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Wissenschaft Tod am Kreuz

So qualvoll starb Jesus wirklich

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Quelle: akg
Der Tod durch Kreuzigung kam spät, schmerzhaft und blutig. Gestützt auf historische Quellen, archäologische Funde und medizinische Erkenntnisse ist es heute möglich, die grausameste aller Todesstrafen detailgenau zu rekonstruieren. WELT ONLINE räumt mit zehn Mythen rund um die Kreuzigung von Jesus Christus auf.

Aufständische wurden gekreuzigt

Kreuzigen war eine in der Antike verbreitete und gängige Hinrichtungsart. Sie wurde im Orient und im Römischen Reich vor allem gegen entlaufene oder rebellische Sklaven verhängt. Bekanntestes Beispiel sind der aufständische Sklavenheerführer Spartakus und 6000 seiner Anhänger, die 71 v. Chr. entlang der Via Appia hingerichtet wurden. Danach wurde diese Form der Todesstrafe auch gegen Nichtrömer angewandt, um durch diese Art des Sterbens Beobachter zu demütigen, einzuschüchtern und abzuschrecken. So war die Kreuzigung eine politische Strafe zur Sicherung und Aufrechterhaltung der „Pax Romana“.

Keine typisch römische Strafe

Diese Form der Strafe hat sich aus dem Aufhängen entwickelt und wurde zuerst durch die Phönizier bekannt. Über die Phönizier gelangte diese Hinrichtungsmethode ins Zweistromland und nach Persien. Hier wurde der Verurteilte nur festgebunden, aber noch nicht genagelt. Das Annageln wurde dann im Makedonischen Großreich häufig praktiziert. Nun wurden auch besondere Richtplätze für diese Exekutionsart geschaffen – meist auf einem Berg oder Hügel. Man benutzte dafür eigene Pfähle. So ließ Alexander der Große 332 v. Chr. bei der Eroberung von Tyros etwa 2.000 Menschen hinrichten. Die Römer übernahmen dann diese Art der Vollstreckung.

Jesus beging ein Staatsverbrechen

Anders sah das der Präfekt Pilatus als oberster Vertreter der römischen Besatzungsmacht in der Provinz Judäa. Für ihn war Jesu religiöser Messiasanspruch ein politischer Anspruch und damit ein Staatsverbrechen: Jesus hatte die Herrschaft über die Juden angestrebt und damit jenes Privileg des römischen Kaisers angegriffen, dass nur er allein Könige ein- und absetzen durfte. Mit der demonstrativen Hinrichtung am Passahfest wollte Pilatus zum einen die Messiaserwartung aller Juden treffen, zum anderen sie von Aufständen abschrecken.

Jesus starb an einem T-Gerüst

Die Römer verwendeten zu Anfang häufig ein Balkendreieck, Furca (Forke) genannt. Es wurde dem Verurteilten um den Hals gehängt, um dann seine Arme an den Schenkeln festzubinden und ihn in dieser Haltung auszupeitschen. Anschließend wurde die Furca an einen eingerammten Pfahl gehängt. Später wurde sie durch einen einfachen Querbalken (Patibulum) ersetzt, der am oberen Ende des Pfahls (Stipes) in einer Kerbe angebracht wurde. Auf diese Weise bekam dieses Marter- und Hinrichtungswerkzeug die Form des heutigen Buchstaben „T“. Es gibt archäologische Belege, nach denen Jesus an einem solchen Kreuz hingerichtet wurde.

Kreuzigen war extrem blutig

Die vorangegangene Geißelung mit 40 Schlägen durch eine Lederriemenpeitsche (Flagrum), deren Enden mit Knochen- oder Eisenstücken versehen waren, hatte in den Schultern, dem Rücken und Beinen tiefe Wunden hinterlassen. Der Körper des Hinzurichtenden hatte sich in eine blut- und hautfetzenverkrustete Masse verwandelt, die durch das mehrmalige Stürzen auch noch mit Schmutz bedeckt war. Ferner waren die Kreuzbalken meist roh und nicht fachmännisch behauen oder gar gehobelt.

Jesus trug nur den Querbalken

Das Tragen des Kreuzes vom Gefängnis zur Hinrichtungsstätte wäre vom Gewicht her unmöglich gewesen. Der Verurteilte trug nur den Querbalken, das Patibulum, was aber nach den vorangegangenen Torturen nur unter größter Kraftanstrengung zu bewältigen war. Das geschah jedoch nicht über eine der Schultern, wie man einen Pfosten trägt, sondern festgebunden über beide. Dem Zug voraus getragen wurde eine roh gezimmerte Holztafel (Titulus) oder ein Zeichen, welches das Verbrechen angab. Es wurde später mit einem Stab oberhalb des Kopfes angenagelt.

