z.B. 4Ä (400 pm), die nur für entsprechend kleine MoIeküe, also beispielsweise Wasser, zugänglich sind. <strong>Die</strong>ser Tatsache und eine besondershohe Adsorptionsaktivität machen die vom Handel in Perl- oder Stäbchenform geliefertenMolekularsiebe zu sehr guten Trockenmitteln für Lösungsmittel. - Zur Anwendungläßt man das Molekularsieb entweder (vorwiegend zum Vortrocknen) 24 hlang unter gelegentlichem Umschütteln zusammen mit dem Lösungsmittel stehen(etwa 100 g pro Liter bei 1% Wasser) oder (besser!) füllt es trocken in ein Chromatographieeohrund läßt das Lösungsmittel aus mit einem Gummistopfen aufgesetztenTropftrichter durchsickern (30-50 ml pro min; die ersten 250 ml enthalten noch Spurenvon Wasser und, wenn das Molekularsieb neu ist, eventuell eine Trübung); Abbildung59a, S. 86. <strong>Die</strong> so getrockneten Lösungsmittel bewahrt man am besten überwenig frischem Molekularsieb auf (etwa 10 g pro Liter). - Benutzte Molekularsiebekönnen ohne Aktivitätsverlust in der Weise regeneriert werden, daß man sie erstmehrmals mit Wasser wäscht (Verdrängung von Lösungsmittelresten, zur Vermeidungvon Explosionen beim Ausheizen), dann im Trockenschrank bei 200-25O 0 Ctrocknet und schließlich bei 300—35O 0 C im Vakuum einer Öl-Drehschieberpumpe(mit Kondensfallen und eingeschaltetem Gasballsat) völlig entwässert. - <strong>Die</strong> aktivenMolekularsiebe sollen so wenig wie nur möglich der Luftfeuchtigkeit ausgesetzt werden.Anwendungsbeispiele für das geschilderte Säulenverfahren mit jeweils 250 g 4Ä-Molekularsieb in einer2,5 cm • 70 cm großen Säule:Benzol, wassergesättigtChloroform, wassergesättigt<strong>Die</strong>thylether, wassergesättigt<strong>Die</strong>thylether, handelsüblichDioxan, handelsüblich(0,07%)(0,09%)(0,12%)(1,17%)(0,08-0,28%)10 Liter10 Liter10 Liter3 Liter3-10 Liter(0,003%)(0,002%)(0,001%)(0,004%)(0,002%)Essigsäureethylester, handelsüblichPyridin, handelsüblichTetrachlorkohlenstoff, wassergesättigtTetrahydrofuran, handelsüblichToluol, wassergesättigtXylol, wassergesättigt(0,015-0,21%)(0,03-0,3%)(0,01%)(0,04-0,2%)(0,05%)(0,045%)(„wassergesättigt" bezieht sich auf empirische Werte.)8-10 Liter2-10 Liter10 Liter7-10 Liter10 Liter10 Liter(0,003-0,006%)(0,004%)(0,002%)(0,001-0,003%)(0,003%)(0,002%)Natrium ist wegen seiner Aggressivität nur zum scharfen Trocknen der Ether (einschließlichTetrahydrofuran und Dioxan) sowie alipatischer und aromatischer Kohlenwasserstoffegeeignet. (Unter keinen Umständen darf Natrium oder Kalium mitHalogenverbindungen zusammengebracht werden. Beim Umgang mit Alkalimetallen istunbedingt eine Schutzbrille zu tragen!) Natrium setzt sich stürmisch mit Wasser um,kleinere Teile zerspritzen dabei unter Feuererscheinungen. Es wird daher zum Schutzgegen Luftfeuchtigkeit unter Petroleum aufbewahrt. Abfälle vernichtet man, wie aufS. 135 ausführlich beschrieben. - Zur Trocknung werden einige Stückchen Natrium


110 Allgemeine Arbeitsanweisungenauf Filterpapier vom Benzol sowie mit einem Masser von den anhaftenden Krustenbefreit und dann mit einer Natriumpresse als Draht direkt in das Lösungsmittel eingedrückt.(<strong>Die</strong> Presse muß vor Gebrauch völlig trocken sein. Der Stempel und dieDüse sind nach Benutzung sofort herauszuschrauben und mit Methanol von Natriumrestenzu reinigen.) — Solange sich Wasserstoff entwickelt, setzt man ein CaIciumchloridrohrauf die Flasche und verschließt dieses mit einem durchbohrtenKorkstopfen, durch den ein kurzes Glasrohr gesteckt ist, das zu einer Kapillare ausgezogenwurde. - Das Einpressen von Natrium wird so oft wiederholt, bis sich dabeikeine Wasserstoffbläschen mehr bilden. (Der Natriumdraht bleibt im Lösungsmittel.)Lösungsmittel mit oberflächlich umgesetztem Natrium enthalten Natrium- xhydroxid als feine Suspension und müssen <strong>des</strong>halb vor Benutzung rasch durch eingroßes Faltenfilter gegossen werden. - Ether ist mit Calciumchlorid vorzutrocknen.Ausfrieren <strong>des</strong> Wassers ist eine der besten Trocknungsmethoden für entsprechendtiefsiedende Gase. Man benutzt dazu Kühlfallen und Kohlendioxid-Kältebäder (höhereTemperaturen sind ziemlich wirkungslos), wie sie auf S. 34 beschrieben sind.Ein sehr schonen<strong>des</strong> Verfahren, aus wässerigen Lösungen in einem Schritt trockeneFeststoffe zu erhalten, die sogenannte Gefriertrocknung, ist auf S. 58 behandelt.Reste unpolarer Lösungsmittel wie Petroleumbenzin lassen sich im Vakuumexsikkatordurch hauchdünne Paraffinschnitzel abfangen.Eigenschaften und Reinigung der wichtigsten LösungsmittelIn der folgenden alphabetisch geordneten Zusammenstellung werden die wichtigsten<strong>organischen</strong> Lösungsmittel beschrieben. Dabei nehmen die Reinigungsverfahreneinen besonders breiten Raum ein. Für die meisten Zwecke muß ein hoher Reinheitsgradgefordert werden, denn bei dem relativ großen molaren Überschuß <strong>des</strong> Lösungsmittelsgenügen oft wenige Prozent Verunreinigungen (z. B. Wasser), die gewünschteReaktion weitgehend zu verhindern oder die Lösungseigenschaften stark zu verändern.Dazu kommt, daß beim Eindampfen die weniger flüchtigen Verunreinigungensich anreichern. - In der Chromatographie oder bei den spektroskopischen Analysenkönnen geringste Verunreinigungen das Ergebnis stark verfälschen.In den meisten Fällen besteht die vom Chemiker selbst durchzuführende Reinigungin einer Beseitigung <strong>des</strong> Wassers. (<strong>Die</strong> Technik <strong>des</strong> Trocknens ist im vorigen Kapitelbeschrieben.) -Außerdem sollten technische Lösungsmittel prinzipiell vor Gebrauch<strong>des</strong>tilliert werden.Alle <strong>organischen</strong> Lösungsmittel sind mehr oder weniger giftig. Stärkeres oder häufigesEinatmen der Dämpfe kann zu akuten oder chronischen Gesundheitsschädenführen! Deshalb - und wegen der Brandgefahr — soll beim Umgang mit siedendenLösungsmitteln (also z. B. beim Umkristallisieren) der Abzug benutzt werden.Sämtliche Alkylhalogenide und Ether (auch Tetrahydrofuran sowie Dioxan) sind


die wichtigsten Lösungsmittel 111in braunen Flaschen aufzubewahren. Für die niedrig siedenden Lösungsmittel wiePetrolether, <strong>Die</strong>thylether und Methylenchlorid sollen die Flaschen keine Glasstopfen,sondern Kork- oder Schraubdeckelverschlüsse haben. (Der Dampfdruck kanndie Stopfen herausschleudern.)<strong>Die</strong> Dichte bezieht sich bei allen folgenden Angaben auf 2O 0 C.Aceton Sdp.: 56,2 0 C Dichte: 0,791Löslichkeit: Aceton ist mit Wasser und allen gebräuchlichen Lösungsmittelnin jedem Verhältnis mischbar. Es bildet mit Wasser kein Azeotrop.Reinigung: Das Aceton <strong>des</strong> Handels enthält im allgemeinen kaum Verunreinigungen.Trocknen kann man es durch Stehenlassen über etwa5 Gew.% entwässertem Calciumsulfat. Alle anderen wirksamen Trockenmittelkatalysieren als Basen beziehungsweise Säuren mehr oder wenigerstark Kondensationsreaktionen und machen daher eine anschließendeDestillation nötig.Ethylalkohol (Ethanol) Sdp.: 78,3 0 C Dichte: 0,794Löslichkeit: Mit Wasser und allen gebräuchlichen <strong>organischen</strong> Lösungsmittelnin jedem Verhältnis mischbar.Bildet mit 4% Wasser azeotropes Gemisch, das bei 78,2 0 C siedet; mit7,4% Wasser und 71,1% Benzol ein solches, das bei 64,9 0 C siedet.Reinigung: Ethylalkohol wird fast ausschließlich 95proz. (das heißt mit5% Wasser) in den Handel gebracht und ist aus steuertechnischen Gründenmeist mit Methanol, Pyridin oder Kohlenwasserstoffen, manchmalauch mit Methylethylketon vergällt. Man kann auch „absoluten Ethylalkohol"kaufen, der nur noch maximal 0,5% Wasser enthält. Will mansich absolutes Ethanol selbst herstellen, verfahrt man z. B. folgendermaßen:In einem 2-1-Schliffkolben mit Rückflußkühler, der durch einCalciumchloridrohr verschlossen ist, wird 11 Ethanol zusammen mit250 g gebranntem Kalk 8 h lang auf einem Dampfbad gekocht. <strong>Die</strong> Suspensionneigt zum Stoßen. Um das zu vermeiden, stelle man einen etwa25 cm langen unten abgebrochenen Holzspan senkrecht in den Kolben(Sie<strong>des</strong>teinchen würden sofort zukleben) und schüttele den Ansatz biszum Beginn <strong>des</strong> Siedens häufig kräftig um. Anschließend <strong>des</strong>tilliert manunter Benutzung eines Vakuumvorstoßes, an <strong>des</strong>sen Schlauchansatz einCalciumchloridrohr hängt, ab. Etwa 20 ml Vorlauf werden verworfen. Esist zweckmäßig, in den Schenkel <strong>des</strong> Destillieraufsatzes einen lockerenPfropfen aus getrockneter Glaswolle zu schieben, die das mitgerisseneCalciumoxid abfängt.Benötigt man völlig wasserfreien Alkohol, trocknet man den selbst hergestelltenoder gekauften absoluten Alkohol am besten derart weiter:In einen 2-1-Dreihalskolben mit mechanischem Rührer und Rückflußkühler,dem ein Calciumchloridrohr aufgesetzt ist, gibt man (durch den


112 Allgemeine Arbeitsanweisungenimmer nur kurz geöffneten dritten Tubus) 1,51 min<strong>des</strong>tens 99,5 proz.Ethanol, einige Sie<strong>des</strong>teinchen sowie - nach und nach - insgesamt10,5 g Natrium. Hat das Metall sich völlig aufgelöst, stellt man den Rühreran und versetzt mit 37,2 ml Phthalsäure-diethylester, wartet einige Minutenund läßt dann eine Stunde lang auf dem Dampfbad sieden. DasRühren verhindert ein Stoßen der Natriumphthalat-Suspension. Nunkann man über eine kurze Kolonne - wieder unter kräftigem Rühren undmit frischen Sie<strong>des</strong>teinchen - vom schwerflüchtigen Phthalsäureester(Sdp. 295 0 C) ab<strong>des</strong>tillieren. So gewonnenes Ethanol enthält weniger als0,05% Wasser. Eine Erklärung dieses eleganten Verfahrens liefern dienachstehenden Reaktionsgleichungen:C 2 H 5 ONa+ H 2 OC 6 H 4 (CO 2 C 2 H 5 ) 2 +± C 2 H 5 OH2NaOH -NaOHC 6 H 4 (CO 2 Na) 2 + C 2 H 5 OHDas Gleichgewicht (I) wird durch die Verseifung (II) ganz nach rechtsverschoben.Nach einem anderen Verfahren zur Gewinnung von absolutem Alkoholsetzt man 95proz. Ethanol Benzol zu und <strong>des</strong>tilliert das Wasser als azeotropesternäres Benzol-Ethanol-Wasser-Gemisch (siehe oben) über eineKolonne ab. — <strong>Die</strong> Nachtrocknung zu völlig wasserfreiem Alkohol kannman auch, wie beim Methylalkohol beschrieben, mit Calcium oderMagnesium durchführen.Alkohole, höheren-PropylalkoholIsopropylalkoholn-ButylalkoholIsobutylalkoholsek. - Buty lalkoholtert.-ButylalkoholSdp.: 97,2 0 CSdp.: 82,8 0 CSdp.:Sdp.:117,7 0 C108 0 CSdp.: 99,5 0 CSdp.: 82,4 0 CSchmp.: -126 0 CSchmp.: -9O 0 CSchmp.:-9O 0 CSchmp.: -108 0 CSchmp.: -115 0 CSchmp.:+26 0 CDichte: Zwischen 0,785 und 0,805.Löslichkeit: <strong>Die</strong> Propylalkohole sind in jedem Verhältnis mit Wassermischbar; die höheren nur noch teilweise.Benzol Sdp.: 80,1 0 C Schmp.: 5,5 0 CDichte: 0,879Löslichkeit: Mit fast allen gebräuchlichen <strong>organischen</strong> Lösungsmitteln injedem Verhältnis mischbar. Benzol löst sich bei 25 0 C zu 0,18% in Wasserund bildet mit 8,8% Wasser ein Azeotrop, das bei 69,3 0 C siedet.Reinigung: Handelsübliches Benzol kann als Hauptverunreinigung we-


die wichtigsten Lösungsmittel 113nig Wasser, Thiophen und gesättigte Kohlenwasserstoffe enthalten. ZumTrocknen preßt man Natrium ein (siehe S. 109) oder benutzt eine Aluminiumoxid-oder Molekularsieb-Säule.Chloroform Sdp.: 61,2 0 C Dichte: 1,480Löslichkeit: Mit Wasser nicht, mit allen gebräuchlichen <strong>organischen</strong>Lösungsmitteln mischbar.Reinigung: Handelsübliches Chloroform enthält fast immer etwas Ethylalkohol(nach DAB 7 etwa 1%), der das durch oxidative Zersetzung gebildetegiftige Phosgen als Ester unschädlich macht. Falls es nötig seinsollte, kann man diesen Alkohol in einer Aluminiumoxid-Säule (sieheS. 108) oder durch Schütteln mit konz. Schwefelsäure und anschließen<strong>des</strong>Waschen mit Wasser entfernen. Trocknen kann man das Chloroformebenfalls an Aluminiumoxid oder am Molekularsieb oder mit Phosphorpentoxidund anschließender fraktionierender Destillation.Auf keinen Fall darf Chloroform mit Natrium zusammengebracht werden!<strong>Die</strong>thylether Sdp.: 34,6 0 C Dichte: 0,714Löslichkeit: Ether löst (azeotrop) 1,2% Wasser (bei 15 0 C). Wasser löst7,5% Ether (bei 15 0 C). Er ist mit konz. Mineralsäuren und fast allen<strong>organischen</strong> Lösungsmitteln in jedem Verhältnis mischbar.Reinigung: Der <strong>Die</strong>thylether <strong>des</strong> Handels enthält meist einige ProzenteWasser und Alkohol, eventuell auch Peroxide und Acetaldehyd. Zur Beseitigungvon Wasser und Alkohol läßt man den Ether erst einige Tageüber 10-15 Gew.% Calciumchlorid stehen. Dann filtriert man durch eingroßes Faltenfilter und preßt in Abständen so lange Natrium ein (insgesamtetwa 0,5-1 Gew.%), bis der Draht blank bleibt (siehe S. 109).Oder man filtriert durch eine Aluminiumoxid- oder Molekularsieb-Säule.<strong>Die</strong>thylether neigt (wie mehr oder weniger alle Ether) zur Bildung hochexplosiver,stechend riechender Peroxide. <strong>Die</strong>se sammeln sich als Rückstandbei der Destillation an und können zu Explosionen führen.Peroxidprobe: Man schüttelt einige Milliliter Ether mit einer Lösung vonTitan(III)-sulfat in SOproz. Schwefelsäure: Gelb- bis Orangenfärbungzeigt Peroxide an. - Zur ihrer Beseitigung schüttelt man den Ether längereZeit mit einer frisch bereiteten Lösung von 12g Eisen (Il)-sulfat und 1,2 mlkonz. Schwefelsäure in 22 ml Wasser, oder man filtriert durch Aluminiumoxid.- Man kann die Neubildung der Peroxide verzögern, indem manden Ether dunkel aufbewahrt. Zugesetztes festes Ätzkali fällt primär entstehendeHydroperoxid aus (nicht jedoch die polymeren!) und hält denEther zugleich trocken. Ether mit blankem Natriumdraht kann alsperoxidfrei angesehen werden *.1 R.Criegee, Methoden der <strong>organischen</strong> Chemie, (Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl., Bd. 8, S. l, 74, Thieme,Stuttgart 1952.


114 Allgemeine ArbeitsanweisungenN,N-Dimethylformamid (DMF) Sdp: 153 0 C Schmp.: -61 0 C Dichte: 0,946Löslichkeit: Mit Wasser und den meisten <strong>organischen</strong> Lösungsmitteln injedem Verhältnis mischbar.Dimethylformamid ist wasserdampfflüchtig. Von empfindlichen Substanzenkann man es im Vakuum nach Vermischen mit Wasser bei tiefenTemperaturen ab<strong>des</strong>tillieren.Reinigung: Dimethylformamid ist meist mehr oder weniger stark mitseinen Zersetzungsprodukten verunreinigt. <strong>Die</strong>se lassen sich, zusammenmit bis zu 5% Wasser, folgendermaßen entfernen: Man versetzt 90mlDimethylformamid mit 12ml Benzol sowie (falls nicht schon vorhanden)4 ml Wasser und fraktioniert im Vakuum. Im Vorlauf geht einBenzol-Wasser-Gemisch zusammen mit den Aminen über, dann folgtsehr reines, geruchloses Dimethylformamid.Dimethylsulfoxid Sdp.: 189 0 C unter Zersetzung Schmp.: 18,5 0 C Dichte: 1,101Löslichkeit: Unbegrenzt mit Wasser und zahlreichen <strong>organischen</strong> Lösungsmitteln(auch mit aromatischen Kohlenwasserstoffen) mischbar;nicht dagegen mit aliphatischen Kohlenwasserstoffen.Vortrocknen über Aluminiumoxid, Bariumoxid oder Calciumsulfat, anschließendüber Calciumhydrid im Wasserstrahlvakuum <strong>des</strong>tillieren,Sdp.: 75-76 0 C (12 Torr).Dimethylsulfoxid wird durch Acylhalogenide und ähnliche Verbindungenwie Cyanurchlorid, Acetylchlorid, Benzoylchlorid, Thionylchlorid,Phosphorylchlorid und ähnliche heftig zersetzt!Dioxan Sdp.: 101 0 C Schmp.: 12 0 C Dichte: 1,034Löslichkeit: Mit Wasser und allen gebräuchlichen <strong>organischen</strong> Lösungsmittelnin jedem Verhältnis mischbar.Dioxan bildet hochexplosive Peroxide! (Siehe <strong>Die</strong>thylether)Reinigung: Als Hauptverunreinigungen kann Dioxan Peroxide, Essigester,Wasser und Acetaldehydethylenacetal enthalten.<strong>Die</strong> Peroxide sind durch Schütteln mit Zinn(II)-chlorid zu entfernen. EnthältDioxan nicht zu viele Verunreinigungen, kann es wie Tetrahydrofuranmit Kaliumhydroxid und Natrium weiter gereinigt und entwässertwerden.Das Wasser allein kann mit Molekularsieb entfernt werden.Essigsäure Sdp.: 118 0 C Schmp.: 17 0 C Dichte: 1,049Löslichkeit: Unbegrenzt in Wasser, Alkohol (langsam Veresterung) undEther löslich.Essigsäure-ethylester (Essigester, Ethylacetat) Sdp.: 77,1 0 C Dichte: 0,901Löslichkeit: Mit den meisten <strong>organischen</strong> Lösungsmitteln mischbar. Bei25 0 C löst Essigester 3 Gew.% Wasser, Wasser 8,1 Gew.% Essigester.Bildet mit 8,5 Gew.% Wasser ein bei 70,4 0 C sieden<strong>des</strong> Azeotrop.


die wichtigsten Lösungsmittel 115Reinigung: Das technische Produkt enthält kleine Mengen Wasser,Ethylalkohol und Essigsäure. Zur Entfernung dieser Verunreinigungenkocht man 6h lang mit 8,5 Vol.% Essigsäureanhydrid unter Rückfluß,<strong>des</strong>tilliert über eine Vigreuxkolonne, trocknet durch Schütteln mit wasserfreiemKaliumcarbonat und <strong>des</strong>tilliert erneut.Das Wasser kann auch auf einer Aluminiumoxid- oder Molekularsieb-Säule beseitigt werden.n-Hexan Sdp.: 68,7 0 C Dichte: 0,659Löslichkeit: Alle Alkane sind mit Wasser, Dimethylformamid, Dimethylsulfoxidund ähnlichen Lösungsmitteln praktisch nicht mischbar. Sielösen sich z. B. in absolutem Methanol, Ethylalkohol, Ether und Aceton.Reinigung: <strong>Die</strong> Beseitigung der sehr geringen Mengen gelösten Wassersgeschieht am besten durch Einpressen von Natrium (siehe S. 109). Alleanderen üblichen Trockenmittel dürfen ebenfalls verwendet werden.Ethylmethylketon (Butanon) Sdp.: 8O 0 C Dichte: 0,805Löslichkeit: Mit allen gebräuchlichen <strong>organischen</strong> Lösungsmitteln in jedemVerhältnis homogen mischbar. Es bildet mit 11,3 Gew.% Wasserazeotropes Gemisch. Bei 22 0 C lösen sich in Wasser 26,3 Gew. % Butanon,Reinigung: Wie beim Aceton beschrieben.Methylalkohol (Methanol) Sdp.: 64,5 0 C Dichte: 0,792Löslichkeit: Mit Wasser, Ethylalkohol, Ether in jedem Verhältnis mischbar,mit aliphatischen Kohlenwasserstoffen nur dann, wenn völlig wasserfrei.Bildet mit Wasser kein Azeotrop.Reinigung: Methylalkohol wird (rektifiziert) schon weitgehend wasserfreigeliefert. <strong>Die</strong> letzten Reste Wasser - unter einem Prozent - kann manmit Magnesium entfernen 1 : Man versetzt in einem 2-1-Kolben mit Rückflußkühlerund Calciumchloridrohr 11 Methylalkohol mit 10g Magnesiumspänen.Nach einiger Zeit setzt unter Wasserstoffentwicklung dieexotherme Reaktion ein und bringt schließlich das Methanol zum Sieden.(Schüssel mit Eis-Wasser bereithalten, damit man kühlen kann, falls dieUmsetzung zu stürmisch wird!) Hat sich das Magnesium ganz aufgelöst,läßt man noch etwa zwei h weiter sieden und <strong>des</strong>tilliert dann ab. (Calciumchloridrohram Vakuumvorstoß.) - Enthält der Methylalkohol mehrals 1% Wasser, springt die Reaktion nicht an.Methylenchlorid Sdp.: 41,6 0 C Dichte: 1,336Löslichkeit: Mit den meisten <strong>organischen</strong> Lösungsmitteln in jedem Verhältnismischbar. Bei 25 0 C löst Methylenchlorid 0,1 Gew.% Wasser undwird von diesem zu 1,3 Gew.% gelöst. Bildet mit 1,5% Wasser ein Azeotrop,das bei 38 0 C siedet.1 N. Bjerrum und L. Zechmeister, Ber. Dtsch. Chem. Ges. 56, 894 (1923).


116 Allgemeine ArbeitsanweisungenReinigung: Zur Reinigung (von z. B. autoxidativ am Licht gebildetemChlorwasserstoff) genügt meist ein Durchschütteln mit Wasser, Trocknenüber Calciumchlorid oder wasserfreiem Kaliumcarbonat und schließlichfraktionieren<strong>des</strong> Destillieren. Für höhere Ansprüche wäscht man vorhernacheinander mit konz. Schwefelsäure und wässeriger Natronlauge.Methylenchlorid darf keinesfalls mit Natrium zusammengebracht werden!PetroleumbenzineGemische von Alkanen, handelsübliche Siedebereiche: 40-6O 0 C (Petrolether); 60 bis8O 0 C; 100—140°C(Ligroin).Löslichkeit und Reinigung wie beim «-Hexan.Pyridin Sdp.: 115,6 0 C Dichte: 1,510Löslichkeit: Mit Wasser und allen gebräuchlichen Lösungsmitteln in jedemVerhältnis mischbar. Es ist hygroskopisch und bildet mit 46% WasserAzeotrop, das bei 92 0 C siedet.Reinigung: Das reine Pyridin <strong>des</strong> Handels braucht zur Trocknung im allgemeinennur kurze Zeit über festem Kaliumhydroxid oder Bariumoxidgekocht und dann ab<strong>des</strong>tilliert zu werden. Trocknung auf der Aluminiumoxid-oder Molekularsieb-Säule ist ebenfalls möglich.Tetrachlorkohlenstoff Sdp.: 76,7 0 C Dichte: 1,598Löslichkeit: Mit den meisten <strong>organischen</strong> Lösungsmitteln in jedem Verhältnismischbar. Bei 25 0 C löst Tetrachlorkohlenstoff 0,08% Wasser.Bildet mit 4,1% Wasser ein Azeotrop, das bei 65 0 C siedet.Reinigung: Zum Trocknen genügt meist Calciumchlorid oder Destillationüber eine kurze Kolonne, wobei das Wasser azeotrop als Vorlauf abgetrenntwird. Wirksamer läßt sich das Wasser mit Aluminiumoxid oderMolekularsieb entfernen.Auf keinen Fall darf Tetrachlorkohlenstoff mit Natrium zusammengebrachtwerden!Tetrahydrofuran (THF) Sdp.: 56,4 0 C Dichte: 0,888Löslichkeit: Mit Wasser und allen gebräuchlichen <strong>organischen</strong> Lösungsmittelnin jedem Verhältnis mischbar. Bildet mit 5,4 Gew.% Wasser einazeotropes Gemisch, das bei 63 0 C siedet.THF bildet noch leichter als <strong>Die</strong>thylether hochexplosive Peroxide (siehebei diesem).Reinigung: Der Nachweis der Peroxide ist beim <strong>Die</strong>thylether beschrieben.Man entfernt sie in folgender Weise 1 : 100Og Tetrahydrofuran miteinem Gehalt von 0,4% aktivem Sauerstoff werden mit 4 g Kupfer(I)-Farbwerke Hoechst AG, Erfinder: H. Wegner und O.Fuchs. Dtsch. Bun<strong>des</strong>-Pat 948506 (1954).


die wichtigsten Lösungsmittel, Bestimmung <strong>des</strong> Schmelzpunkts 117chlorid gekocht; dann <strong>des</strong>tilliert man das peroxidfreie Tetrahydrofuranab.Zur Trocknung schüttelt man mit festem Kaliumhydroxid (Vorsicht,feuchtes THF kann sich mit KOH heftig erwärmen 1 ), trennt von der Baseab, preßt Natrium ein (siehe <strong>Die</strong>thylether) und <strong>des</strong>tilliert dann vorsichtig(nicht zu weitgehend!) in einer Heizhaube ab. Oder man filtriert überMolekularsieb.Toluol Sdp.: 110,6 0 C Dichte: 0,865Man verwendet Toluol (und die Xylole) als Lösungsmittel an Stelle vonBenzol, wenn höhere Siedetemperaturen gewünscht werden. <strong>Die</strong> Lösungseigenschaftendieser Homologen sind so gut wie gleich. Trocknenkann man sie in derselben Weise wie Benzol.XylolMeist benutzt man das billigere Isomerengemisch, das zwischen 130 und140 0 C über<strong>des</strong>tilliert.Näheres siehe bei Toluol.Bestimmung <strong>des</strong> Schmelzpunkts<strong>Die</strong> zur Charakterisierung kristalliner Verbindungen wichtigste physikalische Stoffkonstanteist der Schmelzpunkt.Im Labor benutzt man zur Schmelzpunktbestimmung meist Apparaturen, in denenungefähr ein Milligramm Substanz in einem einseitig zugeschmolzenen Kapillarröhrchenaus Glas neben einem Thermometer erhitzt wird. <strong>Die</strong> Schmelzpunktkapillare hateinen Durchmesser von l mm, eine Länge von etwa 7 cm und soll sehr dünnwandigsein. Sie wird mehrmals mit der Öffnung in die (z. B. auf dem Tonteller) gut getrocknete,fein zerriebene Untersuchungssubstanz getaucht und dann vorsichtig aufgestaucht,bis sie 2 oder 3 mm hoch kompakt gefüllt ist. (Bleibt das Pulver hartnäckigan der Rohrmündung hängen, läßt man die Kapillare mehrmals durch ein langesGlasrohr auf eine harte Unterlage fallen.)Als Meßapparatur verwendet man im allgemeinen entweder kleine, dauernd umgewälzteFlüssigkeitsbäder oder einen Metallblock; beide mit geeichtem Thermometer.Mit den ersteren läßt sich die Schmelzpunktbestimmung auf etwa 1,O 0 C, mit demzweiten auf 1,5—2,O 0 C bei einiger Übung reproduzieren.In den Flüssigkeits-Schmelzpunktapparaturen soll die Substanz sich unmittelbarneben der Quecksilberkugel <strong>des</strong> Thermometers befinden - und möglichst durch Rührenoder Konvektion für eine gleichmäßige Wärmeübertragung gesorgt sein. Eineeinfache Konstruktion von J. Thiele, die diese Forderung recht gut erfüllt, zeigt Abbildung69: Das Thermometer wird durch einen Kork gehalten, der auf der Vorder-1 Vorsicht bei der Reinigung von THF, vgl. Warnung in Organic Syntheses, CoIl. Vol. 5, S. 976, J. Wileyand Sons, New York, London, Sydney, Toronto 1973.


118 Allgemeine Arbeitsanweisungenseite zum Ablesen der Skala eingekerbt ist. Durch die beiden schrägen Ansatzrohrekönnen zwei Schmelzpunktkapillaren so eingeführt werden, daß sie an die Thermometerkugelstoßen. Der Apparat, der bis zur Hälfte der Ansatzrohre mit Heizbadflüssigkeitgefüllt ist, hat unten einen bogenförmigen Ansatz, unter den der Brennergestellt wird. <strong>Die</strong>se Konstruktion bewirkt, daß die aufsteigende erwärmte Badflüssigkeitdauernd zirkuliert. Geheizt wird mit der Sparflamme <strong>des</strong> Bunsenbrenners. (Zurbesseren Verteilung der Wärme sollte man den unteren beheizten Schenkel, wie Abbildung69b zeigt, mit Kupferdrahtnetz überziehen.) Es empfiehlt sich, den Schmelzvorgangdurch eine Lupe zu beobachten.Als Heizbadfüllung verwendet man konz. Schwefelsäure oder Siliconöl. Der Umgangmit heißer, konzentrierter Schwefelsäure verlangt besondere Vorsicht; es empfiehltsich, eine größere Petrischale mit Sand unter den Bunsenbrenner zu stellen.Langsame Braunfärbung der Schwefelsäure verhindert man durch Zugabe einesKristalls Kaliumnitrat. - Siliconöle fangen, je nach Qualität, ab 20O 0 C an, sich zuzersetzen und zu polymerisieren, wodurch die Konvektion gestört wird. Außerdemhaben sie hohe Wärmeausdehnungskoeffizienten.In der Metallblock-Schmelzpunktapparatur ist die Temperatur nach oben lediglichdurch das Thermometer begrenzt. (Normale Quecksilberthermometer reichen bis360 0 C.) Der Metallblock nach F. Lindström - siehe Abbildung 70 - besteht aus einemdickwandigen, abgeschlossenen Kupferzylinder, in den man von oben das Thermometerund bis zu drei Schmelzpunktkapillaren einsteckt. Er ist mit einer Lampe undAbb. 69 Einfache Schwefelsäure-Schmelzpunktapparaturnach Thiele mit Substanzprobe;a) von vorne; b) von der Seite gesehen(Maßstab l : 3)Abb. 70 Kupferblock-Schmelzpunktapparatur(im Querschnitt)mit zwei Substanzproben(Maßstab l: 2)


Schmelzpunktdepression 119einer Lupe zur Beobachtung <strong>des</strong> Schmelzvorgangs ausgerüstet. Geheizt wird durcheine kleine, regulierbare Gasflamme.Bei beiden Apparaturen ist die Heizstärke so einzustellen, daß die Temperatur anfangsum etwa zehn 0 C pro min, in der Nähe <strong>des</strong> Schmelzpunkts ein 0 C pro min steigt.Liegt der Schmelzpunkt hoch (über etwa 10O 0 C), darf anfangs schneller aufgeheiztwerden. (Ist er unbekannt, empfiehlt es sich, eine Vorprobe sehr schnell zu erhitzen,um so seine ungefähre Lage zu ermitteln.) Bei reinen Substanzen beobachtet man nachanfanglichem Schwinden und Sintern einen plötzlichen Beginn <strong>des</strong> Schmelzvorgangs,der sich dann noch über maximal ein Grad hinziehen kann. Verunreinigte Stoffe undmanche Substanzklassen schmelzen über ein größeres Temperaturintervall. Zahlreicheorganische Verbindungen (speziell salzartige) zersetzen sich bereits unterhalbihres Schmelzpunkts. Liegt eine solche vor, heizt man anfangs möglichst rasch biszehn Grad unterhalb <strong>des</strong> Zersetzungspunkts und erst dann mit zirka fünf 0 C Temperatursteigerungpro min weiter. Der Zersetzungspunkt gibt sich durch Dunkelfarbungder Substanz oder Aufblähen und Gasentwicklung zu erkennen (sowie daran,daß die Zersetzungsprodukte beim langsamen Abkühlenlassen nicht am gleichenTemperaturpunkt wieder fest werden). Er ist stark von der Schnelligkeit <strong>des</strong> Erhitzensabhängig und hat <strong>des</strong>halb als Charakteristikum nur geringen Wert.Weiterhin sind einige organische Verbindungen polymorph, das heißt, sie könnenin verschiedenen (energetisch ähnlichen) Kristallgittern existieren, haben also mehrals einen Schmelzpunkt.Schon geringe Verunreinigungen (auch solche mit höher schmelzenden Substanzen)bewirken - durch Bildung von Eutektika J - eine merkliche Schmelzpunkt-Erniedrigung.<strong>Die</strong>se Tatsache liefert die Möglichkeit, die Identität zweier kristalliner Stoffeauf einfache Weise zu belegen: Man stellt sich durch sorgfältiges Verreiben eine Mischungaus der zu untersuchenden Substanz und einer authentischen Vergleichssubstanzher und bringt diese neben der reinen Vergleichssubstanz zum Schmelzen. Istdie unbekannte Verbindung mit der authentischen identisch, schmelzen beide Probengleichzeitig; ist sie es nicht, schmilzt die Mischung deutlich tiefer (auch wenn dieSchmelzpunkte der zwei Einzelstoffe sehr nahe beieinander liegen). <strong>Die</strong>se Methodeder Mischschmelzpunkt-Bestimmung versagt lediglich in dem (seltenen) Fall, daß diebeiden Verbindungen isomorph (also von gleicher Kristallgestalt) sind.Eine unbekannte Substanz kann dann als ,jchmelzpunktrein" angesehen werden,wenn ihr Schmelzpunkt scharf ist und sich nach wiederholtem Umkristallisieren(Sublimieren oder Destillieren) nicht mehr erhöht. Unreine Substanzen schmelzeninnerhalb eines Temperaturbereichs von mehreren 0 C.Den Schmelzpunkt von Substanzen, die sublimieren, mißt man im zugeschmolzenenRöhrchen, das möglichst vollständig ins Wärmebad eintauchen soll. - HygroskopischeStoffe sind ebenfalls so abzuschließen.Verbindungen, die unterhalb der Raumtemperatur schmelzen, taucht man zusammenmit dem Thermometer in ein kleines gut gerührtes Kältebad und wartet, bis die1 Siehe Lehrbücher der an<strong>organischen</strong> Chemie.


120 Allgemeine Arbeitsanweisungenerstarrte Substanz im langsam sich erwärmenden Bad wieder schmilzt.Trägt das zur Schmelzpunktapparatur gehörende Thermometer auf seiner Rückseitedie Aufschrift „mittlere Fadentemperatur:... 0 C", ist es vereinbarungsgemäß sogeeicht, daß die abgelesenen Werte die tatsächlichen Schmelztemperaturen anzeigen.Ist das Thermometer nicht auf die Schmelzpunktapparatur abgestimmt, muß manzur Ermittlung der wahren Schmelzpunkttemperatur eine Thermometerkorrektur(Fadenkorrektur) vornehmen, als Ausgleich dafür, daß der aus dem Bad herausragendeTeil <strong>des</strong> Quecksilberfadens nicht mit erwärmt wird. Man addiert dafür zu derabgelesenen Temperatur den Betrag n • y (t — t 0 ), bei dem y eine Materialkonstante,n die Anzahl der überstehenden Grade <strong>des</strong> Quecksilberfadens und f 0 <strong>des</strong>sen mittlereTemperatur (angenähert mit einem zweiten Thermometer zu messen) ist. y hat fürJenaer Glas den Wert 0,00016. Für Temperaturen von 25O 0 C liegt der Korrekturwertim Bereich von 6 0 C. - In der Literatur werden häufig „unkorrigierte" Schmelzpunkteangegeben.Abschließend seien noch zwei aufwendigere Apparaturen zur Bestimmung <strong>des</strong>Schmelzpunkts erwähnt, nämlich das Heiztisch-Mikroskop und die Heizbank, diebeide von L. Kofler entwickelt worden sind.Das Heiztisch-Mikroskop hat einen elektrisch heizbaren Objekttisch, in <strong>des</strong>senMitte ein speziell geeichtes Thermometer ragt. Mit seiner Hilfe kann das Temperaturverhalteneiner Untersuchungssubstanz, von der nur wenige winzige Kriställchennötig sind, bei starker Vergrößerung genau beobachtet werden (eventuell im polarisiertenLicht). Dabei ist die Temperatur so fein einzuregulieren, daß das Kristall-Schmelze-Gleichgewicht längere Zeit konstant gehalten werden kann.Sehr rasch läßt sich der Schmelzpunkt auf 2-3 0 C genau mit der Heizbank ermitteln.Sie besteht im wesentlichen aus einer knapp 40 cm langen Metallschiene, auf dereine eingebaute Widerstandsheizung ein lineares Temperaturgefalle zwischen 50und 25O 0 C erzeugt. <strong>Die</strong> pulverisierte Testsubstanz wird direkt auf die Schiene gestreut.An der -je nach Reinheit <strong>des</strong> Stoffes mehr oder weniger breiten — Grenze zwischenKristallpulver und Schmelze kann die Temperatur von einer Skala abgelesenwerden.Bestimmung <strong>des</strong> SiedepunktsIm Gegensatz zum Schmelzpunkt ist der Siedepunkt vom Druck abhängig. Stehtkeine weitere Angabe dabei, bezieht sich der Siedepunkt immer auf den Normaldruck,also 760 Torr. Bei Substanzen, die sich unter diesen Bedingungen zersetzen, mißt manden Siedepunkt im verminderten Druck, muß dann natürlich den Meßdruck mit angeben.Leider ist die Druckabhängigkeit der Siedetemperatur von Stoff zu Stoff verschieden,so daß es nicht ohne weiteres möglich ist, die gemessenen Werte auf Normalbedingungenumzurechnen (siehe S. 39). Da außerdem die Bestimmung <strong>des</strong>Siedepunkts schwieriger und - besonders wegen der kaum ganz zu vermeidenden


Bestimmung <strong>des</strong> Siedepunkts 121Überhitzung — fehlerhafter ist als die <strong>des</strong> Schmelzpunkts, kommt ihr als charakteristischeStoffkonstante eine viel geringere Bedeutung zu. Um die Vorteile der Schmelzpunktbestimmungauch auf flüssige Verbindungen ausdehnen zu können, führt mandiese häufig durch einfache chemische Umsetzungen in definierte kristalline Derivateüber.Eine Möglichkeit der Siedepunktbestimmung wurde schon auf S. 35 behandelt:Man <strong>des</strong>tilliert die Flüssigkeit in einer normalen Destillationsapparatur über undmißt die am Siedethermometer angezeigte Temperatur (dabei auf richtigen Sitz <strong>des</strong>Thermometers achten; langsam, aber kontinuierlich <strong>des</strong>tillieren; Sie<strong>des</strong>teinchen nichtvergessen). Für exakte Messungen müßte dazu noch der Barometerstand abgelesen(und eventuell auch eine Thermometerkorrektur vorgenommen) werden.Siedepunkte unter vermindertem Druck lassen sich nur auf diese Weise messen. (DabeiDruckabfall zwischen Manometer und Siedekolben gering halten; siehe S. 40).Für kleine Substanzmengen sind besonders zwei auf 1-2 0 C reproduzierbare Verfahrengeeignet, die beide in der Schmelzpunktapparatur nach Thiele (Abbildung 69)durchgeführt werden können.Bei der einen - nach Ch. Wiegand*; Abbildung 71 - gibt man etwa 2 ml der Flüssigkeitin ein 5-6 mm weites Reagenzgläschen („Glühröhrchen"), steckt eine Schmelzpunktskapillareso dazu, daß ihre Mündung bis kurz über den Boden in die Flüssigkeittaucht und befestigt das Glühröhrchen mit einem Gummiring auf gleicher Bodenhöheam Schmelzpunktthermometer. Beim Heizen (rasch bis auf etwa 1O 0 C unterhalb<strong>des</strong> Siedepunkts, dann etwa 1 0 C pro min) treten erst einzelne Gasblasen ausAbb. 7lApparatur zurSiedepunktbestimmungnach WiegandAbb. 72a-cKapillare zur SiedepunktbestimmungnachEmich in dreiArbeitsstadien (Maßstab 2:1)Ch. Wiegand, Angew. Chem. 67, 77 (1955).


122 Allgemeine Arbeitsanweisungender Kapillare, die sich dann plötzlich - beim Erreichen der Siedetemperatur - zueiner ununterbrochenen Kette feiner Bläschen verdichten. Läßt man langsam wiederabkühlen, reißt die Kette am Siedepunkt unvermittelt ab.Für die zweite - nach F. Emich 1 ; Abbildung 72 - zieht man den Boden einesSchmelzpunktröhrchens in der Sparflamme zu einer feinen, 2 cm langen, offenen Kapillareaus. <strong>Die</strong>se Spitze taucht man so kurz in die Untersuchungsflüssigkeit, daß sichnur ein winziges Tröpfchen hochsaugt und das offene Ende wieder frei wird (a in Abbildung72). Schmilzt man nun die Spitze vorsichtig über der Sparflamme zu, mußunterhalb <strong>des</strong> Tröpfchens ein kleines Luftvolumen zurückbleiben (b). <strong>Die</strong>ses dehntsich beim Erhitzen in der Schmelzpunktapparatur (nach Abbildung 72) zuerst nurwenig, dann - wenn der Siedepunkt erreicht ist — so rasch aus, daß das Tröpfchenplötzlich bis über den Meniskus der Badfüllung hochgeschoben wird (c).Bestimmung <strong>des</strong> Brechungsindexes (Refraktometrie)Der Brechungsindex n ist eine weitere spezifische Stoffkonstante, die es gestattet,flüssige oder gelöste Verbindungen schnell und bequem zu identifizieren oder aufReinheit zu prüfen.Physikalische Grundlage ist die Stoff- und konzentrationsabhängige Ablenkung,die Lichtstrahlen bestimmter Wellenlänge beim Übertritt aus Luft in die zu messendeFlüssigkeit erfahren. Moderne Refraktometer arbeiten meist nach dem Prinzip derTotalreflexion und sind so geeicht, daß sie den Brechungsindex auf 0,0001 genaudirekt anzeigen. 2Solche Meßgenauigkeit ist - wegen der starken Temperaturabhängigkeit <strong>des</strong> Brechungsindexes- allerdings nur dann sinnvoll, wenn die Meßtemperatur auf 0,2 0 Cexakt eingestellt und abgelesen werden kann! Das ermöglicht z. B. ein kleiner Durchflußthermostat,der über kurze Schläche mit dem Refraktometer verbunden ist. Inder Literatur angegebene Brechungsindizes beziehen sich üblicherweise auf die Wellenlängeder Natrium-D-Linie (589 nm) und 20 oder 25 0 C: «£° o


Bestimmung der optischen Aktivität (Polarimetrie)Refraktometrie und Polarimetrie 123Zahlreiche organische Verbindungen sind chiral, das heißt, sie können in zwei Antipoden(Enantiomeren) auftreten, die sich - bei völliger Identität <strong>des</strong> Molekülaufbaus,aller Bindungsabstände und Bindungswinkel - lediglich dadurch voneinander unterscheiden,daß der eine das Spiegelbild <strong>des</strong> anderen ist. Solche Antipodenpaare verhaltensich auch chemisch und physikalisch völlig gleich — bis auf eine Ausnahme:Sie drehen die Ebene <strong>des</strong> polarisierten Lichts 1 rechts herum oder links herum; siesind optisch aktiv. Der Betrag dieser Rechts- beziehungsweise Links-Drehung (Rotation)ist für jede Substanz spezifisch. - Damit ergibt sich die Möglichkeit, mit Hilfeeines Polarimeters optisch aktive Substanzen, die in der Natur häufig vorkommen,zu identifizieren, der rechtsdrehenden (+) oder linksdrehenden (—) Form zuzuordnenoder mengenmäßig zu bestimmen.Der am Polarimeter abgelesene Drehwert a (gemessen in Winkelgraden) ist abhängigvon:der spezifischen Drehung der Substanz [a],der Konzentration der gelösten Substanz c (in g/100 ml),der Länge der benutzten Küvette l (in Dezimetern!),der Wellenlänge <strong>des</strong> zur Messung benutzten Lichts A [nm]und, in geringem Umfang, der Temperatur.Zwischen diesen Bezugsgrößen besteht (für eine bestimmte Wellenlänge und Temperatur)der Zusammenhang: [a]| = .c • lFrüher wurde fast ausschließlich bei der Wellenlänge der gelben Natrium-D-Linie(589 nm) gemessen. Moderne Geräte ermöglichen Bestimmungen bei mehreren Wellenlängen.- <strong>Die</strong> Abhängigkeit der optischen Drehung von der Wellenlänge, die sogenannteoptische Rotationsdispersion (ORD), verläuft in substanzspezifischenKurven, welche Maxima und Minima aufweisen, die mit der Lage der Absorptionsbandenzusammenhängen (Cotton-Effekte).In der <strong>Praxis</strong> wiegt man die Untersuchungssubstanz in einem passenden Meßkölbchenein, löst sie und füllt die klare (!) Lösung blasenfrei in die Meßküvette. <strong>Die</strong>Durchführung der Messung selbst richtet sich nach der Art <strong>des</strong> Polarimeters. Esempfiehlt sich auf jeden Fall mit einem Lösungsmittel den Nullpunkt <strong>des</strong> Gerätes zuüberprüfen („Leerwert"-Messung).Im allgemeinen wählt man die Konzentration c gleich l (bis 2). Da die Drehung starkvom Lösungsmittel beeinflußt werden kann und auch nicht unbedingt linear von derKonzentration abhängt, sind beide Daten mit anzugeben. Beispiel: [a]^5 = + 12,7°in Methanol (c = 1). Benutzung einer, an einen Thermostaten angeschlossenenDurchflußküvette ist lediglich in Ausnahmefällen nötig.Siehe Lehrbücher der Physik.


124 Allgemeine Arbeitsanweisungen<strong>Die</strong> Drehrichtung kann nur durch Vergleich mit einer zweiten Messung bei z. B.halber Konzentration oder halber Küvettenlänge ermittelt werden.Speziell geeichte „Saccharometer" dienen vielfach in der Industrie zur Gehaltsbestimmungvon Zuckerlösungen.Qualitative chemische ElementaranalyseZur Ermittlung der Zusammensetzung einer <strong>organischen</strong> Verbindung ist ein Nachweisder Elemente notwendig. <strong>Die</strong>ser unterscheidet sich von einem entsprechendenan<strong>organischen</strong> Trennungsgang im wesentlichen dadurch, daß zwar einerseits immerein Aufschluß der (homöopolar gebundenen) Substanz nötig ist, andererseits jedochvergleichsweise nur sehr wenige Elemente bestimmt werden müssen.Am Anfang jeder weiteren Untersuchung mache man stets eine Brennprobe, indemman 10-50 mg der unbekannten Substanz auf einem Spatel schrittweise der Mikroflamme<strong>des</strong> Bunsenbrenners nähert. Fängt die Substanz dabei von selbst an zu brennen,deutet eine nicht oder nur schwach bläulich leuchtende Flamme auf Sauerstoffgehalt- eine gelb leuchtende, rußende Flamme auf das Vorliegen von C—C-Mehrfachbindungenhin. Bleibt nach längerem Glühen ein nicht verbrennbarer Rückstand,enthielt die Probe anorganische Bestandteile. Explodiert die Substanz, muß bei denweiteren Untersuchungen besonders vorsichtig und mit kleinsten Mengen weitergearbeitetwerden!Nachweis von Kohlenstoff und WasserstoffKohlenstoff läßt sich oft schon bei der Brennprobe erkennen. Sicher nachweisen kannman ihn, indem man eine Substanzprobe in einem kleineren Reagenzglas mit dermehrfachen Menge ausgeglühtem, feinem Kupferoxid mischt, noch mit etwas Kupferoxidüberschichtet, das Reagenzglas mit einem durchbohrten Korkstopfen verschließt,in welchem ein Glasrohr steckt, das in klare Bariumhydroxidlösung eintaucht- und nun die Mischung stark erhitzt. Enthielt die Probe Kohlenstoff, bildetsich Kohlendioxid, das das Barytwasser trübt (Bariumcarbonat fällt aus). - Hat manvorher die Substanzen und das Reagenzglas gut getrocknet, sind Wassertröpfchen,die sich an der oberen, kälteren Rohrwandung niederschlagen, ein Hinweis auf (in<strong>organischen</strong> Verbindungen fast immer vorhandenen) Wasserstoff.NatriumaufschlußFür den Nachweis von Stickstoff, Schwefel und oft auch Halogen ist die Substanzzuerst mit metallischem Natrium aufzuschließen. Dabei ist unbedingt die Schutzbrille


qualitative chemische Elementaranalyse 125zu tragen und der Abzug zu benutzen! Nitroalkane, organische Azide, Diazoesterund aliphatische Polyhalogenide explodieren mit Natrium! Siehe auch Hinweise aufS. 113.Man erhitzt in einem kleinen Glühröhrchen (Reagenzglashalter benutzen) eineSpatelspitze der Untersuchungssubstanz zusammen mit einem, von anhaftendenKrusten befreiten, auf Filtrierpapier getrockneten linsengroßen Stück Natrium (oderauch Kalium) in einer kleinen Bunsenbrennerflamme erst wenig, dann - wenn diemeist an Verpuffen und Dunkelfärbung erkennbare Zersetzung stattgefunden hat -bis zur Rotglut. Nun taucht man sofort den heißen unteren Teil <strong>des</strong> Röhrchens in einbereitgestelltes 25-ml-Becherglas mit etwa 5 ml (nicht mehr!) Wasser. Dabei zerspringtdas Glühröhrchen; noch vorhandenes Natrium entzündet sich. <strong>Die</strong> alkalische Lösung(sicherheitshalber pH prüfen!) wird durch ein kleines Filter abfiltriert. Sie enthält denStickstoff sowie den Schwefel zusammen mit dem Kohlenstoff und die Halogene alsNaCN, Na 2 S, NaSCN beziehungsweise Natriumhalogenid.Flüssige Proben erhitzt man in einem längeren Reagenzglas und läßt die sich amkalten Rohrteil kondensierende Substanz einige Zeit auf das heiße geschmolzeneNatrium zurückfließen.Wenn die Substanz beim Mischen oder Erhitzen mit Natrium explodiert, löst manvorher eine Probe von etwa 0,1 g in 1-2 ml Eisessig, gibt 0,1 g Zinkpulver zu underwärmt, bis sich alles Zink umgesetzt hat. Dann dampft man zur völligen Trockneein und behandelt den Rückstand wie beschrieben mit Natrium.Nachweis von Stickstoff nach LassaigneMan versetzt etwa 2 ml der nach Aufschluß mit Natrium erhaltenen Lösung mit jeeinem Tropfen gesättigter Eisen(II)-sulfat-Lösung und lOproz. Eisen(III)-chlorid-Lösung, prüft, ob die Flüssigkeit alkalisch reagiert, und kocht, wenn dies der Fall ist,1-2 min lang, wobei in Gegenwart von Cyanid Hexacyano-ferrat entsteht. Säuertman nun die im fließenden Wasser gut gekühlte Lösung vorsichtig mit konz. Salzsäurean (Überschuß vermeiden!), löst sich das ausgeflockte Eisenoxid und eventuellEisensulfid; gleichzeitig bildet sich Berliner Blau, das sich langsam absetzt. — Bei sehrgeringer Stickstoffkonzentration entsteht manchmal nur eine blaßgrüne Färbung. Indiesem Falle, und dann, wenn die Lösung von vornherein farbig war, gießt man,nachdem man gut umgeschüttelt hat, durch die Spitze eines kleinen Filters. <strong>Die</strong> blauenFlocken bleiben zurück. - Unter Umständen muß man den Ansatz zur Ausflockungvorher längere Zeit stehen lassen.Bei Stoffen, die ihren Stickstoff in der Wärme leicht abgeben, wie DiazoVerbindungen,versagt diese Nachweismethode.


126 Allgemeine ArbeitsanweisungenNachweis von SchwefelMan versetzt etwa einen Milliliter der nach Aufschluß mit Natrium erhaltenen alkalischenLösung mit fünf Tropfen gesättigter Dinatrium-pentacyanonitrosylferrat-Lösung(Nitroprussidnatrium), die man sich durch Schütteln einiger Körnchen <strong>des</strong> festenSalzes in kaltem Wasser vorher bereitet hat. Eine rotviolette Färbung zeigt Schwefelan. - Da die Nitroprussid-Reaktion äußerst empfindlich ist und <strong>des</strong>halb keinenSchluß auf die Menge <strong>des</strong> Schwefels zuläßt, versetzt man eine zweite Probe von einemMilliliter mit einigen Tropfen Bleiacetatlösung und macht essigsauer. Bei wenigSchwefel bildet sich nur eine dunkle Trübung, bei größeren Mengen ein Niederschlagvon Bleisulfid.Leicht flüchtige Schwefel Verbindungen, die beim Alkaliaufschluß verdampfen,werden im Einschmelzrohr (siehe S. 28) einige Stunden bei 250-30O 0 C mit rauchenderSalpetersäure zu Schwefelsäure oxidiert und dann als Bariumsulfat nachgewiesen(Carius). - Weniger sicher ist die anschließend beschriebene Salpeterschmelze.Nachweis von HalogenEnthält die Verbindung keinen Stickstoff, kann man sie für den Nachweis der Halogenemit Natrium aufschließen, filtrieren und mit Essigsäure ansäuern. - Im anderenFall vermischt man eine kleine Substanzprobe sorgfältig mit einem Überschuß vonchemisch reinem CaO, glüht das Gemenge in einem nicht zu engen Reagenzglasüber der Bunsenbrennerflamme (Schutzbrille aufsetzen; Abzug benutzen!) und tauchtdann das heiße Glas sofort in ein kleines Becherglas mit wenig Wasser, so daß es zerspringt.Nun säuert man mit verd. halogenfreier Salpetersäure an und filtriert. -Schließlich kann man bei nicht flüchtigen Substanzen die Halogene und den Schwefelin einer Salpeterschmelze freisetzen. Man verreibt dazu 5-10 mg <strong>des</strong> Stoffs (keinesfallsmehr; Schutzbrille aufsetzen!) in einer kleinen Achatreibschale mit 200 mg reinstemKaliumnitrat und erhitzt die Mischung in einem kleinen Reagenzglas vorsichtigüber der Mikroflamme (Schutzbrille aufsetzen!). <strong>Die</strong> Oxidation setzt unter meistschwachen Feuererscheinungen ein und ist beendet, wenn die Schmelze farblos gewordenist. Nach dem Erkalten löst man in möglichst wenig Wasser.In den Lösungen, die man nach einem dieser drei Aufschlußverfahren erhält, weistman die Halogene nebeneinander - wie in den an<strong>organischen</strong> analytischen Praktikumsbüchernbeschrieben - mit Silbernitrat nach.<strong>Die</strong> Abwesenheit von Halogenen kann man bequem mit Hilfe der Beiist ein-Probeerkennen. Dazu glüht man das (am besten breitgehämmerte) Ende eines dickenKupferdrahtes so lange, bis die anfangs gefärbte Bunsenbrennerflamme völlig farblosgeworden ist. Dann läßt man den Draht wieder erkalten und taucht ihn in dieUntersuchungssubstanz, so daß einige Körnchen beziehungsweise Tröpfchen hängenbleiben. Hält man das Ende mit der Substanz jetzt wieder an den Rand der nichtleuchtendenFlamme, verbrennt zunächst der Kohlenstoff. Enthielt die Probe HaIo-


das Arbeitsprotokoll 127gen, leuchtet dann nach kurzer Zeit die Flamme deutlich grün bis blaugrün (Flammenfärbungder oxidativ entstandenen Kupferhalogenide). Da die äußerst empfindlicheBeilstein-Probe noch Spuren von Halogen anzeigt, ist nur das negative Ergebnisals Beweis für das Fehlen von Halogen zuverlässig.Nachweis anderer ElementeAndere Elemente, die in <strong>organischen</strong> Verbindungen vorkommen, wie Phosphor,Arsen, weitere Halbmetalle und organisch gebundene Metalle, weist man nach, indemman die Substanz durch Oxidation - Salpetersäure im Einschlußrohr (sieheS. 28) oder durch Schmelzen mit Kaliumnitrat (siehe oben) - zerstört und dann mitden üblichen anorganisch-analytischen Methoden untersucht.Abfassung <strong>des</strong> ArbeitsprotokollsJede chemische Präparation oder Untersuchung ist sofort im Tagesjournal festzuhalten.Aus diesen Notizen wird dann später das Protokoll angefertigt. Seine Angabensollen so knapp wie möglich sein; sie müssen jedoch alle Fakten enthalten, dieeine Wiederholung <strong>des</strong> Arbeitsvorgangs zu einem späteren Zeitpunkt oder durchandere ohne Schwierigkeiten möglich macht.Dem Anfänger möge das folgende Schema eines Syntheseprotokolls als Anhaltdienen:Name <strong>des</strong> Präparats 1 :Datum:Formel <strong>des</strong> Präparats:Literatur: (Bei Büchern neben Seitenzahl stets Auflage beziehungsweise Erscheinungsjahrangeben.)Reaktionsgleichung undReaktionstyp, eventuell Namen:Reaktionsmechanismus: (Soweit bekannt.)Reaktionsansatz: (in g beziehungsweise ml und mol für alle Reaktionspartner.)Arbeitsvorschrift: <strong>Die</strong>se ist nur dann hier aufzuschreiben, wenn die Literatur nichtohne weiteres zugänglich ist oder aus einer nicht geläufigen Sprache übersetztwerden mußte.Bemerkungen zur Synthese: (Angaben, die die oben zitierte Literatur ergänzen. Beschreibungaller wichtigen Beobachtungen und Manipulationen, die von derArbeitsvorschrift abweichen. Also z. B.: Fraktioniertabellen, zusätzlich durchgeführteReinigungsoperationen usw.).1 Verbindlich ist die Nomenklatur nach IUPAC, veröffentlicht in: International Union of Pure andApplied Chemistry, Nomenclature of Organic Chemistry Section A, B, C, Butterworths, London 1969.


128 Allgemeine ArbeitsanweisungenAusbeute: (In g beziehungsweise ml, mol und Prozenten. Man beachte die Fehlergrenzen;es ist falsch, Ausbeuteprozente z. B. auf zwei Stellen hinter demKomma genau anzugeben, wenn Einwaage oder Auswaage nur auf eine Stellegenau gemessen wurden.)Charakteristiken <strong>des</strong> Produkts: (Reinheitskriterien, wie Farbe, Schmelzpunkt, Siedebereich,R F -Werte, Spektren. Zersetzlichkeit und ähnliches.)Organisch-chemische FachliteraturAlle eindeutig charakterisierten <strong>organischen</strong> Verbindungen werden in dem umfangreichenWerk „Beilsteins Handbuch der <strong>organischen</strong> Chemie" (Springer-Verlag,Berlin, Heidelberg, New York) beschrieben, das folgendermaßen aufgebaut ist:Hauptwerk, referiert die Literatur bis 1909 und umfaßt 27 Sachbände;I. Ergänzungswerk, Literatur von 1910-1919, 31 Bände,II. Ergänzungswerk, Literatur von 1920-1929, 29 Bände, Bände 30, 31 (Naturstoffe),III. Ergänzungswerk, Literatur von 1930-1949, bis Band 16 erschienen.III./IV. Ergänzungswerk, Literatur von 1930—1959, Bände 17-23 erschienen.IV. Ergänzungswerk, Literatur von 1950—1959, bis Band 6 erschienen.<strong>Die</strong> Verbindungen sind im „Beilstein" nach einem speziellen System auf die Einzelbändeverteilt. In den Ergänzungswerken erscheinen neben den normalen Seitenzahlenauch diejenigen der inhaltlich entsprechenden Stellen <strong>des</strong> Hauptwerks (H).Für Hauptwerk, I. und II. Ergänzungswerk gibt es gemeinsame Namensregister undFormelregister (geordnet nach Anzahl der C-Atome, dann H-Atome und schließlichweiterer Atome in alphabetischer Reihenfolge).Von 1856—1969 wurden fast alle chemischen Publikationen in der Zeitschrift„Chemisches Zentralblatt" referiert.Seit 1906 wird die Fachliteratur in den „Chemical Abstracts" (Publikation derAmerican Chemical Society, Washington) in gegliederter Folge von Einzelreferatenzusammengefaßt. <strong>Die</strong>se umfangreiche Reihe, die die gesamte internationale Fachliteraturziemlich lückenlos und aktuell erfaßt, hat für jeden Jahrgang sowie zehnBände gruppenweise Sach-, Formel-, Autoren- und Patentregister.Für das präparative Arbeiten stehen dem <strong>organischen</strong> Chemiker hauptsächlichfolgende größere Werke zur Verfügung: Houben-Weyl, „Methoden der <strong>organischen</strong>Chemie", herausgegeben von E. Müller (G. Thieme Verlag, Stuttgart). Enthält nebenspeziellen Vorschriften auch umfassende allgemeine Beschreibungen der Arbeitsmethoden.„Organic Syntheses" (Verlag J. Wiley & Sons, New York). Liefert sehr sorgfältigausgearbeitete Darstellungsanweisungen.„Organic Reactions" (vom gleichen Verlag). Erscheint ebenfalls fortlaufend und


Fachliteratur 129bringt systematische Beschreibungen verschiedener spezieller Arbeitsmethoden nachReaktionstypen geordnet mit zahlreichen Literaturzitaten.„Neue Methoden der <strong>organischen</strong> Chemie", herausgegeben von W. Foerst (VerlagChemie GmbH, Weinheim/Bergstr.). Ist ähnlich aufgebaut wie das vorstehende Werk,jedoch weniger umfangreich.„Synthetische Methoden der <strong>organischen</strong> Chemie", ab Band V „Synthetic Methodsof Organic Chemistry" von W. Theilheimer (Verlag S. Karger, Basel, New York). Erscheintlaufend als Sammlung von kurzen schematischen Syntheseanweisungen.Reagents for Organic Synthesis von L. F. und M. Fieser (Verlag J. Wiley & Sons,New York, London, Sydney) gibt in laufend ergänzten Bänden eine alphabetischeZusammenstellung der wichtigsten, in der präparativen <strong>organischen</strong> Chemie verwendetenReagenzien mit Beispielen.„Ullmanns Encyklopädie der technischen Chemie", herausgegeben von W. Foerst(Verlag Urban & Schwarzenberg, München, Berlin, jetzt Verlag Chemie GmbH,Weinheim/Bergstr.) ist ein ausführliches, alphabetisch geordnetes Nachschlagewerk.<strong>Die</strong> zahlreichen Monographien, die jeweils nur ein Spezialgebiet behandeln, sindhier nicht aufgezählt, da sie an entsprechender Stelle hinter den Sachkapiteln diesesBuches aufgeführt werden.<strong>Die</strong> wichtigste, größte Sammlung aller physikalischen Daten ist „Landolt-Börnstein,Zahlenwerte und Funktionen aus Physik, Chemie, Astronomie, Geophysikund Technik" (Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg, New York).Als einbändige Nachschlagwerke fürs Labor eignen sich d'Ans-Lax, „Taschenbuchfür Chemiker und Physiker" Band II, Organische Verbindungen (Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg, New York) und das Handbook of Chemistry and Physics(Verlag CRS Press, Florida).Grundlagen aller dieser Werke bilden die Fachzeitschriften, in denen die meistenOriginalarbeiten publiziert sind.Zum Kennenlernen sollte der Chemiker schon zu Beginn seiner Tätigkeit im Laboralle wichtigen Bücher und Zeitschriften einmal in die Hand nehmen, um ihren Aufbauund Charakter zu studieren. Später, beim selbständigen Arbeiten, sollte er vorjedem neuen Arbeitsgang sorgfaltig die Literatur durchsehen! <strong>Die</strong> Stunden, die manin der Bibliothek zubringt, zahlen sich meist mehrfach aus, indem sie größere ZeitundMaterialverluste im Labor sowie die „Neuentdeckung" längst beschriebenerSubstanzen verhindern!Zur laufenden Unterrichtung über neuere Forschungsarbeiten und aktuelle Problemeder Chemie sei die ständige Lektüre einer der folgenden Zeitschriften empfohlen:Angewandte ChemieChemie in unserer Zeit(beide Verlag Chemie GmbH, Weinheim/Bergstr.)Accounts of Chemical Research (American Chemical Society, Washington).


130 Allgemeine ArbeitsanweisungenErste Laborausrüstung(Fast alle aufgeführten Geräte sind im vorhergehenden Text beschrieben.)Normalschliffgeräte mit NS 29 oder NS 14,5:Rundkolben, NS 29 (mit kurzem Hals) 100 ml, 250 ml, 500 ml je zwei Stück, 1000 mlein Stück;Spitz-(eventuell auch Rund-)Kolben, NS 14,5 mit Häkchen 25 ml, 50 ml je zwei Stück,10ml, 100 ml je ein Stück;Dreihalskolben, NS 29, Ansätze parallel, 1000 ml;Steigrohr, NS 29 mit zwei Kegelschliffen, etwa 80 cm lang;Liebigkühler, je ein Stück NS 29 mit etwa 40 cm Mantellänge und NS 14,5 mit etwa20 cm Mantellänge - beide nach Möglichkeit gleich mit angesetztem Claisenaufsatz(siehe Abbildung 32 und 34a);Dimrothkühler, eng gewendelt;Claisenaufsatz, je ein Stück NS 29 und 14,5 — falls nicht schon an Liebigkühlern angesetzt(schmale Form, siehe Abbildung 32);Anschützaufsatz, NS 29 (siehe dazu S. 22);Vigreuxkolonne, NS 29, ca. 20cm wirksame Länge;Thermometer bis 36O 0 C, NS 14,5 in richtiger, zu den Claisenaufsätzen passender Einbaulänge(siehe S. 35);Vakuum verstoß, NS 29;Anschütz-Thiele-Vorstoß, NS 14,5;Calciumchloridrohr, NS 29 und NS 14,5, gebogen und gerade;Einleitungsrohre, zwei Stück NS 14,5 (auch für Siedekapillare);Kernschliffe, zwei Stück NS 14,5, mit angesetztem, kurzem, weitem Rohr (siehe Abbildung20);Tropftrichter, NS 29, zylindrische, hohe Form, möglichst mit Maßskala, 100 ml;Übergangsstück, Kern NS 29, Hülse NS 14,5;Stopfen, je zwei Stück NS 29 (möglichst hohl) und NS 14,5;KPG-Rührverschluß mit Flügelrührer NS 29;Gaswaschflaschen, zwei Stück NS 29.Andere Glasgeräte:Reagenzgläser, etwa 10 Stück 18 mm • 18 cm; 30-40 Stück 15 mm • 16 cm; 20 Stück12 mm • 10 cm; 20 Stück 7,5 mm • 7,5 cm (Glühröhrchen);Schmelzpunktröhrchen, etwa 50 Stück (möglichst dünnwandig!);Bechergläser verschiedener Größe, z. B.: 25 ml, 50 ml, 100 ml, 600 ml, 1000 ml je einStück, 200 ml, 400 ml je zwei Stück (vorwiegend hohe Form);Erlenmeyerkolben verschiedener Größe, z.B.: 25ml, 50ml, 100ml, 300ml je zweiStück, 500ml, 750ml je ein Stück (vorwiegend mit weitem Hals);Filtrier stutzen, l oder 2 Liter (aus thermoresistentem Glas);


erste Laborausrüstung 131Kristallisierschälchen, drei Stück 0 3-4 cm;Uhrgläser;Meßzylinder, 10ml, 100ml;Schütteltrichter, dickwandig (möglichst konische Form), 500-60OmI;Tropftrichter. 25 ml, 100 ml mit kurzem Auslaufrohr (als Schütteltrichter zu benutzen);Trichter, 0 etwa 4cm, und zwei Stück 0 etwa 8 cm;Pulvertrichter, in NS 29 passend;Wasserstrahlpumpe (beim Kauf auf gute Saugleistung achten!);Woulffsche Flasche, eingerichtet als Sicherheitsflasche, min<strong>des</strong>tens 500 ml (siehe Abbildung24 S);Saugflasche, etwa 500 ml (siehe S. 711);Saugreagenzglas (auf richtige Größe achten; siehe S. 71);Zentrifugengläser, spitz, passend für Handzentrifuge, min<strong>des</strong>tens zwei Stück;Verkürztes Quecksilbermanometer;Vakuumexsikkator, 0etwa 18 cm;Calciumchloridrohr;Thermometer bis 36O 0 C, dazu eventuell Stockthermometer bis 25O 0 C;Bürette, 25 ml;Meßpipetten, je ein Stück l ml und 10ml;Tropfrohre, min<strong>des</strong>tens 10 Stück verschiedener Größe (selbst anzufertigen), dazuSaugball oder Gummihütchen;Glasrührer (kann selbst angefertigt werden, siehe S. 18);Glasrohre verschiedener Stärke (vorwiegend mit 0 7 mm);Glasstäbe, min<strong>des</strong>tens 15 Stück verschiedener Größe (selbst anzufertigen);Glasrohr-Verzweigungsstück (T-Stück);Objektträger, fünf Stück;Chemikalienflaschen;Präparategläser (z. B. mit Kunststoff-Schnappdeckeln).Porzellangeräte:Porzellanschalen verschiedener Größe, z. B. drei Stück 0 10-12 cm, je ein Stück 05-7 cm und 0 min<strong>des</strong>tens 15 cm;Reibschale mit Pistill, 0 innen 10-12 cm;Nutschen, je eine zylindrische (Büchner-Trichter) mit Siebplattendurchmesser 4,5 cmund 9 cm, eine konische (Hirsch-Trichter) mit Siebplattendurchmesser 4 cm (beimKauf darauf achten, daß Bodenplatte plan und Löcher nicht zu dicht am Rand).Porzellanteller, unglasiert.Metallgeräte:Bunsenbrenner, zwei Stück (möglichst einer davon Teklubrenner);Stative, drei Stück, davon ein längeres mit schwerer Bodenplatte;


132 Allgemeine ArbeitsanweisungenStativklemmen, 6-10 Stück verschiedener Größe, davon einige passend für NS 29(siehe S. 8);Bandklemme mit Kette oder Lederriemen;Stativringe, je ein Stück 0 12 cm und 0 8 cm;Stativmuffen, etwa acht Stück;Dreifüße, zwei Stück;Patent-Wasserbad (siehe S. 11);Kochtöpfe für Wasserbäder;Babotrichter, je einer für 250-ml-, 500-ml- und 1000-ml-Kolben passend;Asbestdrahtnetze, drei Stück;Metallspatel, zwei kleinere, einen mittleren, einen großen;Glasmesser oder Ampullenfeilen;Tiegelzange;Schlauch-Schraubklemmen, zwei Stück;Schlauch-Federklemme, nicht zu kleine, stabile Ausführung;Schlauchschellen zur Sicherung der Schläuche;Zugfedern für Schliffapparaturen;Kaffeesieb;Schere mittelgroß, Küchenmesser, Rasierklingen.Sonstiges:Schutzbrille;Schutzhandschuhe aus Gummi oder Kunststoff (mit griffiger Innenfläche);Schutzmantel;Gummischlauch, passend für Gas- und Wasseranschlüsse;Vakuumschlauch;PVC-Schlauch;Nadelventil (auf 5cm verkleinerte Ausgabe <strong>des</strong> entsprechenden Stahlflaschenventils);Kunststoffspritzflasche, etwa 500 ml;Gummistopfen verschiedener Größe, teilweise durchbohrt;Korkstopfen verschiedener Größe;Rundfilter, zu den Nutschen und Trichtern passend;Faltenfilter;Sie<strong>des</strong>teinchen;Korkringe zum Abstellen der Rundkolben (eher zu klein als zu groß);Vakuumfett und Vaseline;Reagenzglasbürsten verschiedener Größe;Reagenzglaskammer aus Holz;Universal-Indikatorpapier;Einige Holzklötzchen, etwa 15- 15cm, 3-30 mm dick (unter Bunsenbrenner oderKältebäder zu legen);


allgemeine Sicherheitsvorkehrungen 133Filzschreiber (wasserfest);Etiketten;Laborjournal.Sicherheit im chemischen Laboratorium<strong>Die</strong> Arbeit im chemischen Laboratorium birgt viele Gefahren in sich. Daher ist esnotwendig, sich über die Gefahrenquellen umfassend zu informieren. <strong>Die</strong>ser Abschnittsoll dazu wichtige Anregungen geben. Natürlich kann die folgende Zusammenstellungvon Maßnahmen zur Abwendung der Gefahren keinen Anspruch aufVollständigkeit erheben. Man unterrichte sich <strong>des</strong>halb auch ausführlich über dieUnfallverhütungsvorschriften 1 und Richtlinien 2 ' 3 der Berufsgenossenschaften undmache sich zur Regel, alle im Labor durchgeführten Arbeiten ständig auf ihre möglichenFolgen hin zu überdenken. Bei Einhaltung der erforderlichen Sicherheitsmaßnahmenist die Laborarbeit nicht gefährlicher als zahlreiche andere Beschäftigungen.Gefahrenquellen, Sicherheitsmaßnahmen zur Abwendung von Gefahr und Regelnfür die Hilfeleistung bei Unfällen prägt sich der Student nicht nur zu eigenem Vorteilein. Durch Fehlverhalten beim chemischen Arbeiten sind stets auch andere gefährdet.Im späteren Berufsleben trägt der Chemiker die Verantwortung für dasWohlergehen von Mitarbeitern und muß durch seine Kenntnisse und Erfahrungenin der Lage sein, Gefahren von ihnen abzuwenden und im Falle von Unfällen schnellund sachgerecht zu reagieren. Im übrigen begegnet der Chemiker den bei Laien oftübertriebenen Vorstellungen von den aus seiner Tätigkeit rührenden Gefahren ambesten durch genaue und nüchterne Abschätzung <strong>des</strong> wahren Ausmaßes der Gefahr.Allgemeine SicherheitsvorkehrungenIm Labor sind stets eine Schutzbrille und ein Laborkittel zu tragen. Der Kittel undandere Kleider sollen nicht aus Kunststoffen bestehen, die in der Hitze schmelzen.Bei besonders gefährlichen Operationen sind zusätzliche Schutzmittel wie Gesichtsschirme,Schutzschilde, -helme, -schürzen und -handschuhe sowie gegebenenfallsGasmasken mit den erforderlichen Filtern zu verwenden.Man arbeite nie allein in einem Labor, sondern achte darauf, daß stets jemandanwesend ist, der bei einem Unfall Hilfe herbeirufen kann.1 Unfallverhütungsvorschriften, Berufsgenossenschaft der Chemischen Industrie, Jedermann-VerlagDr. Otto Pfeffer, Heidelberg, neueste Fassung.2 Richtlinien für Laboratorien, Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften, Carl HeymannsVerlag, Köln, neueste Fassung.3 Richtlinien für chemische Laboratorien, Berufsgenossenschaft der Chemischen Industrie, VerlagChemie, Weinheim, neueste Fassung.


134 Allgemeine Arbeitsanweisungen<strong>Die</strong> Telefonnummern <strong>des</strong> Rettungsdienstes, <strong>des</strong> Unfallarztes, der nächsten Krankenhäuserund der Feuerwehr müssen deutlich sichtbar in Telefonnähe angebrachtsein.Bei der Durchführung der weiter unten beschriebenen Präparate beachte mansorgfältig alle dort angegebenen speziellen Gefahrenhinweise.Sicherheit vor BrändenOffene Flammen sind im organisch-chemischen Laboratorium nach Möglichkeit zuvermeiden und durch Tauchsieder, elektrische Heizbäder, -platten und -hauben zuersetzen. Wo der Gebrauch offener Flammen unumgänglich ist (Ausziehen vonKapillaren, Schmelzpunktbestimmungen), dürfen diese nur in Abzügen angezündetwerden. Vorher ist sicherzustellen, daß die Umgebung frei von leicht brennbarenLösungsmitteln ist. Niemals über offener Flamme aus brennbaren LösungsmittelnUmkristallisieren! Nach dem Gebrauch sind Flammen sofort zu löschen. BesondersLockflammen an Bunsenbrennern werden, zumal im Sonnenlicht, leicht übersehen.Lockflammen in Gasdurchlauferhitzern sind ebenfalls sehr gefährlich, keine Lösungsmittelin die darunter befindlichen Ausgüsse schütten!Ölbäder dürfen nicht über 20O 0 C erhitzt werden, da die Dämpfe sich sonst entzündenkönnen.Lösungsmitteldämpfe können auch von brennenden.Zigaretten gezündet werden.Deshalb ist das Rauchen in chemischen Laboratorien verboten.Nicht vergessen, Heizbäder, -platten und -hauben nach Gebrauch abzuschalten!Brennbare Flüssigkeiten werden nach Gruppen und Gefahrenklassen geordnet 1 .Zur Gruppe A, Gefahrenklasse I und Gruppe B gehören solche mit Flammpunktenunter 21 0 C, d.h. alle meistgebrauchten Kohlenwasserstoffe, Ether, Ester, Ketoneund Alkohole. <strong>Die</strong>se dürfen am Arbeitsplatz nur in Gefäßen von höchstens 11 Inhaltaufbewahrt werden, die Anzahl der Gefäße ist auf das unbedingt nötige Maß zubeschränken.Man unterrichte sich rechtzeitig über die Anordnung der Löschduschen, Feuerlöscher,Löschsandbehälter, Löschdecken und Feuermelder. Gegebenenfalls mußdie Feuerwehr telefonisch alarmiert werden, Telefonnummer deutlich sichtbar in derNähe der Telefone! Zum Löschen von kleineren Bränden eignen sich vor allemKohlensäure- und Halonlöscher (die keine Rückstände hinterlassen), ferner StaubundSchaumlöscher sowie Löschsand. Kleiderbrände werden mit der Löschduscheoder mit Löschdecken erstickt. Bei Bränden klaren Kopf bewahren! Rauch- undGasentwicklung behindern die Löscharbeiten. Durch feuchte Tücher oder Gasmaskenatmen.Verordnung über Anlagen zur Lagerung, Abfüllung und Beförderung brennbarer Flüssigkeiten zuLande (VbF) vom 1.7.1980, BGBl I vom 1.3.1980.


Sicherheit vor Implosionen und ExplosionenSicherheit vor Bränden, Implosionen, Explosionen 135Beim Arbeiten im Vakuum außer Schutzbrille möglichst auch Abzug-Schutzscheibeoder Schutzschild zwischenstellen. Dünnwandige nicht kugelförmige Gefäße wiez. B. Erlenmeyerkolben dürfen nicht evakuiert werden. Beim Evakuieren größererExsikkatoren schützt man sich durch Umwickeln mit Tüchern, Umkleben mit Klarsichtfolieoder Umgeben mit feinmaschigem Drahtgitter vor im Falle von Implosionenherumfliegenden Glassplittern.Auch beim Umgehen mit Dewar-Gefäßen ist stets entsprechende Vorsicht geboten.Als Kühlmittel benutze man immer den farblosen flüssigen Stickstoff und nichtdie mit brennbaren Stoffen explosive, schwachblaue flüssige Luft.Nach Vakuum<strong>des</strong>tillationen darf der Destillationsrückstand erst nach dem Abkühlenbelüftet werden, andernfalls können explosive Zersetzungen eintreten.Vorsicht bei der Destillation von Lösungsmitteln, die zur Peroxidbildung neigen(z.B. alle Ether). Man führe zunächst die auf S. 113 angegebenen Kontrollen aufPeroxide durch.Alkalimetalle dürfen nicht mit Wasser oder Halogenalkanen in Berührung kommen,<strong>des</strong>halb keine Wasserbäder verwenden, nach Möglichkeit Metallkühler. Tetrachlorkohlenstoff,Chloroform und Dichlormethan niemals mit Natrium trocknen,siehe vielmehr S. 113, 115. Zur Vernichtung von Natrium wird dieses in kleinen Anteilenunter dem Abzug in Ethanol oder Isopropanol, Kalium besser in Butanol eingetragen.Ähnlich vernichtet man Alkalihydride oder - amide. <strong>Die</strong> komplexen Metallhydride,besonders Lithiumaluminiumhydrid, sind höchst empfindlich gegen Wasser.Reaktionskolben nicht mit Wasserbädern heizen oder kühlen, Metall- statt Glaskühler,Rückstände werden unter dem Abzug in Kannenether suspendiert und durchanfangs tropfweisen Zusatz von Essigester, oder (noch vorsichtiger) Ethanol, underst nach Abklingen der Hauptreaktion, ebenso vorsichtig, von Wasser zersetzt.Bei der Durchführung katalytischer Hydrierungen sind die auf S. 552 angegebenenVorsichtsmaßregeln zu beachten. Gaszylinder sind stets nur mit aufgesetzter Kappezu transportieren und vor Gebrauch fest am Labortisch zu verankern (Kette). Manbenutze nur die für die einzelnen Gassorten zugelassenen Ventile. Sicherheitsflasche(S. 24) nicht vergessen. <strong>Die</strong> Gewinde von Sauerstoffflaschen und ihrer Ventile dürfennicht gefettet werden.Nach katalytischen Hydrierungen dürfen die Katalysatoren nicht mit brennbarenMaterialien (z. B. im Abfalleimer) zusammengebracht werden. Man spült sie bessermit viel Wasser in den Ausguß oder in spezielle Sammelgefäße.Sicherheit im Umgang mit ApparaturenMan stelle Apparaturen stets standsicher und spannungsfrei auf.Brechen<strong>des</strong> Glas führt leicht zu Schnitt Verletzungen. Beim Aufziehen von Schläuchenauf Glasrohre und -oliven ist <strong>des</strong>halb größte Vorsicht geboten. Gummischläuche


136 Allgemeine Arbeitsanweisungenwerden mit wenig Glycerin oder Parafinöl gleitfähig, Plastikschläuche macht mangeschmeidig und (mäßig) gleitfähig durch Eintauchen der Enden in heißes Wasser.Noch schwieriger ist zumeist das Entfernen alter Schlauchverbindungen, die sichfestgefressen haben. Wenn lockeres Drehen nicht zum Erfolg führt, ist das Aufschneiden<strong>des</strong> Schlauches mit einem scharfen Messer in Längsrichtung und anschließen<strong>des</strong>Abschälen vom Glas zu empfehlen.Schläuche und Kabel dürfen nicht die Heizplatten berühren. Apparaturen, dieüber Nacht betrieben werden sollen, müssen in besonderen Nachträumen aufgestelltund einige Zeit in Funktion überprüft werden, ehe man sie sich selbst überläßt. <strong>Die</strong>Schläuche sind durch Schellen vor dem Abrutschen zu sichern.Sicherheit im Umgang mit ChemikalienGesundheitsschädliche Chemikalien sind in den letzten Jahren systematisch in Listenzusammengestellt worden. Besondere Aufmerksamkeit verdienen hier die MAK-Werte (Maximale Arbeitsplatz-Konzentration ist die höchstzulässige Konzentrationeines Arbeitsstoffes als Gas, Dampf oder Schwebstoff in der Luft, die nach dem gegenwärtigenStand der Kenntnis auch bei wiederholter und langfristiger, in der Regeltäglich 8-stündiger Einwirkung, jedoch bei Einhaltung einer durchschnittlichenWochenarbeitszeit bis zu 45 h im allgemeinen die Gesundheit der Beschäftigtennicht beeinträchtigt und diese nicht unangemessen belästigt 1 . Andere Veröffentlichungenfür den Laborgebrauch umfassen Verordnungen 2 , listen- oder abschnittweiseZusammenstellungen gefährlicher Arbeitsstoffe 3 " 7 und Giftlisten 8 ' 9 . In derRegel werden auch Hinweise bei Vergiftungen gegeben. Krebserregende Stoffe findensich in gesonderten Zusammenstellungen, die cancerogene Wirkung wird nichtin MAK-Werten ausgedrückt.1 Maximale Arbeitsplatzkonzentrationen, neuester Jahrgang, der Kommission zur Prüfung gesundheitsschädlicherArbeitsstoffe der Deutschen Forschungsgemeinschaft, BArbBl.; Sicherheitsdaten MAK-Werte, Tabellenbuch und Wandtafel, Carl Roth, Karlsruhe 1978.2 E. Quellmalz, Verordnung über gefahrliche Arbeitsstoffe, 2 Bde., Weka-Verlag, Kissing 1977; derselbe.<strong>Die</strong> neuen Gift Verordnungen der Bun<strong>des</strong>länder, Weka-Verlag, Kissing 1978.3 L. Roth, Sicherheitsfibel Chemie, 3. Aufl., Carl Roth, Karlsruhe, Verlag Moderne Industrie, WolfgangDummer, München 1979.4 Gefahrliche Chemische Stoffe, Anlage zu den UnfallverhütungsVorschriften der Chemischen Industrie(siehe oben).5 R. Kühn und K. Birett, Umgang mit Arbeitsstoffen, Carl Roth, Karlsruhe, Verlag Moderne Industrie,Wolfgang Dummer, München.6 R. Kühn und K. Birett, Merkblätter Gefährliche Arbeitsstoffe, 3 Bde., Carl Roth, Karlsruhe, VerlagModerne Industrie, Wolfgang Dummer, München 1975 und Ergänzungslieferungen.7 G. Sorbe, Gefahrliche Arbeitsstoffe im Labor und Betrieb, 2. Aufl., Umschau Verlag, Frankfurt amMain 1974.8 W. Braun und A. Dönhardt, Vergiftungsregister, 2. Aufl., Georg Thieme Verlag, Stuttgart 1975.9 Giftliste Roth, 2. Bde., Carl Roth, Karlsruhe, Verlage Moderne Industrie, Wolfgang Dummer, München1976 und Ergänzungslieferungen.


Umgang mit Apparaturen und Chemikalien, Erste Hilfe 137Man betrachte jedoch in keinem Fall diejenigen Verbindungen als harmlos, diein den Listen gefahrlicher Ausbeitsstoffe fehlen. <strong>Die</strong>s wäre schon <strong>des</strong>halb leichtfertig,weil die Zahl der organisch-chemischen Verbindungen ständig ansteigt undder Chemiker häufig mit neuartigen Stoffen umgeht. Man mache sich <strong>des</strong>halb grundsätzlichzur Gewohnheit, alle chemischen Verbindungen mit der gleichen Sorgfaltwie gesundheitsschädliche Stoffe zu behandeln. <strong>Die</strong>s erfordert besonders sauberesArbeiten, bei dem das Verschmieren, Verschütten und Verstäuben von chemischenStoffen, besonders aber der Körperkontakt vermieden werden.Auch bei sauberstem Arbeiten darf im Labor nicht gegessen und getrunken werden.Man mache sich zur Gewohnheit, Lebensmittel nur außerhalb <strong>des</strong> Labors undnach sorgfältiger Reinigung der Hände zu sich zu nehmen.Chemikalien sind in gut lesbar und beständig beschrifteten Flaschen aufzubewahren.Man bedenke stets, daß mangelhaft oder nicht beschriftete Flaschen eine Gefahrdarstellen, spätestens zum Zeitpunkt ihrer Reinigung oder Vernichtung durchandere.Besondere Sorgfalt ist auf den sicheren Transport von Chemikalien zu verwenden,der zweckmäßig in Tragwannen oder Rollwagen erfolgt.Übelriechende oder giftige und ätzende Stoffe mit hohem Dampfdruck müssen imAbzug oder im Stinkraum umgefüllt und verarbeitet werden. In keinem Fall sollenChemikalien durch Pipetten mit dem Mund angesaugt werden, man verwende vielmehrPeleusbälle, andere Pipettierhilfen oder Schliffkolbenpipetten.In zunehmendem Maße stellen Laboratorien Gefäße für Chemikalienabfälle bereit,die eine grob nach Gruppen klassifizierte Entsorgung ermöglichen. In keinemFalle sollten giftige, ätzende oder übelriechende Substanzen durch die Ausgüsse indas Gemeinde-Abwasser gelangen. Reaktive Abfälle müssen vor der Ablagerungvorsichtig zersetzt werden.Erste Hilfe<strong>Die</strong> wichtigsten Regeln der Ersten Hilfe sind in Wandtafeln 1 und Heften 2 ' 3 nachzulesen,die in jedem Labor leicht zugänglich sein sollen. In allen Fällen von Verletzungenist sofort der Arzt hinzuzuziehen oder der Verletzte zum Unfallarzt oderzum Krankenhaus zu transportieren. Dabei soll er von einem erfahrenen Chemikerbegleitet werden, der, soweit erforderlich, die Giftlisten und die einschlägigen Merkblätter4 der Berufsgenossenschaft bei sich führt.Erste Hilfe in der Chemie, Wandtafel, Carl Roth, Karlsruhe 1977.Anleitung zur Ersten Hilfe bei Unfällen, ZH 1/143 <strong>des</strong> Hauptverban<strong>des</strong> der gewerblichen Berufsgenossenschaften,Carl Heymanns Verlag, Köln 1973.H.-E. Köhnlein, S.Weiler, W.Vogel, J.Nobel und K. Pabst, Erste Hilfe, Ein Leitfaden, 4. Aufl.,Georg Thieme Verlag, Stuttgart 1975.R. Kühn und K. Birett, Merkblätter Gefährliche Arbeitsstoffe, 3 Bde., Carl Roth, Karlsruhe, VerlagModerne Industrie, Wolfgang Dummer, München, 1975 und Ergänzungslieferungen.


