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Ausland Bevölkerungswachstum

Der Krieg der Zukunft geht ums Wasser

Hitzewelle in Indien Hitzewelle in Indien
Ein kleiner Junge läuft über ein ausgetrocknetes Feld in der Nähe von Ranchi in Indien. Das Land ist besorgt, dass China den Brahmaputra, einen der größten Flüsse Asiens, umleiten ...könnte
Quelle: EPA/Str
Die Zahl der Menschen steigt rapide an. Gleichzeitig breiten sich wegen des Klimawandels Wüsten weiter aus, Gletscher schmelzen. Darum erwarten Experten Kriege um ein bald knappes Gut: Süßwasser.

Vor 20 Jahren wurde ein israelischer Armeeplaner gefragt, ob Streit um Süßwasser ein Auslöser des Libanonkrieges 1982 gewesen sei. Er antwortete: "Warum sollte man wegen Wasser in den Krieg ziehen? Für den Preis einwöchiger Kämpfe könnte man fünf Entsalzungsanlagen bauen."

Seit Jahrtausenden kämpfen Staaten um seltene Rohstoffe wie Gold, Öl und Diamanten. Wasser spielte dagegen als Kriegsgrund höchstens eine untergeordnete Rolle. Doch das könnte sich bald ändern. In diesem Frühjahr kam eine Studie im Auftrag des US-Außenministeriums zu dem Ergebnis, dass die Gefahr von Wasserkriegen mittelfristig deutlich zunehmen wird. Schuld an dieser Entwicklung sind vor allem zwei Faktoren: Bevölkerungswachstum und Klimawandel.

Die Vereinten Nationen schätzen, dass die Weltbevölkerung bis zum Jahr 2040 von derzeit etwa sieben Milliarden Menschen auf knapp neun Milliarden anwachsen wird. Dann würden die Süßwasservorkommen der Erde nur noch 70 Prozent des Bedarfs decken. Durch Klimawandel bedingte Gletscherschmelze und Ausbreitung von Wüsten könnten mehreren Studien zufolge zudem ausgerechnet in dicht besiedelten Regionen zu Wasserknappheit führen. Mit anderen Worten: Wasser wird ein seltener, wertvoller Rohstoff wie Gold, Öl und Diamanten – und um die werden Kriege geführt.

Gefahr vor allem im Nahen Osten

Was gegen Dürre in der Sahelzone helfen kann

In Burkina Faso leiden fast 80 Prozent der Einwohner unter den Folgen von Klimawandel und Abholzung. In der Sahelzone herrscht Dürre. Doch einige Bewohner haben gelernt, was sie tun können.

Quelle: zebramotion

"In den vergangenen Jahren hat die Gefahr eines Wasserkrieges vor allem im Nahen Osten und in Südasien zugenommen", sagt der Konfliktforscher Ashok Swain von der schwedischen Universität Uppsala. Israel streitet sich seit Jahrzehnten mit seinen Nachbarstaaten und den Palästinensern um das Frischwasser des Jordanbeckens. Obwohl die Verteilung des Wassers im Osloer Friedensvertrag von 1994 formell geregelt werde, bezichtigen sich beide Seiten gegenseitig, zu viel Wasser zu verbrauchen.

Doch das größte Konfliktpotenzial in der Region liegt an den Flüssen Euphrat und Tigris. Die türkische Regierung plant im Südosten des Landes den Bau von 22 Staudämmen für Bewässerung und Stromerzeugung, neun von ihnen sind bereits fertiggestellt. Der flussabwärts gelegene Irak ist darüber wenig erfreut. "Die türkischen Staudämme haben den Fluss des Euphrats und Tigris stark eingeschränkt", sagt Swain.

"Aufgrund innenpolitischer Probleme konnte sich der Irak bislang nicht ernsthaft dagegen zur Wehr setzen. Doch sobald in Bagdad wieder stabilere Verhältnisse herrschen, rückt ein Konflikt mit der Türkei näher."

Äthiopien bewässert mit Nilwasser

Ägypten drohte Äthiopien bereits in der Vergangenheit mit Krieg wegen des Nilwassers
Ägypten drohte Äthiopien bereits in der Vergangenheit mit Krieg wegen des Nilwassers
Quelle: Welt infografik/Welt infografik

Die Situation am Nil ist ähnlich. Das chronisch dürregeplagte Äthiopien startete vor Kurzem erstmals Bewässerungsprojekte mit Nilwasser. In der Vergangenheit hatte Ägyptens ehemaliger Machthaber Husni Mubarak für diesen Fall immer mit Krieg gedroht: Jede Begrenzung des Nilflusses würde Ägypten "zur Konfrontation drängen, um unsere Rechte und unser Leben zu verteidigen".

Solange Kairo mit innenpolitischen Problemen kämpft, braucht sich Addis Abeba keine Sorgen zu machen. Doch sobald die ägyptischen Machtkämpfe beendet sind, wird eine Eskalation des Streits wahrscheinlich. 30 Prozent der Ägypter leben von der Landwirtschaft, die ohne das Wasser des Nils unmöglich wäre.

Auch Pakistans Landwirtschaft hängt an einem einzigen Fluss: dem Indus. Daher versucht die Regierung in Islamabad mit aller Macht, den Erzfeind Indien am Bau hydroelektrischer Staudämme flussaufwärts zu hindern, bislang ohne Erfolg. Vor allem der im Bau befindliche Baglihar-Damm erhitzt die Gemüter. Islamistische Terroristen drohen mit Sprengstoffanschlägen auf das Projekt. Vor zwei Jahren kündigte der Extremist Abdur Rehman Makki an, er werde einen "Fluss voller Blut" freilassen, falls Indien den Indus blockieren sollte.