Ein Nagel für zwei Beine

Die Nägel wurden nicht durch die Handflächen getrieben, sondern zwischen den kleinen Knochen der Handgelenke. Nägel durch die Handflächen reißen zwischen den Fingern aus, wenn sie das Gewicht des Körpers halten. Die Handflächen wurden nur genagelt, wenn die Handgelenke am Balken festgebunden wurden, um weitere Schmerzen beim Bewegen der Hände zu verursachen. Tatsächlich war auch diese Form der Kreuzigung Jesu möglich, die Passionsberichte geben darüber keine Details. Meist wurden die Delinquenten von den Römern überhaupt nicht genagelt. Von den Wunden ist erst in der Geschichte vom ungläubigen Thomas die Rede.

Die überkreuzten Beine konnten mit einem Nagel durch den Span befestigt werden, wenn ein schräges Brett (Suppedaneum) zusätzlichen Halt gab. Eine andere Methode war das Annageln durch die Fußwurzel nahe dem Knöchel oder durch das Fersenbein, wenn die Beine rechts und links am Pfahl angelegt wurden. Ferner wurde am senkrechten Kreuzbalken in Höhe des Gesäßes ein kleines Sitzbrett (Sedile), befestigt, so dass der Todeskandidat seine Arme entlasten konnte. Das erleichterte das Atmen, verlängerte aber die Qualen.

Es gab keine Sonnenfinsternis

Alle Evangelisten berichten übereinstimmend, dass, während Jesus am Kreuz starb, sich von der 6. bis 9. Stunde eine Finsternis über das Land senkte. Nach unserer Tageszeitrechnung wäre das die Zeit zwischen 12 und 15 Uhr. Allein Lukas wird etwas genauer, indem er davon spricht, dass die Sonne ihren Schein verlor. Da die Kreuzigung am Tage vor dem Passahfest erfolgte und Passah immer mit dem Vollmond zusammentraf, konnte eine Sonnenfinsternis keinesfalls eintreten – findet sie doch immer nur bei Neumond statt. Somit ist nur eine Mondfinsternis denkbar, die aber in den genannten Stunden als unmöglich gelten muss. Erschwerend kommt hinzu, dass es über das genaue Kreuzigungsdatum keine einheitliche Auffassung gibt. Sicher ist nur, dass es in die Amtszeit des Pilatus zwischen 26 und 36 n. Chr. fallen muss. Unter Berücksichtigung aller kalendarischen Verschiebungsregeln und Heranziehen antiker astronomischer Aufzeichnungen kristallisieren sich zwei Daten heraus: Mittwoch, der 25. April 31, wo der Mond zu 35 Prozent verfinstert war und Freitag, der 3. April 33 mit einer 60-prozentigen Mondverfinsterung.

Nach Jesus’ Tod bebte die Erde

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Das bei Matthäus beschriebene Erdbeben, bei dem sich Felsen spalteten und Gräber öffneten, ist durchaus möglich. Denn der Kreuzigungsort liegt im Bereich des Jordangrabens, einer tektonisch instabilen Zone. Verschiebungen der Krustenplatten führen hier immer wieder zu Erdbeben. Sie können durchaus die beschriebenen Folgen haben. Es ist also tatsächlich möglich, dass die Schilderung des Evangelisten Matthäus korrekt ist. Nicht auszuschließen ist gleichwohl, dass Erzähler und Geschichtsschreiber einer Tendenz zur „Verformung“ erlegen sind. Nicht selten werden spektakuläre Naturphänomene mit großen geschichtlichen Vorgängen, wie dem Tod einer bedeutenden Person, synchronisiert.

Tod durch Kreislaufkollaps

Der Tod am Kreuz trat üblicherweise nach einem Tag durch Ersticken oder Kreislaufkollaps ein. Durch Brechen der Unterschenkel, um das Abstützen mit den Beinen zu unterbinden, konnte der Tod schneller herbeigeführt werden. Bei den Mitgekreuzigten verfuhr man so. Bei Jesus, der nach nur dreistündigem Todeskampf starb, unterließ man es allerdings. Bei der Grablegung von Jesus sollen Aloe und Myrrhe verwendet worden sein. Da diese Kräuter normalerweise eher zur Wundbehandlung verwendet wurden, gab es Spekulationen, dass Jesus die Kreuzigung möglicherweise in tiefer Ohnmacht überlebt haben könnte. Diese könnte durch eine Flüssigkeit mit gelöstem Opium hervorgerufen worden sein, die man ihm am Kreuz verabreicht haben könnte. Auf diese Weise haben manche (ungläubige) Forscher die Auferstehung Christi zu erklären versucht. Ob Jesus indes zwei Tage nach seiner Kreuzigung tatsächlich von den Toten auferstanden ist, wird sich wissenschaftlich niemals beweisen oder widerlegen lassen. Es bleibt eine zentrale Glaubensfrage, die Grundlage für das ganze Christentum ist.

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