138 Allgemeine ArbeitsanweisungenGrößere Schnittwunden sollen jedenfalls vom Arzt behandelt werden. Man lagertdas verletzte Gliedmaß hoch und legt einen einfachen Schnell verband an. Bei Arterienverletzungen(hellrote, pulsierende Blutung) Arterie abdrücken und sofort denArzt herbeirufen.Verätzungen werden lange mit viel Wasser gespült, eventuell mit verdünnter(l proz.) Essigsäure bei Alkaliverätzungen und mit l proz. Natriumhydrogencarbonatlösungbei Säure Verätzungen.Nach Verätzungen <strong>des</strong> Auges wird bei auseinandergezogenen Augenlidern langemit viel laufendem Wasser gespült. Augenduschflaschen bergen Infektionsgefahr insich, wenn ihr Inhalt nicht regelmäßig erneuert worden ist. Beim Eindringen vonFremdkörpern in das Auge nicht unnötig reiben. Hier wie auch bei Verletzungen <strong>des</strong>Augapfels das Auge mit einem keimfreien Verband abdecken. In allen Fällen sofortzum Augenarzt.Bei kleineren Verbrennungen wird mit viel kaltem Wasser gespült, größere Brandwundenwerden mit keimfreiem Brandwundenverbandtuch bedeckt. Der Patientwird warm zugedeckt und sofort ins Krankenhaus transportiert.Rauch- und Gasvergiftete werden an die frische Luft gebracht und liegend ruhigund warm gehalten, bis der Arzt eintrifft.Chemikaliengetränkte Kleider ablegen und wegen der Gefahr der Hautresorptionden Arzt konsultieren. <strong>Die</strong> MAK-Tabellen geben auch qualitative Hinweise aufStoffe, die leicht durch die Haut resorbiert werden.Vergiftungen durch Verschlucken werden zweckmäßig durch den Arzt behandelt,der sofort hinzugezogen werden muß. In den obengenannten Giftlisten finden sichAngaben für spezifische Gegenmaßnahmen.


I. Aliphatische SubstitutionExperimente:Ethylbromid (Bromethan)1,6-DibromhexanCyclohexylchlorid (Chlorcyclohexan)a) mit starker Salzsäureb) mit Salzsäure und ZinkchloridVersuch: /m-Butylchlorid aus terf-ButanolEthyliodid (lodethan)EthylnitratEthylnitritIsopentylnitritVersuch: Hydrolyse von Ethyl- oder IsopentylnitritMethyliodid (lodmethan)Benzylcyanid (Phenylacetonitril)Hexamethylendicyanid(Korksäurenitril)DiisopentyletherMethyl-2-naphthylether (Nerolin)Anisol4-MethoxyphenolD, L-ValinVersuch: Trennung eines primären von einem sekundären AminN 9 Af-DimethylpiperidiniumiodidAllyl-triphenylphosphoniumbrornidCinnamyl-triphenylphosphoniumchloridMethoxycarbonylmethyl-triphenylphosphoniumbromidPhenylmethanthiol (Benzylmercaptan)a) über Benzylisothiuroniumbromidb) aus Kaliumhydrogensulfid und BenzylchloridVersuch: Blei- und QuecksilberbenzylsulfideVersuch: Nachweis der SH-Gruppe mit Na 2 [Fe(CN) 5 NO]TrimethylsulfoxoniumiodidNitromethan aus ChloressigsäureVersuch: aci-Form <strong>des</strong> NitromethansBenzylchloridVersuch: Spaltung von Benzylchlorid mit KaliumhydroxidVersuch: Analyse <strong>des</strong> BenzylchloridsBenzaldehyd über Benzylidendichlorid2-Bromisovaleriansäure


I. Aliphatische Substitution<strong>Die</strong> kovalente Bindung<strong>Die</strong> für die organische Chemie typischen Kohlenwasserstoffgerüste werden durchkovalente Bindungen zusammengehalten. Am häufigsten trifft man die rotationssymmetrischen(7-Bindungen, die aus zwei Elektronen gebildet werden, je eines davonwird von jedem der beiden Bindungspartner beigesteuert. <strong>Die</strong> beiden Elektronenhaben antiparallele Spins und besetzen ein Molekülorbital (MO), das um die Bindungsenergieärmer ist als die zwei ungebundenen, mit nur je einem Elektron besetztenAtomorbitale (AO), durch deren Überlappung das MO gebildet wird. Zujedem bindenden gehört auch ein antibinden<strong>des</strong> Orbital, das jedoch im Grundzustandim allgemeinen unbesetzt ist.Chemische Bindungen lassen sich mit dem Valenzbindungs- (VB) oder dem Molekülorbitalverfahren(MO) beschreiben. Das erste stellt sich die Elektronen paarweisein den Bindungen lokalisiert vor, das andere betrachtet alle Elektronen <strong>des</strong> Molekülsim Rahmen <strong>des</strong> gesamten Elektronensystems <strong>des</strong> Moleküls. Näheres siehe in denLehrbüchern der Allgemeinen und der Organischen Chemie.Das einfachste Modell für die Betrachtung der kovalenten Bindung und die Anwendungder für ihre mathematische Behandlung benützten Näherungsverfahren istdas Wasserstoffmolekül.Im H 2 -Molekül besitzt die Bindung keine Vorzugsrichtung, weil das Is Orbitalkugelsymmetrisch ist. Für das Zustandekommen einer Bindung ist demnach dieRichtung, aus welcher sich die beiden H-Atome einander nähern, ohne Einfluß.Analoges Verhalten zeigen nur die Alkalimetalle Li, Na, K... (je l Elektron im 2s,3s, 4s usw.); bei den anderen Elementen treten im Molekülverband (und bei der Ausbildungvon Bindungen) in der für den Organiker vorwiegend interessanten 1. und2. Periode Richtungen auf, die durch die Gestalt der p-Orbitale oder der sp-Hybridorbitalebestimmt werden. <strong>Die</strong>s sei an einigen Verbindungen der 1. Periode kurzillustriert:Im Beryllium (4 Elektronen) besetzen 2 Elektronen das Is [(Is) 2 ] und 2 Elektronendas 2s-Orbital (2s) 2 ; die 2p-Orbitale sind im Grundzustand leer. Durch Promotioneines Elektrons in ein p-Orbital gelangt man zu (Is) 2 2s2p x mit 2 ungepaarten Elektronen.<strong>Die</strong>se hybridisieren zu 2 sp-Orbitalen, die nach dem Prinzip der maximalenEntfernung voneinander in entgegengesetzte Richtung zeigen und jeweils mit einemgeeigneten AO, z. B. mit dem p x -Valenzelektron <strong>des</strong> Chlors zu Cl—Be—Cl überlappen.Im Bor werden analog 3 bindende Orbitale ausgebildet:(ls) 2 (2s) 2 p x ^0" 10 " 0 " > (ls) 2 2sp x p y Hybridisierung > (ls) 2 3sp 2 . Das Molekül BF 3hat eine trigonale Struktur (Valenzwinkel 120°). Kohlenstoff stellt für gesättigte Verbindungen4 nach dem analogen Prinzip gebildete sp 3 -Orbitale zur Verfügung, die


142 Kapitel I. Aliphatische Substitutionin die 4 Ecken <strong>des</strong> Tetraeders weisen, so daß z. B. im einfachsten Kohlenwasserstoff,dem CH 4 , alle H-Atome gleich weit voneinander entfernt sind und der Bindungswinkel109,5° beträgt. Für die entsprechende Stickstoffverbindung, NH 3 , hat manebenfalls 4 sp 3 -Orbitale anzunehmen, von denen eines mit 2 Elektronen besetzt ist(freies, nichtbinden<strong>des</strong> Elektronenpaar), so daß nur 3 cr-Bindungen zustande kommen,die nach 3 Ecken <strong>des</strong> ganz wenig verzerrten Tetraeders weisen (Bindungswinkel 107°),während das zur 4. Ecke weisende sp 3 -Orbital durch die beiden n-Elektronen (nichtbindendenElektronen) besetzt ist. In den Verbindungen <strong>des</strong> Sauerstoffs z.B. H 2 O,postuliert man konsequenterweise ebenfalls 4sp 3 -Orbitale, von denen 2 mit je einemElektronenpaar besetzt sind, die anderen in Richtung auf die verbleibenden beidenEcken <strong>des</strong> (verzerrten) Tetraeders mit den Orbitalen der Partner überlappen (Bindungswinkel105°). Beim Fluor-Atom schließlich ist der Valenzzustand mit demGrundzustand identisch; das mit einem Elektron besetzte 2p-Orbital bildet eine(nicht gerichtete) kovalente Bindung aus.Bei Bindungen zwischen verschiedenartigen Atomen ist die Verteilung der Bindungselektronenmeistens unsymmetrisch: <strong>Die</strong> Atome unterscheiden sich in ihrerFähigkeit, die Bindungselektronen innerhalb <strong>des</strong> Molekularverban<strong>des</strong> an sich zuziehen. Nach L. Pauling läßt sich diese Eigenschaft mit dem Begriff der Elektronegativitätbeschreiben, für die er relative Zahlenwerte angegeben hat. <strong>Die</strong> Bindungenzwischen H und Cl oder zwischen C und O sind polare Atombindungen, d. h. dieLadungsdichte ist in der Nähe <strong>des</strong> elektronegativeren Cl- bzw. O-Atoms höher als inder Nähe <strong>des</strong> H- bzw. C-Atoms. Partialladungen auf den beteiligten Atomen6+ 6- \ö+ 6- \6+ 6- 6+ b~/H-CI -C-O -C-F H-C-X \ / \sind die Folge, wobei die Größe <strong>des</strong> 5-Werts von der Elektronegativitätsdifferenz abhängt.<strong>Die</strong>se polare Atombindung trägt zu den molekularen Dipolmomenten bei, bestimmtdiese aber nicht allein; in der Ladungsasymmetrie der einsamen Elektronenpaareliegt ein weiterer bedeutsamer Faktor.Im ersten Teil dieses Kapitels betrachten wir die Bildung und einige Eigenschaftender Kohlenstoff-Halogen-Bindung. <strong>Die</strong> Bildung erfolgt allgemein durch nucleophileSubstitution, einen Reaktionstyp, für den im zweiten Teil <strong>des</strong> Kapitels noch andere,einfache Beispiele gegeben werden.Aliphatische HalogenideEthylbromid (Bromethan)C 2 H 5 OH + HBr > C 2 H 5 Br + H 2 OZu 11OmI (200 g, 2,00 mol) konz. Schwefelsäure in einem 1-1-Kolben läßt manunter dauerndem Umschwenken ohne Kühlung rasch 11OmI (89g, 1,84 mol) 95proz.


Beispiele für aliphatische Halogenide 143Ethanol fließen, gibt unter Kühlung vorsichtig 75g Eis/Wasser zu, versetzt mit 10Og(0,84 mol) feingepulvertem Kaliumbromid und schüttelt kräftig. Der Kolben wird miteinem wirksamen absteigenden Kühler sowie einer Vorlage, die schon 30 ml Wasserenthält, verbunden; der Kühler wird mit rasch fließendem, eiskaltem Wasser gespeist, dieVorlage in ein Eisbad gestellt. Man erhitzt das Reaktionsgemisch in einem Ölbad raschauf 12O 0 C, gegen Ende der Reaktion bis auf 14O 0 C. <strong>Die</strong> Reaktion ist beendet, sobaldkeine im Wasser untersinkenden Öltröpfchen mehr übergehen. Der Inhalt der Vorlagewird in einem Scheidetrichter getrennt und aus der schwereren <strong>organischen</strong> Phase dermitentstandene <strong>Die</strong>thylether mit konz. Schwefelsäure herausgewaschen. Um dabei dieReaktionswärme abzufangen, die ein Verdampfen <strong>des</strong> Präparates zur Folge haben kann,kühlt man in einem Eis-Kochsalz-Gemisch und gibt solange tropfenweise unter UmschüttelnSchwefelsäure zu, bis sie sich als untere Schicht abscheidet. Nach Trennungim Scheidetrichter <strong>des</strong>tilliert man das durch die konz. Schwefelsäure getrocknete Ethylbromidin eine eisgekühlte Vorlage; Ethylbromid geht bei 37—4O 0 C, die Hauptmenge bei38-39 0 C über. Ausbeute 70-82 g (76-90%). - Wegen der großen Flüchtigkeit darf sichBromethan während der Darstellung niemals längere Zeit in einem offenen Gefäß befinden.Man bewahrt es am besten in einer dickwandigen Präparateflasche mit gutsitzendem Schliffstopfen auf.Methylbromid wird nach grundsätzlich dem gleichen Verfahren wie Ethylbromidhergestellt. <strong>Die</strong>ses billigste Methylhalogenid ist wegen seines niedrigen Siedepunktes(4,5 0 C) nur schwer zu lagern, was jedoch nicht stört, wenn es zum Beispiel zuGr/gwarJ-Reaktionen direkt weiter umgesetzt wird.<strong>Die</strong> Umsetzungen von Halogenwasserstoffsäuren mit Alkoholen sind nucleophileSubstitutionsreaktionen (s. unten), die auch als Veresterungen angesehen werdenkönnen, Gleichgewichtsreaktionen. Chemische Gleichgewichte lassen sich prinzipielldadurch in Richtung auf das gewünschte Produkt hin verschieben, daß mandie billigere Ausgangskomponente im Überschuß einsetzt (wie oben), oder durchAb<strong>des</strong>tillieren (wie oben), Ausfällen oder Auswaschen mit einer zweiten Lösungsmittelphaseaus dem Gleichgewicht entfernt. - <strong>Die</strong> Ausbeute wird selbstverständlichauf die im Unterschuß eingesetzte Komponente bezogen.1,6-DibromhexanHOCH 2 (CH 2 J 4 CH 2 OH + 2HBr * BrCH 2 (CH 2 J 4 CH 2 Br + 2H 2 OIn einen 500-ml-Kolben mit Rückflußkühler, in dem sich 35,5 g (0,30 mol; S. 535)1,6-Hexandiol und 85ml (127g, 0,73 mol) 48proz. Bromwasserstoffsäure befinden,werden nach Einwerfen eines Sie<strong>des</strong>teinchens unter leichtem Schwenken <strong>des</strong> Kolbens45 ml (83 g) konz. Schwefelsäure in kleinen Anteilen innerhalb einiger Minuten durchden Rückflußkühler gegossen. Unter gelegentlichem leichtem Schütteln erhitzt manlangsam zum Sieden (innerhalb von 20min soll das Bad 17O 0 C erreichen). Nach2stündigem Rückflußkochen trennt man den Kolbeninhalt durch Wasserdampf<strong>des</strong>tilla-


144 Kapitel I. Aliphatische Substitutiontion, bis das übergehende Destillat (nachdem etwa 1—1,51 übergegangen sind) keineÖltröpfchen mehr enthält. Im Scheidetrichter wird die schwere organische Phase abgetrenntund 2mal mit Wasser, 2mal mit je 10 ml konz. Schwefelsäure, einmal mit 2NNatriumcarbonat-Lösung (CO 2 -Entwicklung!) und wieder mit Wasser gewaschen.Dann wird das Produkt einige Stunden mit 2 Spatelspitzen Calciumchlorid getrocknet,das Trockenmittel abfiltriert und im Vakuum <strong>des</strong>tilliert. Bei 110—112°C/12 Torr gehen58-61 g (79-83%) farbloses 1,6-Dibromhexan über.Cyclohexylchlorid (Chlorcyclohexan)OH + HCI > < >—Cl + H 9 Oa) Mit starker Salzsäure:Als Apparatur dient eine Chlorwasserstoff-Stahlflasche, die über eine Waschflaschemit konz. Schwefelsäure und eine Sicherheitsflasche mit einem 500-ml-Kolben verbundenist. (Gaseinleitung bis fast auf den Boden <strong>des</strong> Kolbens). Um den bei der Reaktionentweichenden Chlorwasserstoff unschädlich zu machen, trägt der Kolben einen Rückflußkühlermit aufgesetzter Gasableitung und angeschlossenem Gaseinleitungsrohr, dasüber der Oberfläche von etwa 300 ml Wasser in einem 1-1-Kolben endet; ein zweitesRohr führt aus dem Kolben in den Abzug. Im Reaktionskolben werden 107 ml (10Og,1,0mol) Cyclohexanol und 10OmI konz. Salzsäure unter langsamem Einleiten vonChlorwasserstoff 3 h im Ölbad zum Sieden erhitzt, wobei sich Cyclohexylchlorid alsobere Schicht abscheidet. Man tauscht den Rückflußkühler gegen einen absteigendenaus, entfernt die Heizung, läßt aber den Kolben im heißen Bad, schließt an Stelle derChlorwasserstoff-Zuleitung eine Wasserdampfquelle an das Einleitungsrohr und treibtdas Cyclohexylchlorid über, bis das abtropfende Destillat einphasig ist. <strong>Die</strong> (notfalls nachZusatz von etwas Natriumchlorid) abgetrennte organische Schicht wird mit Calciumchloridgetrocknet und über eine kleine Füllkörperkolonne <strong>des</strong>tilliert. Das gewünschteProdukt geht bei 139-141 0 C über; die bei 85-139 0 C siedenden Anteile werden nocheinmal <strong>des</strong>tilliert, um so weiteres bei 139—141 0 C sieden<strong>des</strong> Cyclohexylchlorid zu gewinnen.Ausbeute 66-74 g (56-63%) farbloses Produkt. Der Vorlauf besteht ausCyclohexen.b) Mit Salzsäure und ZinkchloridIn einem 500-ml-Kolben werden 136 g (1,0 mol) wasserfreies Zinkchlorid in 100 ml(etwa 1,1 mol) konz. Salzsäure gelöst und mit 50g (0,5 mol) Cyclohexanol versetzt.Nach Aufsetzen eines Rückflußkühlers wird J h bei Siedetemperatur gehalten, wobeisich zwei Phasen bilden. Man läßt-abkühlen, fügt 150 ml Wasser zu, trocknet die abgetrennteorganische Phase mit Calciumchlorid, <strong>des</strong>tilliert wie unter a) beschrieben übereine kleine Kolonne und fraktioniert. Ausbeute 35—37 g (59—63%) Cyclohexylchloridmit Sdp. 139-141 0 C.


Bildung aliphatischer Halogenide 145Zur Einstellung <strong>des</strong> Gleichgewichts ist die katalytische Mitwirkung von Säurenötig, was aus den Bruttogleichungen nicht hervorgeht. <strong>Die</strong>se bewirkt im erstenSchritt eine Protonierung der alkoholischen Hydroxygruppe. <strong>Die</strong> so gebildete Oxoniumverbindungist das eigentliche Substrat der nucleophilen Substitution. <strong>Die</strong> C, O-Bindung ist darin merklich gelockert, und unter Eliminierung von Wasser kann sichdie Kohlenstoff-Halogenbindung ausbilden (S. 144).R— C-OH + HHaI - > R-C-OH 2 + HaI - > R— C-HaI + H 2 O<strong>Die</strong> Reaktionsgeschwindigkeit (RG) der Alkylhalogenid-Bildung hängt charakteristischvon der Natur der Komponenten ab. Sie nimmt in protischen Lösungsmittelnbei den Halogenwasserstoffen in der Folge HF CH 3 CHICH 3 + 2I 2<strong>Die</strong> Umsetzung primärer Alkohole mit Bromwasserstoff erfordert bereits Erwärmenund eventuell längere Reaktionsdauer. Ein Zusatz von Schwefelsäure (S. 142)wirkt sich bei primären Alkoholen günstig aus, ist aber bei sekundären und tertiärenAlkoholen wegen der Gefahr der Wasserabspaltung zu vermeiden. Anstelle der käuflichenwässerigen Bromwasserstoffsäure kann man - billiger - Schwefelsäure und einBromid einsetzen (S . 142).Chlorwasserstoff reagiert viel langsamer. Erst gegen 14O 0 C unter Druck vollziehtsich die Bildung <strong>des</strong> Ethylchlorids mit ausreichender Geschwindigkeit. Löst man inkonzentrierter Salzsäure die äquimolare Menge wasserfreies Zinkchlorid, also etwain 80-90 ml konzentrierter Salzsäure 135g Zn(II)-chlorid, wird eine komplexe Chlorozinksäuregebildet, die schon bei Rückflußtemperatur primäre Alkohole in Alkylchlorideüberführt. Sekundäre Alkohole lassen sich mit starker Salzsäure in der Siedehitzeverestern, wie das Beispiel <strong>des</strong> Cyclohexylchlorids (S. 144) lehrt; auch hier erfolgtdie Reaktion in Gegenwart von Zinkchlorid wesentlich rascher. Tertiäre Alkoholereagieren selbst mit kalter Salzsäure schnell.Versuch: tert-Butylchlorid aus tert-Butanol — Man schmilzt etwas te/t-Butanol(Schmp. 26 0 C) und vermischt es im Reagenzglas mit dem Stachen Volumen eiskalterkonz. Salzsäure. <strong>Die</strong> zunächst klare Lösung trübt sich nach wenigen Sekunden; das inWasser schwer lösliche fe/t-Butylchlorid scheidet sich als obere Phase ab.


146 Kapitel I. Aliphatische Substitution<strong>Die</strong> Alkylhalogenide (Halogenalkane) sind meist farblose Flüssigkeiten. <strong>Die</strong>Fluoride sind bis zum n-Propyl-, die Chloride bis zum Ethylderivat, die Bromide nurim ersten Glied (Methylbromid Sdp. 5 0 C) bei Raumtemperatur gasförmig. <strong>Die</strong> Monofluorideund -chloride sind spezifisch leichter, Bromide und lodide spezifisch schwererals Wasser. <strong>Die</strong> Bereitschaft, das kovalent gebundene Halogen als Anion abzugeben,steigt in der Reihe prim. < sek. < tert. Alkylhalogenid sowie in der Reihe Fluorid 3C 2 H 5 I + H 3 PO 3In einem 250-ml-Kolben übergießt man 5,0g (0,16 mol) roten Phosphor mit 50 ml(0,85 mol) trockenem Ethanol und fügt unter öfterem Umschütteln im Laufe einer Viertelstunde50 g (0,39 mol) fein pulverisiertes lod allmählich zu, wobei man von Zeit zuZeit den Kolben durch Eintauchen in kaltes Wasser abkühlt. Man setzt dann einen wirksamenRückflußkühler auf den Kolben, läßt das Reaktionsgemisch unter gelegentlichemSchütteln 2 h stehen und erhitzt noch 2 h auf dem Wasserbad unter Rückfluß. Dann<strong>des</strong>tilliert man das Produkt ab, wobei man zweckmäßig den Kolben in ein lebhaft sieden<strong>des</strong>Wasserbad taucht. Das durch lod braun gefärbte Destillat wird zur Entfernung <strong>des</strong>Ethanols mehrfach im Scheidetrichter mit Wasser, dem man schließlich zur Entfernung<strong>des</strong> lods wenig Natriumhydrogensulfit und zum Schluß etwas Natronlauge hinzugefügthat, gewaschen. Das farblose Öl wird mit wenig Calciumchlorid getrocknet und <strong>des</strong>tilliert.Bei 72 0 C gehen etwa 50g (82%) Ethyliodid über. - Alkyliodide sind in braunenFlaschen aufzubewahren.Um Alkyljodide, die (besonders rasch am Licht) durch lodausscheidung braun gewordensind, wieder zu entfärben, schüttelt man sie mit etwas Quecksilber oder fein verteiltemSilber.<strong>Die</strong> Phosphorhalogenide ersetzen alkoholische Hydroxygruppen weit energischerdurch Halogen als Halogenwasserstoffe. Während zur Chlorierung Phosphortrichloriddirekt genommen wird, ist es bequemer, das Bromid oder lodid <strong>des</strong> Phosphorserst im Reaktionsmedium zu bereiten. Dazu läßt man in die Suspension <strong>des</strong>roten Phosphors im betreffenden Alkohol langsam Brom einfließen oder trägt portionsweisegepulvertes lod ein. Das erzeugte Phosphorhalogenid tritt dann in situ mitdem Alkohol in Reaktion.2P + 3I 2 > 2Pl 33CH 3 CH 2 OH + Pl 3 > 3CH 3 CH 2 I + H 3 PO 3


Ester der Salpetersäure 147Bei mehrwertigen Alkoholen lassen sich sämtliche Hydroxygruppen mit dieserMethode durch Halogen ersetzen. Wenn kein freier lod wasserst off auftritt, ist beider lodierung eine Reduktion nicht zu befürchten.Bei der Verwendung von Thionylchlorid für die Herstellung von Alkylchloridentreten nur gasförmige Nebenprodukte (SO 2 und HCl) auf. Als Zwischenstufen lassensich Alkylsulfinsäurechloride nachweisen, die ihrerseits in Alkylchlorid und Schwefeldioxidzerfallen.ROH + SOCI 2 > ROSOCI + HCIROSOCI * RCI + SO 2Durch Zusatz von Pyridin werden Nebenreaktionen weitgehend unterdrückt. DasAuftreten ähnlicher Esterchloride als Zwischenstufen der Halogenidbildung muß auchbei den Phosphorhalogeniden (s. oben) angenommen werden.Eine weitere Verwendung <strong>des</strong> Phosphors beim Ersatz der Hydroxygruppe durchHalogen liegt in der Reaktion der Alkohole mit dem System Triphenylphosphin-Kohlenstofftetrahalogenid. Aus diesen Komponenten bilden sich Addukte, die nachArt einer,,Arbusow-Reaktion" in Phosphinoxid und Alkylhalogenid zerfallen. Allerdingsbesteht auch die Möglichkeit einer konkurrierenden Wasserabspaltung unterBildung von Alkenen. <strong>Die</strong> alkylierende Wirkung <strong>des</strong> Phosphoniumesters ist mit der<strong>des</strong> Dimethylsulfats vergleichbar.R 3 P + HaIC(HaI) 3 > R 3 P-HaIC(HaI) 3 > R 3 P-OR' Hal~+ R'—OH + HC(HaI) 3R 3 P-OR' Hai' > R 3 P=O + R' HaIEthylnitratC 2 H 5 OH + HNO 3 > C 2 H 5 ONO 2 + H 2 O250 ml konz. Salpetersäure (d = 1,4) werden mit 30g (0,25 mol) Uroniumnitrat(Harnstoffnitrat, S. 327) aufgekocht. Nach dem Erkalten gießt man die Hälfte der Lösungin einen mit Tropftrichter und absteigendem Kühler versehenen 1-1-Kolben, indem sich 30 g (0,24 mol) Uroniumnitrat und 150 ml 95proz. Ethanol befinden. Der Kolbenwird auf einem Sand- oder in einem Ölbad langsam auf 120—13O 0 C (Badtemp.) erhitzt(Schutzbrille!). Nachdem etwa ein Drittel <strong>des</strong> Inhalts ab<strong>des</strong>tilliert ist, vermischt mandie zweite Hälfte der Salpetersäurelösung mit 10OmI 95proz. Ethanol und läßt dieseMischung durch den Tropftrichter langsam zufließen. <strong>Die</strong> Operation muß hintereinanderausgeführt werden; die Gemische von Ethanol und Salpetersäure dürfen nicht längereZeit stehen bleiben. Wenn, alles zugetropft und die Flüssigkeit im Kolben bis auf etwa100 ml ab<strong>des</strong>tilliert ist, schüttelt man das übergegangene Ethylnitrat zur Entfernung <strong>des</strong>


148 Kapitel I. Aliphatische SubstitutionEthanols 2mal mit Wasser, einmal mit verd. Natriumcarbonat-Lösung (CO 2 -Entwicklung!)und dann nochmals mit Wasser aus (Ethylnitrat ist schwerer als Wasser), trocknetüber Calciumchlorid und reinigt das Produkt durch Destillation aus dem siedenden Wasserbad(Schutzbrille!), Ausbeute 1 50—160 g (39-41 %) Ethylnitrat mit Sdp. 86 0 C.Ethylnitrat zersetzt sich beim raschen Erhitzen, zum Beispiel in der Flamme, explosionsartig.Es gehört in die gleiche Klasse wie Nitroglycerin, die oxidierende undreduzierende Gruppen enthält; darum Vorsicht! Ethylalkohol wird durch reine Salpetersäureunter den voranstehenden Bedingungen nicht oxidiert, sondern nur verestert.Sobald aber Spuren von salpetriger Säure vorhanden sind, die oben durch dieBehandlung mit Harnstoff entfernt werden, tritt durch das NO 2 Oxidation ein. Dadas Stickstoffmonoxid, das hierbei aus der salpetrigen Säure entsteht, von der Salpetersäurewieder zu NO 2 oxidiert wird, geht die Oxidation von kleinen Anfängensukzessive weiter, gewinnt durch die auftretende Reaktionswärme an Geschwindigkeitund steigert sich schließlich zu einem stürmischen, explosionsartigen Prozeß.Reaktionsbeschleunigungen dieser Art, bei denen Zwischenprodukte die Geschwindigkeitprogressiv steigern, bezeichnet man als Autokatalysen.Das erste Produkt ,der Oxidation <strong>des</strong> Ethanols ist Acetaldehyd. Später wird unteranderem die Stufe der Knallsäure HC=N-^O erreicht, die aber nur bei Gegenwartvon Silber- oder Quecksilberionen gefaßt werden kann. Mit diesen bildet sie dieschwerlöslichen, gegen Salpetersäure beständigen, gegen Schlag und Hitze empfindlichenFulminate (Initialzünder).EthylnitritC 2 H 5 OH + HNO 2 > C 2 H 5 ONO + H 2 OIn einem 1-l-Kolben, mit Tropftrichter, Rührer und absteigendem Kühler, der sich ineinem Wasserbad von 40-5O 0 C befindet, werden 69 g (1,0 mol) Natriumnitrit in 200 mlWasser gelöst und mit 110 ml 95proz. Ethanol versetzt. Unter Rühren wird innerhalb von40min die Lösung von 28ml konz. Schwefelsäure in 10OmI Wasser und 11OmI95proz. Ethanol zugetropft. Schon nach wenigen min beginnt das Ethylnitrit überzu<strong>des</strong>tillieren.Um eine vollständige Kondensation <strong>des</strong> niedrigsiedenden Produkts zu erreichen,speist man den Kühler mit vorgekühltem Leitungswasser und taucht die Vorlagetief in ein Eisbad. Kurz nach Zugabe der Säure ist die Bildung <strong>des</strong> Ethylnitrits beendet;das blaßgelbe Produkt soll dann sauer reagieren. Es ist nach Trocknen überwasserfreiem Kaliumcarbonat für die meisten Zwecke genügend rein und muß, da esschon bei 17 0 C siedet, in einer starkwandigen Flasche im Kühlschrank aufbewahrt werden.Ausbeute 60-65 g (80-87%).


Isopentylnitrit (Isoamylnitrit)H 3 C^H 3 CH 3 CCHCH 2 CH 2 OH + HNO 2 > CHCH 2 CH 2 ONOH 3 CEster der salpetrigen Säure 14944 g (0,50 mol) Isopentylalkohol werden zusammen mit der Lösung von 35 g(0,53 mol) Natriumnitrit in 70 ml Wasser in einem offenen Gefäß unter mechanischemRühren im Eis-Kochsalz-Bad auf O 0 C abgekühlt. Zu der weiter gerührten Mischungläßt man aus einem Tropftrichter langsam 44ml konz. Salzsäure (d=1,18) zutropfenwobei die Temperatur nicht über +5 0 C steigen soll. Man wäscht im Scheidetrichter mitWasser, 2N Natriumcarbonat-Lösung (CO 2 -Entwicklung!) und noch einige Male mitWasser. Nach der Trennung der Schichten klärt und trocknet man das Reaktionsproduktmit wenig Calciumchlorid, und <strong>des</strong>tilliert es bei 50—60 Torr in eine gut gekühlte Vorlage.Bei etwa 3O 0 C gehen etwa 50g (75%) Isopentylnitrit als gelbes Öl über.<strong>Die</strong> Ester der salpetrigen Säure zeichnen sich durch besonders große Bildungs- undHydrolysegeschwindigkeit aus; allerdings erfordert die Einstellung <strong>des</strong> GleichgewichtsSäurekatalyse. <strong>Die</strong> niederen Alkylnitrite, die charakteristisch riechen (Vorsicht!) und blutdruckerniedrigend wirken, werden im Laboratorium vielfach anstellevon salpetriger Säure für Nitrosierungen im <strong>organischen</strong> Lösungsmittel verwendet,also z. B. zur Diazotierung primärer Arylamine in Alkohol oder Eisessig (S. 600) sowiezur Überführung der Ketone in Isonitrosoketone (S. 421).Versuch: Hydrolyse von Ethyl- oder Isopentylnitrit — Einige Tropfen Ethyl- oderIsopentylnitrit werden mit verd. Kaliumiodidlösung geschüttelt. Es darf keine Braunfärbungauftreten. Ein Tropfen verd. Salzsäure bewirkt sofortige Hydrolyse und die freiwerden<strong>des</strong>alpetrige Säure oxidiert das Kaliumiodid zu lod.Methyliodid (lodmethan)CH 3 OSO 2 OCH 3 + Kl > CH 3 I + CH 3 OSO 3 K50 g (0,30 mol) Kaliumiodid werden in einem 250-ml-Kolben in 50 ml Wasser gelöst.Nach Aufsetzen eines wirksamen Destillationskühlers läßt man unter schwachemErwärmen 41 g (0,32 mol) Dimethylsulfat, die zuvor bei 74°C/12 Torr <strong>des</strong>tilliert wurden,durch einen Tropftrichter im Laufe von 30 min einfließen. Das entstandene Methyliodid<strong>des</strong>tilliert sofort ab und wird in einer eisgekühlten Vorlage aufgefangen. NachTrocknen mit Calciumchlorid ergibt die Rektifikation 35-40 g (82-94%) Produkt mitSdp. 42 0 C. - Alkyliodide sind in braunen Flaschen aufzubewahren.Wegen der großen Giftigkeit der neutralen Schwefelsäureester, vor allem <strong>des</strong> Dimethylsulfats,müssen alle Operationen mit diesen sehr vorsichtig und unter gut zie-


150 Kapitel I. Aliphatische Substitutionhendem Abzug ausgeführt werden! Reste von Dimethylsulfat in den benutzten Apparaturenvernichtet man durch mehrstündiges Einwirkenlassen von wässerigem Ammoniak.Auch im Umgang mit dem giftigen, leicht flüchtigen Methyliodid ist Vorsichtgeboten!<strong>Die</strong> neutralen Schwefelsäureester gehören zu den wirksamsten (und billigsten)Alkylierungsmitteln. <strong>Die</strong> Behandlung <strong>des</strong> Methanols mit konz. Schwefelsäure führtzunächst zum Halbester, dem Methylsulfat, das bei der Vakuum<strong>des</strong>tillation zu Dimethylsulfatund Schwefelsäure disproportioniert.CH 3 OH + HOSO 2 OH =^=± CH 3 OSO 2 OH + H 2 O2CH 3 OSO 2 OH ^=^ CH 3 OSO 2 OCH 3 + H 2 SO 4Das leichter flüchtige Dimethylsulfat <strong>des</strong>tilliert während der Reaktion aus demweitgehend auf der Seite <strong>des</strong> Monoesters liegenden Gleichgewicht.Bei der Herstellung von Methyliodid (oben) wird das Iodidion methyliert. ImSinne einer nucleophilen Substitution verdrängt es das Methylsulfation und bildeteine neue, kovalente lod-Kohlenstoff-Bindung.I- + CH 3 OSO 2 OCH 3 > CH 3 I + -OSO 2 OCH 3Zu beachten ist, daß die neutralen Schwefelsäureester nur einen Alkylrest leichtübertragen; die Ablösung <strong>des</strong> zweiten fordert energischere Bedingungen (höhereTemperatur).Nitrile und EtherBenzylcyanid (Phenylacetonitril)C 6 H 5 CH 2 CI + KCN > C 6 H 5 CH 2 CN + KCIIn einem 500-ml-Kolben mit Rückflußkühler und Tropftrichter werden 30 g (0,61 mol)Natriumcyanid in 35 ml Wasser heiß gelöst und dann mit 50 ml Ethanol vermischt. Dazuläßt man aus dem Tropftrichter 63,3 g (0,50 mol) reines Benzylchlorid (S. 173) im Laufevon 10 min fließen. Nach weiterem Sstündigen Kochen wird das abgekühlte Reaktionsgemischvom Natriumchlorid abgesaugt und dieses mit wenig Alkohol gewaschen. Man<strong>des</strong>tilliert auf einem Dampfbad den größten Teil <strong>des</strong> Ethanols ab, trennt die Phasen imScheidetrichter und <strong>des</strong>tilliert die organische nach kurzem Trocknen mit etwas Calciumchloridbei 105-109°C/12 Torr. Ausbeute etwa 45 g (77%); sie kann durch Destillationvon Vor- und Nachlauf erhöht werden. Völlig reines Benzylcyanid siedet bei 232 0 C.


Nitrile und Ether 151Hexamethylendicyanid (Korksäure-dinitril)BrCH 2 (CH 2 J 4 CH 2 Br + 2KCN > NCCH 2 (CH 2 J 4 CH 2 CNAnalog der Darstellung von Benzylcyanid (voranstehend) werden 61 g (0,25 mol)1,6-Dibromhexan mit 30g (0,61 mol) Natriumcyanid umgesetzt. Ausbeute 27g (79%)Dinitril mit Sdp. 171-173 °C/11 Torr.Bei der Kolbeschen Nitrilsynthese (vorstehende Präparate) werden Alkylhalogenide(oder Alkylsulfate) mit Alkalicyaniden zu Nitrilen umgesetzt, die ihrerseits durchVerseifung in Carbonsäuren (siehe S. 322) oder durch Reduktion in primäre Amine(siehe S. 522) umgewandelt werden können. <strong>Die</strong> Bildung der Nitrile ist als nucleophileSubstitution durch das Cyanidion am Alkylhalogenid anzusehen. Zur Beschleunigungsolcher Reaktionen in zweiphasigen Systemen siehe S. 201.DiisopentyletherHandelsüblicher Isopentylalkohol (auch als ,,Isoamylalkohol" oder Gärungsalkohol angeboten)enthält oft optisch aktiven 2-Methylbutylalkohol als Verunreinigung; in diesemFall ist er fraktionierend zu <strong>des</strong>tillieren und der im Siedebereich 128— 132 0 C übergehendeAnteil als Ausgangsstoff zu verwenden. - 615 ml (50Og; 5,7 mol) Isopentylalkoholwerden mit 50g (0,51 mol) konz. Schwefelsäure gemischt und in einem 1-1-Kolben mit absteigendem Kühler und Thermometer, das bis fast auf den Boden <strong>des</strong>Kolbens reicht, im Ölbad zum schwachen Sieden erhitzt. Es <strong>des</strong>tilliert ein Gemisch vonWasser und Isopentylalkohol ab; die Temperatur der siedenden Mischung steigt langsaman. Nach 6 h trennt man im Schütteltrichter den übergegangenen Isopentylalkoholab, trocknet ihn kurze Zeit mit Kaliumcarbonat, gibt ihn in den Reaktionskolben zurückund erhitzt weiter zum schwachen Sieden. Wenn (nach insgesamt 8-9stündiger Reaktionszeit)14O 0 C Innentemperatur erreicht sind, kühlt man den Kolbeninhalt auf etwa10O 0 C, <strong>des</strong>tilliert mit Wasserdampf, trennt vom Destillat die organische Schicht ab undrektifiziert sie über eine kleine Vigreux- Kolonne. Bei 168-172 0 C (oder bei 60-62 0 C/11 Torr) gehen 200— 230 g (35-40%) roher Diisopentylether über.Will man völlig reinen Diisopentylether gewinnen, kocht man 75 ml Rohprodukt2h unter Rückfluß mit 1,5g Natriumamid. Dann wird ab<strong>des</strong>tilliert, das Destillat mitverd. Salzsäure geschüttelt, über Calciumchlorid getrocknet, mit etwas Natriumdrahtversetzt und nochmals sorgfältig <strong>des</strong>tilliert.


152 Kapitel I. Aliphatische SubstitutionMethyl-2-naphthylether (Nerolin)NaOH r^^^- (CH3O)2SO2-CH3OSO3Na43,3 g (0,30 mol) reines 2-Naphthol werden in einer 500-ml-Glasstöpselflasche in15OmI 2N Natronlauge und 10OmI Wasser gelöst. Unter dem Abzug fügt man von33,2ml (44,2g; 0,35 mol) Dimethylsulfat (zur Giftigkeit siehe S. 149!) zunächst etwaden dritten Teil hinzu und schüttelt kräftig um, wobei unter Erwärmung die Methylierungeinsetzt (Schutzbrille! Zum Druckausgleich lüfte man ab und zu den Stopfen!). Nach10 min wird das zweite Drittel zugesetzt und geschüttelt, nach weiteren 10 min der Rest.Wenn die milchige Emulsion nicht mehr alkalisch reagiert, gießt man sie in ein 500-ml-Becherglas, spült mit 30 ml 2N Natronlauge nach und erwärmt das mit Uhrglas bedeckteBecherglas unter gelegentlichem Umrühren 2 h auf dem siedenden Wasserbad, wobeisich das Nerolin als untere Phase abscheidet. Nach dem Erkalten saugt man ab und bringtden Kristallkuchen sowie die Nadeln zur Reinigung noch einmal mit 120 ml Wasser aufdem Wasserbad zum Schmelzen. Wiederum wird nach dem Erkalten abgesaugt, wobeiman den festen Kuchen auf der Nutsche vorsichtig zerdrückt und mit Wasser nachwäscht.Trocknen im Vakuumexsikkator über Schwefelsäure liefert 43-44 g Rohprodukt,das aus 10OmI Methanol umkristallisiert wird. <strong>Die</strong> Lösung erstarrt beim Abkühlen zueinem Kristallbrei, den man mit dem Spatel aufrührt, bei geringem Unterdruck absaugtund mit wenig kaltem Methanol wäscht. Ausbeute 34,5-35,5 g farblose Blättchen <strong>des</strong>charakteristisch riechenden Nerolins mit Schmp. 70-71 0 C. Einengen der Mutterlaugeauf die Hälfte liefert weitere 2,5-3,Og. Gesamtausbeute 78-81%. — Sollte das Rohproduktstark gefärbt sein (bei unreinem 2-Naphthol als Ausgangsmaterial), empfiehltes sich, das Produkt vor dem Umkristallisieren in einem Schwertkolben oder Kugelrohrbei 133-135 0 C; 11 Torr zu <strong>des</strong>tillieren.Anisol,0NaJj H- CH 3 OSO 2 OCH 3 - r JJ + CH 3 OSO 3 NaAuf die gleiche Weise wie bei der Herstellung von Methyl-2-naphthylether (voranstehend)werden 28,2g (0,30 mol) Phenol mit 33,2ml (44,2g; 0,35 mol) Dimethylsulfatmethyliert. Allerdings muß man in diesem Fall zur Vollendung der Reaktion imAnschluß an die Schütteloperation 30 min im Rundkolben unter Rückfluß kochen. Nachdem Abkühlen läßt man die wässerige Phase im Scheidetrichter ab, wäscht die organischemit Wasser, trocknet mit Calciumchlorid und <strong>des</strong>tilliert. Bei 154 0 C gehen etwa 29g(90%) Anisol als farblose Flüssigkeit über.


Ethersynthese 1534-Methoxyphenol+ CH 3 OSO 2 OCH 3OHIn einem 250-ml-Kolben mit Rückflußkühler, Tropftrichter und Rührer werden 22 g(0,22 mol) Hydrochinon bei 4O 0 C (Wasserbad) in 40 ml Nitrobenzol gelöst. Dazu gibtman bei 4O 0 C unter Rühren 8,0 ml (10,7g; 84 mmol) Dimethylsulfat (zur Giftigkeitsiehe S. 149!), dann tropfenweise 13ml 20proz. Natronlauge und wiederholt diesenProzeß (Zugabe von Dimethylsulfat und Natronlauge) noch 2mal. Der pH-Wert soll dabeizwischen 8 und 9 bleiben. Nach weiterem 1,5stündigem Rühren bei 4O 0 C und Abkühlenlassenwird mit 2N Schwefelsäure angesäuert und mehrmals ausgeethert. <strong>Die</strong>Etherlösung schüttelt man 3mal mit 2N Natronlauge aus, säuert die alkalische Lösungmit verd. Schwefelsäure an, ethert wieder aus und <strong>des</strong>tilliert den nach Trocknen mitNatriumsulfat und Verdampfen <strong>des</strong> Lösungsmittels erhaltenen öligen Rückstand bei12 Torr in einer möglichst kurzen Apparatur (Kugelrohr!). Das zwischen 125 und 135 0 Cübergehende zähe Öl wird erneut <strong>des</strong>tilliert. <strong>Die</strong> dann bei 130—133 0 C übergehendefarblose Fraktion erstarrt im Eisbad. Ausbeute 14,6g (59%) 4-Methoxyphenol mitSchmp. 56 0 C.<strong>Die</strong> klassische Ethersynthese, nämlich die Einwirkung von starker Schwefelsäureauf Alkohole bei 130-14O 0 C, wird oben am Beispiel <strong>des</strong> Diisoamylethers ausgeführt.Man kann den Prozeß als eine nucleophile Substitution <strong>des</strong> Sulfats durch Alkoholam Alkyl <strong>des</strong> primär gebildeten Schwefelsäure-alkylesters betrachten.R-O •••• R-O-SO 2 OH > R—O—R + H 2 SO 4M ^HTechnisch werden die einfachen symmetrischen Ether im allgemeinen durch Kondensationvon 2 Molekülen Alkohol am Al 2 O 3 -Kontakt bei höheren Temperaturenhergestellt.Am variationsfähigsten, und vor allem auch für unsymmetrische Ether geeignet,ist die Synthese nach Williamson, bei der ein Alkylhalogenid mit einem Natriumalkoholatals Nucleophil umgesetzt wird.CH 3 -CH 2 -CH-O-Na + + IC 2 H 5 > CH 3 -CH 2 -CH-O-C 2 H 5CH 3 CH 3 + NaIIm Gegensatz zum Alkoholat-ion ist das Phenolation schwächer basisch als dasHydroxylanion. Phenole lassen sich daher leicht in wässerig-alkalischem Medium


154 Kapitel I. Aliphatische Substitutionmit Alkylhalogeniden oder Dialkylsulfaten in die Phenolether überführen (sieheS. 152).Auch Arylsulfonsäureester, zum Beispiel />-Toluolsulfonate oder Dialkylsulfatewerden gelegentlich als Alkylierungsmittel herangezogen.Der Ethersauerstoff hat basischen Charakter. <strong>Die</strong>s äußert sich zum Beispiel in derLöslichkeit in konzentrierter Schwefelsäure sowie in der Bildung von Borfluoridkomplexen,die eine polarisierte B—O-Bindung besitzen.RRv \+ -O—H HSO 4 O—BF 3RRDrei Alkylreste an Sauerstoff gebunden finden sich in den tertiären Oxoniumsalzen,die sehr starke Alkylierungsmittel sind (Meerwein-Reagens).<strong>Die</strong> Etherbindung ist sehr stabil. Zur Spaltung kann lodwasserstoff dienen, sozum Beispiel bei der quantitativen Bestimmung der Methoxylgruppe von Ethernnach ZeiselCH 3 -O—CH 2 -CH(CH 3 ) 2 + Hl > CH 3 I + HO—CH 2 -CH(CH 3 J 2Mit überschüssiger lodwasserstoffsäure schließt sich bei der Spaltung von Dialkyletherneine Veresterung <strong>des</strong> Alkohols an, so daß 2 Moleküle Alkyliodid erhaltenwerden. Phenolether werden stets an der O-Alkylbindung unter Bildung von Phenolund Alkyliodid gespalten. - Für die präparative Etherspaltung wird häufig auchBromwasserstoff in Eisessig verwendet, da die reduzierende Wirkung <strong>des</strong> lodwasserstoffsstören kann.Arylalkylether lassen sich auch mit Aluminiumchlorid bei 12O 0 C, mit Aluminiumbromidin siedendem Benzol oder mit Bortribromid bei tiefen Temperaturen glattzerlegen.C 6 H 5 OC 2 H 5 + AICI 3 > C 6 H 5 OAICI 2 + C 2 H 5 CI+ 1^0 + > C 6 H 5 OHArylalkylether und, noch leichter, Diarylether werden von metallischem Kalium(K. Ziegler) oder Natrium (P. Schorigiri) gespalten, wodurch alkaliorganische Verbindungenzugänglich sind.C 6 H 5 OC 6 H 5 + 2K > C 6 H 5 OK + KC 6 H 5Unter relativ milden Bedingungen gelingt die Spaltung von Ethern auch mitPyridin-hydrochlorid in der Schmelze.Gegenüber basischen Agenzien ist die Etherbindung stabil.Ethylenoxid ist der einfachste cyclische Ether. Er ist infolge der Dreiring-Spannungsehr reaktionsfähig. <strong>Die</strong> technisch bedeutsame Verbindung wird entweder aus


Ethylenoxid 155Ethylenchlorhydrin mit Alkali in einer innermolekularen Substitution oder ausEthylen durch Luftoxidation bei 24O 0 C unter Druck am Silberkontakt bereitet. VerdünnteSchwefelsäure hydrolysiert Ethylenoxid zu Ethylenglykol, wobei die Protonadditionam Sauerstoff die Ringöffnung einleitet.CliH 2 C-CH 2 CI ^ä^ H 2 C-CH 2 —OH O-H 2 C-CH 2 + ClxoH 2 C xO + H 2 O >H 2 CH 2 C-OH HO-CH 2 -CH 2 -NH 2Von großer präparativer Bedeutung ist auch die Öffnung mit Grignard- und anderenmetall<strong>organischen</strong> Verbindungen (siehe Kap. DC).Makrocyclische Ether mit mehreren Sauerstoffatomen sind die „Kronen-ether"(crown ethers, C. J. Pedersen, 1967). Je nach Ringgröße und Sauerstoffzahl bilden siesehr feste Komplexe mit verschiedenen Kationen, vorwiegend der Alkalimetalle.Manche Salze dieser lipophilen Komplexionen sind in <strong>organischen</strong> Lösungsmittelnlöslich, zum Beispiel Kaliumpermanganat mit 18-Krone-6 in Benzol. Infolge der


156 Kapitel I. Aliphatische SubstitutionTrennung <strong>des</strong> Kations vom Anion, etwa im Kalium-Krone-fluorid wird das F ~ sonucleophil („nacktes Fluorid"), daß es Halogen in primären oder sek. Bromalkanenoder Chlor am sp 2 -hybridisierten Kohlenstoff (z.B. in l-Chlor-2,4-dinitrobenzol)substituiert (Präparative Herstellung definierter Fluorverbindungen).ORingglieder O-Atome18-Krone-6(CH 2 -Gruppen nicht abgebildet)Es sind ferner schwefelhaltige Cycloether, cyclische Polyamine und Aminoether,sowie bicyclische Verbindungen (Kryptatbildner) bekannt, die auch mit SchwermetallionenKomplexe bilden. Über Naturstoffe wie Monactin, Dinactin, Valinomycin,Cyclodextrine liest man in Spezialbüchern.Alle Ether bilden mit Luftsauerstoff Peroxide (siehe S. 113).ROCH 2 R + O 2 > RO-CH-R'OOHDas primäre Autoxidationsprodukt <strong>des</strong> <strong>Die</strong>thylethers, der a-(Hydroperoxy)diethylether,läßt sich nicht fassen. <strong>Die</strong> Hydroperoxide gehen nämlich mehr oder minderrasch in hochexplosive, höhermolekulare Peroxide über (siehe S. 473).Amine, Thiole, Onium- und NitroverbindungenD, L-ValinNH 2H 3 C^ H 3 C. ICH-CHBrCO H + 2NH —> ^CH-CH-CO H + NH 4 Br2 32H 3 C^H 3 C^In einem 1-I-Schliffkolben werden 57 ml (80 g; 0,44 mol) 2-Bromisovaleriansäure in50OmI konz. Ammoniak (d = 0,90; 7,22 mol) gelöst und 4 Tage bei Raumtemperaturaufbewahrt. Dann <strong>des</strong>tilliert man das überschüssige Ammoniak auf dem Wasserbad abund konzentriert die Lösung bei etwa 12 Torr auf etwa 100 ml. Beim Kühlen in Eis kristallisiertrohes D, L-Valin aus, das abgesaugt und gut abgepreßt wird. Durch erneutesEinengen <strong>des</strong> Filtrats auf etwa 70 ml und Kühlen im Eisbad erhält man weiteres Rohprodukt.Zur Reinigung wird das rohe D 7 L-VaNn in 15OmI heißem Wasser gelöst,während 10 min mit etwas Kohlepulver auf dem siedenden Wasserbad von Zeit zu Zeitgeschüttelt, heiß filtriert und nach Zufügen von 150 ml 95proz. Ethanol über Nacht imKühlschrank aufbewahrt. Das in glänzenden Blättchen auskristallisierte Produkt wird abfiltriertund mit kaltem trockenem Ethanol gewaschen. Einengen der Mutterlauge imVakuum auf etwa 10OmI, Verdünnen mit dem gleichen Volumen trockenem Ethanol und


N-Alkylphthalimide und Hinsberg-Trennung 157Kühlen liefert eine weitere Fraktion. <strong>Die</strong> so erhaltenen 14-16 g (27—31%) D, L-Valinsind noch mit etwas Ammoniumbromid verunreinigt. Zu einem ganz reinen Präparat(Probe mit Silbernitrat) gelangt man durch erneutes Lösen in 80—100 ml heißem Wasserund Versetzen mit dem gleichen Volumen 95proz. Ethanol; allerdings verliert man dabei3-4 g.<strong>Die</strong> Austauschreaktion der Alkylhalogenide mit Ammoniak (A. W. v. Hofmann) erfolgtzwar leicht; bleibt aber nicht auf der Stufe <strong>des</strong> primären Amins stehen, sonderndurchläuft meist alle 4 Alkylierungsstufen bis zum quartären Ammoniumion.Ein großer Ammoniaküberschuß wirkt sich natürlich vorteilhaft auf die Ausbeutean primärem Amin aus.+ R—HaIH 3 NRHaI-; H 3 NR + NH 3RNH 2 +NH.RNH 2 + RHaIR 2 NH 2 HaI-usw.Brauchbar ist diese Substitution zur Darstellung von a-Aminosäuren aus Halogenfettsäuren.Da a-Aminosäuren schwächere Basen sind als primäre Amine, sind hierZweit- und Drittalkylierungen weniger wahrscheinlich.Ausschließlich primäre Amine erhält man durch Alkylierung <strong>des</strong> Phthalimids, dasals Kaliumsalz eingesetzt wird. <strong>Die</strong> N-Alkylphthalimide lassen sich mit starker Salzsäureim Einschlußrohr bei 150 r 200°C, oder milder mit Hydrazin-hydrat in Alkoholüber 4-(Alkylamino)phthalazon und <strong>des</strong>sen Hydrolyse mit verdünnter Säure erhalten.NHR+ RBrIN-RNH 2-NH 2verd. SäureR-NH 3Zu primären Aminen führt auch die Reduktion von Nitrilen (siehe S. 536), Nitroverbindungen(siehe S. 516) oder Aziden.Für die kontrollierte Alkylierung von primären zu sekundären Aminen haben sichSulfonamide als Zwischenstufen bewährt (O. Hinsberg). Dazu setzt man primäreAmine mit Benzolsulfochlorid oder Tosylchlorid um. <strong>Die</strong> Sulfonamide lösen sich in2N Natronlauge und treten als Anionen glatt mit dem Alkylierungsmittel in Reak-<strong>Die</strong> so erhaltenen Produkte haben keinen sauren Wasserstoff mehr, sind also nicht


158 Kapitel I. Aliphatische Substitutionmehr alkalilöslich und können daher leicht rein erhalten werden. <strong>Die</strong>s ist auch eineMethode zur Trennung sekundärer und primärer Amine. Tertiäre Amine setzen sichbei dieser Reaktion nicht um und bleiben bei der Ausfallung in Lösung.Versuch: Trennung eines primären von einem sekundären Amin -Zum Gemischaus 1 g Methylammoniumchlorid (oder dem Hydrochlorid eines anderen primären aliphatischenAmins) und 1 g Piperidinhydrochlorid (oder einem anderen sekundären Ammoniumsalz)in 50 ml 2N Natronlauge werden in kleinen Anteilen 4g p-Toluolsulfonylchloridgegeben. Man erwärmt einige min auf dem siedenden Wasserbad, kühlt ab undfällt die Tosylamide mit 2 N Salzsäure. Nach dem Absaugen wird der Niederschlag zurSpaltung etwa mitentstandener, in Lauge unlöslicher Ditosylverbindung <strong>des</strong> primärenAmins, in der Auflösung von 2 g Natrium in 40 ml trockenem Alkohol 30 min unter Rückflußgekocht. Man gibt das halbe Volumen Wasser zu und verdampft den Alkohol imVakuum, wobei das Tosylpiperidid mit Schmp. 96 0 C (oder ein anderes entsprechen<strong>des</strong>Tosylamid) auskristallisiert. Von ihm wird abgesaugt und das Filtrat mit 2 N Salzsäureangesäuert. Dabei fällt A/-Methyltosylamid mit Schmp. 75 0 C (oder ein anderes primäresTosylamid) aus. Beide werden aus Alkohol/Wasser umkristallisiert.ArSO 2 CI + RNH 2 + NaOH - >ArSO 2 NHR + NaCI + H 2 OArSO 2 NHR + OH - - * ArSO 2 -N-R + HOHp/ + R' HaIArSO 2 -N+ HaI-V<strong>Die</strong> Hydrolyse der Sulfonamide erfordert energische saure oder alkalische Bedingungenund verläuft oft nicht befriedigend. <strong>Die</strong> blaue Lösung von Natrium in flüssigemAmmoniak reduziert zur Sulfensäurestufe, wobei die Amine schonender freigesetztwerden. Auch durch Erwärmen mit lodwasserstoff und rotem Phosphor inEisessig werden die Amide reduzierend gespalten.N 1 N- Dimethylpiperidiniumiodid+ 2CH 3 I + NaOH - > I r + NaI + H 2 OH /\H 3 C CH 3In einem 250 -ml -Dreihalskolben mit Rührer, Rückflußkühler und Tropftrichter löstman 5,0g (0,125mol) Natriumhydroxid in 50 ml siedendem Ethanol, kühlt die Lösungab, setzt 1 0,6 g (1 2,3 ml, 0,1 25 mol) Piperidin zu und tropft unter Eiskühlung und Rühren


Phosphoniumsalze 15939,Og (17 ml, 0,275 mol) Methyliodid hinzu, anschließend erhitzt man 2 h unter Rückfluß.Vorsicht! Methyliodid ist giftig, vergleiche S. 149. Das Gemisch muß danach neutralreagieren (feuchtes p H -Papier), andernfalls werden nochmals einige Tropfen Methyliodidzugesetzt und bis zur neutralen Reaktion erhitzt. Man kühlt nun im Eisbad aufO 0 C, saugt die ausgeschiedenen Kristalle <strong>des</strong> /V,/V-Dimethylpiperidiniumiodids ab undtrocknet sie im Vakuum: 23,7 g (= 79% d.Th.). Sie sind für die Durchführung <strong>des</strong> HofmannschenAbbaus (S. 189) rein genug, können jedoch ohne große Verluste aus Ethanolumkristallisiert werden, Schmp. 331-333 0 C (unkorrigiert, unter Zersetzung).Allyl-triphenylphosphoniumbromidH 2 C=CH-CH 2 Br + (C 6 H 5 J 3 P > (C 6 H 5 J 3 PCH 2 CH=CH 2 Br-In einem 250-ml-Kolben bereitet man eine Lösung von 26 g (0,1 mol) Triphenylphosphinund 15g (0,125 mol) Allylbromid in 30 ml Benzol, die man zunächst überNacht bei Raumtemperatur beläßt und dann 1 h unter Rückfluß erhitzt. Nach dem Abkühlensaugt man ab, wäscht die Kristalle sorgfältig mit Benzol und trocknet sie bei 60 0 Can der Ölpumpe: 35g (92%) Phosphoniumsalz vom Schmp. 209-214 0 C. Das Präparatmuß klar in Wasser löslich sein. Zur weiteren Reinigung kann man es aus wenig DimethylformamidUmkristallisieren. Für die Wittig-Reaktion (S. 455) ist das nicht erforderlich,jedoch empfiehlt es sich, die Kristalle staubfein zu zerreiben und nochmals wie obenzu trocknen.Cinnamyl-triphenylphosphoniumchlorid(C 6 H 5 J 3 P + C 6 H 5 CH=CH-CH 2 CI -> (C 6 H 5 J 3 P-CH 2 -CH=CH-C 6 H 5 ClMan kocht die Lösung von 10,Og Cinnamylchlorid und 23,0 g Triphenylphosphin in125 ml XyIoI 12 h am Rückfluß. <strong>Die</strong> Bildung <strong>des</strong> Salzes beginnt bald. Wenn es sich zunächstölig abscheidet, entnimmt man mit dem Glasstab eine Probe <strong>des</strong> Öls und reibt sieunter Ether an; mit den erhaltenen Kristallen wird das Reaktionsgemisch angeimpft, dasdabei heftig aufsieden kann. Nach Beendigung der Reaktion saugt man das Phosphoniumsalzab, zerreibt es in einem Mörser, kocht es nochmals mit 50 ml XyIoI aus, saugtnoch warm ab, trocknet das Produkt bei 6O 0 C im Vakuum und erhält so 23,0 g (85%)fast farbloses Salz vom Schmp. 224 0 C. Es kann durch Lösen in heißem Ethanol undZusatz von Ether im Tiefkühlfach umkristallisiert werden (Schmp. 225 0 C), für die Umsetzungzu Diphenylbutadien (siehe S. 456) ist es genügend rein.Methoxycarbonylmethyl-triphenylphosphoniumbromid(C 6 H 5 J 3 P + BrCH 2 CO 2 CH 3 > (C 6 H 5 J 3 P-CH 2 CO 2 CH 3 Br~Zur Lösung von 13,1 g Triphenylphosphin in 60 ml Benzol läßt man in 30 min unterRühren 7,6g Bromessigsäure-methylester tropfen. Vorsicht! a-Halogencarbonsäureestersind tränenreizend, Abzug! Bei der Reaktion erhöht sich die Temperatur auf 30—4O 0 C.Man rührt noch über Nacht bei Raumtemperatur weiter, saugt das Salz dann ab und


160 Kapitel I. Aliphatische Substitutionwäscht es sorgfältig mit Benzol. Nach dem Trocknen bei 5O 0 C i.Vak. erhält man 17,2 g,Ausbeute 83%, Schmp. 162—163 0 C. Das Salz ist für die Verwendung in der Wittig-Reaktion (S. 457) rein genug.Präparativ wenig problematisch ist die sogenannte „erschöpfende Methylierung"von Aminen, die oben am Beispiel <strong>des</strong> Piperidins gezeigt wird. <strong>Die</strong> Permethylammoniumhydroxi<strong>des</strong>ind die Ausgangsstufen für den Abbau quartärer Ammonium-Basen nach A. W. v. Hofmann (1881, S. 189). Auch die Alkylierung von Phosphinenmuß als nucleophile Substitution der letzteren am Alkylhalogenid aufgefaßt werden:(C 6 H 5 J 3 P + R-Br > (C 6 H 5 J 3 P-R BrAlkyl-triphenylphosphoniumhalogenide sind die wichtigsten Ausgangsmaterialienfür die Carbonyl-Olefinierung nach G.Wittig (1954, S. 455). Allyl-triphenylphosphoniumbromidekönnen auch aus dem Allylalkohol mit Triphenylphosphoniumbromiddargestellt werden (H. Pommer):(C 6 H 5 J 3 PH Br + C 6 H 5 CH=CHCH 2 OH > (C 6 H 5 J 3 PCH 2 CH-CHC 6 H 5 Br--H 2OPhenylmethanthiol (Benzylmercaptan)Formeln siehe S. 162a) Über Benzylisothiuroniumbromid:Wegen <strong>des</strong> intensiven unangenehmen Geruchs von Phenylmethanthiol sind alleOperationen unter einem wirksamen Abzug durchzuführen. Das gilt auch für die Reinigungaller verwendeten Glasgeräte mit verd. Natriumcarbonat-Lösung, der etwas Wasserstoffperoxidzugefügt wurde, im Anschluß an die Darstellung. Vor allem bringe mannichts von dem Thiol an die Hände oder an die Kleider, da der Geruch tagelang haftet. —In einem 250-ml-Kolben mit Rückflußkühler und Rührer werden 21,6g (0,20 mol)Benzylalkohol mit 15,3 g (0,20 mol) Thioharnstoff und 67 ml 48proz. Bromwasserstoffsäure(10Og; 0,60 mol) unter Rühren 8 h auf Rückflußtemperatur erhitzt. Man läßt abkühlen,fügt die Lösung von 24g Natriumhydroxid in 240 ml Wasser zu, leitet N 2 überdie Reaktionsmischung und kocht weitere 2 h unter Rückfluß; dabei wird das zunächstgebildete Isothiuroniumsalz gespalten. Nach Abkühlen trennt man im Scheidetrichterdie Phasen, säuert die wässerige mit Salzsäure an und schüttelt diese 3 mal mit je50 ml Ether aus. <strong>Die</strong> abgetrennte organische Phase und die Etherauszüge werden zusammenüber Natriumsulfat getrocknet und nach Ab<strong>des</strong>tillieren <strong>des</strong> Ethers bei etwa12 Torr, am besten unter Stickstoff, <strong>des</strong>tilliert. 17,0-18,7 g (68-75%) Phenylmethanthiolgehen bei 80-82 0 C/11 Torr als farbloses Öl über.


) Aus Kaliumhydrogensulfid und Benzylchlorid:aliphatische Thiole 161In einem 500-ml-Kolben löst man 35,1 g (0,62 mol) Kaliumhydroxid in 35 ml Wasserund 220 ml 95proz. Ethanol. In diese Lösung wird mit Wasser gewaschener Schwefelwasserstoffunter Eiskühlung in langsamem Strom eingeleitet (Abzug!), bis die Gewichtszunahme20-21 g beträgt. Jetzt versieht man das Reaktionsgefäß mit Rührer undTropftrichter; der dritte Tubus dient dem Gaseinlaß und -auslaß. Nach Verdrängen derLuft durch Stickstoff werden unter Rühren 31,7g Benzylchlorid (28,8ml, 0,25 mol)innerhalb von 15min zugetropft, wobei die Reaktionswärme durch Außenkühlung mitkaltem Wasser abgeführt wird. Das Reaktionsgemisch wird über Nacht unter Stickstoffaufbewahrt, dann in einen Scheidetrichter eingegossen, der 350 ml Wasser enthält. BeimAnsäuern mit 2N Salzsäure (Abzug!) scheidet sich das Reaktionsprodukt als unterePhase ab; Zusatz von 50 ml Methylendichlorid erleichtert die Schichtentrennung. <strong>Die</strong>organische Phase wird nach Waschen mit 30 ml Wasser über Calciumchlorid getrocknet.Nach Ab<strong>des</strong>tillieren <strong>des</strong> Lösungsmittels reinigt man das rohe Phenylmethanthiol durchVakuum<strong>des</strong>tillation. Ausbeute 16,7g (54%). — Im Destillationsrückstand befindet sichDibenzylsulfid, das durch Oxidation zum Dibenzylsulfon charakterisiert werden kann.Dazu werden 3g <strong>des</strong> Rückstan<strong>des</strong> in 1OmI Eisessig portionsweise mit 5ml SOproz.Wasserstoffperoxid versetzt und anschließend 1 h auf siedendem Wasserbad erhitzt, wobeidie Kristallisation <strong>des</strong> Sulfons schon in der Wärme einsetzt. Nach dem Abkühlen setztman das gleiche Volumen Wasser zu, saugt ab, wäscht mit 50proz. Essigsäure undtrocknet im Vakuumexsikkator über Kaliumhydroxid. Man erhält etwa 2,8 g farblosesDibenzylsulfon, das nach Umkristallisieren aus Ethanol bei 148—15O 0 C schmilzt.Durch Alkylierung von Kaliumhydrogensulfid erhält man Thiole (Thioalkohole;die Bezeichnung Mercaptan ist nach den Regeln der IUPAC nur noch als VorsilbeMercapto für die unsubstituierte SH-Gruppe zulässig). <strong>Die</strong> Hydrogensulfid-Lösungwird durch Sättigen einer Lösung von KOH oder NaOH in absolutem Methanol mitSchwefelwasserstoff bereitet.R-Br + HS- > R-SH + Br-Um die störende Bildung von Thioether nachR-SH + HS- > R—S- + H 2 SR—S- + R-Br > R—S—R + Brzurückzudrängen,setzt man Alkalihydrogensulfid im Überschuß ein. Thiolate gehörenin protonischen Lösungsmitteln zu den stärksten Nucleophilen.Auch die aus der Alkylierung <strong>des</strong> Natriumthiosulfats hervorgehenden Thioschwefelsäureester-salze(Bunte-Salze) liefern beim Ansäuern Thiole.R-Br + S 2 O 3 2 - r> R-S-SO 3 H2 ° > R-SH + HSO 4 -~ Br


162 Kapitel I. Aliphatische SubstitutionEinen bequemen und ergiebigen Weg bietet die Alkylierung <strong>des</strong> Thioharnstoffs,die ausschließlich am Schwefel stattfindet. <strong>Die</strong> dabei entstehenden Isothiuroniumsalzezerfallen mit Lauge in Thiol und Cyanamid; letzteres geht rasch ins Dimere undandere Folgeprodukte über. Wie das Ausführungsbeispiel zeigt, kann man sogar dasAlkylierungsmittel in Gegenwart <strong>des</strong> Thioharnstoffs erzeugen.C 6 H 5 CH 2 OH + HBr > C 6 H 5 CH 2 Br + H 2 ONH 2 ^NH 2C 6 H 5 CH 2 Br + S=C > C 6 H 5 CH 2 -S-C^ Br-NH 2 ^NH 2C 6 H 5 CH 2 SH + N=C-NH 2Thiole sind stärkere Säuren als Alkohole; sie lösen sich in überschüssiger Natronlauge.Charakteristisch sind die gelben Blei- und die farblosen Quecksilbersalze.Versuch: Blei- und Quecksilberbenzylsulfide — Man versetzt die alkoholischenLösungen von Blei(ll)-acetat oder Quecksilber(ll)-chlorid jeweils mit einigen TropfenPhenylmethanthiol.Zum Nachweis der aliphatisch gebundenen SH-Gruppe ist die intensive Violettfarbungmit alkalischer Lösung von Natriumpentacyanonitrosylferrat(III)


Sulfoxoniumsalze 163<strong>Die</strong> Thiole sind sehr oxidationsempfindlich. Sie bilden schon an der Luft Disulfide(siehe S. 530), mit stärkeren Oxidationsmitten nacheinander Sulfen-, Sulfin- undschließlich Sulfonsäuren.RSO 3 H > RSO 3 HTrimethylsulfoxoniumiodidCH 3CH 3 SOCH 3 + CH 3 I > CH 3 -S-CH 3 TOMan kocht die Mischung aus 19,5g (0,25 mol) reinem, über Molekularsieb getrocknetemDimethylsulfoxid und 30 ml (68,4g, 0,48 mol) Methyliodid (Vorsicht! Methyliodidist giftig, vergleiche S. 149) unter Stickstoff oder Argon 3 Tage am Rückfluß. Dasausgefallene Salz wird abgesaugt (17 g) und mit Chloroform gewaschen. Das Filtrat <strong>des</strong>Reaktionsgemisches versetzt man mit nochmals 30 ml Methyliodid und kocht weitere2 Tage. Dabei scheiden sich weitere 2,5 g <strong>des</strong> Salzes ab, die wie oben abgetrennt undmit der Hauptmenge zusammen aus Wasser umkristallisiert werden. Farblose Prismen,die i. Vak. getrocknet werden, Ausbeute 17,Og (31 %).Ähnlich den Aminen und Phosphinen können auch die Thioether nucleophil aufAlkylierungsmittel einwirken. Dabei entstehen Sulfoniumhalogenide, z. B.CH 3CH 3 SCH 3 + CH 3 I > CH 3 -S-CH 3 l~Bei dem obigen Beispiel ist die Reaktion auf das Dimethylsulfoxid (DMSO) übertragenworden, es entsteht dann ein Sulfoxoniumiodid. Nach E. J. Corey (1962) lassensich derartige Sulfoniumsalze ähnlich den Phosphoniumsalzen von Wittig in Yleneumwandeln (Schwefel-Ylene, S. 460).Nitromethan aus ChloressigsäureCICH 2 CO 2 H — NaN ° 2 > O 2 NCH 2 CO 2 H —-> CH 3 NO 2-NaCl -UU 294,5g (1,00 mol) Chloressigsäure werden in 200 ml Wasser gelöst und mit 53g(0,50 mol) wasserfreiem Natriumcarbonat in einem weiten Becherglas genau neutralisiert.Dazu gibt man die Lösung von 75g (1,08 mol) Natriumnitrit in 12OmI Wasser.Etwa 10OmI dieser Mischung füllt man in einen 750-ml-Rundkolben mit Tropftrichterund absteigendem Kühler. Beim vorsichtigen Erwärmen im Babo-Trichter be-


164 Kapitel I. Aliphatische Substitutionginnt bei 8O 0 C unter CO 2 -Entwicklung eine stürmische Reaktion; durch allmählichesZufließenlassen der Vorratslösung zum siedenden Reaktionsgemisch im Kolben hält mandie Umsetzung ohne äußere Wärmezufuhr in Gang, läßt sie aber nicht zu heftig werden.Dann wird das Nitromethan mit Wasserdampf über<strong>des</strong>tilliert, dabei sondert es sich in derVorlage als schwerere Schicht ab. Sobald im Destillat kein Nitromethan mehr übergeht,wechselt man die Vorlage und treibt durch weiteres Erhitzen noch 100 ml Wasser über,die noch gelöstes Nitromethan enthalten. Von dem ersten Destillat trennt man dasNitromethan ab und vereinigt den wässerigen Teil mit dem zuletzt übergegangenen. <strong>Die</strong>seLösungen werden mit Kochsalz gesättigt (35g auf je 100ml) und erneut <strong>des</strong>tilliert.Etwa ein Viertel der gesamten Wassermenge wird aufgefangen, danach kommt wiederein klares Destillat. Das im Schütteltrichter abgetrennte Nitromethan wird mit dem zuersterhaltenen vereinigt, mit Calciumchlorid getrocknet und <strong>des</strong>tilliert. Sdp. 101 0 C; Ausbeute20-24 g (33-39%).Nach der Substitution <strong>des</strong> Chlors durch den Stickstoff <strong>des</strong> Nitritions entstehtNitroacetat. <strong>Die</strong>ses spaltet in der Wärme Kohlendioxid ab (decarboxyliert) undbildet Nitromethan.<strong>Die</strong> Decarboxylierung ist eine elektrophile Substitution einer Carboxylgruppedurch ein Proton. Sie verläuft nur dann leicht, wenn das bei der Ablösung <strong>des</strong> Kohlendioxidszurückbleibende Carbanion energiearm, also stabilisiert ist. <strong>Die</strong> Bereitschaft<strong>des</strong> sp 3 -Kohlenstoffs, ein freies Elektronenpaar zu tragen und anionisch aufzutreten,ist nämlich sehr gering. Befindet sich aber benachbart zur Carboxylgruppe eineCarbonyl- oder Nitrogruppe, können diese nach Verlust von CO 2 den größten Teilder negativen Ladung in entsprechenden mesomeren Grenzformeln übernehmen. <strong>Die</strong>damit verbundene Senkung <strong>des</strong> Energieniveaus (Zunahme an Bindungsenergie)macht die Decarboxylierung möglich.HCO;Der auf H. Kolbe zurückgehende nucleophile Austausch von Halogen durch Natriumnitritist auf die niederen a-Halogencarbonsäuren beschränkt. Allgemein lassensich primäre und sekundäre Alkylbromide oder lodide mit Natriumnitrit bei Raumtemperaturin die Nitroalkane überführen, wenn man JV,N-Dimethylformamid(DMF) oder Dimethylsulfoxid (DMSO) als Lösungsmittel wählt (N. Kornblum); dieAusbeuten betragen dabei 50-60%. Noch ergiebiger ist die Einwirkung von Silbernitritauf die Brom- oder lodalkane in Ethersuspension (V. Meyer), die 70-80% primäreNitroalkane gibt. Neben Nitroalkanen treten auch Alkylnitrite auf. Das Nitrit-


Nitroalkane 165anion, hat nämlich am Stickstoff und am Sauerstoff nucleophile Zentren, an denendas Alkylierungsmittel angreifen kann; es ist „ambident" (N. Kornblum).R-O-N=O « [o—N=O > R—NÜber solche Ionen siehe auch auf Seite 416.Von beiden Atomen ist der Sauerstoff basischer (so daß er bevorzugt ein Carbeniumionanlagert), der Stickstoff nucleophiler, so daß es (S N 2-Bedingungen, S. 167)in nicht solvatisierenden Lösungsmitteln wie Ether, DMF oder DMSOzur JV-Alkylierungkommt.Nitromethan, -ethan und die beiden Nitropropane werden industriell durch radikalischeGasphasennitrierung der Alkane bei 40O 0 C hergestellt. Höhere Alkane undCycloalkane lassen sich auch mit wässeriger Salpetersäure bei 120-20O 0 C nitrieren.Primäre und sekundäre Nitroalkane reagieren zwar in Wasser neutral, lösen sichaber in Natronlauge unter Protonabgabe und Salzbildung. Dabei entsteht das mesomeriestabilisierteNitromethan-anion.H 3 C-NO 2 + OH-H 2 C-IV/% (+ H 2Q, langsam T ° +H + , rasch _ +/-H 2OH 9 C=IS^2o-mesomeres Anionac/-FormBeim Ansäuern konkurrieren die Zentren, über die sich die negative Ladung imNitromethan-anion verteilt, um das Proton. Man erhält dabei das #c/-Nitro-Tautomere,da die Protonanlagerung an den elektronenreicheren Sauerstoff sehr vielrascher ist. Das zunächst gebildete stärker saure Tautomere ist aber nicht das thermodynamischstabile. Es lagert sich mit wahrnehmbarer Geschwindigkeit in die schwächersaure NitroVerbindung um. Ähnliche Verhältnisse liegen bei der Keto-Enol-Tautomerie (S. 409) vor.Versuch: aci-Form <strong>des</strong> Nitromethans— Man löst 1,00 ml (16,5 mmol) Nitromethanin Wasser und prüft die Reaktion der Lösung gegen Lackmuspapier. Dann fügt manetwas Phenolphthalein und tropfenweise aus einer Bürette 0,1 N Natronlauge hinzuBis zur bleibenden Rosafärbung werden etwa 2 ccm davon (0,2 mmol) verbraucht, ein


166 Kapitel I. Aliphatische SubstitutionZeichen, daß die Salzbildung <strong>des</strong> Nitromethans einsetzt. Eine kleine Probe der Lösunggibt mit Eisenchlorid eine blutrote Färbung, die für ac/-Nitroverbindungen charakteristischist.Auf weiteren Zusatz von Lauge schlägt der Indikator ganz um. Hat man 10 ml davonzugegeben und versetzt rasch mit 5ml 0,1 N Salzsäure wird das Phenolphthalein kurzfristigentfärbt, weil die im Gleichgewicht vorhandenen OH ~-Ionen neutralisiert werden.<strong>Die</strong> „Hydrolyse" <strong>des</strong> mesomeren Anions, das heißt die Anlagerung der Protonen <strong>des</strong>Wassers an die carbanionische Seite als geschwindigkeitsbestimmende Reaktion erfolgtdann deutlich verfolgbar am Wiedererscheinen der roten Farbe (linke Seite der obigenGleichung).Mehrere Nitrogruppen steigern die Acidität <strong>des</strong> C-gebundenen H erheblich. DasNitroform HC(NO 2 ) 3 erreicht mit pK A < l die Stärke der Mineralsäuren.Das Nitroalkananion und die «c/'-Nitroform vermögen auch andere elektrophileAgenzien als das Proton am Kohlenstoff aufzunehmen, zum Beispiel Brom oderNitrosyl. Salpetrige Säure bildet mit primären Nitroalkanen die Nitrolsäuren, diefarblos sind, aber mit Alkalien tiefrote Salze bilden. Mit sekundären Nitroalkanenentstehen die sogenannten Pseudonitrosite, die als C-Nitroso-Verbindungen grünoder blau gefärbt sind (S. 489).OHHONO + CH 2 =N _ H Q > O=NCH 2 NO 2 > HON=CHNO 22*QNitrolsäureOH CH 1HONO (CH 3 J 2 C=N x > O=N-C-NO 2 + H 2 OMechanismen der nucleophilen Substitution am gesättigtenKoh lenstof f atom<strong>Die</strong> nucleophile Substitution gehört zum Typus der heterolytischen Reaktionen, beidenen eine kovalente Bindung in zwei geladene Teilchen (Ionen) aufgespalten wirdA—B > A + + |B" : Heterolyse.Bei homolytischen Spaltungen (S. 175) nehmen beide Teilchen im Gegensatz dazuals neutrale Radikale je ein Elektron der Bindung mit sich (siehe S.587).A—B > A' + B' : Homolyse.


nucleophile Substition 167Bei der nucleophilen Substitution tritt die heterolytische Spaltung <strong>des</strong> SubstratsR — X unter dem Einfluß oder auch zeitlich vor der Annäherung <strong>des</strong> Nucleophils Yso ein, daß das Elektronenpaar bei X verbleibt. X heißt Nucleofug. Das NucleophilY | bringt ein Elektronenpaar mit sich:R-Q + Y| - > R-Y + X|Substrat Nucleophil Produkt Nucleofug oder AbgangsgruppeIn den meisten Fällen, so auch in den meisten der hier gegebenen Beispiele, sinddie Nucleophile Träger negativer Ladung, also Anionen, z.B. Br~, OH", CN~ usw.C 6 H 5 CH 2 CI + CN- - >C 6 H 5 CH 2 CN + Cl~Zu diesem Typ von Reaktionen gehört auch der präparativ bedeutungsvolle Halogenaustauschnach H. Finkelstein, der z. B. die Umwandlung von Alkylchloriden oder-p-toluol-sulfonaten mit Natriumiodid in wasserfreiem Aceton in die Alkyliodide gestattet:R-CI (oder ROSO 2 - - CH 3) + Nal - >Rl + NaCI (oder NaOSO 2 - " CH 3)<strong>Die</strong> Nucleophile können jedoch auch elektrisch neutral sein, wie die Herstellungder alkylierten Ammoniumsalze zeigt:CHI + RN - > CHNR l~ 3 3Während in dieser Reaktionsfolge Ladungen aufgebaut werden, haben wir amBeispielC 2 H 5 OH 2 + Br- - >C 2 H 5 Br + H 2 Oauch solche kennengelernt, in denen die Ladungen aufgehoben werden.Bei der Mehrzahl der nucleophilen Substitutionen sind der Eintritt <strong>des</strong> Nucleophilsund der Austritt <strong>des</strong> Nucleofugs (Bindungsbildung und Bindungsbruch) zeitlichgekoppelt. An dem RG-bestimmenden Elementarakt sind also beide Reaktionsteilnehmerbeteiligt: <strong>Die</strong> Reaktion ist bimolekular und wird daher S N 2-Reaktion genannt(rtucleophile Substitution 2. Ordnung). Bei der S N 2-Reaktion wird ein Teil derEnergie, die zur Lösung der Bindung R — X aufgebracht werden muß, bereits durchdie Energie der beginnenden Bindungsbeziehung Y---R kompensiert. Es wird somiteine Phase passiert, in der das zentrale Kohlenstoffatom die Koordinationszahl 5betätigt.Dabei nähert sich das nucleophile Agens Y der Grundfläche <strong>des</strong> Kohlenstoffte-


168 Kapitel I. Aliphatische Substitutiontraeders, an <strong>des</strong>sen Spitze sich X befindet. Wie für die alkalische Hydrolyse einesAlkylbromids formuliert, ist das Eintreten <strong>des</strong> neuen Substituenten von der Gegenseiteher zur Bindung C — X sowie die Ablösung <strong>des</strong> X mit einer Spreizung und einemUmklappen der drei restlichen Bindungen <strong>des</strong> zentralen Kohlenstoffs verbunden.Der bekannte Vergleich mit dem Umschlagen eines Regenschirms im Sturm ist auchinsofern treffend, als beide Systeme in der Phase <strong>des</strong> Übergangs instabil sind.R* R' R'_- \ 6 - | 6 - /HO | + u ^ C-Br - > HO "-C-- Br - - > HO— C x// + Br~Ist Y ein Anion, verteilt sich die negative Ladung im Übergangszustand über dieein- und austretenden Gruppen.Ursache für die oben geschilderte Orientierung der S N 2-Reaktion ist ein Übergangszustandmit günstiger Hybridisierung der Orbitale. Aus dem sp 3 -Kohlenstoffwird im Übergangszustand ein sp 2 -Zentrum, wie man es auch in Olefinen und Aromatenfindet; die Vorzugsrichtungen der sp 2 -Bindungen weisen nach den Eckeneines gleichseitigen Dreiecks, in <strong>des</strong>sen Mitte sich das Zentralatom befindet. (ImFormelbild oben sind H, R und R' in dieser Weise gebunden.) Das noch verfügbarep z -Orbital unterhält je eine schwache Bindungsbeziehung zum ein- und austretendenSubstituenten.Es ist leicht zu erkennen, daß die S N 2-Reaktion an einem chiralen Zentrum vonobligatorischer Konfigurationsumkehr (Walden-Umkehr) begleitet ist.Ein anschauliches Hilfsmittel für die Erörterung von Mechanismen sind Energieprofile,bei denen die Bindungsenergie (potentielle Energie) als Enthalpie oder FreieEnergie gegen die sogenannte Reaktionskoordinate, die den Ablauf der Reaktionwiderspiegelt, aufgetragen sind. Abbildung 73 zeigt, daß ein einfacher Aktivierungsbergzwischen Komponenten und Produkt den S N 2-Typ charakterisiert. Der Übergangszustandoder die Aktivierungskonfiguration wird auf dem Gipfel <strong>des</strong> Energiebergeserreicht (Abbildung 73), dieser bezeichnet gleichwohl den Weg geringsterchemischer Energie, auf dem der Übergang möglich ist.<strong>Die</strong> relativen Reaktionsgeschwindigkeitskonstanten der Nucleophile bei Umsetzungmit RX unter Standardbedingungen liefern ein quantitatives Maß ihrer Reaktivitätund gestatten die Aufstellung von Nucleophilitätsreihen. In protischen Lösungsmitteln(Ethanol oder wässeriges Aceton) findet man etwa folgende Reihung:RS- > CN- > l" > SCN- > AIkO- > OH~ > Br' > (CH 3 J 3 N >Pyridin > Cl~ > CH 3 COQ- > F" > TosO' > NO 3 " > H 2 OAnionen wie ClO 4 ", AlCl 4 ", BF 4 " und SbF^ besitzen keine Nucleophilität.Schon die Spitzenstellung <strong>des</strong> RS" -Ions lehrt, daß die kinetisch begründete Nucleo-


nucleophile Substitution 2. Ordnung 169ReaktionskoordinateAbb. 73 Energieprofil einer S N 2-Reaktionphilität und die thermodynamisch begründete Basizität nicht in jedem Falle parallellaufen. Nur bei gleichem Schlüsselatom (z.B. AIkO" > OH" > C 6 H 5 O" > H 2 O)oder innerhalb einer Reihe <strong>des</strong> periodischen Systems (z.B. R 3 C" > R 2 N" >RO" > F~) wird eine solche Parallelität beobachtet. Innerhalb der Gruppen <strong>des</strong>periodischen Systems sind die stärker polarisierbaren, saureren Nucleophile in protischenLösungsmitteln jedoch nucleophiler (z.B. I" > Br" > Cl~ > F"). Das istjedoch wesentlich mitbegründet durch die starke Solvatisierbarkeit der kleinen Anionenin pro tischen Lösungsmitteln: die große Solvathülle schwächt ihre Reaktivität.In polaren, nichtprotonischen Lösungsmitteln wie 7V,AT-Dimethylformamid (DMF),Dimethylsulfoxid (DMSO), Hexamethylphosphorsäuretriamid (HMPT)*, welche diekleinen Nucleophile besonders wenig solvatisieren oder „nackt" lassen, kehrt sichdiese Reihenfolge um (F" > Cl" > Br~ ~ I~). Viele S N 2-Substituenten mit kleinenNucleophilen verlaufen <strong>des</strong>halb in solchen Lösungsmitteln dramatisch schnellerals etwa in Ethanol, z. B. ist die ReaktionCHJCH 3 Fin DMSO 10 7 mal schneller als in Ethanol. Ähnliche Effekte begünstigen die Darstellungder Nitroalkane in DMSO nach Kornblum (S. 166), die Alkylierung von ß-Dicarbonylverbindungen in DMF (S.416) u.a. mehr. Eine Nucleophilitätsreihe inDMF oder DMSO lautet:CN- > CH.COO- > Cl- > Br- ~ l~ > SCN".Im Umgang mit dem vielverwendeten Lösungsmittel HMPT ist Vorsicht geboten, da es möglicherweisecancerogen ist.


