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  4. Nach dem Verkauf der Privatsammlung Essl an einen Unternehmer sind die Sahnestücke gestern bei Christie’s in London versteigert worden

Kunst und Architektur Essl-Auktion

Lukrativer Griff nach den leckersten Krümeln

Gerhard Richter, „Wolken (Fenster)“, 1970 Gerhard Richter, „Wolken (Fenster)“, 1970
Gerhard Richter, „Wolken (Fenster)“, 1970
Quelle: dpa/EPA/CHRISTIES AUCTION/bl
Die besten Bilder sind jetzt weg: Nach dem Verkauf der Sammlung Essl an einen österreichischen Unternehmer kamen die Sahnestücke von Polke bis Baselitz bei Christie’s in London unter den Hammer.

Ein chirurgischer Schnitt sollte das Überleben des Privatmuseums Essl in Klosterneuburg bei Wien sichern helfen. Das Londoner Auktionshaus Christie’s hatte 44 der finanziell attraktivsten Arbeiten aus der insgesamt 4900 Werke umfassenden Sammlung ausgesucht, um sie zum Auftakt der Kunstwoche um die Messe Frieze zu versteigern.

Die Sammlung war 1999 von Karlheinz Essl gegründet worden. Ihre Zukunft stand aber nach dem finanziellen Einbruch seiner Baumarktkette „Baumax“ infrage. Anfang April hatte der Staat Österreich den Ankauf der Sammlung Essl für den Wert von 86 Millionen Euro abgelehnt. Im September sprang der Tiroler Unternehmer Hans Peter Haselsteiner ein. Mit rund 110 Millionen Euro wurden zunächst die betroffenen Gläubigerbanken abgefunden. Haselsteiner erwarb 60 Prozent der Sammlung, 40 Prozent verbleiben bei der Familie Essl.

60 Millionen Euro für die besten Werke der Sammlung Essl

Zur Refinanzierung schöpfte man jetzt die Crème der Kollektion ab, deren Löwenanteil 3200 Werke österreichischer Kunst ausmachen. Bereits vor mehr als 40 Jahren hatte der heute 75-jährige Unternehmer mit der heimischen Kunst begonnen. Von den Neunzigern an begann er gemeinsam mit seiner Ehefrau Agnes auch internationale Kunst zu erwerben, oft im musealen Großformat.

Auf vor allem deutsche Künstler setzte Christie’s jetzt bei der garantierten Auktion. Der Zeitpunkt war gut gewählt: London feiert zurzeit Sigmar Polke und Anselm Kiefer mit großen Ausstellungen. Gerhard Richter ist längst ein internationaler Star, auch am Aktionsmarkt.

Am Ende hatte der Auktionator Jussi Pylkkänen 46,8 Millionen Pfund (59,4 Millionen Euro) und damit die untere Erwartung von 40 bis 56 Millionen Pfund zusammengeklopft (das Endresultat rechnet das Aufgeld ein): Ein sehr solides, wenn auch nicht glänzendes Ergebnis, bei dem 91 Prozent nach Losen und 83 nach Wert Erfolg hatten. Ein Grund, dass die Bäume nicht vollends in den Himmel wuchsen, mag die Tatsache gewesen sein, dass europäische Käufer auf die Endsumme zusätzlich 20 Prozent Mehrwertsteuer zahlen müssen.

Von Gerhard Richter stammten das Hauptlos, aber auch der teuerste Verlierer. Sein farbstrahlendes „Netz“ von 1985 fing bei einer Schätzung von sieben bis zehn Millionen Pfund keinen ein. Erst kurz nach der Auktion wurde das Gemälde für 5,5 Millionen Pfund verkauft: Immerhin eine gute Investition, hatte Essl es doch 1994 bei Sotheby’s für 199.000 Pfund ersteigert.

Auktionsrekord für Baselitz-Skulptur

Dafür setzten sich Richters vierteilige fotorealistische „Wolken“ von 1970 mit 6,2 Millionen Pfund und damit mitten in der Erwartung an die Spitze. 1997 hatte der Sammler nur ein Zehntel investiert. Mit fünf Arbeiten von Sigmar Polke wurde der Markt mit dem bisher größten Auktionsangebot des deutschen Malers getestet. „Indianer mit Adler“, eine Arbeit von 1975, animierte zu 5,1 Millionen Pfund (erheblich über der Schätzung von zwei Millionen Pfund) und blieb damit knapp unter seinem bisherigen Auktionsrekord. „Für den dritten Stand bleiben nur noch die Krümel“ von 1997 wurde auf 4,3 Millionen hochgetrieben (Taxwert 2,5 bis 3,5 Millionen Pfund).

In einen der vier Rückgänge reihte sich ein vielteiliges Werk von Martin Kippenberger, während eines seiner großen Selbstbildnisse bei 2,8 Millionen Pfund die Erwartung erfüllte. Mit einem drei Meter hohen, roh behauenen und farbig bemalten Holzriesen konnte Baselitz an diesem Abend den einzigen Rekord verbuchen. Sein „Mann mit Mütze“ trägt ab jetzt dank 1,5 Millionen Pfund den Titel für die teuerste Skulptur des Künstlers in einer Auktion. Unter dem positiv aufgenommenen amerikanischen Angebot mit Morris Louis und Frank Stella brachte ausgerechnet Paul McCarthys lebensgroße, kinetische Skulptur eine rosa Schweins kein Glück.

Ob die Zukunft des vorerst gesicherten Museums dagegen eine glückliche wird oder ob der Sammlung Essl letzten Endes nur besagte „Krümel“ bleiben, wird sich erst noch zeigen. Vorerst soll der Betrieb weitergehen, doch weitere Verkäufe sind nicht ausgeschlossen.

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