1.400 Tote im Vorjahr: Mediziner warnen vor kommender Grippe

1.400 Tote im Vorjahr: Mediziner warnen vor kommender Grippe
"Wir sehen, wie Patienten leiden oder Menschen sterben, die leben könnten", beklagt ein Arzt. Impfen rette Leben.

"Wenn ich in Österreich noch eine existierende Seuche benennen müsste", sagt der Grazer Kindermediziner Werner Zenz, "dann wäre das die Influenza". Er greife deshalb zu diesem starken Begriff ("Seuche"), weil jedes Jahr jedes 10. Kind und jeder 20. Erwachsene an der Grippe erkranke.

Auch andere Zahlen sind alarmierend: 1.400 Österreicher starben im vergangen Winter "nicht durch, aber mit der Influenza", sagt Zenz. 2017 war die Welle noch stärker: 2.800 Österreicher ließen ihr Leben. Zum Vergleich: Verkehrstote gibt es jährlich rund 400.

Mehrheit der Todesfälle vermeidbar

"Die Mehrheit der Todesfälle wären vermeidbar", sagt Zenz. Es bräuchte auch drei Viertel weniger stationärer Aufenthalte, wenn sich die Menschen impfen lassen würden. Derzeit liegt die Durchimpfungsrate bei Kindern bei drei bis vier Prozent, insgesamt liegt sie bei rund fünf Prozent.

1.400 Tote im Vorjahr: Mediziner warnen vor kommender Grippe

Der Grazer Kindermediziner Erwin Zenz

Besonders bei Kindern sei eine Impfung wichtig. Zum einen, weil die Hälfte der zuletzt verstorbenen Kinder in Österreich keine "Grundkrankheit" hatte. Also: Die Influenza hat an sich gesunden Kindern das Leben genommen. Außerdem hätten Auswertungen gezeigt, dass Kinder die Krankheit in die Familien tragen. Oft seien Kinder von der Krankheit schon vor dem Beginn einer Welle betroffen.

Impfung der Kinder schütze auch alte Familienmitglieder

"Wir haben gesehen, dass man ältere Bevölkerungsschichten am besten schützt, wenn sich ihre (Enkel-)Kinder impfen lassen", sagt Zenz.

Speziell bei Patienten mit chronischen Lungenerkrankungen und Herzerkrankungen habe die Influenza gefährliche Auswirkungen. Durch die Infektion steige das Risiko eines Herzinfarkts um das bis zu Zehnfache und das Schlaganfall-Risiko um das bis zu Dreifache. So zitiert Holger Flick, Leiter der Lungenabteilung der Uniklinik Graz, aus jüngeren Studien.

Nicht impfen "hochgradig unvernünftig und grob fahrlässig"

Sich nicht impfen zu lassen, sei in diesen Patientengruppen "hochgradig unvernünftig und grob fahrlässig", findet Flick starke Worte.

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"Wir sehen, wie Patienten leiden oder Menschen sterben, die leben könnten", sagt auch Robert Krause, ebenfalls von der Grazer Uniklinik.

Gründe für das Unterschätzen

Warum wird nach all diesen Zahlen und wissenschaftlichen Erkenntnissen so wenig geimpft? Warum sterben so unnötig so viele Menschen? "Das ist eine schwierige Frage", antwortet Zenz. Es liege aber zum einen daran, dass viele Menschen eine Influenza ("echte Grippe") nicht von einem grippalen Infekt unterscheiden können. Sie würden die Symptome bzw. deren Folgen unterschätzen.

Ein anderer Grund sieht Zenz in der Grippe-Pandemie 2009: "Da wurde viel Vertrauen zerstört, viel Schaden angerichtet." Damals wurde großflächig vor der Grippe gewarnt, schlussendlich passierte – zum Glück –  nicht viel. Die Nebenwirkungen seien aber in den Vordergrund gerückt und viele Prominenten hätten zum Boykott der Impfung aufgerufen.

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Die Zahlen geben Zenz Recht: Während 2006 sich noch 1,2 Millionen Impfstoffe ausgegeben wurden, waren es 2018 nur 550.000 (siehe Grafik). Es dürfe nicht um Verschweigen von Informationen oder um Zwang gehen, meint Zenz, "aber ich werde bis zu meiner Pensionierung daarn appelieren, sich impfen zu lassen." Die Influenza-Impfung sei kein Wundermittel. Aber:"Eine Seuche um 50 Prozent zu reduzieren, ist doch eine super Sache", sagt Zenz.

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