Grenchen
Neue Dienstwaffe bringt mehr Sicherheit für die Stadtpolizei

Die Stadtpolizei Grenchen wird mit einer neuen Pistole ausgerüstet. Wir waren beim Einschiessen auf dem Pistolenstand Bettlach dabei.

Andreas Toggweiler
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Die bisherige Dienstwaffe der Grenchner Stadtpolizisten vom Modell SIG-Sauer ist seit 17 Jahren im Einsatz. Laut Polizeikommandant Christian Ambühl ist es bei dieser Pistole in letzter Zeit häufiger zu Funktionsstörungen gekommen. Auch wenn sich im Korps der Stadtpolizei heute niemand (vgl. Kasten unten) an einen Schusswaffeneinsatz erinnern kann: die Dienstwaffe des Polizisten muss im Notfall zu 100 Prozent einsatzbereit sein.

Deshalb hat man sich für eine Neubeschaffung entschieden. Denn geschossen wird mit der Dienstwaffe viel. Drei bis viermal pro Monat ist Schiesstraining angesagt, damit die Handhabung der «ultima ratio» im Polizeialltag den Polizistinnen und Polizisten in Fleisch- und Blut übergeht. «Etwa 800 Schuss werden pro Jahr zu Trainingszwecken abgegeben, was sich bei diesen Pistolen nun auf 15 000 bis 18 000 Schuss aufsummiert hat», erläutert Korpsmitglied Benjamin Fusina. Er wurde vom Kommandanten als Projektleiter für die Waffenbeschaffung eingesetzt und ist zurzeit daran, seine Kolleginnen und Kollegen an der neuen Waffe auszubilden.

Massgeschneidert für den Polizeialltag

Bei der neuen Waffe handelt es sich um eine Glock 17 MOS (5. Generation), ein österreichisches Produkt, das speziell auf die Bedürfnisse von Polizei und Militär zugeschnitten ist. Es werde zunehmend von Polizeikorps beschafft, wie Ambühl anmerkt. «Die Waffe verfügt beispielsweise über eine eingebaute Taschenlampe, damit der Polizist die Waffe mit beiden Händen halten kann, was im Ernstfall eine präzisere Schussabgabe ermöglicht», erklärt Ambühl.

Das Modell mit Kaliber 9mm wurde zudem in einer Ausführung mit einem so genannten Rotpunkt-Visier beschafft. Ein roter Lichtpunkt auf einer Visierscheibe zeigt dem Schützen genau, wo die Kugel landet. Damit kann man beide Augen offen behalten beim Schiessen. "Das ist ein grosser Gewinn, wenn man die Umgebung nicht aus den Augen verliert", meint Ambühl. Das optionale zusätzliche Sicherheitsfeature kostet allein 450 Fr., so dass die gesamte neue Dienstwaffe auf rund 1200 Fr. zu stehen kommt. Ein moderater Betrag, wenn man an die zusätzliche Sicherheit der Polizistinnen und Polizisten denkt.

Gesamtes Korps wird ausgerüstet

22 Stück vom Typ Glock 17 MOS wurden somit für das gesamte Grenchner Polizeikorps beschafft, dazu sechs weitere so genannte FX-Waffen, Modelle, die nur ungefährliche Übungsmunition verschiessen und dafür umso nützlicher sind für Trainingssituationen.

Die Glock 17 ist auch mit dem grösseren Magazin von 17 Schuss kaum schwerer als das Vorgängermodell, was für den Polizeialltag wichtig ist. Denn auch ein volles Reservemagazin ist stets dabei. «Nicht weil wir so viel Munition bräuchten, aber für den Fall einer technischen Störung», wie Ambühl festhält. Auch wenn die Batterie oder die Elektronik für das Rotpunktvisier einmal ausstiege, kann man beim Modell immer noch über Kimme und Korn zielen.

Sicherheit geht vor

Sicherheit geht vor. Das ist die Devise von Polizeikommandant Christian Ambühl. Beseelt von diesem Gedanken hat Ambühl als erster Polizeichef im Kanton Taser (Elektroschockgeräte) beschafft, die auf Streife auch mitkommen, da zurzeit keine Kantonspolizisten dabei sind. Brenzlige Situationen können damit ohne Schusswaffengebrauch angegangen werden, so Ambühls Überzeugung. Auf dass die Grenchner Polizistinnen und Polizisten ihre neue «Glock» auch im Ernstfall bis zuletzt Holster lassen können.

Wildwest-Szene von anno dazumal

Heute ist es in der Schweiz undenkbar, dass ein Polizist am helllichten Tag mitten in der Stadt auf einen flüchtenden Einbrecher schiesst. Doch genau das soll sich in Grenchen auf dem Postplatz in den 60er Jahren zugetragen haben. Der Schütze war René Berthoud, gelernter Bildhauer, Kunstliebhaber und Mitbegründer des städtischen Fotoclubs. Bei Jung und Alt ein beliebter Zeitgenosse. Was den Dienst bei der Stadtpolizei angeht, so war Berthoud alles andere als der gestählte Gesetzeshüter, wie man ihn sich weiland vorstellt. Er war ein rundlicher, gemütlicher, väterlicher Typ.

Der Lokalhistoriker, Rainer Walter, erinnert sich: «René war der liebenswürdigste Mensch in Polizeiuniform, den ich kannte. Legendär war seine Unfähigkeit, den Verkehr zu regeln, was öfter für Chaos sorgte.» Das habe ihm den Spitznamen «Karajan der Löwenkreuzung» eingebracht. Berthouds Fähigkeiten lagen im Umgang mit der Waffe. «Im Schiessen war er phänomenal», so Walter. Bei den Polizei-Europameisterschaften habe Berthoud mit der Pistole den Meistertitel geholt.

An jenem Schicksalstag sei dem Polizisten auf dem Postplatz ein Mann aufgefallen, der sich in verdächtiger Art an parkierten Autos zu schaffen machte, erzählt Walter. Dabei betont er, dass er selbst nicht Augenzeuge der Ereignisse war, sondern sich auf das stützt, was in der Stadt erzählt wurde. In Beamtenmanier habe Berthoud den Mann aufgefordert, das «gfätterle» zu unterlassen.

Dieser sei frech geworden und habe den Polizisten provoziert. «Offenbar hatte der Typ Einbruchswerkzeug bei sich», sagt Walter. Berthoud habe ihn zu sich befohlen, und als das ebenfalls nichts nützte, zog er die Waffe. Der Einbrecher habe das wohl erst für eine leere Drohung gehalten, doch sich plötzlich trotzdem zur Flucht entschlossen – just als der Polizist schoss. «Statt in die Wade traf die Kugel den Mann in die Ferse und bohrte sich der Länge nach durch den Unterschenkel», erzählt Walter. Welche Konsequenzen die «Wildwest-Szene» für den Stadtpolizisten hatte, weiss Walter nicht. Doch eine Belobigung habe es aus England gegeben. «Dort wurde der Mann nämlich wegen zahlreicher Einbrüche gesucht.»

Daniela Deck