170 Kapitel I. Aliphatische SubstitutionAlkylfluoride kann man ebenfalls durch Halogenaustausch (von Brom) gegenFluor erhalten, wenn man Krönenkomplexe (S. 156) von Alkalifluoriden auf Bromideeinwirken läßt. Außerdem erhält man Fluor-, insbesondere Polyfluoralkane durchEinwirkung von Antimontrifluorid auf die betreffenden Chloralkane. In der Techniknimmt man diesen Austausch mit wasserfreiem Fluorwasserstoff in Druckgefäßenvor; eventuell kann man dabei mit SbF 3 oder, noch wirksamer, mit SbF 5 oder SbF 3 Cl 2katalysieren. Unter geeigneten Bedingungen wird nur ein Teil der Chloratome ausgetauscht,zum Beispiel bei der Synthese <strong>des</strong> Kältemittels Dichlordifluormethan(Freon).Auch die Nucleofuge lassen sich nach ihrer Bereitschaft ordnen, die Bindung zumKohlenstoff zu lösen. Da hier die Bindungskraft C-X entscheidend ist, die ungefährmit der Bindungskraft H—X parallel verläuft, kann man die Nucleofugität von Xaus der Acidität der konjugierten Säuren H—X abschätzen:-N 2 > CF 3 SO 2 O- > RSO 2 O- > — I > -Br > H 2 O- > Cl- > F— > — OSOj >-NR 3 > -OR > -OH > -NR 2Hiermit wird deutlicher, warum die Substitution von Hydroxylgruppen häufig erstnach Protonierung zu den Oxonium-Ionen glatt verläuft, z. B. bei der Etherspaltungnach Zeisel, wo der stark saure lodwasserstoff zunächst ein Proton auf den basischenEthersauerstoff überträgt.CH 3 OR I- + ..C—6 > ICH 3 + ROHH - s \H RBesonders klar läßt sich die Nucleofugität von X an der S N l-Substitution studieren.Im Gegensatz zur Reaktionsgeschwindigkeit der alkalischen Hydrolyse <strong>des</strong> EthyloderIsopropylchlorids ist die <strong>des</strong> 2-Phenylethylchlorids nur der Konzentration <strong>des</strong>Halogenids proportional, also von derjenigen <strong>des</strong> Hydroxylions unabhängig. Eshandelt sich hier um eine Reaktion 1. Ordnung, S N l-Reaktion genannt. Wie dieFörderung der S N l-Reaktion durch protische, polare Lösungsmittel nahelegt, isteine Ionisation der langsamste Reaktionsschritt. <strong>Die</strong>sem schließt sich eine rascheVereinigung <strong>des</strong> dabei entstandenen Carbeniumions mit dem nucleophilen Agensan. Auch das Carbeniumion der S N l-Reaktion ist sp 2 -hybridisiert.r H^6 n 5H u HIr ci\s V>| «-± ^6H5 ^ >ICH 3+ Cl- CH 3- C H -(/+H2 ° >C 6 H 5 -C-OH + (H + )CH 3Das Auftreten eines Carbeniumions als Zwischenstufe ist im Energieprofil als


nucleophile Substitution 1. Ordnung 171Minimum zwischen zwei Maxima (Übergangszuständen) zu erkennen. Im Gegensatzzum Übergangszustand der S N 2-Reaktion hat die Zwischenstufe eine endliche Lebensdauer,die mit der Höhe der negativen Energien der sie einschließenden Aktivierungsmaximawächst. Damit eine Zwischenstufe isolierbar wird, muß diese Energiedifferenzjedoch min<strong>des</strong>tens 65-85 kJ/mol (15—20kcal/mol) betragen, siehe Abbildung74.ReaktionskoordinateAbb. 74 Energieprofil einer S N l-ReaktionWährend beim Energieprofil der S N 2-Reaktion (Abbildung 73) alle für die Produktbildungerforderlichen Stoffe in einen Aktivierungskomplex eintreten müssen, kanndie Zwischenstufe sich den Partner für die Weiterreaktion frei auswählen. Das Carbeniumionkann also sowohl mit dem Lösungsmittel, wenn es nucleophil ist, als auchmit allen darin gelösten nucleophilen Agenzien zusammentreten, ohne daß die Gesamtgeschwindigkeitder Reaktion dadurch beeinflußt wird.Carbeniumionen sind seit der Beobachtung von P. Waiden, daß die gelbe Lösung<strong>des</strong> Triphenylmethylchlorids in flüssigem SO 2 den Strom leitet, also ein stabilesCarbeniumion enthält (das seine Existenz der besonders wirksamen Mesomeriestabilisierungverdankt), in der Folgezeit eingehend studiert worden. Sie lassen sich teilsals Salze isolieren, deren Anionen überhaupt nicht nucleophil sind (AlCl 4 ", SbCl^),teils müssen sie als äußerst kurzlebige Zwischenstufen von Reaktionen, wie der S N 1-Substitution oder von molekularen Umlagerungen postuliert werden.<strong>Die</strong> entscheidende Rolle <strong>des</strong> polaren Lösungsmittels bei der S N l-Reaktion läßtkeinen Zweifel daran, daß erst die bei der Solvatation der Ionen freiwerdenden Energiebeträgedie Ionisation ermöglichen. Hierzu eignen sich besonders Brönsted-Säuren(Wasserstoff-Brücken!). Es entsteht ein solvatisiertes lonenpaar. Erst wenn die <strong>Die</strong>lektrizitätskonstante<strong>des</strong> Lösungsmittels eine Trennung der Ionen erlaubt, diffundierendiese auseinander. Säuren mit hoher <strong>Die</strong>lektrizitätskonstante wie Ameisensäureoder Wasser sind <strong>des</strong>halb bevorzugte Lösungsmittel zum Studium reiner S N 1-Reaktionen.


172 Kapitel I. Aliphatische SubstitutionBei Alkylhalogeniden kann man mit Silber- oder Quecksilberionen, die bekanntlicheine hohe Affinität gegenüber Halogenionen haben, die S N l-Reaktion fördern.So ist es zu verstehen, daß selbst primäre Alkyliodide mit wässerig-alkoholischerAgNO 3 -Lösung fast momentan Silberiodid abscheiden; Bromide reagieren in derHitze langsam; primäre Alkylchloride sind resistent.Weil Carbeniumionen eben gebaut sind, sollten S N l-Produkte (im Gegensatz zuS N 2-Produkten) optisch aktiver Ausgangsverbindungen vollständig racemisiert sein.<strong>Die</strong> Racemisierung tritt zwar auf, wird aber von einer Inversion begleitet, deren Ausmaßmit abnehmender Lebensdauer <strong>des</strong> Carbeniumions steigt. Bei hochreaktivenCarbeniumionen findet das entstandene Halogenanion nicht genügend Zeit, seinenPlatz ganz zu verlassen. Es blockiert somit eine Seite <strong>des</strong> planaren Carbeniumionsmehr oder weniger stark gegen den Angriff <strong>des</strong> neuen Substituenten.Neben reinen S N 1- und S N 2-Reaktionen können also Übergangsvarianten auftreten.Dabei gilt, daß der reine S N l-Mechanismus um so eher begünstigt ist, je stärkerdas Zwischenstufenion durch seine Substituenten stabilisiert wird. Neben Phenylrestentragen auch Alkylreste zu einer solchen Stabilisierung bei. <strong>Die</strong> elektronenlieferndeWirkung der drei Methylgruppen kompensiert im tert-Butylkation einenTeil der positiven Ladung <strong>des</strong> Zentralatoms. Man bezeichnet die Eigenschaft einesSubstituenten, negative Ladung über die ^-Bindung an den Nachbarn abzugeben alspositiven induktiven Effekt ( + !-Effekt), umgekehrt ordnet man Substituenten, dieüber eine CH 2 CH 2 + Br~CH 2 -NH 2 X CH 2 —NH 2gehorchen zwar der Reaktion 1. Ordnung, entsprechen aber dem S 2-Mechanismus.Auch der Ringschluß zum Ethylenoxid (S. 155) verläuft nach diesem Schema: dasAlkali setzt lediglich aus dem Ethylenchlorhydrin das aktive Alkoholation frei. — Der


adikalische Substitution 173intramolekularen Substitution steht der ganze Bereich zwischen den Extremen S N 2und S N 1 offen.Radikalische SubstitutionBenzylchloridhvC 6 H 5 CH 3 + Cl 2 -^UC 6 H 5 CH 2 CI + HCI<strong>Die</strong> Apparatur besteht aus einem 250-ml-Kolben mit Gaseinleitungsrohr, Thermometer,das fast bis zum Boden <strong>des</strong> Kolbens reicht (Meßbereich 110—16O 0 C) und einemRückflußkühler. Vor den Kolben sind eine Chlor-Stahlflasche, eine Waschflasche mitkonz. Schwefelsäure und eine Sicherheitsflasche geschaltet. Das obere Ende <strong>des</strong> Kühlersist mit einer Gasableitung verbunden, die (zur Vernichtung der Abgase HCI und Cl 2 )über der Oberfläche von starker Natronlauge in einem 1-l-Kolben endet und weiter inden Abzug führt. Der Reaktionskolben steht in einem Ölbad oder Babo-Trichter. Möglichstnahe schräg über dem Reaktionskolben wird eine starke Lichtquelle — zweckmäßigein Reflektor mit Tageslichtglühbirne von 200 W — aufgebaut. Im Reaktionskolbenerhitzt man 115 ml (10Og; 1,09 mol) reines Toluol zu starkem Sieden, schaltet dieLichtquelle an und läßt lebhaft Chlor einströmen. Mit zunehmender Chlorierung steigtdie Temperatur <strong>des</strong> Reaktionsgemisches an. Man bricht das Einleiten ab, sobald (nach2—4 h) die Innentemperatur 156 0 C erreicht hat. Dann wird der Ansatz im Vakuum <strong>des</strong>tilliert.Dabei fängt man die Hauptmenge bei etwa 63-70 0 C/12 Torr auf; der Siedepunkt<strong>des</strong> reinen Benzylchlorids liegt bei 64 0 C/12 Torr. Ausbeute 89-96 g (65-70%). - Dasim Vakuum <strong>des</strong>tillierte Präparat ist reiner und haltbarer als das unter Atmosphärendruck<strong>des</strong>tillierte, weil sich hierbei stets HCI abspaltet. Da das Benzylchlorid eine starke Reizwirkungauf die Augen ausübt, führt man alle Operationen einschließlich <strong>des</strong> Reinigensder verwendeten Apparaturen im Abzug aus.<strong>Die</strong> Nachbarschaft <strong>des</strong> Benzolkerns verleiht dem Chlor in der Seitenkette eine erhöhteReaktivität für nucleophile Substitutionen. Benzylchlorid geht daher die typischenUmsetzungen der Alkylhalogenide besonders leicht ein; siehe Herstellung <strong>des</strong>Phenylmethylthiols (S. 160). <strong>Die</strong> Hydrolyse mit heißem wässerigem Alkali führt zumBenzylalkohol, einer bei 205 0 C siedenden farblosen Flüssigkeit.Versuch: Spaltung von Benzylchlorid mit Kaliumhydroxid — Man erhitzt einigeTropfen Benzylchlorid mit (halogenfreiem) methanolischem Kaliumhydroxid einige minim Reagenzglas im siedenden Wasserbad. Dann verdünnt man mit Wasser, säuert mitSalpetersäure an, schüttelt Ungelöstes mit Ether aus und gibt einige Tropfen verd. Silbernitrat-Lösungzu der wässerigen Lösung.


174 Kapitel I. Aliphatische SubstitutionDer analoge Versuch mit reinem Brombenzol läßt keine Bromidionen auftreten:Unterschied zwischen aliphatisch und aromatisch gebundenem Halogen.Versuch: Analyse <strong>des</strong> Benzylchlorids — <strong>Die</strong> Spaltung zur quantitativen Halogenbestimmungin Substanzen, die aliphatisch gebundenes Halogen enthalten, führt mannicht nach Carius im Einschmelzrohr aus, sondern durch Hydrolyse mit eingestelltermethylalkoholischer Lauge. (Mit der Kontrolle <strong>des</strong> dargestellten Präparats übe mandiese häufig verwendete Methode der Bestimmung <strong>des</strong> Äquivalentgewichts.) Man kochtin einem öfter benutzten, gut ausgedämpften kleinen Rundkölbchen eine genau eingewogeneMenge Benzylchlorid (etwa 1 g) mit dem 1,Stachen der berechneten Mengemethylalkoholischer 1N Natronlauge 1 h unter Rückfluß, verdünnt mit dem doppeltenVolumen Wasser und titriert nach Phenolphthalein-Zusatz mit 0,5IM Salzsäure die überschüssigeLauge zurück. — <strong>Die</strong>se Methode ist natürlich nur anwendbar, wenn keine anderenSäuren entstehen. In letzterem Falle wird das Halogen mit Rhodanid nach Volhardtitriert. - <strong>Die</strong> viel gebrauchte methanolische Natronlauge stellt man sich am besten aufVorrat her, indem man in 10O ml Methylalkohol - ethylalkoholische Lauge verharzt bald —25g reines Natriumhydroxid durch Erwärmen oder durch Stehenlassen über Nacht löst,von Carbonat abfiltriert und den OH'-Gehalt durch Titration bestimmt.Benzaldehyd über BenzylidendichloridC 6 H 5 CH 3 + 2Cl 2 _ 2hHVc| > C 6 H 5 CHCI 2 > C 6 H 5 CHOIn 57,5 ml (50,0 g, 0,55 mol) sieden<strong>des</strong> Toluol leitet man in gleicher Weise, wie fürdie Darstellung <strong>des</strong> Benzylchlorids (Präparat S. 173) beschrieben, so lange trockenesChlor ein, bis die Innentemperatur auf 187 0 C gestiegen ist. (Man überzeuge sich, daßeine Gewichtszunahme um 40g eingetreten ist). Das so gewonnene rohe Benzylidendichloridkocht man mit gut wirkendem Rückflußkühler unter Einleiten eines schwachenKohlendioxid -Stroms mit 500 ml Wasser und 150 g gefälltem Calciumcarbonat(oder Schlämmkreide oder feinpulverisiertem Marmor) 4 h im Ölbad von 13O 0 C.Dann nimmt man den Kolben aus dem Bad und treibt aus dem noch heißen Gemischden Benzaldehyd mit Wasserdampf über. Man saugt den Rückstand auf der Nutscheheiß ab und säuert das Filtrat mit konz. Salzsäure stark an. Beim Abkühlen scheidetsich die Benzoesäure als Nebenprodukt der Reaktion in glänzenden Blättern ab (sieist mit Wasserdampf etwas flüchtig). Sie wird abgesaugt und aus Wasser umkristallisiert;Schmp. 121 0 C. Das Wasserdampf<strong>des</strong>tillat wird 2mal mit nicht zuviel Ether ausgeschüttelt;die Etherlösung unterschichtet man in einer Pulverflasche unter Umrühren mitdem Glasstab nach und nach mit 40proz. Natriumhydrogensulfit- Lösung, die dabei zueinem steifen Brei der Aldehyd-Additionsverbindung (siehe S. 360) erstarren muß. Manschüttelt hierauf mit aufgesetztem Stopfen, den man von Zeit zu Zeit lüftet (Schutzbrille!),energisch durch, bis aller Benzaldehyd gebunden ist (Geruchskontrolle!) saugtdann ab und wäscht mit Ether nach. Das feste Salz spaltet man durch Eintragen in 500 ml15proz. Natriumcarbonat- Lösung, aus der man dann ohne Pause den freigemachtenAldehyd mit Wasserdampf über<strong>des</strong>tilliert. Das Destillat wird ausgeethert, die Etherlösung


Photochlorierung der Alkane 175mit wenig Calciumchlorid getrocknet, der Ether verdampft und der Benzaldehyd <strong>des</strong>tilliert;Sdp. 179 0 C. Schonender ist die Destillation bei 64-65 0 C/12 Torr unter Stickstoff.Ausbeute 35-40 g (60—69%). -Wegen der großen Sauerstoffempfindlichkeit <strong>des</strong> Präparatsmüssen alle Operationen schnell hintereinander ausgeführt werden.Benzylidendichlorid ist, wie Benzylchlorid, eine zu Tränen reizende Flüssigkeit.Sie dient als Zwischenstufe für die Gewinnung <strong>des</strong> Benzaldehyds durch Hydrolyse.<strong>Die</strong>se wird von der nucleophilen Substitution eines Chloridions durch die Hydroxygruppeeingeleitet. <strong>Die</strong> Zwischenstufe mit Cl und OH am gleichen Kohlenstoff istnicht faßbar, sondern spaltet sofort HCl unter Bildung einer Carbonylgruppe ab.<strong>Die</strong> Photochlorierung der Alkane ist die einfachste Möglichkeit zur Herstellungder C—Cl-Bindung. <strong>Die</strong> stufenweise Chlorierung <strong>des</strong> Methans zu Methylchlorid,Methylendichlorid, Chloroform und Tetrachlorkohlenstoff ist technisch wichtig. Beiden höheren Alkanen wird der Wasserstoff am tertiären C-Atom leichter ersetzt alsder am sekundären und dieser leichter als der am primären C-Atom. Jedoch ist dieSelektivität selten groß genug, um eine gezielte Chlorierung zu gewährleisten; diesschränkt den Wert der Methode erheblich ein.Wie bei der Chlorknallgas-Reaktion handelt es sich bei der Photochlorierung derKohlenwasserstoffe um eine Radikalkettenreaktion. <strong>Die</strong> bei der Photolyse <strong>des</strong> Chlormolekülsentstehenden Atome - auch die Thermolyse wird zur Zündung der Kettebenutzt - vermögen z. B. dem Methan ein Wasserstoffatom zu entreißen. Das Methylradikallöst die Spaltung eines weiteren Chlormoleküls aus. Das zurückbleibendeChloratom greift ein weiteres Methanmolekül an und hält so die Kettenreaktion weiterin Gang.Start: Cl 2 > 2Cl'Kette: Cl' + CH 4Cl 2 + 'CH 3Der Kettenabbruch erfolgt durch Vereinigung zweier Radikale und/oder Atome.Mit Chlor- oder Wasserstoffatomen haben Radikale den Besitz eines ungepaartenElektrons gemein. <strong>Die</strong> Alkylradikale verfügen über ein Elektronenseptett; ihre hoheReaktivität entspringt dem Bestreben, zum vierbindigen Zustand mit Achterschalezurückzukehren.


176 Kapitel I. Aliphatische Substitution<strong>Die</strong> Chlorierung der Methylgruppe <strong>des</strong> Toluols vollzieht sich besonders leicht, dasich <strong>des</strong>sen aliphatische Wasserstoffatome wegen der Mesomeriestabilisierung <strong>des</strong>dabei entstehenden Benzylradikals besonders leicht abspalten. Alle drei aliphatischgebundenen Wasserstoffatome <strong>des</strong> Toluols können radikalisch durch Chlor ersetztwerden; die Reaktionsgeschwindigkeiten nehmen jedoch mit steigendem Chlorgehaltso stark ab, daß außer Benzotrichlorid auch Benzylidendichlorid oder Benzylchlorideinzeln gewonnen werden können.<strong>Die</strong> Zündung der Kette ist nicht nur durch Photolyse <strong>des</strong> Chlormoleküls möglich,sondern auch durch Radikalinitiatoren wie 2,2'-Azobis-(isobutyronitril) oder organischePeroxide, etwa Dibenzoylperoxid (M. S. Kharasch, 1939). <strong>Die</strong>se zerfallen beimErwärmen sehr leicht in Radikale, die ihrerseits zum Beispiel dem Toluol ein Wasserstoffatomentziehen.C 6 H 5 CO-OO-COC 6 H 5 > 2C 6 H 5 COO'C 6 H 5 COO' + C 6 H 5 CH 3 > C 6 H 5 COOH + C 6 H 5 CH 2 'Weitere Betrachtungen zur Reaktion von Radikalen findet man auf S. 471.or-Bromierung von Carbonsäuren2- Bromisovaleriansäure(CH 3 J 2 CHCH 2 CO 2 H + Br 2 (PC ' 3) > (CH 3 J 2 CHCHBrCO 2 HAls Apparatur dient ein 250-ml-Kolben mit Rückflußkühler, der oben mit einer Gasableitungverbunden ist, die (zum Abfangen <strong>des</strong> entstehenden Bromwasserstoffs) etwa1 cm über einem Kolben mit etwa 10OmI Wasser endet und dann weiter in den Abzugführt. Im Reaktionskolben werden 54,5 ml (51 g; 0,50 mol) Isovaleriansäure (sollte nurIsovaleriansäure-monohydrat zur Verfügung stehen, ist dieses mit Benzol azeotrop zuentwässern) mit 88g (28,0 ml, 0,55 mol) Brom und 1,OmI (11 mmol) Phosphortrichloridunter dem Abzug im Ölbad erwärmt. Bei 8O 0 C Außentemperatur setzt die Reaktionein; nach 3 h wird die Ölbadtemperatur auf 9O 0 C und nach weiteren 2 h auf 10O 0 Cgesteigert. Nach 1 h bei 10O 0 C ist das Brom verbraucht. Man fügt nochmals 1,5 ml Bromzu und hält die Badtemperatur noch 1 h bei 10O 0 C. <strong>Die</strong> Gesamtdauer der Bromierungbeträgt also 7h. Anschließend wird <strong>des</strong>tilliert; die rohe a-Bromisovaleriansäure geht(nach einem geringen Vorlauf) zwischen 11O 0 C und 116 0 C/12 Torr, die Hauptmengebei 112 0 C/12 Torr über. Ausbeute 75—80 g (83-88%).<strong>Die</strong> rakikalische Photohalogenierung ist zwar bei den Carbonsäuren oder ihrenDerivaten (Säurechloriden) ohne weiteres möglich, leidet aber unter geringer Selektivität.Da die Essigsäure nur über ein chlorierbares C-Atom verfügt, lassen sichChlor-, Dichlor- und Trichloressigsäure durch stufenweise Chlorierung herstellen.Verwandelt man die Carbonsäuren zunächst in die Säurechloride, Säurebromide


Bromierung der Carbonsäuren 177oder Anhydride, dann sind Chlorierung und Bromierung auch ohne Belichtung möglich.Der spezifische Ersatz <strong>des</strong> a-Wasserstoffatoms zeigt, daß diese Halogenierungeinem anderen Mechanismus folgen muß, sehr wahrscheinlich dem der elektrophilenSubstitution, a-Bromcarbonsäuren sind wegen der größeren Austauschbereitschaft<strong>des</strong> Broms präparativ wichtiger als die a-Chlorverbindungen. Zweckmäßig nimmtman die Umwandlung in das Säurebromid und die a-Bromierung in einem Topf vor,wobei das für die erstgenannte Reaktion benötigte Phosphortribromid aus Brom mitrotem Phosphor ebenfalls in situ erzeugt werden kann.Aus 2 mol Phosphor und 3 mol Brom entstehen 2 mol Phosphortribromid, die6 mol Carbonsäure in das Säurebromid verwandeln. Bei diesem Säurebromid wirddann ein a-Wasserstoffatom (möglicherweise wie bei den Carbonyl Verbindungenüber eine kleine Gleichgewichtsmenge <strong>des</strong> entsprechenden „Enols"; S. 409) elektrophildurch den positiven Teil <strong>des</strong> polarisiert gedachten Brommoleküls substituiert.RCH 2 -C + Br-Br > RCHC + HBrX Br l \rSo erhält man aus l mol Carbonsäure, Va m °l Phosphor und 1,5 mol Brom dasa-Bromcarbonsäurebromid, aus dem mit Alkohol die entsprechenden, präparativwichtigen a-Bromcarbonsäureester (siehe z.B. Reformatzky-Reaktion, S.440) oderdurch Hydrolyse die freien Carbonsäuren gewonnen werden können. Noch einfacherist die hier bei der Herstellung der a-Bromisovaleriansäure angewendete Verfahrensweise,bei der mit wenig Phosphortrichlorid (oder -tribromid) nur ein kleiner Teil derSäure in das Säurehalogenid übergeführt wird. Das a-halogenierte Säurehalogenidüberträgt dann wahrscheinlich in einer Gleichgewichtsreaktion das Halogen amCarbonly-C-Atom auf weitere eingesetzte Carbonsäure, die so sukzessive in dieHalogencarbonsäure übergeführt wird.r* u f\ /~* uCHs \H H /?CH3 \HC—C—C + C-CH 2 -CO 2 HCH 3 ß r Cl CH 3O CHo ,, O\H HC— C— C + C-C H 2— CBr OH CH 3 ClAls bromierbare intermediäre Säurederivate sind auch symmetrische oder gemischteAnhydride denkbar oder das daraus mit dem Bromwasserstoff entstehendeSäurebromid.


178 Kapitel I. Aliphatische SubstitutionWeiterführende Literatur zu Kapitel IR. Stroh, Herstellung von Chlorverbindungen durch Umsetzung mit chlorhaltigen Verbindungen,Methoden der <strong>organischen</strong> Chemie (Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl., Band 5/3, S. 760, Thieme,Stuttgart 1962.A. Roedig, Einführung von Brom durch Austausch von Sauerstoff und sauerstoffhaltigen Gruppen,Methoden der <strong>organischen</strong> Chemie (Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl., Band 5/4, S. 361,Thieme, Stuttgart 1960.P. Kurtz, Herstellung von Nitrilen durch Kondensation von Halogenverbindungen mit Metallcyaniden,Methoden der <strong>organischen</strong> Chemie (Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl., Band 8, S. 290,Thieme, Stuttgart 1952.D. T. Mowry, The Preparation of Nitriles, Chem. Rev. 42, 189 (1948).S. Patai (Hrsg.), The Chemistry of the Ether Linkage, Interscience Publ., London, New York,Sydney 1967.H. Meerwein, Methoden zur Herstellung von Äthern, Methoden der <strong>organischen</strong> Chemie (Houben-Weyl-Müller),4. Aufl., Band 6/3, S. 10,Thieme, Stuttgart 1965.H. Roth und H. Meerwein, Qualitative Nachweisreaktionen für gesättigte aliphatische Äther,Phenoläther und rein aromatische Äther, Methoden der <strong>organischen</strong> Chemie (Houben-Wey-Müller), 4. Aufl., Band 2, S. 423, Thieme, Stuttgart 1953.H. Meerwein, Spaltungsreaktionen der Äther, Methoden der <strong>organischen</strong> Chemie (Houben-Weyl -Müller), 4. Aufl., Band 6/3, S. 143, Thieme, Stuttgart 1965.R. L. Burwell jr., The Cleavage of Ethers, Chem. Rev. 54, 615 (1945).C. J. Pedersen und H. K. Frensdorff, Makrocyclische Polyäther und ihre Komplexe, Angew.Chem. 84, 16 (1972).J. J. Christensen, D. J. Etough und R. M. Izatt, The Synthesis and Ion Binding of SyntheticMultidentate Macrocyclic Compounds, Chem. Rev. 74, 351 (1974).K. Lübke, E. Schröder und G. Kloss, Chemie und Biochemie der Aminosäuren, Peptide undProteine, Teile l und 2, Georg Thieme Verlag, Stuttgart 1975.Th. Wieland, R. Müller, E. Niemann, L. Birkhofer, A. Schöberl, A. Wagner und H. Soll, Methodenzur Herstellung und Umwandlung von Aminosäuren und Derivaten, Methoden der <strong>organischen</strong>Chemie (Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl., Bd. 11/2, S. 269, Thieme, Stuttgart 1958.Th. Wieland, <strong>Die</strong> Trennung und Bestimmung der natürlichen Aminosäuren, Fortschr. Chem.Forsch./,211(1949).G. Spielberger, Ersatz von Halogen durch die Aminogruppe, Methoden der <strong>organischen</strong> Chemie(Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl., Bd. ////, S. 24, Thieme, Stuttgart 1957.J. Goerdeler, Herstellung von quartären Ammoniumverbindungen, Methoden der <strong>organischen</strong>Chemie (Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl., Bd. 11/2, S. 591, Thieme, Stuttgart 1958.K. Sasse, Quartäre Phosphoniumverbindungen, Phosphorbetaine, Phosphinalkylene und Pentaorgano-phosphorverbindungen,Methoden der <strong>organischen</strong> Chemie (Houben-Weyl-Müller),4. Aufl., Bd. 12/1, S. 79, Thieme, Stuttgart 1963.A. Schöberl und A. Wagner, Methoden zur Herstellung und Umwandlung von Mercaptanen undThiophenolen, Methoden der <strong>organischen</strong> Chemie (Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl., Bd. 9, S. 3,Thieme, Stuttgart 1955.A. Schöberl und A. Wagner, Methoden zur Herstellung und Umwandlung von Sulfiden (Thioäthern),Methoden der <strong>organischen</strong> Chemie (Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl., Bd. 9, S. 93, Thieme,Stuttgart 1955.J. Mancuso und D. Swern, Activated Dimethyl Sulfoxide: Useful Reagents of Synthesis, Synthesis1981, 165.H. G. Padeken, O. von Schick und A. Segnitz, Einführung einer Nitrogruppe in aliphatische Verbindungendurch Ersatz von anderen funktioneilen Gruppen, Methoden der <strong>organischen</strong> Chemie(Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl., Bd. 10/1, S. 46, Thieme, Stuttgart 1971.


Weiterführende Literatur zu Kapitel I 179N. Kornblum, The Synthesis of Aliphatic and Alicyclic Nitro Compounds, Org. React. 12, 101(1962).R. Stroh, Austausch von Wasserstoff gegen Chlor, Methoden der <strong>organischen</strong> Chemie (Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl., Bd. 5/3, S. 564, 735, Thieme Stuttgart 1962.A. Roedig, Einführung von Brom durch Austausch von Wasserstoff, Methoden der <strong>organischen</strong>Chemie (Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl., Bd. 5/4, S. 153, Thieme, Stuttgart 1960.J. Nelles, Substitutionen an aliphatischen Verbindungen, Neuere Methoden der präparativen<strong>organischen</strong> Chemie, Herausg. W. Foerst, 4. Aufl., Bd. /, S. 189, Verlag Chemie, Weinheim 1963.C. A. Bunton, Nucleophilic Substitution at a Saturated Carbon Atom, Eisevier 1963.A. Streitwieser jr., Solvolytic Displacement Reactions at Saturated Carbon Atoms, Chem. Rev.56, 571 (1956).H. Meerwein, Organische lonenreaktionen, Angew. Chem. 6 7, 374 (1955).A. J. Parker, The Use of Dipolar Aprotic Solvents in Organic Chemistry, Adv. Org. Chem. 5, l(1965).AJ. Parker, The Effects of Solvation on the Properties of Anions in Dipolar Aprotic Solvents,Quart. Rev. 16,163 (1962).A. J. Parker, Protic-Dipolar Aprotic Solvent Effects on Rates of Bimolecular Reactions, Chem.Rev. 69, l (1969).F. Madaule-Aubry, Le röle en chimie de certains solvants dipolaires aprotiques, Bull. Soc. Chim.Fr. 1966,1456.B. Tchoubar, Quelques aspects du röle <strong>des</strong> solvants en chimie organique, Bull. Soc. Chim. Fr.1964,2069.T. Durst, Dimethylsulfoxide (DMSO) in Organic Synthesis, Adv. Org. Chem. 6, 285 (1969).C. Agami, Le dimethylsulfoxyde en chimie organique, Bull. Soc. Chim. Fr. /965, 1021.H. Normant, Hexamethyl-phosphorsäuretriamid, Angew. Chem. 79, 1029 (1967).


II. Eliminierung und AdditionExperimente:Ethylen aus Ethanol oder 1,2-DibromethanCyclohexenVersuch: Baeyersche Probe und Entfärbung von Brom5 - Dimethylamino -1 - penten (Hofmann-Abbau)StyroldibromidAnlagerung von Bromwasserstoff an 10-Undecensäure. 10- und11-Bromundecansäure3 - Bromcyclohexen1,3-Cyclohexadien7,7'-Dichlorbicyclo[4.l.Ojheptan (Dichlornorcaran). Phasentransferverfahren<strong>Die</strong>ls-Alder ReaktionenBicyclo[2.2.2]oct-2-en-5,6-frawsHiicarbonsäure<strong>Die</strong>ls-Alder Reaktionera/0-2-Norbomen-5,6-dicarbonsäureanhydrid„Cyclopentadienchinon"3,6-Diphenyl-3,6-dihydrophthalsäure-dimethylesterPolymerisation <strong>des</strong> Styrolsa) Thermische und Radikal-initiierte Polymerisationb) Polymerisationsgrad und Initiatorkonzentrationc) Depolymerisation <strong>des</strong> Polystyrolsd) Kationische PolymerisationPhenylacetylenVinylacetatVersuch: PolyvinylacetatAcetophenon aus Phenylacetylen


II. Eliminierung und Additiondie C, C-Doppelbindung 183Eliminierungsreaktionen, Bildung der AlkeneEliminierung (Abspaltung) und Addition (Anlagerung) sind die typischen Reaktioneneinerseits zur Herstellung, andererseits zur Umwandlung der ungesättigten (weiladditionsfähigen) Alkene (Olefine) mit C=C-Bindung (Doppelbindung) und Alkinemit C=C-Bindung (Dreifachbindung).Nach dem cr,7i-Modell stellt je<strong>des</strong> Kohlenstoffatom im System /C=Cvon denvier Bindungselektronen nur drei für kovalente ^-Bindungen zur Verfügung; imSystem —C=C— sind es nur zwei. Dadurch entstehen für die Olefine je drei Bindungswinkelvon 120° und für die Alkine je zwei von 180°. <strong>Die</strong> /7-Orbitale der verbleibenden7i-Elektronen stehen senkrecht zu diesen cr-Bindungen. Sie können sichalso nur dann maximal überlappen und damit 7i-Bindungen bilden, wenn alle G-Bindungen der beteiligten beiden C-Atome in einer Ebene liegen. <strong>Die</strong> durch Verschmelzungder 7ü-Elektronen entstandenen bindenden MOs liegen daher bei denAlkenen oberhalb und unterhalb <strong>des</strong> (7-Bindungsgerüstes und umgeben bei denAlkinen (mit vier rc-Elektronen) die cr-Bindungsachse zylinderartig.EthylenAcetylen<strong>Die</strong>se Beschreibung setzt voraus, daß die Aufenthaltsräume von a- und rc-Elektronenpaarensich nicht überschneiden, was sicherlich nicht zutrifft. In Wirklichkeitkann man zwischen a- und rc-Bindung nicht unterscheiden. Dem läßt sich durchandere Modelle Rechnung tragen, bei den Modellen handelt es sich jedoch immernur um Bilder und Näherungen, die die Wirklichkeit nur bedingt beschreiben können.<strong>Die</strong> Verkürzung <strong>des</strong> Atomabstan<strong>des</strong> durch Mehrfachbindungen kann man gut aussolchen Modellen verstehen.Bindungssystem: C-C C=C C=CAtomabstand in pm: 154 134 1207i-Bindungen sind schwächer als cr-Bindungen. Gegenüber etwa 335 kJ/mol(80kcal/mol) für die Einzelbindung beträgt der Doppelbindungsanteil nur etwa


184 Kapitel II. Eliminierung und Addition250 kJ/mol (60 kcal/mol), insgesamt ist die Doppelbindung aber demzufolge mit etwa585 kJ/mol) viel stärker als die Einfachbindung.Alkene sind wegen ihrer Additionsfreudigkeit in der <strong>organischen</strong> Chemie wichtigeAusgangsstoffe für Synthesen. Zu ihrer Gewinnung spaltet man in den meisten Fällenumgekehrt zwei geeignete Substituenten von benachbarten C-Atomen ab (ß-Eliminierung).<strong>Die</strong> partielle Hydrierung von Alkinen wird seltener für die Darstellung derAlkene benutzt. Wichtig ist jedoch auch die direkte Verknüpfung von C-Atomen inKondensations- und Wittig-Reaktionen (siehe Kapitel VI-DC).Für die jS-Eliminierung sind vor allem folgende Gruppierungen geeignet:I I—C—C— + H + oder Lewis-Säure >•I IH OHI I—C—C— oderI l—C—C— + Base >I lH OTosI lH HaII l I l—C—C— oder —C—C— + Base >I l I lH + N(CH 3 ) 3 H + S(CH 3 ) 2_ p \* _\*p _I IH O Pyrolyse (-COS, -RSH)R-S-C=S— C— C— + Metall (z. B. Zn)HaIHaI—C—C— Crackung >IIH HBei der Wasserabspaltung aus Alkoholen mit Säuren wird im ersten Schritt einProton oder eine Lewis-Säure an den Sauerstoff addiert, der dadurch zu einem besserenNucleofug wird. Im allgemeinen wird die Eliminierung dann durch Bildung einesCarbeniumions eingeleitet, das im zweiten, rascheren Schritt ein jS-ständiges Protonan das Lösungsmittel abgibt. <strong>Die</strong>se Eliminierung ist also eine Reaktion erster Ordnung,eine E l-Reaktion. Der angegebene Mechanismus folgt unter anderem daraus,daß die beobachteten Reaktionsgeschwindigkeiten in der Reihe /c(ter/-Alkohol)>k (sec-Alkohol) > /c(pr/m-Alkohol) abnehmen, also entsprechend der Leichtigkeit,mit der sich die Carbeniumionen bilden und daraus, daß Umlagerungen eintreten,wenn diese von den entsprechenden Carbeniumionen zu erwarten wären.


Ethylen aus Ethanol 185— C— C—_C_Q_ (langsam)^ _Q_Q_ (rasch)(rasch) | | H ^ | + -H + / \H OH H + OH 2 HEthylen aus Ethanol oder 1,2-DibromethanC 2 H 5 OHH ;f° 4 > (C 2 H 5 OSO 3 H) > C 2 H 4 + H 2 SO 4BrCH 2 CH 2 Bra) Mit konzentrierter Schwefelsäure: Ein 2-1-Dreihalskolben, der im Abzug im Ölbadmontiert ist, trägt in einem Tubus ein Thermometer, das fast bis zum Boden reicht, imzweiten Tubus einen Tropftrichter mit Druckausgleich und ist über den dritten Tubusmit folgenden hintereinander geschalteten Durchströmgefäßen verbunden: eine in Eis-Wasser gekühlte Waschflasche mit konz. Schwefelsäure (zur Entfernung von Alkoholund Ether), eine (zur Entfernung von SO 2 ) mit 4N Natronlauge beschickte dreifachtubulierte Sicherheitswaschflasche, in deren mittlerem Tubus ein 50 cm langes Steigrohrsteckt, zwei je 15 ml Brom (47 g) enthaltende, ebenfalls in Eis-Wasser stehendeWaschflaschen, in denen das Brom mit je einer 1 cm hohen Wasserschicht überdecktist und — zur Absorption nicht gebundenen Broms — eine 0,5-1-Saugflasche mit 100 ml2N Natronlauge, über deren Oberfläche das Endrohr, durch einen durchlochten Stopfeneingeführt, mündet. Im Kolben wird eine frisch bereitete und am besten noch warmeMischung von 17g (2OmI) Ethanol und 10Og (5OmI) konz. Schwefelsäure unterZusatz von 40-50 g Quarzsand auf 16O 0 C erhitzt. Im Tropftrichter befindet sich dieMischung von 130 ml (ca. 100 g) Ethanol und 115 ml (ca. 200 g) konz. Schwefelsäure.Sobald eine lebhafte Entwicklung <strong>des</strong> Ethylens eingetreten ist, läßt man das Gemischaus dem Tropftrichter zutropfen (bei immer gleicher Temperatur), in dem Tempo, daßsich ohne starkes Aufschäumen ein regelmäßiger Gasstrom entwickelt. Sobald dasBrom in den Absorptionsflaschen entfärbt ist, nach etwa 2 h, schüttelt man das rohe1,2-Dibromethan im Scheidetrichter mit Wasser und Natronlauge aus bis es farblos ist,trocknet es mit CaCI 2 und <strong>des</strong>tilliert es. Man erhält 85-10Og vom Sdp. 130 0 C/760 Torr.b) Mit Polyphosphorsäure: 100 g der handelsüblichen syrupösen Phosphorsäurewerden durch Erhitzen bis auf 22O 0 C in einer Porzellanschale unter dauerndem Rührenmit einem Glasstab weiter entwässert. Man füllt die Polyphosphorsäure kalt in einenkleineren, wie voranstehend, aber besser im Sandbad, montierten Dreihalskolben undläßt bei 210-22O 0 C den Alkohol Tropfen auf Tropfen einfallen. Hier genügt es, zurAbsorption von Alkoholdämpfen eine mit gesättigter wässeriger Calciumchloridlösung beschickteWaschflasche vor die Bromgefäße zu schalten. Der Alkoholbedarf ist bei dieserEthylenherstellung bedeutend geringer als bei der ersten Methode, wo infolge derOxidation durch die Schwefelsäure ein Teil <strong>des</strong> Alkohols verloren geht.Sehr reines Ethylen erhält man durch Eliminierung <strong>des</strong> Broms aus 1,2-Dibromethanmit Zinkstaub.BrCH 2 CH 2 BrZ " > CH 2 =CH 2 + ZnBr 2


186 Kapitel II. Eliminierung und Additionc) Ethylen aus 1,2-Dibromethan: 48g 1,2-Dibromethan (ca. 0,25 mol) werden beiRaumtemperatur unter gutem Rühren in die Suspension von 25g Zinkstaub (etwa1,5-g-Atome) in einem Gemisch von 100 ml Alkohol und 40 g Eisessig (38 ml) eingetropft.Das entstehende Gas wird in einem Gasometer über Wasser aufgefangen. Es entstehenetwa 5 I.Cyclohexen-HH --H 2 OIn einer Destillationsapparatur werden 100 g (1,0 mol, 107 ml) Cyclohexanol und80g (ca. 0,6 mol) Kaliumhydrogensulfat auf 13O 0 C (Ölbadtemperatur) erhitzt. Dabei<strong>des</strong>tilliert innerhalb 4—5 h Cyclohexen über. Das Destillat wird mit Natriumchlorid versetzt,bis sich nichts mehr löst, dann das Cyclohexen im Scheidetrichter abgetrennt, mitwenig Calciumchlorid getrocknet und über eine kleine Vigreux-Kolonne fraktionierend<strong>des</strong>tilliert. Man erhält 66g (80%) Cyclohexen mit Sdp. 84 0 C.Versuch: Baeyer'sche Probe und Entfärbung von Brom — Einige Tropfen Cyclohexenwerden in wenig kaltem Alkohol gelöst. Dazu gibt man einige Tropfen Natriumcarbonatlösungund wenig verdünnte Lösung von Kaliumpermanganat. - In die Lösungvon wenig Cyclohexen in Chloroform läßt man im Reagenzglas eine verdünnteLösung von Brom in Chloroform tropfen, die rasch entfärbt wird.Im Falle der Schwefelsäure, wie sie bei der Herstellung von Ethylen aus Ethanolbenutzt wird (siehe S. 185), muß - vielleicht ausschließlich - eine primäre Veresterungangenommen werden. Das Monoalkylsulfat zerfällt bei höherer Temperatur wie dasOxoniumion zum Carbeniumion. In einer Nebenreaktion alkyliert es einen Teil <strong>des</strong>Alkohols zum Ether (siehe S. 151).RCH 2 CH 2 OH + H 2 SO 4 —> H 2 O + RCH 2 CH 2 OSO 3 H —* RCH=CH 2 + H 2 SO 4<strong>Die</strong> in der Technik angewendete Dehydratisierung von Alkoholen bei 30O 0 C anKontakten wie Aluminiumoxid kann auch als die Wirkung einer Lewis-Säure verstandenwerden.<strong>Die</strong> jS-Eliminierung von Halogenwasserstoff zur Gewinnung von Olefinen aus geeignetenAlkylhalogeniden und die von Sulfonsäuren aus deren Estern, zum Beispielden /7-Toluolsulfonaten wird durch Basen ausgelöst. <strong>Die</strong> Base tritt dabei mit einemProton an dem zum Halogen oder Sulfat benachbarten Kohlenstoff in Reaktion. ImÜbergangszustand wird die negative Ladung über fünf Atome delokalisiert, dannspaltet sich das Halogen- bzw. Sulfat als Anion ab. <strong>Die</strong> Reaktionsgeschwindigkeit istin den meisten Fällen von der Konzentration der Base und der <strong>des</strong> Substrats abhängigentsprechend einer Reaktion zweiter Ordnung, man nennt diesen Reaktionstyp


Eliminierungsmechanismen 187E2-Eliminierung. <strong>Die</strong> E2-Reaktionen sind stets von einer Substitution (S N 2-Reaktion)der Base am Halogen-tragenden C-Atom begleitet. Da deren Geschwindigkeitvon der Nucleophilie (Angriff auf den elektrophilen Kohlenstoff; siehe S. 168), dieder Eliminierung aber von der Basizität (Angriff auf das Proton) abhängt, benutztman zur Olefinsynthese möglichst starke Basen, zum Beispiel OH~ oder RO~; tert-Butylat eignet sich wegen seiner Sperrigkeit besonders gut zur jS-Eliminierung. Auchdas raumfüllende Ethyldiisopropylamin (Hünig-Base) oder Lithiumdialkylamide(siehe S. 434) nutzen die Diskrepanz zwischen Nucleophil und Base. - Da die Eliminierunggegenüber der Substitution thermodynamisch und kinetisch benachteiligtist - sie führt zu einem energiereicheren Produkt - tritt sie bei höherer Temperaturstärker in Erscheinung. Deshalb arbeitet man hier vorteilhaft in der Hitze.HO---- H HH HO--- H HHH .Cl H' ClHO + Cl2Der postulierte Übergangszustand A kann sich leichter ausbilden, wenn die beteiligtenAtome (B, H, C, C, X) möglichst spannungsfrei in einer Ebene liegen. Dasbedeutet, daß der zur Abgangsgruppe trans-koplanar stehende Wasserstoff herausgelöstwird. Ein eryfAro-Diastereomer (Verbindung mit zwei benachbarten chiralenZentren, an denen in der Fischer-Projektion gleiche oder einander ähnliche Substituentenauf derselben Seite der Projektionsformel stehen) wird daher bei der E 2-Reaktion ganz bevorzugt ein ds-Olefin geben, umgekehrt ein f/zreo-Diastereomer eintrans-Oleftn. Es muß jedoch darauf hingewiesen werden, daß die Begriffe „erythro"und „threo", sowie „eis" und „trans" nur unter gewissen konstitutiven Voraussetzungeneindeutig sind, man verlasse sich daher nur auf die graphische Darstellung vonStereoformeln, für welche im folgenden auch die Projektion nach Newman wiedergegebenist:erythro- VerbindungCH 3H-H-CH 3Fischer-ProjektionÜbergangskonformation und c/s-Olefinin der Newman-DarstellungH* H CH ^H*^H CHV P^^ ^ B~ \ _f^ 3 Q>H 5"//,, „»»»»»^f* LJ /\ f*t I AYUMoLHo.


188 Kapitel II. Eliminierung und Additionthreo- VerbindungCH 3H--H-X-HXFischer-ProjektionCH 3Übergangskonformation undin der Newman- Darstellung- OlefinHC 6 H 5ru;c-crCH 3 -V. \CH 3'"«„ r _^^^L — VC 6 H 5^trans,„..' H^CH 3Für die ebenfalls durch Basen bewirkte Eliminierung von terf-Aminen (meistensTrimethylamin beim Erhitzen der quart. Ammoniumhydroxide, vgl. jedoch dasBeispiel S. 189), Hofmann-Reaktion genannt, und die analoge Abspaltung von Dialkylsulfidaus ter/-Sulfoniumhydroxiden gilt der gleiche Mechanismus. <strong>Die</strong> Produktekönnen sich jedoch je nach der Natur der eliminierten Gruppen, durch die Lage dererzeugten Doppelbindung unterscheiden. Während sich bei der Abspaltung derrelativ kleinen Halogenidionen vorzugsweise das thermodynamisch stabilere Olefinmit den meisten Alkylgruppen an den beiden Seiten der Doppelbindung bildet(Regel von Saytzew), findet man bei thermischer Zersetzung der Onium-hydroxideoder -alkoxide bevorzugt das thermodynamisch weniger stabile Olefin mit der H-reichsten Substitution (Regel von Hofmann).Saytzew:H H HI I IH 3 C-C-C-C-HI I IH Br HH 3 C-CH=CH-CH 3 + H 3 C-CH 2 -CH=CH 281% 19%Hofmann:H H HI I IH 3 C-C-C-C-HI IH I H+ S(CH3 )3^2C 2 H 5 O-H = bevorzugt abspaltbares Proton26% 74%Da Alkylgruppen durch den -h !-Effekt (siehe S. 172) ein Olefin mehr stabilisierenals H-Atome, ist beim 2-Brombutan der das 2-Alken (Saytzew-Produkt) bildendeÜbergangszustand thermodynamisch begünstigt. In den OniumVerbindungen unterscheidensich die H-Atome an den benachbarten C-Atomen ein wenig in ihrer


Hofmann-Abbau und Tschugaew-Reaktion 189Acidität: Der Methylwasserstoff der 2-SulfoniumVerbindung (oder 2-Ammoniumverbindung)ist leichter eliminierbar als der Methylenwasserstoff.5-Dimethylamino-1-penten (Hofmann-Abbau)CH 3^H 3 CH 3 Vn 3 CH 3CH3a) Bereitung <strong>des</strong> Ag 2 O: Man wärmt die Lösung von 7 g Silbernitrat (0,041 mol) in70 ml <strong>des</strong>tilliertem Wasser im Wasserbad auf ca. 85 0 C vor und gibt portionsweise dieauf die gleiche Temperatur gebrachte Lösung von 1,6g Natriumhydroxid in 70 ml <strong>des</strong>tilliertemWasser hinzu. Anschließend dekantiert man vom ausgeschiedenen Silberoxidund wäscht dieses mit 5 Portionen <strong>des</strong>tilliertem Wasser durch Umschwenken und nachfolgen<strong>des</strong>Dekantieren. Für den Hofmann-Abbau braucht das Produkt nicht getrocknetzu werden, jedoch sollte es erst unmittelbar vor Benutzung hergestellt werden.b) 5-Dimethylamino-1 -penten: Man gibt die Lösung von 5,0 g (0,021 mol) Dimetbylpiperidiniumiodidin 56 ml Wasser und 7 ml Methanol zu dem obenbeschriebenenSilberoxid und rührt 1 h. Dann filtriert man, dampft das Filtrat am Rotationsverdampferein und trocknet das ölige Dimethylpiperidiniumhydroxid einige Zeit im Ölpumpenvakuum.Zum Abbau wird der Rückstand auf 150 bis 22O 0 C erwärmt und das Produktdabei in einem Kugelrohr aufgefangen. Es wird mit festem Kaliumhydroxid versetzt,nach einigem Stehen wird die wässerige Phase mit einer feinen Pipette abgezogen. <strong>Die</strong>organische Phase wird abermals mit Kaliumhydroxid getrocknet und bei 15O 0 C Badtemperaturin ein Kugelrohr <strong>des</strong>tilliert, Ausbeute 1,87 g (79% der Theorie).<strong>Die</strong> Pyrolyse von Estern (in der Tabelle auf S. 184 am Beispiel der Zersetzung vonXanthogenaten nach Tschugaew aufgeführt) ist eine Reaktion, bei der Lösung undBildung von Bindungen synchron ablaufen. Da hierbei zwei c/s-ständige Gruppeneliminiert werden, erhält man aus //zm?-Diastereomeren eis- und aus erythro-Diastereomerentrans-Oleftne mit der oben bezüglich der Definitionen gegebenen Einschränkung.H aC%, / ^^^H 3C\ /C 6H 5CH^T 65 Nl -- Il + RSH -h COS,C^-^C — SR^C^H 3 CV O H 3 C^ ^HHthreoeis<strong>Die</strong> viel verwendete Dehalogenierung vicinaler Dihalogenverbindungen mit Metallen(meist Zink) in Säuren (meist Eisessig) (Präp. S. 186) ist, als heterogene Reaktion,in ihrem Mechanismus nicht exakt zu beschreiben. Sie verläuft vielleicht überein (nicht nachgewiesenes) Anion.


190 Kapitel II. Eliminierung und Addition__ . _-Haf * / C "" C \Unter besonders milden Bedingungen erreicht man die Eliminierung zweier benachbarterBromatome oder eines Brom- und eines Acylrestes mit lodid.F +BrVx /s \ /.C-*- C - ^ IBr + C = C -h X~X = Brom oder AcylDer Ausbau von Alkenen aus Aldehyden oder Ketonen gelingt durch Addition vonCarbanionen, deren C-Atom geeignete Heteroatom-Reste (X) trägt. <strong>Die</strong>se müsseninfolge ausgeprägter Affinität zum Sauerstoff die durch die Aufrichtung <strong>des</strong> Carbonylsentstandene Carbinolatgruppe eliminierend mit sich nehmen.O X O - XII Ie VA \ /_C + :C— - > — C— C— - > C=C + X-O-X= P(R) 3 , O=PR 2 , O=P(OR) 2 Si(AIk) 3 , B(AIk) 2 , O=S-N(AIK) 2<strong>Die</strong> bekannteste Olefinierungsreaktion dürfte die nach G. Wittig sein (siehe S. 455),bei der ein Phosphoniumylid eingesetzt wird. Phosphanoxid- oder Phosphonsäureester-Gruppen(nach L. Horner), Trialkylsilylreste (D. J. Peterson), Dialkylborylreste(Cainelli) und Sulfinamidreste (Corey-Durst) leisten ähnliche <strong>Die</strong>nste.AdditionsreaktionenAllgemeinesBei der Addition an die C=C-Bindung lagern sich im allgemeinen zunächst elektrophilePartner an.Dem Primär schritt, der zu einem Carbeniumion führt, folgt sofort die Kombinationmit einem nucleophilen Teilchen, meistens dem anionischen Teil <strong>des</strong> Reagenses.Im folgenden Schema sind nur einige typische Additionen schematisch zusammengestellt:


Stereo- und Regioselektivität der Addition 191C=C -i- Cl 2 oder Br 2+ H—HaI+ H 2 O (in Gegenwart von H + )HOH+ HOCI (als Cl + und OH ~) >I I—C—C—Cl OH+ R—H (als R + und H-) >I I—C—C—RHDa die Addition von Brom an Fumarsäure oder Maleinsäure einheitlich meso-Dibrombernsteinsäure bzw. rac-Dibrombernsteinsäure liefert, müssen sich Br + undBr~ schrittweise von verschiedenen Seiten her an die Doppelbindung angelagert haben.<strong>Die</strong>se Addition hat man für die meisten elektrophilen Additionen anzunehmen.Als Zwischenprodukt bei der Addition von Brom postuliert man das Bromoniumion,in welchem die ursprünglich im Olefin vorhandene Anordnung der Substituenten erhaltengeblieben ist. Bei einem freien Carbeniumion würde nach Drehung um dieC—C-Achse die nachfolgende trans-Addition von Br" auch die diastereomere Dibrombernsteinsäuregeben. Analoge Ionen können auch als Zwischenstufen bei anderenAdditionen in Frage kommen.CO 2 HiHO 2 C H HO 2 C. H Br ; H ßr-C-H'C X /C X V C X IH + Br + > Br + | +,Br" > \ = Br-C—Hr ^P-*—-"" " P•• \ • \ / \C ° 2 HH* CO2H H CO2 H2 1HO 2-C H1Brmeso- Di brom-Fumarsäurebernsteinsäure2H<strong>Die</strong> Addition <strong>des</strong> Elektrophils an eine Doppelbindung ist der langsame, geschwindigkeitsbestimmendeReaktionsschritt. Wenn ein Olefin unsymmetrisch substituiertist, wie z. B. Propen, so bestimmt die Stabilität <strong>des</strong> im ersten Schritt gebildeten Carbeniumionsdie Richtung (Regioselektivität) der Addition. Im Beispiel <strong>des</strong> Propensist das sekundäre Carbeniumion (oben) durch den +!-Effekt zweier Alkylsubstituentenstärker stabilisiert als das ebenfalls denkbare primäre Carbeniumion (unten),das nur durch den induktiven Effekt einer Alkylgruppe stabilisiert wäre. So erklärt


192 Kapitel II. Eliminierung und Additionsich die als Regel von Markownikow bekannte Tatsache, daß bei der Addition von+ J-Qr-+BrH 3 C-CH-CH 3H 3 C-CH=CH 2> H^C-CH-CH 3H 3C*—C H o—C H 2Säuren und anderen Elektrophilen deren Anion an das wasserstoffarmere Kohlenstoffatomeiner Doppelbindung angelagert wird. Wasser addiert sich zu Isopropylalkohol,unterchlorige Säure überwiegend zu l-Chlor-2-propanol an Propen.Styroldibromid (1 ,2 -Dibromethylbenzol)C 6 H 5 -CH=CH 2 -5l2->C 6 H 5 CHBrCH 2 BrUnter dem Abzug (Vorsicht; das Produkt reizt die Haut!) wird die Lösung von 24 ml(0,2OmI) Styrol in 10OmI Tetrachlorkohlenstoff auf O 0 C gekühlt und unter Rührentropfenweise mit 10,2 ml (0,20 mol) Brom versetzt, wobei das Styroldibromid allmählichausfällt. Der Tetrachlorkohlenstoff wird ab<strong>des</strong>tilliert und der Rückstand auf dem Tontellergetrocknet. Ausbeute 50,6g (95%) Styroldibromid. Das Produkt schmilzt nachUmkristallisieren aus 90proz. Ethanol bei 72-73 0 C.Anlagerung von Brom Wasserstoff an 10-Undecensäure—* CH 3 CHBr-(CH 2 ) 8 —CO 2 HH 2 C=CH-(CH 2 )O-CO 2 H + HBrIC^~~-—> BrCH2 -CH 2 -(CH 2 J 8 -CO 2 Ha) Entwicklung von HBr: In einem Destillierkolben mit aufgesetztem Tropftrichter werden50 g trockenes Tetralin vorgelegt. An das absteigende Rohr wird eine leere Waschflascheangeschlossen, und an diese das Reaktionsgefäß. Man erhitzt das Tetralin zumschwachen Sieden und tropft Brom hinzu, bis die Bromwasserstoffentwicklung richtigin Gang kommt. Sie läßt sich dann sehr gut durch die Zutropfgeschwindigkeit regulierenund kann durch Abstellen der Heizung jederzeit völlig unterbrochen werden. Mit dervorgelegten Menge Tetralin können 60g Brom zur Reaktion gebracht werden, wovonüber 80% zu HBr umgesetzt werden.b) 10-Bromundecansäure: 15 g 10-Undecensäure (frisch <strong>des</strong>tilliert, um Peroxide auszuschließen)werden mit 7,5ml Eisessig vermischt. Unter Eiskühlung leitet man HBr-Gas ein, bis keine Aufnahme mehr erfolgt. <strong>Die</strong> Mischung bleibt über Nacht im Eisbadstehen. Danach schüttelt man mit etwa der doppelten Menge Eisstückchen durch undsaugt kalt ab. Nach Trocknung im Vakuum über konz. Schwefelsäure wird die rohe 10-Bromundecansäure in 30 ml Petrolether (Sdp. 30-6O 0 C) gelöst, die Lösung filtriert und(zum Beispiel mit Trockeneis Methylenchlorid) auf -4O 0 C abgekühlt, wobei die Säureauskristallisiert. Dann wird über eine vorgekühlte Nutsche abgesaugt und mit wenig


Additionsreaktionen 193tiefgekühltem Petrolether nachgewaschen. Man trocknet im Vakuum über Paraffinschnitzeln.<strong>Die</strong> Ausbeute beträgt 14g, (65%) 10-Bromundecansäure mit Schmp. 35 bis36 0 C (oberhalb dieser Temperatur wird HBr abgespalten).c) 11-Bromundecansäure: In einem Vierhalskolben mit Rührer und zwei Gaseinleitungsrohren,von denen das eine bis zum Boden und das andere nur eben in den Kolbenhineinreicht, sowie einem Gasableitungsrohr werden 25 g rohe Undecensäure in 1-75 mlPetrolether (Sdp. 60-8O 0 C) gelöst. Unter kräftigem Rühren leitet man mit Hilfe einesGebläses einen schwachen Luftstrom in die Lösung und gleichzeitig HBr in kräftigemStrom über die Lösung. Nach etwa 45 min setzt Kristallisation ein; nach insgesamt 2 hist die Reaktion beendet. Es wird auf -2O 0 C abgekühlt und abgesaugt. <strong>Die</strong> Rohausbeutebeträgt 24g. Zur Reinigung wird aus 15OmI Petrolether (Sdp. 30— 6O 0 C) unter Zusatzvon Aktivkohle umkristallisiert, wobei ebenfalls auf -2O 0 C abgekühlt werden muß. Manerhält 19g (53%) 11-Bromundecansäure als farblose, glänzende Blättchen mit Schmp.49-5O 0 C.<strong>Die</strong> Anlagerung von HBr an 10-Undecensäure führt zu 10-Bromundecansäure. InGegenwart von Radikalerzeugern wie zum Beispiel Sauerstoff bildet sich jedoch auch11-Bromundecansäure. Bei dieser Radikalreaktion nach Kharasch wird primär einaus HBr erzeugtes Bromatom an 10-Undecensäure angelagert und zwar bevorzugtso, daß das stabilere und sterisch leichter zugängliche sekundäre Radikal entsteht.<strong>Die</strong>ses erzeugt mit HBr unter eigener Absättigung ein neues Bromatom, das dieRadikalkettenreaktion fortsetzt (vergleiche S. 175).Startradikal + HBr — > Br'HOOC-(CH 2 J 8 - CH=CH 2 + Br'HOOC- (CH 2 ) 8 — CH-CH 2 Br + HBr — >usw.— > HOOC- (CH 2 ) 8 — CH-CH 2 BrHOOC-(CH 2 J 8 -CH 2 -CH 2 Br + Br<strong>Die</strong> Oxidation der Alkene mit Kaliumpermanganat, die unter Entfärbung zu GIykolenführt (Baeyersche Probe zum Nachweis von Olefinen) ist auf S. 186 erwähnt,die mit Ozon auf S. 500. Dabei handelt es sich, wie auch bei der Glykolbildung durchOsmiumtetraoxid im ersten Schritt um eine c/s-Addition unter Bildung cyclischerAdditionsprodukte./ \ X= MnO 2 - -, O oder OsO 2O OZum Dreiring führt die Addion <strong>des</strong> aus Chloroform mit Alkali erzeugten Dichlorcarbens,siehe S. 200.Auch die Anlagerung von Boran, die Hydroborierung, verläuft regiospezifisch zuprimären Alkylboranen und stereospezifisch als cis-Addition (H. C. Brown). Ausgehendvon einfachen Olefinen führt sie in 3 Schritten zur Trialkylboranen, aus denen


194 Kapitel II. Eliminierung und Additiondurch Oxidation mit H 2 O 2 Alkohole entstehen (siehe S. 541). Propen liefert so inscheinbarem Gegensatz zur Marko wnikow-Regel n-Propanol.H 2 C=CH-CH,3> H 5 B-CH 9 -CH 2 -CHB(CH 2 -CH 2 -CH 3 J 3 +H2 ° 2 > B(OH) 3 + 3HO-CH 2 -CH 2 -CH 3<strong>Die</strong> Entdeckung, daß sich Aluminiumhydrid an a-Olefine addiert, hat zur Entwicklungder Niederdruckpolymerisation von Ethylen und Propylen durch K. Zieglergeführt.Starke Säuren wie etwa H[AlCl 4 ] aus AlCl 3 + HCl machen Olefine zu Alkylierungsmittelnfür Aromaten. Ihr Proton addiert sich, und es entstehen elektrophileCarbeniumionen (siehe S. 267). <strong>Die</strong> hohe Bildungstendenz <strong>des</strong> terf-Butylkations ermöglichtdie Gewinnung <strong>des</strong> wertvollen Treibstoffs 2,2,4 -Trimethylpen tan aus gleichenTeilen Isobuten und Isobutan. Das aus Isobuten und Säure entstandene tert-Butyliumion vereinigt sich mit Isobuten zum 1,1,3,3-Tetramethylbutyliumion. <strong>Die</strong>sesentzieht dem Isobutan ein Hydridion, und das zurückbleibende tert-Butyliumion setztdie Kettenreaktion weiter fort. - An die der Friedel-Crafts-Reaktion ähnliche Additionvon Alkylhalogeniden an Alkene, die auf S. 267 erwähnt ist, sei hier erinnert.C»H 3 OH 3 LrH 3 LfH 3 L»H 32H 2 C=C + H + — > H 3 C-C + + H 2 C=C — > H 3 C-C-CH 2 -C +I I I I lL»H 3 LfH 3 OH 3 OH 3 OH 3CH 3 CH 3 CH 3 CH 3I I l I+ H 3 C-CH — > H 3 C-C-CH 2 -CH-CH 3 + H 3 C-C +Technisch wichtig ist auch die Hydroformylierung der Olefine, bei der mit Kohlenmonoxidund Wasserstoff (über Kobalttetracarbonylwasserstoff) Aldehyde entstehen.Weitere Hydrierung liefert Alkohole.O\=C/ + CO + 2 HC ° (CO) * , H-C-C-cf/ \ I I \ HAlkene und Alkine können, besonders mit Übergangsmetallen, Komplexe bilden.Beispiele hierfür sind: K[Pt(CH 2 =CH 2 )Cl 3 ], Ni(CH 2 =CH 2 ) 3 und Ni[(C 6 H 5 ) 3 P] 2[CH 3 C=CCH 3 ]. Auf Ag + - imprägnierten Dünnschichten lassen sich Olefine vonParaffinen chromatographisch trennen, meist auch verschiedene Olefine untereinander.Durch nucleophilen Angriff eingeleitete Additionen sind nur bei Systemen möglich,deren C=C-Bindung stark an Elektronen verarmt ist, wie zum Beispiel a, ß-


konjugierte Doppelbindungen 195ungesättigte Carbonylverbindungen (siehe hierzu Michael-Addition, S. 423 undnucleophile Polymerisation, S. 211).\ l l \+ l I -C=C-C=O ~ C-C=C-O<strong>Die</strong> angeregte Carbonylverbindung kann sich ebenfalls an die C=C-Bindung anlagerni'Benzophenon und 2-Methyl-l-propen geben bei Belichtung 3,3-Dimethyl-2,2-diphenyloxiran(Paterno-Büchi-Reaktion).H 3 CC=CHH 3 C (H 3 C) 2 C-CH 2 H 3 C-C-CH 2+- > I -* ' '(H 5 Ce) 2 C-O H 5 C 6 -C-OC=OIu^H 5 C 6<strong>Die</strong> Photodimerisation der kristallinen Zimtsäure wird auf S. 207 erwähnt. AufS. 385 wird die präparativ-photochemische Umsetzung von Aceton und Isopropylalkoholzu Pinakol beschrieben.Das Verhalten von Verbindungen mit mehreren C=C-Bindungen ist entscheidendvon der Lage dieser Doppelbindungen zueinander abhängig:Bei Verbindungen mit isolierten Doppelbindungen - also solchen, zwischen denenmin<strong>des</strong>tens zwei Einzelbindungen stehen — reagiert jede unabhängig von den anderenwie die eines Monoolefins.Verbindungen mit kumulierten Doppelbindungen — also solchen, die unmittelbaraneinanderstoßen - (Kumulene, Allene) haben die Tendenz zu polymerisieren oderzu Alkinen zu isomerisieren; sie sind von theoretischem und beschränkt praktischemInteresse.Verbindungen mit konjugierten Doppelbindungen - also solchen, die durch eineeinzige Einfachbindung voneinander getrennt sind - unterscheiden sich sowohlchemisch als auch physikalisch in vieler Hinsicht von den Monoolefinen; konjugierteDoppelbindungen müssen als ein geschlossenes System betrachtet werden (dieAromaten sind dafür ein extremes Beispiel, S. 222ff.).Beim 1,3-Butadien, der einfachsten Verbindung mit konjugierten Doppelbindungen,sind im Grundzustand die beiden unteren MOs durch je zwei Elektronen mitantiparallelem Spin besetzt.<strong>Die</strong> C—C-Bindung zwischen C-2 und C-3 hat wegen partieller Überlappung derkonjugierten 7i-Elektronen selbst Doppelbindungscharakter. <strong>Die</strong> Delokalisierung derTt-Elektronen macht deutlich, daß bei Additionsreaktionen außer der normalen 1,2-Addition eine 1,4-Addition möglich ist, die zur Hauptreaktion werden kann. Tatsäch-


196 Kapitel II. Eliminierung und Additionlieh entstehen aus l mol 1,3-Butadien mit l mol Brom neben l,2-Dibrom-3-buten bei- 15 0 C zu 50% und bei 6O 0 C zu 90% l,4-Dibrom-2-buten.<strong>Die</strong> Additionsfreudigkeit von Elektrophilen an konjugierte Systeme ist im allgemeinengrößer als die an isolierte Doppelbindungen, weil das dabei primär gebildeteCarbeniumion durch die Allylmesomerie (siehe unten) stabilisiert ist.E— C— CH- CH- CI \Cyclooligomerisierung von 1,3-Butadien1,3-Butadien kann zu cis,cis-(oder lZ,5Z)-l,5-Cyclooctadien cyclodimerisiert werden.Während die rein thermische Durchführung dieser Reaktion bei 27O 0 C (Ziegler1954) unbefriedigend verläuft, erhält man unter der katalytischen Einwirkung bestimmterNi(0)-Komplexe das cyclische <strong>Die</strong>n bei 8O 0 C in sehr guter Ausbeute(Wilke 1963). Andere Ni(0)-Komplexe oder Ziegler-Katalysatoren lenken die Reaktionin die Richtung einer Cylotrimerisierung, die mit guten Ausbeuten cisjrans.trans-(oder lZ,5E,9Z)-l,5,9-Cyclododecatrien ergibt.Bemerkenswert an diesen Reaktionen ist, daß sie nicht der üblichen Erschwernisbei der Darstellung mittelgroßer Ringe unterliegen. <strong>Die</strong> Darstellung <strong>des</strong> 1,5,9-Cyclododecatrienswird in industriellem Maßstab betrieben.AllylbromierungKohlenstoffatome in Allylstellung eines Olefins (also in Nachbarstellung zur C=C-Bindung) zeichnen sich durch erhöhte Reaktivität aus. Unter Radikal-liefernden Bedingungen(hohe Temperatur, Licht) läßt sich allylständiger Wasserstoff, zum Beispieldurch Halogen, substituieren. 2-Propenylchlorid (Allylchlorid) entsteht ausPropen mit Chlor bei 50O 0 C Zur Reaktion mit Sauerstoff siehe auf S. 471.


Allylbromierung 1973- BromcyclohexenOIlOIlH 2 2L / NH " 1^ H 2 2 L / NBrIlO . OIla) /V-Bromsuccinimid: In die kalte Lösung von 20g (0,50 mol) festem Natriumhydroxidin 10OmI Wasser werden 50g (0,51 mol) Succinimid eingetragen. Nach völliger Auflösungwerden 10Og fein gemahlenes Eis zugegeben und unter möglichst kräftigemRühren auf einmal 27 ml (0,53 rnmol, 85g) Brom eingegossen; das A/-Bromsuccinimidfällt sofort als dicker Brei aus. Es wird noch 10 min gerührt, das Produkt scharf abgesaugtund dadurch von ungebundenem Brom befreit, daß man es 1 - bis 2mal mit möglichstwenig Wasser in einer Reibschale anteigt und scharf absaugt. Nach Trocknen imExsikkator erst über NaOH, dann über P 2 O 5 erhält man 67-72 g (75-80%) /V-Bromsuccinimid,das bei 170-172 0 C unter Zersetzung schmilzt.OOIlBrlOIlC \ f^\ . H 2 C^C\NBr — L U + 1 NHb) 3-Bromcyclohexen: In einer Rückflußapparatur wird die Mischung aus 75 mlTetrachlorkohlenstoff, 18,3g (0,1 mol aktives Brom) /V-Bromsuccinimid und 51,5ml(0,50 mol, 41 g) Cyclohexen zum Sieden erhitzt. Nach etwa 20 min ist die Reaktion beendet,was daran zu erkennen ist, daß anstelle <strong>des</strong> am Boden liegenden /V-BromsuccinimidsSuccinimid auf der Oberfläche der Lösung schwimmt. Nach Abkühlen wird übereine Nutsche abgesaugt. Über eine Kolonne wird zunächst bei Normaldruck das Lösungsmittelab<strong>des</strong>tilliert, dann im Vakuum der Wasserstrahlpumpe fraktionierend <strong>des</strong>tilliert.Im Siedebereich 70-72 0 C; 20 Torr gehen 13g (79%) 3-Bromcyclohexen über.1,3- CyclohexadienBrChinolin_-HBr ^In einer Destillationsapparatur mit möglichst kurzem Weg zwischen Kolben und Kühlerwerden 32g (0,2 mol) 3-Bromcyclohexen (vorher 2mal <strong>des</strong>tilliert) mit 60 ml Chinolinversetzt. Der Ansatz wird langsam mit freier Flamme erwärmt, wobei nach kurzer ZeitReaktion eintritt und bei weiterem Erwärmen zwischen 80 und 10O 0 C SiedetemperaturCyclohexadien über<strong>des</strong>tilliert (Vorsicht; scharf stechender Geruch!). <strong>Die</strong> so erhaltenen14,7g Rohsubstanz werden einmal mit 2N Schwefelsäure gewaschen, zum Trocknendurch ein Faltenfilter gegossen und dann von einigen dünnen Scheibchen Natrium


198 Kapitel II. Eliminierung und Addition<strong>des</strong>tilliert. Zwischen 80 und 82°C/760 Torr gehen 11,8g (75%) 1,3-Cyclohexadienüber.Mit N-Bromsuccinimid läßt sich Brom unter milden Bedingungen gezielt in dieAllylstellung einführen (Ziegler).<strong>Die</strong>se in Tetrachlormethan durchgeführte Reaktion verläuft radikalisch, denn siewird durch Zusatz von Radikalgeneratoren wie Dibenzoylperoxid oder 2,2'-Azobis-(isobutyronitril) (siehe S. 176) sowie durch Belichtung beschleunigt. Ein Bromatomzieht aus der Allylstellung ein Wasserstoffatom an sich. Dabei entstehen ein Allylradikalund ein Molekül Bromwasserstoff. Letzteres bildet mit einem MolekülN-Bromsuccinimid ein Molekül Brom, das mit dem Allylradikal Allylbromid und einneues Bromatom bildet, welches die Kettenreaktion fortsetzt. N-Bromsuccinimid istin Tetrachlormethan wenig löslich, seine Funktion bei dieser Reaktion besteht offenbardarin, ständig eine kleine Konzentration von molekularem Brom bereitzustellen.Formelmäßig kann der Kern <strong>des</strong> Prozesses folgendermaßen dargestellt werden:Br- + -CH 2 -CH=C - > HBr + [-CH-CH=C -CH=CH-C^]-CH-CH=C + Br 2 — > — CH- CH=C X + Br*BrOOH 2 C /C \ H 2 C /C \I NBr -i- HBr — > \ NH + Br 2Steht eine Methylengruppe wie im Beispiel der Ölsäure zwischen zwei Doppelbindungen,so ist sie der radikalischen Substitution besonders leicht zugänglich (sieheS.474).Cycloadditionen<strong>Die</strong> 7r-Elektronen der Doppelbindung und Dreifachbindung können mit zwei n-Elektronen geeigneter Partner zwei tr-Bindungen ausbilden, so daß drei-, vier-, fünfodersechsgliedrige Ringe entstehen. Man nennt diese Reaktionen Cycloadditionen.\ /-r' 4- •/ ^ /V— L T «C *- ~C—C —\ \ / \


Typen der Cycloadditionen 199I I\ / \ / -C-C-C-C + C = C | |/ \ / \ -c—c-I I+ X-Y-Z \ }-C-C-/ \Methylen, das einfachste Garben liefert mit Olefinen Derivate <strong>des</strong> Cyclopropans.Photolytisch aus Diazomethan oder Keten nachodererzeugtes „heißes" Methylen addiert sich in der Gasphase, wenn nachträglich Isomerisierung<strong>des</strong> Primäraddukts unterdrückt und etwas Sauerstoff (Radikalfanger)anwesend ist, weitgehend stereospezifisch, das heißt c/s-2-Buten gibt ds-Dimethylcyclopropan.In flüssiger Phase entsteht in Gegenwart von zahlreichen Inertmolekülen(Fluorkohlenwasserstoff), durch deren Stoß der energiereiche Singulett- in denTriplettzustand übergeht, ein Gemisch von eis- und fraws-Dimethylcyclopropan.HCH 3 CH 3HHH-C-H Y/ CH 3H 3 C CH 3 ||CH 3 CH 3 CH 3 CH 3 CH 3Dichlorcarben, von dem schon auf S. 193 die Rede war, reagiert mit Cyclohexen zu7,7'-Dichlornorcaran, mit Phenolat zu Salicylaldehyd (S. 273), mit primären Aminenzu Isonitrilen.


200 Kapitel II. Eliminierung und Addition7,7-Dichlorbicyclo[4.1.0]heptan (Dichlornorcaran).Phasentransfer -VerfahrenQ)ClC(Ci) 2 —- L P c 'ClZu einer Lösung von 10,2g (0,12SmOl) Cyclohexen in 100 ml Chloroform, die250mg Benzyl(triethyl)ammoniumchlorid enthält, tropft man bei O 0 C unter Rühren dieLösung von 50g NaOH in 50g Wasser und rührt noch weitere 30 min im Eisbad, dannüber Nacht bei Raumtemperatur. (Falls Benzyl(triethyl)ammoniumchlorid nicht verfügbarist, stellt man sich eine kleine Menge durch Sstündiges Erhitzen von Benzylchloridin überschüssigem Triethylamin unter Rückfluß her. Nach Abdampfen wird der Rückstandmit Ether sorgfältig durchgerührt und abgesaugt.) <strong>Die</strong> Emulsion wird in 1 I Wassergegossen, das Chloroform im Vakuum ab<strong>des</strong>tilliert, die wässerige Lösung 2mal mit Chloroformausgeschüttelt und die Chloroformlösung über MgSO 4 getrocknet. Nach Ab<strong>des</strong>tillieren<strong>des</strong> Lösungsmittels wird der Rückstand im Vakuum <strong>des</strong>tilliert. (Da der Ansatz starkschäumt, muß man dabei sehr vorsichtig erhitzen.) Bei 77—79 0 C gehen 15—16g (75 bis80%) 7,7'-Dichlorbicyclo[4.1.0]heptan über.In diesem Präparat wird das „Phasentransfer-Verfahren" angewandt. Lipophilequartäre Ammoniumionen, hier C 6 H 5 CH 2 N(C 2 H 5 )J, bilden mit zahlreichen Anionenin <strong>organischen</strong> Lösungsmitteln lösliche lonenpaare. Das Dichlorcarben entstehtwahrscheinlich in der Chloroformphase, die das Olefin enthält, aus dem quartärenAmmoniumtrichlormethancarbeniat; das dabei entstehende quartäre Chloridkehrt in die Wasserphase zurück und bringt von dort neues CCl 3 " ins Chloroformusw. Man vermeidet so die sonst notwendige Herstellung der sehr starken BaseKalium-terf-butanolat und das Arbeiten in wasserfreiem Medium. Da die in der<strong>organischen</strong> Phase gelösten lonenpaare nicht solvatisiert sind, zeigen ihre Anionenin vielen Fällen stark erhöhte Reaktionsbereitschaft. Als Beispiel sei die nucleophileSubstitution <strong>des</strong> Chlors im 1-Chloroctan durch Natriumcyanid angeführt, die beimKochen der wässerigen Emulsion so gut wie keinen Umsatz zeigt, nach Zugabe vonDecan als organische Phase und 1,3 molprozent Tributylhexadecylphosphoniumbromidaber schon nach 2stündigem Kochen vollständig beendet ist.<strong>Die</strong> präparativ wichtigste Cycloaddition ist die von <strong>Die</strong>ls und Alder erforschte<strong>Die</strong>nsynthese, Addition von 1,3-<strong>Die</strong>nen an Olefine oder Alkine, dann <strong>Die</strong>nophilegenannt, die zu ungesättigten Sechsringen führt ([4 + 2]-Cycloaddition). Dabei reagiertdas konjugierte <strong>Die</strong>n in räö/rf-Konformation unter cw-Addition mit dem <strong>Die</strong>n.Einige Beispiele:Butadien und Fumarsäure-diethylester geben /ran,s-Cyclohexen-4,5-dicarbonsäure-diethylester,1,3-Cyclohexadien und Fumarsäure-diethylester /raAw-Bicyclo-[2.2.2]oct-2-en-5,6-dicarbonsäure-diethylester (siehe unten).Cyclopentadien liefert mit Maleinsäureanhydrid e«dö-2-Norbornen-5,6-dicarbonsäureanhydrid(e«Jo-Bicyclo[2.2.1]hept-2-en-5,6-dicarbonsäureanhydrid) und mit/?-Benzochinon das „Cyclopentadienchinon".


\\" ^CO 2 C 2 H 5CO 2 C 2 H 5Ausführung der <strong>Die</strong>ls-Alder-Synthese 201Cyclopentadien dimerisiert, als <strong>Die</strong>n und <strong>Die</strong>nophil zu Bicyclopentadien (endo-3a,4,7,7a-Tetrahydro-4,7-methanoinden) (siehe S. 203).<strong>Die</strong>ls-Adler ReaktionenBicyclo[2.2.2]oct-2-en-5,6-trans-dicarbonsäure- CO 2 C 2 H 5a) 4,0g (50 mmol) 1,3-Cyclohexadien und 8,6g (50 mmol) Fumarsäure-diethylesterwerden im Einschmelzrohr (Angaben auf S. 27 beachten!) etwa 15h auf 10O 0 C erwärmt.Nach dem völligen Abkühlen wird das Reaktionsgemisch mit etwas Ether inein Kölbchen gespült und nach Ab<strong>des</strong>tillieren <strong>des</strong> Ethers im Siedebereich 155-158 0 CBicyclo[2.2.2]oct-2-en-5,6-fraA?s-dicarbonsäure-diethylester über<strong>des</strong>tilliert. Ausbeute11,7g (93%).CO 2 C 2 H 5 /[ /O 2 HNaOHCO 2 C 2 H 5CO 2 Hb) 1,5g (5 mmol) Bicyclo[2.2.2]oct-2-en-5,6-fra/7s-dicarbonsäure-diethylester werdenin 15 ml 95proz. Ethanol gelöst, mit 6,5 ml 2N Natronlauge versetzt und 1 h unterRückfluß gekocht. Nach Ab<strong>des</strong>tillieren <strong>des</strong> Ethanols wird die wässerig-alkalische Lösungmit 2N Salzsäure angesäuert und ungeachtet <strong>des</strong> bereits ausgefallenen Produkts 3 malmit Essigester extrahiert. Der Extrakt wird mit Natriumsulfat getrocknet und das Lösungsmittelab<strong>des</strong>tilliert. Man erhält so 1,1 g (94%) Bicyclo[2.2.2]oct-2-en-5,6-f/-ans-dicarbonsäure.Nach 2maligem Umkristallisieren aus je 20 ml Wasser schmilzt das Produktbei 203—204 0 C.endo-2-Norbornen-5,6-dicarbonsäureanhydrid (3,6-Methylen-1,2,3,6-tetrahydrophthalsäureanhydridoder eA?c/o-Bicyclo[2.2.1 ]hept-2-en-5,6-dicarbonsäureanhydrid-[IUPAC]).Cyclopentadien bereitet man sich durch thermische Spaltung <strong>des</strong> technischen Dicyclopentadiens.Dazu <strong>des</strong>tilliert man etwa 30g <strong>des</strong> Dimeren über eine kleine Füll-


202 Kapitel II. Eliminierung und Additionkörperkolonne, wobei man das Ölbad auf 170—18O 0 C heizt. Das Monomere mit Sdp.40—41 0 C wird in einer eisgekühlten Vorlage über einigen Körnchen Calciumchlorid aufgefangen.(Cyclopentadien dimerisiert bei mehrtätigem Stehen wieder vollständig.) -9,8g (lOOmmol) gepulvertes reines Maleinsäureanhydrid (Schmp. 52—53 0 C) wird in50 ml Benzol suspendiert. Unter Rühren und Außenkühlung mit Eis/Wasser trägt maninnerhalb 10 min 7,0g (106 mmol 8,7 ml) Cyclopentadien ein. Das Maleinanhydrid gehtin Lösung; meist beginnt schon während der Umsetzung die Abscheidung <strong>des</strong> Adduktsin farblosen Nadeln. Nach anschließendem SOminütigem Rühren ohne Kühlung ist dieReaktion beendet. Man verdünnt mit 50 ml Ligroin (Sdp. 100-14O 0 C), läßt bis zur vollständigenKristallisation im Kühlschrank stehen, saugt ab und wäscht mit Ligroin. Manerhält 13,5-15 g (82-92%) farbloses Addukt, das bei Verwendung reiner Reagenziensofort bei 162—163 0 C schmilzt. Wird dieser Schmp. nicht erreicht, löst man in wenigheißem Benzol, setzt vorsichtig Ligroin zu und läßt erkalten.5,8-Dioxo-1 A4a,5,8,8a-hexahydro-1,4-methano-naphthalin(„Cyclopentadienchinon").OO2,8 g (26 mmol) p-Benzochinon werden in 8 ml Benzol suspendiert und mit 3,8 g(58 mmol) Cyclopentadien (siehe Präparat oben) versetzt. Unter Selbsterwärmung (bisetwa 6O 0 C) entsteht eine Lösung. Nach 1 h ist das farblose Produkt auskristallisiert.Man kocht kurz auf dem Dampfbad auf, versetzt mit 8ml Petrolether (Sdp. 40-6O 0 C)und läßt abkühlen. Nach Absaugen auf der Nutsche und Waschen <strong>des</strong> Rückstan<strong>des</strong> mitwenig Petrolether erhält man 5,6-5,8 g (87-90%) Addukt mit Schmp. 155-157 0 C.3,6-Diphenyl-3,6-dihydrophthalsäure-dimethylesterC 6 H 5 C 6 H 5 CO 2 CH 3 C 6 H 5C X


Reaktivität der <strong>Die</strong>ne 203vor, ist der Substituent endo-ständig, wenn er sich innerhalb dieser Kugel befindetund exo-ständig, wenn er aus ihr herausragt.)X.,U2U2M5CO 2 C 2 H 5150°CO 2 C 2 H 5CO 2 C 2 H 5OCH,H OOCH,Zur Reaktivität läßt sich sehr allgemein feststellen: Ein <strong>Die</strong>n ist gegenüber einemelektronenarmen <strong>Die</strong>nophil (und das sind die meisten, siehe unten) umso reaktionsfähiger,je elektronenreicher es ist. 2,3-Dimethylbutadien reagiert mit dem als <strong>Die</strong>nophilbesonders beliebten Maleinsäureanhydrid 5 mal rascher als Butadien. Mit demunsymmetrischen 2-Methyl-5-methoxy-l,4-chinon reagiert Butadien nur an der elektronenärmerenDoppelbindung.Elektronenanziehende Substituenten erhöhen die Reaktionsfähigkeit der <strong>Die</strong>nophile.Ethylentetracarbonitril gehört zu den reaktionsfähigsten, Ethylen zu den amwenigsten reaktiven Olefinen. Chinone, Malein- und Fumarsäureester, Maleinsäureanhydridliegen (in ansteigender Reihe) dazwischen. Olefine reagieren rascher alsAlkine. N-Arylsubstituierte Imide der Azodicarbonsäure sind die reaktionsfähigsten<strong>Die</strong>nophile. Typisch für alle Cycloadditionsprodukte, besonders die der <strong>Die</strong>nsyntheseist, daß sie bei höherer Temperatur in die Ausgangskomponenten zerfallen. Sowird Cyclopentadien aus dem stabilen Dimeren, in das es bei Raumtemperatur von


204 Kapitel II. Eliminierung und Additionselbst übergeht, durch Erhitzen (Destillation) erzeugt. Acrolein dimerisiert zum 2,3-Dihydropyran-2-carbaldehyd.O nN-AriiOAr = ArylrestHC'IHC,CH 2IICH-CHOMit der <strong>Die</strong>ls-Alder-Reaktion verwandt ist die indirekte substituierende Addition„enophiler", auch heteroatomarer Doppelbindungen an Olefine mit allylständigemWasserstoff. <strong>Die</strong>se „Enreaktion" liefert zum Beispiel aus Methylencyclopentan undMaleinsäureanhydrid (Cyclopentenylmethyl)bernsteinsäureanhydrid.c 006O<strong>Die</strong> <strong>Die</strong>ls-Alder-Reaktion ist bestimmt durch die konzertierte Umwandlung derbeiden rc-Bindungen <strong>des</strong> <strong>Die</strong>ns (4rc-Elektronen) und der 7i-Bindung <strong>des</strong> <strong>Die</strong>nophils(27r-Elektronen) in zwei ^-Bindungen und eine rc-Bindung <strong>des</strong> Cycloadditionsproduktes- suprafaciale [4 + 2]-Cycloaddition. <strong>Die</strong> Umwandlung der Edukt-Orbitalein die Produkt-Orbitale läßt sich durch ein Korrelationsdiagramm darstellen, <strong>des</strong>senAbszisse den Reaktionsablauf und <strong>des</strong>sen Ordinate die Energie wiedergibt. Bei symmetrischerAnnäherung der beiden Reaktanden wird je<strong>des</strong> der beiden Moleküle durchdie Symmetrieebene m halbiert - das Symmetrieelement m bleibt während <strong>des</strong> ganzenReaktionsablaufes erhalten. In bezug auf m sind nun die Edukt- und die Produkt-Orbitale symmetrisch oder antisymmetrisch. Es werden nur Edukt- und Produkt-


Korrelationsdiagramm für die <strong>Die</strong>ls-Alder-Reaktion 205Orbitale gleicher Symmetrie miteinander korreliert. Dabei ist zu beachten, daß sichKorrelationslinien gleicher Symmetrie nicht kreuzen können (Kreuzungsverbot).AO(o*-o?)X XX X XantibindendeMOs


206 Kapitel II. Eliminierung und AdditionZum gleichen Ergebnis kommt man, wenn man in erster Näherung nur die Wechselwirkungzwischen den Grenzorbitalen (frontier orbitals) der Reaktanden betrachtet:<strong>Die</strong> <strong>Die</strong>nsynthese ist danach eine Überlappung <strong>des</strong> höchsten besetzten MOs(highest occupied MO, HOMO) <strong>des</strong> <strong>Die</strong>ns mit dem niedrigsten unbesetzten MO(lowest unoccupied MO, LUMO) <strong>des</strong> <strong>Die</strong>nophils oder umgekehrt. Damit es zurbindenden Wechselwirkung (Überlappung) kommen kann, müssen die Grenzorbitalegleiches Vorzeichen besitzen.<strong>Die</strong>n HOMO<strong>Die</strong>nophil LUMOEine thermische Cycloaddition zweier Monoolefine zu Cyclobutanen (suprafaciale[2 + 2]-Cycloaddition) ist dagegen nicht symmetrieerlaubt. Symmetrieelemente dieserReaktion sind die beiden Spiegelebenen In 1 und m 2 .m,AA —(of-o$)Wie das Diagramm zeigt, muß das mit zwei Elektronen besetzte bindende (Ti 1 — Tt 2 )-Edukt-Orbital mit dem antibindenden (a\ +


[2 + 2]- und [2 + 3]-Cycloadditionen 207das ist jedoch eine thermisch symmetrieverbotene Reaktion. Erfolgt sie dennoch(thermisch), dann nur schrittweise über ein biradikalisches oder zwitterionisches Zwischenprodukt.So macht die bei 20O 0 C schrittweise verlaufende Dimerisation <strong>des</strong>Dichlordifluorethylens über das Tetrachlortetrafluorcyclobutan die Synthese <strong>des</strong>Cyclobutanrings möglich. Tetrafluorethylen reagiert bei 225 0 C sogar mit dem wenigadditionsfreudigen Acetylen zu Tetrafluorcyclobuten. Dagegen ist die suprafaciale[2+ 2]-Cycloaddition photochemisch erzielbar. In diesem Fall sind die Edukt-Orbitale(Ti 1 — Ti 2 ) und (TC* + rcf) jeweils mit einem Elektron besetzt, so daß beim Übergangin die Produktorbitale eine energetische Kompensation möglich ist. Ein Beispielfür die photochemische Reaktion ist die Dimerisation der kristallographischena- und ^-Modifikationen von (trans)-ZimtsäurG zu a-Truxillsäure bzw. jS-Truxillsäure.Einige weitere Beispiele folgen auf S. 208 und 477.a-Truxillsäure(Kopf-Schwanz-Dimeres)ß-Truxillsäure(Kopf- Kopf -Dimeres)Wichtig für die Synthese von stickstoffhaltigen Fünfringsystemen ist die „1,3-dipolareCycloaddition" von Diazoalkanen oder Aziden an Doppel- oder auch Dreifachbindungen,die zu 1-Pyrazolinen bzw. Triazolinen führt (siehe Kapitel Heterocyclen).Dabei reagieren die DiazoVerbindungen und Azide als 1,3-Dipol mit einemDipolarphil (R. Huisgen), <strong>des</strong>sen Reaktivität hier angenähert der der <strong>Die</strong>nophilegleicht. Der Mechanismus dieser [3 + 2]-Cycloaddition ähnelt dem der <strong>Die</strong>nsynthese,auch reagiert das Dipolarophil stereospezifisch. Beispiele für solche mesomere 1,3-Dipole sind:© _©./ © _ _©_/N=N-C 4-> N=N-C DiazoalkaneN=N-N-R «-> N=N-N-R Azide© _e_ e e_R-C=N-O.! «-» R—C=N-O| Nitriloxide/7\ S~\ /T\ £\CP=O-OI


208 Kapitel II. Eliminierung und Addition© _e_ ® eR-C=N-JSL- TU*), wobei es sehr kurzfristig den entgegengerichtetenSpin beibehält (angeregter Singulettzustand) und - nach Spinumkehr - den angeregtenTriplettzustand herstellt. Hierbei tritt eine vorübergehende Entkopplung der7i-Bindung ein, so daß m-Olefine durch Bestrahlung in die energieärmeren trans-Isomeren und umgekehrt umgelagert werden könne. Da isolierte C=C-Bindungennur Wellen absorbieren, die kürzer als 200 nm sind, also in einem Gebiet liegen, indem wegen der UV-Absorption durch Glas und Lösungsmittel schlecht zu arbeitenist, benutzt man leichter und längerwellig anregbare Chromophore, die ihren Triplettzustandauf andere Moleküle übertragen können. Als derartige Sensibilisatorensind Carbonylverbindungen geeignet, bei denen die Einstrahlung bei etwa 300 nmein nichtbinden<strong>des</strong> 2p-Elektron <strong>des</strong> Sauerstoffs auf ein 7U*-MO anhebt (n —> TT*). Derangeregte Sensibilisator aktiviert seinerseits das Olefin in den Triplettzustand, dasheißt zum spinentkoppelten System.Bei der Photoreaktion der Olefine geht ein derart angeregtes Molekül mit einemni^htangeregten die thermisch symmetrieverbotene [2 + 2]-Cycloaddition zum Vierringsystemein, so daß beispielsweise aus Butadien in Gegenwart das SensibilisatorsAcetophenon frans-l,2-Divmylcyclobutan (neben wenig m-Isomerem) entsteht.CH = CH 2 /H 2 C=CH' __ H 2 C-CCH=CH 72H 2 C=CH H 2 C-C /HXH=CH 2 \CH = CH 2Polymerisation der AlkenePolymerisation <strong>des</strong> Styrolsa) Thermische und Radikal-initiierte Polymerisation und deren Inhibierung: Das für dieVersuche benötigte käufliche Styrol wird durch Destillation im Vakuum der Wasserstrahlpumpeweitgehend vom Stabilisator befreit und bis zur Verwendung im Kühlschrankaufbewahrt; Sdp. 36 0 C; 12 Torr. In sauberen Reagenzgläsern werden folgende Probendurch Schütteln in Lösung gebracht.


