Die Integrationsaktivistin Ferda Ataman hat die Befürchtung geäußert, dass Corona-Patienten mit Migrationshintergrund im Falle einer Knappheit an Beatmungsgeräten benachteiligt werden könnten.
Am Montag schrieb die Sprecherin der „Neuen Deutschen Organisationen“ auf Twitter: „Ich habe irgendwie eine Ahnung, welche Bevölkerungsgruppen in Krankenhäusern zuerst behandelt werden, wenn die Beatmungsgeräte knapp werden.“ Damit bezog sich Ataman auf eine Aussage des Duisburger Politikwissenschaftlers Ismail Küpeli, der zuvor auf seinem Kanal geschrieben hatte: „Ich habe irgendwie eine Ahnung, welche Bevölkerungsgruppen bei dieser faktischen Ausgangssperre sehr häufig kontrolliert und immer wieder Stress bekommen werden.“
Die Neuen Deutschen Organisationen sind ein Zusammenschluss von rund 100 Migrantenverbänden. Ataman schreibt zudem für den „Spiegel“ sowie Bücher zu Integrationsthemen. Auch ist sie Mitbegründerin und Co-Sprecherin der „Neuen Deutschen Medienmacher“, eines Interessenverbandes für Journalisten mit Migrationshintergrund. Zuvor war sie etwa Referentin des damaligen NRW-Integrationsministers Armin Laschet (CDU) und Referatsleiterin für Öffentlichkeitsarbeit in der Antidiskriminierungsstelle des Bundes.
Die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin wies die Befürchtungen einer Priorisierung bestimmter Bevölkerungsgruppen als unbegründet zurück. Auf Anfrage von WELT antwortete eine Sprecherin: Die Mediziner gingen nach „rein medizinischen Kriterien“ vor.
Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Renate Künast entgegnete auf Atamans Tweet: „Ich verstehe die grundsätzliche Sorge! Bin aber trotzdem der Ansicht, dass es bei unseren Ärzten und Ärzten immer und nur um das Kriterium Lebenschancen geht.“
Scharfe Kritik übte der Integrationsforscher Ruud Koopmanns auf Twitter: Ataman sei „eine Hasspredigerin, die sich wirklich für keine, sei sie noch so schäbige Unterstellung schämt“, schrieb der am Berliner Wissenschaftszentrum für Sozialwissenschaften forschende Professor.
WELT fragte bei Ataman nach, ob sie tatsächlich fürchte, dass Ärzte nach ethnischen Kriterien Corona-Patienten priorisierten, oder ob ihr Tweet nur rasch im Affekt abgesetzt worden sei.
Sie antwortete darauf per E-Mail: „Mir liegt es fern, die großartige Arbeit von Ärzten und Pflegern unter Generalverdacht zu stellen. Doch viele Menschen aus Einwandererfamilien treibt die Angst vor Rassismus um, auch in der Corona-Krise. Sie denken darüber nach, welche Folgen institutioneller Rassismus in einem drohenden Ausnahmezustand haben kann. Darauf wollte ich hinweisen. Ich bedauere, wenn das missverstanden wurde.“
Es ist nicht das erste Mal, dass Ataman, die regelmäßige Teilnehmerin des Integrationsgipfels der Bundesregierung ist, wegen kontroverser Aussagen in der Kritik steht. Beispielsweise, weil sie regelmäßig Deutsche ohne Migrationshintergrund als „Kartoffeln“ bezeichnet. 2018 hatte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) seine Teilnahme am zehnten Integrationsgipfel wegen der Teilnahme Atamans abgesagt.
Diese hatte kurz zuvor für eine „taz“-Beilage der Amadeu-Antonio-Stiftung mit Blick auf Seehofer geschrieben: „Politiker, die derzeit über Heimat reden, suchen in der Regel eine Antwort auf die grassierende ,Fremdenangst‘. Doch das ist brandgefährlich. Denn in diesem Kontext kann Heimat nur bedeuten, dass es um Blut und Boden geht.“ Seehofer fühlte sich in die Nähe der nationalsozialistischen Ideologie gerückt, sodass der Gipfel erstmalig ohne Innenminister stattfand.
Vor Journalisten, die Seehofer damals fragten, warum er ferngeblieben sei, hatte er damals nur eine Kopie des Kommentars von Ataman hervorgeholt und gesagt: „Blut und Boden. Mich damit in Verbindung zu bringen.“