Waiblingen

Spiegel-Bestseller: Luis Sellano mordet wieder

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Oliver Kern alias Luis Sellano. © Sarah Utz

Waiblingen. Luis Sellano hat es wieder geschafft: Auch sein zweiter Lissabon-Krimi „Portugiesische Rache“ steht auf der Spiegel-Bestsellerliste „Paperback Belletristik“, Platz 12. Bürgerlich heißt der literarische Serienkiller Oliver Kern und wohnt in Hohenacker.

Exotische Leckereien, malerische Winkel, erlesene Morde; all das darf nicht fehlen in einem Urlaubskrimi – Luis Sellano schafft es, das dreifache Branchengesetz bereits in den ersten Zeilen seines neuen Werkes vollumfänglich zu erfüllen: „Henrik Falkner drückte die Hände auf den Bauch des Mannes, der drei Stunden zuvor ein Buch bei ihm gekauft hatte. Blut quoll zwischen seinen Fingern hervor. Warm pulsierte es aus der Stichwunde gegen seine Handfläche. Dunkel wie Portwein und klebrig wie der Kirschlikör, den sie unten am Largo de Sao Domingos ausschenkten.“ So schmeckt der Süden!

Kerns erster Band, „Portugiesisches Erbe“

Vor einem Jahr, pünktlich zur Ferienlektürezeit, erschien Kerns erster Band, „Portugiesisches Erbe“. Ein Deutscher erbt ein Antiquariat in Lissabon, im Gerümpel des Ladens verbergen sich reihenweise Hinweise auf ungelöste Verbrechen: Der Keim einer ganzen Serie war gelegt. Weil aber ein Lissabon-Krimi von Oliver Kern marketingstrategisch ungefähr so überzeugend wäre wie ein mit Maultaschen, Fachwerkhäuschen und Steuobstwiesen ausstaffierter Schwaben-Reißer von Humberto de la Suebio Arcitecto y Gastro, verpasste der Autor sich auf Wunsch des Heyne-Verlages ein authentisch lusitanisch klingendes Pseudonym.

Morde und Romantik

„Portugiesische Rache“ serviert wieder ein hübsch verzinktes Mordrätsel, das bis in die Zeit der faschistischen Salazar-Diktatur zurückreicht. Etwas Romantik gibt es auch: „Sie küsste ihn auf den Mundwinkel, drehte sich um und eilte davon, hinein in den Schatten der Pinien, wo die Dunkelheit sie verschluckte. Kurz danach verhallten auch ihre Schritte. Es schmerzte.“

Ein kriminalistischer Stadtführer

Vor allem aber handelt dieses Buch vom Reiseziel Lissabon – wäre die Welt gerecht, müsste das dortige Fremdenverkehrsamt Oliver Kern eine Rente auf Lebenszeit bezahlen. Unser Held frühstückt Galao (portugiesischen Milchkaffee) und Torrada (getoastetes Weißbrot mit Butter), fährt mit der Ascensor da Bica (Standseilbahn), besucht den Cemiterio dos Prazeres (Friedhof), bummelt über den Feira da Lada (Flohmarkt) und genießt natürlich ein Fado-Konzert. Manchmal treibt Sellano es ein bisschen bunt mit der Aufzählung von Kirchen, Brücken, Gassen und sogar Bushaltestellen am Wegesrand: Wenn Mörderjäger Falkner die Rua de Voz de Operario nimmt und den Hügel zur Igreja e Convento de Graca erklimmt, um sich in den Park Jardim Augusto Gil zu begeben, müsste der Leser womöglich nicht unbedingt auch noch wissen, dass es von hier aus nur „ein paar Schritte zum Miradouro Sophia de Mello Breyner Andresen“ sind.

