Mit rund 60 Prozent Sonnenmasse wird Gliese 710 nicht spurlos durch die Oort'sche Wolke rasen.

Illustr.: Nasa

Posen/Wien – Ende 2013 brach der europäische Satellit Gaia zu einer astronomischen Vermessungsmission auf, inzwischen hat er Daten über Positionen und Helligkeiten von mehr als einer Milliarde Sterne gesammelt und die bislang umfangreichste Karte des Sternenhimmels erstellt. Auf Basis dieser Daten haben polnische Forscher nun ein Szenario neu berechnet, das in etwa 1,35 Millionen Jahren Aufruhr in unser Sonnensystem bringen wird.

Wie Filip Berski und Piotr Dybcznski von der Adam-Mickiewicz-Universität Posen in Astronomy & Astrophysics berichten, dürfte uns der Stern Gliese 710 dereinst noch deutlich näherkommen als bisher angenommen. Nach ihren Berechnungen wäre er bei seiner größten möglichen Annäherung nur etwa 77 Lichttage oder 13.365 Astronomische Einheiten von unserer Sonne entfernt (eine Astronomische Einheit entspricht dem mittleren Abstand zwischen Erde und Sonne).

Reise durch die Oort'sche Wolke

Das mag immer noch recht weit weg erscheinen, doch in dieser Distanz würde der derzeit 64 Lichtjahre entfernte Gliese 710 die Oort'sche Wolke gehörig aufmischen. Denn durch diese Region, die vermutlich Milliarden von Kometen beherbergt, würde die Reiseroute des Sterns führen. Mit etwa 60 Prozent der Sonnenmasse würden seine Gravitationskräfte heftige Auswirkungen zeitigen.

Die Folge wäre ein mehrere Millionen Jahre andauernder Kometenregen ins Innere des Sonnensystems – und möglicherweise auch Einschläge auf der Erde. "Aus unseren Berechnungen geht hervor, dass kein anderes Objekt in den nächsten zehn Millionen Jahren einen solchen Einfluss auf die Oort'sche Wolke ausüben wird", schrieben die Forscher.

Vorläufige Prognosen

Der einzige bekannte Stern, der in astronomischen Maßstäben nahe an der Sonne vorbeischrammen wird, ist Gliese 710 freilich nicht. Derzeit steht ein gutes Dutzend weiterer Sterne mit Abständen von unter drei Lichtjahren auf der Besucherliste. Hinzukommen könnten aber auch bisher unbekannte Rote Zwerge, die theoretisch sogar noch näher an der Sonne dran sein könnten.

Dass Gliese 710 einmal an der Sonne vorbeiziehen wird, hatte der namensgebende deutsche Astronom Wilhelm Gliese schon vor Jahrzehnten konstatiert. Der bisher vermutete Mindestabstand war jedoch fünfmal größer als jener, den Berski und Dybcznski nun berechneten. Von der Erde aus gesehen, wäre der Stern in 1,35 Millionen Jahren das hellste und schnellste Objekt am Nachthimmel. Ob ihn dann aber jemand sehen wird, ist ein anderes Thema. (David Rennert, 28. 12. 2016)