Polymerisation <strong>des</strong> Styrols 2091.1OmI Styrol2. 10 ml Styrol + 100 mg Dibenzoylperoxid3. 10 ml Styrol + 10 mg Hydrochinon<strong>Die</strong> mit Korkstopfen locker verschlossenen Reagenzgläser werden 24 h in einen, auf8O 0 C einregulierten, Trockenschrank gestellt. Nach dem Erkalten, bei dem das Reagenzglasmanchmal zerspringt (Vorsicht!), läßt sich das unterschiedliche Ausmaß der Polymerisationan der Konsistenz erkennen. Probe 1 hat die Viskosität von zähem Honig,Probe 2 ist glasig erstarrt, Probe 3 ist flüssig geblieben. - Zur Isolierung <strong>des</strong> Polystyrolslöst man jeweils 5,0 g der 3 Proben — das Reagenzglas mit der Probe 2 zerschlägtman zweckmäßig (Schutzbrille!) — in je 25ml Benzol bei Raumtemperatur, was beiProbe 2 einige Stunden erfordert. <strong>Die</strong> benzolische Lösung läßt man innerhalb 30 min in75 ml kräftig gerührtes Methanol eintropfen, wobei sich das in Methanol unlöslichePolymer ausscheidet. Nach weiterem 2stündigem Rühren läßt man noch 2 h stehen,filtriert und wäscht gut mit Methanol. Bei dieser Behandlung liefert Probe 1 etwa 1 gnoch zum Verklumpen neigen<strong>des</strong> Produkt und Probe 2 4,0—4,8 g pulveriges, farblosesPolymerisat. Probe 3 löst keine Trübung in Methanol aus; schon 0,1 % Hydrochinon vermögenalso die thermische Polymerisation völlig zu unterbinden.b) Polymerisationsgrad und Initiatorkonzentration: Wie oben setzt man folgende Versuchein Reagenzgläsern an:4. 1OmI Styrol5. 10 ml Styrol + 10 mg Dibenzoylperoxid6. 10 ml Styrol + 20 mg Dibenzoylperoxid7. 10 ml Styrol + 100 mg DibenzoylperoxidNach 6-tägigem Erhitzen im Trockenschrank auf 8O 0 C sind alle Proben zum sprödenHarz erstarrt. Nach Zerschlagen der Gläser (Schutzbrille!) werden die klaren Polymerisatein der Reibschale zerdrückt. Je 5 g werden in verschlossenem Erlenmeyerkolben in 15mlkaltem Benzol unter gelegentlichem Umschwenken gelöst. (Man notiere die teilweisemehrere Tage betragenden Lösungszeiten.) Bei gleicher Einwaage bietet die Viskositätein Maß für den Polymerisationsgrad. <strong>Die</strong> benzolischen Lösungen zeigen in der Folgevon Probe 4 bis Probe 7 eine auffallende Viskositätsabnahme. Daß die Polymerisation beiden Proben 4—7 nach 6 Tagen bei 8O 0 C so gut wie vollständig abgelaufen ist, läßt sichleicht zeigen: Je 1 g der Produkte wird in 20 ml Benzol gelöst und wie bei Versuch a)in kaltes Methanol eingerührt. Man vergleiche die Ausbeuten an Polystyrol.c) Depolymerisation <strong>des</strong> Polystyrols: Etwa 1-2 g Polystyrol werden in ein starkwandigesReagenzglas eingebracht; mit Knierohr, Gummistopfen und Saugrohr baut mansich eine Crack-Apparatur auf. Im Vakuum der Wasserstrahlpumpe erhitzt man das Polystyrolmit fächelnder Flamme, wobei sich das Polymerisat aufbläht und das monomereStyrol ab<strong>des</strong>tilliert. Im gelben Destillat, <strong>des</strong>sen Geruch durch Brenzprodukte beeinträchtigtwird, läßt sich das Styrol durch die Entfärbung von Brom in Chloroform nachweisen.d) Kationische Polymerisation <strong>des</strong> Styrols: Je 3 ml Styrol, in 2 Reagenzgläsern, die inkaltes Wasser eingestellt sind, versetzt man vorsichtig mit einigen Tropfen konz. Schwefelsäureoder Borfluoridetherat. An der Viskositätserhöhung läßt sich im Laufe einigerMinuten die Polymerisation verfolgen. Der exotherme Charakter wird besonders deutlich,wenn man die Polymerisation ohne Außenkühlung „durchgehen" läßt. Man führe


210 Kapitel II. Eliminierung und Additiondiesen Versuch nur im 1-ml-Maßstab durch (Schutzbrille und Abzug benutzen; unterUmständen wird ein Teil der Probe aus dem Reagenzglas herausgeschleudert!). AuchPerchlorsäure, Aluminiumchlorid, Zinn(IV)-chlorid oder Eisen(lll)-chlorid sind wirksameelektrophile Katalysatoren der Vinylpolymerisation.Zu einer Reihe wichtiger Kunststoffe führt die Polymerisation von Olefinen, beider durch entsprechende Initiatoren erzeugte Ionen oder Radikale sich an das Olefinanlagern und die so entstandenen neuen Ionen oder Radikale in vielfacher Wiederholungunter Auflösung der Doppelbindung zu Makromolekülen weiter reagieren.Benannt werden diese Kunststoffe, indem man „Poly" vor den Namen <strong>des</strong> Monomerensetzt (obwohl die Doppelbindung der monomeren Olefine bei der Polymerisationverlorengeht).<strong>Die</strong> elektrophile (kationische) Polymerisation ist anhand der beschriebenen Dimerisation<strong>des</strong> Isobutens (2-Methyl-l-propens, S. 194) verständlich, wenn man sichvorstellt, daß das primär durch Protonenkatalyse entstandene 1,1,3,3-Tetramethylbutyliumionmit 2-Methyl-l-propen weiter reagiert. Mit wenig Isopren mischpolymerisiert,bildet Isobuten einen wertvollen kautschukartigen Kunststoff Ethylen läßtsich durch Protonenkatalyse nicht polymerisieren.Polyethylen, das anfangs nur unter großem Energieaufwand (2000 bar, 25O 0 C)radikalisch (O 2 -Katalyse) hergestellt werden konnte, läßt sich mit Hilfe <strong>des</strong> vonK. Ziegler entwickelten Koordinationskatalysators aus Titan(IV)-chlorid und AIuminiumalkyl- der wahrscheinlich eine ionische Reaktion auslöst - ohne Druck- undTemperaturerhöhung gewinnen. Im Gegensatz zum Hochdruckpolyethylen bestehtNiederdruckpolyethylen weitgehend aus unverzweigten Makromolekülen (und hat<strong>des</strong>halb einen höheren Schmelzbereich der Kristallite sowie eine größere Dichte). Beietwas erhöhtem Druck bis 100 bar wird die Mitteldruckpolymerisation nach demPhillips-Verfahren an Schwermetallkatalysatoren auf Trägermaterialien durchgeführt.Propylen gibt mit Ziegler-Katalysator ein „isotaktisches" Produkt (Natta), also einsolches, bei dem die Verzweigungsstellen in den Makromolekülen weitgehend gleicheKonfiguration haben. Isotaktische Polymere schmelzen höher und sind mechanischstabiler als ataktische. Der Einfluß der Stereochemie auf die Eigenschaften der Polymerenist besonders beim Polybutadien augenfällig: Das durch Radikalpolymerisationaus Butadien erhaltene Produkt, das (wie Guttapercha in der Isoprenreihe, sieheS. 214) hauptsächlich t r ans- (oder E-)Doppelbindungen enthält, gibt durch Vulkanisieren(Einbau von Schwefelbrücken durch Erhitzen mit Schwefel) ein wenig elastischesVernetzungsprodukt, während das mit einem Koordinationskatalysator erhalteneeinen elastischen „Gummi" liefert.


Typen der Polymerisation 211<strong>Die</strong> anionische Polymerisation, das Gegenstück zur geschilderten kationischen,verlangt entsprechend dem nucleophilen Charakter der C=C-Bindung stark elektronenspendendeHilfsmittel, wie zum Beispiel Alkalimetalle. Mit Natrium wird dasohnehin reaktionsfähigere konjugierte 1,3-<strong>Die</strong>n zum Radikalanion, das — vielleichtnach Absättigung der Radikalstelle durch ein weiteres Natriumatom oder nachDimerisierung — die Additionskaskade in Gang setzt.H 2 C=CH-CH=CH 2 + Na > H 2 C-CH-CH-CH 2 *Mit Natrium ist Butadien erstmalig technisch zum künstlichen Kautschuk „Buna"polymerisiert worden. Da hierbei 1,2- und 1,4-Addition, sowie Addition an die isoliertenDoppelbindungen <strong>des</strong> entstehenden Polymeren unkontrolliert nebeneinanderherlaufen, hatte das Produkt nach Vulkanisierung nicht die idealen elastischenEigenschaften <strong>des</strong> natürlichen Polyisoprens. - Mit Alkali-<strong>organischen</strong> Verbindungen(beispielsweise Butyllithium oder Natriumnaphthalinid) läßt sich die anionischePolymerisation der Olefine leicht starten.Zur radikalischen Polymerisation erzeugt man im unverdünnten, gelösten, suspendiertenoder emulgierten Monomeren, beispielsweise durch Erhitzen von Dibenzoylperoxidoder Azobis(isobuttersäurenitril) Startradikale. <strong>Die</strong>se lagern sichan die (elektronenreichere Stelle der) Doppelbindungen an und erzeugen dadurchneue Radikale. Bei unsymmetrischen Olefinen wird vorwiegend, aber nicht ausschließlichdas Radikal gebildet, das die größere Stabilität hat, also aus PropenIsopropyl, aus Styrol a-Benzyl.Na TC.H.CO—O—O—COC«H2C 6 H 5 - + 2CO 2CH,N=C-C-N =N—C-C=E NIICH 3 CH 3Fortlaufend weitere Addition erzeugt lange Kettenmoleküle, deren Wachstum etwadurch Kombination zweier Radikale oder durch Radikalübertragung (siehe unten)oder durch Zugabe von Radikalfangern (Reglern) oder durch Aufbrauchen <strong>des</strong> Monomerenvorratsbeendet wird. Das Fortschreiten der Polymerisation läßt sich anhandder zunehmenden Viskosität der Lösung verfolgen. Durch absichtliches Stoppen sowiedurch die Bemessung <strong>des</strong> Initiators läßt sich die durchschnittliche Kettenlängeder Makromoleküle einstellen. Je mehr Initiator vorhanden ist, <strong>des</strong>to mehr Kettenkommen gleichzeitig zum Wachsen, auf die sich die Monomerenmenge verteilt. Beieinem Verhältnis von einem mol Initiator auf 1000 mol Monomer beträgt der Polymerisationsgradnach der Theorie 1000.


212 Kapitel II. Eliminierung und AdditionTatsächlich sind die durch Polymerisation oder Polykondensation erhaltenenmakromolekularen Substanzen keineswegs - wie einige natürliche Makromoleküle(Proteine, Nuleinsäuren) - von einheitlicher Molekülgröße, sondern bilden Populationenvon Molekülen verschiedener Größe, polydisperse Systeme, die durch ihreDurchschnittsmolekülmassen charakterisiert sind. Benutzt man hierzu eine Methode,die die eingebrachten Moleküle zählt, wie Osmometrie oder Endgruppenbestimmung,erhält man einen Mittelwert der Molekülzahl, das „Zahlenmittel" M n . Methoden,durch die die individuellen Molekülgrößen proportional gemessen werden wie Lichtstreuung,Viskosimetrie oder Gelchromatographie liefern dagegen das „Gewichtsmittel"M w . M n und M w klaffen <strong>des</strong>to weiter auseinander je polydisperser dasSystem ist; ist es völlig einheitlich, stimmen beide überein.Uneinheitlichkeit der Polymeren kommt, außer durch die erwähnten Molekularmassenunterschiedeund die nicht ausschließlich ablaufende „Kopf-Schwanz"-Additionauch dadurch zustande, daß eine Radikalkette mit einer zweiten unter Radikalübertragungreagiert und so an dieser eine neue Radikalstelle erzeugt. <strong>Die</strong>se kannzum Startpunkt einer neuen Kette werden, so daß Verzweigungen entstehen. Absichtlichkann man solche Stellen zum Aufpropfen von Ketten anderer Zusammensetzungbenutzen.HIR-CH 2 -CH-CH 2 -CH + R-CH 2 -C-CH 2 - •••• —R-CH 2 -CH-CH 2 -CH 2 + R-CH 2 -C-CH 2 - ••••Trifft die Seitenkette auf eine analoge Radikalstelle einer zweiten Kette, so kommtes zur Vernetzung.H 2 C = C-CH 3IO=C-O-CH 2C ••CO=C-O-CH2IH 7 C = C-CHoUm definiert vernetzte Polymere zu erhalten, versetzt man die Monomeren mitspeziellen Vernetzungsreagenzien wie 0-Divinylbenzol oder Ethylen- bis (2-methylacrylsäureester),die zwei polymerisationsfähige C=C-Bindungen enthalten. (Vernetzungohne Vernetzungsreagenzien ist durch y-Strahlung möglich, die Radikalstellenerzeugt). Vernetzte Polymere sind nicht mehr thermoplastisch und in keinemSolvens löslich, also auch nicht als Lösungen formbar oder spinnbar; sie quellen nur,je nach Vernetzungsgrad, mehr oder weniger stark.<strong>Die</strong> folgende Tabelle enthält einige der wichtigsten vinylpolymeren Kunststoffe.


Terpene 213MonomerPolymer (Handelsname)Eigenschaften und VerwendungszweckPolyethylen. Durchscheinend, wachsartig; Plastiktüten, unzerbrechlicheSchalen, Flaschen, Eimer (Baylon, Hostalen, Lupolen).Polystyrol. Glasklar hart oder feingeschäumter Isolierstoff (Styropor);vernetzt, Basis für Ionenaustauscher (siehe S. 84).Polyvinylchlorid (PVC). Harte Folien; mit Weichmachern weiche Folienund Schläuche.H 2 C=C-CO 2 C 2 H 5CH 3=CH-H 2 C=CH-CNH 2 C=CH-CONHx2Polymethacrylat. Glasklar hart; Kunstglas (Plexiglas).Polyvinylacetat. Klebstoffe, Lacke, Folien.Polyacrylnitril. Textil-Fasern (Orion, Dralon).Polyacrylamid. Vernetzt mit Methylenbis(acrylamid). Träger für Gelelektrophorese(siehe S. 103).Polytetrafluorethylen (Teflon). Chemisch und thermisch sehr resistent;widerstandsfähige Maschinenteile, Antihaftüberzüge von Kochtöpfen undBratpfannen.Einige der Monomeren weisen erhebliche Toxizität auf.TerpeneDer aus verschiedenen Wolfsmilchgewächsen, vor allem dem Kautschukbaum (Heveabrasiliensis), gewonnene natürliche Kautschuk depolymerisiert bei der trockenenDestillation zu 2-Methyl-l,4-butadien (Isopren). Umgekehrt läßt sich Isopren - dasauch aus den C 5 -Schnitten der Naphthaspaltung oder synthetisch durch Crackungvon 2-Methyl-l-penten, dem Dimerisierungsprodukt <strong>des</strong> Propens, oder aus Kaliumacetylidund Aceton gewonnen werden kann - mit Hilfe von Katalysatoren zuKautschuk polymerisieren. In der Natur wird der Kautschuk wie alle Terpene enzymatischaus Essigsäure über Mevalonsäure aufgebaut. Aus dieser bildet sich derPyrophosphorsäureester <strong>des</strong> 3-Methyl-3-butenols (Isopentenylpyrophosphat), dersich teilweise zu 3-Methyl-2-butenyl-pyrophosphat (Dimethylallylpyrophosphat) isomerisiert.Isopentenyl-pyrophosphat verdrängt dann mit der Doppelbindung alsNucleophil das Pyrophosphat aus dem Dimethylallylpyrophosphat (F.Lynen). Durchstereospezifisch gezielte Markierung einzelner Wasserstoffatome mit Deuterium oderTritium ließ sich zeigen, daß alle Reaktionen durch enzymatische Kontrolle unterEinhaltung strenger sterischer Kriterien ablaufen. In den meisten Zellen werden dabeitrans-(oder £"-)konfigurierte Doppelbindungen ausgebildet, wie bei der Reaktionzu Geranylpyrophosphat (Monoterpen) und seiner Umsetzung mit einem weiteremMolekül Isopentenylpyrophosphat zu Farnesylpyrophosphat (Sesquiterpen). <strong>Die</strong>Enzyme von Hevea brasiliensis steuern die Aneinanderreihung von etwa 5000 Iso-


214 Kapitel II. Eliminierung und Additionpreneinheiten durch Anknüpfen von Isopentenylpyrophosphat jedoch so, daß alleDoppelbindungen <strong>des</strong> Kautschuks cw-(oder Z-) konfiguriert sind. Das ebenfallsnatürlich vorkommende a\l-trans-(odGr E-)Polymer Guttapercha ist im Gegensatzzu Kautschuk nicht elastisch.MevalonsäureOH'OHOPPH + 11IsopentenylpyrophosphatDimethylallyl -pyrophosphatOPPCOPP C OPP "OPPGeranylpyrophosphat"OPPFarnesylpyrophosphatKautschukAußer dem Kautschuk leiten sich zahlreiche andere Naturstoffe vom Isopren ab;sie werden als Oligomerisierungs- und Cyclisierungsprodukte unter dem NamenTerpene zusammengefaßt, von denen hier nur einige wichtige aufgeführt werdensollen: Geraniol ist Ausgangsstoff für die cyclischen Naturstoffe Limonen, Menthol,a-Pinen und Campher. Der Farnesylrest liegt dem Azulengerüst zugrunde; seinDimerisierungsprodukt Squalen leitet über Lanosterol in die Klasse der Steroideüber. Dehydrierung von Squalen führt zu den Carotinoiden, deren Hauptvertreterß-Carotin in der Mohre vorkommt; Vitamin A 1 ist der Alkohol <strong>des</strong> halben Moleküls.Geramiol Menthol a - Pinen Campherß-Carotin(Vitamin A 1Azulengerüst


Herstellung und Reaktionen der Alkine 215AlkinePhenylacetylenC 6 H 5 CHBrCH 2 Br _*° > C 6 H 5 C=CHIn einer Rückflußapparatur werden 24 g (0,43 mol) Kaliumhydroxid in 24 ml heißemMethanol gelöst. <strong>Die</strong> Lösung wird gut gerührt, unter Rückfluß gekocht und mit kleinenPortionen von insgesamt 24g (0,09 mol) Styroldibromid (siehe S. 192) versetzt. Manläßt noch etwa 30 min sieden, dann abkühlen und versetzt mit 100 ml Wasser. <strong>Die</strong>organische Schicht wird abgetrennt, die wässerige einmal mit etwa 150 ml Ether ausgeschüttelt.<strong>Die</strong> vereinigten <strong>organischen</strong> Lösungen werden über Magnesiumsulfat getrocknet.Der Ether wird über eine Vigreux- Kolonne ab<strong>des</strong>tilliert und der Rückstand imVakuum <strong>des</strong>tilliert. <strong>Die</strong> bei 63— 66 0 C/ 40 Torr übergehende Fraktion besteht aus 5,5g(59%) Phenylacetylen.VinylacetatHC=CH + CH 3 CO 2 H — HgS ° 4 > H 2 C=CH-O-CO-CH 3In einem Dreihalskolben mit Gaseinleitungsrohr, Rührer und nachgeschalteter Kühlfallewerden 10OmI Eisessig und 4g feinst pulverisiertes HgSO 4 vorgelegt. Der Reaktionskolbentaucht in ein Wasserbad von 7O 0 C ein, die Kühlfalle befindet sich in einemmit Trockeneis/Methanol gefüllten Dewar-Gefäß (ca. -7O 0 C). Unter heftigem Rührenleitet man trockenes Acetylen in kräftigem Strom durch das Reaktionsgefäß (zwischenC 2 H 2 -Stahlflasche und Apparatur wird eine Waschflasche mit SOproz. KOH, ein Trokkenturmmit CaCI 2 sowie ein Hg -Überdruckventil geschaltet.) Das gebildete Vinylacetatwird vom Acetylen mitgerissen und in der Kühlfalle kondensiert. Das überschüssigeAcetylen leitet man in den Abzug. Bei zu schwachem C 2 H 2 - Strom bleibt das Vinylacetatzu lange im Reaktionsraum und bildet dort unter weiterer Anlagerung von EssigsäureEthylidendiacetat. Nach etwa 3 h befinden sich in der Vorlage 25—30 ml Vinylacetat, dasdurch fraktionierende Destillation gereinigt wird. Nach geringem Vorlauf geht dasVinylacetat bei 74-76 0 C über.Versuch: Herstellung von Polyvinylacetat - In einer kleinen Rückflußapparaturwerden 10 ml (nötigenfalls durch Ausschütteln mit Wasser und anschließende Destillationvom Stabilisierungsmittel befreites) Vinylacetat, 100 mg Dibenzoylperoxid und 2-3Tropfen Wasser unter Rückfluß gekocht. Nach etwa 1 h ist der Kolbeninhalt zu einerzähen Masse erstarrt.Acetophenon aus PhenylacetylenC 6 H 5 C=CH + H 2 O ^4 > C 6 H 5 COCH 320,4 g (0,2 mol) Phenylacetylen werden langsam unter Umschütteln zu einer warmen


216 Kapitel II. Eliminierung und AdditionLösung von 5g (17mmol) Quecksilber(ll)-sulfat in der Mischung aus 10OmI Wasserund 10 ml konz. Schwefelsäure gegeben. (Der dabei ausfallende gelbliche Niederschlagwird allmählich flüssig.) Man fügt 30 ml Methanol zu und rührt 3 h bei 6O 0 C. Nach Abkühlenlassenwird mit 100 ml Wasser versetzt, 3 mal mit je 100 ml Ether ausgeschütteltund die Etherlösung mit Na 2 SO 4 getrocknet. Der Ether wird ab<strong>des</strong>tilliert und der Rückstand(19,8g) <strong>des</strong>tilliert. <strong>Die</strong> bei 82-85 0 C/ 10 Torr übergehende Fraktion besteht aus16,7g (69%) Acetophenon.In logischer Fortsetzung der Alkensynthese aus Halogenalkanen führt die zweifacheEliminierung von Halogenwasserstoff aus vicinalen Dihalogeniden (welchezum Beispiel durch Addition von Halogen an Olefine gewonnen werden können)oder aus geminalen Dihalogeniden (welche zum Beispiel aus Ketonen mit Phosphorhalogenidengewonnen werden können) zu Alkinen.H HI I—C—C— —IICl ClCl H c/—C—C—IICl HXIn beiden Fällen bildet sich zunächst ein Monohalogenolefin. <strong>Die</strong> /?-Eliminierung<strong>des</strong> viel reaktionsträgeren vinylgebundenen Halogens erfordert starke Basen (zumBeispiel Alkoxide) und höhere Temperaturen. Aus cw-(oder Z-)Halogenolefinen erfolgtdie fratts-Eliminierung um ein vielfaches rascher als die ds-Eliminierung, beider Synthese <strong>des</strong> Phenylacetylens aus den stereoisomeren jS-Bromstyrolen beispielsweise200000mal so schnell. (<strong>Die</strong> Differenz der freien Aktivierungsenergien von cis-(Z)- und trans(E)-Styrylbromid beträgt 31 kJ/mol (7,4 kcal/mol).C 6 H 5 Br C 6 H 5 , ,HV_~/ A v = 2 10 5 > C 6 H 5 -C=H H Heis (oder Z) trans (oder E)Entsprechend einer Alkensynthese können Alkine auch durch doppelte Halogenabspaltungvon a,a',/?,/?'-Tetrahalogenalkanen (die allerdings schwieriger zu gewinnensind) mit Metallen erhalten werden.X Br+2Zn > Alkin + 2ZnCI 2


Eigenschaften der Alkine 217Acetylen selbst, das wichtigste Alkin, ist leicht aus Calciumcarbid und Wasseroder in steigendem Maße durch Hochtemperaturpyrolyse (> 140O 0 C) von Kohlenwasserstoffenzugänglich. Das polymere Calciumcarbid (CaC=C) n wird durch Verschmelzenvon Koks und gebranntem Kalk im Lichtbogen (140O 0 C) erzeugt.Alle Alkine sind exotherme Verbindungen, die sich bei hinreichender Temperaturerhöhung(Aktivierungsenergie) an der C=C-Bindung spalten (HC=CH —> 2 C +H 2 + 226 kJ (= 54 kcal). Acetylen und seine Monosubstitutionsprodukte sind CHacide(siehe S. 337). Acetylen bildet mit Ag + und Cu + schwerlösliche Salze, für synthetischeZwecke sind auch die Natrium- und Lithiumsalze von Bedeutung, ebensodie Grignard-Verbindungen (siehe S. 436).<strong>Die</strong> Acidität <strong>des</strong> mit dem C=C-Kohlenstoff verknüpften Wasserstoffs rührt vonder sp-Bindung her, generell werden Wasserstoffe an Bindungen mit steigendems-Anteil acider.Das Acetylidanion ist nicht so nucleophil wie gesättigte Carbanionen. <strong>Die</strong> rc-Elektronender C=C-Bindung sind weniger nucleophil als die der C=C-Bindung. <strong>Die</strong>vorwiegend elektrophilen Additionen verlaufen langsamer als an der Doppelbindungund führen primär zu Olefmen (Vinylierung). Mit starken Basen sind auch nucleophileAdditionen möglich:HC=CH + ROH (als RO') > RO-CH=CH 2 VinyletherHCN (als CN-) > CH 2 =CH-CN AcrylsäurenitrilONH > [ N— CH=CH 2 /V-VinylpyrrolidonH 3 C-CO 2 H(Hg^}> H 2 C=CH-OCOCH 3 VinylacetatHC| (HB-.200-C) ^ H 2 C-CH-CI Vinylchlorid<strong>Die</strong> durch Quecksilberionen katalysierte Vinylierung der Essigsäure wird im PräparatS. 215 experimentell durchgeführt und die Polymerisation <strong>des</strong> Vinylacetats imVersuch gezeigt. <strong>Die</strong> Addition von HCl kann weiter zum 1,1-Dichlorethan führen.Vinylchlorid wird besser aus Ethylen und Chlor über 1,2-Dichlorethan mit nachfolgender/?-Eliminierung von HCl hergestellt.Vinylpyrrolidon läßt sich zu einem wasserlöslichen makromolekularen Produkt(Polyvinylpyrrilodon) polymerisieren, das als Eiweißersatz bei Blutinfusionen dient.Mit Wasserstoff in Gegenwart der üblichen Metallkatalysatoren wird die Dreifachbindungvöllig hydriert. Mit Bleiacetat <strong>des</strong>aktiviertes Palladium auf Calciumcarbonat(Lindlar-Katalysator, siehe S. 547) ermöglicht stereospezifische partiellec/s-Addition zum Alken. Mit Natrium in flüssigem Ammoniak oder - in besonders


218 Kapitel II. Eliminierung und AdditionChlor addiert sich an Acetylen zu Tetrachlorethan, aus dem durch Kochen mitLauge Trichlorethylen hergestellt werden kann.<strong>Die</strong> Addition von Wasser an Acetylen führt zu Acetaldehyd; sie gelingt nur in Anwesenheiteines Quecksilbersalzes in saurer Lösung. <strong>Die</strong> hierbei abgeschiedene Zwischenverbindung,ein Derivat <strong>des</strong> Vinylalkohols, wird zu Acetaldehyd hydrolysiert.In technischen Prozessen wirkt das Quecksilbersalz katalytisch, da die Zwischenverbindunglaufend gespalten wird. Methylacetylen gibt bei analoger UmsetzungAceton, Phenylacetylen Acetophenon (Präparat S. 215). <strong>Die</strong> Anlagerung erfolgt alsonach der Markownikowschen Regel.<strong>Die</strong> Ausarbeitung von Methoden zum gefahrlosen Arbeiten mit Acetylen unterDruck hat seine technische Verwendung möglich gemacht (W. Reppe). Außer der genanntenVinylierungsreaktionen spielt auch die Ethinylierung, das ist die Anlagerung<strong>des</strong> Alkins als Acetylid an elektrophile Atome eine große Rolle. So erhält man inGegenwart von Cu(I)-Salzen mit Formaldehyd Propargylalkohol, HC=C-CH 2 OHund 2-Butin-l,4-diol, HOCH 2 -C=C-CH 2 OH sowie (mit Acetylen als elektrophilemPartner) Vinylacetylen, H 2 C=CH-C=CH.Über Nickel-haltigen Katalysatoren entsteht unter Cyclisierung aus drei MolekülenAcetylen Benzol (das schon Berthelot in winzigen Mengen beim Erhitzen vonAcetylen auf 400—50O 0 C erhalten hatte), aus 4 Molekülen entsteht Cyclooctatetraen,ein gelbes Polyen, <strong>des</strong>sen Doppelbindungen sich aus Ringspannungsgründen nichtin einer Ebene anordnen und <strong>des</strong>halb nicht überlappen können, und aus 5 Molekülenunter anderem der Grundkörper der Naturstoffklasse der Azulene.Mehrfache Alkine erhält man durch oxidative Kupplung, z. B. Schütteln der Cu(I)-acetylide mit Sauerstoff. Natriumacetylid gibt mit lod Diacetylen, 1,3-Butadiin,HC=C-C=CH.Acetylenderivate kommen auch in Mikroorganismen und Pflanzen vor. Hier findetman sogar solche mit bis zu fünf konjugierten Dreifachbindungen, die zusätzlich eineoder mehrere Doppelbindungen, auch kumulierte enthalten können. - „Konjugierte"Dreifachbindungen, auch solche mit Doppelbindungen, verhalten sich im übrigennicht wie konjugierte <strong>Die</strong>ne (Delokalisation von Elektronen, 1,4-Addition usw.).Weiterführende Literatur zu Kapitel IlA.C. Cope und E. R. Trum bull, Olefins from Amines: The Hofmann Elimination Reaction andAmine Oxide Pyrolysis, Org. React. 11, 317 (1960).CH. De Puy und R.W. King, Pyrolytic cis-Eliminations, Chem. Rev. 60, 431 (1960).


Weiterführende Literatur zu Kapitel II 219H. R. Nace, The Preparation of Olefins by the Pyrolysis of Xanthates. The Chugaev Reaction,Org. React. 12, 57 (1962).F. Gunstone, Hydroxvlation Methods, Adv. Org. Chem. /, 103 (1960).M. Schröder, Osmium Tetraoxide Cis Hydroxylation of Unsaturated Substrates. Chem. Rev.80, 187 (1980).M. J. S. Dewar und R. C. Fahey, <strong>Die</strong> polare Addition von Halogenwasserstoffen an Olefine,Angew. Chem. 76. 320 (1964).F. W. Stacey und J. F. Harris jr., Formation of Carbon-Hetero Atom Bonds by Free Radical ChainAdditions to Carbon-Carbon Multiple Bonds, Org. React. 13, 150 (1963).S. Schuster, <strong>Die</strong> Oxosynthese, Fortschr. Chem. Forsch. 2, 311 (1951).L. Horner und E. H. Winkelmann, N-Bromsuccinimid, Eigenschaften und Reaktionsweisen,Neuere Methoden der präparativen <strong>organischen</strong> Chemie, Herausg. W. Foerst, Bd. 3, S. 98,Verlag Chemie, Weinheim 1961; Angew. Chem. 71, 349 (1959).C. Djerassi, Brominations with N-Bromosuccinimide and Related Compounds, Chem. Rev. 43,271 (1948).W. E. Parham und E. E. Schweizer, Halocylcopropanes from Halopropanes, Org. React. 13, 55(1963).E. V. Dehmlow, Phasentransfer-katalysierte Zweiphasenreaktionen in der präparativen OrganischenChemie, Angew. Chem. 86, 187 (1974).E.V. Dehmlow, Fortschritte der Phasentransfer-Katalyse, Angew. Chem. 89, 521 (1977).J. Dockx, Quaternary Ammonium Compounds in Organic Synthesis, Synthesis 1973, 441.R. B. Woodward und R. Hoffmann, <strong>Die</strong> Erhaltung der Orbitalsymmetrie, Angew. Chem. 81, 797(1969).I. Fleming, Frontier Orbitals and Organic Chemical Reactions, J. Wiley and Sons, London 1976.M. und W. Günzl, Zur Entwicklung der <strong>Die</strong>n-Synthese, Kurt Alder zum Gedächtnis, Angew.Chem. 72, 219 (1960).J. Sauer, <strong>Die</strong>ls-Alder-Reaktionen, Angew. Chem. 78, 233 (1966); 79, 76 (1967).M. C. Kloetzel, The <strong>Die</strong>ls-Alder-Reaction with Maleic Anhydride, Org. React. 4, l (1948).H. L. Holmes, The <strong>Die</strong>ls-Alder-Reaction, Ethylenic and Acetylenic <strong>Die</strong>nophiles, Org. React. 4,60(1948).L. W. Butz und A. W. Rytina, The <strong>Die</strong>ls-Alder-Reaction, Quinones and Other Cyclenones, Org.React. 5, 136 (1949).K. Alder, <strong>Die</strong> Methode der <strong>Die</strong>nsynthese, Neuere Methoden der präparativen <strong>organischen</strong>Chemie, Herausg. W. Foerst, 4. Aufl., Bd. /, S. 251, Verlag Chemie, Weinheim 1963.J. Sauer und R. Sustmann, Mechanistische Aspekte der <strong>Die</strong>ls-Alder-Reaktion: Ein kritischerRückblick, Angew. Chem. 92, 773 (1980).R. Huisgen, 1,3-Dipolare Cycloadditionen, Angew. Chem. 75, 604 (1963).R. Huisgen, Kinetik und Mechanismus 1,3-Dipolarer Cycloadditionen, Angew. Chem. 75, 742(1963).H. Stetter, Ketone durch Hydratisierung von Alkinen und Alkenen, Methoden der <strong>organischen</strong>Chemie (Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl., Bd. 7/2a, S. 816, Thieme, Stuttgart 1973.R. J. Thomas, K. N. Campbell und G. F. Hennion, Catalytic Hydration of Alkylacetylenes, J. Am.Chem. Soc. 60, 718 (1938).


III. Aromatische Substitution, I,Experimente:Brombenzol/?-DibrombenzolVersuch: Hydrolysebeständigkeit von Brombenzol2,4,6-TribromanilinVersuch: 2,4,6-TribromphenolVersuch: 2,4,4,6-Tetrabrom-2,5-cyclohexadienonNitrobenzolw-Dinitrobenzoll-Chlor-2,4-dinitrobenzol1-Nitronaphthalino- und /7-NitrophenolAf,N-Dimethyl-/?-nitrosoanilinNatriumbenzolsulfonatBenzolsulfochloridVersuch: Benzolsulfonamidp -ToluolsulfonsäureNatrium-naphthalin-2-sulfonat2,4,6 -Trinitrophenol (Pikrinsäure)Versuch: Herstellung von PikratenVersuch: Herstellung von Komplexen mit 1,3,5-TrinitrobenzolVersuch: Komplexe mit Ethylentetracarbonitril2,4-Dinitro-l-naphthol-7-sulfonsäure


Ml. Aromatische Substitution, I.Benzol als Aromat 223Der aromatische ZustandDas n-Elektronenmodell der Doppelbindung konjugiert ungesättigter Kohlenwasserstoffe(siehe S. 195) läßt sich zum Verständnis <strong>des</strong> aromatischen Zustands heranziehen,indem man annimmt, daß sich im Bindungsgerüst <strong>des</strong> Benzols drei Ethylen-Strukturelemente zu einem Ring zusammengeschlossen haben. In dem so entstandenenebenen Gerüst mit Bindungswinkeln von 120° sind die a-Bindungen aller 6 Kohlenstoffatomesp 2 -hybridisiert. Den beiden nachstehend wiedergegebenen Kekule-Formeln <strong>des</strong> Benzolkerns entsprechen 2 Elektronenformeln, in denen sich die 6 p z -Orbitale paarweise in n -Wechselwirkungen befinden.Es liegt im Wesen der exzentrischen Überlappung der rc-Elektronen, daß diese inkonjugiert ungesättigten Systemen nicht nur wie beim Olefin paarweise in Wechselwirkungtreten; vielmehr geht je<strong>des</strong> p z -Elektron mit seinen beiden Nachbarn Bindungsbeziehungenein. Alle 6 rc-Elektronen <strong>des</strong> Benzolkerns verschmelzen zu einergemeinsamen „n-Wolke".<strong>Die</strong>ser Grundzustand <strong>des</strong> Benzols läßt sich nicht mehr mit Bindungsstrichen wiedergeben.(Zuweilen kennzeichnet man daher die n-Wolke durch einen einbeschriebenenKreis. Wir benutzen im folgenden weiterhin die Schreibweise von Kekule undsind uns bewußt, daß wir damit nur eine der mesomeren Grenzformeln formulieren.)Das Übereinanderprojizieren der beiden Grenzformeln führt zu einem Bild <strong>des</strong> mesomerenGrundzustands.Der Mesomeriebegriff (C. K. Ingold, 1933) hat sich für die qualitative Diskussionder statischen und dynamischen Aspekte organischer Moleküle als sehr fruchtbar erwiesen.Folgende Richtlinien schützen vor einer mißbräuchlichen Verwendung:


224 Kapitel III. Aromatische Substitution, I1. Mesomerie ist nur möglich zwischen Grenzformeln, die fast die gleiche Lage derAtomkerne besitzen und sich im wesentlichen in der Verteilung der Bindungselektronenunterscheiden. (<strong>Die</strong> Einschränkung „fast" ist durch die unterschiedlichenBindungslängen von Einfach- und Doppelbindung in den Grenzstrukturenbegründet).2. <strong>Die</strong> Mesomerieenergie ist umso größer, je ähnlicher die Energieinhalte der fiktivenGrenzformeln sind. (Zum Energieinhalt gelangt man näherungsweise, wenn mandie Energie der Bindungen addiert; zu beachten ist jedoch, daß Ladungstrennungdas Energieniveau einer zwitterionischen Grenzformel anhebt.)3. Mesomerie tritt nicht zwischen Grenzformeln auf, die sich in der Zahl ungepaarterElektronen unterscheiden.4. Mesomere Systeme müssen eben gebaut sein, damit die Wechselwirkung der TC-Elektronen maximal ist. (<strong>Die</strong> Mesomerieenergie nimmt mit cos 2 a ab, wenn mit ader Winkel bezeichnet wird, um den zwei Teilstücke eines konjugierten Systemsgegeneinander verdreht sind.)Zur Darstellung mesomerer Strukturen zeichnet man die Grenzformeln, die dentatsächlichen Zustand der Verbindung gemeinsam umschreiben, und verbindet siejeweils durch einen Pfeil mit doppelter Spitze ().Resonanz ist die im amerikanischen Schrifttum eingeführte Bezeichnung für dasgleiche Phänomen. <strong>Die</strong>ser Begriff wird nicht nur zur Beschreibung ungesättigterSysteme verwendet, sondern geht über den der Mesomerie noch hinaus. Resonanzkennzeichnet bereits die Wechselwirkung der Bindungselektronen einer Kovalenzim quantenmechanischen Näherungsverfahren.<strong>Die</strong> über die paarweise Bindung hinausgehende n -Wechselwirkung im Benzolsystembringt einen weiteren Gewinn an Bindungsenergie. Ein gedachtes Cyclohexatrienohne Konjugation sollte beim Sättigen mit Wasserstoff Hydrierungswärme liefern,die dem Dreifachen derjenigen <strong>des</strong> Cyclohexens (119,6 kJ/mol = 28,6 kcal/mol)entspricht. Statt mit 358,8 kJ/mol (= 85,8 kcal/mol) ist die Hydrierungswärme <strong>des</strong>Benzols jedoch nur mit 208,2 kJ/mol = 49,8 kcal/mol exotherm. Der Grundzustand<strong>des</strong> Benzols ist somit um 150 kJ/mol = 36 kcal/mol energieärmer als der <strong>des</strong> fiktivenSechsrings mit drei isolierten Doppelbindungen. <strong>Die</strong>se zusätzliche Bindungsenergiewird als Mesomerieenergie oder Resonanzenergie <strong>des</strong> Benzols bezeichnet. Sie zeigtanschaulich die zusätzliche Stabilisierung <strong>des</strong> Grundzustan<strong>des</strong>.150 kj/molStatt abwechselnd Bindungen mit 148pm (1,48Ä) (für die C—C-Bindung) und134 pm (1,34 Ä) (für die C=C-Bindung) hat das Benzol gleiche CC-Bindungslängen;die Elektronenbeugung am Benzoldampf sowie die Röntgen-Strukturanalyse <strong>des</strong>


andere 6-Ring-Aromaten 225kristallisierten Benzols ergaben eine 6-zählige Symmetrieachse mit einem CC-Abstandvon gleichmäßig 139 pm (1,39 Ä).Außer Benzol sind auch andere cyclische oder polycyclische Verbindungen mitkonjugiertem Ti-Elektronensystem (nicht jedoch alle) resonanzstabilisiert und zeigenmehr oder weniger ausgeprägt <strong>des</strong>sen typisches Reaktionsverhalten. Man faßt allediese Verbindungen unter dem Begriff aromatisch zusammen.Im Gegensatz zum Benzol sind in anderen Aromaten die cyclischen Bindungenmeistens nicht gleichwertig. In den drei wichtigsten, gleichberechtigten Grenzformeln<strong>des</strong> Naphthalins ist die 1,2-Bindung 2mal, die 2,3-Bindung dagegen nur einmal Doppelbindung.Tatsächlich spiegeln die experimentell ermittelten Bindungslängen entsprechendstarke Unterschiede im Doppelbindungscharakter der Bindungen wieder.<strong>Die</strong>se Unterschiede sind im Anthracen noch etwas ausgeprägter.Der aromatische Charakter bleibt erhalten, wenn eine oder mehrere CH-Gruppen<strong>des</strong> Benzols oder polycyclischer Aromaten gegen Stickstoffoder gegen Oxonium-Sauerstoff ausgetauscht sind. Im Pyridin steht ein freies Elektronenpaar am N nochfür die Salzbildung zur Verfügung.HH H Hri H "CT "CTH^tXH H^N^H H^^HBenzol Pyridin Pyrylium-IonAdditionsreaktionen und Hydrierungswärme zeigen, daß Cyclooctatetraen keinenaromatischen Charakter hat (siehe S. 218). Schon der nicht ebene Bau (Wannenform)- ein ebener regulärer Achtring würde mit Bindungswinkeln von 136° zu starkgespannt sein - genügt, ein Verschmelzen zu einer gemeinsamen n -Wolke zu verhindern.Außerdem ist im Rahmen <strong>des</strong> M O-Verfahrens der aromatische Charakter andas Vorhandensein von (4 n + 2) 7c-Elektronen gebunden (Hückel-Regel), eine Bedingung,die das Cyclooctatetraen mit 8 rc-Elektronen nicht erfüllt.


226 Kapitel III. Aromatische Substitution, ICyclooctatetraen 18-Annulen 1,6 -MethanocyclodecapentaenBei Erweiterung <strong>des</strong> konjugierten Ringsystems kommt man zu „Annulenen", dieder Hückel-Regel genügen, zum Beispiel das 18-Annulen (18 = 4-4 + 2 rc-Elektronen).Cyclodecapentaen, ein „gespaltenes" Naphthalin, kann wegen der sich im Raumstörenden H-Atome in l- und 6-Stellung keine ebene Form annehmen, wohl aber,wenn diese durch die Methanobrücke ersetzt sind (E. Vogel).Außer an den weiter unten behandelten charakteristischen elektrophilen Substitutionsreaktionenerkennt man aromatische Verbindungen an den zu tiefem Feld verschobenenNMR-Signalen der an die Aromaten gebundenen Wasserstoffkerne. DasMagnetfeld induziert in aromatischen Verbindungen Ringströme, die die benachbartenProtonen gegenüber dem äußeren Feld magnetisch entschirmen. Währenddie Signale der olefmischen Protonen bei 5,3 ppm, bezogen auf Tetramethylsilan alsStandard, erscheinen, liegen die <strong>des</strong> Benzols bei 7,3 ppm. Im Bereich von 7 bis 9,5 ppmfinden sich auch die Signale der anderen hier genannten Aromaten, während dasSignal <strong>des</strong> Cyclootatetraens als Singulett bei 5,8 ppm erscheint.Das eben gebaute Cyclobutadien entspricht nicht der Hückel-Regel (47i-Elektronen),es ist nicht nur nicht aromatisch, sondern offenbar weniger stabil, als ein cyclisches<strong>Die</strong>n sein sollte (,Antiaromat"). <strong>Die</strong> Grundverbindung kann nur bei tiefer Temperaturin einer Matrix erhalten werden. Das 5gliedrige Cyclopentadienidion verfügtwie das Benzol über ein System von 6 rc-Elektronen, da man das freie Elektronenpaar<strong>des</strong> Carbanions in die n -Wolke einbeziehen muß; daß man dem Cyclopentadienmit Alkalimetallen oder metall<strong>organischen</strong> Verbindungen ein Proton entziehenkann, ist der Bildung <strong>des</strong> mesomeriestabilisierten Anions zuzuschreiben. - Im Ferrocen,einem „Sandwich"-Komplex aus Eisen(II) und Cyclopentadien sind die beidenRinge, typisch wie beim Benzol, elektrophilen Substitutionsreaktionen zugänglich.HH O HH V —'HFerrocen7-Brom-l,3,5-cycloheptatrien ist in wässeriger Lösung ionisiert, eine Folge der Stabilität<strong>des</strong> aromatischen Tropyliumions mit 6 yr-Elektronen. - Auch das Tropolon,


Aromaten mit anderen Ringgrößen 227von dem sich zahlreiche Naturstoffe ableiten, darf man als Abkömmling <strong>des</strong> Tropyliumionsund als aromatisches System ansprechen.TropolonDas gleiche gilt für das bicyclische, tiefblaue Azulen, <strong>des</strong>sen Derivate sich in natürlichenetherischen Ölen finden. Neben zwei neutralen Grenzformeln lassen sich zahlreichezwitterionische aufzeichnen, die den Tropylium- und Cyclopentadienylidringenthalten. Thermisch kann Azulen zu Naphthalin isomerisiert werden.Ebenfalls 6 7c-Elektronen und aromatischen Charakter haben die 5-gliedrigenHeterocyclen Pyrrol, Furan und Thiophen (siehe Kapitel XIV). Bei dem mit 2 n-Elektronen der Hückel-Regel entsprechenden Cyclopropeniumion macht die aromatischeMesomerie das extrem winkelgespannte System existenzfähig.C 6 H 5BF/Halogenierung der AromatenBrombenzolH- Br 7FeBr,+ HBrAls Apparatur dient ein 500-ml-Kolben mit Tropftrichter und Rückflußkühler, dem eineGasableitung aufgesetzt ist, die etwa 1 cm über der Oberfläche von 200 ml Wasser ineinem 1-1-Kolben endet und dann in den Abzug führt. — In den Kolben kommen 90 ml


228 Kapitel III. Aromatische Substitution, I(78g, 1,00mol) trockenes Benzol und 2g grobe Eisenfeilspäne, in den Tropftrichter53ml (166g, 1,04mol) Brom. Man läßt zunächst unter leichtem Schütteln 1—2 mlBrom einf ließen, bis eine kräftige Reaktion unter Bromwasserstoff-Entwicklung einsetzt(eventuell schwach erwärmen). Dann reguliert man das weitere Zutropfen <strong>des</strong> Bromsso, daß die Reaktionswärme das Benzol am Sieden erhält, die Umsetzung jedoch nichtzu stürmisch wird. Gegen Ende erwärmt man noch kurze Zeit auf siedendem Wasserbad,bis alles Brom verbraucht ist. Nun wird das Reaktionsgemisch aus einem größeren Rundkolbenmit Wasserdampf <strong>des</strong>tilliert. Sobald sich im Kühler Kristalle von p-Dibrombenzolabscheiden, wechselt man die Vorlage und treibt noch einen Teil dieses Nebenproduktsüber. — Das zuerst übergegangene Brombenzol wird im Schütteltrichter abgetrennt, mitCalciumchlorid min<strong>des</strong>tens 1 h getrocknet und <strong>des</strong>tilliert. <strong>Die</strong> bei 140—17O 0 C übergehendeFraktion liefert bei erneuter Destillation im Bereich 152—158 0 C ziemlich reinesBrombenzol. Ausbeute 70-80 g (45-51 %); Sdp. 155 0 C.p-Dibrombenzol: Der Rückstand, der bei der ersten Destillation im Kolben gebliebenist, wird noch heiß in eine kleine Porzellanschale gegossen und nach dem Erstarren gemeinsammit dem Produkt aus der Wasserdampf<strong>des</strong>tillation auf einem Tonteller gereinigtund aus wenig Ethanol umkristallisiert. Man erhält farblose Prismen mit Schmp. 87 0 C.Bromwasserstoffsäure: Bei der Reaktion sind 80g Bromwasserstoff entstanden, dieetwa 200 ml Wasser zur Absorption erfordern. (Wurde zu wenig Wasser vorgelegt, mußdie Vorlage, sobald sich Nebel zu zeigen beginnen, mit frischem Wasser gefüllt werden.)Zur Reinigung wird die Bromwasserstoffsäure <strong>des</strong>tilliert. Der Siedepunkt steigt nacheinem Vorlauf von Wasser auf 126 0 C. Bei dieser Temperatur geht 48proz. Bromwasserstoffsäureazeotrop über, die im Laboratorium oft gebraucht wird.Versuch: Hydrolysebeständigkeit von Brombenzol - Reines Brombenzol spaltetbeim Kochen mit methanolischem Kaliumhydroxid kein Bromidion ab, wie die Zugabevon verd. Silbernitrat-Lösung (siehe S. 173) nach dem Ansäuern mit verd. Salpetersäurezeigt.Das Halogen am Benzolkern läßt sich durch nucleophile Reagenzien sehr vielschwerer austauschen als aliphatisch gebundenes. (<strong>Die</strong>se Resistenz kann durch geeigneteSubstituenten am Benzolring stark verringert werden; siehe S. 280). Dagegenkann am Aromat gebundenes Chlor, Brom oder lod zum Beispiel durch katalytischerregten Wasserstoff ersetzt werden. Mit Raney-Nickel in Methanol und in Gegenwartvon genügend KOH (um den Halogenwasserstoff aufzunehmen) ist eine gleichzeitigeHydrierung <strong>des</strong> Kerns nicht zu befürchten. Auch mit Lithiumaluminiumhydridund verschiedenen seiner Derivate, mit Tri(n-butyl)zinnhydrid, mit Chrom(II)-ethylendiamin-Komplex sowie mit Natrium in Alkohol kann Halogen reduktiv vomAromaten entfernt werden. Mit Magnesium (Grignard-Reaktion) oder Natrium(Wurtz- und Fittig-Synthese) reagieren Alkyl- und Arylhalogenide vergleichbarschnell.Bei der Halogenierung nimmt der aromatische Kern ein elektrophiles Halogen-Kation auf und stabilisiert sich dann durch Abgabe eines Protons. Das Halogenidionbraucht dabei nicht frei aufzutreten. Der Katalysator FeBr 3 , ZnBr 2 oder AlBr 3 - beider Bromierung <strong>des</strong> Benzols in Gegenwart von Eisen ist nicht dieses selbst, sondern


Halogenierung der Aromaten 229FeBr 3 wirksam — polarisiert das Brommolekül derart, daß ein Bromion mit Elektronensextettauf den Benzolkern übertritt und ein komplexes Tetrabromoferration zurückläßt.(Es ist dazu ebensowenig freies Br + nötig wie ein freies H + bei Säure-Basen-Reaktionen.) Das stark elektrophile Br + beansprucht ein Elektronenpaar aus dern -Wolke <strong>des</strong> aromatischen Kerns.FeBr/Der als Zwischenstufe auftretende sogenannte cr-Komplex besitzt ein sp 3 -hybridisiertesC-Atom. Der Verlust an aromatischer Mesomerie wird durch eine neue Mesomerie,und zwar formal derjenigen eines Pentadienkations, teilweise kompensiert. Imnächsten Reaktionsschritt übernimmt das komplexe Anion ein Proton vom tetraedrischenKohlenstoff der Zwischenstufe, wodurch der aromatische Zustand wieder hergestelltwird. <strong>Die</strong> unbeständige Säure HFeBr 4 zerfällt und gibt das FeBr 3 für dienächste Bromübertragung wieder frei. Prinzipiell gleichartig vollzieht sich die Chlorierung<strong>des</strong> Benzolkerns unter der Katalyse mit elektrophilen Metallhalogeniden. -<strong>Die</strong> notwendige Heterolyse <strong>des</strong> HaI 2 wird durch polare Lösungsmittel begünstigt.Der ^-Komplex stellt eine echte Zwischenstufe (siehe S. 171) dar, seine Bildung istder geschwindigkeitsbestimmende Schritt der Reaktion. Halogenierung (und Nitrierung)<strong>des</strong> mit Deuterium oder Tritium markierten Benzols vollziehen sich mit gleicherGeschwindigkeit wie die von C 6 H 6 . Ein „kinetischer Isotopeneffekt" (wie man ihnbeobachtet, wenn die [H]-Verbindung rascher reagiert als die [D]-Verbindung unddiese rascher als die [T]-Verbindung) sollte auftreten, wenn die C—H-Bindung imgeschwindigkeitsbestimmenden Akt gespalten wird. Hier aber wird der Wasserstoff- oder sein Isotop - erst in einer rascheren Folgereaktion abgelöst.2,4,6-TribromanilinH + 3Br 2Unter dem Abzug stellt man aus 200 ml Wasser, 35g (0,4 mol) Kaliumbromid sowie18,5ml (0,36 mol) Brom eine klare Lösung her und läßt sie aus einem Tropftrichterinnerhalb 40 min zur mechanisch gerührten Lösung von 10,0 g (9,8 ml, 0,107 mol) frisch<strong>des</strong>tilliertem Anilin in 300 ml Wasser und 1OmI konz. Salzsäure fließen. Dabei ver-


230 Kapitel III. Aromatische Substitution, Ischwindet anfangs die Bromfarbe rasch; wenn sie bestehen bleibt, wird abgebrochen.Das ausgefallene Produkt wird abgesaugt, mit verd. Natronlauge und mit viel Wassergewaschen. Nach Trocknen auf dem Tonteller reinigt man durch Vakuum<strong>des</strong>tillation auseinem 100-ml-Schwertkolben mit Claisenaufsatz. Bei 167—170°C/12 Torr gehen29-3Og (82-85%) rasch erstarren<strong>des</strong> Öl über; Schmp. 118-119 0 C. -Auch das Umkristallisierenaus Ethanol ist zur Reinigung geeignet.Versuch: 2,4,6-TribromphenolVon der Lösung aus 10 ml Brom und 20 g Kaliumbromid in 250 ml Wasser gießt manlangsam unter Umschütteln oder Rühren so viel zur Lösung von 1,5g Phenol in 75 mlWasser, bis die gelbe Farbe <strong>des</strong> Broms nicht mehr verschwindet. Der flockige Niederschlagwird abgesaugt, mit Wasser gewaschen und im Vakuumexsikkator über P 2 O 5 getrocknet.Nach Umkristallisieren aus Cyclohexan liegt der Schmp. bei 94-95 0 C.Versuch: 2,4A6-Tetrabrom-2 / 5-cyclohexadienonOH1+ABr 2Br Br150 ml Brom-Kaliumbromid-Lösung wie oben werden mit der Lösung von 15g Natriumacetatin 100 ml Wasser versetzt. In 3-5 min läßt man dazu die Lösung von 1,5gPhenol in 10OmI Wasser fließen, wobei sich ein gelbes Pulver ausscheidet. Man läßtunter häufigem Umschütteln noch 4 h bei Raumtemperatur stehen, saugt ab, wäscht mitWasser und trocknet auf dem Tonteller. Ausbeute 6,0—6,5 g hellgelbes Produkt, das gegen12O 0 C unter Zersetzung schmilzt. — <strong>Die</strong> Verbindung ist nicht lagerbeständig undselbst ein Bromierungsmittel. Aus einer wässerigen Kaliumiodid-Lösung wird unter Reduktionzum 2,4,6-Tribromphenol lod freigesetzt..Im Gegensatz zu Benzol werden Anilin und Phenol schon ohne elektrophileKatalysatoren unmeßbar rasch bromiert. An die Erstbromierung, hauptsächlich in/7-Stellung zur funktionellen Gruppe, schließen sich Zweit- und Drittbromierungenan, die zu 2,4,6-Tribromanilin bzw. -phenol führen. <strong>Die</strong> Orientierung in 2-, 4- und6-Stellung wird anhand der Grenzformeln der a-Komplexe für o- und /?-Substitutionplausibel. Neben den drei Carbenium-Grenzformeln, die infolge <strong>des</strong> Elektronensextettsauf relativ hohem Energieniveau liegen, tritt eine Ammonium- bzw.


elektrophile Zweitsubstitution 231Oxoniumstruktur auf. Amino- und Hydroxygruppe besitzen einen +M-Effekt(mesomeren Effekt mit Elektronendonatorfunktion.) Da der Stickstoff oder derSauerstoff die positive Ladung ohne Oktetteinbuße übernehmen kann, sind dieseGrenzformeln wesentlich energieärmer und bestimmen in erster Linie die Elektronenverteilungin den mesomeren Zwischenstufen. Das niedrige Energieniveau derZwischenstufen für die o- und /^-Substitution hat geringe Aktivierungsschwellen undhohe Reaktionsgeschwindigkeitskonstanten zur Folge. <strong>Die</strong> Bereitschaft <strong>des</strong> Anilinsoder Phenols, ein Halogenkation zu übernehmen, ist so groß, daß zur Heterolyse <strong>des</strong>HaI 2 kein komplexbilden<strong>des</strong> Metallhalogenid nötig ist.HBrDagegen kann bei der m-Bromierung <strong>des</strong> Anilins oder Phenols die Carbeniumlückenicht vom freien Elektronenpaar <strong>des</strong> Stickstoffs bzw. Sauerstoffs geschlossen werden.Das 2,4,6 -Tribromphenol kann noch einmal ein Bromkation in der Position 4aufnehmen. Eine Aromatisierung durch Protonenabgabe ist dann aber nicht mehrmöglich. Der Verlust <strong>des</strong> 0-gebundenen Protons liefert vielmehr 2,4,4,6-Tetrabrom-2,5-cyclohexadienon, das man als eingefrorene Zwischenstufe der aromatischen Substitutionauffassen kann. Das sehr empfindliche Tetrabromketon läßt sich nur isolieren,wenn man den Bromwasserstoff abpuffert, was im Versuch mit Natriumacetatgeschieht. In Gegenwart von Säure kommt die Rückreaktion zu Tribromphenol zumZug.Br Br Br BrWie Amino- und Hydroxygruppen besitzen auch Acylamino-, Alkoxy- und Acyloxyfunktionenfreie Elektronenpaare und einen +M-Effekt. Alle diese Gruppen begünstigenaufgrund ihrer elektronenliefernden mesomeren Eigenschaft eine elektrophileZweitsubstitution in o- oder /7-Stellung. Am Kern gebundenes Halogen, dasebenfalls in der Lage ist, eine positive Ladung zu übernehmen (-h M-Effekt), dirigierteinen zweiten Substituenten gleichfalls in o- oder /7-Stellung, sein entgegengerichteterinduktiver Effekt (— !-Effekt) führt jedoch zur Elektronenverarmung <strong>des</strong> Kerns,so daß die Reaktionsgeschwindigkeit gegenüber der <strong>des</strong> Benzols meist herabgesetztist.Substituenten mit elektronenanziehendem mesomeren Charakter (— M-Effekt) wiebeispielsweise Nitro- und Carbonylgruppen erschweren die Zweitsubstitution und


232 Kapitel III. Aromatische Substitution, Izwar besonders in o- und p- Position. Der schon an Elektronen verarmte Benzolkernist weniger als das Benzol selbst bereit, für die Bildung <strong>des</strong> cr-Komplexes noch zusätzlicheine volle positive Ladung zu übernehmen.Außer vom mesomeren. Substituenteneffekt werden Richtung und Geschwindigkeitder Zweitsubstitution, wie schon am Halogenbenzol besprochen, von elektrostatischenoder induktiven Substituentenwirkungen geprägt. <strong>Die</strong> Polarität einer Kovalenznimmt mit steigender Differenz der Elektronegativitäten der beteiligten Atomezu. <strong>Die</strong>se Elektronegativität wächst nach dem Periodensystem der Elemente vonlinks nach rechts, und zwar in der ersten Periode stärker als in den folgenden, so daßFluor in dieser Funktion die Spitze hält. Da die wichtigsten Substituenten über Sauerstoff-,Stickstoff- und Schwefelatome an den aromatischen Kern gebunden oderHalogenatome sind, wird unabhängig vom mesomeren Effekt in allen diesen Fällendas C-Atom l <strong>des</strong> Benzolkerns positiviert. <strong>Die</strong>se Elektronenverarmung teilt sichelektrostatisch - mit der Entfernung abnehmend — dem ganzen aromatischen Kernmit, wodurch die Zweitsubstitution erschwert wird.Wenn der Erstsubstituent eine positive Ladung trägt, wie im Trimethylaniliniumionoder (formal) im Nitrobenzol, ist die Geschwindigkeit der Zweitsubstitution infolge<strong>des</strong> induktiven Elektronenentzugs stark vermindert. Als Eintrittsstellen sind dieo- und p-Positionen besonders benachteiligt, weil an der Mesomerie der entsprechendenZwischenstufen energiereiche Grenzformeln mit zwei benachbarten positivenLadungen beteiligt wären. Da im Zwischenzustand der m-Substitution die Ladungsverteilunggünstiger ist, findet der Eintritt zum Beispiel <strong>des</strong> Broms so gut wie ausschließlichin w-Stellung statt.Aus ähnlichen Gründen dirigieren die Sulfo-, Sulfonyl-, Carboxy-, CarbonylundNitrilgruppen (HOSO 2 - -SO 2 -, HO 2 C-, —CO- N=C-) am BenzolZweitsubstituenten in die m-Stellung. Bei den letzten drei trägt das mit dem Benzolkernverbundene C-Atom zwar nicht eine volle, jedoch eine partielle positiveLadung, so daß Grenzstrukturen mit positiver Ladung am benachbarten Ringkohlenstoffauch hier nicht zur Mesomerie beitragen und <strong>des</strong>halb Zweitsubstitution ino- oder /^-Stellung fast nicht zum Zug kommt. Man hat die hier zusammengefaßtenAkzeptor-Gruppen früher als „Substituenten 2. Ordnung" bezeichnet.


Reaktionsgeschwindigkeit der Bromierung von Aromaten 2334 N(CH 3 J 3'N(CH 3 ). 3'3HBrEnergiereiche Grenzformelnfür die Zwischenstufender p- und o-BromierungZwischenstufe derA77-BromierungDas Zusammenspiel der mesomeren und elektrostatischen Substituenteneffektebei der Zweitsubstitution wird noch von sterischen Faktoren ergänzt. Mit wachsenderRaumerfüllung <strong>des</strong> Erstsubstituenten wird die o-Substitution zugunsten der vomRaumanspruch unabhängigen/?-Substitution benachteiligt.<strong>Die</strong> folgende Aufstellung enthält die relativen Reaktionsgeschwindigkeiten (/c rel )der Bromsubstitution von Benzolderivaten in Abhängigkeit vom vorhandenen Erstsubstituenten(Rest). Sie zeigt, wie außerordentlich groß der Einfluß <strong>des</strong> Erstsubstituentenist.Rest*relRest*relN(CH 3 J 21Q18H1,0OH10 11CH 2 CI0,8OCH 310 9Cl, Br0,1NHCOCH 3 CH 310 8340CO 2 HNO 210- 4 10~ 6Eine elektrophile Fluorierung ist nicht zu erzielen, da die F 2 -Heterolyse zuvielEnergie erfordert.Bei der lodsubstitution der Aromaten ist die Umkehrreaktion nicht mehr zu vernachlässigen:ArH+ I 2 - ArI + HlElementares lod ist ein schwächer elektrophiles Agens als Cl 2 oder Br 2 ; nicht dasBenzol selbst, wohl aber Phenole und Arylamine als stärker nucleophile Aromatenwerden unmittelbar iodiert. Dagegen sind ICl, I 2 + AgClO 4 (J. Goubeau, 1932) oderI 2 + Ag 2 SO 4 in starker Schwefelsäure (W.A. Waters, 1950) wirksamere lodierungsmittel.Auch lod in Gegenwart von Oxidationsmitteln wird empfohlen z. B. mit HgO;die Behandlung <strong>des</strong> Benzols mit lod und rauchender Salpetersäure bei 50-8O 0 Cdürfte wohl die bequemste Methode zur Darstellung <strong>des</strong> lodbenzols sein.Mineralsaure Lösungen von unterchloriger oder unterbromiger Säure sind energischeHalogenierungsmittel (Halogenkationen). Für die Bromierung selbst sehrreaktionsträger Aromaten mit Brom und Silbersulfat in konzentrierter Schwefelsäuredarf man wohl auch das Bromkation verantwortlich machen.Eine handliche Wägeform <strong>des</strong> Broms („festes Brom") ist das leicht zugängliche rote,bei 135 0 C schmelzende Pyridiniumperbromid C 5 H 5 NH + Br 3 ". In der Lösung trittdabei das im Gleichgewicht Br 3 " ^ Br~ + Br 2 vorhandene Br 2 in Reaktion.


234 Kapitel III. Aromatische Substitution, IAf-Bromsuccinimid und andere N-Bromcarboxamide vermögen sowohl als Quellefür „positives" Brom als auch für Bromatome zu dienen. Bei Benzolhomologen kannman daher Kern- und Seitenkettenbromierung erzielen, wobei Lösungsmittel, polareKatalysatoren oder Radikalzünder eine gewisse Lenkung gestatten. Über die Bromierungvon allylständigem Kohlenstoff siehe S. 196.<strong>Die</strong> schon lange bekannten photochemischen Additionen von Chlor und Brom anBenzol, die zu Hexahalogencyclohexanen führen, sind Radikalkettenreaktionen. <strong>Die</strong>erstere wird industriell durchgeführt, da dem einen der isomeren Produkte, demy-Hexachlorcyclohexan starke insektizide Wirkung zukommt.Nitrierung und NitrosierungNitrobenzolHN °3LH2SO4Zu 125ml (23Og) konz. Schwefelsäure in einem starkwandigen 1-1-Kolben gießt manallmählich unter Umschütteln 10OmI (14Og) konz. Salpetersäure (d = 1,40). Nachdemman die warme Mischung durch Eintauchen in kaltes Wasser auf Raumtemperatur abgekühlthat, fügt man unter häufigem Umschütteln langsam in mehreren Anteilen 89 ml(78g, 1,00mol) Benzol zu. Wenn hierbei die Temperatur über 50-6O 0 C steigt, tauchtman vor dem weiteren Eintragen <strong>des</strong> Benzols das Gefäß kurze Zeit in Eis/Wasser. Beijedem Zusatz von Benzol ist eine vorübergehende intensive Orangefärbung zu beobachten.Nachdem man den Kolben mit aufgesetztem Steigrohr noch 30 min in einemWasserbad von 6O 0 C erwärmt hat, trennt man im Schütteltrichter die obere Schicht, diedas Nitrobenzol enthält, ab und wäscht sie im Schütteltrichter mit Wasser, dann mit verd.Natronlauge und zuletzt mit Wasser, wobei zu beachten ist, daß das Nitrobenzol jetztdie untere Schicht bildet. Man erwärmt das Nitrobenzol auf dem Wasserbade so langemit wenig Calciumchlorid, bis die anfangs milchige Flüssigkeit klar geworden ist. Beider anschließenden Vakuum<strong>des</strong>tillation geht das Nitrobenzol bei 86-88 0 C / 12 Torr über,Sdp. 208-21O 0 C / 760 Torr; Ausbeute 100-105 g (81-85%)./77- DinitrobenzolO 7 NIn einem 200-ml-Erlenmeyerkolben versetzt man 40 ml (74g) konz. Schwefelsäurevorsichtig mit 20,0 ml rauchender Salpetersäure (d = 1,51; 30,2 g, 0,48 mol). Dazu läßtman aus dem Tropftrichter in 20min unter mechanischem Rühren 20,Og (0,16 mol)frisch <strong>des</strong>tilliertes Nitrobenzol fließen und sorgt dabei durch gelegentliche Außenküh-


Nitrierung von Benzolderivaten 235lung dafür, daß die Temperatur bei 60—7O 0 C bleibt. Das Gemisch wird noch 45 min aufdem siedenden Wasserbad erhitzt und dann auf 70Og Eis/Wasser gegossen. Der hellgelbeNiederschlag <strong>des</strong> rohen /77-Dinitrobenzols, der zu 6% das o-Isomere enthält, wirdabgesaugt, in einer Reibschale mit Natriumhydrogencarbonat-Lösung fein zerrieben undnach erneutem Absaugen und Waschen mit Wasser an der Luft getrocknet, Ausbeute25-26 g (93-97%); Schmp. 73-8O 0 C. - Das so gewonnene Rohprodukt wird durchmehrmaliges Umkristallisieren aus Methanol und Abkühlen im Eisbad gereinigt. ZumNachwaschen verwendet man dabei wenig eiskaltes Methanol. Reines m-Dinitrobenzolschmilzt bei 9O 0 C.1-Chlor-2,4-DinitrobenzolxClHNO 3Wie bei der Herstellung von A77-Dinitrobenzol (voranstehend) bereitet man in einem500-ml-Kolben eine Mischung von 80 ml konz. Schwefelsäure und 40 ml rauchenderSalpetersäure (d = 1,51) und tropft in diese in 30min 20,0 g (0,18mol) Chlorbenzol,wobei die Innentemperatur 60-7O 0 C nicht übersteigen soll. Nach anschließendemhalbstündigem Erhitzen auf dem siedenden Wasserbad gießt man das zweiphasige Gemischunter Rühren mit einem Glasstab auf 500 g zerstoßenes Eis. Von den Kristallen <strong>des</strong>rasch erstarrenden Reaktionsproduktes hebt man eine Probe als Impfmaterial auf. Manlöst den gesamten Ansatz in 10O ml Benzol, trennt im Schütteltrichter die Phasen, wäschtdie Benzollösung mit Wasser, filtriert sie wenn nötig, und trocknet sie mit Calciumchlorid.Dann <strong>des</strong>tilliert man das Benzol auf dem Wasserbad ab und entfernt die letzten Restebei mäßigem Unterdruck. Nach Aufnehmen <strong>des</strong> Rückstan<strong>des</strong> in 90 ml warmem Methanoloder Ethanol läßt man unter Animpfen abkühlen. Wenn sich das Reaktionsprodukt zunächstölig abscheidet, erwärmt man es schwach, bis das System eben wieder einphasigwird, und impft erneut an. Nach Aufbewahren im Kühlschrank saugt man 30—31 g blaßgelbeKristalle mit Schmp. 51 0 C ab. Vorsichtiger Wasserzusatz zur Mutterlauge fälltweitere 2-3 g mit Schmp. 49-5O 0 C. Gesamtausbeute 88-92%.<strong>Die</strong> Nitrierung ist die wichtigste Methode, Stickstoff mit dem aromatischen Kernzu verknüpfen. Ähnlich wie bei der Halogenierung ist auch die Geschwindigkeit derNitrierung sehr stark von der Natur <strong>des</strong> Aromaten abhängig, so daß die Nitrierbedingungensehr unterschiedlich sein können.Mischungen von konzentrierter oder wasserfreier Salpetersäure mit konzentrierterSchwefelsäure bezeichnet man als Nitriersäure. Auch aus Alkalinitrat und konzentrierterSchwefelsäure kann man Nitriersäure bereiten.Durch geeignete Wahl der Nitrierungsbedingungen - hier vor allem <strong>des</strong> Wassergehaltsder Nitriersäure - kann man die Mono- oder die schwerer erfolgende Dinitrierung<strong>des</strong> Benzols zur Hauptreaktion machen. Unter den Bedingungen der Darstellung<strong>des</strong> Nitrobenzols wird das reaktivere Toluol schon teilweise dinitriert. Um


236 Kapitel III. Aromatische Substitution, IMononitrotoluol (60% /?-, 4% m- und 36% o-Isomer) zu erhalten, legt man den Kohlenwasserstoffvor und rührt nur wenig mehr als l Äquivalent Nitriersäure ein.<strong>Die</strong> zweite Nitrogruppe sucht überwiegend die m-Stellung zur ersten auf. <strong>Die</strong> Überführung<strong>des</strong> m-Dinitrobenzols in das 1,3,5-Trinitrobenzol erfordert energische Bedingungen,nämlich Behandlung mit großem Überschuß reiner Salpetersäure inrauchender Schwefelsäure bei höherer Temperatur. Bequemer gelangt man zum 1,3,5-Trinitrobenzol über das als Sprengstoff bekannte 2,4,6-Trinitrotoluol. Unter demsubstitutionserleichternden Einfluß der Methylgruppe nimmt die Trinitrierung <strong>des</strong>Toluols mit wasserfreier Nitriersäure bei langsamer Temperatursteigerung bis UO 0 Ceinen glatten Verlauf. <strong>Die</strong> Oxidation der Methylgruppe liefert Trinitrobenzoesäureund deren Decarboxylierung das symmetrische Trinitrobenzol.Viele aromatische Polynitroverbindungen können durch genügend starke Initialzündung(Quecksilberfulminat) zur Explosion gebracht werden.Primäre und sekundäre Arylamine werden, um Oxidation durch die Salpetersäurezu verhindern, vor der Nitrierung am Stickstoff acyliert.Bei der Nitrierung durch Salpetersäure-Schwefelsäure-Gemische ist das Nitroniumion,NOj, das aktive Agens. Seine Existenz hat sich unter anderem durch Röntgen-Strukturanalyse <strong>des</strong> kristallisierten Nitroniumperchlorats, NOjClO 4 ", sowie <strong>des</strong>Distickstoffpentoxids, NOjNO 3 ", ergeben und konnte spektroskopisch in der Nitriersäurenachgewiesen werden. In wasserfreier Nitriersäure liegt das GleichgewichtHONO 2 + 2H 2 SO 4 — NO 2++ H 3 O + + 2HSO 4weitgehend auf der rechten Seite (Gefrierpunktserniedrigung weist auf 4 gelöste Teilchenhin); mit steigendem Wassergehalt nimmt die NOj-Konzentration und damitdie Nitrierungsgeschwindigkeit ab. <strong>Die</strong> elektrophile Aktivität <strong>des</strong> Nitroniumions ergibtsich aus dem Auftreten von Grenzformeln mit Elektronensextett am Stickstoff:^)=N =5 «_> U=N + -UI |Ü—N + =5<strong>Die</strong> Nitrierung in konzentrierter oder reiner Salpetersäure verläuft wesentlichlangsamer als mit Schwefelsäurezusatz. Wässerige Salpetersäure, oder auch Lösungenwasserfreier Salpetersäure in Nitromethan, Eisessig oder Essigsäureanhydrid,verwendet man zur Nitrierung von Aromaten, die reaktiver als Benzol selbst sind. Mitgroßer Wahrscheinlichkeit ist auch hier allein das Nitroniumion, das durch Autoprotolyseentsteht, das elektrophile Agens.Nitrierungen mit reinen kristallisierten Nitroniumsalzen haben mehr theoretischesals praktisches Interesse. Dagegen wurden mit dem aus N 2 O 5 , HF und BF 3 leichtzugänglichen Nitroniumfluoroborat zahlreiche Nitrierungen ausgeführt (G. Olah,1956).<strong>Die</strong> Nitrierung mit Distickstoffpentoxid im <strong>organischen</strong> Lösungsmittel, in dem eskovalent vorliegt, verläuft nicht über freie NOj-Ionen; N 2 O 5 dient hier als Donatorfür das Kation, ähnlich wie Cl 2 als Cl + -Generator. Acylnitrate, RCO—O—NO 2 ,


Nitrierung <strong>des</strong> Naphthalins 237aus AgNO 3 und Carbonsäurechlorid oder Salpetersäure und Carbonsäureanhydridkönnen ebenfalls zur Nitrierung verwendet werden.Der Substitutionsakt von NOj vollzieht sich nach dem gleichen Additionsschema,das für die Halogenierung (S. 227) beschrieben wurde; die Protonenabgabe unterRückbildung <strong>des</strong> aromatischen Systems tritt als rasche Folgereaktion auf.HSO;1-NitronaphthalinCHCOONOUnter einem Abzug versetzt man in einem 500-ml-Erlenmeyerkolben 90 ml Eisessigund 50 ml Acetanhydrid unter Eiskühlung langsam mit 20,0 ml konz. Salpetersäure(d = 1,40; 0,180 mol). Man erwärmt in einem Wasserbad von 4O 0 C und trägt während15min 20,0 g (0,156 mol) feingepulvertes Naphthalin portionsweise unter gelegentlichemUmschütteln oder Rühren ein. Das gelbe Gemisch wird 2 h auf 5O 0 C und 7 hauf 70—75 0 C erwärmt, wobei sich geringfügig nitrose Gase entwickeln. Nach Eingießenin etwa 1 I Eis/Wasser und Stehenlassen über Nacht wird filtriert, mit Wasser, Natriumhydrogencarbonat-Lösungund wieder mit Wasser gewaschen. Das auf einem Tontellergetrocknete, orangefarbene Rohprodukt wird in einem 100-ml-Schwertkolben im Vakuumder Wasserstrahlpumpe <strong>des</strong>tilliert. Bei 160—165 0 C / 12 Torr gehen fast ohne Vorlauf24—25 g Nitronaphthalin mit Schmp. 47—53 0 C über. Eine 9proz. Verunreinigungdurch 2-Nitronaphthalin entfernt man durch Umkristallisieren aus 300 ml Petrolether(Sdp. 40—8O 0 C); dabei ist durch Animpfen beim langsamen Abkühlen der Lösung Ölabscheidungzu vermeiden. Nach mehrstündigem Aufbewahren im Kühlschrank erhält man18,5-20,5 g (69-76%) 1-Nitronaphthalin mit Schmp. 56-57 0 C. Aus der eingeengtenMutterlauge lassen sich noch 2 g weniger reines Produkt gewinnen.Bei der Nitrierung <strong>des</strong> Naphthalins ist der Reaktionsgeschwindigkeitsunterschiedzwischen Mono- und Disubstitution geringer als bei einkernigen Aromaten. Aus diesemGrund führt man elektrophile Substitutionen beim Nitronaphthalin unter milderenBedingungen durch.<strong>Die</strong> Orientierung der elektrophilen Substitution ist so gut wie ausschließlich kinetischbestimmt; für die Produktverteilung sind die relativen Geschwindigkeiten derReaktionen an den verschiedenen C-Atomen der cyclischen Systeme maßgebend.Man erhält diese, relativ auf Benzol bezogenen Konstanten experimentell im Konkurrenzversuch,indem man definierte Gemische aus der Probesubstanz, beispiels-


238 Kapitel III. Aromatische Substitution, Iweise Chlorbenzol, und Benzol mit einem Unterschuß eines elektrophilen, beispielsweisenitrierenden, Agenzes behandelt. Im gewählten Beispiel zeigt sich dann, daßneben 1000 Molekülen Benzol nur 33 Moleküle Chlorbenzol nitriert werden; dieKonkurrenzkonstante K <strong>des</strong> Chlorbenzols bezogen auf Benzol ist somit 0,033.Während bei der Nitrierung <strong>des</strong> Benzols jede der 6 CH-Gruppen die gleiche Reaktionschancebesitzt, liefert die Nitrierung <strong>des</strong> Chlorbenzols, wie ein weiterer Versuchergibt, 29,6% o-, 0,9% m- und 69,5% /?-Nitrochlorbenzol. Es gilt somitv- _ Chlorbenzol2 /Cp + 2 /C m H- /C p _-Benzolwobei /C 0 , k m und k p als die partiellen Reaktionsgeschwindigkeitskonstanten bezeichnetwerden. <strong>Die</strong> auf eine Benzolposition, deren spezifische Reaktionsgeschwindigkeit/C H = l gesetzt wird, bezogene Reaktionsgeschwindigkeitskonstante /C 0 einero-Position <strong>des</strong> Chlorbenzols berechnete sich dann zu~ 0,033- 6 = 0,029Entsprechend gilt fc m = 0,0009 und fc p = 0,137. <strong>Die</strong>se partiellen Reaktionsgeschwindigkeitskonstantengeben das Ausmaß der Aktivierung oder Desaktivierungan, die der Erstsubstituent in jeder der möglichen Positionen bewirkt.Zur Illustration dieses wertvollen Prinzips seien von einigen Verbindungen diepartiellen Reaktionsgeschwindigkeitskonstanten der Nitrierung aller Positionen bezogenauf Benzol (/c Benzol = 1) angegeben:NH-C 6 H 52 -IQ0.029110.0290.001 k^ 0.0010.1378 ' 10 '5-10 68-10 6Wie bei der Bromierung beschleunigen auch hier aktivierende (das heißt die Reaktionsgeschwindigkeiterhöhende) Reste die Substitution vorwiegend in o- und p-Stellung, wirken also o- und /^-dirigierend. Dagegen wird bei den stark <strong>des</strong>aktiviertenBenzolabkömmlingen die m-Substitution bevorzugt. Bei den Halogenbenzolen tritttrotz Gesamt<strong>des</strong>aktivierung überwiegend o- und/?-Substitution auf. Es liegt auch hierein unschwer zu durchschauen<strong>des</strong> Zusammenspiel von mesomeren, induktiven undsterischen Substituenteneffekten vor, in welchem der + M-Effekt <strong>des</strong> Halogens dieSubstitutionsrichtung, der — !-Effekt aber die Reaktionsgeschwindigkeit bestimmt.<strong>Die</strong> bei der Halogenierung noch nicht erwähnte Reaktionsförderung durch Alkylresteerstreckt sich vorwiegend auf o- und /7-Substitution. Für die Elektronenlieferungder Alkylgruppen sind zwei Effekte verantwortlich zu machen: der induktive,der in der Elektronegativität (sp 2 -C > sp 3 -C) seine Ursache hat und in der Reihe


Reaktionsgeschwindigkeit der Nitrierung 239CH 3 < C 2 H 5 < CH(CH 3 J 2 < C(CH 3 J 3zunimmt, sowie möglicherweise durch Hyperkonjugation, die bei CH 3 am stärkstenund bei C(CH 3 ) 3 am schwächsten ausgeprägt ist. Als Hyperkonjugation (Baker-Nathan-Effekt) bezeichnet man die Tatsache, daß die C,H-Bindung als Elektronendonatordient und zum Beispiel im Fall der Substitution <strong>des</strong> Toluols eine zusätzlicheDelokalisierung der positiven Formalladung ermöglicht, wie mit der dritten undvierten Grenzformel symbolisiert werden soll:<strong>Die</strong> theoretische Deutung dieses Effektes ist jedoch nicht unumstritten.Mit wachsendem Wirkungsradius <strong>des</strong> Alkylrests kommt es außerdem zu einersteigenden sterischen Behinderung <strong>des</strong> Angriffs auf die 0-Stellung. So ist das Verhältniso-Substitution: /7-Substitution beim Toluol 1,57 aber beim Cumol nur 0,22.Bei den anellierten mehrkernigen aromatischen Kohlenwasserstoffen Phenanthrenund Pyren wächst die Geschwindigkeit der Nitrierung mit steigender Ringzahl. BeimNaphthalin sind die partiellen Reaktionsgeschwindigkeitskonstanten für die a- und^-Stellungen 470- bzw. 50mal so groß wie die <strong>des</strong> Benzols (die entsprechenden Aktivierungsschwellenalso entsprechend kleiner).Bei der Bildung <strong>des</strong> a-Komplexes aus Naphthalin und dem elektrophilen Agensbleibt die Mesomerie eines Benzolkerns unangetastet. Von den 255 kJ/mol (61 kcal/mol) Mesomerieenergie <strong>des</strong> Naphthalins müssen also nur 105 kJ/mol (25 kcal/mol)(255-150 kJ/mol) aufgebracht werden. <strong>Die</strong> Grenzformeln machen auch die Bevorzugungder a-Substitution klar.H NO 2Natürlich sind an der Mesomerie der Zwischenstufe auch Grenzformeln beteiligt,die die positive Ladung im zweiten Kern tragen. Bei der Bromierung <strong>des</strong> Naphthalinsist die !-Stellung sogar lOOfach gegenüber der 2-Position bevorzugt.Aktivierende Erstsubstituenten dirigieren die Zweitsubstitution <strong>des</strong> Naphthalinsin denselben Kern, <strong>des</strong>aktivierende in den Nachbarkern (da sie diesen weniger beeinflussen).


