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Frankreich fühlt sich von Europa ungerecht behandelt

Frankreichs Finanzminister Pierre Moscovici wehrt sich gegen die Kritik an seinen Sparbemühungen Frankreichs Finanzminister Pierre Moscovici wehrt sich gegen die Kritik an seinen Sparbemühungen
Frankreichs Finanzminister Pierre Moscovici wehrt sich gegen die Kritik an seinen Sparbemühungen
Quelle: AFP
Seit Wochen schießt sich EU-Kommissar Olli Rehn auf die französische Regierung ein und fordert härtere Reformen. Jetzt wehrt sich Finanzminister Pierre Moscovici mit überraschend scharfen Worten.

Frankreichs Finanzminister platzte der Kragen: „Hört auf, das Land schlechtzureden“, sagte Pierre Moscovici beim Treffen mit seinen europäischen Kollegen in Vilnius, sichtlich aufgebracht und bemerkenswert scharf. „Hört auf mit dieser Art von Frankreich-Bashing, als wären wir der kranke Mann Europas.“

Frankreich sei schließlich die zweitwichtigste Volkswirtschaft in der Euro-Zone, und auch Reformen packe das Land doch an, „um wieder die Führung zu übernehmen“, sagte Moscovici. „Man muss von Zeit zu Zeit einfach ein bisschen logisch bleiben.“

Was ist da los? Seit Wochen hat sich vor allem ein Mann auf Frankreich eingeschossen, der in Europa viel zu sagen hat – und schon qua Amt Überblick und Vergleich darüber, welches Land wie eifrig daran arbeitet, seine Strukturen zu modernisieren und zukunftsfest zu machen: Olli Rehn, für Wirtschaft und Währung zuständiger Vizepräsident der EU-Kommission. Kürzlich hatte er gesagt, die Steuerlast der Franzosen habe langsam „schicksalhafte“ Höhen erreicht und forderte Anstrengungen bei der Kürzung von Staatsausgaben.

Nun, beim Treffen der Euro-Finanzminister, erneuerte Rehn seine Kritik: „Es ist noch eine Menge zu tun, um nachhaltiges Wachstum und neue Jobs zu schaffen – eben das, was das französische Volk erwartet“, sagte er. Mehr, entschiedener, besser: Frankreich müsse „mehr tun, um seine Wettbewerbsfähigkeit wieder herzustellen und eine solide Basis für Wirtschaftswachstum und neue Jobs zu schaffen“.

Moscovici fühlt sich ungerecht behandelt

Rehn fürchtet, Europa mache es sich schon wieder bequem, anstatt Lehren aus der Krise zu ziehen. „Es ist überhaupt nicht die Zeit dafür, das Ende der Krise auszurufen“, sagte er. Zwar habe der Sommer Zeichen der Erholung gebracht, aber immer noch täten sich sowohl „Haushalte und Firmen vor allem in Südeuropa“ schwer. „Deswegen müssen wir Kurs halten und in machen Fällen auch noch beschleunigen mit den Reformen.“ Der Finne macht kein Geheimnis daraus, welchen Fall er etwa meint.

Moscovici findet das ungerecht. „Wir sind auf dem richtigen Weg“, sagte er, beharrte darauf, eine ganze Reihe von Dingen angepackt und umgesetzt zu haben, etwa eine Arbeitsmarkt- und Rentenreform. Moscovici schreibt der sozialistischen Regierung den Abbau des öffentlichen Defizits und Bemühungen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit gut. „Wenn das keine Reformen sind, was ist dann eine Reform?“

Zwar sieht der Haushaltsentwurf der Regierung für das kommende Jahr Einsparungen bei Staatsausgaben vor – das Defizit für das kommende Jahr aber wird dennoch deutlich über ursprünglichen Plänen liegen. Rehn kommentierte dies mit den Worten: „Die Frage ist immer, ob das Glas halb voll oder halb leer ist. Ich beziehe dazu keine Stellung.“

Jetzt zumindest nicht, später aber wird er es wohl tun: In diesem Herbst müssen die EU-Staaten zum ersten Mal der Kommission ihre Budgetansätze zur Prüfung vorlegen, bevor die Parlamente darüber entscheiden. Mitte November dann will sich Rehn dazu äußern, mit konkreten Empfehlungen für jedes einzelne Land.

Was ihn dabei leitet, verriet Rehn schon: „Selbstzufriedenheit ist ein Luxus, den wir uns absolut nicht leisten können“, sagte er. Und Moscovici? „Die von uns umgesetzten Reformen sind sehr beeindruckend und sehr stark“, sagte er, an jene gerichtet, die das anders sehen.

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