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Neue Belege: Grippe-Impfung wirkungslos

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Ein britischer Immunologe stellt die gängige Praxis infrage. Er meint, die Spritzen nützen nichts oder wenig. Studien stützen seine These.

Macht es Sinn, sich gegen Grippe zu impfen? Nein - sagt der britische Immunologe Tom Jefferson. Eine Influenza-Impfung habe keine oder fast keine Wirkung, weltweit sei jedenfalls keine belastbare Studie zu finden, die das Gegenteil belege. Jefferson leitet bei der internationalen Cochrane-Vereinigung in Rom den Fachbereich "Impfungen". In der letzten Ausgabe des Fachmagazins British Medical Journal hat er seine Zweifel an den herbstlichen Impfkampagnen der Vereinten Nationen zusammengefasst.

Tom Jefferson hat "systematische Reviews" ausgewertet, das sind Übersichtsarbeiten, die Forscher auf der ganzen Welt zum Thema Influenza-Impfung zusammengetragen haben. "Die Studien sind alle von bedrückend schlechter Qualität", kritisiert der Mediziner. "Die meisten Studien sind viel zu klein, um aussagekräftig zu sein", sagt Jefferson, "meistens werden Gruppen bis zu 300 Menschen untersucht, das ist statistisch nicht relevant."

Dass die Spritze besonders ältere Menschen über 65 schützen könne, sei wissenschaftlich nicht haltbar, sagt Jefferson. Die jüngste Studie dazu wurde 2004 verfasst. Ihr Fazit: Wenn 302 Menschen über 60 Jahre geimpft würden, lasse sich ein Todesfall verhindern, berechneten die Epidemiologen (JAMA, Bd. 292, S. 2089, 2004). Eine jährliche Auffrischung reduziere die Sterblichkeit sogar noch weiter.

Derartige Studien sieht auch Professor Hans-Dieter Klenk skeptisch. Er ist Leiter der Virologie und Influenza-Experte an der Universität Marburg: "Um aussagekräftig zu sein, muss man mindestens 1000 Probanden haben", sagt Klenk.

Für Hans-Hermann Dubben reicht selbst das nicht. "Um herauszufinden, ob eine Grippeschutzimpfung hilft, müsste man mindestens 100 000 Menschen untersuchen und zwar weltweit", sagt Dubben. Der Professor für Allgemeinmedizin lehrt an der Universität Hamburg und hat viele Bücher über Irrtümer in der Wissenschaft geschrieben. "Eine derartige Großstudie wäre natürlich extrem aufwendig, aber alles andere sind Laborversuche, die kaum belastbar sind."

Dubben hat sich viele wissenschaftliche Studien aller Disziplinen angeschaut, die meisten sieht er skeptisch. "Besonders bei Sponsoren aus der Industrie ist der Druck groß, ein positives Ergebnis zu bekommen", sagt Dubben. "Welcher Uni-Forscher kann schon widerstehen, für einen großen Pharmakonzern zu publizieren?" Die Sponsoren der Influenza-Impfstudien sind laut Immunologe Jefferson etwa zu gleichen Teilen in den Gesundheitsbehörden und der Industrie zu finden. Für ihn zählt der Impfstoff-Markt zu einem der größten in der Medizin. In Deutschland ist er milliardenschwer. In Deutschland gab das Frankfurter Paul-Ehrlich-Institut diesen Herbst etwa 23 Millionen Dosen frei. Eine Spritze kostet zurzeit zwischen acht und 21 Euro, dazu kommen die Arztkosten, pro Patient etwa 5,60 Euro. 2005 ließen sich laut Angaben der Arbeitsgemeinschaft Influenza 20,1 Millionen in Deutschland gegen die Grippe impfen.

Die Impfung gegen Influenza hat einen mächtigen Haken, das ist unter Experten unumstritten: Sie ist nicht zuverlässig. "Selbst Geimpfte können krank werden und sterben", sagt Alexander Kekulé, Virologe und Mikrobiologe von der Universität Halle-Wittenberg. Die Viren verändern sich ständig, entsprechend stellen die Institute und Konzerne Jahr für Jahr einen neuen Impfcocktail zusammen.

Vergangenes Jahr hat die Impfempfehlung der WHO nichts gebracht: ihre Prognose war katastrophal. Die Experten hatten einen Feldzug der Viren Typ "Influenza B/Yamagata" prophezeit. Statt dessen fiel ein anderer Erreger über Deutschland her: "Influena-B/Victoria". Ausreichend geimpft war also niemand, heftiger als sonst schlug das Virus dennoch nicht zu.

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