China baut riesige Staudämme

China verfügt nur über acht Prozent der weltweiten Süßwasservorräte
China verfügt nur über acht Prozent der weltweiten Süßwasservorräte
Quelle: Welt infografik/Welt infografik
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Weiter östlich wird Chinas Durst nach Flusswasser zunehmend zu einem Problem. Das Land beherbergt 20 Prozent der Weltbevölkerung, hat aber nur acht Prozent der weltweiten Süßwasservorräte. Um seine rapide wachsende Industrie mit Strom zu versorgen, verfolgt Peking im Rahmen des derzeitigen Fünfjahresplans die umfangreichsten Dammbauten, die je ein Land vorgenommen hat. 140.000 Megawatt sollen die neuen hydroelektrischen Staudämme an den Flüssen Mekong, Salween und Brahmaputra generieren, so viel Wasserkraft produzieren die USA und Kanada zusammen.

Die flussabwärts gelegenen Länder beobachten dies mit Sorge. Vietnam fürchtet, dass die Dämme den Fluss des Mekongs beschränken könnten, und Indien sieht die Wasserversorgung seiner wachsenden Bevölkerung durch die chinesischen Dämme am Fluss Brahmaputra in Gefahr.

"Wasser ist der neue Keil zwischen Indien und China", sagt der Konfliktforscher und ehemalige Berater der indischen Regierung, Brahma Chellaney. "Chinas exzessive Dammbauprojekte gefährden die Interessen aller flussabwärts gelegenen Staaten. Doch kein Land wird wohl ein größerer Verlierer sein als Indien, denn der größte Anteil an chinesischem Flusswasser fließt dorthin weiter."

Indien ist besorgt

So ist die Lage in Indien und den angrenzenden Staaten
So ist die Lage in Indien und den angrenzenden Staaten
Quelle: Welt infografik/Welt infografik

Seit mehreren Jahren zirkulieren in Peking Pläne, den Brahmaputra, einen der größten Flüsse Asiens, so umzuleiten, dass er nicht mehr nach Indien fließt, sondern stattdessen die Felder in China bewässert. Technisch ist das schwer umsetzbar, denn für die Schaffung eines neuen Flussbetts müssten ganze Berge beseitigt werden. Dies ist bislang nur mit nuklearen Explosionen möglich. Indiens Premier Manmohan Singh ist dennoch so besorgt, dass er die chinesische Führung immer wieder mit dem Problem konfrontiert. Bislang beteuert Peking, die Pläne nicht umsetzen zu wollen.

Das Konfliktpotenzial am Brahmaputra wird dadurch verschärft, dass kein Vertrag die Verteilung des Wassers zwischen den Staaten regelt. An Nil, Jordan und Indus gibt es solche Abkommen, in manchen Fällen haben sie die internationalen Spannungen merklich verringert. Doch ihr Nutzen könnte in Zukunft sinken. "Der Klimawandel verändert die Menge an Wasser in Flüssen dramatisch", sagt Ashok Swain, "doch die Verträge berücksichtigen dies nicht."

Die veralteten Abkommen könnten so zu einer möglichen Ursache von Konflikten werden. Zudem bleibt selbst bei einer vertraglich geregelten Aufteilung von Süßwasser immer die Angst, dass das stromaufwärts gelegene Land eines Tages den Vertrag einfach aufkündigt und den Fluss gänzlich stoppt. Es ist daher nicht überraschend, dass die Studie des US-Außenministeriums am Nil wie am Brahmaputra zunehmende internationale Spannungen erwartet.

Angola gibt Anlass zur Hoffnung

Doch es gibt auch Anlass zur Hoffnung. Anton Earle vom Stockholmer Internationalen Wasserinstitut (SIWI) arbeitete mehrere Jahre für eine Kommission, die Staaten des Okavango-Beckens im südlichen Afrika bei der Aufteilung des Wassers aus dem gleichnamigen Fluss berät. Nach dem Ende des Bürgerkrieges in Angola im Jahr 2004 begann das Land mit der Planung von Staudämmen und Bewässerungsprojekten. "Dies löste im flussabwärts gelegenen Botswana große Ängste aus", sagt Earle. "Teile der Bevölkerung forderten, Angola zu bombardieren."

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Doch stattdessen begannen die Staaten des Flussbeckens, im Rahmen einer gemeinsamen Organisation zu kooperieren. "Angola verzichtete darauf, Dämme ohne Rücksprache zu bauen und stimmte stattdessen grenzübergreifenden Machbarkeitsstudien zu", sagt Earle. Er sehe die Zukunft dieser Zusammenarbeit sehr optimistisch.

Doch solche positiven Beispiele sind selten, und weltweit deutet alles auf zunehmende Spannungen hin. "Es ist schwer zu sagen, wann der nächste Wasserkrieg ausbrechen könnte", sagt der Konfliktforscher Swain. Ein Meinungsstück der pakistanischen Zeitung "Nawa-i-Waqt" lässt befürchten, dass es nicht mehr lange dauern wird. "Pakistan sollte Indien klarmachen, dass ein Krieg um Wasser möglich ist", hatte sie geschrieben. "Und dieses Mal wird es ein Atomkrieg sein."

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