240 Kapitel III. Aromatische Substitution, IOHOHo- und p-NitrophenolOHOHHNO 340g Natriumnitrat oder 50g Kaliumnitrat werden in einem 0,5-l-Rundkolben unter Erwärmenin 100 ml Wasser gelöst. Vor dem völligen Abkühlen auf Raumtemperatur läßtman vorsichtig unter Umrühren 50g konz. Schwefelsäure zufließen und dann bei 2O 0 Cunter mechanischem Rühren aus einem Tropftrichter die durch Erwärmen verflüssigteMischung von 25 g kristallisiertem Phenol und 2,5 ml Wasser zutropfen, wobei man dieTemperatur stets zwischen 20 und 25 0 C hält. Nach 2stündigem Stehenlassen bei Raumtemperaturversetzt man mit dem doppelten Volumen Wasser, läßt unter Kühlung mitEis/Wasser absitzen, gießt die wässerige Schicht so gut wie möglich von dem Öl ab, wiederholtdas Auswaschen mit Wasser noch 3mal und <strong>des</strong>tilliert das o-Nitrophenol mitWasserdampf ab. Das abgesaugte und zwischen Filtrierpapier getrocknete gelbe Präparatist im allgemeinen schmelzpunktrein; falls nicht, wiederholt man die Dampf<strong>des</strong>tillation.Schmp. 45 0 C; Ausbeute 12g (33%). — Das mitentstandene kaum flüchtige p-Nitrophenol wird anschließend aus dem Rückstand der Wasserdampf<strong>des</strong>tillation isoliert.Hierzu läßt man über Nacht im Kühlschrank stehen, saugt das Rohprodukt ab und kristallisiertes unter Zusatz von ca. 2 g Tierkohle aus 250 ml 0,5N Salzsäure um. Das ersteKristallisat beträgt 4g, aus der Mutterlauge kristallisieren nach Einengen weitere 2,5g<strong>des</strong> fast farblosen p-Nitrophenols vom Schmp. 114 0 C (18%).<strong>Die</strong> Flüchtigkeit <strong>des</strong> o-Nitrophenols rührt von der intramolekularen Wasserstoffbrückeher, die keine starke Bindung an umgebende Lösungsmittelmoleküle (Solvatation)oder gleiche Nachbarmoleküle zuläßt.


Nitrosierung der Aromaten 241m- und/7-Nitrophenol sind in reinem Zustand farblos; 0-Nitrophenol ist gelb. <strong>Die</strong>Salze aller drei Nitrophenole sind intensiv farbig, und zwar in der o- und m-Reiherotorange bzw. gelborange, in der /?-Reihe tiefgelb (Anwendung von p-Nitrophenolals Indikator). <strong>Die</strong> Ablösung <strong>des</strong> Protons hat also einen bathochromen, das heißtfarbvertiefenden, Effekt zur Folge. (Darunter versteht man allgemein eine Verschiebungder Lichtabsorption nach längeren Wellen.) Der bathochrome Effekt der Salzbildung<strong>des</strong> Phenols selbst ist mit dem Auge nicht erkennbar, das Ultraviolett-Absorptionsspektrumzeigt aber die charakteristische Bandenverschiebung. Mit der Einführungder chromophoren Nitrogruppe in das Phenolat überschreitet die langwelligeAbsorptionsbande die Grenze zum Sichtbaren.Phenole lassen sich schon mit verdünnter Salpetersäure nitrieren. Da die Nitrierungbei völliger Abwesenheit von salpetriger Säure nur langsam in Gang kommt unddurch Spuren von Nitrit beschleunigt wird, liegt der - allerdings nicht streng bewiesene- Schluß nahe, daß es sich hier eigentlich um eine Nitrosierung handelt und dieNitroverbindung durch eine sich rasch anschließende Oxidation der primär gebildetenNitrosophenole entsteht. Dabei wird aus Salpetersäure neue salpetrige Säure gebildet,die den Kreisprozeß fortsetzt.'i v\ LJM/"V // V\• NO 2 + HNO 2Allerdings ist das Verhältnis von o- zu /7-Nitrophenol bei der Nitrierung etwa 1:1,während bei alleiniger Nitrosierung die /^-Stellung fast lOfach bevorzugt ist.Hier sei auch die Hydroxynitrierung erwähnt, ein Prozeß, bei dem zum Beispiel ausBenzol mit 55prozentiger Salpetersäure in Gegenwart von Quecksilbernitrat undetwas salpetriger Säure 2,4-Dinitro- oder 2,4,6-Trinitrophenol gebildet wird. Dabeifindet als erstes eine elektrophile Mercurierung <strong>des</strong> Benzols statt. Der Quecksilberrestwird kationisch von NO + verdrängt, das so entstandene Nitrosobenzol gehtdurch Reaktion mit Stickoxiden über das Diazoniumion (vgl. S. 600) in Phenol über,welches nun nitriert wird.Hg(NO 3I 2Phenole und Arylamine werden mit Quecksilber(II)-acetat in o- und ^-Stellungmercuriert. Thiophen, das dem Benzol aus Steinkohlenteer beigemengt ist, wird rascherelektrophil substituiert als Benzol und kann durch Mercurierung oder Sulfonierung(siehe S. 244) selektiv entfernt werden.


242 Kapitel III. Aromatische Substitution, I/V,/V-Dimethyl-p-nitrosoanilinIn einem 1-l-Stutzen werden 40g (0,33 mol) Dimethylanilin in 250 ml halbkonz. (alsoetwa 5N) Salzsäure gelöst. Man umgibt den Stutzen mit Eis, gibt 200 g Eis hinein undläßt aus einem Tropftrichter unter mechanischem Rühren während 20 min die kalte Lösungvon 25 g Natriumnitrit (0,36 mol) in 100 ml Wasser zufließen; dabei soll die Temperaturnicht über 5 0 C steigen, und es sollen sich keine nitrosen Gase entwickeln. Nacheinstündigem Stehenlassen saugt man das orangegelbe Hydrochlorid scharf ab undwäscht zweimal mit eiskalter 2N Salzsäure und dann mit wenig kaltem Ethanol. NachTrocknen an der Luft erhält man 50—55 g (82-90%) /V,/V-Dimethyl-p-nitroso-aniliniumchlorid,das für die Reduktion (S. 576) und die Freisetzung <strong>des</strong> Dimethylamins (S. 278)genügend rein ist. - Zur weiteren Reinigung <strong>des</strong> Hydrochlorids löst man das noch feuchtePräparat in 600 ml heißer 2N Salzsäure, ohne dabei bis zum Sieden zu erhitzen. NachZusatz von 200 ml 95 proz. Ethanol und 100 ml konz. Salzsäure bewahrt man über Nachtim Kühlschrank auf, wobei sich das Hydrochlorid wieder abscheidet. Nach Absaugenund Auswaschen mit wenig eiskalter 2iM Salzsäure gelangt man zu 35-38 g /V,/V-Dimethyl-p-nitrosoaniliniumchloridmit Schmp. gegen 18O 0 C (Zers.). — Herstellung derfreien Base: In einem 500-ml-Erlenmeyerkolben suspendiert man 20 g <strong>des</strong> umkristallisiertenHydrochlorids (0,11 mol) im zweiphasigen System aus je 50 ml Wasser undMethylendichlorid. Unter Rühren läßt man in 5—10min 70 ml 2N Natriumcarbonat-Lösung zufließen. Nach weiterem 5-minütigen Rühren trennt man im Scheidetrichter undschüttelt die wässerige Phase 2mal mit je 20 ml Methylendichlorid aus. <strong>Die</strong> vereinigten<strong>organischen</strong> Lösungen wäscht man mit wenig Wasser und trocknet sie über Calciumchlorid.Man <strong>des</strong>tilliert das Lösungsmittel am Rotationsverdampfer ab und nimmt denRückstand in 40 ml siedendem Benzol auf. Nach Abkühlenlassen auf 4O 0 C wird mitdem gleichen Volumen Petrolether (Sdp. 40—8O 0 C) versetzt und mehrere Stunden imKühlschrank aufbewahrt. Nach Absaugen wäscht man mit wenig eiskaltem Gemischaus gleichen Teilen Benzol und Petrolether und erhält etwa 13g (26%) /V,/V-Dimethylp-nitrosoanilinals grüne Blättchen mit Schmp. 84-86 0 C.Im Gegensatz zum dimeren Nitrosobenzol (S.490) liegt das AT,Af-Dimethyl-/7-nitrosoanilin im kristallisierten Zustand in der monomeren grünen Form vor. Mandarf wohl die Mesomerie mit der zwitterionischen Grenzformel für diese Stabilisierungverantwortlich machen.Bemerkenswert ist die leichte nucleophile Substituierbarkeit der Dimethylaminogruppedurch OH ~, die zur Gewinnung von reinem Dimethylamin ausgenutzt werdenkann (siehe S. 278).<strong>Die</strong> Alkylierung <strong>des</strong> A^N-Dimethyl-p-nitrosoanilins findet am Nitrosostickstoffstatt. <strong>Die</strong> Reaktionsprodukte liefern mit Alkalihydroxid Nitrone, zwitterionische Verbindungen,deren Bindungssystem demjenigen der Azoxyverbindungen entspricht.


N-Nitrosierung 243R-CH 2 -HaI + ON-V V N(CH 3 ) 2 + NaOH ——R-CH = N-/ V N(CH 3 J 2 + NaCl + H 2 O"OIm allgemeinen werden Nitrone durch JV-Alkylierung von Oximen oder durch Umsetzungvon N-Alkylhydroxylaminen mit Carbonylverbindungen hergestellt.C=O + N-CH 3 —> C=N-CH 3 < C=N + X-CH 3R HO R gROH<strong>Die</strong> Protonierung <strong>des</strong> JV,JV-Dimethyl-4-nitrosoanilins erfolgt am Sauerstoff undführt zum gelben chinoiden Immoniumion.Bei Nitrosierungen wie der <strong>des</strong> N,N-Dimethylanilins darf das Nitrosierungsmittelnicht im Überschuß eingesetzt werden, da dieser die gebildete Nitrosoverbindung zurNitroverbindung und anderen Folgeprodukten oxidiert.Sekundäre Arylamine wie AT-Methylanilin oder Diphenylamin liefern schon inschwach saurer Lösung gelbe Nitrosamine. Zur Einführung der Nitrosogruppe amStickstoff ist nicht nur das Nitrosylion (vgl. S. 241) befähigt, sondern vermutlich auchHONO, N 2 O 3 und NOCl. <strong>Die</strong> erwähnten Nitrosamine lassen sich durch Chlorwasserstoffin Alkohol, Ether oder Eisessig in die /?-Nitroso-Verbindung umlagern(O.Fischer und E.Hepp). Es liegt jedoch keine echte intramolekulare Gruppenverschiebungvor, sondern eine Entnitrosierung, gefolgt von einem irreversiblen Eintrittder Nitrosogruppe in die/?-Position.HCl<strong>Die</strong> milde Abspaltbarkeit der Nitrosogruppe vom Stickstoff aromatischer oderaliphatischer Nitrosamine kann zur Isolierung und Reinigung sekundärer Aminedienen, die als Nitrosamine aus wässeriger Lösung ausfallen oder mit <strong>organischen</strong>Lösungsmitteln extrahiert und durch kurze Säurebehandlung regeneriert werden.Nitrosamine sind wegen ihrer starken cancerogenen Wirkung mit äußerster Vorsichtzu handhaben!


244 Kapitel III. Aromatische Substitution, ISulfonierungNatriumbenzolsulf onatMan versetzt 15Og flüssige rauchende Schwefelsäure mit 5—8% SO 3 -Gehalt in einem300-ml-Erlenmeyerkolben unter gutem Umschütteln allmählich mit 44,5ml (39,0 g,0,5 mol) Benzol und wartet dabei nach jeder Zugabe, bis sich der letzte Anteil, welcheranfangs auf der Schwefelsäure schwimmt, beim Umschütteln gelöst hat. (<strong>Die</strong> Sulfonierungerfordert etwa 10—15min.) Man läßt das Reaktionsgemisch aus einem Tropftrichterlangsam unter Umrühren in 500 ml eisgekühlte, kalt gesättigte Kochsalz-Lösungin einem 1-1-Becherglas fließen. Nach einiger Zeit, besonders leicht, wenn man dieWandungen <strong>des</strong> Glases mit einem Glasstab reibt, scheidet sich das Produkt in glänzendenBlättchen aus; nach längerem Stehen hat sich ein dichter Kristallbrei gebildet. Mansaugt ab, preßt den Niederschlag mit einem Glasstopfen fest und wäscht 2mal mit weniggesättigter Kochsalz-Lösung. Das auf Filtrierpapier oder Ton luftgetrocknete Salz wirdpulverisiert und im Trockenschrank auf 11O 0 C erhitzt, bis es staubtrocken ist. Ausbeuteetwa 10Og mit Natriumchlorid verunreinigtes Natriumbenzolsulfonat. -Zur Reinigungkristallisiert man 5g <strong>des</strong> Rohprodukts aus absolutem Ethanol um (Natriumchlorid ist inAlkohol sehr wenig löslich). Um das als Nebenprodukt entstandene Diphenylsulfon abzutrennen,erwärmt man 30 g <strong>des</strong> pulverisierten Salzes mit 50 ml Ether, filtriert warm undwäscht mit Ether. Nach Verdampfen <strong>des</strong> Ethers erhält man eine kleine Menge kristallinesDiphenylsulfon, das nach Umkristallisieren im Reagenzglas aus Ligroin bei 128—129 0 Cschmilzt.<strong>Die</strong> aromatischen Sulfonsäuren gehören zu den stärksten Säuren der <strong>organischen</strong>Chemie und stehen in der Aciditätskonstante nur wenig hinter der Schwefelsäurezurück. Ihre Wasserlöslichkeit (Benzolsulfonsäure ist sehr hygroskopisch) und zuweilengeringe Kristallisationsneigung erschweren die Isolierung. Dagegen lassensich die Natrium- oder Kaliumarylsulfonate häufig aussalzen, wie das Beispiel Natriumbenzolsulfonatzeigt. <strong>Die</strong> Erdalkalisalze sind im allgemeinen leidlich wasserlöslich;das bietet die Möglichkeit, im Anschluß an die Sulfonierung die überschüssigeSchwefelsäure als Calcium- oder Bariumsalz zu entfernen. Aus den löslichen Erdalkaliarylsulfonatenkann man dann durch Umsetzung mit Alkalicarbonaten leichtdie sulfonsauren Alkalisalze gewinnen.Zur Sulfonierung <strong>des</strong> aromatischen Kerns gemäßArH + H 2 SO 4 ^ ArSO 3 H + H 2 Ogenügt bereits konzentrierte Schwefelsäure; rauchende Schwefelsäure reagiert jedochwesentlich rascher. Daß das Schwefeltrioxid das aktive elektrophile Agens ist, zeigen


Mechanismus der Sulfonierung 245Sulfonierungen mit den kristallisierten Komplexen aus SO 3 und Dioxan oder Pyridinsowie mit der Lösung von SO 3 in Nitrobenzol.SOoHIn rauchender Schwefelsäure (Oleum) liegt das SO 3 wohl vorwiegend solvatisiertals H 2 S 2 O 7 vor. Für die Sulfonierungen mit konz. Schwefelsäure macht man ein vorgelagertesAutoprotolyse-Gleichgewicht verantwortlich mit dem hypothetischenHSOJ als aktiver Stufe.3H 2 SO 4 ^± HSO 3++ H 3 O + + 2HSO 4In geringem Ausmaß reagieren die entstandenen Arylsulfonsäuren zu Diarylsulfonenweiter. Sulfone sind recht stabile Neutralkörper; ihre Herstellung durch Oxidationvon Thioethern wurde schon S. 161 an einem Beispiel beschrieben.C 6 H 5 SO 2 OH + C 6 H 6 > C 6 H 5 SO 2 C 6 H 5 + H 2 O<strong>Die</strong> Abhängigkeit der Sulfonierungsgeschwindigkeit von der Natur der aromatischenVerbindung ist im großen ganzen die gleiche wie bei Halogenierung und Nitrierung,wenngleich quantitativ etwas schwächer ausgeprägt. Der Sulfonsäurerestzeigt eine starke induktive Elektronenanziehung. <strong>Die</strong> Zweitsulfonierung ist daher erschwertund ergibt nahezu reine Benzol-m-disulfonsäure. Mit hochprozentigemOleum ist auch die Benzol-l,3,5-trisulfonsäure erhältlich.<strong>Die</strong> Sulfonierung ist ein reversibler Prozeß. <strong>Die</strong> Desulfonierung zu Kohlenwasserstoffund Schwefelsäure erfolgt, je nach der Natur <strong>des</strong> Arylrestes, in siedender verdünnterbis SOprozentiger Schwefelsäure. Normalerweise entspricht einer leichterenSulfonierung auch eine größere Hydrolyseempfindlichkeit. <strong>Die</strong> partielle Sulfonierungmit anschließender Hydrolyse besitzt zur Trennung von Kohlenwasserstoffgemischeneinige Bedeutung.Mit überschüssiger D 2 SO 4 kann man in einer Folge elektrophiler SubstitutionenBenzol bis zum [D 6 ]Benzol deuterieren.Benzolsulf ochloridPCi 5Man mischt 80g <strong>des</strong> nach S. 244 gewonnenen rohen Natriumbenzolsulfonats mit 50gpulverisiertem Phosphorpentachlorid in einem 500-ml- Rundkolben, erhitzt unter demAbzug 6 h im Ölbad auf 180 0 C und rührt dabei ab und zu um. Das abgekühlte Reak-


246 Kapitel III. Aromatische Substitution, Itionsprodukt gießt man langsam in einen Schütteltrichter, der 600 ml Eis/Wasser enthältschüttelt mehrfach um, nimmt nach einstündigem Stehenlassen das Benzolsulfochloridmit Ether auf, wäscht die etherische Phase mit Wasser, trocknet sie mit wenigCalciumchlorid und <strong>des</strong>tilliert nach dem Abdampfen <strong>des</strong> Ethers im Vakuum. <strong>Die</strong> Hauptmengeder charakteristisch riechenden Flüssigkeit geht bei 120—124 0 C /12 Torr über;Ausbeute 40-50 g. Reines Benzolsulfochlorid erstarrt in Eiswasser und schmilzt bei14 0 C.Sulfonsäurechloride stellt man meist aus Alkalisulfonaten mit PCl 5 oder POCl 3her.3ArSOoNa + + PCI 5 > 3ArSO 2 CI + 2NaCI + NaPO 3<strong>Die</strong> Chlorsulfonsäure macht es möglich, die Sulfochloridgruppe direkt in den aromatischenKern einzuführen. Mit Benzol erhält man so bei Raumtemperatur in75prozentiger Ausbeute Benzolsulfochlorid.C 6 H 6 + 2HOSO 2 CI > C 6 H 5 SO 2 CI + H 2 SO 4 + HCISulfochloride lassen sich mit Alkoholen oder Aminen in Sulfonsäureester bzw.Sulfonamide überführen, jedoch vollziehen sich diese Umsetzungen viel langsamerals bei den Carbonsäurechloriden. Daß man Benzolsulfochlorid, wenn auch nichtganz unzersetzt, mit Wasserdampf <strong>des</strong>tillieren kann, beweist die Hydrolysestabilitätin neutralem bis schwach saurem Medium. <strong>Die</strong> Alkylester der Benzolsulfonsäureund der billigeren /7-Toluolsulfonsäure (S. 247) sind geschätzte Alkylierungsmittel.Man gewinnt sie durch dosierten Zusatz starker Natronlauge zur Lösung <strong>des</strong> Sulfochloridsim betreffenden Alkohol.Versuch: Benzolsulfonamid - In einer Porzellanschale verreibt man 10g feinpulverisiertesAmmoniumcarbonat mit etwa 1 ml Benzolsulfochlorid und erwärmt die Mischungunter gutem Umrühren über einer kleinen Flamme, bis der Geruch <strong>des</strong> Sulfochlorids verschwundenist. Nach dem Abkühlen versetzt man mit Wasser, saugt ab, wäscht mehrfachmit Wasser und kristallisiert aus Ethanol um, dem man bis zur Trübung heißes Wasserhinzufügt, Schmp. 156-157 0 C.<strong>Die</strong> Sulfochloride reagieren mit primären und sekundären Aminen viel rascher alsmit dem weniger nucleophilen Hydroxylion. Man kann die Sulfonamide durchSchütteln der Komponenten in lOprozentiger Natronlauge herstellen. Auch Pyridinist als HCl-Akzeptor geeignet. Auf die analytische Bedeutung der Sulfonamide zurTrennung von primären und sekundären Aminen wurde schon S. 158 hingewiesen.Darüber hinaus lassen sich flüssige primäre oder sekundäre Amine als kristallineBenzol-, Toluol- oder /?-Brombenzolsulfonyl-Derivate charakterisieren.


7-Toluolsulfonsäure 247<strong>Die</strong> stark elektronenanziehende Sulfonylgruppe erhöht die Acidität <strong>des</strong> N-gebundenenWasserstoffs der Sulfonamide so stark, daß diese in wässeriger Natronlaugeals Salze löslich sind.C 6 H 5 SO 2 NHR + OH- > C 6 H 5 SO 2 -S-R + HOHNur formal ist der Stickstoff <strong>des</strong> Anions Träger einer vollen negativen Ladung; dergrößte Teil davon wird vom Sulfonylrest abgezogen. - Mit Halogenierungsreagenzien,zum Beispiel Hypochloriten, geben primäre Sulfonamide N-Mono- oder N 9 N-DihalogenVerbindungen, die als Oxidations- oder Desinfektionsmittel (Chlorlieferanten)Verwendung finden. Ein wichtiger Vertreter ist das A^N-Dichlor-p-toluolsulfamid(Chloramin T).p-ToluolsulfonsäureCH 3 CH 3H 2SO 4^SO 3 HIn einem 500-ml-Kolben mit Wasserabscheider (siehe S. 54, das seitliche Rohr sollmöglichst 10—15ml fassen) werden 40 ml (74g, 0,72 mol) konz. Schwefelsäure und200 ml (174g, 1,90 mol) Toluol auf dem Babo-Trichter oder im Luftbad (nach Zugabevon Sie<strong>des</strong>teinchen) zu kräftigem Sieden erhitzt. Von Zeit zu Zeit wird das abgeschiedeneWasser in einen kleinen Meßzylinder abgelassen. Nach etwa 5-stündigem Kochen, wennsich 16-18 ml Wasser gesammelt haben (theoretisch entstehen bei der Reaktion 13,0 mlWasser), läßt man abkühlen und versetzt mit 12,5 ml Wasser, wobei der Kolbeninhalt erstarrt.Man saugt ab und preßt zur Entfernung von Toluol und o-Toluolsulfonsäure gutauf einem Tonteller ab, löst das zurückbleibende p-Toluolsulfonsäure-hydrat in etwa70 ml heißem Wasser, kocht mit etwas Kohlepulver auf, saugt auf einer vorgewärmtenNutsche bei geringem Unterdruck ab, wäscht mit 20 ml kochendheißem Wasser undleitet in die erkaltete Lösung unter Kühlung durch ein weites Rohr (08mm) Chlorwasserstoffgasbis zur Sättigung ein. <strong>Die</strong> abgeschiedenen Kristalle werden auf einemsäurefesten Filter oder auf einer Glasfritte abgesaugt, mit wenig eiskalter konz. Salzsäuregewaschen und noch 2mal in der gleichen Weise umkristallisiert. Man trocknet schließlichim Vakuum über Kaliumhydroxid, das man vorher pulverisiert und mehrfach erneuert,bis die Kristalle <strong>des</strong> p-Toluolsulfonsäure-monohydrats völlig frei von Salzsäure sind(Probe mit Silbernitrat-Lösung). Schmp. 104-105 0 C; Ausbeute nach Smaligem Umkristallisieren50-54 g (36-39%).<strong>Die</strong> Sulfonierung mit einem Unterschuß an Schwefelsäure erlaubt die direkte Isolierungder freien Sulfonsäure. <strong>Die</strong>s wird dadurch ermöglicht, daß das bei der Reaktiongebildete Wasser, das bei Anwendung der stöchiometrischen Menge Schwefel-


248 Kapitel III. Aromatische Substitution, Isäure deren sulfonierende Wirkung bald aufheben würde (daher der Überschuß beider Methode von S. 244), ab<strong>des</strong>tilliert und mit einem Wasserabscheider (Abb. 46)vom Toluol getrennt wird. Mit diesem Kunstgriff läßt sich die gesamte Schwefelsäureaufbrauchen.Sulfoniert man Toluol bei O 0 C mit Oleum (Bedingungen, unter denen keine Desulfonierungstattfindet), so gelangt man zu einem Gemisch aus 43% o-, 4% m- und53% /7-Toluolsulfonsäuren. <strong>Die</strong>ses Verhältnis entspricht wohl dem der Reaktionsgeschwindigkeitskonstantenfür die 0-, m- und /?-Sulfonierung bei dieser „kinetischkontrollierten Reaktion".Bei der Sulfonierung oberhalb 100 0 C mit noch etwas Wasser enthaltender Schwefelsäurekommt dagegen auch die Desulfonierung zum Zug. In einer Folge von Sulfonierungs-und Hydrolyseschritten wird das kinetische Produktgemisch von demthermodynamischen Gleichgewicht der drei isomeren Toluolsulfonsäuren unterein-Toluol + H 2 SO 4 ^± Toluolsulfonsäuren + H 2 Oander überlagert. <strong>Die</strong>se „thermodynamisch kontrollierte Reaktion" liefert bis zu90% /?-Toluolsulfonsäure als stabiles Isomeres. Da sehr häufig ein und dieselbe Reaktionbei kinetischer oder thermodynamischer Kontrolle verschiedene Produkteliefert, bietet sich in der Wahl der Reaktionsbedingungen oft eine Möglichkeit, dieAusbeute an gewünschtem Produkt zu erhöhen.<strong>Die</strong> 0-Toluolsulfonsäure ist Zwischenstufe bei der Herstellung <strong>des</strong> SüßstoffesSaccharin. Man überführt zu <strong>des</strong>sen Herstellung ein Gemisch aus o- und p -Toluolsulfonsäurenin die Sulfochloride, friert das bei 69 0 C schmelzende/?-Isomere aus undbehandelt den an der 0-Verbindung angereicherten flüssigen Teil mit Ammoniak. DasSulfonamid wird mit Permanganat zur 2-(Aminosulfonyl)benzoesäure oxidiert; dieseschließt spontan den Ring zum l,2-Benzisothiazol-3(2//>on-dioxid, <strong>des</strong>sen Natriumsalzals Süßstoff Verwendung findet.Als Nebenprodukt der Saccharinfabrikation ist /7-Toluolsulfochlorid (Tosylchlorid)billig erhältlich. Der Tosylrest und noch mehr der der /7-Brombenzolsulfonsäure(„Brosylrest") sowie die Reste der aliphatischen Methansulfonsäure („Mesylrest")und besonders der Trifluormethansulfonsäure („Triflatrest") gehören zu denstarken nucleofugen Gruppen.


Reversibilität der Sulfonierung 249Natrium-naphthalin-2-sulfonatH2SO4In einem 250-ml-Weithalskolben mit mechanischem Rührer und Tropftrichter werden64g (0,50 mol) reines Naphthalin (Sdp. 93—94 0 C/12 Torr) im Ölbad geschmolzenund unter stetem Rühren auf 165 0 C (Badtemperatur) erhitzt. Bei dieser Temperatur läßtman in 30 min 38 ml (70g, 0,67 mol) konz. Schwefelsäure zutropfen. Man erwärmt dasReaktionsgemisch unter Rühren 2 h auf 165-167 0 C, 1 h auf 17O 0 C und schließlich 1 hauf 173 0 C (dabei verdampfen Wasser und etwas Naphthalin). Dann gießt man diebraune, noch heiße Reaktionsmischung in 450 ml Wasser in einem 1-1-Becherglas. Ausder so gewonnenen Lösung wird die Sulfonsäure als Natriumsalz gefällt, indem man untermechanischem Rühren vorsichtig 15g Natriumcarbonat-decahydrat und danach langsam90 g gepulvertes Natriumchlorid einstreut. <strong>Die</strong> Lösung erstarrt in kurzer Zeit zu einemBrei, der noch 6 h kräftig gerührt werden muß, um die Ausscheidung zu vervollständigen.Der hellbraune Niederschlag wird auf einer großen Nutsche zunächst vorsichtig abgesaugt,dann scharf abgepreßt (Dauer etwa 45min). Zur Reinigung löst man das roheSalz in 1 I heißem Wasser, erhitzt 15 min mit 15g Kohlepulver zum schwachen Siedenund filtriert durch ein mit siedendem Wasser angefeuchtetes und vorgewärmtes großesFaltenfilter. Der Filterrückstand wird 3mal mit je 50 ml heißem Wasser ausgewaschen.Aus dem abgekühlten Filtrat kristallisiert das Natriumsalz in farblosen, glänzenden Blättchen.Nach mehrstündigem Aufbewahren im Kühlschrank saugt man ab und wäscht aufder Nutsche 2mal mit je 50 ml eiskaltem Wasser. <strong>Die</strong> Mutterlauge wird im Vakuum zusammenmit allem Waschwasser bis auf etwa 300 ml eingeengt und im Kühlschrank aufbewahrt.<strong>Die</strong> sich dabei abscheidende zweite Fraktion wird nach scharfem Absaugendurch 2maliges Suspendieren in je 50 ml eiskaltem Wasser gewaschen und mit der erstenFraktion vereint im Trockenschrank bei 100-11O 0 C getrocknet. Nach dieser Reinigungenthält das Präparat kaum noch Chloridionen (Probe mit Silbernitrat-Lösung).Ein elegantes Verfahren zur direkten Darstellung der freien Naphthalin-2-sulfonsäureaus den Komponenten findet man bei O. N. Witt [Ber. Dtsch. Chem. Ges. 48,751 (1915)]. Es sei zur Abwechslung an Stelle der gegebenen Vorschrift empfohlen.Das Trihydrat schmilzt bei 83 0 C.Naphthalin wird leichter sulfoniert als Benzol. Nimmt man die Substitution unterhalb4O 0 C vor, erhält man Naphthalin-1-sulfonsäure und -2-sulfonsäure im Verhältnis96 : l im Einklang mit der üblichen Bevorzugung der !-Substitution (S. 239). Arbeitetman dagegen in wasserhaltiger Schwefelsäure bei 17O 0 C, also wie beim obigenPräparat (bei der Sulfonierung wird Wasser gebildet), stellen sich die folgendenGleichgewichte ein:SO 3 H,SO 3 H•T ^l r^ .Y ^XT' *^/**^H 7 SO/


250 Kapitel III. Aromatische Substitution, IEtwa 15% 1-Sulfonsäure und 85% 2-Sulfonsäure sind das Ergebnis dieser thermodynamischkontrollierten Reaktion. (Auch aus der reinen 1-Sulfonsäure erhält manunter diesen Bedingungen das gleiche Gleichgewichtsgemisch.) Daraus folgt, daß sowohldie Reaktionsgeschwindigkeit der Bildung, als auch die der Hydrolyse von 1-Naphthalinsulfonsäure größer sind, als die von 2-Naphthalinsulfonsäure.<strong>Die</strong> Isomerengleichgewichte scheinen von sterischen Faktoren beeinflußt zu sein.<strong>Die</strong> voluminöse Sulfonsäuregruppe wird in der !-Position <strong>des</strong> Naphthalins vomWasserstoff in Stellung 8 behindert. Auch beim Toluol liegt nur wenig o-Sulfonsäureim Gleichgewicht vor (S. 248).Andere Verhältnisse scheinen beim Anthrachinon zu herrschen, das erst bei höhererTemperatur von Oleum, und zwar ausschließlich in 2-Stellung, sulfoniert wird.Zugabe von Quecksilber beeinflußt den Prozeß derart, daß man unter gleichen Bedingungenein Gemisch von 97% 1-Sulfonsäure und 3% 2-Sulfonsäure erhält (R.E.Schmidt, 1903). Da man die Säuren nicht wechselseitig ineinander überführen kann,hat man es in beiden Fällen mit kinetisch kontrollierten Reaktionen zu tun. Möglicherweiseerklärt eine primäre Mercurierung das Katalysephänomen.Anilin wird besonders leicht sulfoniert. <strong>Die</strong> als Komponente für Azofarbstoffewichtige Sulfanilsäure wird durch Erhitzen <strong>des</strong> Aniliniumhydrogensulfats auf 200 0 C(„Backverfahren") gewonnen.C 6 H 5 -NH 3 + HSO A ~ -^=^- C 6 H 5 -NH 2 + H 2 SO 4 -<strong>Die</strong> Eigenschaften der Sulfanilsäure sprechen für das Vorliegen eines inneren Salzes(„Zwitterion"). Da die aromatische Aminogruppe schwach basisch, die Sulfogruppedagegen stark sauer reagiert, ist es verständlich, daß die Sulfanilsäure nur mit Alkalihydroxiden,nicht aber mit verdünnten Mineralsäuren Salze bildet.<strong>Die</strong> Amide der Sulfanilsäure sind wertvolle Chemotherapeutika gegen Streptokokken-und Staphylokokken-Infektionen (G. Domagk, 1934). <strong>Die</strong> Stammverbindungwurde mehr und mehr von Abkömmlingen verdrängt, die einen aromatischheterocyclischenRest am Stickstoff tragen, zum Beispiel dem Sulfathiazol.N^-SO 2 -NH-C/ JUm solche Verbindungen durch Wechselwirkung eines Sulfochlorids mit einemArylamin zu erhalten, muß man die Aminogruppe der Sulfanilsäure reversibel schützen.<strong>Die</strong> Umsetzung <strong>des</strong> Acetanilids mit Chlorsulfonsäure ergibt das 4-Acetaminobenzolsulfochlorid.Nach Herstellung <strong>des</strong> substituierten Sulfonamids läßt sich der N-Acetylrest leicht mit 2N Salzsäure entfernen. <strong>Die</strong> Sulfonamide sind nämlich gegenHydrolyse sehr viel stabiler als die Carboxamide (S. 315).


Pikrinsäure 251CH 3 CO-NHR-NH,HClSO 2 ClSO 2 -NHRDen Mono-, Di- und Trisulfonsäuren der Naphthylamine und Naphthole kommtgroße technische Bedeutung zur Darstellung von Azofarbstoffen zu.2,4,6-Trinitrophenol (Pikrinsäure)OHOHH2SO,SOoHHNO.20 g (0,21 mol) Phenol werden in einem Becherglas mit 45 ml konz. Schwefelsäure gerührt,wobei sich unter Erwärmen eine bräunliche Lösung bildet. <strong>Die</strong>se Lösung läßt manunter mechanischem Rühren in 100 ml konz. Salpetersäure (d = 1,41; 1,5 mol) eintropfen,die sich in einem 500-ml-Kolben im Ölbad (ohne Heizung) unter dem Abzug befinden.Unter kräftiger Entwicklung nitroser Gase steigt dabei die Temperatur spontanan. Zur Vervollständigung der Reaktion heizt man das Ölbad zunächst auf 10O 0 C, bisdie Gasentwicklung abgeschlossen ist, dann noch einige min bis auf 112 0 C. <strong>Die</strong> schonin der Endphase einsetzende Kristallisation der Pikrinsäure wird durch Eingießen in dieGfache Menge Eis/Wasser vollständig. Nach kurzem Stehenlassen wird abgesaugt, gutausgewaschen und noch feucht gesammelt. Ausbeute 35g (72%) Pikrinsäure mitSchmp. 120-121 0 C. Aus Sicherheitsgründen soll das Präparat mit etwa 10% Wassergehaltin einer Flasche ohne Schließstopfen (Explosionsgefahr beim Mahlen derKristalle) aufbewahrt werden. Eine Spatelspitze kann aus wässerigem Ethanol oder ausBenzol zu nahezu farblosen, derben Kristallen mit Schmp. 122 0 C umkristallisiert werden.Bei der Nitrierung <strong>des</strong> ungeschützten Phenols mit starker Salpetersäure entstehendurch Oxidation unerwünschte Nebenprodukte. Man bedient sich daher <strong>des</strong> Kunstgriffes,das Phenol mit Schwefelsäure in die weniger oxidationsempfindliche Phenol-2,4-disulfonsäure überzuführen und dann erst die Salpetersäure einwirken zu lassen.Das Nitroniumion verdrängt dabei nicht nur das Proton in 6-Stellung, sondern auchdie beiden Sulforeste.Solche Substituentenverdrängungen - schon oben wurde die saure Hydrolyse derSulfonsäuren als elektrophile Substitution angesprochen - sind in großer Vielfalt bekannt.Neben SO 3 H lassen sich in geeigneten Fällen auch Halogen-, CarboxylundAcetylgruppen gegen die Nitrogruppe austauschen. <strong>Die</strong> Desulfonierung derPhenolsulfonsäuren ist auch durch Halogen möglich.


252 Kapitel III. Aromatische Substitution, INitrogruppen erhöhen die Acidität <strong>des</strong> Phenols erheblich, wie die folgende Aufstellungder entsprechenden pK A -Werte (siehe S. 292) zeigt.SäurepK APhenol 9,92-Nitrophenol 7,23-Nitrophenol 8,04-Nitrophenol 7,12,4-Dinitrophenol 4,02,4,6-Trinitrophenol 0,8Mit dem pX A = 0,80, also der Säuredissoziationskonstante 0,16, nähert sich diePikrinsäure in ihrer Acidität starken Mineralsäuren. Nach Abspaltung <strong>des</strong> Protonsübernimmt jede der Nitrogruppen infolge ihres induktiven und mesomeren Effektseinen Teil der negativen Ladung <strong>des</strong> Phenolations; mit dieser Ladungsverteilung gehteine Senkung <strong>des</strong> Energieniveaus einher.Wie das Trinitrotoluol (S. 236) besitzt auch die Pikrinsäure oxidierende und reduzierendeGruppen im Molekül, die ihr Sprengstoffcharakter geben.Mehrfach nitrierte Verbindungen dürfen nicht stärker erhitzt (zum Beispiel <strong>des</strong>tilliert)werden!Bemerkenswert ist die Fähigkeit von Polynitroaromaten mit elektronenreicherenAromaten Komplexe zu bilden.Versuch: Herstellung von Pikraten — Man löst 0,80 g reine Pikrinsäure in 20 mlBenzol und verteilt die Lösung auf vier Reagenzgläser. <strong>Die</strong>se Proben versetzt man mitden warmen Lösungen der in der Tabelle aufgeführten Mengen aromatischer Verbindungenin je 2 ml Benzol. Es scheiden sich, teilweise erst nach kurzer Zeit, die kristallinenMolekülverbindungen ab.AromatischeVerbindungKomplexKristallfarbe Schmp. [ 0 C]0,40 g Naphthalin0,60 g Phenanthren0,20 g a-Naphthol0,20 g 0-Naphtholgelborangegelbrotorangerotorange150—151144—145189-190155Daß es sich bei den Pikraten nicht um Salze sondern um Molekülverbindungen handelt,ergibt sich daraus, daß die saure Hydroxygruppe gar nicht erforderlich ist.


Donator-Akzeptor-Komplexe 253Versuch: Herstellung von Komplexen mit 1,3,5-Trinitrobenzo! - Man verteilt dieLösung von 0,80g farblosem 1,3,5-Trinitrobenzol in 12ml Methanol auf 3 Reagenzgläser.<strong>Die</strong>sen Proben setzt man die Lösungen von je 0,20g der aromatischen Komponentenin je 3 ml Methanol zu.AromatischeVerbindungNaphthalinPhenanthrenN,N-DimethylanilinKomplexKristallfarbe Schmp. [ 0 C]blaßgelbzitronengelbschwarzviolett151-152159-160108-109<strong>Die</strong> Neigung <strong>des</strong> Ethylentetracarbonitrils (Tetracyanethylen) Molekülverbindungenmit Aromaten zu bilden, übersteigt noch die der Pikrinsäure und zeigt, daß es sichdabei nicht um ein Monopol der Polynitroaromaten handelt.Versuch: Herstellung von Komplexen mit Ethylentetracarbonitril — <strong>Die</strong> farblosenLösungen der aromatischen Kohlenwasserstoffe (s. unten) in Cyclohexan werdenmit dem gleichen Volumen der farblosen, kalt gesättigten Lösung von Ethylentetracarbonitrilin Chloroform (Löslichkeit gering) gemischt, wobei die folgenden Farben dieBildung der Molekülverbindungen anzeigen:Aromat Benzol XyIoI Mesitylen Naphthalin Phenanthren AnthracenFarbe hellgelb orange rotorange weinrot violett grasgrünIm Falle <strong>des</strong> Anthracens verschwindet die Farbe bald wieder, worauf das farblose <strong>Die</strong>ls-Alder-Addukt auskristallisiert (zur <strong>Die</strong>nsynthese vgl. S. 200).<strong>Die</strong> in sehr großer Zahl bekannten, gut kristallisierenden Komplexe der Polynitroaromatenmit aromatischen Kohlenwasserstoffen wie Phenolen, Arylaminen undArylethern haben analytische Bedeutung zur Stofftrennung und Identifizierung (sieheS. 703). Neben der Pikrinsäure und dem Trinitrobenzol werden 2,4,6-Trinitroresorcin(Styphninsäure), 2-Chlor-1,3,5-trinitrobenzol (Pikrylchlorid) und 2,4,7-Trinitrofluorenonfür diese Zwecke verwendet.<strong>Die</strong> Komplexe lassen sich leicht spalten. <strong>Die</strong> der Pikrinsäure zerlegt man, indemman ihre Lösungen in Benzol oder Chloroform mit warmer Natriumhydrogencarbonat-Lösungoder sehr verdünntem Ammoniak schüttelt; dabei geht die Pikrinsäurein die alkalische Phase, die zweite Komponente in die organische. Komplexemit 1,3,5-Trinitrobenzol lassen sich häufig trennen, indem man sie in einem unpolarenLösungsmittel über eine Aluminiumoxid-Säule laufen läßt, die das 1,3,5-Trinitrobenzoladsorbiert.Durch Röntgen-Strukturanalyse wurde gezeigt, daß die beiden Komponenten derKomplexe mit ihren Ringebenen übereinander liegen. Danach und aufgrund weiterer


254 Kapitel III. Aromatische Substitution, IUntersuchungen betrachtet man diese Komplexe als Ti-Komplexe (auch Elektronen-Donator-Akzeptor-Komplexe oder „charge-transfer"-Komplexe genannt), bei deneneine Wechselwirkung zwischen dem obersten besetzten Orbital <strong>des</strong> Donators undeinem unbesetzten Orbital der Polynitroverbindung als Akzeptor vorliegt. Formalentstehen dabei zwei Radikalionen (die sowohl eine Formalladung als auch ein ungepaartesElektron besitzen). Da das getrennte Elektronenpaar im Zustand der Spinkopplungverbleibt, haben die Komplexe keinen Biradikalcharakter (sind also auchnicht paramagnetisch).In den Ti-Komplexen ist die Bindung der Partner um so fester, je höher die Elektronenaffinität<strong>des</strong> Akzeptors und je niedriger das lonisationspotential <strong>des</strong> Donatorsist. <strong>Die</strong> Donatoraktivität nimmt mit dem Alkylierungsgrad <strong>des</strong> Benzolkerns, insbesondereaber beim Übergang zu polycyclischen Aromaten, zu.Weitere Donator-Akzeptor-Komplexe liegen in den Chinhydronen (siehe S. 568)sowie in Molekülverbindungen der Aromaten mit dem Silberion, mit Br 2 , Cl 2 , SO 2oder mit O 2 vor. Ein außerordentlich wirksamer Akzeptor ist die an Elektronen verarmteDoppelbindung <strong>des</strong> Tetracyanethylens.2,4-Dinitro-1 -naphthol-7-sulfonsäure (Flaviansäure)OHOHS0 3/H 2S0 4HOoS S °3 H HNO 3SO 3 H50g (0,35 mol) fein pulverisiertes a-Naphthol werden unter dauerndem Umschüttelnallmählich in 20Og 25proz. Oleum (d = 1,93) eingetragen und gelöst. Dann wird je 1 him Ölbad auf 9O 0 C und 125 0 C erwärmt. - Um festzustellen, ob das a-Naphthol dabeivollständig in die 1-Naphthol-2,4,7-trisulfonsäure umgewandelt worden ist, wird eineProbe im Reagenzglas mit etwa 1OmI Wasser vermischt, die Lösung mit etwa 1OmIkonz. Salpetersäure versetzt und bis fast zum Sieden erwärmt. Wenn sich die gelbe Lösungbeim Abkühlen trübt oder Flocken abscheidet, ist die Reaktion durch Zugabe vonstärkerem Oleum und erneutes Erhitzen zu vervollständigen. — <strong>Die</strong> abgekühlte Schmelzewird allmählich in 500 g zerstoßenes Eis eingerührt. Nach Filtrieren wird die brauneLösung mit 85 ml konz. Salpetersäure (d = 1,41; 120 g, 0,82 mol) vermischt und 30 minauf 5O 0 C erwärmt. Nach 12stündigem Stehenlassen bei Raumtemperatur wird abfiltriertund aus heißer verd. Salzsäure umkristallisiert. <strong>Die</strong> so gewonnenen gelben, bei 151 0 Cschmelzenden Nädelchen werden zuerst auf Ton, dann im Exsikkator über Kaliumhydroxidgetrocknet. Ausbeute etwa 94 g (85%).2,4-Dinitronaphthol (Martiusgelb) und seine 7-Sulfonsäure (Flaviansäure) fandenfrüher als gelbe Wollfarbstoffe Verwendung. Flaviansäure dient auch als Basenfäl-


Weiterführende Literatur zu Kapitel III 255lungsmittel (siehe S. 676). Bei der beschriebenen Herstellung ist - wie bei Pikrinsäure -eine 2fache elektrophile Substitution <strong>des</strong> Sulforestes durch die Nitrogruppe beteiligt.Weiterführende Literatur zu Kapitel IIIP. Garratt und P. Vollhardt, Aromatizität, Georg Thieme Verlag, Stuttgart, 1973.RJ. Garratt und M. V. Sargent, Nonbenzoid Conjugated Cyclic Hydrocarbons, Adv. Org. Chem.6, l (1969).R. Stroh, Austausch von Wasserstoff gegen Chlor im Kern von Isocyclen mit aromatischem Charakter,Methoden der <strong>organischen</strong> Chemie (Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl., Bd. 5/3, S. 651,Thieme, Stuttgart 1962.A. Roedig, Einführung von Brom durch Austausch von Wasserstoff in Isocyclen und Heterocyclenmit aromatischem Charakter, Methoden der <strong>organischen</strong> Chemie (Houben-Weyl-Müller),4. Aufl., Bd. 5/4, S. 233, Thieme, Stuttgart 1960.A. Roedig, Einführung von Jod in Isocyclen und Heterocyclen mit aromatischem Charakter,Methoden der <strong>organischen</strong> Chemie (Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl., Bd. 5/4, S. 557, Thieme,Stuttgart 1960.W. Seidenfaden und D. Pawellek, Einführung der Nitrogruppe durch Austausch von Wasserstoffgegen die Nitrogruppe, Methoden der <strong>organischen</strong> Chemie (Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl.,Bd. 10/I 9 S. 479, Thieme, Stuttgart 1971.F. Muth, Methoden zur Herstellung und Umwandlung aromatischer Sulfonsäuren, Methodender <strong>organischen</strong> Chemie (Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl., Bd. 9, S. 429, Thieme, Stuttgart 1955.C. M. Suter und A. W. Weston, Direct Sulfonation of Aromatic Hydrocarbons and Their HalogenDerivatives, Org. React. 3, 141 (1946).D.E. Pearson und CA. Buehler, Unusual Electrophilic Substitution, Synthesis /97/, 455.K. Foster, Organic Charge-Transfer Complexes, Academic Press, London und New York 1969.


IV. Aromatische Substitution, IlExperimente:Benzophenon3-Benzoyl-propionsäurel-Tetraion1-Indanona) Über 3-Phenylpropionyl-chlorid mit AlCl 3b) Aus 3-Phenylpropionsäure mit PolyphosphorsäureTriphenylchlormethanCumol1-Chlormethylnaphthalin2,4-Dihydroxyacetophenon4-(Dimethylamino)benzaldehyd2,4-DihydroxybenzoesäureSalicylaldehyd2-NaphtholDimethylammoniumchloridVersuch: Liebermannsche Reaktion2,4-Dinitrophenylhydrazin2-Chlor-l,3,5-trinitrobenzol(Pikrylchlorid)


IV. Aromatische Substitution, II.Friedel-Crafts-Reaktionen 259Acylierung und Alkylierung nach Friedel-Craftsund ähnliche ReaktionenBenzophenonA(Cl 3Aktives Aluminiumchlorid: Voraussetzung für das Gelingen einer Friedel-Crafts-Reaktionist die einwandfreie Beschaffenheit <strong>des</strong> als Katalysator benutzten wasserfreien Aluminiumchlorids.Handelsübliche Präparate aus versiegelten Gefäßen, die schon einmalgeöffnet wurden, sind meist wegen der Undichtigkeit <strong>des</strong> Verschlusses teilweise hydrolysiertund nicht mehr verwendbar. Man prüfe im schräg gehaltenen Reagenzglas über derFlamme, ob sich eine kleine Probe vollständig oder wenigstens zum weitaus größtenTeil sublimieren läßt. Nicht allzu stark verdorbene Präparate lassen sich durch Sublimationbrauchbar machen. Für diese Sublimation, die unter dem Abzug durchgeführt werdenmuß, ist eine sorgfältig getrocknete, mit einer Porzellanschale bedeckte Konservendosegut geeignet; nach Beendigung <strong>des</strong> Prozesses, bei dem nicht zu stark geheizt werdensoll, schüttet man das lockere, nicht sublimierbare Material aus und hebt dann dieKrusten <strong>des</strong> sublimierten Aluminiumchlorids mit einem Messer von den Wandungen derDose und der Porzellanschale ab. Gelbe Farbe <strong>des</strong> Präparats hat keinen Einfluß auf <strong>des</strong>senAktivität.Acylierung: In die Lösung von 29,0 ml (35,2g; 0,25 mol) frisch <strong>des</strong>tilliertem (Sdp.75 0 C / 12 Torr) Benzoylchlorid in 12OmI (105g; 1,35 mol) frisch <strong>des</strong>tilliertem, thiophenfreiemBenzol (das gleichzeitig als Reaktionskomponente und Lösungsmittel dient)trägt man unter jeweils kurzem Abheben <strong>des</strong> Kühlers im Laufe von 10min 35g(0,26 mol) fein pulverisiertes Aluminiumchlorid (das in einem verschlossenen Gefäß abgewogenwurde) portionsweise ein. Nach jeder Zugabe schüttelt man kräftig um, bissich das Aluminiumchlorid gelöst hat. Anschließend versieht man den Rückflußkühlermit einer Gasableitung, die in den Abzug führt, und erwärmt die tiefbraune Lösung 3 hin einem Wasserbad von 5O 0 C; die anfangs starke Entwicklung von Chlorwasserstoff istdann beendet. Das überschüssige Benzol wird unter vermindertem Druck (etwa 200 Torr)ab<strong>des</strong>tilliert, bis das Reaktionsgemisch eben gallertartig zu erstarren beginnt. Den nochwarmen Kolbeninhalt gießt man vorsichtig auf etwa 300 ml Eis/Wasser und spült letzteReste mit etwas eiskaltem Wasser dazu. Nach Zusatz von 10 ml konz. Salzsäure wird solange kräftig geschüttelt, bis sich (in etwa 10 min) der feste braune Komplex vollständigzersetzt und ein rotes Öl auf der wässerigen Phase gesammelt hat. Man nimmt die organischePhase in 1 50 ml Ether auf und schüttelt die wässerige noch einmal mit 50 ml Etheraus. <strong>Die</strong> vereinigten Etherauszüge werden 2mal mit je 50 ml 2IM Natronlauge sowie einmalmit 50 ml Wasser gewaschen und über wasserfreiem Natriumsulfat getrocknet. Anschließend<strong>des</strong>tilliert man den Ether ab, füllt das zurückgebliebene rote Öl in einenSchwertkolben mit Claisenaufsatz (Nachspülen mit etwas Ether) oder einen Kolben mit


260 Kapitel IV. Aromatische Substitution, IIKugelrohr und <strong>des</strong>tilliert im Vakuum. Benzophenon geht bei 164—165 0 C /12 Torr alsfarbloses, kristallin erstarren<strong>des</strong> Öl über; es wird aus dem Schwert oder Kugelrohr herausgeschmolzenund pulverisiert. Ausbeute 39—40 g (86-88%) einer bei 46-47 0 Cschmelzenden farblosen Kristallmasse mit charakteristischem Geruch.3- BenzoylpropionsäureOC^COCHXH 7 CO 5 HIn einem 1 -I-Kolben mit mechanischem Rührer, Rückflußkühler und Gasableitung in denAbzug werden 200 ml (175g, 2,25 mol) thiophenfreies Benzol und 30g (0,30 mol)pulverisiertes Bernsteinsäureanhydrid (siehe S. 310) innerhalb von 45 min durch den mitSchliffstopfen versehenen dritten Tubus mit 88 g (0,66 mol) fein pulverisiertem aktivemAluminiumchlorid (siehe voriges Präparat) in 4 Portionen versetzt, wobei man durchkräftiges Rühren ein Zusammenballen verhindert. Kommt die exotherme Reaktion unterEntwicklung von Chlorwasserstoff nach der ersten Zugabe von Aluminiumchlorid nichtspontan in Gang, erwärmt man etwas. Nach Abklingen der Reaktion kocht man unterständigem Rühren noch 30 min im Ölbad unter Rückfluß. Dann läßt man (zur Hydrolyse<strong>des</strong> Aluminiumchloridkomplexes) durch einen Tropftrichter innerhalb von 20 min 150 mlWasser in das gerührte Reaktionsgemisch fließen. Nach Zugabe von 45 ml konz. Salzsäuretauscht man den Rückflußkühler gegen einen absteigenden aus und treibt dasBenzol durch Einleiten von Wasserdampf ab. Man überführt den noch heißen Rückstandin ein Becherglas, spült mit etwas heißem Wasser und läßt abkühlen. Das kristalline Produktwird abgesaugt, auf der Nutsche mit 10OmI verd. Salzsäure gewaschen und zurweiteren Reinigung mit 35 g Natriumhydroxid in 250 ml Wasser 30 min auf dem siedendenWasserbad verrieben. Man saugt vom Aluminiumhydroxid ab, rührt das Filtrat nochheiß 5 min mit 2 g Aktivkohle, saugt ab und versetzt die fast farblose Lösung mit 60 mlkonz. Salzsäure. Nach mehrstündigem Aufbewahren im Kühlschrank wird abgesaugt, mitWasser gewaschen und im Vakuumexsikkator getrocknet. Ausbeute 48—51 g (90-95%)3-Benzoylpropionsäure mit Schmp. 114-116 0 C. Eine kleine Probe schmilzt nach Umkristallisierenaus Wasser bei 116-117 0 C.1-TetraionSOCl 2 AlCl 3Unter dem Abzug werden 30g (0,18 mol) trockene 4-Phenylbuttersäure (siehe S. 544)in einem 100-ml-Kolben mit 18,OmI (0,25 mol) reinem Thionylchlorid übergössen undnach Aufsetzen eines Rückflußkühlers mit Calciumchlorid-Rohr auf dem Wasserbad bis


Friedel-Crafts-Reaktionen 261zum Schmelzen der Säure erwärmt. Ohne Wärmezufuhr läßt man dann die mit Freisetzungvon SO 2 und HCI verbundene Reaktion 30 min ablaufen und kocht dann noch5 min unter Rückfluß. Nach Abkühlenlassen <strong>des</strong>tilliert man das überschüssige Thionylchloridbei etwa 12 Torr und zum Schluß 10O 0 C ab. Das zurückgebliebene 4-Phenylbuttersäurechloridist für die Cyclisierung ausreichend rein. — In einem 250-ml-Kolbenmit Tropftrichter, mechanischem Rührer und Gasableitung in den Abzugsschacht werden34 g (0,25 mol) fein pulverisiertes Aluminiumchlorid (siehe oben) mit 90 ml, (78 g,1,0 mol) trockenem, thiophenfreiem Benzol übergössen. Dazu läßt man während 30 minunter Rühren die Lösung <strong>des</strong> 4-Phenylbuttersäurechlorids in 60 ml thiophenfreiemBenzol tropfen und hält dabei die Temperatur durch Außenkühlung mit Eis/Wasserunterhalb 1O 0 C. Man rührt noch 5 h bei Raumtemperatur und läßt zur Hydrolyse untererneuter Außenkühlung mit Eis/Wasser 100 ml Wasser in 30 min zutropfen. Nach Zusatzvon 1OmI konz. Salzsäure rührt man bis zur Lösung der festen Anteile weiter, trenntim Schütteltrichter die organische Phase ab und schüttelt die wässerige mit 25 mlBenzol aus. <strong>Die</strong> vereinigten Benzolextrakte werden mit Natriumhydrogencarbonat-Lösung und dann mit Wasser gewaschen. Nach Ab<strong>des</strong>tillieren <strong>des</strong> Benzols wird imVakuum <strong>des</strong>tilliert; bei 122-124 0 C/10 Torr gehen 22—23 g (82-86%) farbloses 1-Tetralon über.1-lndanona) Über 3-Phenylpropionylchlorid mit AluminiumchloridAnalog der Herstellung von 1 -Tetraion (voranstehen<strong>des</strong> Präparat) werden 1,0 g (67 mmol)reine 3-Phenylpropionsäure mit 6,0 ml (80 mmol) frisch <strong>des</strong>tilliertem Thionylchlorid indas Säurechlorid übergeführt, dann wird <strong>des</strong>sen Lösung in 25 ml thiophenfreiem Benzolmit 12g (90 mmol) Aluminiumchlorid in 35 ml Benzol umgesetzt. Das Rohprodukt wirdin einem Schwertkolben oder Kugelrohr bei 117-118 0 C/12 Torr <strong>des</strong>tilliert. Ausbeute7,0-7,8 g (79-88%) farbloses 1-lndanon mit Schmp. 40-41 0 C.b) Aus 3-Phenylpropionsäure mit Polyphosphorsäure60g Diphosphorpentoxid trägt man portionsweise unter Rühren und Kühlen im Eisbadin 30 ml sirupöse Phosphorsäure (85proz., d = 1,71) ein. Nach Aufsetzen eines Calciumchlorid-Rohrserwärmt man unter gelegentlichem Umschütteln 3 h auf dem siedendenWasserbad. Dann bringt man den Kolben in ein 70 0 C heißes Ölbad und trägt unter mechanischemRühren 10g (67 mmol) 3-Phenylpropionsäure spatelspitzenweise während20 min ein. Wenn sich alles gelöst hat, entfernt man den Rührer und hält unter Feuchtigkeitsausschlußnoch weitere 80 min bei 7O 0 C, wobei sich das Reaktionsaemisch braun-


262 Kapitel IV. Aromatische Substitution, IIrot färbt. Nach Abkühlen auf 50 0 C wird in 200 ml Eis/Wasser gegossen und mit 3mal70 ml Ether ausgeschüttelt. <strong>Die</strong> mit Natriumhydrogencarbonat und Wasser gewascheneEtherlösung wird über Calciumchlorid getrocknet und der Ether im Vakuum ab<strong>des</strong>tilliert.Das zurückgebliebene, noch blaßgelbe kristalline Rohprodukt wird wie oben angegebendurch Vakuum<strong>des</strong>tillation gereinigt. Ausbeute 7,2—8,0 g (81—90%) 1 -Indanon,das bei 40-41 0 C schmilzt.<strong>Die</strong> von C. Friedel und M. Crafts 1877 entdeckte Alkylierung und Acylierung <strong>des</strong>aromatischen Kerns unter der Einwirkung von Aluminiumchlorid gehören zu denwichtigsten Synthesen in der <strong>organischen</strong> Chemie. Bei der Ketonsynthese nachFriedel-Crafts substituiert das aus dem Carbonsäurechlorid mit Aluminiumchloriderzeugte Acyliumion elektrophil den aromatischen Kern; das Proton liefert mit demkomplexen Anion Aluminiumchlorid und ChlorwasserstoffR-C +AlCl 3 ^ R-C = O-AlCl 3 ^ R-CO + AlCl 4 "X+ R-C=O(H*) + [AlClJ" HClH-AlCt 3Daß der elektrophile Katalysator Aluminiumchlorid min<strong>des</strong>tens in stöchiometrischerMenge verwendet werden muß, rührt von der Bildung eines Komplexes aus demKeton und l mol Aluminiumchlorid her.Aluminiumchlorid ist hochmolekular und nur wenig in inerten Lösungsmittelnlöslich. <strong>Die</strong> AlCl 3 -Komplexe der Carbonsäurechloride lösen sich jedoch in Schwefelkohlenstoff,Methylen- oder Ethylendichlorid. Vielfach verwendet man auch einenÜberschuß der zu acylierenden aromatischen Verbindung als Verdünnungsmittel.Das dimere AlBr 3 löst sich in Schwefelkohlenstoff und bietet die Möglichkeit, immerin homogener Phase zu arbeiten. Oft verwendet man Nitrobenzol, in welchem Aluminiumchloridals Komplex löslich ist, als resistentes Lösungsmittel für Acylierungen.Neben den Aluminiumhalogeniden dienen Zinntetrachlorid, Bortrifluorid oderEisen(III)-chlorid als mildere Friedel-Crafts-Katalysatoren, ebenso Zinkchlorid, dasjedoch nur bei stark nucleophilen Aromaten wirksam ist.Im mesomeriestabilisierten Acyliumion befindet sich der größte Teil der positivenLadung am Sauerstoff (Oktett-Grenzformel). <strong>Die</strong> am Grundzustand untergeordnetbeteiligte Sextett-Grenzformel symbolisiert die elektrophile Aktivität <strong>des</strong> Ions, dieallerdings hinter derjenigen <strong>des</strong> Nitroniumions zurücksteht. Desaktivierte Benzol-


Ringschluß durch Friedel-Crafts-Reaktion 263derivate wie Nitrobenzol, Benzoesäure oder Benzonitril sind daher der Friedel-Crafts-Synthese nicht zugänglich.R-C=OI Carbonsäureanhydride sind ebenfalls geeignete Friedel-Crafts-Acylierungsmittel.Sie verbrauchen allerdings 2 mol Lewis-Säure.C 6 H 6 + CH 3 -C-O-C-CH 3 + 2AICI 3 >OC 6 H 5 -C=O-^AICI 3 +OCH 3 COOAICI 2 + HCICH 3Bernsteinsäureanhydrid liefert mit Benzol 3-Benzoylpropionsäure (S. 260). DerenReduktionsprodukt, 4-Phenylbuttersäure geht nach Umwandlung in das Säurechloridleicht eine intramolekulare Acylierung zum l-Tetraion ein. Daß diese Umsetzungin Benzol als Lösungsmittel ausgeführt werden kann (S. 260), beleuchtet denVorzug der Ringschlußreaktion vor der intermolekularen Acylierung.OO-l-HClAnalog gelangt man von 3-Phenylpropionsäurechlorid zu 1-Indanon. <strong>Die</strong>se intramolekulareFriedel-Crafts-Acylierung eröffnet den bequemsten Zugang zu substituiertenTetralinen und Indanen. Für solche Ringschlüsse zu cyclischen Ketonen hatsich auch die Einwirkung von wasserfreiem Fluorwasserstoff, konz. Schwefelsäureoder Polyphosphorsäure auf die freien Carbonsäuren bewährt. Polyphosphorsäurewird heute als mil<strong>des</strong> und bequemes Kondensationsmittel am meisten geschätzt(Nazarow); siehe Cyclisierung der 3-Phenylpropionsäure (S. 261).Bei längeren co-Phenylcarbonsäurechloriden, die zu cyclischen Ketonen mit größererRinggliederzahl führen, muß zur Vermeidung intermolekularer Reaktionen ingroßer Verdünnung gearbeitet werden (Verdünnungsprinzip von Ruggli-Ziegler,siehe auch S. 407). Ganz allgemein werden die Cycloalkane mit ungespannten Ringen(Gliederzahl 5,6 mit Einschränkung auch 7) am raschesten gebildet; kleinere(Gliederzahl 3,4) entstehen wegen Deformation der Valenzwinkel (Baeyer-Spannung)langsamer, jedoch relativ glatt, mittlere (Gliederzahl 8-12) wegen gegenseitiger Behinderungauf derselben Ringseite einander gegenüberstehender Methylenwasserstoffatome(Van der Waals-Spannung) und der Verdrillung der Torsionswinkel ausder günstigen ekliptischen Anordnung von 60 (Pitzer-Spannung) kaum noch.Größere Ringe bilden sich im allgemeinen wieder leichter.


264 Kapitel IV. Aromatische Substitution, IIAus Phosgen entstehen in doppelter Friedel-Crafts-Reaktion Diarylketone, ausdem Gemisch von CO und HCl in Gegenwart von AlCl 3 und Cu(I)Cl nach Gattermann-KochAldehyde.2 C 6H 6 + COCl 2 _ HC[ -ArH + COHCl.AlCla.CuClDruckAr-CDabei wird aus CO und HCl offenbar das bei Raumtemperatur nicht stabile Formylchloridin kleinen Anteilen gebildet, das die Friedel-Crafts-Reaktion eingeht.Auch Phenylester von Carbonsäuren sind der Reaktion mit AlCl 3 oder BF 3 zugänglich.Das Acyliumion acyliert den Kern eines zweiten oder <strong>des</strong> eigenen Molekülsin o- oder/7-Stellung, so daß o- bzw. /?-Hydroxyphenylketone gebildet werden (FriesscheVerschiebung).oderHOTriphenylchlormethan+ CCU (C 6 Hs) 3 CClAls Apparatur dient ein 1-l-Zweihalskolben mit Rückflußkühler, von dem eine Gasableitungbis über die Oberfläche von etwa 300 ml Wasser in einen 1-l-Kolben und dannweiter in den Abzugschacht führt; der zweite Tubus ist mit einem Stopfen verschlossen. —Man legt 230 ml (204 g, 2,62 mol) thiophenfreies Benzol sowie 50 ml (80 g, 0,52 mol)reinen, über Calciumchlorid getrockneten Tetrachlorkohlenstoff vor und trägt unter vorsichtigemUmschwenken während 25—30 min portionsweise 60g (0,45 mol) fein pulverisiertesaktives Aluminiumchlorid (siehe Präparat S. 259) ein, wobei man den Stopfenjeweils nur ganz kurz abnimmt und das Aluminiumchlorid zwischendurch gut verschlossenaufbewahrt. Damit die unter HCI-Entwicklung ablaufende Reaktion nicht zu stürmischwird, kühlt man von Zeit zu Zeit mit Eis/Wasser. Nach Abklingen der Hauptreaktionerhitzt man noch 30 min auf dem siedenden Wasserbad unter Rückfluß und gießt dasabgekühlte dunkelbraune Reaktionsgemisch langsam unter stetem Umschwenken aufeine Mischung von je 200 g gestoßenem Eis und konz. Salzsäure, die sich in einem 2-I-Schütteltrichter befindet. Sollte das Eis vor der Zersetzung der ganzen Menge geschmol-


Herstellung von Cumol 265zen sein, fügt man neues Eis und ebensoviel konz. Salzsäure zu. (<strong>Die</strong> Salzsäure dient dazu,die Hydrolyse <strong>des</strong> Triphenylchlormethans zurückzudrängen.) Man schüttelt kräftig undsetzt, falls sich dann die Schichten nicht trennen, 50-100 ml Benzol zu. <strong>Die</strong> wässerigePhase wird noch einmal mit 10O ml Benzol ausgeschüttelt; die vereinigten Benzolextraktewerden mit 40 ml eiskalter konz. Salzsäure gewaschen und über Calciumchlorid getrocknet.Dann wird das Benzol auf dem siedenden Wasserbad soweit wie möglich ab<strong>des</strong>tilliert,wobei man gegen Ende vorsichtig einige Milliliter Acetylchlorid oder reinesThionylchlorid zufügt (zur Überführung von etwa entstandenem Triphenylmethanol inTriphenylchlormethan). Der abgekühlte Rückstand wird mit dem gleichen Volumen absolutemEther durchgerieben und einige h im Eisbad aufbewahrt. Unter schwachemUnterdruck saugt man den Kristallbrei auf der Nutsche ab, tränkt den scharf abgepreßtenKristallkuchen nach Aufheben <strong>des</strong> Unterdruckes mit eiskaltem Ether und saugt erneut ab.Aus der eingedampften Mutterlauge erhält man auf die gleiche Weise eine zweite, wenigerreine Fraktion. <strong>Die</strong> Gesamtausbeute an Rohprodukt beträgt nach Trocknen im Exsikkatorüber Schwefelsäure 100—105g (80—84%, bezogen auf Aluminiumchlorid),Schmp. <strong>des</strong> Rohproduktes 108-110 0 C. - Zur Reinigung löst man das Rohprodukt inmöglichst wenig (etwa 70 ml) heißem Benzol, kocht unter Zusatz von einigen MilliliternAcetylchlorid oder Thionylchlorid auf, fügt das 4fache Volumen Petrolether (40—8O 0 C)zu, läßt nach Animpfen unter Eiskühlung kristallisieren und wäscht mit eiskaltem Petrolether.Das im Vakuumexsikkator getrocknete Triphenylchlormethan muß, da es langsamschon von der Luftfeuchtigkeit hydrolysiert wird, gut verschlossen aufbewahrtwerden. Zur Reinheitsprüfung ist die Titration einer Probe mit 0,1N alkoholischer Natronlaugegegen Phenolphthalein geeignet. Das umkristallisierte Produkt schmilzt bei110-112 0 C und ist immer noch blaßgelb. Ausbeute 80-85 g (64-67%).Cumol400 ml 80proz. Schwefelsäure, hergestellt durch langsames Eingießen von 317ml96proz. Schwefelsäure in 115ml Wasser, werden in einem 1-l-Kolben mit Rückflußkühler,mechanischem Rührer und Tropftrichter, in einem Ölbad auf 65 0 C (Badtemperatur)erwärmt. Bei dieser Temperatur läßt man unter starkem Rühren (wichtig, da Zweiphasenreaktion)innerhalb von 2 h die Mischung aus 38 ml (30 g, 0,50 mol) Isopropylalkoholund 89,0 ml (78,0 g, 1,00 mol) thiophenfreiem Benzol zutropfen, rührt nochweitere 2 h bei 65 0 C, läßt abkühlen und gießt in einen 1-I-Schütteltrichter. Man wäschtdie obere Schicht mit 50 ml Wasser, 100 ml 2N Natriumcarbonat-Lösung sowie 2malmit je 50 ml Wasser und trocknet über Natriumsulfat. Zweckmäßig verwendet man zumNachspülen <strong>des</strong> Scheidetrichters sowie zum Auswaschen <strong>des</strong> Trockenmittels einigeMilliliter Ether. Das Reaktionsprodukt wird über eine etwa 20cm lange Kleinfüllkörperkolonneoder eine entsprechende Vigreux-Kolonne fraktionierend <strong>des</strong>tilliert. Nach einemVorlauf von Ether und Benzol und einer geringen Zwischenfraktion geht Cumol bei149-152 0 C (HauDtmenae bei 151 0 C) über. Ausbeute 38-39 g (63-65%).


266 Kapitel IV. Aromatische Substitution, II<strong>Die</strong> Umsetzung <strong>des</strong> Benzols und seiner Derivate mit ^//cj/halogeniden wird vonAlCl 3 , FeCl 3 , SnCl 4 , BF 3 oder ZnCl 2 (Reihe fallender Aktivität) katalysiert. Wie dieAcylierung ist auch die Friedel-Crafts-Alkylierung eine elektrophile Substitution.Bei primären Alkylhalogeniden spielt die Koordinationsverbindung mit dem elektrophilenKatalysator die Rolle <strong>des</strong> elektrophilen Agens, das mit dem positiviertenCarbeniumteil angreift.+ CH 3 -Cl-AlCl 3 — + CH 3 AlCl 4 -^ +HCl-HAlCl 3Vermutlich schon bei sefc-Alkyl-, sicher aber bei terf-Alkylhalogeniden wird mitAluminiumchlorid das Carbeniumsalz (R) 3 C + AlCl 4 gebildet, das besonders raschreagiert.Polyhalogenalkane können mehrfach reagieren. <strong>Die</strong> Umsetzung <strong>des</strong> Tetrachlorkohlenstoffsmit Benzol (siehe S. 264) führt über die Zwischenprodukte Trichlor-(phenyl)methan und Dichlor(diphenyl)methan zum Chlor(triphenyl)methan als Endprodukt.Das aus diesem mit AlCl 3 entstehende Chlor(triphenylmethylium)aluminatist wegen völliger Delokalisierung der positiven Ladung nicht elektrophil genug,Benzol zu substituieren. Dagegen reagieren die stärker nucleophilen Phenole ohneSchwierigkeit weiter. <strong>Die</strong> Tritylierung <strong>des</strong> Phenols mit Triphenylmethylchlorid zum/?-Tritylphenol ist sogar ohne Aluminiumchlorid möglich.1 -ChlormethylnaphthalinVorsicht! 1-Chlormethylnaphthalin und die entstehenden Nebenprodukte sind tränenreizendund blasenziehend (Abzug!), die nebenher entstehenden Chlormethylether sindcancerogen!In einem 250-ml-Dreihalskolben mit Rückflußkühler und Rührer werden 25,6g(0,2 mol) Naphthalin, 11 g Paraformaldehyd, 26 ml Eisessig, 16,5 ml 85proz. Phosphorsäureund 36,2 ml konz. Salzsäure vermischt. <strong>Die</strong>se Mischung wird unter Rühren 6 h imWasserbad auf 80—85 0 C erwärmt. Danach kühlt man auf 15—2O 0 C ab und überführt ineinen Schüttelrichter. Nach Zugabe von ca. 200 ml Ether schüttelt man zweimal mit je200 ml Eiswasser aus. <strong>Die</strong> Etherphase wird weiter mit 50—10OmI kalter 10proz. Kaliumcarbonatlösungund schließlich mit 100-200 ml kaltem Wasser gewaschen.Das Ausschütteln mit Kaliumcarbonatlösung soll sehr vorsichtig geschehen, da durchdas in Freiheit gesetzte CO 2 ein Überdruck im Scheidetrichter entstehen kann. Es mußalso regelmäßig belüftet werden. <strong>Die</strong> Etherlösung wird dann durch mehrstündiges Stehenmit wasserfreiem Kaliumcarbonat und etwas Magnesiumcarbonat getrocknet. Wenn sichdabei erneut eine wässerige Phase abscheidet, wird diese abgetrennt und der Überstanderneut mit Kaliumcarbonat getrocknet. Sowohl das Auswaschen als auch das an-


Friedel-Crafts-Reaktion mit Olefinen 267schließende Trocknen der Etherlösung muß sehr sorgfältig geschehen, da kleine WasseroderSäurespuren eine Verseifung <strong>des</strong> Produktes bei der abschließenden Destillationbewirken können.<strong>Die</strong> trockene Etherlösung wird zur Entfernung <strong>des</strong> Lösungsmittels zuerst bei Normaldruck,dann an der Öl- oder Wasserstrahlpumpe im Kugelrohr oder in einem Schwertkolben<strong>des</strong>tilliert. Nach einem Vorlauf von unumgesetztem Naphthalin bei 90-11O 0 C(Vorsicht! Kristalle können die Apparatur verstopfen) gehen bei 120—135 0 C (Luftbad)und 1 Torr oder 148-153 0 C (Luftbad) und 14 Torr 23,0 g (65%) 1-Chlormethylnaphthalinüber.<strong>Die</strong> Chlormethylgruppe — CH 2 Cl wird in Aromaten durch „Chlormethylierung"mit Formaldehyd (oder Paraformaldehyd) und Chlorwasserstoff eingeführt. <strong>Die</strong>Reaktion wird mitunter durch Zinkchlorid katalysiert. Statt <strong>des</strong> monomeren oderpolymeren Formaldehyds können auch sein Dimethylacetal oder ChlormethylmethyletherClCH 2 OCH 3 (aus Paraformaldehyd, HCl und Methanol; Vorsicht!Carcinogen) eingesetzt werden.Bei der Friedel-Crafts-Reaktion kann man die Stufe <strong>des</strong> Carbeniumions bzw. <strong>des</strong>polarisierten Komplexes auch vom Alken aus erreichen.H 2 C=CH 2 + HCI + AICI 3 - > CH 3 CH 2 CI^AICI 3Zur industriellen Darstellung <strong>des</strong> als Ausgangsverbindung für Styrol wichtigenEthylbenzols läßt man Aluminiumchlorid und Chlorwasserstoff - beide in katalytischenMengen - auf Benzol und Ethylen einwirken.C 6 H 6 -»- H 2 C=CH 2 - 0 3 — > C 6 H s CH 2 CH 3<strong>Die</strong> analoge Umsetzung <strong>des</strong> Propylens liefert das wichtige Cumol. Bei dem S. 265beschriebenen Versuch wird das Isopropyliumion aus Isopropylalkohol und Schwefelsäureerzeugt.Verschiedene Nachteile schränken die Bedeutung der Friedel-Crafts-Alkylierungals Laboratoriumsmethode ein:a) Mehrfachsubstitution <strong>des</strong> aromatischen Kernsb) Isomerisierungen.Zu a): Das aus Benzol und Methylchlorid mit AlCl 3 entstehende Toluol wird raschweiter methyliert. Mit überschüssigem Methylchlorid kann man sukzessive die Stufe<strong>des</strong> Hexamethylbenzols erreichen. <strong>Die</strong> Endstufe bildet das gelbe isolierbare Heptamethylbenzenium-chloroaluminat,<strong>des</strong>sen Struktur der eines cr-Komplexes entspricht.HCHCCH 3 -I- CH 3 Cl + AICl 3


268 Kapitel IV. Aromatische Substitution, IIZu b): Primäre Alkylhalogenide gehen in Gegenwart von Aluminiumhalogenidenin sekundäre über; für diese Umlagerung wird eine Hydrid Wanderung im Carbeniumionverantwortlich gemacht.CH-,-CH 9 -CHDa se/c-Alkylhalogenide rascher in die Friedel-Crafts-Alkylierung eintreten, erhältman aus Benzol mit n-Propylbromid und AlBr 3 Isopropylbenzol. Mit milderen Katalysatorenläßt sich die Isomerisierung mehr oder weniger vermeiden.<strong>Die</strong> Friedel-Crafts-Reaktion ist reversibel; es kann daher zu scheinbaren Alkylwanderungenkommen. So entsteht aus 0-, m- oder/?-Xylol nach längerer Einwirkungvon AlCl 3 und HCl bei 50 0 C das thermodynamisch bestimmte Gleichgewicht mit17% o-, 62% m- und 21% /^-Isomerem, während die kinetisch kontrollierte Methylierungvon Toluol 55% 0-, 17% m- und 28% /^-Isomeres liefert. - Neben Stellungsisomerisierungenfindet man Disproportionierungen, z. B. aus Alkylbenzol zu Benzolund Dialkylbenzol. Auch Umlagerungen in den Seitenketten von Alkylbenzolenwerden bei der Reaktion mit Aluminiumhalogeniden beobachtet. Das aus sek-Butylbenzol im Gleichgewicht entstehende Isobutylbenzol verdankt seine Entstehungeiner Methylwanderung im Paar der Carbeniumionen.Einheitliche Monoalkylierungsprodukte erhält man durchlierung und nachträgliche Reduktion der Carbonylfunktion zur Methylengruppe.<strong>Die</strong> Friedel-Crafts-Alkylierung läßt sich auf Olefine übertragen, wobei der aromatischenSubstitution eine olefinische Addition entspricht.H 3 C xH 3 CClC + H 2 C=CH 2 _ A^' 3 c > (CH 3 J 2 CH-CH 2 -CH 2 CIH<strong>Die</strong> technisch wichtige Addition von Isoalkanen an Alkene erfordert ebenfallsFriedel-Crafts-Katalysatoren und zeigt bezüglich der intermolekularen Hydridübertragungzu dieser enge mechanistische Beziehungen (siehe auch S. 194).


Houben-Hoesch-Synthese 2692,4- DihydroxyacetophenonOHOHCH 3CNZnCl 7XHClHNWasserfreies Zinkchlorid: Man schmilzt Zinkchlorid im Reagenzglas über der Bunsenbrennerflamme,bis kein Wasserdampf mehr entweicht, zerschlägt nach dem Abkühlenvorsichtig das Glas, entfernt die Glassplitter, wiegt in einem verschlossenen Wägeglasmöglichst rasch ein Stück oder nur wenige Stücke <strong>des</strong> sehr hygroskopischen Kristallkuchensab und pulverisiert diese unmittelbar vor der Verwendung in einer kleinen Reibschale.Acylierung: Als Apparatur dient ein unter dem Abzug aufgebauter 300-ml-Kolben mitunten erweitertem Gaseinleitungsrohr, das über zwei Waschflaschen mit konz. Schwefelsäureund Sicherheitsflasche mit einer Chlorwasserstoff-Stahlflasche verbunden ist; dieGasableitung führt in den Abzugschacht. — Zur Lösung von 16,5g (149 mmol) reinemResorcin (im Schwertkolben <strong>des</strong>tilliert; Sdp. 16O 0 C / 12 Torr) und 11,5ml (9,0g,0,22 mol) frisch <strong>des</strong>tilliertem wasserfreiem (zuvor 1 h über Diphosphorpentoxid gekochtem)Acetonitril in 75 ml absolutem Ether werden 6,0 g wasserfreies Zinkchlorid gegeben.Dann wird, zunächst unter Kühlung mit einem Eisbad, nach 30 min ohne weitereKühlung Chlorwasserstoff eingeleitet und öfter umgeschüttelt, wobei sich das Zinkchloridin etwa 1 h löst. Nach etwa weiteren 30 min trübt sich die rötliche Lösung understarrt dann bald zum Kristallbrei. Man beendet die Gaseinleitung und bewahrt das Gefäß,mit einem Korkstopfen verschlossen, noch 5 h bei Raumtemperatur im Abzug auf.Ohne vorher abzusaugen, wird dann der Kristallbrei in 200 ml Wasser gelöst; dabei müssendie ersten Milliliter vorsichtig unter Außenkühlung zugegeben werden. Nach Abtrennender Etherschicht <strong>des</strong>tilliert man in einem 500-ml-Kolben oder im Rotationsverdampferaus der wässerigen Phase zur Entfernung <strong>des</strong> gelösten Ethers im Vakuum auf demWasserbad etwa 10 ml Wasser über, ersetzt den absteigenden Kühler durch einen Rückflußkühlerund erhitzt die gelbe Lösung 30min zum Sieden. Nach dem Abkühlen nimmtman das abgeschiedene gelbe Produkt in 10O ml Ether auf, schüttelt die wässerige Phasemit 2mal 70 ml Ether aus, trocknet die Etherextrakte über wasserfreiem Natriumsulfat und<strong>des</strong>tilliert den Ether ab. Ausbeute 13—15 g rohes 2,4-Dihydroxyacetophenon mit Schmelzbereich125—135 0 C. — Zur Reinigung löst man in 180 ml heißer 1N Salzsäure, läßt langsamerkalten und bewahrt noch einige h im Kühlschrank auf. <strong>Die</strong> Kristalle werden aufeiner Nutsche abgesaugt, mit einigen Millilitern eiskaltem Wasser gewaschen und imVakuumexsikkator über Kaliumhydroxid getrocknet. Ausbeute 9—10g (40—44%) beigefarbenes2,4-Dihydroxyacetophenon mit Schmp. 142-144 0 C. Erneutes Umkristallisierenaus 160 ml 1N Salzsäure liefert 8—9 g (36—40%) reines Produkt mit Schmp.144-145 0 C.<strong>Die</strong> für die Herstellung von 2,4-Dihydroxyacetophenon angewendete Houben-Hoesch -Synthese gestattet es, mehrfache Phenole unter schonenden Bedingungen


270 Kapitel IV. Aromatische Substitution, IImit Nitrilen, HCl und Lewis-Säure zu Ketonen zu acylieren. Das Nitril vereinigt sichmit Chlorwasserstoff zum Imidsäurechlorid, das unter der Einwirkung von Zinkchlorideine elektrophile aromatische Substitution bewirkt; das Imin wird anschließendhydrolysiert.Phenol selbst oder 2-Naphthol werden lediglich in Imidsäureester,ArO—Q=NH)CH 3 , übergeführt, unsubstituierte Aromaten reagieren nicht.Bei der Gattermannschen Aldehydsynthese werden wie bei ihrem Vorbild, derHouben-Hoesch-Synthzse, mehrfache Phenole von der Art <strong>des</strong> Phloroglucins undResorcins mit Blausäure bzw. Nitrilen und HCl in Ether acyliert, wobei vermutlichein Derivat <strong>des</strong> Formimidsäurechlorids ClHC=NX bzw. Homologe ClC(R)=NXdie elektrophilen Agenzien sind; die zunächst entstehenden Benzylidenimine hydrolysierenleicht. Bei weniger reaktiven Phenolen setzt man Zinkchlorid zu. Phenolether,Alkylbenzole oder polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe benötigenAluminiumchlorid in Benzol oder Chlorbenzol als schärfere Kondensationsmittel.CH 3 -C = N + HCl —- CH 3 -CNHCHo-CNHClEbenfalls auf Aromaten beschränkt, die nucleophiler sind als Benzol selbst (auchAniline, Pyrrole und Indole; siehe S. 271), ist die bequeme Aldehydsynthese nachA. Vilsmeier. Aktive formylierende Agenzien sind dabei die aus N-Methylformanilidoder A^N-Dimethylformamid und Phosphoroxychlorid entstandenen mesomerenKationen. <strong>Die</strong> mit aromatischen Verbindungen gebildeten Imoniumsalze werdenrasch hydrolysiert.NCH + POCIR = CH 3/ C 6 H 3/ 6 5CHH-C PO 2 CI 2N N-CH 3RmesomerO CH 3Ar-C R + H 2 O Ar-C + H 2 NHCl- Cl -


Vilsmeier-Reaktion 271Auch N,N-Dialkyl(chlomethylen)ammoniumchloride, die man aus N,N-disubstituiertenFormamiden mit Phosphorpentachlorid, besser noch mit Phosgen, erhält,sind als Formylierungsmittel brauchbar.OClXCOCI 2 - > H-C + CO 2X^ +NR NR 2Daß N,N-Dimethylformamid in Gegenwart von Phosphoroxychlorid Styrol inZimtaldehyd sowie Phenylacetylen in jS-Chlorzimtaldehyd überführt, unterstreichterneut die engen Beziehungen zwischen aromatischer und olefinischer Reaktivität.Zur Einführung der Formylgruppe in wenig nucleophile Aromaten wie Benzoloder Naphthalin verwendet man neben einer Lewis-Säure (Dichlormethyl)methylether,den man mit Phosphorpentachlorid aus Ameisensäure-methylester erhält, oderden entsprechenden Thioether (A. Rieche, 1960).Cl ~/OCH 3CICH-O-CH 3 + ArH+ '3 > Ar-CH+ H2 ° > ArCH=O + CH 3 OH + HCIVorsicht! <strong>Die</strong> halogenierten Methylether sind cancerogen.4-(Dimethylamino)benzaldehyd+ (CH 3 ) 2 NCHO P ° Ci3 » (CH 3 J 2 N-^V- CHOIn einem 250-ml-Kolben mit Tropftrichter, auf dem ein Calciumchlorid-Rohr sitzt, Rührer,Innenthermometer sowie Calciumchlorid-Rohr, das den vierten Tubus verschließt, werden35,5 ml (32,0 g, 0,44 mol) /V,/V-Dimethylformamid in 15 min unter Eiskühlung undRühren mit 10,OmI (16,7g, 0,11 mol) frisch <strong>des</strong>tilliertem Phosphoroxychlorid versetzt;dabei soll die Innentemperatur 10 0 C nicht übersteigen. Man ersetzt den Tropftrichterdurch einen zweiten und läßt durch diesen 14,1 ml (13,5 g, 0,11 mol) frisch <strong>des</strong>tilliertes/V,/V-Dimethylanilin während 20min in die weiterhin gekühlte und gerührte Mischungfließen. Dann wird noch 2 h unter Rühren auf 9O 0 C erhitzt, das Gemisch auf 100 g Eis/Wasser gegossen und durch tropfenweise Zugabe von 200 ml BOproz. Natriumacetat-Lösung unter Rühren neutralisiert. (Steigt dabei die Temperatur höher als etwa 2O 0 C,bildet sich ein grünblauer Farbstoff, der sich später nicht vom Produkt abtrennen läßt.)Nach 12stündigem Aufbewahren im Kühlschrank haben sich 13—14g (79—85%) nahezufarbloser kristalliner p-(Dimethylamino)benzaldehyd ausgeschieden (Schmp. 59 bis63 0 C). — Zur Reinigung löst man in 35 ml heißem 95proz. Ethanol, filtriert durch einen


272 Kapitel IV. Aromatische Substitution, IIvorgewärmten Trichter, wäscht mit wenigen Millilitern siedendem Ethanol und stellt dieLösung mehrere Stunden in den Kühlschrank. Der Kristallbrei wird abgesaugt, mit wenigkaltem Ethanol gewaschen und scharf abgepreßt. Nach Trocknen über Calciumchloridim Vakuumexsikkator erhält man 8—9 g eventuell noch beigefarbenen Aldehyd mitSchmp. 70—72 0 C. Durch Einengen der alkoholischen Mutterlauge auf ein Drittel ihresVolumens und Kühlen im Kühlschrank gewinnt man nochmals etwa 1 g vom gleichenSchmelzpunkt. Gesamtausbeute 55-60%.2,4- DihydroxybenzoesäureOHOHKHCO 3CO 2 HIn einem 1-l-Kolben mit Rückflußkühler werden 40g (0,34 mol) Resorcin, 200 g(2,00 mol) Kaliumhydrogencarbonat (oder 168 g Natriumhydrogencarbonat) und 400 mlWasser 2 h auf dem siedenden Wasserbad erwärmt und dann im Babo-Trichter 15 minzum Sieden erhitzt. Nach dem Erkalten gießt man den Kolbeninhalt in einen 2-l-Stutzenund säuert die dunkelbraune Lösung an durch langsame Zugabe von 180 ml konz. Salzsäure(d = 1,1 9) mit einem Tropftrichter, <strong>des</strong>sen Rohr auf den Boden <strong>des</strong> Stutzens mündet.Dabei fällt das Produkt in fast farblosen Blättchen aus. Man läßt den Ansatz einige hin einem locker verschlossenen Kolben im Kühlschrank stehen und saugt dann auf einerPorzellannutsche ab. Nach Waschen mit eiskaltem Wasser und Trocknen an der Lufterhält man so 32-35 g Rohprodukt. - Zur Reinigung kocht man diese in 130 ml Wassermit 3 g Aktivkohle kurz auf, filtriert durch einen vorgewärmten Glastrichter mit angefeuchtetemFaltenfilter und wäscht 2mal mit je 15 ml kochendem Wasser. Nach Abkühlenlassen,mehrstündigem Aufbewahren im Kühlschrank, Absaugen und Trocknen imExsikkator über Calciumchlorid erhält man 24-26 g reines Produkt. Einengen der Mutterlaugeauf das halbe Volumen und Kühlen liefern weitere 2—3 g. Gesamtausbeute 46 bis50% 2,4- Dihydroxybenzoesäure, die bei 202-204 0 C unter Decarboxylierung schmilzt.Der anionische Sauerstoff im Phenolation übertrifft in der Stärke <strong>des</strong> elektronenlieferndenmesomeren Effekts noch die Aminogruppe. <strong>Die</strong> Kernsubstitution <strong>des</strong>Phenolations durch das nur schwach elektrophile Kohlendioxid liefert ein eindrucksvollesBeispiel dafür, in welchem Ausmaß die Reaktivität <strong>des</strong> Benzolkernsdurch Substituenten beeinflußt wird. Das Phenolation verfügt über mehrere nucleophileZentren und bildet in der Kälte mit Kohlendioxid reversibel das Phenylcarbonation.In der Hitze liegt <strong>des</strong>sen Zerfallsgleichgewicht auf Seiten der Komponenten,die sich nun zum Salicylation vereinigen. <strong>Die</strong> von H. Kolbe (1860) aufgefundeneSalicylsäuresynthese wird noch heute industriell ausgeführt: Trockenes gepulvertesNatriumphenolat wird mit CO 2 unter Druck auf 13O 0 C erhitzt; Ansäuern <strong>des</strong> Reaktionsproduktsergibt in fast quantitativer Ausbeute Salicylsäure.


