Newsticker
Schlagzeilen, Meldungen und alles Wichtige
Die Nachrichten heute: Newsticker, Schlagzeilen und alles, was heute wichtig ist, im Überblick.
Zum Newsticker
  1. Home
  2. Wirtschaft
  3. DVB-T-Abschaltung: Das Ende des Free-TV in Deutschland naht

Wirtschaft Fernsehen

Das Ende des Free-TV in Deutschland naht

Wirtschaftsredakteur
Digitales Fernsehen Digitales Fernsehen
Wer in Zukunft über Antenne fernsehen will, muss sich einen neuen Empfänger dafür anschaffen
Quelle: pa/dpa/dpaweb
DVB-T wird abgeschaltet, analoges TV verschwindet aus dem TV-Kabel, die Übertragung im Standard-Format wird eingestellt.
  • Im Frühjahr 2017 sind all jene betroffen, die ihre Sender über die DVB-T-Antenne empfangen. Sie brauchen neue Empfänger.
  • Beim digitalen Kabel zeigen alte TVs ohne Set-Top-Box kein Bild mehr. 2022 enden wohl auch SD-Sendungen über Satellit.
Warum das wichtig ist:
Wer die privaten Sender empfangen will, muss bald etwa 60 Euro im Jahr zahlen, die genaue Gebühr wird noch bekannt gegeben.
Mehr anzeigen

Deutschlands Fernsehzuschauer müssen sich in den kommenden Jahren gleich auf drei einschneidende Umstellungen einstellen: Zuerst wird das bisherige Antennenfernsehen DVB-T abgeschaltet und auf einen neuen Standard umgestellt. Dann verschwindet das analoge Fernsehen aus dem TV-Kabel. Und schließlich wird die Übertragung im Standard-Format eingestellt.

Damit stehen die Fernsehsender, Kabelnetz- und Satellitenbetreiber vor einem Kraftakt, bei dem sie mehrere Millionen Zuschauer von den Vorteilen der Umstellungen überzeugen müssen. Nicht zu handeln ist für die betroffenen Haushalte keine Option, denn dann kommt es für sie zum TV-Blackout.

Alte Antennen-Empfänger funktionieren bald nicht mehr

Wer ist betroffen? Von der ersten Umstellung im Frühjahr 2017 sind all jene betroffen, die heute ihre Sender über die DVB-T-Antenne empfangen. In 18 Ballungsräumen werden seit Anfang des Monats schon sechs Sender in der höheren HD-Auflösung über den Nachfolgestandard DVB-T2 übertragen. Schon jetzt könnten 55 Millionen Menschen in Deutschland das neue Antennen-Fernsehen empfangen.

Wie vor 90 Jahren die TV-Geschichte begann

Die gute alte Glotze hat Geburtstag: Am 26. Januar 1926 fand die erste geglückte Vorführung einer Bildübertragung statt. Den Grundstein legte der Deutsche Paul Nipkow mit seiner Lochscheibe.

Quelle: Die Welt

Im Frühjahr 2017 wollen die privaten Fernsehsender die Ausstrahlung über DVB-T komplett abstellen. 2019 ist dann auch für alle anderen Sender Schluss. Wer dann noch über Antenne fernsehen will, muss sich einen neuen Empfänger dafür anschaffen. Neuere Fernseher haben diese häufig schon eingebaut. Nach Branchenschätzungen sind das bereits mehrere Millionen TV-Geräte.

Fernsehzuschauer sehen dann in deutlich besserer HD-Bildqualität und dazu mehr Sender. Bis zu 40 Programme werden abhängig von der Region dann ausgestrahlt. Nachteil: Wer die privaten Sender empfangen will, muss ab Mitte 2017 etwa 60 Euro im Jahr zahlen, die genaue Gebühr wird noch bekannt gegeben.

Denn die privaten HD-Sender übertragen ihre Programme nur noch verschlüsselt. Wer nicht zahlt, kann auch nicht entschlüsseln. Damit ist die Zimmerantenne nicht mehr der für den Zuschauer billigste Übertragungsweg.

Kabel bald ohne analoges TV

Wer sein TV-Programm über das Fernsehkabel empfängt, muss sich dafür nicht interessieren. Mit einer Ausnahme: wenn die Sender in analoger Form empfangen werden. Das tun in Deutschland mehrere Millionen Zuschauer. Obwohl die Bildqualität der analogen Programme deutlich schlechter ist als die digitale Darstellung, wissen viele von ihnen gar nicht, dass sie analog fernsehen.

Die Digitalisierungsquote im deutschen TV-Kabel liegt bei durchschnittlich etwa 75 Prozent. Das bedeutet, dass ein Viertel der Kabelkunden analog unterwegs ist. Branchenschätzungen gehen sogar davon aus, dass dies eher ein Drittel aller Kabelkunden ist, weil in vielen Fällen Zweit- und Drittfernseher in Schlaf-, Gäste- und Kinderzimmern analog am Kabel angeschlossen sind.

Die Digitalisierungsquote im deutschen TV-Kabel hat sich seit 2013 stetig erhöht
Die Digitalisierungsquote im deutschen TV-Kabel hat sich seit 2013 stetig erhöht
Quelle: Infografik Die Welt

Das gilt vor allem für alle Röhrenfernseher, die ohne eine zwischengeschaltete Box am TV-Kabelanschluss hängen. Aber auch viele Flachbildfernseher zählen dazu, die zwar digitale Signale zeigen können, aber aus Unwissenheit der Nutzer nicht richtig eingestellt sind oder weil es ihnen schlichtweg nichts ausmacht.