Auf dem Urlaubskrimimarkt etabliert

Aber was soll’s, „Portugiesische Rache“ liest sich wie der Vorgänger süffig weg, Kern-Sellano hat sich damit endgültig etabliert auf dem Urlaubskrimimarkt. Band drei erscheint nächsten Sommer. Welche Potenziale darüber hinaus in dieser Lissabon-Saga schlummern, offenbart ein Blick auf andere erfolgreiche Produktlinien blutiger Serienfertigung...

Reisewarnung für Frankreich

„Bretonische Verhältnisse“, „Bretonische Brandung“, „Bretonisches Gold“, „Bretonischer Stolz“, „Bretonische Flut“: Diesen Fünferpack hat Jean-Luc Bannalec verfasst; seine Nachbarn in Frankfurt kennen ihn als Jörg Bong. Jean Jacques Laurent ist „Elsässer Sünden“, „Elsässer Versuchungen“ und „Elsässer Erbschaften“ auf der Spur, wann immer er sich nicht als Jan Beinßen um die Öffentlichkeitsarbeit bei der Nürnberger Flughafen-Gesellschaft kümmert. Weiter südlich treibt Christine Cazon – Christine Dreher – ihr tödliches Unwesen: „Mörderische Côte d’Azur“, „Intrigen an der Côte d’Azur“, „Stürmische Côte d’Azur“, „Endstation Côte d’Azur“. Sophie Bonnet hat nicht nur „Provenzalisches Feuer“, „Provenzalische Geheimnisse“ „Provenzalische Verwicklungen“ und „Provenzalische Intrige“ geschrieben, sondern als Heike Koschyk, Heilpraktikerin, auch ein Buch über Bachblütentherapie. „Tod in der Provence“ und „Blutrote Provence“ sind von Pierre Lagrange (vulgo Sven Koch, Redakteur der Lippischen Landeszeitung in Detmold). Die Krimis von Jean Bagnol (hinter dem sich ein Hamburger Ehepaar verbirgt) und Pierre Martin (noch ein Deutscher mit nach Frongkraisch duftendem Alias) spielen erstens in der Provence und zweitens: in der Provence. Wohingegen „Der bretonische Wolf“ (Untertitel: „Ein Bretagne-Krimi“) und „Der bretonische Teufel“ (Untertitel: „Ein Bretagne-Krimi“) von Sanni Aran (auch ein Pseudonym) angesiedelt sind in der ... Sie ahnen es. Weshalb wir eine Reisewarnung aussprechen müssen: Meiden Sie Frankreich! Die Wahrscheinlichkeit, dort massakriert zu werden, liegt bei 263 Prozent.

Meuchler auf Platz sechs

Im Vergleich ist Portugal ein friedlicher Landstrich. Noch. Denn auch hier gehen in jüngster Zeit verstärkt die Meuchler um: Auf Platz sechs der Spiegel-Bestsellerliste und damit vor Sellanos „Portugiesischer Rache“ rangiert „Lost in Fuseta – Ein Portugal-Krimi“ von Gil Ribeiro. Senhor Ribeiro wohnt nur 17 allerdings wegen des Nadelöhrs Remseck stauanfällige Kilometer von Oliver Kern entfernt in Asperg. Auf seinem Klingelschild steht Schmidt.

Und sonst

Im Brotberuf arbeitet Oliver Kern, 48, beim Verkehrsverbund Stuttgart. Im nächsten Jahr bringt er beim Heyne-Verlag nicht nur als Luis Sellano einen weiteren Lissabon-Krimi heraus, sondern auch unter seinem Klarnamen den ersten Band einer neuen Reihe: „Eiskalter Hund – Fellingers erster Fall“. Fellinger, ein kerniger Grantler, arbeitet als Lebensmittelkontrolleur im Bayerischen Wald. Eines Tages beschwert sich ein anonymer Anrufer über das chinesische Restaurant im Bezirk. Vor Ort im Kühlhaus findet Fellinger einen toten Hund am Haken. Heikel wird die Sache, als sich herausstellt, dass die Halterin verschwunden ist...