Salicylsäure und -aldehyd 273<strong>Die</strong> Tatsache, daß es hierbei ausschließlich zur 0-Substitution kommt, ist aufChelatbildung (siehe S. 680) <strong>des</strong> Natriumions mit dem Phenolatsauerstoff und CO 2zurückzuführen; Kaliumphenolat wird unter denselben Bedingungen in o- und p-Stellung angegriffen.Bei den Anionen <strong>des</strong> Resorcins, Pyrogallols und Phloroglucins ist die Nucleophilie<strong>des</strong> Kerns so groß, daß hier die Carboxylierung schon in wässeriger Lösung gelingt,wie die Darstellung der 2,4-Dihydroxybenzoesäure aus Resorcin mit Alkalihydrogencarbonatin siedendem Wasser beweist (oben). Unter den gleichen Bedingungen wirdm-Aminophenol in das Tuberkulostatikum /j-Aminosalicylsäure (PAS) übergeführt.Wenngleich eine mechanistische Beziehung zur Kolbe-Reaktion fraglich ist, seihier die Isomerisierung <strong>des</strong> Kaliumphthalats bei 40O 0 C zu Kaliumterephthalat erwähnt,der bei der Herstellung von Polyesterfasern („Terylen") aus Terephthalsäureund z. B. Ethylenglykol industrielle Bedeutung zukommt (B. Raecke).SalicylaldehydIn einem 1-l-Kolben mit Rückflußkühler, Tropftrichter und Innenthermometer erwärmtman die Lösung aus 12Og (3,00 mol) Natriumhydroxid und 120 ml Wasser im Wasserbadauf 8O 0 C, versetzt mit 37,5g (0,39 mol) reinem Phenol und läßt die Lösung nachEntfernung <strong>des</strong> Wasserbads abkühlen, ohne dabei umzuschüttein, um ein Auskristallisierenvon Natriumphenolat zu vermeiden. (Falls doch Natriumphenolat auskristallisiert,löst man es durch Erwärmen und versucht erneut, die kurzfristige Übersättigung bei60—7O 0 C zu erreichen). Sobald die Temperatur der Lösung 7O 0 C beträgt - spätestensjedoch, wenn die ersten Kristalle ausfallen — läßt man aus dem Tropftrichter etwa einDrittel von insgesamt 60,0 ml (0,75 mol, 90,0 g) Chloroform zulaufen und schwenktleicht um (wobei die Flüssigkeit vorübergehend fuchsinrot wird). Unter Einregulieren der


274 Kapitel IV. Aromatische Substitution, IIInnentemperatur auf 65—7O 0 C durch Eintauchen <strong>des</strong> Kolbens in heißes Wasser fügt mannach 10 min das zweite Drittel und nach weiteren 15 min den Rest <strong>des</strong> Chloroforms zu;in diesem Stadium soll öfters umgeschüttelt werden. Zum Schluß wird das Reaktionsgemischnoch 1 h im Wasserbad unter Rückfluß gekocht, wobei die Innentemperaturschließlich auf etwa 75 0 C ansteigt. Man ersetzt den Tropftrichter durch ein Einleitungsrohrund leitet Wasserdampf ein (zur Ausführung der Wasserdampf<strong>des</strong>tillation sieheS. 55), bis kein Chloroform mehr übergeht. Dann läßt man etwas abkühlen, säuert diebraune Flüssigkeit vorsichtig mit 2N Schwefelsäure an und leitet erneut so lange Wasserdampfein, bis sich aus dem Kondensat (insgesamt etwa 500—600 ml), keine Öltropfenmehr abscheiden. Das Destillat wird mit 100 ml, dann mit 50 ml Ether ausgezogen. Ausden vereinten Etherlösungen <strong>des</strong>tilliert man die Hauptmenge <strong>des</strong> Ethers auf dem Wasserbadoder im Rotationsverdampfer ab. Der Rückstand, der neben Salicylaldehyd unverändertesPhenol enthält, wird in einer Glasstöpselflasche mit 60 ml konz. Natriumhydrogensulfit-Lösungkräftig geschüttelt, wobei sich ein fester Brei der Hydrogensulfitverbindung<strong>des</strong> Aldehyds abscheiden muß. Nach 1 h saugt man auf einem kleinen Büchner-Trichter scharf ab und wäscht zur vollständigen Entfernung von Phenol mehrere Malemit je 10 ml Alkohol sowie schließlich mit Ether. <strong>Die</strong> perlmutterglänzenden Blättchenwerdenim Abzug in einem 250-ml-Kolben mit Steigrohr durch vorsichtiges Erwärmen mit12OmI 2N Schwefelsäure unter SO 2 -Entwicklung zersetzt. Nach dem Abkühlen schütteltman mit 2mal 50 ml Ether, trocknet die etherische Lösung mit Natriumsulfat und <strong>des</strong>tilliertim Vakuum, wobei der Salicylaldehyd bei 73 0 C / 12 Torr als farbloses Öl übergeht.Ausbeute 9-10 g (28-31 %).Aus dem heiß filtrierten und mit Kochsalz gesättigten Rückstand der Wasserdampf<strong>des</strong>tillationkristallisiert (öfters erst nach längerer Zeit) p-Hydroxybenzaldehyd aus. Erläßt sich durch Umkristallisieren aus 50 ml Wasser unter Zusatz von wenig schwefligerSäure reinigen. Schmp. 106-11O 0 C; Ausbeute 2-3 g.Bei der Aldehydsynthese nach Reimer-Tiemann ist aus Chloroform und Alkalihydroxidentstandenes Dichlorcarben das elektrophile Agens.CI 3 CH + OH- oder OR~ ^ CI 3 C- + HOH bzw ROHCI 3 C- — Cl-C—Cl + Cl ~<strong>Die</strong> Acidität <strong>des</strong> Chloroforms, die sich beispielsweise in einem basenkatalysiertenH, D-Austausch in schwerem Wasser oder in der Verschiebung <strong>des</strong> Protonenresonanzsignalsin Lösungsmitteln unterschiedlicher Basizität kundtut, hat ihre Ursacheim induktiven Effekt der Chloratome, die den größten Teil der negativen Formalladung<strong>des</strong> Trichlormethylanions übernehmen. <strong>Die</strong>ses gibt ein Chloridion ab.Dichlorcarben läßt sich auch durch thermische Zersetzung von Alkalitrichloracetatenerhalten. - Eine Additionsreaktion <strong>des</strong> Dichlorcarbens an die Olefindoppelbindungist im Präparat auf S. 200 experimentell demonstriert. Auf S. 199 finden sich aucheinige Ausführungen über Carbene.


Reimer-Tiemann-Synthese und NIH-Verschiebung 275I + CClund analog30%10%Während die Addition <strong>des</strong> elektrophilen Dichlorcarbens an den Phenolat-Sauerstoffletztlich zu Triphenyl-orthoformiat führt, gehen aus der Anlagerung an dienucleophilen Kernpositionen Cyclohexadienone hervor, die sich durch Verschiebungeines Protons aromatisieren. <strong>Die</strong> anschließende Hydrolyse <strong>des</strong> Benzylidenchlorid-Abkömmlings folgt bekannten Vorbildern (S. 174).o- und /7-Kresol liefern neben Hydroxyaldehyden Derivate <strong>des</strong> Cyclohexadienons.<strong>Die</strong> Methylgruppe blockiert hier eine Aromatisierung; auch die Hydrolyse <strong>des</strong> nichtbenzylständigen Dichlormethylrestes unterbleibt.CHCl 3 _NaOH '25%CHOCl 2 CH12%Biologische Oxidation von aromatischen VerbindungenAromatische Verbindungen werden im Säugetier (Leber) und durch Bakterien oderPilze oxidativ verändert („oxygeniert") und abgebaut. Benzol wird vom Hund z.B.als Muconsäure (cis.cis- (oder Z,Z-) 2,4-Hexadien-l,6-disäure) im Harn ausgeschieden.Der durch das Enzym Monooxygenase vermittelte Angriff <strong>des</strong> Sauerstoffsführt unter Aufhebung <strong>des</strong> aromatischen Systems zu Arenoxiden. <strong>Die</strong>se hochreaktivenZwischenstufen können a) zu Phenolen isomerisieren, b) zu trans-\,2-D\o\Qnhydrolysieren, c) mit Thiolen (z. B. dem cysteinhaltigen Tripeptid Glutathion) zu S-Arylverbindungen reagieren (Entgiftung).


276 Kapitel IV. Aromatische Substitution, II<strong>Die</strong> zum Phenol führende Isomerisierung ist mit einer Wanderung <strong>des</strong> dem Sauerstoffbenachbarten H-Atoms in die Nachbarstellung verbunden (NIH-Verschiebung,von National /nstitutes of //ealth, B. Witkop), was durch Isotopenmarkierung festgestelltwurde.Als Oxidationsprodukt <strong>des</strong> Naphthalins ist ein 1,2-Epoxid isoliert worden, das zu1-Naphthol isomerisiert. Das 2,3-Epoxid ist nur in der valenztautomeren stabilenForm <strong>des</strong> 3-Benzoxepins bekannt, die sich aus dem 1,2-Epoxid wegen <strong>des</strong> damit verbundenenVerlust s der Benzol-Resonanz nicht bildet.1,2-Epoxid2,3 -Epoxid<strong>Die</strong> Synthese der Arenoxide geht von Epoxiden halogenierter Cyclohexene aus(E. Vogel), z. B.H H 2-2HBrBr H 2Nucleophile aromatische Substitution und ähnliche Reaktionen2-Naphthol,5O 3 NaNaOH-Na 2SO 3Für die anschließend beschriebene Alkalischmelze benutzt man am besten einen 1 mmstarken Kupfertiegel von ca. 9 cm Höhe, 8 cm oberem und 5 cm unterem Durchmesser,der von einem Eisenring gehalten wird und ein nicht zu dünnes 360 0 C-Thermometer, daszum Schutz gegen das geschmolzene Alkali in einer etwa 18 cm langen und 10 mm weitenKupferhülse mit etwas Ölbadflüssigkeit (zur Wärmeübertragung) steckt. Zum Ausgießender Schmelze wird ein etwa 25*35 cm großes Kupferblech benötigt <strong>des</strong>senRänder 1 cm zu einer Wanne hochgezogen sind. Während <strong>des</strong> Versuchs, der unter demAbzug durchzuführen ist, müssen Schutzbrille und -handschuhe getragen werden. -210 g (5,25 mol) Natriumhydroxid werden im Kupfertiegel mit 20 ml Wasser versetzt undunter Umrühren erhitzt. Sobald die Temperatur von 28O 0 C erreicht ist, trägt man unterfortdauerndem Erwärmen mit einer etwas kleineren Flamme 70,0 g (0,30 mol) feingepulvertesNatrium-2-naphthalinsulfonat unter Umrühren ziemlich rasch ein und hält dabeidie Temperatur zwischen 260 und 28O 0 C. Dann vergrößert man die Flamme etwas,


Phenole aus Sulfonaten 277wodurch die Schmelze unter Entwicklung von Wasserdämpfen und Aufblähen schleimigerwird, bis schließlich bei 31O 0 C die eigentliche Reaktion eintritt. Nachdem man dieTemperatur etwa 5 min bei 310—32O 0 C gehalten hat, ist die Schmelze dünnflüssig gewordenund die Reaktion beendet. <strong>Die</strong> Schmelze wird (mit einer kräftigen Tiegelzange)sofort auf das Kupferblech in dünner Schicht ausgegossen, nach dem Abkühlen zerkleinertund in 1 I Wasser gelöst. Man fällt das Naphthol mit 500 ml konz. Salzsäure undextrahiert 1 mal mit 200 ml und 2mal mit je 100 ml Ether. Nach dem Trocknen der vereintenEtherauszüge über Natriumsulfat <strong>des</strong>tilliert man den Ether ab und reinigt denRückstand durch Vakuum<strong>des</strong>tillation in einem 100-ml-Schwertkolben oder Kugelrohr.Nach geringem Vorlauf gehen bei 153 0 C / 12 Torr 25g (58%) 2-Naphthol über, dieaus dem Schwert oder Kugelrohr herausgeschmolzen und in einer Reibschale pulverisiertwerden; Schmp. <strong>des</strong> fast farblosen Präparats 119-121 0 C. Durch Umkristallisieren ausBenzol erhält man farblose Blättchen mit Schmp. 121-122 0 C.Der nucleophile Austausch <strong>des</strong> Sulfonatrests erfordert energische Bedingungen. ImGegensatz zur sauren Hydrolyse der Sulfonate (elektrophile Substitution, S. 250) istdie nucleophile alkalische Spaltung mit einem Wechsel der Oxidationsstufen verbunden.SO 3 Na.^xONa-1-2NaOH-- y T +Na 2 SO 3 H-H 2 ODas industriell wichtige Phenol wird außer durch Alkalischmelze <strong>des</strong> Natriumbenzolsulfonatsauch aus Chlorbenzol mit 15prozentiger Natronlauge bei 37O 0 C hergestellt.(Über das Auftreten von Arinzwischenstufen siehe S. 282). <strong>Die</strong> technischeGewinnung von Phenol durch Autoxidation von Cumol ist auf S. 472 beschrieben,die Umwandlung aromatischer Amine in Phenole auf S. 615.Phenole reagieren in wässeriger Lösung sauer (siehe Tab. auf S. 252) („Carbolsäure").<strong>Die</strong> gute Mesomeriestabilisierung <strong>des</strong> Phenolations ist die Ursache der imVergleich mit Alkoholen gesteigerten Acidität.Phenole können durch Farbreaktion mit Eisen(III)-chlorid erkannt werden. <strong>Die</strong>meisten geben eine rotviolette Farbe, bei Brenzkatechin ist sie grün. <strong>Die</strong>se Farbreaktionwird auch von den auf S. 403 besprochenen Enolen und von 0c/-Nitroalkanen(S. 165) gegeben.<strong>Die</strong> Hydroxygruppe der Naphthole ist reaktiver als die der Phenole. Im Gegensatzzu Phenol lassen sich Naphthole direkt mit Alkohol und Schwefelsäure verethern.


278 Kapitel IV. Aromatische Substitution, IIAuch die von Bucherer entdeckte reversible Überführung von Naphtholen in Naphthylaminin Gegenwart von Sulfit- oder Hydrogensulfitionen sei hier erwähnt. 2-Naphthol läßt sich mit wässerigem Ammoniumsulfit bei 15O 0 C im Autoklaven zu95% in 2-Naphthylamin umwandeln. Für die Umkehrreaktion benutzt man wässerigesNatriumsulfit. 2-Naphthylamin ist cancerogen (siehe S. 518).HSO;Dimethylammoniumchlorid(CH 3 J 2 N1.NaQH B2. H.,0 + "(CH 3 J 2 NH +In eine Lösung von 24,0 g (0,60 mol) Natriumhydroxid in 500 ml Wasser in einem 1-1-Kolben trägt man 24,Og (0,13 mol) /V,/V-Dimethyl-p-nitrosoaniliniumchlorid (S. 242)ein und schüttelt die grüne Suspension nach Verschließen mit einem Schliff stopfenkräftig durch. Dann wird der Kolben mit einem absteigenden Kühler verbunden. Als Vorlagedient ein 500-ml-Kolben, der mit 80 ml 2N Salzsäure (0,16 mol) beschickt ist; derDestillationsvorstoß soll etwa 1 cm tief in die Säure eintauchen. Der Destillationskolbenwird (nach Zugabe von Sie<strong>des</strong>teinchen) im Babo-Trichter zunächst 0,5 h zum ganzschwachen Sieden, dann so stark erhitzt, daß das entstehende Dimethylamin dabei zusammenmit Wasser in die vorgelegte Salzsäure <strong>des</strong>tilliert. Man kocht so lange, bis (nachetwa 1 h) 300 ml übergegangen sind. Das von wenig /V,/V-Dimethyl-p-nitrosoanilin gelbgefärbte Destillat wird mit 5 g Aktivkohle 5 min unter Rühren auf dem siedenden Wasserbaderwärmt und durch ein Faltenfilter filtriert. <strong>Die</strong> Kohle wird auf dem Filter 3malmit je 30 ml heißem Wasser gewaschen. Filtrat und Waschflüssigkeit konzentriert manbei etwa 12 Torr auf etwa 50 ml, füllt diese (zur besseren Isolierung <strong>des</strong> Produkts) ineinen 100-ml-Kolben um (Nachspülen mit etwas Wasser) und <strong>des</strong>tilliert im Vakuum dasWasser völlig ab. <strong>Die</strong> Ausbeute an farblosem, über Kaliumhydroxid im Vakuumexsikkatorgetrocknetem Dimethylamin-hydrochlorid beträgt 9,0—9,5 g (85—90%). <strong>Die</strong> wasserfreiehygroskopische Substanz läßt sich aus 15-20 ml absolutem Ethanol Umkristallisieren,wobei man allerdings 2-3 g verliert.Das als Nebenprodukt entstandene Nitrosophenol scheidet man aus dem abgekühltenRückstand im Destillationskolben durch Ansäuern mit Schwefelsäure ab und nimmtes im Schütteltrichter mit der nötigen Menge Ether auf. <strong>Die</strong> braungrüne Lösung wirdnach kurzem Trocknen mit CaCI 2 auf dem Wasserbad auf einige Milliliter eingeengt undscheidet dann beim Abkühlen p-Nitrosophenol kristallin ab. Schmp. 120—13O 0 C (unterZersetzung). <strong>Die</strong> völlige Reinigung <strong>des</strong> Produkts ist schwierig./?-Nitrosophenol steht mit seiner tautomeren chinoiden Form, dem Chinonmonoxim,im Gleichgewicht. In ganz reinem festem Zustand ist es fast farblos (Oxim),die Lösungen sind olivgrün (Nitrosoform im Gleichgewicht).


2,4-Dinitrophenylhydrazin 279Versuch: Liebermannsche Reaktion — Eine kleine Menge Nitrosophenol wird inwenig geschmolzenem Phenol gelöst und die Lösung mit etwas konz. Schwefelsäureversetzt. Es entsteht eine kirschrote Färbung, die nach Verdünnen mit Wasser und Zugabevon Natriumhydroxid-Lösung in Blau umschlägt.<strong>Die</strong> alkalische Hydrolyse Af-dialkylierter /j-Nitrosoaniline ist eine gute Methode,sekundäre Amine in reiner Form zu gewinnen, da die definierte Alkylierung <strong>des</strong>Stickstoffs nicht möglich ist (siehe S. 157).2,4- DinitrophenylhydrazinNHNHN 2H 4In einem 500-ml-Erlenmeyerkolben löst man 20g (99 mmol) 1-Chlor-2,4-dinitrobenzol(siehe S. 235) in 15OmI warmem 95proz. Ethanol. Unter Umschwenken versetzt manmit einer Mischung von 12 ml SOproz. Hydrazin-hydrat und 15 ml Ethanol. <strong>Die</strong> Lösungfärbt sich rotviolett; nach wenigen min beginnen sich rote Kristalle auszuscheiden. Manerwärmt noch 2 h im Wasserbad von 7O 0 C, kühlt im Eisbad und saugt ab. Nach Waschenmit 25 ml warmem Ethanol und anschließend mit 100 ml Wasser wird das leuchtend roteProdukt bei 10O 0 C getrocknet; Ausbeute 18g (92%) 2,4-Dinitrophenylhydrazin mit unscharfemSchmp. unter Zersetzung bei 192—195 0 C. Zum Umkristallisieren eignet sichButanol oder Dioxan.2,4-Dinitrophenylhydrazin wird zum Nachweis und zur Identifizierung von Carbonylverbindungenviel verwendet (siehe S. 347). <strong>Die</strong> Aldehyd- und Keton-2,4-dinitrophenylhydrazonekristallisieren gut und lassen sich aufgrund ihrer Farbe im Dünnschichtchromatogrammgut erkennen (siehe S. 348).


280 Kapitel IV. Aromatische Substitution, II2-Chlor-1,3,5-trinitrobenzol (Pikrylchlorid)PCI,Unter dem Abzug werden in einem 500-ml-Kolben 50,0 g (0,22 mol) Pikrinsäure (sieheS. 251; wird die handelsübliche Suspension von Pikrinsäure in Wasser benutzt, saugtman auf einer Nutsche fest ab und trocknet im Vakuumexsikkator über Diphosphorpentoxid)mit 100 g (0,48 mol) Phosphorpentachlorid gut vermischt. Man setzt einen Rückflußkühlermit Gasableitung auf und erhitzt im 80—9O 0 C warmen Wasserbad. Nach ca.15 min tritt unter Verflüssigung, Braunfärbung und Abspaltung von Chlorwasserstoff dieReaktion ein. Nach deren Abklingen (in etwa 90 min) wird das Produkt langsam unterkräftigem Rühren mit einem Glasstab auf 500—700 g zerstoßenes Eis gegossen und dannauf einer Porzellannutsche abgesaugt. Zur Reinigung (unter dem Abzug) trägt man dasRohprodukt langsam in eine Mischung von 50 ml Salpetersäure (d = 1,4) und 200 mlkonz. Schwefelsäure in einem 1 -l-Erlenmeyerkolben ein und erhitzt auf einer Heizplatteauf 80—9O 0 C Innentemperatur. Unter Aufschäumen geht das Produkt in Lösung; diesewird nach 1 min deutlich heller. Man läßt abkühlen, fällt das 2-Chlor-1,3,5-trinitrobenzoldurch Eingießen in 800 ml Eis/Wasser, nutscht ab, wäscht mit Wasser und trocknet imVakuumexsikkator über Calciumchlorid; Rohausbeute 38—42 g. Zum Umkristallisierenlöst man in der Mischung aus 35 ml Benzol und 95 ml Ethanol in der Hitze auf, saugt beinur geringem Unterdruck durch eine im Trockenschrank vorgewärmte Nutsche und spültKolben- und Filterrückstand mit 30 ml heißem Benzol-Alkohol-Gemisch. Nach mehrstündigemAufbewahren im Kühlschrank saugt man die blaßgelben Nadeln ab undtrocknet sie im Vakuumexsikkator über Calciumchlorid. Ausbeute 27-31 g (50-57%)2-Chlor-1,3,5-trinitrobenzol mit Schmp. 80-82 0 C.Aromatisch gebundene Halogenatome sind normalerweise gegen nucleophilenAustausch sehr resistent. Im /?-Chlornitrobenzol läßt sich das Halogen schon durchKochen mit verdünnter Natronlauge abspalten. Eine Häufung elektronenanziehenderGruppen in o- oder /7-Stellung erhöht die Austauschfahigkeit <strong>des</strong> Halogens weiter;4-Chlor-l,3-dinitrobenzol reagiert bereits bei Raumtemperatur mit alkoholischerHydrazinlösung (siehe oben). 2-Chlor-l,3,5-trinitrobenzol steht in der Reaktivitätden Carbonsäurechloriden nur wenig nach; es wird auch wie ein solches dargestellt(und benannt) (siehe S. 303).Aliphatische und aromatische S N 2-Reaktionen unterscheiden sich im Energieprofilgrundsätzlich. Während bei der Umsetzung <strong>des</strong> Alkylhalogenids mit einem nucleophilenPartner nach S N 2 lediglich ein Übergangszustand passiert wird (AbbildungS. 169), zeigt die S N 2-Reaktion der aromatischen Reihe ein Energieprofil mit zweiGipfeln. Nach Überwindung eines ersten Übergangszustan<strong>des</strong> wird eine Zwischenstufegebildet; ein erneuter Energiehub führt über einen zweiten Übergangszustand


nucleophile aromatische Substitution 281zu den Produkten. Obwohl das Energieprofil damit dem in Abbildung 74 für dieS N l-Substitution entspricht, hat die Zwischenstufe eine ganz andere Konstitution.<strong>Die</strong>s sei am Beispiel der Umsetzung <strong>des</strong> 2,4-Dinitrochlorbenzols mit Hydrazinillustriert. <strong>Die</strong> Anlagerung <strong>des</strong> Hydrazins an das C-I <strong>des</strong> Benzolkerns ist mit demVerlust der aromatischen Mesomerie verbunden. <strong>Die</strong> vom nucleophilen Agens in denKohlenstoffring hineingetragene negative Ladung wird von den beiden Nitrogruppenübernommen. Hier liegt die Ursache der aktivierenden Wirkung solcher o- oder/?-ständiger, elektronenanziehender Substituenten, wenn man den Übergangszustandin erster Näherung mit der Zwischenstufe gleichsetzt. Das substituierte C-Atom istin der Zwischenstufe sp 3 -hybridisiert.O 9 N-HH 2 N-NH 2<strong>Die</strong> aktivierende Wirkung nimmt in folgender Reihe ab:-N 2 + > —NO > -NO 2 > -CN > -CHO > -CO 2 H > N(CH 3 ) 3 > Cl > HSie kann bei Vorhandensein mehrerer Substituenten so stark sein, daß die Zwischenstufeisolierbar ist. Bei der Überführung von 2,4,6-Trinitroanisol in das entsprechendePhenetol durch Kaliumethanolat konnte J. Meisenheimer das tiefrotekristalline Kaliumsalz gewinnen.und andere mesomere GrenzformelnFür alle aromatischen Substitutionen gilt folgende Orientierungsregel: Substituenten,die in o- und /^-Stellung die elektrophile Substitution erschweren, erleichterndie nucleophile Substitution und umgekehrt.


282 Kapitel IV. Aromatische Substitution, IIIm Gegensatz zu den aliphatischen Fluoriden sind die aromatischen, verglichen mitden Chloriden und Bromiden, viel S N 2-reaktiver (siehe l-Fluor-2,4-dinitrobenzol,S. 618). <strong>Die</strong> hohe Elektronegativität <strong>des</strong> Fluors erleichtert den Angriff <strong>des</strong> Nucleophils.Ähnlich dem Halogen läßt sich bei ausreichender Aktivierung auch die Nitrogruppeals Nitrit-Anion vom aromatischen Kern ablösen. So geht/7-Dinitrobenzol schon mitsiedender 2 N Natronlauge in Nitrophenol und Natriumnitrit über. <strong>Die</strong> alkalischeSpaltung <strong>des</strong>/j-Nitroso-^N-dimethylanilins (S. 278) ist ein Beispiel für die Verdrängungder Aminofunktion. Auf den Austausch <strong>des</strong> Sulfonatrestes gegen die Hydroxygruppegründet sich die S. 276 ausgeführte Synthese von Phenolen.Wasserstoff wird dann als Hydridion vom aromatischen Kern verdrängt, wenn erein Oxidationsmittel als Akzeptor findet. So erhält man bei der Behandlung von Nitrobenzolmit gepulvertem KOH bei 6O 0 C 2-Nitrophenol; ein Teil <strong>des</strong> Nitrobenzolswird dabei zum Azoxybenzol reduziert.2C 6 H 5 -NO 2 -»• 3H"O"I-C 6 H 5 -N = N-C 6 H 5 + 3OH"Ein weiteres Beispiel ist die von Anthrachinon-2-sulfonat ausgehende Synthese <strong>des</strong>Alizarins durch oxidierende Alkalischmelze (siehe S. 574).Bei dem oben diskutierten Substitutions-Mechanismus vereinigt sich das nucleophileAgenz mit der aromatischen Verbindung zu einer additiven Zwischenstufe. <strong>Die</strong>anschließende Eliminierung führt den aromatischen Zustand wieder herbei. Derneue Substituent tritt stets in der Position auf, die die austretende Gruppe verläßt.ArineNichtaktivierte Halogenaromaten reagieren nicht oder nur unter Extrembedingungennach diesem Mechanismus. Ungewöhnlich leicht vollziehen sich dagegen der Übergangvon ArHaI in ArNH 2 mit Kaliumamid in flüssigem Ammoniak sowie dieBildung von Biphenyl aus Fluorbenzol und Phenyllithium bei Raumtemperatur. Hierbegegnet uns ein zweiter Reaktionsweg der nucleophilen aromatischen Substitution,ein Eliminierungs- und Additionsmechanismus, der an seinen typischen Umlagerungenleicht zu erkennen ist.[l- 14 C]Chlorbenzol liefert mit Kaliumamid in flüssigem Ammoniak ein Gemischfast gleicher Teile [l- 14 C]Anilin und [2- 14 C]Anilin (J. D. Roberts, 1953). <strong>Die</strong>ses Ergebnisist verständlich, wenn man Dehydrobenzol (Benz-in) als bindungssymmetrischeZwischenstufe annimmt, die Ammoniak in zwei Richtungen addieren kann.


Arme 283<strong>Die</strong> Bildung von Biphenyl aus Lithiumphenyl und Fluorbenzol (G. Wittig, 1942)kommt so zustande, daß das Phenyllithium durch sein basisches Anion ein aci<strong>des</strong>ö-ständiges Wasserstoffatom vom Fluorbenzol als Proton abspaltet und durchLithium ersetzt. Abspaltung von LiF führt zum Dehydrobenzol, an das sich weiteresPhenyllithium anlagert. Durch hydrolytische Abspaltung <strong>des</strong> Lithiums entsteht dannBiphenyl.^= 1 X / = \ H +Sowohl l-Fluor- als auch 2-Fluornaphthalin werden entsprechend über Dehydronaphthalinbeide in l- und 2-Stellung phenyliert (R. Huisgen, 1955).<strong>Die</strong> 14 C-Markierung hat gelehrt, daß auch die alkalische Hydrolyse <strong>des</strong> Chlorbenzolsbei 37O 0 C über Dehydrobenzol abläuft.Dehydrobenzol eignet sich sehr gut als <strong>Die</strong>nophil in der <strong>Die</strong>ls-Alder-Synthese undbildet zum Beispiel mit Phenanthren das 3flügelige 9,10-Dihydro-9,10a-benzenoanthracen(Triptycen) (siehe S. 620).Außer den genannten sind inzwischen weitere Synthesen für Dehydrobenzol alsZwischenprodukt entwickelt worden (siehe Lehrbücher). Alle gehen von o-Phenylenverbindungenmit einem nucleofugen und einem elektrofugen Rest (siehe S. 620) aus.<strong>Die</strong> Isolierung eines Arins ist bisher nicht gelungen, das Ion C 6 H 4 " wurde jedochmassenspektrometrisch beobachtet.<strong>Die</strong> Hammett-BeziehungEinen erfolgreichen Ansatz für quantitative Voraussagen <strong>des</strong> Ablaufs elektrophileraromatischer Substitutionen bietet die Hammett-Beziehung:


284 Kapitel IV. Aromatische Substitution, IIMan erhält eine Gerade, wenn man die Logarithmen der Dissoziationskonstantenm- oder/?-substituierter Benzoesäuren gegen die Logarithmen der Geschwindigkeitskonstantender alkalischen Hydrolyse der zugehörigen Benzoesäureester aufträgt.<strong>Die</strong> GleichungIog(k/k 0 )= Q-log(K/K 0 )charakterisiert eine durch den Nullpunkt führende Gerade, wobei k 0 und K 0 dieReaktionsgeschwindigkeitskonstante <strong>des</strong> unsubstituierten Benzoesäureesters bzw.die Dissoziationskonstante der Benzoesäure bedeuten. <strong>Die</strong> Werte k und K beziehensich auf die m- oder /^-substituierten Verbindungen. <strong>Die</strong> Linearität bleibt erhalten,wenn man von den Daten der Esterhydrolyse zu den Geschwindigkeitskonstantenanderer Seitenkettenreaktionen aromatischer Verbindungen übergeht; es ändert sichdabei lediglich der reaktionsspezifische Q-Wert, also der Proportionalitätsfaktor.Auch andere, die aromatische Seitenkette betreffende Gleichgewichtskonstantenfügen sich dieser Beziehung.<strong>Die</strong> an vielen tausend Geschwindigkeits- und Gleichgewichtskonstanten geprüfteHammett-Gleichung:Iog(/c//c 0 ) =Q-a,gilt auch für \og(K/K 0 ). <strong>Die</strong> logarithmische Änderung einer Geschwindigkeits- oderGleichgewichtskonstanten unter dem Einfluß eines m- oder/?-Substituenten wird dabeimit dem Produkt aus der Substituentenkonstante a und dem reaktionsspezifischenQ-Wert gleichgesetzt. (Man spricht hier auch von einer linearen Beziehung der FreienEnergie, da die Logarithmen von Geschwindigkeits- und Gleichgewichtskonstantender Freien Energien proportional sind). <strong>Die</strong> Substituentenkonstanten o wurden ausden Dissoziationskonstanten der substituierten Benzoesäuren ermittelt, für die willkürlichQ = +1 festgelegt wurde.<strong>Die</strong> praktische Bedeutung der Hammett-Gleichung ist augenfällig: Verfügt manüber wenige Geschwindigkeits- oder Gleichgewichtsdaten substituierter Benzolderivate,kann man diejenigen für weitere m- oder/?-substituierte Verbindungen mit einemmittleren Fehler von ±15% vorausberechnen.Größer noch ist der Erkenntnisgewinn. <strong>Die</strong> Substituenten-Konstante a gibt lediglichdie elektronische Fernwirkung <strong>des</strong> Substituenten am Reaktionsort, richtiger, amC-I <strong>des</strong> 3- oder 4-substituierten Benzolkerns wieder. Positiver und negativer mesomererund induktiver Substituenteneffekt wirken sich auf Größe und Vorzeichenvon a aus. Wegen der von Reaktion zu Reaktion wechselnden sterischen Beeinflussungdurch o-Substituenten kann die Hammett-Gleichung dort nicht angewandt werden.Negative a-Werte (Tabelle) bedeuten steigende Elektronendichte an C-I durch dieElektronenlieferung vom Substituenten. Elektronenanziehende Substituenten verursachenElektronenmangel im Kern und damit positive cr-Werte. Eine näherungsweiseZerlegung der o--Werte in Anteile <strong>des</strong> mesomeren und induktiven Effekts ge-


Hammett- Beziehung 285lang R. W. Taft; zu den Vereinfachungen gehört die Gleichsetzung <strong>des</strong> induktivenEffekts von m- und/?-Substituenten am C-I.Wie zu erwarten, ist der mesomere Effekt von /?-Substituenten viel stärker als dervon m-Substituenten; aber auch bei letzteren ist er nicht null. Das Gegeneinandervon induktivem und mesomerem Effekt bei NH 2 , OH und den Halogenen, schonauf S. 231 erwähnt, findet hier seinen zahlenmäßigen Ausdruck. Man erkennt beispielsweise,daß sich mesomerer und induktiver Effekt /7-ständigen Fluors nahezuaufheben. <strong>Die</strong> induktive Elektronenanziehung der Nitrogruppe übertrifft die gleichgerichtetemesomere bei weitem; lediglich der erstgenannte Effekt wird bei der Trimethylammoniogruppewirksam.Tabelle 1. Hammett-a-Konstanten für p- und m-Substituenten sowie deren Aufteilung auf Beiträge <strong>des</strong>mesomeren (


286 Kapitel IV. Aromatische Substitution, II-erHierbei kommt die Bereitschaft <strong>des</strong> Substituenten X, die positive Ladung zu übernehmen,quantitativ zum Ausdruck, wie die Gegenüberstellung einiger er und G + -Werte zeigt.xCH 3 O -0,27CH 3 -0,17F+0,06CN + 0,68NO 2 + 0,78-0,78-0,31-0,07+0,66+0,79<strong>Die</strong> Anwendung der a + -Werte ist dann angezeigt, wenn der aromatische Kern imÜbergangszustand der Reaktion einen erheblichen Teil der positiven Einheitsladungzu tragen hat.In begrenztem Umfang kann man einen der Hammett-Beziehung ähnlichen Ansatznach Taft auch auf aliphatische Reaktionen anwenden.Weiterführende Literatur zu Kapitel IVG. A. Olah (Hrsg.), Friedel-Crafts and Related Reactions, 4 Bände, Interscience Publishers,New York, London und Sydney 1963-1965.C. W. Schellhammer, <strong>Die</strong> direkte Einführung von R-CO-Gruppen durch Umsetzung von Aromatenoder reaktionsfähigen Heterocyclen, Methoden der <strong>organischen</strong> Chemie (Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl., Bd. 7/2a, S. 15, Thieme, Stuttgart 1973.P. H. Gore, The Friedel-Crafts Acylation Reaction and Its Application to Polycyclic AromaticHydrocarbons, Chem. Rev. 55, 229 (1955).E. Berliner, The Friedel-Crafts Reaction with Aliphatic Dibasic Acid Anhydri<strong>des</strong>, Org. React. 5,229(1949).B. Chevrier und R. Weiss, Strukturen der intermediären Komplexe bei der Friedel-Crafts-Acylierung,Angew. Chem. 86,12 (1974).O. Bayer, Einführung der Aldehydgruppe in Aromaten, Methoden der <strong>organischen</strong> Chemie(Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl., Bd. 7//, S. 16, Thieme, Stuttgart 1954.N. N. Crounse, The Gattermann-Koch Reaction, Org. React. 5, 290 (1949).H. Henecka, Ketone durch Umlagerung von Carbonsäure-arylestern (Fries-Verschiebung),Methoden der <strong>organischen</strong> Chemie (Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl., Bd. 7/2a, S. 379, Thieme,Stuttgart 1973.A. H. Blatt, The Fries Reaction, Org. React. /, 342 (1942).F. Asinger und H. H. Vogel, Phenyl-alkane bzw. -cycloalkane durch Friedel-Crafts-Alkylierung,


Weiterführende Literatur zu Kapitel IV 287Methoden der <strong>organischen</strong> Chemie (Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl., Bd. 5//a, S. 501, Thieme,Stuttgart 1970.C. C. Price, The Alkylation of Aromatic Compounds by the Friedel-Crafts Method, Org. React.3, l (1946).G. A. Olah, Carbokationen und elektrophile Reaktionen, Angew. Chem. #5, 183 (1973).R. Stroh, Chloralkylierung, Methoden der <strong>organischen</strong> Chemie (Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl.,Bd. 5/3, S. 1001, Thieme, Stuttgart 1962.R. C. Fuson und C. H. McKeever, Chloromethylation of Aromatic Compounds, Org. React. /, 63(1942).G. A. Olah und W. S. Tolgyesi, Haloalkylations in G. A. Olah (Hrsg.), Friedel-Crafts and RelatedReactions, Bd. 2, S. 659, Interscience Publishers, New York, London und Sydney 1964.P.E. Spoerri und A.S. Du Bois, The Hoesch Synthesis, Org. React. 5, 387 (1949).C.W. Schellhammer, Direkte Einführung der R-CO-Gruppen durch Umsetzen von Aromatenbzw. reaktionsfähiger Heterocyclen mit Carbonsäurenitrilen, Methoden der <strong>organischen</strong> Chemie(Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl., Bd. 7/2a, S. 389, Thieme, Stuttgart 1973.W.E. Truce, The Gattermann Synthesis of Aldehy<strong>des</strong>, Org. React. 9, 37 (1957).A. Vilsmeier, Über die Herstellung von Aldehyden mit Hilfe von N-disubstuiertem Formamid,Chem.-Ztg. 75,133 (1951).C. Jutz, The Vilsmeier-Haack-Arnold Acylations. C—C Bond-Forming Reactions of ChloromethyleniminiumIons, Adv. Org. Chem. 9, 225 (1976).A. S. Lindsey und H. Jeskey, The Kolbe-Schmitt Reaction, Chem. Rev. 57, 583 (1957).B. Raecke, Synthese von Di- und Tricarbonsäuren aromatischer Ringsysteme durch Verschiebungder Carboxyl-Gruppen, Angew. Chem. 70, l (1958).H. Wynberg, The Reimer-Tiemann Reaction, Chem. Rev. 6O 9 169 (1960).J. Sauer und R. Huisgen, Nucleophile aromatische Substitutionen mit additivem Chemismus,Angew. Chem. 72, 294 (1960).J. F. Bunnett und R. E. Zahler, Aromatic Nucleophilic Substitution Reactions, Chem. Rev. 49,273(1951).J. A. Zoltewicz, New Directions in Aromatic Nucleophilic Substitution, Fortschr. Chem. Forsch.59, 33 (1975).C. F. Bernasconi, Mechanisms of Nucleophilic Aromatic and Hetero-aromatic Substitution.Recent Developments, Chimia 34, l (1980).R.W. Hoffmann, Dehydrobenzene and Cycloalkynes, Verlag Chemie, Weinheim/Bergstr. undAcademic Press, New York und London 1967.G. Wittig, Bildungsweisen und Reaktionen von Dehydrobenzol (Cyclohexadienin), Angew. Chem.69,245 (1957).G. Wittig, 1,2-Dehydrobenzol, Angew. Chem. 77, 752 (1965).R. Huisgen und J. Sauer, Nucleophile aromatische Substitutionen über Arine, Angew. Chem. 72,91 (1960).T. Kauffmann, <strong>Die</strong> Hetarine, Angew. Chem. 77, 557 (1965).H.H. Jaffe, A Reexamination of the Hammett Equation, Chem. Rev. 53, 191 (1953).


V. Reaktionen der CarboxylgruppeExperimente:Essigsäure-ethylesterBenzoesäure-methylesterAdipinsäure-diethylesterGlykoldiacetat (l ,2-Diacetoxyethan)<strong>Die</strong> Fettsäuren aus Fetten, VerseifungEthylenglykol aus dem Diacetat, UmesterungAcetylchloridButyrylchloridBenzoylchlorid/?-Nitrobenzoylchlorid/7-Phenylazobenzoylchlorid (Azobenzol-4-carbonsäurechlorid)p -BrombenzoylchloridBenzyloxycarbonylchloridVersuch: Hydrolyse von SäurechloridenVersuch: Esterbildung. Ethylacetat,/?-NitrobenzoateEssigsäureanhydrid (Benzoesäureanhydrid)ButtersäureanhydridBernsteinsäureanhydridVersuch: Hydrolyse von AnhydridenDibenzoylperoxidAcetamidVersuch: Amidsynthesen. Acetanilid, BenzanilidVersuch: Acetamid-quecksilberVersuch: Hydrolyse von AcetamidBenzyloxycarbonyl-D, L-alaninD,L-AlanylglycinVersuch: PapierchromatographieSuccinimid aus dem Ammoniumsalz der BernsteinsäureSuccinimid durch UmamidierungHofmann-Abbau <strong>des</strong> Nicotinsäureamids, 3-AminopyridinAcetonitrilVerseifung eines Nitrils zur Carbonsäure, Phenylessigsäure (Phenylacetamid)Korksäure aus dem DinitrilHarnstoff nach WöhlerVersuche mit Harnstoff: Biuret, Reaktion mit Hypobromit, Reaktion mit salpetrigerSäure, Hydrolyse


290Semicarbazid-hydrochloridVersuch: Benzaldehyd-semicarbazonCyclopentanon aus Adipinsäure


V. Reaktionen der CarboxylgruppeSäure-Base-Begriff 291Säure - Base - Begriff<strong>Die</strong> Definition einer Säure kann nicht ohne die einer Base erfolgen. Den umfassendstenBegriff für Säuren und Basen hat 1923 G. N. Lewis formuliert. Danach sind Säurenalle Teilchen (A), die sich aufgrund einer Elektronenpaarlücke mit Basen verbinden,also solchen Teilchen (B), die ein freies Elektronenpaar besitzen.oderA + :B ^ Ä—BA + + :B~ ^ A—BLewis-Säuren sind also alle Kationen (außer Oniumionen wie N(CH 3 )J oder anderenKomplexen) aber auch neutrale Moleküle mit unaufgefüllten Elektronenschalenwie BF 39 AlCl 3 , SbCl 5 und elektronenanziehende, d.h. elektrophile Systemewie CO 2 , SO 3 und viele andere mehr.Lewis-Basen sind außer der klassischen Base OH" alle Teilchen mit freiem Elektronenpaar,also alle Anionen, aber auch neutrale Moleküle wie H 2 O, NH 3 , R 2 Soder Olefine, d. h. alle nucleophilen Systeme.<strong>Die</strong> enger gefaßte Definition einer Säure als Proton-Donator stammt von J. N.Brönstedt und von T. Lowry aus dem gleichen Jahr (1923). <strong>Die</strong> Basen werden hier alsProton-Acceptoren definiert und umfassen genau die oben beschriebene Gruppe vonVerbindungen. Säuren und Basen reagieren miteinander so, daß sich bei der Protolyseein Gleichgewicht einstellt, in dem neben der Säure AH und der Base B die zurSäure „konjugierte" Base A~ und die zu B „konjugierte" Säure BH + entsteht.AH + B *± A' + BH +<strong>Die</strong>se Reaktion beinhaltet die Konkurrenz von 2 Basen, nämlich B und A~, umdas Proton; wenn B stärker basisch ist als A", liegt das Gleichgewicht auf der rechtenSeite und umgekehrt. Lösungsmittel, die selbst Proton-Acceptoren oder -Donatorensind, hier vor allem das Wasser, protolysieren Säuren unter Bildung von Hydronium-ionen.l.AH + H 2 O


292 Kapitel V. Reaktionen der Carboxylgruppe<strong>Die</strong> annähernd konstante Konzentration der Wassermoleküle [H 2 O] kann in dieKonstanten K 1 bzw. K 2 einbezogen werden. Man erhält dann die SäurekonstanteK A und die Basenkonstante K B . <strong>Die</strong> Größe dieser Konstanten gibt die Stärke einerSäure bzw. einer Base in verdünnter wässeriger Lösung an._ [A-J[H 3 O + ][BH + ][OH-]- K "- [B]Da jeder Säure AH eine Konjugatbase A~ entspricht, könnte man auch derenBasenkonstante (K B ) zur Kennzeichnung wählen, was jedoch keinen Vorteil bringt.Hingegen ist es nützlich, die Basen (B) durch Angabe der Säurekonstanten ihrer Konjugätsäuren(BH + ) zu charakterisieren. Formuliert man in diesem Sinn die Protolysevon BH + 3. BH + 4- H 2 O 4± B + H 3 O +so ergibt sich für die Säurekonstante K A , :_ [B][H 3 O + ]A ' [BH + ]K A - und K 8 hängen in folgender einfachen Weise zusammen:KA. . K,-Den Ausdruck [H 3 O + ] [OH~] nennt man das lonenprodukt <strong>des</strong> Wassers.Statt der Säurekonstanten, deren Werte zwischen ca. 10~ 25 (NH 3 + H 2 O ?±H- H 3 O + , extrem schwache Säure) und 10 9 (HClO 4 ) liegen können, benutzt man allgemeindie „Säurezahl" pK A , die den negativen dekadischen Logarithmus von K Abedeutet: pK A = -logK A . Je stärker die Säure, <strong>des</strong>to kleiner ist ihr pK A -Wert. InWasser kann er — 1,73 (= pK A <strong>des</strong> H 3 O + ) nicht wesentlich unterschreiten und 15,75(pK A von H 2 O) nicht wesentlich überschreiten. In nicht-wässerigen Lösungsmittelnwie Alkoholen, Eisessig und flüssigem NH 3 herrschen, je nach ihrer Basizität, andereProtolysegleichgewichte.Für die Beziehung der Säurezahl pK A , einer Konjugatsäure zur Basenzahl pK Bder entsprechenden Base gilt gemäß obiger GleichungpK A , + pK B =14<strong>Die</strong> Stärke einer Säure und die ihrer konjugierten Base sind also einander komplementär:Je stärker eine Säure, <strong>des</strong>to weniger basisch ist ihr Anion und vice versa.In einfacher Weise bestimmt man den pK-Wert einer schwachen bis mittelstarkenSäure (bzw. Base) durch Halbneutralisation der verdünnten Lösung. Hierbei istnämlich in Gl. 1. [AH] = [A"] und somit K A = [H 3 O + ], das heißt pH = pK A .


Carbonsäuren 293<strong>Die</strong> wichtigsten Verbindungen saurer Natur im Alltag <strong>des</strong> <strong>organischen</strong> <strong>Chemikers</strong>sind die Carbonsäuren, die durch die Carboxylgruppecharakterisiert sind. Carbonsäuren sind schwach bis mittelstark mit pK A > 2(Essigsäure: pK A = 4,75).Zu den <strong>organischen</strong> Säuren gehören weiterhin Sulfon-, Sulfinsäuren, Phenole, sowieEnole (ebenfalls OH-acid); Ammonium- und Imoniumverbindungen (als Konjugatsäuren),Sulfonamide, Amide, Imide (NH-acid); Thiole (SH-acid); Acetylene,Trinitromethan, Triphenylmethan, 1,3-Diketone (CH-acid) und andere.Über „harte" und „weiche" Säuren und Basen, sowie über Unterschiede zwischenBasizität und Nucleophilie sind an anderen Stellen Ausführungen gemacht.Carbonsäuren<strong>Die</strong> Carbonsäuren verdanken ihren sauren Charakter der Tatsache, daß bei ihneneine OH-Gruppe an einem Kohlenstoffatom sitzt, das durch den doppelt gebundenenSauerstoff positiviert und somit H + -abstoßend ist. Den Hauptbeitrag an Energie, diezur Ladungstrennung nötig ist, steuert die Mesomerie <strong>des</strong> entstehenden Carboxylationsbei.R OH R OH OH OC C R-C + B *± R— C te + HB +n ~ l NVon bedeutendem Einfluß auf die Säurestärke ist der Rest R. <strong>Die</strong>ser kann negativierendsein wie die Alkylgruppen der Fettsäuren oder, wenn er ein elektronegativesAtom X wie O, N, S, Halogen und so weiter mit —!-Effekt enthält, positivierend.Dabei hängt die Größe der induktiven Wirkung natürlich vom Abstand <strong>des</strong> Substituentenvon der Carboxylgruppe ab. Auch eine mesomere, die Acidität verstärkendeWirkung geeigneter rc-elektronenhaltiger Gruppen ist bekannt, die sich bei den a,/?-ungesättigten Fettsäuren als Resonanz-Stabilisierung <strong>des</strong> positiven Molekülteils formulierenläßt.


294 Kapitel V. Reaktionen der CarboxylgruppeTabelle 2. pK A -Werte einiger Säuren in Wasser (gerundet)A. Carbonsäuren RCO 2 HHH 3 CH 3 CCH 2 CH 2H 3 C(CH 2 ) 9H 2 C=CHH 3 C-HC(OH)H 3 C-CO3,754,754,85,04,253,12,5B. Andere Säuren, KonjugatsäurenpK AH 3 C-CH 2 -CH(Cl) 2,9H 3 C-CH(Cl)-CH 2 4,0H 2 C(Cl)-CH 2 -CH 2 4,5ClCH 22,85Cl 2 CH1,5Cl 3 C0,7HS-CH 2 3,7HO 2 C-CH 2 (1.)HO 2 C (1.)_f_H 3 N-CH 2 (Glycin)C 6 H 5C 6 H 4 (O-NO 2 )C 6 HJm-NO 2 )C 6 H 5 (P-NO 2 )2,81,22,354,22,153,53,4SäureSäurepK APhenolp-Nitrophenol 1HCNBarbitursäuren-ButanthiolThiophenolC 6 H 5 SO 3 H(^-NH 2 )C 6 H 4 SO 3 H-11~71 pK A -Werte anderer Nitrophenole siehe S. 252.2 pK A -Werte weiterer Nitroaniliniumionen siehe S. 533.9,97,159,34,00,73,3HNH 3 (Ammoniumion)9,3HNH 2 (CH 3 )10,65HNH(CH 3 ) 210,75HN(CH 3 ) 39,8HNH 2 (CH 2 COj) (Glycin)9,8HNH 2 (C 6 H 5 ) (Aniliniumion)4,6HNH 2 (C 6 H 4 -/>NO 2 ) 2 1,0— c o-\ c OH\'0-HSäure-verstärkendeWirkung einesElektronenanziehendenRestes XO— HMesomerie der positiven Ladung beia, /?- ungesättigten SäurenExakte Aussagen über induktive und mesomere Effekte von Substituenten hat man erstmaligdurch planmäßige Variation der Sustituenten aromatischer Carbonsäuren erhalten(siehe „Hammet-Beziehung" auf Seite 283.)<strong>Die</strong> Reaktionen der Carboxylgruppe sind 1. durch die Elektrophilie ihres C-Atomsund 2. durch die Nucleophilie ihrer O-Atome bestimmt.1. <strong>Die</strong> Elektrophilie <strong>des</strong> Kohlenstoffs befähigt diesen zur Reaktion mit nucleophilenAgenzien. <strong>Die</strong>se wird als Acylierung (Acyl = RCO) bezeichnet.


Reaktionen der Carbonsäuren 295,0 C9^ °/ I _ - /^+ :Y~ > R—C-Y —~ OH " > R-C'OH ci H \AcylierungsproduktHierzu gehören die meisten der in diesem Kapitel besprochenen Reaktionen. Nahezualle Derivate der Carbonsäuren (außer ihren Salzen und den Amiden) sind stärkereAcylierungsmittel als die Säuren selbst. <strong>Die</strong> Reaktion verläuft über ein tetraedrisch gebautesAddukt (Orthosäurederivat), das wegen der Resonanzstabilität der Carbonylgruppeunter Abspaltung eines Liganden rasch in den trigonalen Zustand <strong>des</strong> Acylierungsproduktsübergeht. Bewahrt man eine Carbonsäure in 18 O-haltigem Wasser auf,so findet ein Austausch von 16 O gegen das Isotop statt, der auf dem Weg über dieOrthosäure zu verstehen ist.18 OH18R-C + H 2 18 O


296 Kapitel V. Reaktionen der CarboxylgruppeEinführung eines Carboxyalkylrests, —C—CO 2 H, durch Malonester- oderAcetessigester-Synthese (siehe S. 413).CarbonsäureesterVeresterungEssigsäure-ethylesterCH 3 CO 2 H + C 2 H 5 OH


Ester der Carbonsäuren 297fen konz. Schwefelsäure vorsichtig im Ölbad erhitzt. Das azeotrope Gemisch aus Wasser,Alkohol und Toluol beginnt bei 75 0 C überzugehen; man reguliert die Wärmezufuhr so,daß in der Stunde nicht mehr als 100 ml Destillat erhalten werden. Wenn die Siedetemperatur78 0 C erreicht hat, schüttelt man das gesamte Destillat zur Entfernung <strong>des</strong> Wassersmit 75 g wasserfreiem K 2 CO 3 kräftig durch, saugt ab und gibt das Filtrat in den Reaktionskolbenzurück. Nun wird nochmals wie zuvor langsam <strong>des</strong>tilliert, bis 78 0 C erreichtsind, dann der Rückstand in 0,5 I Ether gelöst, die Lösung mit Na-carbonatlösung entsäuert,verdampft und i. Vak. fraktionierend <strong>des</strong>tilliert. Man erhält 95 g (=95% d. Th.)Adipinsäure-diethylester, die bei 138 0 C / 20 Torr übergehen.Glykoldiacetat (1,2- Diacetoxyethan)BrCH 2 -CH 2 Br + 2KOCOCH 3 >CH2 OCOCH3\CH 2 OCOCH 3+ 2KBrIn einem 500-ml-Kolben mit Rückflußkühler erhitzt man die Mischung von 62 g (29,5 ml,0,33 mol) 1,2-Dibromethan, 20 ml Eisessig und 60g (0,61 mol) frisch geschmolzenem,fein pulverisiertem Kaliumacetat (vgl. S. 309) in einer Heizhaube 2 h lang zum Sieden. Danach<strong>des</strong>tilliert man das Reaktionsprodukt vorsichtig durch einen absteigenden Kühlerab, versetzt das Destillat abermals mit 62 g 1,2-Dibromethan und 80 g Kaliumacetat wieoben, erhitzt 2—3 h zum Sieden und <strong>des</strong>tilliert erneut ab. Das Destillat fraktioniert man aneiner Widmer-Spirale, fängt von 14O 0 C ab auf und <strong>des</strong>tilliert danach nochmals die von180—19O 0 C mit Hauptanteil bei 186 0 C siedende Fraktion heraus. Ausbeute 70g (73%d.Th.).Aus Carbonsäuren und Alkoholen entstehen, vorzugsweise beim Erhitzen in Gegenwarteines Protonen-liefernden Katalysators, in einer GleichgewichtsreaktionEster und WasserRCO 2 H + R'OH * RCO 2 R' + H 2 OK= [RCO2 H] -[R' OH]*Als Protonen-Lieferanten werden meistens starke Säuren wie Schwefelsäure, SuIfonsäurenoder Salzsäure verwendet, auch stark saure Ionenaustauscher <strong>des</strong> Sulfonsäuretypssind brauchbar, deren nachträgliche Abtrennung durch einfaches Dekantierenoder Filtrieren möglich ist.<strong>Die</strong> Gleichgewichtskonstante K beträgt für das Beispiel der Veresterung von Essigsäuremit Ethanol bei molarem Ansatz2/ . 2//3/3V 3 ' V 3das heißt, es befinden sich im Gleichgewicht je 2 /3 mol (66%) Ester und Wasser sowieV 3 mol unumgesetzte Säure und Alkohol.


298 Kapitel V. Reaktionen der CarboxylgruppeUm zu höheren Ausbeuten zu kommen, erhöht man meistens die Menge einerReaktionskomponente und verschiebt damit die Lage <strong>des</strong> Gleichgewichts. Das Gleichgewichtläßt sich ferner nach rechts verschieben, indem man eines der Reaktionsproduktelaufend aus dem Ansatz abführt. Zur Darstellung schwerflüchtiger Ester wirddas bei der Reaktion gebildete Wasser dem Ansatz entzogen. Eine viel angewandteMethode besteht darin, daß man eines der beiden oder beide Produkte azeotrop abschleppt.Andere Methoden zur Herstellung von Estern1. Reaktion von „aktivierten" Derivaten der Säure wie Säurechloride oder -anhydridemit Alkoholen, möglichst in Gegenwart von Basen zur Bindung <strong>des</strong> Protons.XX= RCO, HaI u.a.IlO+ HOR' - > R— C + H + +<strong>Die</strong>se Reaktionen sind exergonisch und verlaufen meist rasch und vollständig. Siesind besonders dann anzuwenden, wenn die alkoholische Komponente ein Phenolist, weil in diesem Fall die H "'"-katalysierte Veresterung versagt.2. Reaktion <strong>des</strong> Carboxylat-Ions, als Alkali- (S. 297) oder als Ag + -SaIz, mit Alkylhalogeniden.OR'R-C + R'— X - > R-C + X-Ag +X= HaIQ-Ag +Bei dieser Acyloxyübertragung handelt es sich um eine nucleophile Substitution(S. 166). X kann Halogen sein (meistens) oder auch eine andere nucleofuge Gruppe,das heißt Anion einer starken Säure wie zum Beispiel Methoxysulfonyloxy( — OSO 2 OCH 3 , Anion <strong>des</strong> Methylsulfats) oder Toluolsulfonyloxy (Tosyl,-OSO 2 C 6 H 4 CH 3 ).<strong>Die</strong> Synthese von Phenylestern nach diesem Prinzip gelingt nur mit besondersreaktionsfähigen Arylhalogeniden wie etwa l -Halogen- 2,4 -dinitro-benzolen oderauf Umwegen.3. Reaktion von Carbonsäuren mit Diazoalkanen (S. 632).<strong>Die</strong> Reaktion ist so gut wie ausschließlich auf die Herstellung der Methylester mitDiazomethan beschränkt, läßt sich jedoch besonders einfach und glatt durchführenund wird <strong>des</strong>halb sehr häufig angewendet.OR'


Verseifung der Ester 299Esterhydrolyse (Verseifung) und UmesterungWird im H + -katalysierten GleichgewichtRCO 2 H + R'OH ?± RCO 2 R' + H 2 Odie Konzentration <strong>des</strong> Wassers erhöht, so wird die rückläufige Reaktion begünstigt,und es kommt zur Hydrolyse <strong>des</strong> Esters zu Säure und Alkohol. Von Verseifung sprichtman meistens, wenn ein Ester durch wässerige Alkalilaugen hydrolysiert wird. Seifensind die Salze der höheren Fettsäuren, die bei der Verseifung der Fette, der natürlichenEster <strong>des</strong> Glycerins, entstehen. Im Gegensatz zur sauren Esterhydrolyse, diezu einem Gleichgewicht führt, wird der Ester bei der alkalischen Verseifung völliggespalten, da in einem zweiten Schritt die Säure in das Salz übergeführt wird, daswegen seiner Resonanzstabilisierung nicht mehr mit dem Alkohol reagiert:RCO 2 R' + NaOH -> RCOjNa + + R'OHRCO 2 R' + NaOR" *± RCO 2 R" + R'OHDer Verbrauch an OH~-Ionen, der sich durch Titration leicht feststellen läßt, gibtdas Äquivalentgewicht der veresterten Säure an. Ersetzt man in der H + -katalysiertenReaktion das Wasser durch einen zweiten Alkohol oder in der basenkatalysiertenReaktion durch sein Alkoxid, so kommt es zum Gleichgewichtsaustausch <strong>des</strong> Alkoxylrests,daß heißt zur Umesterung.In den allermeisten Fällen verläuft die Veresterung bzw. Hydrolyse in der Weise,daß der Acylrest der Carbonsäure auf den Sauerstoff <strong>des</strong> Alkohols (bzw. der Acylrest<strong>des</strong> Esters auf den Sauerstoff <strong>des</strong> Wassers) übertragen wird (Acyl-O-Spaltung). DerSauerstoff eines 18 O-markierten Alkohols findet sich im Ester wieder. <strong>Die</strong> andereMöglichkeit, Übertragung <strong>des</strong> Acyloxyrests auf den Alkylrest <strong>des</strong> Alkohols unterAlkyl-O-Spaltung ist viel seltener. Sie tritt zum Beispiel bei der Alkylierung <strong>des</strong> Carboxylationsund - noch seltener - bei der Säure-katalysierten Veresterung (Hydrolyse)von solchen Alkoholen (Estern) auf, deren Alkylrest wie tert. Butyl leicht ein Carbeniumionbildet.R'O—|—HiIR-C —— OHIlOAcyl-O (normal)OIlR—C-O—|—HilR'—— OHAlkyl-O (selten)<strong>Die</strong> katalytische Wirkung <strong>des</strong> Protons besteht in der Regel in einer Bindung an denCarbonyl-Sauerstoff, wodurch die Anlagerung <strong>des</strong> Alkohol(Wasser)-Sauerstoffs an


300 Kapitel V. Reaktionen der Carboxylgruppeden so positivierten Carboxylkohlenstoff möglich wird. Das Addukt, ein Orthosäurederivat,in dem eines der drei Sauerstoffatome im Oniumzustand vorliegt, gehtunter Wasser-(Alkohol-)abspaltung in den Ester (die Säure) über.O -^H +IlR—C-OHTlOHR—C-OH+R'OHOHR—C-OH\)R'O +H 4IlR—C-OR'TiOHI+ H 2 O R—C-OR'Ersetzt man in dem voranstehenden Gleichgewicht H 2 O durch einen neuen AlkoholR"OH, entsteht aus dem Ester RCOOR' auf dem Weg von rechts nach links derneue Ester RCOOR" (Umesterung der Säure).Ist der Rest R der Carbonsäure so elektronenreich, daß er ein Acyliumkation stabilisierenkann, wie etwa bei der Mesitylencarbonsäure, dann kann die H 2 O-Abspaltungder Anlagerung <strong>des</strong> Alkohols vorangehen; dieser Vorgang entspricht kinetischeiner S N l -Reaktion.+ H HCMesitylencarbonsäureBei der Hydrolyse von Estern durch wässerige Metallhydroxide (Verseifung) ist dererste Schritt eine Anlagerung <strong>des</strong> stark nucleophilen OH ~- Ions. Das Addukt zerfälltirreversibel unter Alkoholabspaltung, da das Carboxylation wegen seiner Mesomeriestabilisierungdie energieärmste Komponente <strong>des</strong> Systems ist.Verseif u ng:R-COR'+ OH"OR'OH+ R'O~+ R ' OHSetzt man statt <strong>des</strong> Hydroxidions einen zweiten Alkohol (als Alkoxid R"O~) indie Reaktion ein, so findet durch Abspaltung von OR' aus dem Addukt in einerGleichgewichtsreaktion Umesterung (Acy !Übertragung) statt.


Umesterung:Verseifung und Umesterung 301/ u> /R-C + R"O~ *± R—C-OR" «± R-C + R'O~\>R' C^R* OR"<strong>Die</strong> Geschwindigkeit der alkalischen Esterverseifung hängt sehr stark von derNatur der Komponenten ab. Carbonsäureester mit elektronenanziehenden Gruppenam Alkylrest oder Phenolester werden rascher verseift als andere, ebenso diejenigen,die sich von stärkeren Säuren ableiten. <strong>Die</strong> Ester aromatischer Carbonsäurensind infolge Mesomerie (Delokalisierung der positiven Ladung vom Carbonyl-Kohlenstoff) schwerer solvolysierbar.u.s.w.Orthoester sind Säurederivate der Struktur R—C(OROa. Sie sind nicht direkt ausden Säuren (und Alkohol) zugänglich, sondern entstehen aus Imidoesterhydrochloridenoder Imidchloriden und Alkohol.NH 2 CI- .OC 2 H 5R—C X + 2C 2 H 5 -OH > RC-OC 2 H 5 + NH 4 CIOC 2 H 5 OC 2 H 5Sie übertragen unter H + -Katalyse zwei ihrer Alkoxylreste auf Carbonylverbindungen(Acetalisierung), Orthoameisensäure-triethylester wird dazu als präparativesReagens gebraucht. Da ihnen die mesomeriefahige C=O-Gruppe fehlt, sinddie Orthoester gegen Basen sehr beständig.<strong>Die</strong> Fettsäuren aus Fetten, Verseifung2g eines Speisefetts werden mit 4ml Ethanol und 1 ml 1ON Kaliumhydroxid 1 h amRückfluß zum Sieden erhitzt (Schliff vor Aufsetzen <strong>des</strong> Kühlers von Lauge reinigen!).Nach dem Abkühlen gibt man 15 ml Wasser zu, wobei sich alles klar löst. Nun wird mitstarker Schwefelsäure auf etwa pH 2 gebracht und die Emulsion mit Ether ausgeschüttelt.Einen kleinen Teil der Etherlösung versetzt man tropfenweise mit einer Lösung vonDiazomethan in Ether bis die gelbe Farbe gerade bestehen bleibt. <strong>Die</strong>se Probe ist nachAbdampfen <strong>des</strong> Ethers zur gaschromatographischen Analyse <strong>des</strong> Gemischs der Fettsäure-methylestergeeignet. Der Hauptteil der Etherlösung wird i. Vak. abgedampft undim Exsikkator getrocknet, wobei die Fettsäuren als farblose, z.T. schmierige Kristalle anfallen.


302 Kapitel V. Reaktionen der CarboxylgruppeEthylenglykol aus dem Diacetat, UmesterungCH 2 OCOCH 3| + 2CH 3 OHH +>CH 2 OH| + 2CH 3 CO 2 CH 3CH 2 OCOCH 3CH 2 OHIn einem 250-ml-Kolben kocht man die Lösung von 49g (44,5ml, 0,33 mol) 1,2-Diacetoxyethanund 0,9g p-Toluolsulfonsäure in 60 ml Methanol 3h unter Rückfluß.Nach dem Abkühlen dampft man das Methanol am Rotationsverdampfer ab und schütteltden abgekühlten Rückstand zur Entfernung von Esterresten zweimal im Scheidetrichtermit je 50 ml Ether aus. <strong>Die</strong> untere Phase wird durch kurzes Schütteln i. Vak. von restlichemEther befreit und dann bei 13 Torr und 90—12O 0 C Badtemperatur in einemKugelrohr <strong>des</strong>tilliert, Ausbeute 16,5g (80%d.Th.) Ethylenglykol.In der homologen Reihe der aliphatischen Carbonsäuren haben die ersten dreiVertreter, Ameisensäure (Sdp. 100,5 0 C), Essigsäure (Sdp. 118 0 C) und Propionsäure(Sdp. 141 0 C) einen stechenden, die weiteren - soweit sie bei Raumtemperatur flüssigsind - einen unangenehm ranzigen Geruch. <strong>Die</strong> gesättigten Fettsäuren im engerenSinne dieser Bezeichnung von C 12 an sind fest, kristallin und nahezu geruchlos (PaImitinsäure,C 15 H 31 CO 2 H, Schmp. 63 0 C, Stearinsäure, C 17 H 33 CO 2 H, Schmp.7O 0 C). <strong>Die</strong> für ihre Molekülgröße relativ hohen Siedepunkte der Carbonsäuren rührenvon einer Dimerisierung über Wasserstoff-Brücken zwischen den Carboxylgruppenher.O • • • H-O// \R-CC-RVH ...„'Bei zunehmender Länge der Fettsäuren treten zwischen den Alkylketten auch vander Waals'sche Wechselwirkungen hinzu, welche die Kristallisation der höherenFettsäuren bestimmen. In den wässerigen Lösungen der Alkalisalze von höherenFettsäuren (Seifen) assoziieren sich die hydrophoben Alkylketten, während die hydrophilenCarboxylat-Enden hydratisiert sind und sich um Kationen gruppieren(„amphiphile" Wechselwirkungen der Seifen). Auf diese Weise bilden sich Aggregatevon vielen Molekülen, sogenannte Micellen, die entweder, mit dem hydrophilen Restum ein Kation geschart, die hydrophoben Ketten nach außen orientieren oder mitden hydrophoben Ketten ein Fettröpfchen einschließen und die hydrophilen Carboxylat-Endennach außen richten. So erklärt sich die Reinigungswirkung der Seifenlösungensowie ihre Glitschigkeit und Filmbildung (Seifenblasen).<strong>Die</strong> niederen Carbonsäureester sind farblose, angenehm fruchtähnlich riechendeFlüssigkeiten, die höheren Homologen sowie die Ester aromatischer Säuren vielfachkristalline Substanzen. Da die Assoziation durch H-Brücken wegfällt, sind die Siedepunkteder Ester mit kleinen Alkylresten (CH 3 , C 2 H 5 , C 3 H 7 ) niedriger als die derSäuren:


Herstellung der Carbonsäurechloride 303CH 3 COOCH 3 Sdp. 57 0 C CH 3 COOH Sdp. 118 0 C.CH 3 COOC 2 H 5 Sdp. 78 0 C<strong>Die</strong> Methylester der Fettsäuren eignen sich daher auch gut zur Gaschromatographie.Bemerkenswert ist, daß die Schmelzpunkte der Methylester meist höher liegenals die der entsprechenden Ethylester; so ist zum Beispiel Oxalsäure-dimethylesterfest (Schmp. 54 0 C, Sdp. 163 0 C) der <strong>Die</strong>thylester flüssig (Schmp. -40,6 0 C, Sdp.185 0 C).<strong>Die</strong> Ester spielen eine bedeutsame Rolle als Lösungsmittel und als aktivierte Carbonsäurederivate.So läßt sich die Alkoxylgruppe durch Amine, Hydroxylamin oderHydrazin ersetzen (S. 313). Ferner sei auf das umfangreiche Gebiet der Esterkondensationen(S. 401) hingewiesen. Reduktion zu Alkoholen siehe S. 535.<strong>Die</strong> biologisch wichtigen ungesättigten Fettsäuren, Komponenten der bei RaumtemperaturflüssigenÖle, zeigen - wie diese gegenüber den gesättigten Fetten - durchwegstiefere Schmelzpunkte.Carbonsäurechloride und SäureanhydrideAcetylchlorid3CH 3 CO 2 H + PCI 3 > 3CH 3 COCI + H 3 PO 3In einem 250-ml-Dreihalsschliffkolben, der, auf dem Wasserbad stehend, mit einem100-ml-Tropftrichter, einem Thermometer und Rückflußkühler ausgestattet ist, läßtman im Abzug zu 90g (1,50mol) wasserfreier Essigsäure aus dem Tropftrichter 72g(0,50 mol) Phosphortrichlorid fließen. Dann erwärmt man solange auf 5O 0 C, bis dielebhafte HCI-Entwicklung nachgelassen hat und zwei Schichten entstanden sind. DasAcetylchlorid wird nun bei siedendem Wasserbad von der phosphorigen Säure (untereSchicht) ab<strong>des</strong>tilliert. Das Präparat wird durch 2-malige fraktionierende Destillation, daszweite Mal nach Zugabe von 5 Tropfen Essigsäure (zur Entfernung möglicher PCI 3 -Spuren) gereinigt, wobei die zwischen 48 und 53 0 C übergehende Fraktion aufgefangenwird. (Siedepunkt von Acetylchlorid: 51 0 C). Ausbeute 70—80 g (60-67% d.Th.).Verwendung für Essigsäureanhydrid (S. 308).ButyrylchloridC 4 H 7 COOH + SOCI 2 > C 4 H 7 COCI + SO 2 + HCIIn einem 100-ml-Schliff-Rundkolben, der über einen Anschützaufsatz mit Rückflußkühler(Calciumchloridrohr) und Tropftrichter verbunden ist, läßt man im Abzug zu 26 ml(43 g, 0,36 mol) frisch über Leinöl <strong>des</strong>tilliertem Thionylchlorid ohne Heizen oder Kühlen26 g n-Buttersäure (0,30 mol) im Laufe einer Stunde zutropfen, wobei sich HCI und SO 2entwickeln. Dann erhitzt man 30 min auf siedendem Wasserbad und fraktioniert unterBenützung einer Kolonne. Butyrylchlorid geht nach einem geringen Vorlauf bei 100 bis101 0 C / 760 Torr als farblose Flüssigkeit über. Ausbeute 23-24 g = 75% d. Th.


304 Kapitel V. Reaktionen der CarboxylgruppeBenzoylchloridC 6 H 5 CO 2 H + SOCI 2 > C 6 H 5 COCI + HCI + SO 240g (0,33 mol) trockene Benzoesäure werden in einem 250-ml-Schliffrundkolben mitaufgesetztem Kühler mit 10OmI (1,33 mol) frisch über Leinöl <strong>des</strong>tilliertem Thionylchloridübergössen und im Ölbad unter Rückfluß auf 8O 0 C erwärmt (Abzug). Nach einerhalben Stunde ist die kräftige Gasentwicklung (HCI und SO 2 ) beendigt; man gießt dasabgekühlte Gemisch in einen Fraktionierkolben und <strong>des</strong>tilliert das überschüssige Thionylchloridauf lebhaft siedendem Wasserbad so weit wie möglich ab; es ist für die gleicheOperation nochmals verwendbar.Das Benzoylchlorid wird hierauf der Destillation im Vakuum unterworfen. Nach einembeträchtlichen Vorlauf, der schon bei 3O 0 C Ölbadtemperatur übergeht und im wesentlichenaus (ebenfalls wieder verwendbarem) Thionylchlorid besteht, <strong>des</strong>tilliert man dieHauptmenge. Reines Benzoylchlorid siedet bei 87 0 C / 20 Torr oder 194 0 C / 760 Torr.Ausbeute 40—42 g (= etwa 85%). Viel verwendetes Laboratoriumspräparat.p-NitrobenzoylchloridP(NO 2 )C 6 H 4 CO 2 H + SOCI 2 > P(NO 2 )C 6 H 4 COCI + HCI + SO 216,7g trockene p-Nitro-benzoesäure (0,10 mol, S. 484) werden im 100-ml-Schliffkolbenmit 20,Og frisch über Leinöl <strong>des</strong>tilliertem Thionylchlorid (0,17 mol) bei 110 bis12O 0 C Badtemperatur am Rückflußkühler gekocht (Abzug). Nach ca. 30min wird dasReaktionsgemisch homogen, nach 2 1 /2 stündigem Kochen ist die HCI- und SO 2 -EnIwicklungabgeschlossen. Man <strong>des</strong>tilliert das überschüssige Thionylchlorid bei Normaldruckab und überführt das rohe p-Nitrobenzoylchlorid noch warm in einen kleinenSchwertkolben oder einen für die Kugelrohr<strong>des</strong>tillation geeigneten Kolben; mit wenigtrockenem Benzol wird nachgewaschen. Bei 141—142 0 C / 11 Torr gehen 17—18gSäurechlorid als sofort kristallin erstarren<strong>des</strong>, gelbes Öl über; Schmelzpunkt 71-72 0 C.Umkristallisieren aus 90 ml Ligroin (Sdp. 60-8O 0 C) liefert 14,5-15,5 g gelbe Nadeln(78-84%d. Th.) vom Schmp. 72-73 0 C.Durch Umsetzung mit p-Nitrobenzoylchlorid lassen sich Alkohole als Ester mit definiertem,scharfem Schmelzpunkt charakterisieren (S. 308).p-Phenylazobenzoylchlorid (Azobenzol-4-carbonsäurechlorid)In einem 100-ml-Rundkolben übergießt man das Gemisch von 5,0g (22 mmol) p-Phenylazobenzoesäure(S. 490) und 5g wasserfreiem Natriumcarbonat mit 25ml frischüber Leinöl <strong>des</strong>tilliertem Thionylchlorid und kocht mit aufgesetztem Kühler und Calciumchloridrohrim Ölbad 1 V 2 h unter Rückfluß (Abzug). Anschließend <strong>des</strong>tilliert man übereinen absteigenden Kühler so viel wie möglich von dem Thionylchlorid ab und löst denRückstand durch Kochen mit 50 ml Ligroin (Kp. 90-10O 0 C) unter Rückfluß. <strong>Die</strong> Lösungwird heiß durch ein Faltenfilter dekantiert und das Auskochen mit je 20 ml Ligroin noch


Herstellungsmethoden für Carbonsäurechloride 305dreimal wiederholt. <strong>Die</strong> vereinigten Filtrate werden auf 50 ml eingeengt und auf O 0 C abgekühlt.Das Säurechlorid wird abgesaugt, zweimal mit Petrolether (Kp. 30—6O 0 C) gewaschenund in einem Vakuumexsikkator über Phosphorpentoxid und Paraffinschnitzelneine Woche lang getrocknet (Vakuum öfters erneuern). Man erhält 4,8 g (89%) orangeroteKristalle vom Schmp. 95 0 C, die zur Darstellung von Azoestern (S. 704) verwendetwerden können.p- BrombenzoylchloridP-BrC 6 H 4 CO 2 H + CICOCOCI - > p-BrC 6 H 4 COCI + CO + HCI + CO 2In einem 100-ml-Kolben gibt man zur Suspension von 2,0g p-Brombenzoesäure in20 ml Benzol zwei Tropfen Pyridin und 2 ml Oxalylchlorid und erhitzt mit Rückflußkühlerund Calciumchloridrohr im Abzug (Entwicklung von Kohlenoxid und Chlorwasserstoff!)zum Sieden, bis eine klare Lösung entstanden ist (5 bis 10 min). Anschließend dampftman vorsichtig im Vakuum ein, trocknet den Rückstand im Hochvakuum, nimmt mit15ml warmem Petrolether auf und filtriert von ungelösten Anteilen. Beim Eindampfen<strong>des</strong> Filtrats erhält man 2,0g (93%) p-Brombenzoesäurechlorid als kristallinen Rückstand.Ein reineres Produkt erhält man, wenn man das Filtrat im Tiefkühlschrank zurKristallisation aufstellt und das Säurechlorid absaugt: 1,4g (64%) weiße Nadeln vomSchmp. 4O 0 C.Säurechloride werden aus den Carbonsäuren oder ihren Salzen und Chloridenanorganischer Säuren wie PCl 3 , PCl 5 , POCl 3 oder SOCl 2 , mitunter auch organischerSäuren wie ClCOCOCl, erhalten. <strong>Die</strong> Auswahl <strong>des</strong> Chlorierungsmittels richtetsich nach der Leichtigkeit, mit der die Carbonsäure reagiert, nach dem Siedepunktsunterschiedzwischen Chlorierungsmittel und Produkt und nach dem Preis. Wirkt,wie bei der Essigsäure und ihren Homologen, bereits PCl 3 leicht ein, zieht man diesesdem energischer wirkenden PCl 5 vor. Benzoesäure reagiert mit PCl 3 weniger leicht,gut aber mit PCl 5 , von dem allerdings nur 2 Chloratome ausgenutzt werden. (Nurbei Einsatz von Salzen der Carbonsäuren reagieren auch die Chloratome <strong>des</strong> OxychloridsPOCl 3 ). Im Laboratorium verwendet man meistens Thionylchlorid, dasaußer dem gewünschten Carbonsäurechlorid nur gasförmige Produkte (HCl, SO 2 )bildet. Bei der - im Laboratorium - selteneren Verwendung <strong>des</strong> sehr giftigen Phosgens,COCl 2 , entstehen in analoger Weise die Gase HCl und CO 2 , aus Oxalylchloridentstehen HCl, CO und CO 2 .Der Reaktionsmechanismus läßt sich mit Thionylchlorid am übersichtlichstenformulieren: Es entsteht primär unter HCl-Abspaltung ein gemischtes Anhydrid, dasleicht SO 2 abspaltet.OClS=O " HCI > R-CÄhnlich verlaufen die Reaktionen mit den anderen Reagenzien.


306 Kapitel V. Reaktionen der CarboxylgruppeBenzyloxycarbonylchloridChlorameisensäure-benzylesterC 6 H 5 CH 2 OH + COCI 2 > C 6 H 5 CH 2 OCOCI + HCIVorsicht: Alle Arbeiten mit dem giftigen Phosgen müssen in einem gut ziehenden Abzugbei bereitliegender Gasmaske ausgeführt werden.<strong>Die</strong> Apparatur besteht aus einem 500-ml-Rundkolben mit drei nicht zu engen Schliffhälsen.Der mittlere ist für einen gut wirksamen Rührer vorgesehen, ein seitlicher für einin die Flüssigkeit eintauchen<strong>des</strong> Thermometer, der andere trägt einen Anschützaufsatzmit Gaseinleitungsrohr, das bis dicht an die Oberfläche der Flüssigkeit heranreicht. <strong>Die</strong>zweite Öffnung <strong>des</strong> Aufsatzes ist mit einem CaCI 2 -Rohr verschlossen. <strong>Die</strong> ganze Apparatursoll bequem in ein Dewargefäß mit Trichlorethylen-CO 2 eingesenkt werden können,das leicht wieder zu entfernen ist.Man gibt in den Kolben 108g (1,0mol) frisch <strong>des</strong>tillierten Benzylalkohol, stellt dasGewicht <strong>des</strong> transportierbaren Anteils der Apparatur fest (ohne Rührwerk) und tauchtden Kolben in das Kältebad ein. Bei -1O 0 C (nicht tiefer kühlen, da Benzylalkohol bei-15 0 C erstarrt) leitet man unter kräftigem Rühren Phosgen aus der Stahlflasche ein. Manreguliert den Zustrom so, daß die Temperatur unter -10 0 C bleibt. Wenn sie anfängt,rasch abzusinken (nach ca. 2 h), beendet man das Einleiten und kontrolliert durch Wägung,ob etwas mehr als 1 mol Phosgen (98g) aufgenommen sind.Wenn 105g Mehrgewicht erreicht sind, wird das Kältebad entfernt, das Gasleitungsrohrdurch einen Stopfen ersetzt (CaCI 2 -Rohr bleibt!) und der Ansatz unter Rührenlangsam auf Raumtemperatur gebracht. Dabei entweichen HCI und überschüssigesPhosgen. Zu ihrer völligen Entfernung saugt man mit einer Wasserstrahlpumpe unter stetigemRühren sehr langsam 24 h lang im CaCI 2 -Turm getrocknete Luft durch den Kolben,indem man den einen Außentubus als Einlaß, den anderen für das Saugstück benutzt.Schließlich evakuiert man nach Entfernen <strong>des</strong> Rührers und Verstopfen <strong>des</strong> Mitteltubusnoch 5 min mit der Wasserstrahlpumpe. Man erhält ca. 150 g (93%) eines nahezu farblosen,flüssigen, nicht <strong>des</strong>tillierbaren Chlorids. Es ist im Kühlschrank viele Monate langunzersetzt haltbar und wird zur Herstellung von Benzyloxycarbonyl-aminosäuren verwendet.Beim voranstehenden Präparat bildet sich fast ausschließlich der Monoester <strong>des</strong>Dichlorids der Kohlensäure, da die Reaktivität <strong>des</strong> ersten Chloratoms <strong>des</strong> Phosgenserheblich größer ist, als die <strong>des</strong> Benzyloxycarbonylchlorids.<strong>Die</strong> niedrigen Säurechloride sind flüssig (die höheren fest) farblos und starkSchleimhaut-reizend. Sie lassen sich unter vermindertem Druck unzersetzt <strong>des</strong>tillieren.Ihre Siedepunkte liegen wegen fehlender intermolekularer Wasserstoffbrückenniedriger als die der entsprechenden Säuren.Siedepunkte vonCH 3 COCl: 51 0 C CH 3 CO 2 H: 118 0 CC 6 H 5 COCl: 196 0 C C 6 H 5 CO 2 H: 25O 0 CFormylchlorid zerfällt schon bei Temperaturen oberhalb -6O 0 C in CO und HCl.Beständig ist dagegen Formylfluorid.