Anzeige

Den Anfang vom Ausstieg machen Nordrhein-Westfalen, Hessen und Baden-Württemberg schon Ende Juni 2017, wenn Unitymedia die analoge Übertragung komplett abstellt. „Mit 85 Prozent Digitalisierung im Kabelnetz sind wir bestens vorbereitet, um als erster Netzbetreiber analoges Fernsehen abzuschalten“, sagte Unitymedia-Chef Lutz Schüler der „Welt“.

Um die Umstellung zu testen, legt Unitymedia den Hebel schon im September in Hanau bei Frankfurt um. „Schön, wenn andere uns dabei im Markt folgen“, sagt Schüler. „Die steigende Digital-TV-Nutzung sowie veränderte Sehgewohnheiten der Nutzer sorgen für Nachfrage nach weiteren digitalen Kapazitäten“, erklärt er seinen Vorstoß.

Vodafone wartet noch

Ist erst einmal auf digital umgestellt, zeigen die Röhrenfernseher ohne Set-Top-Box schlichtweg kein Bild mehr. Wer weitersehen will, muss sich entweder einen neuen Fernseher oder eine Box kaufen, die digitale Signale wieder in analoge umwandelt.

Der bundesweit größte TV-Kabelnetzbetreiber Vodafone, ehemals Kabel Deutschland, wird nach eigenen Angaben voraussichtlich erst 2018 komplett auf digital umstellen. Vodafone zögert vor allem, weil die Wohnungswirtschaft bei ihren Ausschreibungen analoges TV noch verlangt. Der Grund: Vermieter wollen ihren Mietern ohne jede Verschlüsselung und Set-Top-Box eine möglichst einfache Lösung bieten.

Im Unterschied zu Unitymedia konkurriert Vodafone in vielen Regionen noch mit anderen Netzbetreibern wie Tele Columbus um die Gunst der Wohnungswirtschaft. Da ist es kaum verwunderlich, dass auch Tele Columbus zögerlich bei der Umstellung ist.

„Wir werden uns mit dem Gedanken auseinandersetzten müssen, dass es nach dem Abschalttermin noch eine analoge Grundversorgung geben muss für jene, die das nicht mitmachen wollen“, sagte Tele-Columbus-Manager Stefan Beberweil in dieser Woche auf der TV-Kabelmesse Angacom, was in der Branche allerdings eher mit Kopfschütteln aufgenommen wurde.

Aus Free-TV wird Pay-TV

Ist das analoge Fernsehen erst einmal auf digital umgestellt, hat der TV-Zuschauer eine Verschnaufpause – bis zur nächsten Abschaltung. Die Sendergruppen ProSiebenSat.1 und RTL haben sich dem Bundeskartellamt gegenüber verpflichtet, bis 2022 ihre Programme in der Standard-Auflösung ohne Verschlüsselung zu übertragen.

Anzeige

Danach werden sie sehr schnell damit aufhören. Denn die HD-Ausstrahlung ist für sie eine lukrative Einnahmequelle, auf die sie nicht verzichten wollen. Schon heute müssen Zuschauer mit Satelliten-Empfang jährlich 60 Euro für den HD-Empfang der Privatsender bezahlen, HD+ heißt das Senderpaket bei ihnen. Ab Frühjahr 2017 gilt das auch für das DVB-T2-Antennenfernsehen, dort heißt das Paket dann FreenetTV.

Zuschauer müssen für den HD-Empfang der Privatsender bezahlen, ab Frühjahr 2017 gilt das auch für das DVB-T2-Antennenfernsehen
Zuschauer müssen für den HD-Empfang der Privatsender bezahlen, ab Frühjahr 2017 gilt das auch für das DVB-T2-Antennenfernsehen
Quelle: Infografik Die Welt

Nach Angaben von ProSiebenSat.1 empfangen derzeit 6,5 Millionen Satelliten-Nutzer den kostenpflichtigen HD+-Dienst, um die Privatsender in der hochauflösenden Qualität zu sehen. Ist der kostenlose Empfang im Kabel in der Standard-Auflösung erst einmal abgestellt, so die Hoffnung, ließe sich die Zahl noch deutlich steigern.

Spätestens 2022 dürften die Privatsender dann auch die SD-Ausstrahlung über Satellit stoppen, für die sie – neben der HD-Übertragung – zusätzlich an die Satellitenbetreiber zahlen müssen. Denn dann fällt auch dort die Verpflichtung gegenüber dem Bundeskartellamt.

Unter dem Deckmantel des technischen Fortschritts

Geht es nach der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF), könnte die SD-Abschaltung auch früher kommen. Aus Kostengründen drängt sie ARD und ZDF zu einer Abschaltung ihrer SD-Ausstrahlungen via Satellit zum Ende 2018. Dass dafür auch die Privatsender zeitgleich mitziehen müssten, ist auch der KEF bewusst.

Ihrer Meinung nach dürfte es aber im Interesse aller Programmanbieter liegen, die Kosten der SD-Ausstrahlung möglichst früh einzusparen. Sie hält eine Einigung der Sender mit dem Bundeskartellamt für möglich.

Damit hätten die Sender – spätestens 2022 – mithilfe der Infrastruktur-Betreiber eine erstaunliche Leistung erbracht: Unter dem Deckmantel des technischen Fortschritts hin zu einem schärferen Fernsehbild hätten sie aus dem deutschen Free-TV auf allen Übertragungskanälen ein Pay-TV gemacht.

Mehr aus dem Web
Neues aus der Redaktion
Auch interessant
Mehr zum Thema

Themen