Reaktionen der Carbonsäurechloride 307<strong>Die</strong> Säurechloride sind wirksame Acylierungsmittel. Ihre große Reaktivität gegenüberallen nucleophilen Verbindungen verdanken sie dem stark elektronen-anziehendenEffekt <strong>des</strong> Chlors, der den elektrophilen Charakter <strong>des</strong> Carbonyl-Kohlenstoffatomserheblich verstärkt. Da dieser Effekt beim Brom und Jod geringer ist, sindSäurebromide und -jodide weniger reaktionsfähig. Säurefluoride sind ebenfalls reaktionsträger.x x +x-R-C + Nu- > R—C-Nu > R—C-Nu^no o-'o»Nu = HOR, HNR 2 , HSR usw. oder deren Anionen, X = Cl, BrDas tetraedrische Addukt aus Nucleophil (Nu") und RCOX zerfällt rasch zumAcyl-Produkt und dem stabilen (solvatisierten) Halogenidion. Wasser hydrolysiertdie niederen Fettsäurechloride stürmisch bereits in der Kälte; die höheren undBenzoylchlorid reagieren (auch wegen der verminderten Mischbarkeit) mit Wassererst in der Hitze.Versuch: Hydrolyse von Säurechloriden -a) Acetylchlorid: Man gieße in einem Reagenzrohr etwa 0,5 ml Acetylchlorid allmählichzu 2 ml Wasser. Ist das Wasser sehr kalt, kann man kurze Zeit die im Wasser untersinkendenund mit diesem sich mischenden Tropfen <strong>des</strong> Chlorids beobachten. Schütteltman, so tritt eine lebhafte Reaktion unter Erwärmung ein.b) Benzoylchlorid: Man führe den gleichen Versuch mit Benzoylchlorid aus. Auch beilängerem Schütteln keine wahrnehmbare Veränderung; man muß einige Zeit kochen, umdie völlige Zersetzung zu erreichen. Nach dem Erkalten kristallisiert Benzoesäure aus. Ingleicher Weise bringe man Benzoylchlorid mit 2N Lauge zusammen.Alkalihydroxide wirken wegen der größeren Nucleophilie <strong>des</strong> OH -Ions noch lebhafterals Wasser auf Säurechloride ein. Mit Alkoholen und Phenolen reagieren dieSäurechloride unter Bildung von Estern, mit Ammoniak, primären und sekundärenAminen zu Amiden (S. 314) und mit Thiolen zu Thiolestern. <strong>Die</strong> relative Leichtigkeitdieser Reaktionen entspricht der auf S. 168 angeführten Nucleophilitätsreihe.+ H 2 O > RCO 2 H -HHCICl++ R'OH > RCO 2 R' H-HCI+ HN(R') 2 > RCON(R') 2 ( + HCI)+ R'SH > RCOSR' +HCINach Schotten-Baumann kann man Amine und Hydroxylverbindungen wie Alkoholeoder Hydroperoxide, in wässeriger Lösung unter Zusatz von Alkalihydroxiden


308 Kapitel V. Reaktionen der Carboxylgruppeoder -carbonaten acylieren. Alkohol reagiert <strong>des</strong>halb rascher als die OH~-Ionen,weil die im Gleichgewicht - wenn auch in kleiner Menge - vorliegenden Alkoxid-ionenviel nucleophiler sind.ROH + OH- 4* H 2 O + RO-AIs Basen besonders empfehlenswert sind tertiäre Amine im inerten Solvens odervor allem wasserfreies Pyridin als basisches Lösungsmittel.<strong>Die</strong> Schotten-Baumann-Reaktion dient oft zum qualitativen oder quantitativenNachweis alkoholischer oder phenolischer Hydroxylgruppen. Weiterhin wendet manSäurechloride an, um Alkohole oder Phenole als Ester aus Lösungen abzuscheidenoder um sie zu charakterisieren. Man bedient sich hierbei oft <strong>des</strong> Benzoylchloridsoder seiner Nitroderivate, da diese leicht kristallisieren.Versuch: Esterbildung —a) Ethylacetat. Zu 1 ml Ethanol fügt man tropfenweise unter Außenkühlung mit Wasserdas gleiche Volumen Acetylchlorid, versetzt dann, ebenfalls unter Kühlung, mit demgleichen Volumen Wasser und macht vorsichtig mit Natronlauge schwach alkalisch. Hatsich nicht schon hierbei über der wässerigen Flüssigkeit eine leicht bewegliche Schicht<strong>des</strong> angenehm riechenden Essigesters abgeschieden, so fügt man noch fein pulverisiertesKochsalz hinzu, bis zur Sättigung, wonach sich Essigester abscheidet.b) Ester von p-Nitrobenzoesäure: In einem Reagensglas werden 5ml einer 10proz.wässerigen Lösung eines wasserlöslichen Alkohols mit 1-2 ml 2N Natronlauge alkalischgemacht, mit der Lösung von ca. 300 mg (mittlere Spatelspitze) p-Nitrobenzoyl-chlorid(S. 304) in 1—2 ml Aceton versetzt und sofort kräftig 1 min lang geschüttelt. Schwache,aber deutlich wahrnehmbare Erwärmung. Nach kurzer Zeit wird der farblose körnig kristallineNiederschlag abgesaugt und mit Wasser gewaschen. Der Schmelzpunkt der rohenEster steigt nach dem Umkristallisieren aus Methanol und beträgt dann ( 0 C) beim Methylester:96, Ethylester: 57, n-Propylester: 35, Isopropylester: 110, n-Butylester: 35,sek. Butylester: 25, Isobutylester: 68, tert. Butylester: 132 (Umsetzung dauert länger),Cyclohexylester: 50, Benzylester: 86 und Phenylester: 132 0 C.EssigsäureanhydridCH 3 COCI + CH 3 CO 2 Na > CH 3 COOCOCH 3 + NaCIZur Herstellung <strong>des</strong> Essigsäureanhydrids benützt man die gleiche Apparatur wie beimAcetylchlorid (S. 303).Zu 80g (1,00mol) fein pulverisiertem, wasserfreiem Natriumacetat (<strong>des</strong>sen Herstellungsiehe unten) läßt man aus einem Tropftrichter tropfenweise 54 g (0,75 mol) Acetylchloridfließen. Sobald etwa die Hälfte <strong>des</strong> Chlorids hinzugefügt ist, unterbricht man dieReaktion auf kurze Zeit, um mit Hilfe eines am unteren Ende der Länge nach breit gedrücktenund etwas umgebogenen Glasstabs die breiige Masse durcheinander zu rühren,und läßt erst dann den Rest so langsam nachfließen, daß kein unverändertes Acetylchloridab<strong>des</strong>tilliert. Hierauf <strong>des</strong>tilliert man mit leuchtender Flamme unter fortwährendem


Carbonsäureanhydride 309Bewegen <strong>des</strong> Brenners das Anhydrid von dem Salzrückstand ab. Das Destillat wirdschließlich unter Zusatz von 3 g fein pulverisiertem, wasserfreiem Natriumacetat, welchesdie letzten Anteile unveränderten Acetylchlorids vollends zu Essigsäureanhydrid umsetzt,einer fraktionierenden Destillation unterworfen. Siedepunkt <strong>des</strong> Essigsäureanhydrids138°C/760 Torr. Ausbeute 55-60 g (=65-72%). Das Präparat ist auf Chlor zuprüfen, indem man eine Probe mit Wasser kocht und nach Zugabe von verdünnter HNO 3einige Tropfen Silbernitratlösung zufügt. Verwendung für Acetylierungen, Perkin-Reaktion (S, 371).In analoger Weise kann Benzoesäureanhydrid (Schmp. 42 0 C) präparativ gewonnenwerden.Herstellung <strong>des</strong> wasserfreien Natriumacetats: Das kristallwasserhaltige Salz (3H 2 O)erhitzt man in einer flachen Schale aus Eisen oder Nickel direkt über dem Brenner,Nachdem das Kristallwasser verdampft ist, gießt man die Schmelze in eine Porzellanschale.Nach dem Erstarren wird das Salz noch warm gepulvert und sofort unter Verschlußgesetzt. Auch das käufliche, wasserfreie Acetat muß vor dem Versuch geschmolzenwerden.ButtersäureanhydridC 3 H 7 COCI + HO 2 CC 3 H 7 > C 3 H 7 COOCOC 3 H 7 + HCIMan stellt sich Butyrylchlorid nach der auf S. 303 angegebenen Vorschrift dar, unterläßtaber die Destillation; zum 10O 0 C heißen Ansatz läßt man im Verlauf von 15—20minnochmals 26g (0,30 mol) Buttersäure bei derselben Temperatur zufließen. Nun wird dieTemperatur um 3O 0 C pro Stunde gesteigert, so daß nach 3h 19O 0 C erreicht sind. <strong>Die</strong>HCI-Entwicklung ist jetzt praktisch zu Ende, das Buttersäureanhydrid kann i. Vak. <strong>des</strong>tilliertwerden. Nach einem geringen Vorlauf geht fast die ganze Menge bei 96—98 0 C /22 Torr über. Ausbeute 39 g = 83% d. Th.Auch gemischte Anhydride, solche die zwei verschiedene Säurereste enthalten,kann man dadurch bereiten, daß man Chlorid und Salz zweier verschiedener Säurenanwendet. Da sich die gemischten Anhydride besonders der aliphatischen Säuren beihöherer Temperatur gewöhnlich zu den symmetrischen disproportionieren, arbeitetman dabei unter Kühlung in einem indifferenten Lösungsmittel wie Chloroform oderTetrahydrofuran, in welchem die Carbonsäuren durch Zusatz einer tert. Base wieTriethylamin als Salze gelöst werden.Das gemischte Anhydrid aus Essigsäure und Ameisensäure, ein starkes Formylierungsmittel,entsteht schon beim Mischen von Essigsäureanhydrid mit hochprozentigerAmeisensäure.


310 Kapitel V. Reaktionen der CarboxylgruppeBernsteinsäureanhydridH 2 C^C° 2H CH 3-CO H 2 C-" C \I + O > \ O + 2CH 3 COOH2^CO 2 HCH 3 -COOH 2 C \ C /In einem 250-ml-Rundkolben, der mit Rückflußkühler und Calciumchloridrohr versehenist, werden 30 g Bernsteinsäure (0,25 mol) mit 50 ml (ca. 0,5 mol) frischem Essigsäureanhydrid(Präparat S. 308) auf dem Drahtnetz über kleiner Flamme unter öfterem Schüttelnso lange erhitzt, bis alles gelöst ist. Beim Abkühlen (zuletzt im Kühlschrank) kristallisiertBernsteinsäureanhydrid in schönen Nadeln. Man saugt rasch ab, wäscht einigeMale mit kaltem Ether und trocknet im Exsikkator. Ausbeute 22,5g (88% d. Th.) vomSchmp. 118-119 0 C.In analoger Weise lassen sich auch andere schwer flüchtige Anhydride zum BeispielBenzoesäureanhydrid (Schmp. 42 0 C) darstellen.<strong>Die</strong> Wasserspaltung zwischen 2 Carboxylgruppen durch ein anderes Carbonsäureanhydridverläuft über das gemischte Anhydrid nachRCOOH + CH 3 COOCOCH 3


Ketene und Lactone 311Essigsäureanhydrid wird sehr häufig benutzt, um die Acetylgruppe in Alkohole,Phenole oder Amine einzuführen. Ein Tropfen konzentrierte Schwefelsäure steigertdie Reaktionsgeschwindigkeit.<strong>Die</strong> thermische Zersetzung an einem glühenden Platindraht überführt Essigsäureanhydridunter weiterer Wasserabspaltung in Keten.H 3 C-COH 3 C-COIm Laboratorium wird Keten in einer Radikalreaktion durch thermische Zersetzungvon Aceton gewonnen.CH 3 -CO-CH 3 - > H 2 C=C=O + CH 4Bequem und mit guter Ausbeute läßt es sich mit der von E. Ott entwickelten„Ketenlampe" gewinnen. Keten dient ebenfalls als Acetylierungsmittel.Unter der katalytischen Wirkung von Schwefelsäure geht Keten in das dimereDiketen über, das die Struktur eines jS-Lactons hat. Solvolytische Ringöffnung führtzu Derivaten der Acetessigsäure (S. 406). Das einfachste /J-Lacton, j8-Propiolacton,entsteht aus Keten und Formaldehyd durch Cycloaddition.H 2 C-CO H 2 C-CO CH 2I l I lx \H 2 C=C-OH 2 C-OH 2C CODiketenß-PropiolactonH 2 C °y-ButyrolactonAls Lactone bezeichnet man cyclische Ester, die durch Reaktion einer Carboxylgruppemit einer Hydroxylgruppe <strong>des</strong>selben Moleküls entstehen. Sie bilden sichleicht - in einer H + -katalysierten Gleichgewichtsreaktion - wenn die alkoholischeGruppe zum Carboxyl in y-Stellung (5-Ring) oder ^-Stellung (6-Ring) steht. Großringlactone,zu denen mehrere Aritibiotika gehören, bezeichnet man als Makrolide.a-Hydroxycarbonsäuren können unter den Bedingungen der Esterbildung untergegenseitiger Wasserabspaltung aus 2 Molekülen 6-gliedrige Lactide bilden z.B.Lactid aus Milchsäure:


312 Kapitel V. Reaktionen der CarboxylgruppeDibenzoylperoxid2C 6 H 5 COCI + H 2 O 2+20H " > C 6 H 5 CO-O-O-COC 6 H 5 + 2CI~ + 2H 2 OZu 50 ml etwa 10 proz. wässerigem Hydrogenperoxid läßt man unter guter Eiskühlungund stetem Schütteln, am besten in einer G lasstöpf seif lasche, abwechselnd 4N Natronlaugeund Benzoylchlorid derart tropfen, daß die Lösung immer schwach alkalisch bleibt.Nachdem etwa 30 ml Lauge und 15g Benzoylchlorid (0,11 mol) verbraucht sind, istdas Hydrogenperoxid umgesetzt, Dibenzoylperoxid hat sich flockig abgeschieden, derGeruch <strong>des</strong> Chlorids ist nahezu verschwunden. Man saugt ab, wäscht mit Wasser ausund trocknet. Ausbeute 10—12g (80—95%). Zum Umkristallisieren stellt man ohne Erwärmeneine konzentrierte Lösung in Chloroform dar, filtriert diese falls nötig und läßt sielangsam in das doppelte Volumen Methanol einfließen. Dabei kristallisiert die Substanzin farblosen Prismen vom Schmp. 106—108 0 C (unter Zersetzung). Eine kleine Probe erhitzeman im trockenen Reagenzglas rasch über der Flamme. (Vorsicht, Schutzbrille!)Dibenzoylperoxid muß wie alle <strong>organischen</strong> Peroxide mit großer Vorsicht gehandhabtwerden.Das Peroxid der Benzoesäure ist Ausgangssubstanz für die einfachste Synthese vonEpoxiden nach Prileschajew. Es wird nämlich in absoluter etherischer oder besserbenzolischer Lösung durch Natriumethylat in das Natriumsalz der Perbenzoesäureund in Benzoesäureester gespalten.C 6 H 5 C-O-O-CC 6 H 5 C 2 H 5 ONa > C6H5C_ Q _ ONa + H 5 C 2 OCOC 6 H 5O O ONach Abtrennen <strong>des</strong> Esters und Ansäuern wird die Perbenzoesäure in Chloroformaufgenommen. <strong>Die</strong>se Lösung dient als Reagens für die oben genannte Reaktion mitOlefinen. Ethylen selbst tritt nicht in Reaktion. In neuerer Zeit hat die in Substanzstabile, kommerziell erhältliche m-Chlorperbenzoesäure die Perbenzoesäure weitgehendverdrängt (S. 496).<strong>Die</strong> wenig beständigen Peroxysäuren sind viel weniger acid als die zugehörigenCarbonsäuren. <strong>Die</strong> Fähigkeit der Diacylperoxide zur Spaltung in neutrale, radikalischeBruchstücke macht diese Verbindungsklasse zu Initiatoren von "Radial-Kettenreaktionen. Technisch besonders bedeutend ist die auf S. 208 am Beispiel <strong>des</strong>Styrols ausgeführte Olefin-Polymerisation.CarbonsäureamideAllgemeinesAcetamidCH 3 COONH 4 A > CH 3 CONH 2 + H 2 O80g (1,0 mol) Ammoniumacetat und 60 ml Eisessig (1,0 mol) werden auf dem Drahtnetzin einem kleinen Rundkolben mit aufgesetzter Widmer-Kolonne, Thermometer und


Herstellung der Carbonsäureamide 313absteigendem Kühler 5—6 h lang im gelinden Sieden erhalten. Man achte darauf, daßdie Temperatur von 103 0 C nur wenig überschritten wird; der Eisessig und das bei derReaktion gebildete Wasser <strong>des</strong>tillieren langsam ab und werden zur Kontrolle in einemMeßzylinder aufgefangen. Wenn etwa 80 ml übergegangen sind, wird stärker erhitzt, bisdas Thermometer 14O 0 C anzeigt. Man läßt etwas abkühlen, gießt die noch warmeSchmelze in einen 250-ml-Rundkolben und <strong>des</strong>tilliert fraktionierend im Vakuum. (Vorsicht!Destillat kann im Kühler erstarren). <strong>Die</strong> bei 85—90 0 C / 12 Torr übergehende Hauptmengewird beim Abkühlen fest. Man saugt auf einer Nutsche scharf ab und trocknet den Rückstandauf Ton im nicht evakuierten Exsikkator. Aus dem Filtrat läßt sich ein weiterer AnteilAcetamid heraus<strong>des</strong>tillieren. <strong>Die</strong> reine Verbindung siedet bei 223 0 C / 760 Torr. Einekleine Probe soll aus Benzol umkristallisiert werden. Schmp. 8O 0 C. Ausbeute 55 g (über90%). Verwendung <strong>des</strong> Präparats für Acetonitril (S.324).Aus niedrigen Carbonsäuren kann man ganz allgemein das Amid herstellen, indemman ihr Ammoniumsalz trocken <strong>des</strong>tilliert oder zweckmäßiger, indem man es längereZeit mit einem Überschuß der Säure auf höhere Temperatur erhitzt und das gebildeteWasser aus dem Reaktionsgemisch heraus<strong>des</strong>tilliert (siehe oben). Der Überschußwirkt der Dissoziation <strong>des</strong> Salzes in Säure und Base entgegen.CH 3 COjNH 4 *i CH 3 CO 2 H + NH 3Amide entstehen auch bei der Einwirkung von konzentrierter Schwefelsäure aufNitrile mit anschließender, leicht verlaufender Hydrolyse <strong>des</strong> Addukts (siehe S. 326).Allgemeiner anwendbar ist die Acylierung von Ammoniak, primären oder sekundärenAminen mit Säurechloriden (S. 314) oder Säureanhydriden (S. 710). <strong>Die</strong> dabeiauftretenden Protonen können vom eingesetzten Amin selbst gebunden werden, eswird dann nur die Hälfte acyliert. Zweckmäßiger arbeitet man jedoch entweder inGegenwart wässeriger Lauge oder unter Zusatz eines tert. Amins wie Pyridin, Chino-Hn, Triethylamin und anderen als Protonen-Akzeptor. Da die Amine bedeutendnucleophiler sind als die Hydroxyl-ionen, läuft die Amidbildung der alkalischenHydrolyse in Wasser den Rang ab. Auch Ester sind der Aminolyse zugänglich. In derReihenfolge der Acylierungsfähigkeit von Carbonsäurederivaten stehen sie aber wegen<strong>des</strong> relativ schwachen elektronenanziehenden Effekts der O-Alkylgruppe hinterden anderen Carbonsäurederivaten zurück. Mit den stark nucleophilen Hydrazinenreagieren die Ester allerdings genügend rasch zu Säurehydraziden (S. 708). Das nochstärker nucleophile Hydroxylamin bildet aus allen Säurederivaten mehr oder wenigerleicht die Hydroxamsäuren./ / OHR—C' — R-CNHOHX NOH<strong>Die</strong>se sind als kirschrote Fe(III)-Komplexe empfindlich nachzuweisen. Eine Ausnahmestellungbei Acylierungsreaktionen nimmt die Ameisensäure ein. N-Formyl-


314 Kapitel V. Reaktionen der CarboxylgruppeVerbindungen erhält man schon beim gelinden Erwärmen von primären oder sekundärenAminen mit der hochprozentigen Säure.Acylierungspotenz von CarbonsäurederivatenR—C=O Cloride > Anhydride, Azide > Thioester > Phenylester > Alkylester > AmideX = Cl OCOR N 3 SR' OAr OAIk NR 2Versuch: Amidsynthesen -a) Acetanilid. Zu 1 ml Anilin fügt man tropfenweise Acetylchlorid, wobei unter lebhaftemZischen eine heftige Reaktion eintritt, welche aufhört, sobald etwa das gleicheVolumen <strong>des</strong> Chlorids hinzugefügt ist. Unter Kühlung und Reiben mit dem Glasstab versetztman mit dem fünffachen Volumen Wasser, wobei sich ein reichlicher Niederschlagvon Acetanilid abscheidet. Der Niederschlag wird abfiltriert und aus wenig heißem Wasserumkristallisiert. Schmp. 115 0 C.b) Benzamid. Zur Herstellung von Benzamid versetzt man 2N wässeriges Ammoniakunter Schütteln mit einigen Tropfen Benzoylchlorid. Fast momentan scheiden sich farbloseKriställchen flockig ab, die abgesaugt und aus Wasser umkristallisiert werden.Schmp. 128 0 C.<strong>Die</strong> SäureamideR — CONH 2 sind mit Ausnahme <strong>des</strong> flüssigen Formamids kristallisierteSubstanzen. <strong>Die</strong> Anfangsglieder der homologen Reihe sind in Wasser leichtlöslich, auch die höheren Glieder lassen sich aus heißem Wasser Umkristallisieren.<strong>Die</strong> Siedepunkte liegen viel höher als die der Säuren.Der basische Charakter <strong>des</strong> Amidstickstoffs ist durch die Mesomerie sehr starkvermindert, starke Säuren übertragen das Proton, und Alkylierungsmittel ihren<strong>organischen</strong> Rest, auf den Sauerstoff <strong>des</strong> mesomeren System, weil das O-substituierteAmid (A) - im Gegensatz zum N-substituierten (B) ein mesomeriefähiges System darstellt.Harnstoff, das Diamid der Kohlensäure bildet ein schwerlösliches Nitrat (sieheS. 327).O< -> R-C ;NH 3OHR-CAprotonierte SäureamideBCharakteristisch für die Säureamide sind ihre Verbindungen mit zweiwertigemQuecksilber. Sie entstehen bei der Umsetzung der Amide mit Quecksilberoxid, zumBeispiel2CH 3 CONH 2 + HgO - >(CH 3 CONH) 2 Hg + H 2 O


Reaktionen der Carbonsäureamide 315Versuch: Acetamid-quecksilber — Man löst etwas Acetamid in Wasser, versetzt mitwenig gelbem Quecksilberoxid und erwärmt. Das Oxid geht hierbei in Lösung, indemsich die oben formulierte in Wasser leicht lösliche Verbindung bildet.<strong>Die</strong> zu Nitrilen führende Wasserentziehung und die Einwirkung von Hypohalogenitenauf Säureamide werden in späteren Präparaten behandelt. Durch saure oderalkalische Hydrolyse wird die Amidgruppe mehr oder weniger leicht unter Rückbildungder Säuren abgespalten.Versuch: Hydrolyse von Acetamid - Im Reagenzglas erhitzt man etwas Acetamidmit 2N Natronlauge zum Sieden. Es tritt intensiver Ammoniakgeruch auf, die Lösung enthältNatriumacetat. <strong>Die</strong> Essigsäure weist man nach, indem man mit Schwefelsäure geradekongosauer macht, das Reagenzglas durchschüttelt und dann zum Sieden erhitzt (Sie<strong>des</strong>tein).Ein über die Mündung gehaltenes Lackmuspapier wird rot (Allgemeiner Nachweisvon flüchtigen Säuren, Geruch).Benzyloxycarbonyl-D, L-alaninC 6 H 5 CH 2 OCOCI + H 2 N-CH(CH 3 )CO 2 - -> C 6 H 5 CH 2 OCONH-CH(CH 3 )CO 2 H + Cl~In einem 250-ml-Dreihalskolben, der mit 2 Tropftrichtern und Rührwerk versehen ist undsich in einem Eiswasserbad befindet, löst man 8,9g (0,10 mol)D,L-Alanin (S. 354) in50 ml 1N Natronlauge. Dann läßt man unter gutem Rühren und Kühlen gleichzeitig 17 g(0,10mol) reines Benzyloxycarbonylchlorid (S. 306) und 50 ml 2N Natronlauge zutropfen.Nach weiteren 1 stündigem Rühren unter Kühlen schüttelt man mit 50 ml Etheraus (nicht zu heftig schütteln, Emulsionsbildung) trennt ab, verwirft den Ether und setztdie wässerige Lösung zur Entfernung <strong>des</strong> gelösten Ethers in einem 1 -I-Kolben unter Wasserstrahlvakuum,wobei tüchtig umgeschüttelt wird. Ist so die größte Menge <strong>des</strong> Ethersentfernt, säuert man mit 45 ml halbkonzentrierter Salzsäure unter Kühlung an. Man läßteinige Zeit bei O 0 C stehen, saugt den kristallinen Niederschlag ab und wäscht einigeMale mit eiskaltem Wasser. Zum Umkristallisieren wird unter gelindem Erwärmen in30 ml Aceton gelöst und mit Wasser bis zur eben auftretenden Trübung versetzt. Beimzu raschen Abkühlen scheidet sich das Benzyloxycarbonyl-alanin oft als Öl ab, kristallisiertaber beim Aufbewahren im Kühlschrank. Man saugt ab und trocknet über P 2 O 5 imExsikkator. Ausbeute 16-17 g (70-74%) vom Schmp. 115 0 C. Schmelzpunkt der L-Verbindung:84-86 0 C.AminosäurenCarbonsäuren, die eine Aminogruppe enthalten, werden als Aminosäuren bezeichnet.<strong>Die</strong> wichtigsten sind aliphatische a-Aminosäuren, die eine primäre Aminogruppe amC-Atom benachbart zur Carboxylgruppe besitzen. Alanin (a-Aminopropionsäure) ist,wie die 19 anderen a-Aminosäuren (als L-Enantiomer, [(5)-Form] siehe S. 359) Bau-


316 Kapitel V. Reaktionen der Carboxylgruppestein der Eiweißstoffe (Proteine). Außer den cyclischen Iminosäuren Prolin undHydroxyprolin und der einfachsten, dem Glycin (Aminoessigsäure) leiten sich allevom Alanin ab, indem ein H-Atom seiner Methylgruppe durch aliphatische, aromatische,Sauerstoff-, Stickstoff- oder Schwefel-haltige Gruppen substituiert ist. <strong>Die</strong>wäßrige Lösung der meisten a-Aminosäuren reagiert angenähert neutral. Da ihreCarboxylgruppe ein pK A um 2,5 hat, also bei pH 2,5 schon zu 50% und bei pH 7 zu100% dissoziiert ist und ihre Aminogruppe (pK B ~ 9,5) bei pH 7,5 zu 99% protoniertist, liegen die a-Aminosäuren bei pH 7 als „Zwitterionen" vor. Der „isoelektrischePunkt", bei dem die Zahl der positiven und negativen Ladungen einer gegebenen,größeren Menge von Molekülen genau gleich groß ist, liegt bei den neutralen Aminosäurenum pH 6.R R RIH 2 N-CH-CO 2 - < + "" H 3 N-CH-CO 2 —*-» H 3 N-CH-CO 2 H-H2UZwitterionUnter den Bedingungen der Veresterung (Alkohol und Chlorwasserstoff) läßt sichdie Carboxylgruppe verestern (Aminosäureester-hydrochloride), nach Zugabe vonLauge läßt sich das Anion der Aminosäure an seiner NH 2 -Gruppe acylieren (sieheobiges Präparat). Durch amidartige Verknüpfung einer a-Aminosäure mit der Aminogruppeeiner zweiten (Peptid-Bindung) entsteht ein Dipeptid, die Fortsetzung <strong>des</strong>Vorgangs führt zu Polypeptiden und Proteinketten.<strong>Die</strong> Carboxylgruppe der Aminosäuren verdankt ihre relativ scark saure Natur (sieheTabelle 2, S. 294) dem induktiven Effekt <strong>des</strong> Ammoniumsubstituenten, der in dera-Stellung am wirksamsten ist. /?-, y- usw. - Aminosäuren haben zunehmend höherepK A -Werte.Der Benzyloxycarbonylrest (Z-Rest) hat als erste „Schutzgruppe" für die Peptidchemiegroße Bedeutung (Bergmann und Zervas). Er läßt sich nach erfolgter Peptidsyntheseohne Angriff der Peptidbindung abspalten, zum Beispiel durch katalytischaktivierten Wasserstoff (Hydrogenolyse) oder durch HBr in wasserfreiem Medium(Solvolyse).C 6 H 5 CH 2 BrHBrRC 6 H 5 CH 2 JO-C-NH-CH-CO-NH-CH-CO-! H^^ \ O Z-PeptidC 6 H 5 CH 3 ^ H 2 /Pt IRHOC—N H-CHR f1-CO 2R R*H 2 N-CH-CO-NH-CH-CO-


Aminosäuren und Peptide 317<strong>Die</strong>ser Reaktion, die auf der Eigenschaft <strong>des</strong> Benzylrests beruht, bereitwillig in denCarbenium- oder Radikalzustand überzugehen, sind alle Ester (und Ether) <strong>des</strong>Benzylalkohols und seiner Derivate zugänglich. Im obigen Fall entsteht durch dieEsterspaltung eine Carbaminsäure, die leicht decarboxyliert.PeptidsyntheseD,L-AlanylglycinFormeln siehe weiter unten.Zur Synthese von Peptiden nach der Mischanhydrid-Methode werden allgemein 2Lösungen bereitet, wie hier am Beispiel der Reaktionskomponenten Benzyloxycarbonyl-D,L-alanin ( -0,L-AIa) und Glycin-ethylesterhydrochlorid (GIyOEt-HCI) geschildertwird.Lösung I: 2,23g Z-D,L-Ala (10mmol) (S.315) werden, in 5ml trockenem Tetrahydrofurangelöst, mit 1,4OmI (10mmol) Triethylamin neutralisiert und auf -15 0 C abgekühlt.Nach 10 min werden 0,95 ml (10 mmol) Ethoxycarbonylchlorid zupipettiert, dasReaktionsgemisch bleibt unter gelegentlichem Umschütteln möglichst kurze Zeit bis zurVereinigung mit der vorbereiteten Lösung Il im Kältebad.Lösung II: 1,54g (1,1 mmol) GIy-OEt- HCI (S. 634) werden, in 30 ml Tetrahydrofuransuspendiert, mit 1,54ml (1,1 mmol) Triethylamin versetzt und einige min umgeschüttelt.Lösung I und Lösung Il werden im Kühlbad zusammengegeben sogleich darausentfernt und geschüttelt bis Raumtemperatur erreicht ist. Bei verschlossenem Gefäßmuß der Stopfen wegen der CO 2 -Entwicklung öfter gelüftet werden. Nun wird im Vak.verdampft, der meist ölige Rückstand in 100—200 ml Essigester gelöst. <strong>Die</strong> Lösung wird3mal mit 1N Salzsäure, 3mal mit 5proz. wäßriger KHCO 3 -Lösung und 3mal mit Wassergewaschen und über MgSO 4 getrocknet. Der nach dem Abdampfen im Vak. zunächstölige Rückstand erstarrt beim längeren Aufbewahren kristallin. Das Gewicht <strong>des</strong> Rohproduktsbeträgt 2,37 g (77% d. Th.).Zur Verseifung wird der Z-Dipepti<strong>des</strong>ter in 20 ml Dioxan + 10ml 1N NaOH gelöst,1 h bei Raumtemperatur aufbewahrt, danach mit 10OmI Wasser versetzt, mit 1OmI1N H 2 SO 4 angesäuert und 3mal mit je 10O ml Essigester ausgeschüttelt. <strong>Die</strong> Lösung wirdnach dem Trocknen über MgSO 4 im Vak. verdampft. Es hinterbleiben 2,03g (=94%d. Th.) sirupöses Z-Dipeptid. Zur hydrogenolytischen Entfernung der Schutzgruppewird es in 80 ml Tetrahydrofuran gelöst und die Lösung nach Zusatz von ebensovielWasser und 0,5g 10proz. Pd-Kohle Katalysator in einem engen Gefäß (Standzylinder)durch langsames Durchleiten von Wasserstoff durch ein mit Fritte versehenes langes Einleitungsrohrhydriert. Der Katalysator soll dabei im Schweben bleiben. Das Gefäß ist miteinem doppelt durchlochten Stopfen versehen, durch <strong>des</strong>sen zweite Bohrung ein Ableitungsrohrführt, das — zur Probe auf abgespaltenes CO 2 — in ein Reagenzglas mit Bariumhydroxidlösungeingetaucht werden kann. Wenn kein BaCO 3 mehr ausfällt wird vomKatalysator abfiltriert und die Lösung im Vak. zur Trockne verdampft. Man erhält 1,0gD,/.-Alanyl-glycin (93% d.Th.). Nach Umkristallisieren aus wenig Wasser unter vorsichtigemZusatz von Aceton schmilzt die Probe bei 236 0 C (unter Zersetzung).


318 Kapitel V. Reaktionen der CarboxylgruppeVersuch: Papierchromatographie — <strong>Die</strong> Ausgangsaminosäuren D,£-Alanin undGlycin, das Dipeptid D,/.-Alanylglycin und einige andere verfügbare Aminosäuren werdenauf einen geeigneten Filtrierpapierbogen als kleine runde Flecken ihrer ca. 1 proz. wässerigenLösungen, wie auf S. 96 beschrieben, aufgetragen und nach dem Trocknen derFlecken in einem Gemisch aus 75Tl. sek. Butanol, 20Tl. Eisessig und 15Tl. Wasser(Volumina) aufsteigend Chromatographien. Nach einigen Stunden markiert man denoberen Lösungsmittelrand, läßt den Bogen an der Luft oder im Trockenschrank trocknenund besprüht ihn mit einer 1 proz. Lösung von Ninhydrin in Methanol. <strong>Die</strong> violettblauenFlecken, die die Position (R F -Werte) der Substanzen anzeigen, sind nach einigen Stundenohne zusätzliches Erwärmen sichtbar, sie erscheinen viel rascher, wenn man dasPapierchromatogramm z. B. in einem Trockenschrank erhitzt.Auch die Dünnschichtchromatographie (S. 91) ist sehr gut zur Analyse von Aminosäurenund Peptiden geeignet.Peptide und Proteine<strong>Die</strong> Peptidbindung, eine Amidbindung zwischen der Carboxylgruppe einer und derAminogruppe einer zweiten L-a-Aminosäure bildet das Grundprinzip für den Baueiner Vielzahl peptidartiger Wirkstoffe, z. B. Insulin, Hypophysenhormone, und dergrößenordnungsmäßig aus 100 und mehr Aminosäuren zusammengesetzten Proteine.Da die Amidbindung wegen ihrer Mesomerie (S. 314) partiellen Doppelbindungscharakterbesitzt, besteht prinzipiell die Möglichkeit einer cis/trans-Isomerie. In denPolypeptidketten herrscht ganz überwiegend die etwas energieärmere trans-Konfigurationvor.trans || |0 O-HHO N - O N +eis^/ \C \^ \C1 IH . / 1 H 8 H , / 3' C N C Cv v v N/ vH8 R-' \ H &Teil einer Polypeptidkette (Tripeptid)Man nennt den durch die Reihenfolge (Sequenz) der a-Aminosäuren gegebenenBau die Primär Struktur; aus ihr leitet sich durch intermolekulare Wechselwirkung


Peptide und Proteine 319von C=O und HN (Wasserstoffbrücken) die Sekundärstruktur (wendelartige Bereiche,Helix; Faltblattbereiche) und - durch zusätzliche Wechselwirkungen wieDisulfidbrücken, lonenbeziehung zwischen — NH 3 und — CO^, „hydrophobe Bindung"zwischen lipophilen Seitenketten verursacht - die Tertiärstruktur ab, die fürdie biologischen Funktionen maßgebend ist. <strong>Die</strong> Tertiärstruktur zahlreicher Proteineist heute durch Röntgenstrukturanalyse ihrer Kristalle bekannt, nachdemJ. C. Kendrew und M. Perutz 1960 erstmalig diese Technik erfolgreich zur Strukturermittlungder O 2 -transportierenden Hämoproteine Myoglobin (im Muskel) undHämoglobin (im roten Blutkörperchen) angewandt haben.<strong>Die</strong> Peptidsynthese ist eine Acylierungsreaktion; die acylierende Aminosäure wirdals carboxyl-aktiviertes Derivat mit der Aminogruppe der zweiten Aminosäure gekuppelt.Da sie mit der Aminogruppe ihresgleichen nicht reagieren darf, muß diesereversibel geschützt sein. <strong>Die</strong> Carboxylgruppe der Aminkomponente braucht nichtunbedingt geschützt zu sein, aus Gründen der Löslichkeit und um denkbare Nebenreaktionenganz zu vermeiden, benutzt man aber meistens Aminosäureester.Als N-Schutzgruppe haben sich neben speziellen Resten der in Präparat S. 315verwendete Benzyloxycarbonylrest (Z) und der ter/-Butyloxycarbonylrest (Boc(CH 3 ) 3 COCO) besonders bewährt. Der erste Rest kann mit den auf S. 316 geschildertenReagenzien ohne Beschädigung der Peptidbindung abgespalten werden,der zweite durch Protonen in wasserfreiem Medium als Isobuten +CO 2 .Zur Aktivierung der Carboxylgruppe der N-geschützten Acylkomponente sindviele Reaktionen ausgearbeitet worden, die in der Spezialliteratur zu finden sind. Beider hier behandelten Peptidsynthese macht man von den gemischten Anhydriden (A)der Z-Aminosäuren und Ethylkohlensäure Gebrauch, die aus den Triethylammoniumsalzenmit Chlorameisensäure-ethylester (Ethoxycarbonylchlorid) bei tiefer Temperaturentstehen und ohne Isolierung mit dem Ethylester der zweiten Aminosäureumgesetzt werden. Esterverseifung und hydrogenolytische Abspaltung <strong>des</strong> Z-Restsführt zum Dipeptid.ZNHCH(CH 3 )CO 2 - + CICOC 2 H 5 - > ZNHCH(CH 3 )COCOC 2 H 58 AÄ SA + H 2 NCH 2 CO 2 C 2 H 5 - > ZNHCH(CH 3 )CONHCH 2 CO 2 C 2 H 5 + CO 2 + C 2 H 5 OHH 2 NCH(CH 3 )CONHCH 2 CO 2 H < H2/Pd ' C < OH " IWeitere Acyl-aktive Derivate (wie A) sind die Azide oder die Ester mit stark saurenPhenolen (o-Nitrophenol, Halogenphenole, Thiophenol) und viele andere. AuchDicyclohexylcarbodiimid kann zur Wasserabspaltung zwischen Carboxyl- undAminogruppe verwendet werden.Bei der Peptidsynthese an fester Phase (Merrifield) erfolgt der schrittweise Aufbauder Peptidkette beginnend an einer an einem Polystyrolharz benzylester-artig ge-


320 Kapitel V. Reaktionen der Carboxylgruppebundenen Aminosäure mit Boc-Aminosäuren, die mit Dicyclohexylcarbodiimid angeknüpftwerden und deren geschützte Aminogruppe vor jeder weiteren Anknüpfungacidolytisch freigesetzt wird. Dabei bleibt die wachsende Peptidkette an der festenPhase, alle anderen Produkte der Reaktionen werden durch Auswaschen entfernt.Zum Schluß spaltet man das Syntheseprodukt durch wasserfreie Acidolyse vomTrägerharz ab.-CH 2 OCOCH (R 1 )NH [COCH(R 2n )NH]COCH(R n + 1 )NHBoc+HBr >/~A-CH 2 Br + HO 2 C-CH(R 1 JNHCO NH 3Peptida) Succinimid aus dem Ammoniumsalz der Bernsteinsäure/CO 2 NH 4 -/C x" 2 V -NH 3 ^ " 2 V NHJLf*—9n n—£. 112*-'HoC*• ^x/'LJ ^2-CO 2 -NH 4+&In einem 250-ml-Rundkolben, der mit einem absteigenden Luftkühler und Thermometerverbunden wird, löst man 39 g Bernsteinsäure (0,30 mol) durch langsame Zugabe von50 ml konzentriertem Ammoniak unter Schütteln und Kühlen. Dann werden im Abzugmit freier Flamme etwa 40 ml Wasser ab<strong>des</strong>tilliert. Beim weiteren Erhitzen beginnt sichdas feste Salz unter Ammoniakentwicklung zu zersetzen, wobei die Temperatur am Thermometernicht ansteigt. Erst wenn sie, bei stetigem Weitererhitzen, 105 0 C erreicht hat,wechselt man die Vorlage und fängt das bis 275 0 C übergerhende Destillat auf. DasSuccinimid erhält man in einer neuen Vorlage beim Weitererhitzen, das so lange fortgesetztwird, bis sich der restliche Kolbeninhalt unter Dunkelfärbung zu zersetzen beginnt.Das erstarrte Destillat wird aus wenig eiskaltem Ethanol umkristallisiert. Man erhält 25 gfarblose Tafeln (= 76%) vom Schmp. 119-122 0 C. Das Präparat wird für /V-Bromsuccinimid(S. 197) gebraucht.Imide sind doppelt acylierte (sekundäre) Derivate <strong>des</strong> Ammoniaks. <strong>Die</strong> Einführungeines zweiten Acylrests in ein Säureamid erfordert normalerweise ein starkes Acylierungsmittelund energische Bedingungen: Diacetimid (CH 3 CO) 2 NH wird aus Acetamidund Acetylchlorid in der Hitze erhalten. Im Fall <strong>des</strong> Succinimids führt schonErhitzen <strong>des</strong> Ammoniumsalzes der Bernsteinsäure zum Ziel. Das zunächst entstehendeMono-amid wird intramolekular leicht von der in der Nähe befindlichenzweiten Carboxylgruppe zum Imid acyliert. Der Fünfring bildet sich wegen der vorgegebenenNähe der Reaktionsstellen besonders leicht.


Succinimid und Hofmann-Abbau 321OH 2 C'H,CNH 2OH-H 2ONHXOb) Succinimid durch Umamidierung-COoHH 2 CH 2 C.^CO 2 HHCONH,H 2 CH 2 C,CO\NH HCO 2 H H 2 OIn einem für die Vakuum<strong>des</strong>tillation geeigneten 100-ml-Schwertkolben verschließt manden für die Siedekapillare bestimmten Tubus mit einem Gummistopfen, der zweite Tubusträgt wie üblich das Thermometer. Man füllt 45,0 g Bernsteinsäure (0,38 mol) und 23,0 gFormamid (0,51 mol) ein und erhitzt unter Normaldruck 4 h im Ölbad auf 180—19O 0 C(Abzug). Anschließend gießt man vorsichtig die im Schwert kondensierte Ameisensäureaus, läßt die Temperatur etwas absinken und <strong>des</strong>tilliert das Succinimid im Wasserstrahlvakuum.Das gegen 150—16O 0 C /12 Torr übergehende, kristallin erstarrende Produktwird aus 50 ml Ethanol umkristallisiert. Nach Stehen im Kühlschrank wird abgesaugt, mitwenig eiskaltem Ethanol gewaschen und im Exsikkator über Schwefelsäure getrocknet:28,5-30,5 g farbloser Tafeln vom Schmp. 119,5-122 0 C. Aus der eingeengten Mutterlaugelassen sich weitere 1,3-2,Og gewinnen, was die Ausbeute auf 79-83% d. Th.erhöht.Zwischen einer Säure RCOOH und einem Amid R'CONH 2 stellt sich beim Erhitzenein Gleichgewicht ein:R-COOH + R'CONH 2 *± RCONH 2 + R'COOHEntfernt man durch Ab<strong>des</strong>tillieren die leichter flüchtige Komponente, hier die ausFormamid gebildete Ameisensäure, so entsteht praktisch quantitativ das neue Amid.Das Bernsteinsäurehalbamid schließt aus den oben genannten sterischen Gründenunter Wasserabspaltung leicht den 5-Ring.Abbau der Carbonsäuren zu den nächst niederen AminenHofmann-Abbau <strong>des</strong> Nicotinsäureamids, 3-AminopyridinaCONH 2+ Br 2 + ANaOHIN"N,NH 2+ Na 2 CO 3 + 2NaBr + H 2 OIn einem 1-I-Becherglas werden unter Kühlung mit einem Eis-Kochsalz-Bad unter Rühren20g Natriumhydroxid in 215ml Wasser gelöst, anschließend rührt man 25,6g


322 Kapitel V. Reaktionen der Carboxylgruppe(8,2 ml, 0,32 mol) Brom ein. Wenn die Temperatur auf O 0 C gestiegen ist, gibt man 16 g(0,13 mol) fein gestoßenes Nicotinsäureamid unter starkem Rühren auf einmal hinzu undrührt, bis die Lösung nach etwa 15 min klar geworden ist. Man erwärmt nun noch 45 minauf 70-75 0 C, kühlt wieder ab, sättigt mit ca. 45 g Natriumchlorid und schüttelt sieben malmit Methylenchlorid aus. Man trocknet über Natriumsulfat, dampft i. Vak. ein und erhältca. 10g gelbrote Kristalle. <strong>Die</strong>se werden zur Reinigung in 80 ml Benzol und 20 ml Petrolethergelöst und die Lösung 20min mit 1 g Aktivkohle und 0,5g Natriumhydrogensulfitam Rückfluß gekocht. Anschließend dekantiert man heiß durch ein Faltenfilter undläßt das Produkt im Eisschrank kristallisieren. Beim Absaugen zerfließen die hygroskopischenKristalle sehr leicht. Deshalb dekantiert man die Mutterlauge besser, wäscht denRückstand mit 10 ml Petrolether und trocknet i. Vak., 8 g weiße Kristalle, Ausbeute 65%,Schmp. 62-64 0 C.Von den Carbonsäureamiden ausgehend, führt eine wichtige Abbaureaktion zuprimären Aminen: Der Hofmann-Abbau der Säureamide mit Natriumhypobromit(AW. von Hofmann, 1881). In seinem Verlaufe bildet sich zunächst ein AT-Bromcarbonsäureamid,das in dem basischen Medium zum Isocyanat umgelagert wird.<strong>Die</strong>ses addiert sofort Wasser zur Carbaminsäure, die spontan in CO 2 und das Aminzerfällt. Präparativ läßt sich der Hofmann-Abbau besonders schön am oben geschildertenAbbau <strong>des</strong> Nicotinsäureamids zu 3-Aminopyridin demonstrieren. Am klassischenBeispiel <strong>des</strong> Acetamids ist die Reaktionsfolge so zu formulieren:CH 3 CONH 2Br2> CH 3 CONHBrOH " > CH 3 N=C=OH2 ° >N- Brom MethylacetamidisocyanatCH 3 NHCO 2 H ^n > CH 3 NH 2"COjMethylcarb-Methylaminaminsäure<strong>Die</strong> Reaktion <strong>des</strong> N-Bromamids mit Alkali wird häufig als a-Eliminierung zueinem Acylnitren interpretiert, das dann umlagert:CHoCONHBrQH " > (CH 3 -)CO—Nl> CH 3 N=C=ONitrene besitzen wie die C-analogen Carbene nur ein Elektronensextett am Stickstoff.Wegen der dadurch gegebenen Labilität ist jedoch wahrscheinlicher, daß Acylnitrenenicht als freie Zwischenprodukte <strong>des</strong> Hofmann-Abbaus auftreten. Vielmehrkann die Wanderung <strong>des</strong> Alkylrestes in dem durch Deprotonierung <strong>des</strong> N-Bromamidsentstehenden Anion gleichzeitig mit der Ablösung <strong>des</strong> Bromanions eintreten:CH 3 CONHBrQH " > CH 3 -C-N-Br> CH 3 N=C=O


Hofmann- und Curtius-Abbau 323Der wandernde Rest verbleibt bei seiner Umlagerung im Bereich <strong>des</strong> Reaktionskomplexes,denn optisch aktive Gruppen bewahren nach analoger Wanderung ihreKonfiguration.AT-Bromsuccinimid bildet mit Alkali 3-Aminopropionsäure (ß-Alanin), der Hofmann-Abbauvon Phthalimid ergibt Anthranilsäure (formulieren!), der von Harnstoff(S. 329) Hydrazin und daraus durch Oxidation molekularen Stickstoff.Nach einem ganz ähnlichen Mechanismus verläuft der Curtius-Abbau der Carbonsäureazide(T. Curtius, 1894). <strong>Die</strong>se werden entweder durch Nitrosierung der Carbonsäurehydrazide(aus Carbonsäureestern und Hydrazin) oder - weniger glatt - ausCarbonsäurechloriden oder gemischten Anhydriden mit Natriumazid erhalten:CO 2 R' _" 2 p* > RCONHNH 2RCOCI + NaN 3Beim Erhitzen der Carbonsäureazide in inerten Lösungsmitteln bilden sich dieIsocyanate (vgl. S. 327) in isolierbarer Form. Beim Curtius-Abbau werden Acylnitrenenicht durchlaufen, vielmehr erfolgt die Wanderung <strong>des</strong> Restes R konzertiertmit dem Austritt von molekularem Stickstoff:In der Regel wird die Zersetzung der Carbonsäureazide jedoch in Ethanol vorgenommen,so daß man durch spontane Addition an die Isocyanate Ethylurethane erhält(formulieren!). Wegen der leicht erfolgenden hydrogenolytischen Abspaltung vonBenzylresten (S. 316) wird oft auch Benzylalkohol als Reaktionspartner verwendet:RCON 3 + C 6 H 5 CH 2 OH —>-N 2RNHCOOCH 2 C 6 H 5BenzylurethanRNHCO 2 CH 2 C 6 H 5 ^^—> RNHCO 2 H-C 6H 5CH 3 ' ^2" ^-> RNH-CO 2 'CarbaminsäureUrethane werden allgemein sauer oder alkalisch verseift und geben so ebenfallsdie primären Amine:RNHCO 2 R' _^. 2 ° H > RNHCO 2 H ,^ > RNH 2Eine Vereinfachung <strong>des</strong> Curtius-Abbaus stellt der Schmidt-Abbau dar, bei dem dasCarbonsäureazid in situ aus der Carbonsäure und Natriumazid im zweiphasigen


324 Kapitel V. Reaktionen der CarboxylgruppeGemisch aus Chloroform und konzentrierter Schwefelsäure erzeugt wird (K. F.Schmidt, 1923):RCO 2 HH " 3 > RCON 3 — —--> RNH 2N2 CO 2Der Schmidt-Abbau kann auch auf Ketone angewandt werden und verläuft dabeiähnlich der Beckmann-Umlagerung der Oxime (S. 348).Achtung: Carbonsäureazide sind explosiv, <strong>des</strong>halb müssen Curtius- und Schmidt-Abbau unter Einhaltung angemessener Vorsichtsmaßnahmen (Schutzschild, Schutzbrille)vorgenommen werden. Beim Schmidt-Abbau bildet sich überdies die flüchtige,giftige Stickstoffwasserstoffsäure (Abzug!).Seltener wird der Lossen-Abbau angewandt, bei dem Hydroxamsäuren unter entsprechenderUmlagerung zu Isocyanaten dehydratisiert werden:RCONHOH —-> RNCONitrileAcetonitrilH 3 CCONH 2( _ P^}> H 3 CC=NIn einen 250-ml-Rundkolben füllt man 20g Phosphorpentoxid (0,14 mol) ein, fügt 12g(20 mmol) trockenes Acetamid hinzu, mischt durch kräftiges Schütteln, verbindet denKolben mit einem kurzen absteigenden Kühler und erhitzt dann die Mischung vorsichtigmit einer nicht zu großen leuchtenden Flamme, wobei unter Schäumen und AufblähenReaktion eintritt. Nach einigen min <strong>des</strong>tilliert man unter stärkerem Erhitzen das Acetonitrilin die Vorlage (Reagenzrohr) über. Das Destillat wird mit seinem halben Volumen Wasserversetzt, worauf man so viel festes Kaliumcarbonat hinzufügt bis sich dieses in der unterenwässerigen Schicht nicht mehr auflöst. Man trennt dann im Scheidetrichter (mitkurzem Ansatzrohr) und <strong>des</strong>tilliert das Acetonitril nach Zugabe von wenig Phosphorpentoxidins Fraktionierkölbchen. Sdp. 82 0 C. Ausbeute etwa 6g (73% d.Th.)-Bei der hier ausgeführten, allgemein anwendbaren Nitrilsynthese wird aus einemSäureamid mit dem energisch wirkenden Trockenmittel P 2 O 5 Wasser abgespalten.<strong>Die</strong> Reaktion ist im Prinzip umkehrbar (Amide aus Nitrilen). Da man Säureamideihrerseits durch Wasserabspaltung aus den Ammoniumsalzen erhält (siehe PräparatS. 312), können beide Schritte vereint zur direkten Nitrildarstellung aus Carbonsäurendienen. Auch die Wasserabspaltung aus trans- (oder E-)Aldoximen führt zuNitrilen. <strong>Die</strong>se Reaktion ist als Abbaureaktion in der Zuckerchemie von Bedeutung(Wohl, Zemplen).


Herstellung und Reaktionen der Nitrile 325Eine wichtige Darstellungsmethode für Nitrile ist die nucleophile Substitution vonHalogen- oder anderen anionoiden Gruppen wie Tosyl durch Cyanid (Kolbe-Synthese). Sie ist auf S. 150 praktisch und theoretisch abgehandelt. <strong>Die</strong> Synthese deraromatischen Nitrile aus Diazoniumsalzen nach Sandmeyer wird auf Seite 616 besprochen.<strong>Die</strong> Nitrile der niederen Carbonsäuren (bis C 13 ) sind flüssig, die höheren kristallisierteStoffe, deren Wasserlöslichkeit mit steigender Molekularmasse abnimmt.Acetonitril hat die hohe <strong>Die</strong>lektrizitätskonstante 39 (Wasser ca. 80), ist daher eingutes aprotisches Lösungsmittel für ionisierende Verbindungen, in dem viele Heterolysenrascher als in weniger polaren Solventien ablaufen.<strong>Die</strong> Reaktionsfähigkeit der Nitrile gründet sich auf die Dreifachbindung, die verschiedeneAnlagerungsreaktionen am elektrophilen C-Atom ermöglicht. <strong>Die</strong> hydrolytischeSpaltung zu Ammoniak und Säure, die durch längeres Erhitzen mit starkenMineralsäuren oder starken Laugen erfolgt, beginnt mit der Anlagerung von Wasserbzw. OH" an den Nitrilkohlenstoff und durchläuft die Amidstufe, die sich bei kontrollierterArbeitsweise fassen läßt. Zu Amiden führt auch die Einwirkung von H 2 O 2in schwach alkalischer Lösung, von Braunstein in siedendem Dichlormethan odervon HCl-Gas in wasserfreier Ameisensäure (F. Becke). Im letzten Fall liefert dieAmeisensäure durch CO-Abspaltung das zur Hydrolyse (<strong>des</strong> Imidchlorids) nötigeWasser. Weitere Reaktionen seien durch die Formelgleichungen angedeutet:RCN + H 2 S _ > [R-C ] _ > R-C Thiocarbon-2saureamidOC 2 H 5RCN + HCI > R—C v > R-C ImidsäurechloridhydrochloridImidsäure-ethylesterhydrochlorid(Iminoesteroder-etherhydrochlorid)Von präparativer Bedeutung ist das Formimidsäure-ethylester-hydrochlorid, dasbeim Einleiten von trockenem HCl in eine Lösung von äquivalenten Mengen wasserfreierBlausäure und Ethylalkohol in absolutem Ether auskristallisiert. Durch Alkoholwird das Salz bei Raumtemperatur langsam zu Orthoameisensäure-triethylester undAmmoniumchlorid gespalten.NH 2 CI- OC 2 H 5HC + 2C 2 H 5 OH > HC-OC 2 H 5 + NH 4 CIOC 2 H 5 OC 2 H 5


326 Kapitel V. Reaktionen der Carboxylgruppe<strong>Die</strong>se Synthese <strong>des</strong> Orthoameisensäureesters ist günstiger als die aus Chloroformund Natriumethylat. Der Orthoameisensäureester findet zur Acetalisierung vonCarbonylgruppen Verwendung.Nitrile lassen sich mit Metallen in protonenhaltigen Lösungsmitteln (S. 517) mitkatalytisch erregtem Wasserstoff (S. 547) oder mit Lithiumalanat zu primären Aminenreduzieren (Präparat S. 536).Verseifung eines Nitrils zur Carbonsäure, Phenylessigsäure (Phenylacetamid)C 6 H 5 CH 2 CN + 2H 2 O + H 2 SO 4 > C 6 H 5 CH 2 CO 2 H + (NH 4 )HSO 440g (0,33 mol) Benzylcyanid (Phenylacetonitril, Präparat S. 150) werden in 40 ml Eisessiggelöst und mit der Mischung aus 40 ml konz. Schwefelsäure und 40 ml Wasserversetzt. <strong>Die</strong> Lösung kocht man 45 min am Rückflußkühler, fügt nach Abkühlen im Eisbaddas doppelte Volumen Wasser zu und saugt nach einiger Zeit die auskristallisiertePhenylessigsäure ab. Wenn sich eine Probe in Natriumcarbonatlösung nicht klar löst(Phenylacetamid), wird das ganze Rohprodukt in 200 ml 2 N Natriumcarbonatlösung aufgenommen,die Lösung vom Amid abfiltriert und aus dem klaren Filtrat die Phenylessigsäuremit Schwefelsäure langsam wieder ausgefällt. <strong>Die</strong> Säure kann direkt aus ziemlichviel heißem Wasser oder/nach dem Trocknen, aus Petrolether umkristallisiert werden. Infolgeihres niederen Schmelzpunkts (76 0 C) erscheint sie häufig zu Anfang ölig. ZurReinigung <strong>des</strong>tilliert man die Phenylessigsäure zweckmäßig aus einem Säbelkolben oderim Kugelrohr i. Vak., wobei sie nach kurzem Vorlauf bei 140—144 0 C / 12 Torr übergeht.<strong>Die</strong> Ausbeute beträgt 34-38 g (82-92%d. Th,); sie kann durch Ausethern der erstenschwefelsauren Mutterlauge ein wenig erhöht werden.Unter milderen Bedingungen (3g Benzylcyanid in 8 ml konzentrierter Schwefelsäurelösen, nach 6 h in 500 ml Wasser eingießen) führt die Verseifung im wesentlichen nurbis zum Phenylacetamid (Schmp. 155 0 C).Korksäure aus dem DinitrilNCCH 2 (CH 2 ) 4 CH 2 CN > HO 2 CCH 2 (CH 2 ) 4 CH 2 CO 2 Ha) Saure Hydrolyse: 20g Korksäure-dinitril (1,6-Dicyanohexan, S. 151) (0,15 mol)werden, wie oben für Phenylessigsäure beschrieben, mit einem Gemisch aus je 40 mlWasser, Eisessig und konzentrierter Schwefelsäure hydrolysiert. <strong>Die</strong> entsprechende Aufarbeitungliefert beim Ansäuern der alkalischen Lösung 24-25 g farbloser Korksäure(94-97% d.Th.), die sich im Schmelzpunkt 139-14O 0 C bereits als recht rein erweist.b) Alkalische Hydrolyse: Man kocht 20 g Korksäure-dinitril (0,15 mol) mit einer Lösungvon 18 g Natriumhydroxid (0,45 mol) in 30 ml Ethanol und 60 ml Wasser aufdem Ölbad 5 h unter Rückfluß; die Abscheidung <strong>des</strong> Natrium-suberats kann gegen EndeStoßen verursachen. Man verdünnt mit 200 ml Wasser bis zur klaren Lösung und säuertunter Kühlung im Eisbad vorsichtig mit 10OmI halbkonzentrierter Salzsäure an, wobeisich die Korksäure kristallin abscheidet. Nach kurzem Stehen wird abgesaugt und mitWasser auf der Nutsche gewaschen. Nach dem Trocknen erhält man 23-24 g einer bei137-139 0 C schmelzenden Korksäure (90-94% d. Th.).


Hydrolyse der Nitrile und Harnstoff 327Zur Hydrolyse von Nitrilen mit empfindlichen Substituenten werden zuweilenUmwege eingeschlagen. So kann man zum Beispiel die leicht verlaufende Additionvon Schwefelwasserstoff zum Thiocarbonsäureamid (S. 325) benutzen und diesesdann leicht hydrolysieren oder mit Alkohol-HCl das Imidsäure-ethylester-hydrochloridherstellen, das ebenfalls leicht hydrolysierbar ist.<strong>Die</strong> Cyanhydrine (a-Hydroxynitrile, S. 360) und a-Aminonitrile (S. 354) lassen sichnur mit Säure zu den a-Hydroxy- bzw. a-Aminosäuren hydrolysieren, da Alkali eineAbspaltung von Cyanid bewirkt.+ -Über Isonitrile (Isocyanide) R—N=C| sind auf S. 519 einige Ausführungen gemacht.Cyanat-lsocyanatHarnstoff nach Wöhler2KNCO + (NHJ 2 SO 4 > 2OC(NH 2 ) 2 + K 2 SO 4<strong>Die</strong> Lösung von 41 g Kaliumcyanat (0,50 mol) und 40g Ammoniumsulfat (0,30 mol)in 500 ml Wasser dampft man auf einer Porzellanschale auf dem Wasserbad zur Trockne.Den Rückstand kocht man in einem Rundkolben erschöpfend mit absolutem Alkohol ausund engt die filtrierte Lösung ein, bis beim Abkühlen und Impfen Kristallisation eintritt.Man erhält 12-14 g Harnstoff (40-46%) vom Schmp. 132 0 C. Aus der Mutterlaugeisoliert man nach dem Abdampfen <strong>des</strong> Alkohols den Rest als Nitrat.Zu diesem Zweck nimmt man den Abdampfrückstand in soviel Wasser auf, daß etwa1 g in 5 ml gelöst sind und gibt auf 5 ml Lösung 1 ml konzentrierte Salpetersäure zu. DasHarnstoffnitrat, das sofort in farblosen Kristallen ausfällt, wird nach wenigen min abgesaugtund mit wenig eiskaltem Wasser gewaschen.Mit der Wöhler'schen Harnstoff-Synthese wurde 1828 zum ersten Mal ein Produktder Zelltätigkeit von Säugetieren künstlich erhalten. Das Cyanation ist ein mesomeres,ambidentes Ion, das nucleophil mit seinem Sauerstoff- oder Stickstoffendereagieren kann. Es bildet mit dem NH^-Ion 2 Säure-Basen-Gleichgewichte, in denenals Konjugatsäuren entweder Cyansäure oder Isocyansäure vorliegen.Isocyansäure und Ammoniak reagieren unter Addition an die CN-Doppelbindungzu Harnstoff.NH; + [N=C-O]-^NH 3 + HO-C=NCyansäure1^ NH 3 + HN=C=OIsocyansäureH-NH 2H 2 N+ > C=OHN=C=OH 2 N


328 Kapitel V. Reaktionen der Carboxylgruppe<strong>Die</strong> besondere Reaktivität <strong>des</strong> kumulierten Doppelbindungssystems zeigen auchdie Ester der Isocyansäure, die Isocyanate, die man zum Beispiel aus primären Aminenund Phosgen oder durch den auf S. 323 behandelten Curtius-Abbau der Carbonsäurenherstellen kann.RNH 2 + CI 2 CO - >RN=C=O + 2HCIIsocyansäure und ihre Ester reagieren unter Addition mit allen Nucleophilen, zumBeispiel mit Wasser zu Carbaminsäuren, die leicht CO 2 unter Bildung von Ammoniakbzw. primären Aminen abspalten. <strong>Die</strong> hydrolytische Zersetzung <strong>des</strong> Phenylisocyanats(S. 529) gibt auf diese Weise Anilin, das sich an die Ausgangssubstanz zu Diphenylharnstoffanlagert.C 6 H 5 N=C=O + H 2 O - >-rnC 6 H 5 NHCO 2 H -^L-* C 6 H 5 NH 2CarbaminsäureC 6 H 5 NH 2 + C 6 H 5 N=C=O - > C 6 H 5 NHCONHC 6 H 5Mit Alkohol entstehen die beständigen Ester der Carbaminsäuren, die Urethane,mit Aminen substituierte Harnstoffe (siehe oben), mit Hydrazin Semicarbazide (siehePräparat S. 330).<strong>Die</strong> große Reaktionsfähigkeit von a,o>-Diisocyanaten wird zur Herstellung vonKunststoffen benutzt; durch Polyaddition von a, CD- Diaminen entstehen Polyharnstoffe,von a,c0-Diolen Polyurethane. Ist bei diesen Reaktionen etwas Wasser anwesend,bildet sich durch Hydrolyse, wie oben formuliert, CO 2 , das die in Polyadditionbefindliche, fest werdende Masse zu einem leichten Schaumstoff auftreibt. -Noch reaktionsfähiger im analogen Sinn als die Isocyanate sind ihre S-Analogen, dieIsothiocyanate (Senföle). Mit Aminen geben sie Thioharnstoffe.<strong>Die</strong> Ester der Cyansäure (ROC=N) sind noch nicht lange bekannt. Man erhältdie aromatischen Cyanate durch Einwirken von Phenolat auf einen Überschußvon Chlorcyan, die einfachen aliphatischen Cyanate durch eine hier nicht näher zubeschreibende Thermolyse von Alkoxy-l,2,3,4-thiotriazolen (E. Grigat, 1967).+ ClCN ^ ff \Y_o-C = N + CIWährend die aromatischen Cyanate sogar in der Hitze stabil sind, lagern sich diealiphatischen leicht in die Isocyanate um.In ihrer Reaktionsfähigkeit stehen die Cyanate hinter den Isocyanaten zurück.Auch die schon lange bekannten Thiocyansäureester, RSC=N, (Rhodanide) sindin der aromatischen Reihe beständig, während sich die Alkylrhodanide leicht in dieIsothiocyanate (Senföle) umlagern lassen.Auch die im folgenden Versuch angegebene Herstellung von Biuret durch Erhitzen


Reaktionen <strong>des</strong> Harnstoffs 329<strong>des</strong> Harnstoffs beruht auf einer Addition und zwar <strong>des</strong> Harnstoffs an Isocyansäure,die ihrerseits durch thermische Spaltung <strong>des</strong> Harnstoffs in Umkehrung seiner Syntheseentstanden ist.H 2 NCONH 2 A > HN=C=O + NH 3H 2 NCONH 2 + HN=C=O > H 2 NCONHCONH 2BiuretVersuche mit HarnstoffVersuch: Biuret — In einem Reagenzglas erhitzt man eine Probe Harnstoff vorsichtigüber den Schmelzpunkt. Es wird NH 3 abgespalten (Geruch); die erstarrte Schmelzeliefert, aus Wasser umkristallisiert, Biuret vom Schmp. 193 0 C. Versetzt man die wässerigeLösung von Biuret mit wenig Kupfersulfatlösung und etwas Natronlauge, so tritt eineschöne violette Färbung auf.Versuch: Reaktion mit Hypobromit — Eine Lösung von Harnstoff in Wasser wird mitNatronlauge alkalisch gemacht und mit einem Tropfen Brom versetzt: Stickstoffentwicklungals Folge eines Hofmann-Abbairs (S, 321) und Weiteroxidation <strong>des</strong> Hydrazinderivats.Versuch: Reaktion mit salpetriger Säure - Zu einer mit Salzsäure angesäuertenLösung von Harnstoff fügt man wässerige Nitritlösung: Stickstoffentwicklung und CO 2 -Bildung. Formulieren! Harnstoff wird zur Beseitigung von salpetriger Säure z.B. bei derSynthese von Ethylnitrat (S. 147) verwendet.Versuch: Hydrolyse — Eine Probe Harnstoff wird mit etwas Barytwasser [Ba(OH) 2 -Lösung] im Reagenzglas gekocht. Es fällt langsam Bariumcarbonat aus und Geruch nachAmmoniak tritt auf.Harnstoff wird durch Säuren und Laugen nur langsam hydrolysiert, weil sein C-Atom aus Mesomeriegründen wenig elektrophil ist. Dasselbe gilt für die Urethane.In Gegenwart <strong>des</strong> Enzyms Urease wird Harnstoff rasch zu NH 4 " und Carbonathydrolysiert. Düngemittel!Durch Abspaltung von Wasser (bzw. H 2 S) entstehen aus N,N-disubstituiertenHarnstoffen (bzw. Thioharnstoffen) Carbodiimide. <strong>Die</strong> Reaktion kann bei beidenKörperklassen durch das System Phosphin/Tetrachlorkohlenstoff bewirkt werden(R. Appel), bei Thioharnstoffen auch durch Schwermetallionen (Pb + + , Hg + + ). Carbodiimidegehen äußerst leicht durch Anlagerung von Wasser in Harnstoffe über undwerden als wasserabspaltende Reagentien zum Beispiel in der Polynucleotid- oderPeptidsynthese (S. 319) verwendet.R-NHICIR-NHYXXO= OR— N-H2X p + H 2OIlR— NCarbodiimidR-NHICOIR-NHHarnstoffderivat


330 Kapitel V. Reaktionen der CarboxylgruppeSemicarbazid-hydrochloridN 2 H 4 + HOCN > O=CNH 2NH-NH 2O O CH 3IlH 2 NCNHNH 2 +Il /CH 3 COCH 3 *± H 2 NCNHN=CCH 350g Hydrazinsulfat (0,30 mol) werden in einem 0,5-l-Becherglas in 200 ml siedendemWasser mit Natriumcarbonat genau neutralisiert und dabei gelöst. Dann kühlt man auf50 0 C, setzt die Lösung von 35g Kaliumcyanat (0,40 mol) in 10OmI Wasser im Laufevon 5 min zu und läßt über Nacht bei Zimmertemperatur stehen. Nachdem man vomauskristallisierten Hydrazodicarbonamid 1 (5—7 g) abfiltriert hat, fügt man 60 ml Aceton(ca. 0,8 mol) zu, schüttelt kurz durch, saugt von wenig anorganischem Salz rasch abund gibt zum Filtrat weitere 10 ml Aceton. Der Ansatz bleibt unter öfterem Umschütteln24 h stehen, während derer das Acetonsemicarbazon auskristallisiert. Es wird abgesaugt,mit wenig Eiswasser gewaschen und an der Luft oder im Exsikkator getrocknet. Man erhält30-35 g vom Schmp. 193-195 0 C.Zur Zerlegung <strong>des</strong> Semicarbazons wird es pro 10g mit 8 ml konzentrierter Salzsäureübergössen und unter Rühren und öfterem Eintauchen in ein Wasserbad von 5O 0 C inLösung gebracht, die manchmal schwach opalesziert. Man läßt sie im Eisbad erkalten.Dabei kristallisiert das Semicarbazid-hydrochlorid zu einem dicken Brei, der scharf abgesaugt,mit wenig eiskalter halbkonzentrierter Salzsäure und zweimal mit wenig kaltemAlkohol gewaschen wird. <strong>Die</strong>se erste Kristallfraktion wiegt 14—15g und hat den nochzu tiefen Schmelzpunkt von 136-138 0 C (unter Zersetzung). Zur Reinigung löst man siebei 2O 0 C in 25 ml 2N Salzsäure, gibt 50 ml Alkohol zu und stellt die Lösung ins Eisbad.Beim Kratzen der Gefäßwand mit einem Glasstab scheiden sich Kristalle ab, die nach 1 habgesaugt, mit wenig kaltem Alkohol, dann Ether gewaschen werden. Man erhält ca. 6 greines Semicarbazid-hydrochlorid vom Schmp. 172—174 0 C. Aus der Mutterlauge dieserKristallisation werden durch Zugabe von 50 ml Ether und Aufbewahren im Eisschrankweitere 2,5 g mit derselben Reinheit abgeschieden. Weitere 7 g vom Schmp. 173—174 0 Cerhält man schließlich durch Versetzen der salzsauren Mutterlauge der ersten Kristallisationmit dem doppelten Volumen an Alkohol, Kaltstellen, Absaugen und Waschen wieoben. <strong>Die</strong> insgesamt isolierten 14-16 g Semicarbazid-hydrochlorid entsprechen einerAusbeute von 44—50%, bezogen auf das Acetonsemicarbazon.Semicarbazid reduziert als primäres Hydrazid (der Carbaminsäure) Diammin-Silber-Lösung und Fehling'sche Lösung.1 <strong>Die</strong> Verbindung entsteht aus Semicarbazid und Isocyansäure nachH 2 NCONHNH 2 + HNCO > H 2 NCONHNHCONH 2Bei zu rascher Zugabe <strong>des</strong> Cyanats entsteht infolge einer relativ höheren Isocyansäurekonzentrationmehr Nebenprodukt.


Semicarbazone und Kalksalz<strong>des</strong>tillation 331Mit Aldehyden, etwas langsamer mit Ketonen, tritt Semicarbazid unter Wasserabspaltungzu Semicarbazonen zusammen, die wegen ihrer leichten Spaltbarkeit besserals die Phenylhydrazone und Oxime zur Abscheidung und Reinigung von Carbonylverbindungengeeignet sind.Versuch: Benzaldehyd-semicarbazon — Man löst eine Spatelspitze (einige 100 mg)<strong>des</strong> dargestellten Hydrochlorids in 2-3 ml Wasser, fügt zum Abpuffern der entstehendenH ^-Ionen eine Spatelspitze Natriumacetat zu und schüttelt mit einigen Tropfen Benzaldehyd.Um homogene Lösung zu erzielen, kann etwas Alkohol zugesetzt werden. Nachkurzer Zeit kristallisiert das Benzaldehyd-semicarbazon aus. Man saugt ab und kristallisiertaus Alkohol um. Schmp. 214 0 C (Zersetzung). Durch gelin<strong>des</strong> Erwärmen mit konzentrierterSalzsäure wird das Semicarbazon wieder in seine Komponenten zerlegt.Ketone aus CarbonsäurenCyclopentanon aus Adipinsäure[O 2 C(CH 2 J 4 CO 2 ]BaA >In einem 500-ml-Rundkolben, der mit einem Innenthermometer, das fast bis zum Bodenreicht, und Destillieraufsatz mit absteigendem Kühlrohr ausgestattet ist, erhitzt man eineinnige Mischung von 102g Adipinsäure (0,70 mol) und 10g kristallisiertem Bariumhydroxid(Ba(OH) 2 -SH 2 O) (30 mmol) im Metall- oder Luftbad langsam bis zumSchmelzen (150-16O 0 C) und dann auf 285-29O 0 C. Man hält bei dieser Temperatur 2 hwobei Cyclopentanon mit wenig Adipinsäure und Wasser über<strong>des</strong>tilliert; schließlich verbleibtnur ein trockener schwarzer Rückstand im Kolben. Im Destillat trennt man dasWasser vom leichteren Keton ab und trocknet dieses mit Kaliumcarbonat, wobei gleichzeitigdie Adipinsäure entfernt wird. Destillieren über eine Kolonne liefert 30g (=48%d.Th.) vom Siedepunkt 129-132 0 C / 760 Torr.<strong>Die</strong> Bildung von Ketonen beim Erhitzen der Erdalkalisalze von Carbonsäurenunter Abspaltung <strong>des</strong> Erdalkalicarbonats ist eine der ältesten Ketonsynthesen.OIlH 3 C-C-OH 3 CH 3 C-C-OIlO1 Ca > CO + CaCO 3H 3 CWährend sie bei Monocarbonsäuren nicht immer befriedigende Ausbeuten gibt,erfreut sie sich zur Darstellung cyclischer Ketone allgemeiner Beliebtheit. Da das


332 Kapitel V. Reaktionen der CarboxylgruppeBarium-carbonat im obigen Versuch durch überschüssige Adipinsäure unter CO 2 -Entwicklung und Bildung neuen Barium-adipats zersetzt wird ist es nicht nötig, dieganze Adipinsäure als Barium-Salz einzusetzen, sondern man kommt mit einer katalytischenMenge an Ba(OH) 2 aus.C 4 H 8 (COOH) 2 + BaCO 3 > C 4 H 8 (COO) 2 Ba + CO 2 + H 2 OFür die Synthese von Ringketonen großer C-Anzahl (C 15 -C 20 ) wie Muscon oderExalton eignen sich nach Ruzicka besser die Thoriumsalze.Universeller sind die vom Malonester (S. 414) und Acetessigester (S. 413) ausgehendenKetonsynthesen. Allgemein werden Ketone bekanntlich durch Oxidation aussekundären Alkoholen erhalten. Zur direkten Umwandlung von Carboxylgruppenin Ketone siehe Kap. EX.Weiterführende Literatur zu Kapitel VW.B. Jensen, The Lewis Acid-Base Definition: A Status Report, Chem. Rev. 78, l (1978).CH. Rochester, Acidity Functions, Academic Press, London, New York 1970.H. Henecka und E. Ott, Methoden zur Herstellung, Umwandlung und Decarboxylierung vonCarbonsäuren, Methoden der <strong>organischen</strong> Chemie (Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl., Bd. 8, S. 359,Thieme, Stuttgart 1952.R. H. De Wolfe, Synthesis of Carboxylic and Carbonic Ortho Esters, Synthesis 1974, 153.H. Henecka, Carbonsäureester, Methoden der <strong>organischen</strong> Chemie (Houben-Weyl-Müller),4. Aufl., Bd. 8, S. 503, Thieme, Stuttgart 1952.H. Henecka und P. Kurtz, Carbonsäureamide, Methoden der <strong>organischen</strong> Chemie (Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl., Bd. 8, S. 653, Thieme, Stuttgart 1952.R. A. Boissonnas, Selctively Removable Amino Protective Groups Used in the Synthesis ofPepti<strong>des</strong>, Adv. Org. Chem. 3, 159 (1963).W. H. Härtung und R. Simonoff, Hydrogenolysis of Benzyl Groups Attached to Oxygen, Nitrogen,or Sulfur, Org. React. 7, 263 (1953).E. Wünsch, Synthese von Peptiden, Methoden der <strong>organischen</strong> Chemie (Houben-Weyl-Müller),4. Aufl., Bd. 15/1 und /5/2, Thieme, Stuttgart 1974.W. Grassmann und E. Wünsch, Synthese von Peptiden, Fortschritte Chemie organischer Naturstoffe,Herausg. L. Zechmeister, Bd. 13, S. 444, Springer-Verlag, Wien 1956.Th. Wieland, Aus der Chemie der Polypeptide, Angew. Chem. 7/, 417 (1959); Th. Wieland, Peptid-Synthesen, Angew. Chem. 63, l (1951), 66, 507 (1954); Th. Wieland und B. Heinke, Peptid-Synthesen,Angew. Chem. 69, 362 (1957).N. F. Albertson, Synthesis of Pepti<strong>des</strong> with Mixed Anhydri<strong>des</strong>, Org. React. 12,157 (1962).H. Henecka, Ersatz der Carboxylgruppe durch die Aminogruppe, Methoden der <strong>organischen</strong>Chemie (Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl., Bd. 8, S. 497 (1952).E. S. Wallis und J. F. Lane, The Hofmann Reaction, Org. React. 3, 267 (1947).F.A.S. Smith, The Curtius Reaction, Org. React. 3, 337 (1947).H. Wolff, The Schmidt Reaction, Org. React. 3, 307 (1947).W. Lwowski, Über Nitrene und die Zersetzung von Carbonylaziden, Angew. Chem. 70,922 (1967).P. Kurtz, Methoden zur Herstellung und Umwandlung von Nitrilen und Isonitrilen, Methodender <strong>organischen</strong> Chemie (Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl., Bd. 8, S. 247, Thieme, Stuttgart 1952.


Weiterführende Literatur zu Kapitel V 333E. Grigat und R. Pütter, Synthese und Reaktionen der Carbonsäureester, Neuere Methoden derpräparativen <strong>organischen</strong> Chemie, Herausg. W. Foerst, Bd. 6, S. 155, Verlag Chemie, Weinheim1970; Angew. Chem. 70, 219 (1967).R. G. Arnold, J. A. Nelson und J. J. Verbanc, Recent Advances in Isocyanate Chemistry, Chem.Rev. 57,47 (1957).K. Ziegler, Salz<strong>des</strong>tillation nach L. Ruzicka, Methoden der <strong>organischen</strong> Chemie (Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl., Bd. 5, S. 755, Thieme, Stuttgart 1952.


Vl. Reaktionen der Carbonylgruppe,I.Experimente:Versuch: HydrogensulfitverbindungAcetaldehyd-diethylacetalAcetessigester-ethylenacetal2-Ethyl-l,3-dithianVersuch: l - Phenylethyliden -1,1- bis(thioessigsäure)Versuch: ParaformaldehydVersuch: ParaldehydVersuch: MetaldehydVersuch: Reduktion von SilberionenVersuch: Fehlingsche ProbeVersuch: Schiffsche ProbeVersuch: HexamethylentetraminVersuch: Acetaldehyd und AmmoniakVersuch: Benzaldehyd und AmmoniakIsobutyraldehyd-cyclohexyliminVersuch: Schiffsche Base!-(N-Morpholino)-l-isobuten1-(N- Pyrrolidino)-l-cyclohexen, 2-Allylcyclohexanon2 - BenzoylcyclohexanonVersuch: Semicarbazon <strong>des</strong> EthylmethylketonsVersuch: Phenylhydrazon <strong>des</strong> BenzaldehydsVersuch: 2,4-Dinitrophenylhydrazone von Aldehyden und KetonenAcetophenonoximAcetanilid durch Beckmann-UmlagerungCyclohexanonoxime-Caprolactam aus CyclohexanonoximVersuch: Polymerisation von e-CaprolactamMannich Reaktion. GraminStrecker-Synthese. D,L-AlaninMethylamin durch reduktive Methylierunga- Pheny lethy laminSpaltung <strong>des</strong> racemischen a-Phenylethylamins mit D-WeinsäureMandelsäurel - Phenyl-2-nitroethylen


336Aldolverknüpfung unter Basekatalyse. DibenzalacetonAldolverknüpfung unter Säurekatalyse. BenzalacetophenonVersuch: Acetaldehydharz


Vl. Reaktionen der Carbonylgruppe, I.Polarisierung der Carbonylgruppe 337Einige einfache Additionen an die CarbonylgruppeDas hervorstechende Merkmal der CarbonylgruppeC=O ist die elektrophileEigenschaft <strong>des</strong> Kohlenstoffs. <strong>Die</strong>se ermöglicht die zahlreichen Umsetzungen derCarbonylVerbindungen, die durch nucleophile Addition eingeleitet werden, wobeidie Aldehyde in der Regel reaktionsfähiger sind als die Ketone, da der IX—C—O- + H + >IX—C—OHI I IDer


338 Kapitel VI. Reaktionen der Carbonylgruppe, I<strong>Die</strong> Addition an die C=O-Gruppe verläuft in manchen Fällen spontan, in denmeisten, muß durch Säuren oder Basen katalysiert werden. Protonen oder Lewis-Säuren (ZnCl 2 , AlCl 3 , BF 3 u.a.) lagern sich an den Sauerstoff der Carbonylgruppean und verstärken dadurch die elektrophilen Eigenschaften <strong>des</strong> Carbonylkohlenstoffs.H + + O=C - > HO=C HO-C +Eine beschleunigende Wirkung von Basen tritt auf, wenn diese durch Protonenentzugdie nucleophilen Eigenschaften <strong>des</strong> Addenden steigern oder überhaupt erst hervorbringen.O e-> -C=CEine wichtige Methode zur quantitativen Abscheidung von Carbonylverbindungenist die Fällung mit Hydrogensulfit; da die so gewonnenen kristallinen Hydrogensulfitverbindungenleicht wieder zu zerlegen sind, lassen sich Carbonylverbindungenauf diese Weise auch reinigen.Versuch: Hydrogensulfitverbindung eines Aldehyds — Zu einigen ml ca. 40 proz.Natriumhydrogensulfit-Lösung gibt man unter kräftigem Rühren oder Schütteln einigeTropfen Benzaldehyd, Nach kurzer Zeit fällt das kristallisierte Na-SaIz der or-HydroxybenzolsulfonsäureC 6 H 5 CH(OH)SO 3 Na aus. Zur Zerlegung siehe Vorschrift auf S. 634.<strong>Die</strong> Addition <strong>des</strong> Hydrogensulfitions an die C=O-Gruppe ist, wie viele solcheAdditionsreaktionen, eine Gleichgewichtsreaktion. Beim Erwärmen mit schwachenLaugen oder mit Säuren wird der Hydrogensulfitrest als Sulfit oder SO 2 aus demGleichgewicht entfernt, die Bisulfitverbindung also zerlegt:OHOIR-C-SO 3Il . +QH " > SO 3 - + H 2 O*± R-C + HSO 3 ; HSO 3 -- SO 2 + H 2 OAcetaldehyd - diethylacetalCH 3 CHO + 2C 2 H 5 OH > CH 3 CH(OC 2 H 5 J 2 + H 2 OIn einer V 2 -l-Flasche werden 20g wasserfreies Calciumchlorid in 13OmI 95proz.Ethanol gelöst. Man kühlt die Flasche im Eisbad auf 8 0 C und läßt dann 62 ml frisch <strong>des</strong>tilliertenAcetaldehyd (Kp. 20-22 0 C) vorsichtig an der Innenwand der Flasche hinab-


Acetale und Ketale 339laufen, so daß er eine Schicht auf der Lösung bildet. Nun schließt man die Flasche festmit einem Korkstopfen und schüttelt sie kräftig einige min lang durch. Sie wird dann einbis zwei Tage bei Raumtemperatur aufbewahrt und gelegentlich geschüttelt. In dieserZeit teilt sich der Inhalt der Flasche in zwei Phasen. <strong>Die</strong> obere Phase wird schließlich abgetrenntund dreimal mit je 30 ml Wasser gewaschen. Anschließend trocknet man sieüber Kaliumcarbonat und unterwirft sie einer fraktionierenden Destillation in einer Apparaturmit einer wirksamen, wenigstens 90 cm langen Kolonne. Man sammelt die von101-103,5 0 C siedende Fraktion, 55—70 g, Ausbeute 42-54% d.Th.Acetessigester-ethylenacetalH 2 C-CH 2°\ /°CH 3 COCH 2 CO 2 C 2 H 5 HOCH 2 -CH 2 OH > \/H 3 C CH 2 -CO 2 C 2 H 5In einem mit Rückflußkühler und Wasserabscheider versehenen 250-ml-Kolben werden30g Acetessigsäure-ethylester, 16,Og Ethylenglykol, eine Spatelspitze p-Toluolsulfonsäureund etwa 50 ml Benzol bis zum Aufhören der Wasserentwicklung erhitzt. Mandampft i. Vak, ein und <strong>des</strong>tilliert den Rückstand: Kp 99-101 0 C/17 Torr, Ausbeute 31 g(77%).Aus Aldehyden und Alkoholen bilden sich Acetale, dabei verläuft die erste Stufezum „Halbacetal" häufig spontan, die zweite bedarf einer milden Säurekatalyse.OR' + OR'RCHO + R'OH *± R-CH R'QH/H\ R-CH\H 2° \OHOR'HalbacetalAcetal<strong>Die</strong> Bildung von Ketalen aus Ketonen und Alkoholen verläuft deutlich schwierigerund wird häufig, wie oben, mit Toluolsulfonsäure als Katalysator in siedendemBenzol unter Auskreisen <strong>des</strong> gebildeten Wassers durchgeführt. Auch aus Keton undOrthoameisensäureester lassen sich Ketale erhalten (formulieren!).2-Ethyl-1,3-dithianS-CH 2HSCH 2 CH 2 CH 2 SH + C 2 H 5 CHO > C 2 H 5 CH ^CH 2S-CH 2In einem 1-I-Dreihalskolben löst man 11,6g (14,4ml, 0,2 mol) Propionaldehyd und21,6g (20 ml, 0,2 mol) 1,3-Propandithiol in 500 ml Chloroform und rührt 1 h. Dannkühlt man mit Eis auf O 0 C, fügt auf einmal 8 ml Bortrifluorid-etherat zu, rührt noch 1 h


340 Kapitel VI. Reaktionen der Carbonylgruppe, Iintensiv und stellt das Gemisch dann für 15 h in den Eisschrank. Anschließend wird aufein Gemisch von 200 ml 10proz. Natronlauge und Eis gegossen, die (untere) organischePhase dreimal mit kalter Natronlauge und mit Wasser gewaschen und über Kaliumcarbonatgetrocknet. Nach Eindampfen i. Vak. <strong>des</strong>tilliert man bei 94—98 0 C und 16 Torr übereine kleine Kolonne und erhält 17,4g (65%) Thioacetal.Versuch: 1 - Phenylethyliden-1,1 -bis(thioessigsäure) -C 6 H^ /SCH 2 CO 2 HC 6 H 5 COCH 3 + 2HS-CH 2 -CO 2 H > CH 3 C/ ^SCH 2 CO 2 H1 g Acetophenon (S. 434) wird durch kurzes Erwärmen in 2 ml Thioglykolsäure gelöst.In die abgekühlte Lösung wird blasenweise HCI-Gas eingeleitet. Nach kurzer Zeit erwärmtsich der Ansatz, und das Reaktionsprodukt beginnt sich, mitunter in Tröpfchen,auszuscheiden; bei weiterem Einleiten erstarrt alles zu einem Kristallbrei. Man saugt abund wäscht mit möglichst wenig eiskaltem Wasser, bis das Filtrat etwa pH 3—4 zeigt.Umkristallisieren aus wenig Wasser, in dem das Mercaptal in der Hitze sehr leicht löslichist, liefert 1,52g (ca. 50%) weiße Nadeln mit Schmp. 132-133 0 C.<strong>Die</strong> Dithioacetale (Mercaptale, Mercaptole) bilden sich aus Thiolen und Aldehydenoder Ketonen unter der katalytischen Wirkung von starken Mineral- oderLewis-Säuren. Durch Erhitzen mit wässerigen Säuren werden die Dithioacetalehydrolytisch in die Ausgangskomponenten zurückgespalten, allerdings viel schwierigerals die ihnen analogen Acetale (S. 338). Gegen Alkalien sind Acetale und Thioacetalebeständig. Letztere lassen sich mit Raney-Nickel unter Entschwefelung hydrogenolytischspalten. Damit ist neben den Reduktionen nach Kishner-Wolff(S. 544) und Clemmensen (S. 510) eine weitere Methode zum Ersatz von Carbonylsauerstoffdurch Wasserstoff gegeben.Formaldehyd und Acetaldehyd polymerisieren leicht. In frisch bereiteter wässerigerLösung liegt Formaldehyd fast ausschließlich als Hydrat HO—CH 2 —OH(Dihydroxymethylen) vor, das sich unter H 2 O-Abspaltung in einer durch H + - oderOH ~ katalysierbaren Gleichgewichtsreaktion zu „ Polyoxymethylenhydraten"HOCH 2 -


Mercaptale und Paraldehyd 341schmelzende, in <strong>organischen</strong> Lösungsmitteln und in Wasser lösliche kristallisierte1,3,5-Trioxan (Trioxymethylen). Wasserfreier Formaldehyd ergibt, in Petrolether,Benzol oder anderen Verdünnungsmitteln in Gegenwart geeigneter Initiatoren,hochpolymere Polyoxymethylene vom Molekulargewicht 50000 und höher, die alsKunststoffe verwendet werden können, wenn durch Blockierung der Endhydroxyle,etwa durch Acetylierung, die Pyrolysierbarkeit verhindert wird.H x ^CH 3/ C -CT ~0O "OI I H. I I ^H 2 C. ^CH 2CN ^ V X.^O" H 3 C- "O^ ^CH 31,3,5 - TrioxanParaldehydH,C-JH 3 C-HIC- OIOIC- OIHHI-C-IOI-C-IHMetaldehydCH 3OCH 3Versuch: Paraformaldehyd - 100 ml der auf S. 468 bereiteten wässerigen Formaldehydlösungwerden mit einigen ml verd. Salzsäure in einer Porzellanschale auf demWasserbad zur Trockne eingedampft. Es bleibt ein weißer amorpher Rückstand („Paraform")zurück, der sich in keinem der gebräuchlichen Lösungsmittel löst. Eine Probewird durch Kochen mit viel Wasser in Lösung gebracht, eine andere in einem Reagenzglasüber freier Flamme vorsichtig erhitzt. Sie verflüchtigt sich unter teilweiser Sublimationund stechendem Formaldehydgeruch.Beim Aufbewahren von Acetaldehyd trimerisiert sich dieser allmählich zum flüssigenParaldehyd. <strong>Die</strong>se Reaktion läßt sich durch Protonen außerordentlich beschleunigen.Wie beim oben erwähnten Trioxan, fallen auch beim Paraldehyd die typischenAldehydreaktionen negativ aus.Versuch: Paraldehyd — In einem nicht zu kleinen Erlenmeyerkolben versetzt man 5 mlfrisch <strong>des</strong>tillierten Acetaldehyd unter Kühlung mit einem Tropfen konz. Schwefelsäure.Wenn die heftige Reaktion zu Ende ist, schüttelt man, um die Schwefelsäure zu entfernen,in einem kleinen Tropftrichter den gebildeten Paraldehyd mit Wasser, trennt nachdem Absitzen die obere Schicht, den in Wasser unlöslichen polymeren Aldehyd ab (beizu starker Verdünnung muß man ausethern), trocknet mit wenig CaCI 2 und <strong>des</strong>tilliertaus einem kleinen Fraktionierkolben. Siedepunkt 124 0 C/760 Torr.In Umkehrung zu seiner Bildung kann der Paraldehyd wieder in Acetaldehydzurückverwandelt werden, wenn man nach Zusatz einiger Tropfen konz. Schwefelsäureauf dem Wasserbad den leicht flüchtigen Gleichgewichtspartner über eineKolonne ab<strong>des</strong>tilliert. Nach dieser Methode kann man sich jederzeit frischen Acetaldehydbereiten.


342 Kapitel VI. Reaktionen der Carbonylgruppe, IMan prüfe reinen Paraldehyd auf die Aldehydreaktionen mit ammoniakalischerSilbernitrat-Lösung, fuchsinschwefliger Säure (siehe unten) oder Natriumhydrogensulfit-Lösung.Sie fallen negativ aus. Unterhalb O 0 C tritt die tetramere cyclische Form<strong>des</strong> Acetaldehyds auf, der kristallisierte „Metaldehyd", das 2,4,6,8-Tetramethyltetroxocan.Versuch: Metaldehyd — In einige ml mit dem doppelten Volumen absolutem Etherverdünnten Acetaldehyd leitet man unter Kühlung mit Eis/Kochsalz einige Blasen HCI-Gas ein. Nach kurzer Zeit scheidet sich Metaldehyd in Kristallnadeln aus; er wird abgesaugtund mit Ether gewaschen. Das Filtrat liefert nach gleicher Behandlung weiterenMetaldehyd.Metaldehyd, der als „Hartspiritus" Verwendung findet, ist wie Paraldehyd haltbarund, frisch bereitet, geruchlos. Er zeigt keine Aldehydreaktion; beim Aufbewahrentritt jedoch deutlich Acetaldehydgeruch auf, als Zeichen dafür, daß sich auch hierlangsam ein Gleichgewicht einstellt. Durch Erhitzen kann Metaldehyd vollständigdepolymerisiert werden.Von diesen reversiblen Polymerisationen der Aldehyde sind die unter C—C-Verknüpfungenverlaufenden zu unterscheiden. So geht Formaldehyd unter der Wirkungvon ganz schwachen Alkalien [Ca(OH) 2 , CaCO 3 ] in Glykolaldehyd, Glycerinaldehydund weiter in ein Gemisch von Hexosen über, aus dem E. Fischer D, L-Fructose isoliert hat. <strong>Die</strong> basekatalysierte Polykondensation <strong>des</strong> Acetaldehyds führtzu nichtdefinierten Harzen; sie fällt, wie die zu definierten Produkten führende Aldolreaktion,unter die Addition CH-acider Verbindungen an die Carbonylgruppe (S. 337).Versuch: Reduktion von Silberionen - 5 proz. Silbernitrat-Lösung wird tropfenweisemit 2N Ammoniak versetzt, bis der hellgelbe Niederschlag eben wieder in Lösung gegangenist. Von der so hergestellten ammoniakalischen Silbernitrat-Lösung werdeneinige ml zu einigen Tropfen mit Wasser verdünnter Formaldehyd- oder Acetaldehyd-Lösung gegossen. Zu einem Teil <strong>des</strong> Gemisches gibt man einen Tropfen Natronlauge; esfällt sofort metallisches Silber aus. <strong>Die</strong> schwach alkalische Probe ohne Zusatz von Natronlaugescheidet erst nach längerer Zeit - rascher beim Erwärmen - Silber aus, das sichz.T. als Spiegel an der Gefäßwandung niederschlägt.Versuch: Fehlingsche Probe — Durch Vermischen gleicher Volumina 7proz. Lösungvon CuSO 4 -BH 2 O in Wasser und SOproz. Lösung von Natriumkaliumtartrat in 3—4NNatronlauge erhält man Fehlingsche Lösung. Einige ml dieses Reagenzes werden mitmehreren Tropfen Form- oder Acetaldehyd-Lösung versetzt. Nach Erwärmen zum Siedenscheidet sich gelbes CuOH aus, das sich rasch in rotes, unlösliches Cu 2 O verwandelt.Durch diese Metallionen werden Aldehyde zu Carbonsäuren oxidiert. Präparativverwertet wird die milde Oxidation von Aldehyden zu Carbonsäuren mit Ag 2 O, dasaus Silbernitrat und Natronlauge unmittelbar vor der Oxidation bereitet wird.


Reaktionen von Aldehyden 343Versuch: Farbreaktion mit fuchsinschwefliger Säure (Schiffsche Probe) — Manlöst einige Körnchen Fuchsin heiß in Wasser zu einer etwa 0,2proz. Lösung und gibt inder Kälte nach und nach starke wässerige schweflige Säure zu, bis sich die Mischungnach einiger Zeit entfärbt hat. Aus dem so gewonnenen Reagens, das sich (gut verschlossen)längere Zeit hält, wird mit Aldehyden eine rote Farbe erzeugt. Man prüfe seine Empfindlichkeitan jeweils stärker verdünnten Aldehyd-Lösungen. In Wasser schwer löslichenAldehyden, wie Benzaldehyd, setzt man etwas Alkohol zu. Der Alkohol ist vorher fürsich zu prüfen, da er nach längerem Stehen, besonders am Licht, nachweisbare Mengenvon Acetaldehyd enthält. <strong>Die</strong> vom Formaldehyd erzeugte blaurote Farbe wird durchkonz. Salzsäure mehr blau, während sie bei anderen Aldehyden unter diesen Umständenfast ganz zurückgeht.<strong>Die</strong> Farbreaktion mit fuchsinschwefliger Säure erlaubt eine scharfe Unterscheidungzwischen Aldehyden und Ketonen. Glucose reagiert in verdünnter wässeriger Lösungnegativ. Eine Vorstellung zum Mechanismus der Farbreaktion findet man auf S.583.Einwirkungen von Aminen auf CarbonylverbindungenVersuch: Hexamethylentetramin - Einige ml Formalinlösung werden mit demselbenVolumen konz. Ammoniak versetzt und in einer Porzellanschale auf dem Wasserbadtrocken gedampft. Es bleibt ein kristalliner Rückstand von Hexamethylentetramin (Urotropin)zurück.Versuch: Acetaldehyd und Ammoniak. 2,4,6-Trimethylhexahydro-s-triazin —10 ml <strong>des</strong> beim Destillieren von technischem Acetaldehyd unterhalb 25 0 C übergehendenAnteils werden im kleinen Erlenmeyerkolben in Eis/Kochsalz-Mischung gekühlt und unterleichtem Schütteln langsam mit 20 ml konz. Ammoniak versetzt. Unter gelegentlichemUmschütteln läßt man bei Raumtemperatur 2 h stehen und saugt dann die gebildetenKristalle ab. Nach dem Trocknen im nicht evakuierten Exsikkator über NaOH hat dasPräparat einen Schmp. von 95-96 0 C.<strong>Die</strong> entsprechende Reaktion von Acetaldehyd mit Ammoniak in Ether ist als Reinigungsschritt<strong>des</strong> Aldehyds beim Präparat (S. 478) durchzuführen.Versuch: Benzaldehyd und Ammoniak, Hydrobenzamid -1 ml reiner Benzaldehydgibt beim Schütteln mit 10 ml konz. Ammoniak nach einiger Zeit einen farblosen kristallinenNiederschlag, der nach Absaugen und Umkristallisieren aus wasserfreiem Alkoholbei 10O 0 C schmilzt.Der erste Schritt bei der Reaktion der Carbonylgruppe mit Ammoniak, primärenoder sekundären Aminen besteht immer in einer Addition <strong>des</strong> Stickstoffs an denelektrophilen Kohlenstoff zu einem Addukt, das mit seinem Dehydratisierungsproduktim Gleichgewicht steht.C=O + NH 3


344 Kapitel VI. Reaktionen der Carbonylgruppe, IJe nach Natur der Reste R und R' setzen sich diese Rrimärprodukte weiter um:Beim besonders reaktionsfähigen Formaldehyd führt eine Folge von AdditionsundKondensationsschritten bis zum hochsymmetrisch gebauten Hexamethylentetramin.Sein räumlicher Aufbau tritt in vielen anderen polycyclischen Verbindungenauf und stellt im Adamantan, dem entsprechenden Kohlenwasserstoff, einen Ausschnittaus dem Diamantgitter dar (C statt NH).Beim Acetaldehyd entsteht ein Trimeres, der ,Aldehydammoniak", dem die Struktur<strong>des</strong> 2,4,6-Trimethylhexahydro-s-triazins zukommt.3 Moleküle Benzaldehyd kondensieren sich mit 2 Molekülen Ammoniak zum N 9 N'-Dibenzyliden-benzdiyldiamin (Hydrobenzamid).HH \ / N \ ^ N = CH-C 6 H 5H 3 C-C ^C-CH 3 /I l C 6 H 5 -CHHN^ .NH \N = CH-C6 H 5HydrobenzamidUrotropinAdamantanIsobutyraldehyd-cyclohexyliminCH 3 X CH-CH =CH 37Zu 20,2g (23ml) Cyclohexylamin tropft man unter Eiskühlung und Rühren 14,4g(18,2ml) Isobutyraldehyd. Nach 30min vervollständigt man die Wasserabscheidungdurch Zusatz von einigen Körnchen Kaliumhydroxid und trennt das Imin nach einigenStunden von der wässerigen Phase im Scheidetrichter. Wenn die Trennung nicht glatt verläuft,kann sie durch Zusatz von Ether erleichtert werden. Man trocknet die organischePhase über weiterem Kaliumhydroxid, dampft ggf. den Ether i. Vak. ab und <strong>des</strong>tilliertdas Produkt im Wasserstrahlvakuum, Sdp. 82 0 C / 26 Torr, Ausbeute 26,1 g (85%).Versuch: Schiffsche Base — 1 ml Anilin in 5 ml Ethanol wird mit 1 ml Benzaldehydim Reagenzglas einige min zum Sieden erhitzt. Beim Abkühlen kristallisiert gelbes /V-Benzylidenanilin mit Schmp. 52 0 C. - Beim Erwärmen mit verd. Salzsäure tritt bald derGeruch von Benzaldehyd auf.<strong>Die</strong> Imine (Azomethine, „Schiffsche Basen") entstehen aus allen Carbonylverbindungenmit primären Aminen durch Addition und Wasserabspaltung. <strong>Die</strong> aliphatischenImine sind unbeständig und schwer rein zu erhalten, die aromatischen dagegen


Imine und Enamine 345meist gut kristallisierende Verbindungen. <strong>Die</strong> C=N-Bindung in Konjugation mit denbeiden aromatischen Ringen verleiht ihnen die gelbe Farbe.Imine lassen sich - zum Beispiel durch katalytisch erregten Wasserstoff - zu sekundärenAminen reduzieren. Bei dieser reduktiven Alkylierung von Aminen brauchendie Imine nicht isoliert zu werden. Auf dem Umweg über die a-Carbanionen deraliphatischen Imine lassen sich Aldehyde in a-Stellung alkylieren (Stork, 1963, Wittig,1963, Kapitel K).1-(N-Morpholino)-l-isobutenO(CH 3 J 2 CH-CHO + f ^] (CH 3 ) 2 C = CH-N O^N^N — /HIn einem 100-ml-Kolben mit Wasserabscheider und Rückflußkühler werden vorsichtig21,8g (22ml, 0,25 mol) Morpholin und 18,Og (23ml, 0,25 mol) Isobutyraldehyd gemischt.Man füllt den Wasserabscheider bis zum Überlauf mit Isobutyraldehyd und kocht3 h unter Rückfluß. Dabei sammeln sich 9 ml Wasser. Anschließend wird i. Vak. <strong>des</strong>tilliert,wobei das Enamin bei 56—57 0 C / 11 Torr übergeht, Ausbeute 28,6g (81 %).1-(N-Pyrrolidino)-1-cyclohexen f 2-AllylcyclohexanonO NHBrCH 2-CH = CH 2 l /*^^2 CH-CH 2CH 2 -CH=CH 2In einem 500-ml-Kolben mit Wasserabscheider und Rückflußkühler werden 19,6g(21 ml, 0,2 mol) Cyclohexanon und 18,Og (21 ml, 0,2 mol) Pyrrolidin in 300 ml Benzolso lange gekocht, bis sich 3,8 ml Wasser abgeschieden haben (ca. 3 h). Anschließenddampft man am Rotationsverdampfer ein und <strong>des</strong>tilliert den Rückstand i. Vak. aus einemgeräumigen Kolben (Schäumen!). Bei 114-120°C/16 Torr gehen 24,0 g (79%) Enaminüber.


346 Kapitel VI. Reaktionen der Carbonylgruppe, I<strong>Die</strong>se löst man in einem mit Rührer, Rückflußkühler und Tropftrichter ausgestatteten500-ml-Dreihalskolben in 200 ml Acetonitril, tropft in 30min 23,1 g (16,5ml) AIIyIbromidzu und kocht 13h unter Rückfluß. Anschließend wird der größte Teil <strong>des</strong> Acetonitrilsi. Vak. (am Rotationsverdampfer) ab<strong>des</strong>tilliert. Man nimmt den Rückstand mit120 ml Wasser auf, erhitzt das Gemisch zur Zerlegung <strong>des</strong> Iminiumsalzes 20 min im siedendenWasserbad und schüttelt nach dem Abkühlen viermal mit je 50 ml Ether aus. <strong>Die</strong>vereinigten Etherphasen werden mit wenig gesättigter Ammoniumsulfatlösung gewaschen,über Natriumsulfat getrocknet und am Rotationsverdampfer eingedampft. Nacheinem Vorlauf von unumgesetztem Cyclohexanon geht das Allylcyclohexanon währendder Vakuum<strong>des</strong>tillation bei 92—95°C/16 Torr über, Ausbeute 9,3g (42%).2- BenzoylcyclohexanonC6H5COCiMan stellt 24,0 g Pyrrolidinocyclohexen wie vorstehend beschrieben dar und löst sie ineinem mit Rührer, Calciumchloridrohr und Tropftrichter ausgestatteten 500-ml-Dreihalskolbenin 25OmI CH 2 CI 2 und 15,9g (22ml) Triethylamin. Bei O 0 C werden nun22,4 g (18,5 ml) Benzoylchlorid in 175 ml Chloroform zugetropft. Man rührt über Nachtbei Raumtemperatur, versetzt dann mit 70 ml konz. Salzsäure und 175ml Wasser undkocht zur Hydrolyse <strong>des</strong> Benzoyl-enamins 5 h bei starkem Rühren unter Rückfluß. Nachdem Abkühlen wird die Chloroform- Phase abgetrennt, dreimal mit je 100 ml Wasser gewaschen,über Natriumsulfat getrocknet und nach Filtration am Rotationsverdampfereingedampft. Der Rückstand wird getrocknet und aus Ether/Petrolether umkristallisiert,Ausbeute 20,7 g (65%) vom Schmp. 92-93 0 C.Sekundäre Amine lagern sich ebenfalls an Carbonylverbindungen an, doch ist beidiesen die stablisierende Wasserabspaltung nur zwischen Hydroxygruppe und demWasserstoffatom <strong>des</strong> a-ständigen C-Atoms möglich. Durch <strong>des</strong>tillative Entfernung<strong>des</strong> Wassers erhält man hier Vinylamine („Enamine") eine ebenfalls gegen wässerigeSäure sehr empfindliche Verbindungsklasse. - Enamine sind von großer Bedeutung,da die Ladungsaufspreizung in dem mesomeren System- .C=C- N ~ C-C=Neinen glatten Angriff von Elektrophilen am C-2 ermöglicht (Stork, 1954). <strong>Die</strong> üblicherweiseeingesetzten sekundären Amine sind Pyrrolidin, Piperidin und Morpholin.Als Elektrophile eignen sich besonders Säurechloride und aktivierte Alkylierungs-


Enamine, Semicarbarone und Hydrazone 347mittel wie Allylhalogenide und a-Halogencarbonsäureester, sowie elektronenarmeOlefine («,/^-ungesättigte Carbonylverbindungen). Einfache Alkylhalogenide ergebenoft Produktgemische.<strong>Die</strong> oben beschriebene Umsetzung <strong>des</strong> !-(N-Pyrrolidino)-l-cyclohexens mit Allylbromid(Formeln siehe S. 345) führt über das labile Immoniumsalz zum 2-Allylcyclohexanonund gestattet somit die Alkylierung eines Ketons in der a-Stellung. <strong>Die</strong> obenerwähnte Alkylierung von Carbanionen entsprechender Imine (siehe S. 446) ergibtgrundsätzlich die gleichen Produkte. Sie ist jedoch aufwendiger, dabei aber vieldrastischer, verläuft aber auch mit normalen Alkylhalogeniden glatt.<strong>Die</strong> Acylierung von Enaminen führt zunächst zu den stabilen vinylogen Carbonsäureamiden,in denen die auf S. 314 besprochene Mesomerie der Amide über dieDoppelbindung hinweg (vinylog) auftritt.C-C 6 H 5 ^ ^--C 6 H 5Erst die energische saure Hydrolyse führt zu den 1,3-Dicarbonylverbindungenweiter (Formeln siehe S. 346). 1,3-Dicarbonylverbindungen werden auch durch Esterkondensationenerhalten (S. 401).Beim Hydrieren gehen die Enamine in terf-Amine über.Semicarbazone, Hydrazone, OximeVersuch: Semicarbazon <strong>des</strong> Acetons oder Ethylmethylketons - (<strong>Die</strong> Herstellungvon Acetonsemicarbazon als Zwischenprodukt ist bei dem Präparat S. 330 beschrieben,die <strong>des</strong> Benzaldehydsemicarbazons auf S. 331). Man löst einige hundert mg Semicarbazidhydrochloridin 2 ml Wasser, fügt eine Spatelspitze Natriumacetat zu und versetzt mit0,2 ml Aceton oder Ethylmethylketon. Das nach einigen Stunden auskristallisierte Semicarbazonwird abgesaugt, mit wenig Eiswasser gewaschen und trocken gesaugt. NachAufbewahren im Exsikkator hat das Acetonsemicarbazon den Schmp. 185—187 0 C, das<strong>des</strong> Butanons den Schmp. 135—136 0 C. - Semicarbazone können durch Aufkochen mitwässeriger Mineralsäure leicht wieder in die Komponenten gespalten werden.Versuch: Phenylhydrazon <strong>des</strong> Benzaldehyds-Zur Lösung von 1 ml Phenylhydrazin(S. 621) in 10 ml 10proz. Essigsäure gibt man tropfenweise, unterbrochen durch kräftigesSchütteln <strong>des</strong> verschlossenen Gefäßes 1 ml Benzaldehyd. <strong>Die</strong> Kristalle werden abgesaugtund aus wasserhaltigem Ethanol umkristallisiert; Schmp. 158 0 C.Versuch: 2,4-Dinitrophenylhydrazone von Aldehyden und Ketonen — Zur Suspensionvon 200 mg 2,4-Dinitrophenylhydrazin (S. 279) in 5 ml Methanol gibt man ganzlangsam konz. Schwefelsäure, bis alles gelöst ist. Nach Zusatz von 100-200 mg der Carbonylverbindungfällt entweder nach wenigen Minuten das kristallisierte 2,4-Dinitro-


348 Kapitel VI. Reaktionen der Carbonylgruppe, Iphenylhydrazon aus, oder wenn das nicht der Fall ist, beim Verdünnen mit dem gleichenVolumen 2N Schwefelsäure. Man kann auch eine gesättigte Lösung <strong>des</strong> Reagenzes inSalzsäure verwenden. <strong>Die</strong> kristallisierten Derivate bilden sich mit nahezu quantitativerAusbeute. Sie werden aus Ethanol umkristallisiert. Schmelzpunkte der Dinitro-phenylhydrazonevon: Formaldehyd 166 0 C, Acetaldehyd 168 0 C, Benzaldehyd 237 0 C, Aceton128 0 C, Butanon 115 0 C, Acetophenon 25O 0 C. Sie lassen sich papierchromatographischoder dünnschichtchromatographisch trennen und charakterisieren.R F -Werte von Dinitrophenylhydrazonen einiger Carbonylverbindungen auf Kieselgel mit dem LaufmittelChloroform, Hexan, Essigsäure-ethylester (100:20:10 Vol.)FormaldehydAcetaldehydPropionaldehydBenzaldehyd0,230,240,390,40FurfuralAcetonButanonPhenylbutanpn0,240,340,480,46Hydrazin selbst gibt mit Carbonylverbindungen in zweifacher Kondensation diesog. Azine, Formaldehyd reagiert unter Vernetzung zu einem hochmolekularenProdukt. Phenylhydrazin hat sich in der Zuckerchemie als wichtigstes Reagenz bewährt(Osazone, S. 387). Phenylhydrazone von a-Oxocarbonsäureestern entstehendurch Kupplung von Acetessigestern oder Malonestern mit Benzoldiazoniumsalz(S. 603, Japp-Klingemann-Reaktion). Reduktion zu Aminosäuren, Fischer'sche Indolsynthese(S. 655).AcetophenonoximC 6 H 5 COCH 3 + H 2 NOH " H2 ° > C 6 H 5 C^NOHZur Lösung von 24g (0,20 mol) Acetophenon in 10OmI Ethanol gibt man die Lösungvon 16,8g (0,24 mol) Hydroxylaminhydrochlorid in 30 ml Wasser und die von 15gKaliumhydroxid in 20 ml Wasser. Man erwärmt 2 h auf dem Wasserbad, verdünnt mit200 ml Wasser und bringt nach Abkühlen den pH mit Schwefelsäure auf 3—4. Der dabeigebildete Niederschlag wird abgesaugt und mit Wasser gewaschen. Man erhält 24-25 gOxim (89-93% d. Th.) vom Schmp. 55—57 0 C. Ein bei 59 0 C schmelzen<strong>des</strong> Präparatwird durch Umkristallisieren aus Ethanol/Wasser erhalten.CH 3Acetanilid durch Beckmann-Umlagerung. 10g Acetophenonoxim werden in1 I trockenem Ether gelöst, in die Lösung trägt man bei 1O 0 C nach und nach unterRühren 17g Phosphorpentachlorid ein. Nach 3 stdg. Rühren bei Raumtemperatur versetztman unter Kühlen vorsichtig mit Eiswasser, schüttelt gut durch, trennt die Etherschichtab, wäscht sie 2mal mit Wasser und trocknet mit Na 2 SO 4 . Aus der weitgehendeingeengten Lösung kristallisieren 6,5—7 g (65—70% d. Th.) Acetanilid aus, das nachUmkristallisieren aus Ether/Petrolether bei 115 0 C schmilzt.


Bildung und Reaktion der Oxime 349CyclohexanonoximC 6 H 10 O + NH 2 OH " H2 ° > C 6 H 10 NOHIn einem 2-l-Rundkolben löst man 85g (1,20 mol) Hydroxylaminhydrochlorid in 200 mlWasser. Unter guter mechanischer Rührung und Außenkühlung, damit die Temperaturnicht über 4O 0 C steigt, gibt man 98g (1,00 mol) Cyclohexanon zu und läßt dann eineLösung von 66g (wasserfreiem) Natriumcarbonat in 18OmI Wasser aus einem Tropftrichtereinfließen. Dabei scheidet sich das Cyclohexanon-oxim kristallin aus.Da die Beckmann-Umlagerung, die auf S. 350 ausgeführt wird, ein sehr reines Oximerfordert, erhitzt man den Kolben im siedenden Wasserbad, bis das Oxim geschmolzenist. Nach dem Erkalten durchsticht man mit einem Glasstab die erstarrte Ölschicht, gießtdie wässerige Phase ab und schmilzt das Oxim noch einmal mit 60 ml Wasser unter gelegentlichemUmschütteln. Nach Abtrennen <strong>des</strong> Wassers <strong>des</strong>tilliert man das Oxim auseinem 300 ml Claisenkolben mit Schwertansatz oder im Kugelrohr. Bei 103-105 0 C/12 Torr gehen 95-95 g (75-85%) farblose Substanz über, die einen Schmp. von 88 0 Chat.<strong>Die</strong> Oxime sind wichtige Derivate der Carbonylverbindungen. <strong>Die</strong> Geschwindigkeitihrer Bildung aus Aldehyden (rascher) und Ketonen zeigt zwischen pH 5 und 7ein Minimum. Im Sauren erfolgt Aktivierung <strong>des</strong> Carbonylkohlenstoffs durch Protonierung<strong>des</strong> Sauerstoffs, im Alkalischen liegt Hydroxylamin als nucleophile Base vor.1. <strong>Die</strong> Oxime dienen als Derivate zur Kristallisation und Charakterisierung vonAldehyden und Ketonen. Aus den Oximen können diese ziemlich leicht zum Beispieldurch Behandeln mit einem Überschuß einer zweiten billigen Carbonylverbindungwie Formaldehyd oder Benzaldehyd und Säure zurückgewonnen werden (Umoximierung).2. Sie entstehen aus „aktiven" Methylenverbindungen und salpetriger Säure oderihren Derivaten (S. 421) über die tautomeren NitrosoVerbindungen und vermittelnso den Zugang zu den Carbonylverbindungen.3. Durch Reduktion mit fast allen denkbaren Mitteln gehen sie in primäre Amineüber.4. <strong>Die</strong> Ketoxime erleiden beim Behandeln mit wasserabspaltenden Mitteln die auchtechnisch wichtige Beckmann-Umlagerung.5. <strong>Die</strong> Oxime kommen in geometrischen Isomeren vor, die oft ineinander umwandelbarsind und die man früher als syn- und anti-Formen bezeichnet hat, heute verwendetman besser die Symbole Z und E.<strong>Die</strong> syn/an //-Nomenklatur sollte endgültig verlassen werden, nachdem die einfacheGleichsetzung syn = eis und anti = trans infolge eines Irrtums von Hantzsch starkeVerwirrung gestiftet hat. Das auf S. 348 hergestellte und einzig bekannte Isomere <strong>des</strong>Acetophenonoxims, als anti-Form bezeichnet, hat nicht die damals angenommeneStruktur einer tf«//-(gegenüber)-Stellung von Methyl und Hydroxyl, sondern die/rarts-Konfiguration bezüglich der OH- und Phenylgruppe. Bei den Aldoximen hatsich die alte Nomenklatur auf die gegenseitige Stellung von Hydroxyl und Wasser-


350 Kapitel VI. Reaktionen der Carbonylgruppe, Istoffatom bezogen, so daß man das hochschmelzende Oxim <strong>des</strong> Benzaldehyds alsanti-Oxim bezeichnet hat. Man bedient sich auch der cis/trans Notation, wobei dieStellung der OH-Gruppe gegenüber dem Rest mit höherer Priorität (S. 359) am C-Atom maßgeblich ist. <strong>Die</strong> E/Z-Nomenklatur ist ohne besondere Voraussetzungeneindeutig.C 6 H 5v x CH 3CH 3, y C 2 H 5C 6 H 5v , H C 6 H 5v x HC C C HCIin CIl Il Il — m > IlEtherN N NNOH HO OH HO(E-) oder trans- (E-) oder trans- (E-) oder Irans- (Z-) oder cis-Acetophenon- Butanonoxim Benzaldoxim Benzaldoximoxim (Schmp. 36°) (Schmp. 132°)früher: syn- oder a- anti- oder ß-Mit Acetanhydrid geben (E-) oder /raAW-Aldoxime O-Acetylderivate, während ausden (Z-) oder m-Formen durch ß-Eliminierung Nitrile entstehen. AT-Alkyl- (oderAryl-)Derivate der Oxime heißen Nitrone. Sie sind, wie schon auf S. 242 erwähnt,aus Carbonylverbindungen und AT-substituiertem Hydroxylamin oder (bei R 3 =Alkyl) durch Umsetzung von Oximen mit Alkylierungsmitteln zugänglich. Nitronezeigen geometrische Isomerie, ebenso wie auch die Hydrazone.R1 \ /°C=NR 2 /c-Caprolactam aus Cyclohexanonoxim.In einen 250-ml-Erlenmeyerkolben gibt man 55 ml reine konz. Schwefelsäure und trägtportionsweise unter Kühlung und gelindem Schütteln 57 g Cyclohexanonoxim ein, wobeidie Temperatur nicht über 2O 0 C steigen soll.Inzwischen hat man in einem 250-ml-Weithals-Rundkolben, mit Thermometer undRührer versehen, 30 ml reine konz. Schwefelsäure im Ölbad auf 12O 0 C vorgeheizt. Jetztdreht man den Brenner unter dem Heizbad ab und läßt aus einem Tropftrichter die klareLösung <strong>des</strong> Oxims unter gutem Rühren zufließen. Das Tempo <strong>des</strong> Zutropfens muß sobemessen werden, daß die bei der Umlagerung frei werdende Reaktionswärme geradedie Aufrechterhaltung einer Innentemperatur von 118—122 0 C ermöglicht. <strong>Die</strong> Einhaltungdieser Temperatur ist entscheidend für den Erfolg der Operation 1 . Nach der etwaeine Stunde erfordernden Zugabe <strong>des</strong> Oxims heizt man noch 10min auf 125 0 C, läßterkalten und gießt auf 200 g zerstoßenes Eis. Unter energischer Kühlung mit Kälte-1 Fällt die Temperatur unter 115 0 C, ist sofort das Zufließen <strong>des</strong> Oxims zu unterbrechen, bis durch Ölbadheizungwieder 12O 0 C erreicht ist; bei Ansammlung größerer Mengen <strong>des</strong> Oxims wird nach demAufheizen die Reaktion zu heftig.


e-Caprolactam durch Beckmann-Umlagerung 351mischung neutralisiert man die wässerige Lösung mit konz. wässerigem Ammoniak, bisPhenolphthaleinpapier eben gerötet wird. <strong>Die</strong> Temperatur darf dabei 2O 0 C nicht übersteigen.Im Scheidetrichter entzieht man der wässerigen Lösung das Caprolactam durchdreimaliges Ausziehen mit je 100 ml Chloroform. <strong>Die</strong> Auszüge werden gewaschen undmit Calciumchlorid getrocknet. Nach dem Ab<strong>des</strong>tillieren <strong>des</strong> Chloroforms auf dem Wasserbadgießt man heiß in einen Claisen-Schwertkolben um und <strong>des</strong>tilliert im Vakuum.Bei 140 0 C/12 Torr gehen 46-50 g farbloses, kristallin erstarren<strong>des</strong> Caprolactam über,(80-88% d.Th.), Schmelzpunkt 66—68 0 C.Bei der durch Säuren aller Art (Mineralsäuren, PCl 5 , Tosylchlorid u.a.) ausgelöstenBeckmann-Umlagerung der Ketoxime geht mit der Abspaltung der Hydroxylgruppezur Erhaltung <strong>des</strong> Elektronenoktetts am Stickstoff eine Wanderung <strong>des</strong>jenigenKohlenstoffrests einher, der zur OH-Gruppe trans-ständig ist. <strong>Die</strong> am Kohlenstoffentstehende Elektronenlücke, durch die Nitriliumgrenzform gemildert, wirddurch Anlagerung von H 2 O geschlossen. Aus dem E- oder /raws-Acetophenonoximentsteht auf diese Weise Acetanilid (und nicht Benzoesäuremethylamid), das cyclischeCyclonexanonoxim gibt den 7-gliedrigen Ring <strong>des</strong> e-Caprolactams.<strong>Die</strong> Beckmann-Reaktion zeigt wegen <strong>des</strong> (virtuellen) Elektronensextetts am Stickstoffenge Analogie zu den auf S. 322 besprochenen Reaktionen von Hofmann,Curtius, Lossen und K. F. Schmidt bei den Carbonsäuren. <strong>Die</strong> Anwendung der letzten(Stickstoffwasserstoff und starke Schwefelsäure) auf Carbonylverbindungen führtebenfalls zu Säureamiden. Im Überschuß vorhandener Stickstoffwasserstoff kannsich in Konkurrenz zu Wasser in einer 1,3-dipolaren Cycloaddition an das ungesättigteZwischen-ion anlagern; aus Cyclohexanon entsteht dann 1,5-Pentamethylentetrazol(Cardiazol).


352 Kapitel VI. Reaktionen der Carbonylgruppe, IHIN-2H*e-Caprolactam ist ein wichtiges Ausgangsmaterial für das Polyamid „Perlon"(Polyamid 6). Beim Erhitzen mit katalytischen Mengen von Säure wie auch Base gehtes unter fortlaufender Umamidierung in hochmolekulares e-Aminocapronsäureamidüber. Das Polymere „Nylon" (Polyamid 6.6) erhält man durch Erhitzen <strong>des</strong>Salzes aus Hexamethylendiamin und Adipinsäure.OIl,CJPerlon (Polyamide)•|yj x> Nylon (Polyamid 6.6)HBeide zeigen wegen der zahlreichen „Peptid"-Bindungen große Ähnlichkeit mitdem natürlichen Polypeptid Seide, sind jedoch reißfester und stärker wasserabstoßend.Versuch: Polymerisation von c-Caprolactam — Etwa 5 g reines c-Capro/actam werdenin einem normalen Reagenzglas (160:16 mm) unter Zusatz von einem Tropfen konz.Salzsäure im Wasserbad geschmolzen. Nach dem Erstarren zieht man das Reagenzglasin der Gebläseflamme kapillar aus, und zwar so, daß der Leerraum über der Substanzmöglichst gering ist. Nach Aufsetzen eines Gummistopfens mit Glasrohr evakuiert manan der Wasserstrahlpumpe auf 12 Torr und schmilzt die Kapillare unter Vakuum ab. DrePolymerisation erfolgt beim sechsstündigen Erhitzen im Ölbad auf 25O 0 C, wobei mandas Reaktionsgefäß zweckmäßig mit einer Klammer unter der Badoberfläche fixiert. Nachdem Abkühlen und Zerschlagen <strong>des</strong> Gefäßes erhält man eine spröde elfenbeinfarbeneMasse, die sich in der Wärme aus der Schmelze mit Hilfe eines Glasstabs zu feinen Fädenausziehen läßt.


Mannich-Reaktion 353Mannich-ReaktionGraminCH 2 O +(CH 3 J 2 NH14ml Eisessig, 8g ca. 40proz. Formalinlösung und 9g wässerige, 50proz. Dimethylaminlösung(0,1 mol) werden unter Eiskühlung vermischt. <strong>Die</strong> kalte Mischung wird auf einmalunter Rühren zu 11,7 g Indol (0,1 mol) gegeben, die sich in einem 250-ml-Becherglasbefinden. Unter Erwärmung entsteht eine gelbe klare Lösung. Nach 4 h macht manmit 2N Natronlauge alkalisch, wobei alles zu einem dicken Kristallbrei erstarrt. Man saugtab und wäscht mit Wasser alkalifrei. Nach dem Trocknen im Exsikkator über NaOH erhältman 17g farblose Kristalle vom Schmp. 132 0 C (über 95% d. Th.). Man kann ausAceton Umkristallisieren, wodurch der Schmp. auf 134 0 C ansteigt.Als Mannich-Reaktion bezeichnet man die meist durch Protonen katalysierteKondensation eines sekundären Amins (seltener primäres Amin oder NH 3 ) mit Formaldehydund Verbindungen mit potentiell anionoidem Kohlenstoff. Als Nucleophilereagieren hier außer den enolisierbaren, aliphatischen Verbindungen mit beweglichemWasserstoff (incl. Alkinen) auch aromatische Ringe, die durch ElektronenabgebendeSubstituenten negativiert sind, also o- und /?-Stellungen in Phenolen oderdie /f-Stellung <strong>des</strong> Indols.Beispiele:oderC 6 H 5 COCH 3 + CH 2 O + HN(CH 3 J 2 > C 6 H 5 COCH 2 CH 2 N(CH 3 ) 2,OH^+ CH 2 O +HN } -Beim oben ausgeführten Beispiel kann als Zwischenprodukt ein Indolenin formuliertwerden.Es ist sicher, daß die Reaktion in zwei Stufen abläuft. Zuerst bildet der Aldehyd mitdem Amin ein Carbinolamin (A), <strong>des</strong>sen OH durch die Säure zu einem durch Mesomeriestabilisierten Dialkylmethylenammoniumkation (B) abgespalten wird, an dassich die nucleophile C-Komponente anlagert.


354 Kapitel VI. Reaktionen der Carbonylgruppe, I(R) 2 N-CH 2 OH - QH "> (R) 2 N=CH 2 < > (R) 2 N-CH 2AB—C: + CH 2 -N(R) 2 > -C-CH 2 -N(R) 2A vollzieht am Kohlenstoff eine Aminomethylierung.Dimethyl-methylenimmoniumchlorid bzw. -iodid, die einfachsten Beispiele für dieZwischenstufe B lassen sich präparativ rein herstellen und sind auch kommerziell erhältlich.Ersteres kann mit Vorteil direkt in die Mannich-Reaktion eingesetzt werden(L-F. Tietze 1976).Außer dem weitaus am meisten gebrauchten Formaldehyd können auch andereAldehyde bei der Mannich-Reaktion verwendet werden.<strong>Die</strong> „Mannich-Basen", die hier entstehen, ähneln in ihrer C—N-Bindung in gewisserWeise den Alkylhalogeniden, besonders wenn sie quartären Stickstoff enthalten.R-CH 2 -^HaI; R-CH 2^2NR3Sie können <strong>des</strong>halb als Alkylierungsmittel dienen, wie beim Präparat Tryptophanauf S. 422 präparativ gezeigt ist.Strecker-SyntheseD,L-AlaninCH 3 CHO + HCN + NH 3 —> CH 3 CH(NH 2 )CN —> CH 3 CH(NH 2 )CO 2 H13,2 g (300 mmol) frisch <strong>des</strong>tillierter Acetaldehyd werden im Abzug in 100 ml Ether gelöstund in einer Druckflasche (verschraubbare Druckflasche genügt) über eine kalt gesättigteLösung von 18g (355 mmol) Ammoniumchlorid geschichtet. Dazu läßt manunter Umschütteln und Eiskühlung aus einem Tropftrichter langsam eine Lösung von20,0 g (400 mmol) Natriumcyanid in 30 ml Wasser tropfen. <strong>Die</strong> verschlossene Flaschewird bei Raumtemperatur 3 h auf der Maschine geschüttelt, der Inhalt in einen 500 mlSchliffkolben überführt und unter Eiskühlung nach und nach mit 100 ml konz. Salzsäure(freie Blausäure!) versetzt. Nach dem Aufsetzen einer Destillationsbrücke zieht man denEther ab, beläßt noch 1 h auf dem siedenden Wasserbad und dampft schließlich die braungewordene Lösung im Vakuum zur Trockne ab. Durch einen mit konz. Ammoniak befeuchtetenGlasstab überzeuge man sich davon, daß der Rückstand HCI-frei ist. Um einestärkere Verfärbung der Reaktionslösung zu vermeiden, empfiehlt es sich, den Versuchbis hierher zügig durchzuführen.Den trockenen Rückstand kocht man 3mal mit 75 ml absolutem Alkohol unter Rückflußauf, saugt jeweils ab und versetzt die vereinigten Filtrate mit etwa 20 ml Ether biszu beginnender Trübung. Nach Aufbewahren über Nacht im Kühlschrank wird von an<strong>organischen</strong>Salzen abgesaugt. Dann engt man die Lösung im Vakuum zur Trockne ein.


Strecker-Synthese 355Den braunen Rückstand von Alaninhydrochlorid nimmt man mit 300 ml <strong>des</strong>tilliertemWasser auf, schüttelt 10min mit 1-2 g Aktivkohle und saugt ab. Das hellgelbe Filtratwird sodann, wie unten beschrieben, mit einem Anionenaustauscher in freies Alanin übergeführt.<strong>Die</strong> nun chloridfreie Lösung wird im Wasserstrahlvakuum zur Trockne eingedampft.Den Rückstand digeriert man mit 25 ml siedendem absolutem Ethanol, stellt1-2 h in den Kühlschrank und saugt ab: 7,5-10 g fast farbloses Alanin (28-35% d. Th.)mit Schmp. 264—267 0 C (Zers.)- Sind die Kristalle noch gelblich gefärbt, so löst man inwenig 70proz. Alkohol und läßt unter kräftigem Rühren in 300 ml Aceton einfließen.Ionenaustauscher: 80—10Og körniger Lewatit (MIH) (oder ein gleichwertiges Austauscherharzmittlerer Basizität, etwa DOWEX 1 oder 2 bzw. AMBERLIT IRA 400—410,siehe S. 84) läßt man mehrere Stunden in 300 ml 2N Natronlauge quellen. In eine Austauschersäule(Glasrohr mit 2,5 cm Durchmesser und 1 m Länge) gibt man unten etwasGlaswolle und füllt zu etwa 3 / 4 der Länge mit dem Austauscherharz. Damit keine Luftblaseneingeschlossen werden, füllt man das Rohr erst mit Wasser und schüttelt dann denAustauscher hinein, der sich langsam absetzt. <strong>Die</strong> Harzzone wird auch oben mit Glaswollefixiert. Man wäscht nun die Säule mit einigen Litern <strong>des</strong>tilliertem Wasser aus, bisdie abtropfende Flüssigkeit neutral reagiert. <strong>Die</strong> Tropfgeschwindigkeit soll 1 Tropfen/Sek.betragen. Der Austauscher darf nicht trocken werden.<strong>Die</strong> Lösung <strong>des</strong> Alaninhydrochlorids wird mit der gleichen Durchlaufgeschwindigkeitdurch die Säule geschickt, wozu etwa 3 h erforderlich sind. Sodann spült man in gleicherWeise mit etwa 600 ml <strong>des</strong>t. Wasser nach und arbeitet die Alaninlösung wie oben auf.Weitere 200 ml Durchlauf werden zur Kontrolle der Vollständigkeit der Elution getrennteingedampft; besser zum Nachweis und sehr viel schneller ist die Farbreaktion mitNinhydrin (S.499).Nach Gebrauch regeneriert man die Austauschersäule mit 300 ml 2N Natronlauge undspült in derselben Weise wie oben bis zur neutralen Reaktion <strong>des</strong> Waschwassers nach.Das Austauscherharz wird zweckmäßig unter Wasser aufbewahrt.<strong>Die</strong> erste Synthese von a-Aminosäuren von A. Strecker verläuft über die a-Aminonitrileund stellt nach ihrem Mechanismus eine Aminoalkylierung (s. Erklärung zumvorigen Präparat) <strong>des</strong> Cyanidions dar. Das aus einem beliebigen Aldehyd, hier demAcetaldehyd und dem Ammoniumion entstehende Carbinolamin (oder Aldehydimin)reagiert mit CN" zum Alaninnitril, das durch Eindampfen mit Salzsäure zur Aminosäureverseift wird.NH 3 + CH 3 CHO * H 2 N—CH(CH 3 )OH(oderHN=CHCH 3 )+ CN > H 2 N-CH(CH 3 )CNVerS ' > H 3 N-CH(CH 3 )CO 2 -Mit dem besonders reaktiven Formaldehyd entstehen durch 2- und 3-fache Reaktionaußer Glycin (S. 315) auch Iminodiessigsäure (A) und Nitrilotriessigsäure (Trimethylamin-a,a',a"-tricarbonsäure,B), die wie besonders die EthylendiaminotetraessigsaureC (Triton B, Versene, EDTA) als sehr wirksame Metallkomplexbildner ausgedehnteVerwendung finden.


356 Kapitel VI. Reaktionen der Carbonylgruppe, ICH 2 -CO 2 HHN HO 2 C-CH 2 -NCH 2 -CO 2 HACH 2 -CO 2 HCH 2 -CO 2 HBHO 2 C-CH 2HO 2 C-CH 2N-CH 2 -CH 2 -NCH 2 -CO 2 HCH 2 -CO 2 HMit Hydrazin und Aceton liefert die Strecker-Synthese Hydrazoisobuttersäurenitril,das zur Azoverbindung NC-C(CH 3 ) 2 — N=N-C(CH 3 ) 2 —CN dehydriert werdenkann. Verwendung dieses Nitrils zur Auslösung von radikalisch verlaufendenOlefinpolymerisationen (S. 211).Leuckart-ReaktionMethylamin durch reduktive Methylierung2NH 3 + 3CH 2 O > 2H 2 NCH 3 + CO 2 + H 2 O250 g Ammoniumchlorid (4,7 mol) werden mit 570 g 35proz. Formaldehydlösung(6,6 mol) in einem Destillierkolben mit absteigendem Kühler allmählich erhitzt. Mansteigert langsam bis auf 104 0 C — Thermometer in der Flüssigkeit — und hält so lange aufdieser Temperatur, bis nichts mehr über<strong>des</strong>tilliert, etwa 4 1 / 2 h von Anfang an. Es habensich dann 100-12Og Wasser und Methylalkohol (aus dem Formalin stammend) in derVorlage kondensiert. Nachdem der Kolbeninhalt erkaltet ist, saugt man vom ausgeschiedenenAmmoniumchlorid scharf ab und dampft das Filtrat auf dem Dampfbad aufdas halbe Volumen ein, saugt nochmals vom Ammoniumchlorid ab und engt das Filtratso weit ein, bis sich auf der Oberfläche eine Kristallhaut bildet. Nach dem Erkalten wirddas auskristallisierte Methylammoniumchlorid scharf abgesaugt. Das Filtrat engt man soweit wie möglich ein und entfernt schließlich den Rest <strong>des</strong> Wassers im Vakuumexsikkatorüber festem NaOH und konz. Schwefelsäure. Der Rückstand wird durch Digerierenmit Chloroform von Di- und Trimethylammoniumchlorid befreit und schließlich scharfabgesaugt. Mit dem zuerst auskristallisierten Salz zusammen ergeben sich so 110 bis125g.Um das rohe Salz vom restlichen Ammoniumchlorid zu befreien, wird es durch Auskochenmit 250 ml absol. Alkohol eine halbe Stunde lang extrahiert. Aus dem Alkoholscheidet man durch Abkühlen (CaCI 2 -Rohr!) reines Methylammoniumchlorid ab undbenützt die Mutterlauge zu einer weiteren Extraktion. Nach fünfmaligem Extrahieren erhältman etwa 10Og (37 %d. Th.).In den Carbinolaminen ist die Hydroxylgruppe nicht nur, wie bei der Mannich-Reaktion durch nucleophile C-Verbindungen ersetzbar, sondern auch unter Reduk-


Leuckart-Reaktion 357tion durch anionischen Wasserstoff. <strong>Die</strong>sen liefert in der oben ausgeführten Methylaminsyntheseder im Überschuß vorhandene Formaldehyd, der dabei in Ameisensäure(Formiat) übergeht, die wieder als Reduktionsmittel dient und dabei zu CO 2oxidiert wird. Im Prinzip haben diese Vorgänge, besonders der erste, Ähnlichkeit mitder später zu besprechenden Reaktion von Cannizzaro (S. 377).<strong>Die</strong> unvermeidliche Bildung von Di- und Trimethylamin wird zur Hauptreaktion,wenn man die Konzentration <strong>des</strong> Formaldehyds erhöht. Sie kommt dadurch zustande,daß primäres Amin nach demselben Mechanismus ein- und zweifach weitermethyliert wird. Formaldehyd als reduzieren<strong>des</strong> Methylierungsmittel für Amine(Eschweiler). Durch Zusatz von Ameisensäure von vornherein erhält man bessereAusbeuten (Clarke).Mit Ammoniak plus Ameisensäure(-estern) oder Formamid führt man nachLeuckart generell die reduzierende Aminierung von Carbonylverbindungen durch.Man erhält so primäre und sekundäre (oft als AT-Formylverbindungen) sowie tertiäreAmine, deren Anteil vom Ausgangsamin und vom Verhältnis der Komponenten abhängt.//+ H 2 N-Cor-PhenylethylaminEin 500-ml-Schliffkolben wird mit 125g Ammoniumformiat beschickt und mit einerDestillationsbrücke (oder Kniestück und absteigendem Kühler) versehen; das Thermometersoll durch den Stutzen bis in das Reaktionsgut eingeführt werden. Man heizt miteinem Ölbad, bis das Thermometer 165 0 C in der siedenden Flüssigkeit anzeigt; daswässerig-ammoniakalische Destillat wird verworfen. Man läßt die Badtemperatur auf13O 0 C sinken, entfernt die Destillationsbrücke, versetzt vorsichtig mit 60g frisch <strong>des</strong>t.Acetophenon (0,5 mol) und fügt zwischen Kolben und absteigendem Kühler senkrechtein etwa 30cm langes, weites Rohr (z.B. Destillationsaufsatz ohne Füllkörper) ein.Innerhalb 1 h steigert man die Badtemperatur auf 175 0 C, wobei sich im oberen Teil <strong>des</strong>Rohrs etwas festes Ammoniumcarbonat abscheidet und Wasser ab<strong>des</strong>tilliert. Nach 4 hbei 170—18O 0 C hat die nunmehr homogene Mischung durchreagiert.Nach dem Erkalten schüttelt man im Scheidetrichter zur Entfernung von überschüssigemAmmoniumformiat und Formamid mit 2mal 60 ml Wasser aus, die man ihrerseitsmit 30 ml Benzol auszieht. Das Rohprodukt zusammen mit der Benzollösung überführtman wieder in den Reaktionskolben, versetzt mit 60 ml konz. Salzsäure und <strong>des</strong>tilliert


358 Kapitel VI. Reaktionen der Carbonylgruppe, Idas Benzol ab; dann tauscht man den Destillations- gegen einen Rückflußkühler aus undhält die Reaktionsmischung zur Hydrolyse der /V-Formylverbindung noch 45 min amSieden.<strong>Die</strong> erkaltete, saure Lösung schüttelt man zur Entfernung von Neutralanteilen mit2mal 25ml Benzol aus. In einem 1 -l-Rundkolben macht man die saure Lösung anschließendvorsichtig mit 75 g Natriumhydroxid in 250 ml Wasser alkalisch, wobei sichdas a-Phenylethylamin als Schicht abscheidet. Das Amin wird mit Wasserdampf abgeblasen,wobei man durch Ölbadheizung <strong>des</strong> Kolbens eine Vergrößerung <strong>des</strong> Flüssigkeitsvolumensvermeidet. Nach Sammeln von 600 ml Destillat reagiert das Kondensat nichtmehr alkalisch. Im erkalteten Destillat nimmt man die Base in 50 ml Benzol auf, trenntab und schüttelt noch mit 4mal 25 ml Benzol aus. <strong>Die</strong> vereinigten Benzollösungen werdenmit einigen Plätzchen Kaliumhydroxid getrocknet. Nach Ab<strong>des</strong>tillieren <strong>des</strong> Benzolsgeht das a-Phenylethylamin bei 74—76 0 C /15 Torr über; zweckmäßig läßt man diedurch die enge Siedekapillare eingesaugte Luft zuvor ein Natronkalkrohr passieren. Manerhält 45-48 g (74-79% d. Th.) farbloses a-Phenylethylamin.Optische Aktivität, Cahn-Ingold-Prelog-Regel<strong>Die</strong> aus Acetophenon dargestellte Base ist das racemische Gemisch der Antipoden,das im folgenden durch fraktionierte Kristallisation der Salze mit D-Weinsäure getrenntwird. <strong>Die</strong> diastereomeren Salze aus D-Base/D-Säure und aus L-Base/D-Säurehaben verschiedene Löslichkeit in Alkohol, aus dem das letztere, schwer lösliche zuerstauskristallisiert. Über die anderen Möglichkeiten zur Aufspaltung von Racematenwie spezifische Enzymeinwirkung, Chromatographie an optisch aktiven Adsorptionsmittelu. a, informiere man sich in den Lehrbüchern.Spaltung <strong>des</strong> racemischen or-Phenylethylamins in die Antipodenmit D-WeinsäureIn einem 1-l-Kolben löst man 50g D-Weinsäure (0,3 mol) in 400 ml 96proz. Alkoholdurch Erwärmen im Wasserbad auf 65-7O 0 C. In die mechanisch gerührte Lösung läßtman durch einen Tropftrichter 40 g frisch <strong>des</strong>tilliertes racem. a-Phenylethylamin (0,3 mol)in 10O ml Ethanol innerhalb 10 min einfließen, wobei man die Badtemperatur auf 65-70 0 Chält; meist scheidet sich das weinsaure Salz schon während der Zugabe <strong>des</strong> Amins aus.Nach 4 h Rühren bei der angegebenen Temperatur heizt man auf 75 0 C auf, saugt die abgeschiedenenKristalle auf einer vorgewärmten Nutsche rasch ab und wäscht mit 50 ml5O 0 C warmem Alkohol nach. Nach dem Trocknen erhält man 32-34 g L-a-Phenylethylamin-D-hydrogentartrat(72-76% d. Th., bezogen auf L-Amin).Zur Drehwertbestimmung löst man ca. 0,6 g, auf 1 mg genau abgewogen, in einem10 ml Meßkölbchen in <strong>des</strong>t. Wasser und füllt bis zur Marke auf. In einem Polarimeterrohrvon 1 oder 2 dm Länge bestimmt man mit einem Polarimeter, den Drehwert und ermitteltdie spezifische Drehung:


optische Aktivität, Cahn-Ingold-Prelog-Regel 359Dabei bedeuten: a D der Drehwinkel bei der Natrium-D-Linie, I die Rohrlänge in dmund c die Konzentration in g/1 OO ml Lösung. Für das Aminsalz wird man einen Wertnahebei [a]g° = +13,2° finden.Das L-Amin-hydrogentartrat wird in 300 ml Wasser gelöst und mit 13g Na-hydroxidin 50 ml Wasser und etwas Eis versetzt. Man nimmt das freigesetzte Amin in 80 ml Etherauf und zieht die wässerige Phase noch 3mal mit 30 ml Ether aus. Nach Trocknen mitfestem KOH wird der Ether ab<strong>des</strong>tilliert und das L-Phenylethylamin (12-14 g) wie aufS. 358 im Wasserstrahlvakuum <strong>des</strong>tilliert. Zur Drehwertbestimmung füllt man ein 1 dm-Rohr rasch (Vermeidung der Carbonatbildung!) mittels Kapillarrohr mit dem frisch<strong>des</strong>tillierten L-Amin. Bei sorgfältigem Arbeiten wird man a D = -35,5 bis -37 0 C finden.Ein aus Wasser umkristallisiertes Hydrogentartrat liefert mit a D = -38,3 0 C ein nahezuoptisch reines L-Amin.Aus der alkoholischen Mutterlauge <strong>des</strong> L-Amin-hydrogentartrats läßt sich beim Erkaltenund Einengen das weinsaure Salz eines am D-Antipoden angereicherten Aminserhalten; wie oben läßt sich daraus das Amin freisetzen. Optisch rein erhält man das D-Amin über das in Wasser schwerlösliche Salz mit L-Äpfelsäure. Wenn L-Äpfelsäure zurVerfügung steht, versäume man die Bereitung der D-Form nicht.<strong>Die</strong> im wesentlichen auf Emil Fischer zurückgehende Bezeichnung der Antipodenals zur D- oder L-Reihe gehörend, ist auch heute noch für die meisten Fälle ausreichend,wo eine präparative Verknüpfung mit einer als D- oder L- definierten Aminosäure(oder einem Zucker) hergestellt werden kann. Im vorliegenden Fall ergab sich dieZuordnung der (-) drehenden Base zur L-Reihe durch die Oxidation zu L-Alanin.CO 2 HH 2 N-C-HCH 3L - PhenylethylaminL - AlaninDa aber eine solche Verknüpfung in vielen Fällen weder präparativ noch gedanklichmöglich ist, haben Cahn, Ingold und Prelog eine eindeutig definierende Nomenklaturausgearbeitet, bei der die Antipoden als (R)- und (S)-Formen unterschiedenwerden. <strong>Die</strong> Einordnung erfolgt nach dem topologischen Drehsinn (Rectus = rechtsherum, Sinister = links herum), wenn die 4 ungleichen Substituenten am chiralen C-Atom mit genau definierten Prioritäten ausgestattet und in bestimmter Weise abgezähltwerden. <strong>Die</strong> Abzählung erfolgt nach dem Lenkrad-Modell, wobei der Substituentmit geringster Priorität (P 4 ) als Lenksäule nach hinten weggerichtet wird, währenddie drei größeren (P 1 , P 2 und P 3 ) an den Enden der Speichen <strong>des</strong> Lenkra<strong>des</strong> gedachtwerden und in fallender Priorität entweder rechts (R) oder links (S) herum angeordnetsind:


360 Kapitel VI. Reaktionen der Carbonylgruppe, Is (R)<strong>Die</strong> Prioritäten ergeben sich in erster Linie aus den Ordnungszahlen der Schlüsselatome(höhere Ordnungszahl bedeutet höhere Priorität, so daß am Ende der Lenksäulesehr häufig H steht). Bei zwei Schlüsselatomen gleicher Ordnungszahl (z.B.zwei C-Atome) entscheidet die jeweils größere Zahl von Substituenten mit höchsterOrdnungszahl an diesen Substituenten. Doppelbindungen werden wie zwei Einzelbindungengewertet. <strong>Die</strong> Regeln sind im einzelnen komplizierter, jedoch immer eindeutig.Man lese sie in den Lehrbüchern nach. Mit der Eindeutigkeit der Regeln nimmtman häufig in Kauf, daß die Konfigurationssymbole (R) und (S) einen recht formalistischenCharakter besitzen. In der Notation nach Cahn, Ingold und Prelog ist daslinksdrehende L-Phenylethylamin als (S)-Phenylethylamin zu bezeichnen und umgekehrt,jedoch ist die Übereinstimmung von Drehsinn, L- und (S)-Symbol zufalligund keinesfalls verallgemeinerungsfähig. Nach den gleichen Prioritäten werden dieSymbole E und Z den unterschiedlich konfigurierten Doppelbindungen zugeordnet(S. 372, 611,612).MandelsäureC 6 H 5 CHO + HCN > C 6 H 5 CH(OH)CNHZ ° > C 6 H 5 CH(OH)COOH15g frisch <strong>des</strong>tillierter Benzaldehyd (0,14 mol) werden im Abzug in einem Zylinder mitGummistopfen mit etwa 50 ml einer konzentrierten Lösung von Natriumhydrogensulfitversetzt. <strong>Die</strong> Mischung wird solange mit einem Glasstabe umgerührt, bis sie zu einemBrei der Bisulfitverbindung erstarrt ist, und dann noch kräftig durchgeschüttelt. Manfiltriert an der Saugpumpe ab, preßt fest zusammen und wäscht einige Male mit wenigeiskaltem Wasser nach. <strong>Die</strong> Verbindung wird dann mit etwas Wasser zu einem dickenBrei angerührt und mit einer kalten Lösung von 12g (~0,2mol) reinem Kaliumcyanidin 25 ml Wasser versetzt. Nach kurzer Zeit gehen die Kristalle in Lösung, und das Mandelsäurenitrilscheidet sich als Öl ab, welches man im Scheidetrichter von der wässerigenLösung trennt und sofort weiter verarbeitet.Verseifung <strong>des</strong> Nitrits: Das Nitril wird in einer Porzellanschale mit dem vierfachenVolumen konzentrierter Salzsäure auf dem Wasserbad so weit eingedampft, bis sich ander Oberfläche der Flüssigkeit Kristalle reichlich abzuscheiden beginnen. Man läßt dasReaktionsgemisch über Nacht im Kühlschrank stehen, filtriert die abgeschiedenenKristalle nach dem Verreiben mit wenig Wasser an der Saugpumpe ab und wäscht siemit nicht zu viel Wasser nach. Aus dem Filtrat gewinnt man durch Ausethern noch eineweitere Menge der Säure. <strong>Die</strong> rohe Mandelsäure wird auf einen Tonteller abgepreßt, getrocknetund durch Umkristallisieren aus Benzol rein erhalten. Schmp. 118 0 C, Ausbeute11—15g (50-70%d.Th.)-


Beispiele der Aldol-Verknüpfung 361Bei der hier ausgeführten Variante der Cyanhydrinsynthese findet eine nucleophileSubstitution <strong>des</strong> locker gebundenen —SO 3 " durch CN~ in der Bisulfitverbindungstatt.C 6 H 5 CH(OH)SO 3 - + CN- > C 6 H 5 CH(OH)CN + SO 3 "Dabei entsteht eine Mischung gleicher Teile der D- und L-Formen <strong>des</strong> Cyanhydrins(Mandelsäurenitrils) und aus ihr durch Verseifung D, L-Mandelsäure. Sie läßt sich ähnlichwie die racemische Base a-Phenylethylamin durch fraktionierte Kristallisationder diastereomeren Salze mit dem Alkaloid Cinchonin spalten.Das Amygdalin der bitteren Mandeln und anderer Steinfrüchte ist die glykosidischeVerbindung von D-( —)-Mandelsäurenitril mit Gentiobiose. Es gehört zu der Klasseder /?-Glykoside,da es durch das Enzym Emulsin, eine ß-Glykosidase, in 2 mol GIucose,Benzaldehyd und Blausäure gespalten wird.Aldolverknüpfung1-Phenyl-2-nitroethylenO 6 H 5 CHO + CH 3 NO 2 > C 6 H 5 CH=CHNO 2 + H 2 O2,8 ml Nitromethan (53 mmol) und 3,5 ml Benzaldehyd (frisch <strong>des</strong>tilliert; 50 mmol)werden in 20 ml Alkohol gelöst und unter Eis-Kochsalz-Kühlung kräftig gerührt. Zudieser Mischung tropft man langsam kalte methanolische Kalilauge aus 3,5g Kaliumhydroxid,5 ml Wasser und 10 ml Methanol. Man rührt so lange weiter, bis eine Probe inWasser klar löslich ist. Dann läßt man die Lösung <strong>des</strong> Reaktionsprodukts (falls kristallinangefallen sein sollte, nach Auflösen in Eiswasser) unter Rühren in 60 ml eiskalte 1 NSchwefelsäure einließen. Das dabei auftretende, bald erstarrende Öl wird nach demFestwerden sofort abgesaugt, im Exsikkator über Nacht getrocknet und aus wenigAlkohol umkristallisiert. Man erhält etwa 3g (40%d.Th.) Phenylnitroethylen in großengelben Nadeln, Schmp.: 58 0 C.Nitromethan, eine durch den Einfluß der NO 2 -Gruppe besonders stark acideCH-Verbindung lagert sich als Carbeniatanion leicht an den Carbonylkohlenstoffan. Der dabei entstehende Alkohol spaltet schon in kalter verd. Säure seine benzylständigeOH-Gruppe und einen benachbarten Wasserstoff ab unter Ausbildung <strong>des</strong>energieärmeren konjugierten Systems <strong>des</strong> Phenylnitroethylens.<strong>Die</strong> bei der gleichartigen Addition an aliphatische Carbonylverbindungen entstehendenNitroalkohole, RCH(OH)CH 2 NO 2 , sind in der Kälte gegen Säure beständig.Beim Erhitzen mit Schwefelsäure werden sie allerdings wie alle Nitroalkane,auch sekundäre, über die aci-Form unter N 2 O- und H 2 O-Abspaltung in dieentsprechenden Aldehyde bzw. Ketone verwandelt (Nef-Reaktion). Nef hat die Reaktionbesonders in der Zuckerchemie zur Verlängerung einer Aldose um ein C-Atom


362 Kapitel VI. Reaktionen der Carbonylgruppe, Iangewandt. Das Zwischenprodukt A kann auch Wasser abspalten zur Hydroxamsäure,die zu Hydroxylamin und Carbonsäure hydrolysiert wird.^O H OHR—G—N" + H + > R-C=NOHH / OH / HR— C-N - > R-C/ OH+ HNOHX O OH(2HN(OH) 2 — > 3H 2 O + N 2 O)Aldolverknüpfung unter BasekatalyseDibenzalacetonCH 3 COCH 3 + 2C 6 H 5 CHO —^-> H 5 C 6 CH=CHCOCH=CHC 6 H 5 + 2H 2 OIn einem 250-ml-Weithalskolben löst man 10g Natriumhydroxid in 100 ml <strong>des</strong>t. Wasserund 80 ml Ethanol. Eine Mischung von 10,6 g frisch <strong>des</strong>tilliertem Benzaldehyd (10,1 ml,100 mmol) und 2,9 g reinem Aceton (3,7 ml, 50 mmol) wird im Laufe von 10 min portionsweisein diese mechanisch gerührte Lösung eingetragen; durch Einstellen <strong>des</strong>Kolbens in Wasser von Raumtemperatur leitet man die Reaktionswärme ab. Nach weiterem1 stdg. Rühren ist die kristalline Abscheidung <strong>des</strong> gelben Produkts beendet. Absaugen,gründliches Waschen mit Wasser und Trocknen führt zu 11,0-11,6 g Rohproduktvom Schmp. 106—108 0 C. Zur Reinigung kristallisiert man aus 45 ml Isopropanol um,wobei man im Eisbad kühlt, absaugt und mit wenig eiskaltem Isopropanol wäscht:10,0-10,5 g reines, bei 110-111 0 C schmelzen<strong>des</strong> Dibenzalaceton (86-90% d.Th.)-Aldolverknüpfung unter SäurekatalyseBenzalacetophenonC 6 H 5 COCH 3 + C 6 H 5 CHOH+ > C 6 H 5 COCH=CHC 6 H 5 + H 2 OIn einer 10O ml Waschflasche mischt man 10,6 g Benzaldehyd (10,1 ml, 0,1 mol), 12,0 gAcetophenon (0,1 mol, S. 423), beide frisch <strong>des</strong>tilliert, und 12 ml Eisessig. Unter guterAußenkühlung mit Eis und Eiswasser läßt man 90 min lang Chlorwasserstoff hindurchperlen,wobei man das entweichende Gas in Wasser einleitet (Rohr nicht eintauchen).


Mechanismus der Aldol-Verknüpfung 363<strong>Die</strong> dunkelbraune Lösung erstarrt bald zum Kristallbrei, den man nach Austauschen <strong>des</strong>Einleitungsrohrs gegen einen Stopfen mehrere h im Eisbad läßt. Am nächsten Tag gießtman in einen 250-ml-Schliffkolben, spült mit etwas Eisessig nach und befreit im Wasserstrahlvakuumvon Eisessig und Salzsäure, wobei man innerhalb von 30 min die Ölbadtemperaturauf 10O 0 C steigert. Beim weiteren Erhitzen innerhalb von 30 min bis auf15O 0 C, tritt Chlorwasserstoffabspaltung ein. Nach deren Abschluß läßt man erkaltenund entnimmt dem Kristallkuchen Impfmaterial, bevor man aus 110 ml 96 proz. Ethanolumkristallisiert. Durch langsames Erkalten und rechtzeitiges Animpfen vermeidet maneine Ölabscheidung. Nach Aufbewahren im Kühlschrank saugt man die hellgelben Kristalleab, wäscht mit wenig eiskaltem Alkohol und trocknet: 17-18 g Benzalacetophenonmit Schmp. 54—55 0 C (82-86%d. Th.).<strong>Die</strong> Aldolverknüpfung, zu Unrecht oft als Aldolkondensation bezeichnet, erhieltihren Namen vom Produkt <strong>des</strong> Zusammentritts zweier Acetaldehydmoleküle zu ß-Hydroxybutyraldehyd, das man Aldol genannt hat. <strong>Die</strong> Reaktion, die sowohl durchProtonen und Lewis-Säuren als auch durch Basen katalysiert wird und prinzipiellumkehrbar ist, hat allgemeine Bedeutung, sie findet zwischen Carbonylgruppen undsolchen Verbindungen statt, die eine acide CH-Gruppe enthalten. Ähnlich wie beider Cyanhydrinsynthese lagert sich das durch Einwirkung der Base entstandeneCarbanion an den Carbonylkohlenstoff an, für Acetaldehyd formuliert:H 3 C-CHO + OH- ,=*- ICH 2 -CHO + H 2 OH 3 C-CHO + - ICH 2 -CHO


364 Kapitel VI. Reaktionen der Carbonylgruppe, Ichenden Geruch erkennbar ist. Erwärmt man Acetaldehyd mit starker Lauge, so scheidetsich gelbes Aldehydharz aus.Auf die Bildung ähnlicher Stoffe durch voraufgehende Oxidation ist die Bräunungvon Ethylatlösungen und von ethylalkoholischem Kaliumhydroxid bei Luftzutrittzurückzuführen.<strong>Die</strong> katalytische Wirkung <strong>des</strong> Protons läßt sich durch eine Anlagerung an denCarbonylsauerstoff und Addition <strong>des</strong> Carbeniumions an die im Gleichgewicht vorhandeneEnolform beschreiben.H 3 CCH=O + H + CH 3 CHOHH / H H +/ HH 3 C-C + + H 2 C=C H 3 C-C-CH 2 -C " H+ > AldolOHOHOHOHBei der oben präparativ ausgeführten Reaktion von Benzaldehyd mit Acetophenonin Gegenwart eines großen HCl-Überschusses bildet sich durch Addition an die Doppelbindungdas kristallisierte /?-Chlorketon, das durch thermische HCl-Abspaltungin Benzalacetophenon übergeht.Verbindungen dieses Typs bezeichnet man auch als Chalkone. Ist o-ständig zumCarbonyl eine OH-Gruppe vorhanden, findet leicht Ringschluß zum Dihydroflavon(Flavanon) statt, einem Vertreter einer großen Klasse von Naturstoffen (Flavone,Flavonole, Anthocyane, Catechine).Aceton besitzt 2 aktivierte Methylgruppen und tritt mit 2 mol Benzaldehyd zumdoppelt ungesättigten, ebenfalls gelb gefärbten Keton Dibenzalaceton zusammen.Ohne Partner reagiert Aceton in Gegenwart von HCl-Gas zu Mesityloxid und Phoron,von Schwefelsäure zu Mesitylen (symm. Trimethylbenzol).Mit Formaldehyd als carbonylaktivem Partner finden Aldoladditionen besondersleicht statt. Mit Acetaldehyd reagiert er 3mal zum Trihydroxymethylacetaldehyd, der


Aldolverknüpfungen mit Formaldehyd 365durch ein weiteres Molekül zu Pentaerythrit reduziert wird. In äquimolaren Mengenreagieren beide Aldehyde miteinander zu /?-Hydroxypropionaldehyd, aus dem beieiner technischen Acroleinsynthese katalytisch Wasser abgespalten wird.C(CH 2 OH) 4 OCH 2 + H 3 CCHO " H2 ° > H 2 C=CHCHOPentaerythritAcroleinIn neuerer Zeit wird Acrolein technisch durch katalytische Oxidation von Propengewonnen.Eine Reaktion <strong>des</strong> gleichen Typs zwischen Nitromethan und 3 mol Formaldehydliefert Tris-hydroxymethylnitromethan, das durch Reduktion in Tris-hydroxymethylaminomethan,H 2 N—C(CH 2 OH) 3 übergeht, eine beim biochemischen Arbeitenzur Herstellung von Pufferlösungen beliebte Base (Tris-Puffer). Mit Aldehydenläßt sich auch die CH-aktive Chlormethylgruppe <strong>des</strong> Chloressigesters zur Reaktionbringen. Der entstehende a-Chlorester spaltet HCl ab unter Ausbildung <strong>des</strong>Epoxidrings. Man formuliere die Darzens-Glyci<strong>des</strong>tersynthese (vgl. auch S.407).Über zahlreiche weitere Reaktionen mit Carbanionen siehe Kapitel DC.<strong>Die</strong> Aldolreaktion hat ihre biochemische Parallele im intermediären Kohlenhydrat-Stoffwechsel. Durch das Enzym Aldolase wird spezifisch die Einstellung <strong>des</strong> Gleichgewichtszwischen Fructose-l,6-diphosphat und den Triosephosphaten Glycerinaldehyd-3-phosphatund Dihydroxyacetonphosphat katalysiert.H 2 O 3 P-O-CH 2 H 2 O 3 P-O-CH 2COCOIIHOCH HOCHI2 ^HCOH ' H C OIIHCOHHCOHIIH 2 O 3 P-O-CH 2 H 2 O 3 P-O-CH 2<strong>Die</strong> Transaldolase überträgt Dihydroxyacetonphosphat auch auf andere Aldosen.Im Zusammenwirken mit Transketolase (Mechanismus siehe S. 380) besorgt sie imOrganismus den wechselseitigen Übergang von Hexosen in Pentosen und vice versa.Näheres, auch über ähnliche Vorgänge bei der Synthese von Kohlenhydraten in derPflanze siehe in den Biochemiebüchern.


366 Kapitel VI. Reaktionen der Carbonylgruppe, IWeiterführende Literatur zu Kapitel VlH. Meerwein, Herstellung und Umwandlung von Acetalen, Methoden der <strong>organischen</strong> Chemie(Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl., Bd. 6/3, S. 199, Thieme, Stuttgart 1965.O. Bayer, Acetale, Methoden der <strong>organischen</strong> Chemie (Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl., Bd. 7/1,S. 417, Thieme, Stuttgart 1954.A. Schöberl und A. Wagner, Methoden zur Herstellung und Umwandlung von Mercaptalen undMercaptolen, Methoden der <strong>organischen</strong> Chemie (Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl., Bd. 9, S. 195,Thieme, Stuttgart 1955.D. Seebach, Nucleophile Acylierung mit 2-Lithium-l,3-dithianen bzw. -1,3,5-thrithianen, Synthesis1969, 17.R. Tiollais, Sur les aldimines derives <strong>des</strong> aldehy<strong>des</strong> acycliques; Preparation et proprietes physiquesd'aldimines, Bull. Soc. Chim. Fr. 1947, 715.J. Szmuszkovicz, Enamines, Adv. Org. Chem. 4, l (1963).S. Hünig und H. Hoch, Acylierung von Enaminen, Fortschr. Chem. Forsch. 14, 235 (1970).A. Hochrainer, <strong>Die</strong> synthetische Bedeutung der Enamine, Österr. Chem. Ztg. 66, 355 (1965).A.G. Cook, Enamines: Synthesis, Structure and Reactions, Marcel Dekker, New York undLondon 1969.L. G. Donaruma und W. Z. Heldt, The Beckmann Rearrangement, Org. React. 11, l (1960).R. Schröter, Mannich-Reaktion, Methoden der <strong>organischen</strong> Chemie (Houben-Weyl-Müller),4. Aufl., Bd. 11/1, S. 731, Thieme, Stuttgart 1957.FF. Blicke, The Mannich Reaction, Org. React. /, 303 (1942).B. Reichert, <strong>Die</strong> Mannich-Reaktion, Springer Verlag, Berlin, Göttingen und Heidelberg 1959.H. O. House, The Mannich Reaction, Modern Synthetic Reactions, 2. Aufl., S. 654, W. A. Benjamin,Menlo Park 1972.H. Hellmann und G. Opitz, Aminomethylierung, Eine Studie zur Aufklärung und Einordnungder Mannich-Reaktion, Angew. Chem. 68, 265 (1956).H. Hellmann und G. Opitz, a-Aminoalkylierung, Verlag Chemie, Weinheim 1960.M. Tramontini, Advances in the Chemistry of Mannich Bases, Synthesis 1973, 703.H. Böhme und M. Haake, Methyleniminium Salts, Adv. Org. Chem. 9, 107 (1976).P. Kurtz, Anlagerung von Cyanwasserstoff an Kohlenstoff-Sauerstoff-Doppelbindungen (a-Oxynitrile), Methoden der <strong>organischen</strong> Chemie (Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl., Bd. 8, S. 274,Thieme, Stuttgart 1952.P. Kurtz, Anlagerung von Cyanwasserstoff an Kohlenstoff-Sauerstoff-Doppelbindungen in Gegenwartvon Aminen (a-Amino-nitrile), Methoden der <strong>organischen</strong> Chemie (Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl., Bd. 8, S. 279, Thieme, Stuttgart 1952.M. L. Moore, The Leuckart Reaction, Org. React. "5, 301 (1949).F. Möller und R. Schröter, Reduktion mit Ameisensäure (Leuckart-Wallach-Reaktion), Methodender <strong>organischen</strong> Chemie (Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl., Bd. 9/1, S. 648, Thieme, Stuttgart1957.W. S. Emerson, The Preparation of Amines by Reductive Alkylation, Org. React. 4,174 (1948).W. Teilacker, Spaltung von Racematen, Methoden der <strong>organischen</strong> Chemie (Houben-Weyl-Müller), 4. Aufl., Bd. 4/2, S. 509, Thieme, Stuttgart 1955.5. H. Wilen, Resolving Agents and Resolutions in Organic Chemistry, Topics in Stereochem. 6,107(1971).S. H. Wilen, A. Collet und J. Jacques, Strategics in Optical Resolutions, Tetrahedron 33, 2725(1977).A. W. Ingersoll, The Resolution of Alcohols, Org. React. 2, 376 (1944).G. Blaschke, Chromatographie Racemattrennung, Angew. Chem. 92, 14 (1980).


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VII. Reaktionen der Carbonylgruppe, II.Experimente:Perkinsche Synthese. ZimtsäureErlenmeyer Synthese. D,L-PhenylalaninPhenolharz4-Methyl-7-hydroxycumarinl,l-Di(/?-chlorphenyl)-2,2,2-trichlorethanCannizzaro-Reaktion <strong>des</strong> BenzaldehydsBenzoin; BenzilButyroinVersuch: DibutyrylosazonVersuch: BenzilosazonVersuch: Ketyl <strong>des</strong> BenzoinsBenzilsäurePinakol aus Aceton und IsopropanolVersuch: GlucosazonVersuch: Reduzierende WirkungVersuch: DünnschichtchromatographieVersuch: PentatrimethylsilylglucoseD-Glucose aus Saccharoseß-Pentacetyl-D-glucose und Tetraacetyl-a-brom-D-glucoseD-Galactose aus Lactose. SchleimsäureOctacetylcellobiose und Cellobiose aus Cellulose


VII. Reaktionen der Carbonylgruppe, II.Zimtsäure und Phenylalanin 371Einige aldolartige KondensationenPerkinsche Synthese, ZimtsäureC 6 H 5 CHO + (CH 3 CO) 2 Opu r*r\ —3 2 > C 6 H 5 CH=CHCO 2 H + CH 3 CO 2 H21 g (0,2 mol) Benzaldehyd, 30 g (0,3 mol) Essigsäureanhydrid, beide frisch <strong>des</strong>tilliert,und 10g pulverisiertes, frisch entwässertes Natriumacetat (vgl. S. 309) 1 werden ineinem Kolben, welcher mit einem weiten, etwa 80 cm langen Steigrohr verbunden ist,8 h lang in einem Ölbad auf 18O 0 C erhitzt. Dann gießt man das heiße Reaktionsgemischin einen größeren Kolben, spült mit Wasser nach und leitet so lange Wasserdampf hindurch,bis kein Benzaldehyd mehr übergeht. Man verwendet hierbei so viel Wasser, daßsich die Zimtsäure bis auf einen kleinen Rest einer öligen Verunreinigung in Lösung befindet.Anschließend kocht man die Lösung noch kurze Zeit mit wenig Tierkohle undsaugt auf einer heißen Nutsche ab. Beim Abkühlen scheidet sich die Zimtsäure in glänzendenBlättern ab. Sollte sie nicht sofort den richtigen Schmelzpunkt besitzen, kristallisiertman sie noch einmal aus heißem Wasser um. Schmp. 133 0 C; Ausbeute etwa 10g (ca.35%d.Th.).Erlenmeyer-Synthese, D,L-PhenylalaninH 2 C-COC 6 H 5 CONHCH 2 CO 2 H —(CH 3 CQ) 2 Q > N QC 6 H 5H 2 C-COX C—CO/ \C 6 H 5 CHO + N O >/ \N OX C \IIPU^6 n 5PUU 6 M 5Hl/^ >C 6 H 5 CH 2 CH(NH 2 )CO 2 HAzlacton: In einem Kolben mit Rückflußkühler und Calciumchloridrohr erhitzt man unterhäufigem Umschütteln auf dem siedendem Wasserbad das Gemisch aus 17,9 g (0,1 mol)Hippursäure (siehe S. 636), 8,2g wasserfreiem Natriumacetat (siehe S. 309), 30,6g1 Käufliches „wasserfreies" Na-acetat kann störende Mengen Wasser enthalten.


372 Kapitel VII. Reaktionen der Carbonylgruppe, IIAcetanhydrid und 10,6g (0,1 mol) Benzaldehyd (frisch <strong>des</strong>tilliert). Nach etwa 10minlöst sich der Kolbeninhalt zu einer tiefgelben Flüssigkeit, aus der sich bald Kristalle abscheiden.Man erhitzt noch eine Stunde weiter, läßt erkalten, gibt 10 ml Alkohol zu undsaugt ab. Den Rückstand wäscht man auf dem Filter nacheinander mit 15ml kaltemAlkohol und 50 ml heißem Wasser.Das Produkt ist genügend rein zur Weiterverarbeitung auf Phenylalanin. Ausbeute:18g, Schmp. 165 0 C.D, L-Phenylalanin: 10g <strong>des</strong> Azlactons werden in 1OmI Eisessig und 50 ml 40% Jodwasserstoffsäure (die handelsübliche ist genügend rein) unter Zusatz von 3 g rotemPhosphor anderthalb bis zwei h am Rückfluß gekocht. Dann läßt man das Reaktionsgemischauf etwa 7O 0 C abkühlen, saugt vom Phosphor ab und wäscht mit 10 ml heißemEisessig nach. <strong>Die</strong> vereinigten Filtrate dampft man im Vakuum zur Trockne ein, fügt zumRückstand 50 ml Wasser und dampft erneut ein. Zum trocknen Rückstand gibt man 10O mlWasser und 100 ml Ether und schüttelt so lange, bis sich alles gelöst hat. <strong>Die</strong> abgetrenntewässerige Phase wird zur vollständigen Entfernung der Benzoesäure dreimal mit je 60 mlEther gewaschen. <strong>Die</strong> ganz schwach gelbliche wässerige Phase wird auf 50 ml eingeengt,mit wenig Aktivkohle aufgekocht, klarfiltriert und mit konz. Ammoniaklösung auf einenpH von 5—6 gebracht. Beim Abkühlen scheidet sich das Phenylalanin in farblosen Blättchenab. Sie werden aus der kalten Lösung abgesaugt und mit 15 ml kaltem Wasser gewaschen.Ausbeute: 4,5g (67%d.Th.). Reinheitsprüfung am besten papier- oder dünnschichtchromatographisch;der Zersetzungspunkt ist stark von der Erwärmungsgeschwindigkeitabhängig.Beiden beschriebenen Präparaten ist gemeinsam, daß ein aromatischer Aldehydunter Wasserabspaltung mit einer aktiven Methyl(en)gruppe reagiert. Bei der Perkin-Reaktion ist es die Methylgruppe <strong>des</strong> Acetanhydrids, bei der Erlenmeyer-Synthesedie Methylengruppe <strong>des</strong> Azlactons, die beide unter der katalytischen Wirkung <strong>des</strong>basischen Acetations als Carbanionen an die CO-Gruppe <strong>des</strong> Aldehyds angelagertwerden. In beiden Fällen spaltet sich wegen <strong>des</strong> benachbarten Benzolkerns und <strong>des</strong>überschüssigen Anhydrids aus den primären Addukten Wasser ab.<strong>Die</strong> Zimtsäure, die hier nachVers. ^H: + (H 3 CCO) 2 OOH\ =CXCO 2 HC 6 H 5Hentsteht, hat die E- (oder /ra^-)Konfiguration. <strong>Die</strong> energiereichere isomere Z- (oderds-)Form (Allozimtsäure) kommt neben der Irans-Verbindung im Pflanzenreich vor.Synthetisch wird sie durch partielle katalytische Hydrierung von Phenylpropiolsäure,


Perkinische und Erlenmeyer-Synthese 373C 6 H 5 C=CCOOH, erhalten, die ihrerseits auf dem Weg einer allgemeinen Alkinsynthese(siehe S. 216), durch doppelte HBr-Abspaltung aus 2,3-Dibrom-3-phenylpropionsäurezugänglich ist.<strong>Die</strong> Doppelbindung der Zimtsäure ist durch die Nachbarschaft <strong>des</strong> Benzolringserheblich reaktionsfähiger als eine isolierte. Sie läßt sich durch Na-amalgam in verdünnterLauge reduzieren (S. 510), lagert spielend leicht Brom unter Bildung der ebengenannten Dibromverbindung an und dimerisiert sich, wie auf S. 207 ausgeführt ist,beim Belichten zu den Truxillsäuren. Durch Decarboxylierung von Zimtsäure entstehtStyrol.Bernsteinsäureanhydrid ist der Kondensation an seinen beiden CH 2 -Gruppen zugänglich.Mit ungesättigten Aldehyden wie Zimtaldehyd und Blei(II)-oxid als Baseentstehen mehrfach ungesättigte Dicarbonsäuren. Polyensynthese (R. Kühn).In der Malonsäure ist die Methylengruppe reaktionsfähiger als im Essigsäureanhydrid.Sie läßt sich daher nach Knoevenagel und Doebner unter milderen Bedingungen,z. B. in Pyridin mit Aldehyden kondensieren. <strong>Die</strong>s ermöglicht eine Übertragungder Perkinschen Reaktion in die aliphatische Reihe, wie die Synthese der Crotonsäureaus Acetaldehyd zeigt:H 3 CCHO + CH 2 (CO 2 H) 2 > CH 3 CH=C(CO 2 H) 2" C ° 2 > CH 3 CH=CHCO 2 HMalonyl-Coenzym A ist auch bei der biologischen Fettsäuresynthese die aktiveMethylenkomponente.Erlenmeyer-Synthese. Hippursäure wird durch Essigsäureanhydrid zum Azlacton2-Phenyl-5-oxazolon dehydratisiert. Dessen reaktionsfähige Methylengruppe lagertsich nach Deprotonierung an den aromatischen Aldehyd unter Bildung <strong>des</strong> Benzyliden-Azlactons4-Benzyliden-2-phenyl-5-oxazolon an. Von den verschiedenen Möglichkeitenzur Hydrierung der exocyclischen Doppelbindung und zur Hydrolyse <strong>des</strong>Ringes wird in dem oben beschriebenen Präparat für beide Schritte lodwasserstoffeingesetzt. <strong>Die</strong> Hydrolyse vor der Hydrierung gibt über eine unbeständige a-Aminozimtsäureeine a-Keto-carbonsäure; hier würde Phenylbrenztraubensäure entstehen.<strong>Die</strong> Erlenmeyer-Reaktion läßt sich nicht auf aliphatische Aldehyde übertragen,gut hingegen reagiert Aceton. Synthese von Dimethylbrenztraubensäure und Valin.L-Phenylalanin gehört zu den normalen Proteinbausteinen. Wegen seiner Verwandtschaftmit dem Tyrosin (p-Hydroxyphenylalanin) und damit zum Adrenalin,Thyroxin und den Melaninen sowie dem Isochinolinring in zahlreichen Alkaloidenverdient es besondere Beachtung.


374 Kapitel VII. Reaktionen der Carbonylgruppe, IIH 2 C-CO 2 H C 6 H 5 CH 2 C 6 H 5 CH 2 CHCO 2 HI \ IHN HC-CO NH 2\ / \ +CO NX O -^ C 6 H 5 CO 2 HC 6 H 5-H,0CC 6 H 5'HI/PN o C 6 H 5 CHO ^ C 6 H 5 CH^ H 2 O > C 6 H 5 CH 2 COCO 2 H\/ /°~ C \ " +NH 3 + C 6 H 5 CO 2 Hi u N OCeH 5 % /CIC6H 5Phenolharza) In einem 50 ml Rundkolben mit Schliff werden 9,4 g (0,1 mol) kristallisiertes Phenolin 6,5 g 40proz. Formalinlösung (0,08 mol) aufgelöst. Man setzt 0,2 ml 6N Salzsäure zuund erwärmt in einem Wasserbad unter Umschütteln bis die Innentemperatur 6O 0 C erreichthat. <strong>Die</strong> nun einsetzende exotherme Polykondensation wird durch Entfernen <strong>des</strong>Kolbens aus dem Wasserbad gemildert. Anschließend beläßt man den Kolben noch30 min im siedenden Wasserbad. Von den zwei Schichten wird die obere wässerige abgegossenund das flüssige Harz bei 10O 0 C Außentemperatur nach Anlegen eines gutenWasserstrahlvakuums durch Ab<strong>des</strong>tillieren aller flüchtigen Bestandteile getrocknet. Zurückbleibtein zwischen 50 und 8O 0 C erweichender fast farbloser „Novolack", der nochheiß in ein geeignetes Gefäß gegossen wird. Beim Abkühlen erstarrt er zu einer colophoniumartigenMasse, die man, ohne daß sie härter wird, viele Stunden auf 15O 0 C erhitzenkann. Erhitzt man jedoch unter Zusatz von Hexamethylentetramin (Härter), wirdein stark vernetztes, völlig unlösliches Produkt erhalten.b) Der Versuch wird mit derselben Phenolmenge, aber einem Formaldehydüberschuß(16g Formalinlösung, 0,2 mol) wiederholt. Das hierbei erhaltene Harz (ein „Resit")zeigt einen bedeutend höheren Erweichungspunkt und ist nahezu in allen Lösungsmittelnunlöslich.c) Aus dem Ansatz wie unter b), aber mit 0,2 ml 2N Natronlauge erhält man ein rotbraunesProdukt, das sich in wässerigen Laugen auflöst und beim Zusatz von verdünntenSäuren wieder ausfällt. Beim Erhitzen auf über 15O 0 C erhärtet es ohne Zusatz andererStoffe (Resol).Phenolharze, die ersten durch Druck und Hitze härtbaren Kunststoffe (Bakelite)lassen sich nicht nur aus Phenol, sondern auch aus substituierten Phenolen (Kresolen,Resorcin usw.) und nicht nur mit Formaldehyd, sondern auch mit anderen Aldehyden,

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